Vor der Baumschattenwand nachts - Peter Handke - E-Book

Vor der Baumschattenwand nachts E-Book

Peter Handke

4,2

Beschreibung

Kaum ein zweiter Autor hat in den letzten Jahrzehnten die Welt mit so viel Aufmerksamkeit angeschaut wie Peter Handke; und diese Aufmerksamkeit ist Wahrnehmung, die gelten lässt. Sie muss nicht mehr in Sprache übertragen werden, denn sie ist Sprache, der Blick ist das Wort, in dem das Gesehene sich tatsächlich wahrgenommen fühlt.Immer wieder gelingt es diesem Dichter die Welt so darzustellen, dass sie zur Geltung kommt und sie sich und wir sie erkannt wissen, und immer schon ist ihm das in besonderer Weise in seinen Notiz- und Tagebüchern gelungen. In denen der Jahre nach der Jahrtausendwende hat Peter Handke sich zunehmend darauf eingelassen, seine Beobachtungen in aphoristischen Formulierungen zu bündeln, die für den Leser Anstöße in offenes Gelände sind, wo er im "Karawanenzug der Sätze" der Welt auf ungewohnte und erfrischende Weise begegnet.

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Vor der Baumschattenwand nachts

© 2016 Jung und Jung, Salzburg und WienUmschlaggestaltung unter Verwendung einer Fotografievon Sophie SeminAlle Rechte vorbehaltenDruck: Theiss GmbH, St. Stefan im LavanttalISBN 978-3-99027-083-7

PETER HANDKE

Vor der Baumschattenwand nachts

Zeichen und Anflüge von der Peripherie2007–2015

dem Koppenfelsischen Scheunengiebel

(7. Februar 2016)

„Andere werden von wichtigen Dingen Nachricht gegeben haben; indessen ich in meinem beschränkten Kreise das Herkömmliche lebendig zu erhalten bemüht bin“

(Johann Wolfgang v. Goethe an den Herzog Carl August, 19. Februar 1814)

INHALT

2007

2008

2009

2010

2011

2012

2013

2014

2015

2007

Der Vaterlose fühlt sich immer im Blickpunkt, im Guten wie im Bösen

Was hast du bei den Verlorenen zu suchen? Was für eine Hoffart! Warum sie nicht ihrem Schicksal überlassen?

Es ist nicht leicht, zu reisen. Als Niemand anfangen und enden. Ja, es ist nicht leicht, zu reisen – aber man hat Zeit

„Der eigne Wille machet eine Form nach seiner instehenden Natur / Aber im gelassenen Willen wird eine Form nach dem Modell der Ewigkeit gemacht“ (Jakob Böhme)

Das Grünen mit ins Grab nehmen / ins Schauen kommen, zum Schauen gehen

Ideal: Komm, Kind! Ich habe dir etwas zu zeigen

Mein innerer Globus: der Körper als ein Globus leuchtend wie kein nachgemachter, elektrifizierter

„Und“: Eine Straße gesäumt von Flieder, und darüber ein Fliederhimmel. „Lauf bis zum letzten Fliederbusch!“

Schreiber, bleib unauffällig, verschwinde im Löwenzahngelb am Bordstein. Geh in eine Seitenstraße, und in noch eine, und in eine weitere: „Da ist es!“ Laß deine Lieben ihr Leben leben, und verschwinde!

Lang ist’s her, daß ich den Sonntagsmann im schwarzen Anzug und weißen Hemd mit flatternden Hosenbeinen habe gehen sehen am Rand der Landstraße in Oberösterreich. Lang ist’s her, daß ich an der Hand des Großvaters gegangen bin, im Vormorgenlicht angesichts der münzgroßen Regentropfen im Staub des Feldwegs bei Stara Vas

Gehen, querfeldein: Die Weltgeräusche – ein jedes so verschieden, jetzt das Fasanenschreien, jetzt das Truthähnekollern – werden zu einem (1) Weltgeräusch

In einem Dorf ist viel zu sehen. (Siehe Stara Vas)

Eine neue Selbstmordart: sich selber lebendig begraben

Verb zur Zeitnot: „frißt“ (an mir)

Am großen Busbahnhof in einem fort die ankommenden Busse, ein jeder aus einem anderen Land, der jetzt aus einem TAULAND (einer betauten Gegend); der jetzt aus einem Trockenland; der aus einem Regenland; der nächste aus einem Hagelland, einem Eisblumenland, einem Kriegsland, einem Nachtland (nach einer nachtlangen Reise). – Studier alle die verschieden gezeichneten, gemusterten Fensterscheiben der daherkreisenden Busse: an jedem eine jede Scheibe anders beatmet von den Passagieren: Panikatem; Schau-Atem; Kinderatem; Altenatem; Wach-Atem; Müdigkeitsatem; Schlafatem; Spielatem. Und die Abdrücke der Nasen, Hände, Stirnen, Wangen auf den Busfenstern als die Landkarten (Belgrad, April 2007)

Nur die kindlichen Menschen verkörpern Gerechtigkeit?

Schönes Haus!? Ja. Aber es fehlt das in ihm geschriebene Buch

Ich habe keine Bedingungen. Aber ich habe meine Bedingtheit. Und aus ihr heraus stelle ich meine Bedingungen. Ich bin so frei

Weitersehen. Weiter sehen! Das Gleißen der gezackten Lindenblätter vor der Morgensonne, gläsern – durchleuchtet – leuchtend auch die Stengel: Kein Licht kommt auf gegen dieses da, kein Glanz – außer dein Antwortglanz, Freund!

Die Seele ist ein seltsamer Ritter

Über Bücher ist zu reden – ins Gespräch zu kommen. Und über Filme?

„Und“: Erschrecken und Scharfblick. Beides episch werden lassen

„Leises Grün“: Kann man so sagen? Ja

Was hieß Lesen? Zum Beispiel: „Sonnengeruch stieg aus dem Buch“

Ein Einsamer beim Kniebeugen. Vor einem Wegkreuz? Nein, es ist ein Trimmpfad

Bleib bei der Wahrheit? Ja – und suche sie: Schreiben: zwei Bewegungen in einem

Rechtes Schauen, was war es, was tat es? Bewahren

Mancher Aberglaube ist keiner – erzähl!

Alles ist doch gesagt? Nichts ist gesagt. Nichts ist zu sagen. Und wenn auch alles gesagt wäre – umso besser: Sag’s auf deine Weise. Deine Weise – so du eine hast – wird gebraucht

Zeitgenössische Nachbarn, die Maschinisten des Nichts (Zeitgenossen?)

Das Grün durchwirkt, das Blau lüftet. Und die weißen Kastanienblüten als Pyramiden des Sonnengottes

„Komm, Fahrzeug der Fahrzeuge, Erzählung, und nimm mich mit dir.“ – „Steig ein, steig ein!“

Ein Nachbildmaler

Buchhändlerschüler? Aber du weißt ja nicht einmal, wie man ein Buch hält. Schau, wie du es hältst!

Es gibt auch episch fruchtbare Vorurteile? Ja, wenn sie sich auflösen

Je mehr Kommunikation, desto herzloser; ein wenig mehr Namenlosigkeit würde der Welt gut tun

Hummelpanik: Panik einer gefangenen Hummel

Letzten Endes tun mir alle Menschen leid – außer ich mir selber

„Hier ist das Holz!“, sagte ich gerade zur Hornisse, die für ihren Nestbau oder was an der blechernen Dachrinne „schnüffelte“, statt hier bei mir am alten Schreibtisch. Und weiter zu ihr: „Du seltsamer Indianer!“, ihr zuschauend bei ihrem schwarzgelben Schaben am Gartenstuhl, schabend und grabend, frenetisch

Adjektiv für die Schwünge der Amseln über die Büsche: „delphinesk“

Die Geheimnisse der Nah-Bereiche. Die Nähe durchforsten

Es gibt die Unschuld. Sie wird die Welt retten. Träume mich, Epos! Heute muß ich weit gehen: Fühle ich mich nicht im Aufbruch, im Aufbruchstraum von einer möglichen Menschheit, so hat das poetische, das entwerfende Schreiben keinen Sinn

Elstern, die Baumwipfelturner

Man hält viel mehr aus, als man denkt, und viel weniger?

„Das erste, was man an euch sieht, ist der Knopf im Ohr“

Was ist meine Art Freude? Die Freude auf die Fortsetzung (Goethes „Folge“)

Schreiben heißt auch: den Traum, den Großen, zügeln

Verb zum Lärm: „de-ästhetisiert“

Ah, das Rauschen! – Aber wo führt es hin? – An Ort und Stelle

„Und“: die Zeit und die sich entrollenden Farne

Teilnehmen ist eine Kunst

Er hat Talent, weil nichts ihn erschüttert

Es ist alles Frevel, Künstler. Bilderfrevel, Wörterfrevel. Frevle zu!

Die an der Landstraße: Ein jeder entpuppt sich als jemand anderer. Alles zerfranst, und das ist das Leben. Nur auf die Unbekannten ist Verlaß. Nicht Ekstase – Entrückung. Entrückung? Zurechtrückung

„Hat jemand nach mir gefragt?“ – „Niemand.“ – „Wunderbar!“

Holunderblüten in einer Schüssel: „So etwas Zartes!“

Ein Mensch wird erschossen. Darauf die Täter: „Jetzt heißt er anders. Jetzt hat er einen neuen Namen“

Dein ist gar nichts, dein sind nicht die Sterne, selbst wenn du Glanz hast für den Glanz der Ferne (für Jakob Böhme und Christian Wagner)

Ein „unerhörter“ Klang: Löwenzahnstengel prallend gegen eine Fensterscheibe

Die verschiedenen Geher: der in seiner Art zu gehen bedrohliche, gewalttätige – dagegen der friedliche, der durch seine Art Gehen Friedenstiftende

Kafka ist nicht gestorben

All die Seufzenden und Ächzenden, sie wollen gefragt und überliefert werden, aufgezeichnet werden, aber nicht in Bildern, und schon gar nicht vom Fernsehen

Es tut gut, unter Seinesgleichen zu sein. Aber nicht zu lange

Die Lust, am Böse-, gar Schlechtsein: wie das Bedürfnis, aus Leibeskräften falsch zu singen (Bedürfnis? Lust?)

Es geht nichts über ein Menschengesicht, im ersten Morgenlicht

Verb für (manchen) Farbenaugenblick: Er „spricht“

So schöne Gärten, und so böse Menschen

Die Momente, da die Welt einstürzt, und die Augenblicke, da Atlantis wieder auftaucht

Was ist schön? Zum Beispiel der Schatten eines Blatts auf einem Klumpen Lehm – „beispielschön“

„Sie lieben ein Phantom.“ – „Wir lieben alle ein Phantom – auf das Phantom kommt es an“

Von früher her weiß ich: Die poetische Sprache ist die natürliche, die einzig wahrhaftige – aber nur, wenn in einem ein wahres Gefühl ist – wirkt. Aber wer hat noch solch ein Gefühl? Schon einer deiner Ahnherren sagte ja, ein ganzes Jahr müßte er in sich suchen nach einem wahren Gefühl. Wir Nachkommen aber: Gefühlsverwalter, Verwalter des Gefühls-Vokabulars? Nur noch dieses zählt, und zahlt sich aus? – Poetisch denken, sehen, hören, fühlen ist natürlich. Aber der Übergang oder Übertrag ins Schreiben …

Bin ich denn der Diener meiner Kinder? Ja

Am Abend: „Gehen bis zum ersten Stern“. Am Morgen: Sitzenbleiben bis zum Durchleuchtetwerden der Salbeiblüten von der Morgensonne

Die Behutsamkeit der Verrichtungen rund um einen Kranken, endlich wie friedlich Schlafenden: Gehen auf Zehenspitzen, Finger an den Lippen … Übe diese Behutsamkeit auch ohne Kranken, überhaupt ohne anwesenden andern – Behutsamkeit in Gedanken an den, die geliebten Toten. Die Behutsamkeit, sie erhält am Leben, den Lebenden und den, die Toten. Behutsamkeit als eine Art der „Körperertüchtigung“ – Verkörperung des andern wie meiner selbst, Beatmung, Streckung, Dehnung von „uns zweien“

Lindenrauschen – was brauche ich das Meer?

Ein Reiz ist kein Reiz

Schreiben: Umträumen

Eine Stelle in einem Buch, die man gerade noch gelesen hat, wird beim Zurückblättern nicht mehr gefunden, so lange man auch blättert

Die drei Könige aus dem Morgenland, sie waren nach der Rückkehr in ihre Länder, wo er nichts zu sagen hatte, allesamt zu Reportern geworden und warfen ihre Gaben von Gold, Weihrauch und Myrrhe als faule Äpfel nach ihm

Was heißt „Entrückung“? – Ich lebe / du lebst / er, sie, es lebt / wir leben … Und das Verb zur Entrückung: sie „glückt“. (Sie läßt erscheinen die monumentale Welt im Kleinen, im Stillen)

Die Klage der Vogeleltern nach dem Gewittersturm

Liebe: Man kann nur verlieren. Also liebte er

„Die Form der Zeit“ (Jakob Böhme): „… daran seynd alle ding erschienen / auff daß die Ewigkeit in einer Zeit offenbar werde …“

Die Schildbürger sind im Recht

2008

Der Nachbildmaler: ein Nachbild des Schnees; das Nachbild des Schneiens

Beschreibe, überliefere das Geräusch beim Formen eines Schneeballs (Helsinki, März 2008)

Am Fenster sitzen im Schneeschwadenmorgen: Ideal

Immer wieder das „Jetzt! Und …“: Jetzt! Und … die Schneewächten auf dem Glasdach des Bahnhofs

„Das kann man nicht sagen – das kann man nur erzählen“

Jetzt! Und … der Abendstern

Die Zwischenraumschlingen, -spiralen und -mäander in den Vorfrühlingsbäumen haben die Form von Waldrebenblütensiedlungen, sich hinaufwindend in die Bäume, und die tatsächlichen Waldrebensiedlungen in den Bäumen haben die Form arabischen Schriftzeichen, und die arabischen Schriftzeichen …

„Noch nie hat man [in einem Film] einen Schwarzen von einem Berg herabsteigen sehen wie John Wayne. Aber ich habe [im ‚Sergeant Rutledge‘ von John Ford] den Río Pecos durchquert so triumphal wie noch kein Schwarzer zuvor. Und ich hab’s von mir aus getan. Mit mir hat die ganze schwarze Rasse den Fluß durchquert“

Die Existenz vermehren

Was heißt „sich etwas verbieten“? Aufschauen, wegschauen

„John Ford, bevor er bösartig wurde, kündigte das an mit dem Körper“ (Harry Carey jr. nach dem Dreh von „Two Rode Together“)

Viel häufiger werfen, und sanft!

Der Rhythmus siegt

Haß: Ich denke nicht nur an den Falschen – ich denke falsch

Es gibt keine Lösung außer die der Geduld. Es gibt keine Lösung außerhalb der Geduld

„Dieser große und gelehrte Mann hat die Natur durch das Stundenglas der Zeit erblickt“ (William Hazlitt 1846 zu Nicolas Poussin)

Im Flugzeug über Europa: haben denn die Flüsse nichts anderes zu tun als zu mäandern? – Nein, sie haben nichts anderes zu tun

Wieder einsetzendes Schneien: Gute Neuigkeit! Good news! Bonne nouvelle!

Verb für den Schnee im Zugfenster: „entgrenzt“

„Im Nebel das Vieh zu suchen, ist eine schwierige Sache“ (alte Sennerin im Radio)

„Hast du eine Ahnung, wie ich nervenstark bin, seit ich immer daheim bin“ (mein Bruder, Stara Vas)

Verb für Mann und Frau: Sie „wecken einander“

Die „unheimliche“ Freude? Die Freude als etwas, das mir zunehmend unheimlich wird?

„… damit deine Gemeinde ein Herz und eine Seele wird“ (Ostermesse). Und das Verb für die Messe: „unterscheidet“, „macht unterscheiden“, „läßt unterscheiden“. Und ein anderes Verb für die Messe: Sie „zieht einen Meridian in mich“, in die Länge und in die Breite (Paulanerkirche, Wien 4)

Flughäfen, Gefühlsräuber. (Sprich nicht von „Gefühl“, wenn es nicht einem anderen gilt!)

Strenge? Nein, Entschiedenheit

Es stimmt: Gegen die Dummheit ist kein Kraut gewachsen, nicht ein einziges (die Filmchen „Versteckte Kamera“ im Flugzeug), und es gibt vor ihr kein Entrinnen

Alles geht vorbei, und heute ist Ostersonntag

Einmal der Kurve eines Vogelpaars nicht gefolgt, und nie mehr heimgefunden (für Franz K.)

Trauerheimat; sich heimtrauern; kein Tag ohne Gedenken

Magnolienblüten im Wind: weltbewegend, ichbewegend

Kommentar zu Ibn ʿArabī: „Die illusorische Form, gemacht mit den Edelsteinen des Volks“: nicht unähnlich Hollywood, oder überhaupt Film?

„Und“: Ich habe Zeit, und es wird Tag

Begegnung: Jedesmal sehe ich „besser aus als beim letzten Mal“ – wie werde ich erst … aussehen?

Bouvard und Pécuchet haben sich vermehrt, und vermehren sich täglich. Sie sind heute überall, schau doch, da, dort

Gehen, Gesicht holen

Bin ich Handwerker? – Ja, aber nur instinktiv. – Nur?

Das Netz des Poeten: Ideal. Das zarte Universalnetz des Poeten gegen das Höllennetz von Al-Qā’ida, CIA etc.

„We Shall Gather At The River“: anderer Titel für „Immer noch Sturm“?

Der tagtägliche Lucifer rising in mir, und sein täglicher kleiner Höllensturz. Aber ohne angemaßten Lichtträger kein Tag?

Je freudiger, desto gläubiger (religiöser): Ideal

Was ich gesagt, ausgesprochen, ausgeplappert habe von meinem Innersten: Es ist nichts mehr zum Aufschreiben, ich kann es nicht mehr niederschreiben

„Jetzt! Und …“: Jetzt! Und … der gelbe Helm des Baumschneiders hoch in der Pappel

„Und“: Die Anschauung und „der Atem des Barmherzigen vom Jemen her“

Verb für den Schöpfer (Schöpferischen): „gibt ein Beispiel“

Verb zu den Bösen: „lassen nicht(s) sein“

Es hat alles sein Gutes – außer man tut es

Junges Paar mit Kind: die Notenschrift des zarten Umgangs

Ich muß so weit kommen, daß ich noch weiter komme

Stufen: Bewußtlos essen / bewußt essen / sich bewußtessen

„Seine letzten Jahre verbrachte John Ford hauptsächlich im Liegen“ (Biograph Joseph McBride)

Gestern bin ich an den Säumen gegangen – was will ich mehr? (Kleiner Ostersonntag)

„Die Begeisterung ist Grund der Begeisterung … Wäre sie nicht im Herzen, wäre die Begeisterung, hûwa, nicht anzubeten“ (Ibn ʿArabī)

Immer noch ist für mich „alles Frage“. Also bleibe ich verkappter Philosoph?

Die Koloraturen des so herzhaften Lachens manch kleiner Mädchen (nur Mädchen? ja): die Koloraturen der Königin(nen) des Tages

„Sitzt du an einem Buch?“ – „Nein, ich gehe“

Er ging in den Garten, sich verjüngen. Er ging in die Wälder …

Verb für die Abwesenheit: Sie „läßt grünen“

Verb für die Sonne, wenn sie nach langem neu durch die Wolken kommt: Sie „gibt uns die Ehre“ (und da ist das „Wir“ einmal am Platz)

„… wer seine Begeisterung verehrt und sie als die Gottheit ansieht“ (Ibn ʿArabī); s. o.; und was ist nach Ibn ʿArabī die Begeisterung? „Ein Wille, begleitet von Liebe“ (hier ist er mit Jakob Böhme und Spinoza eins)

Die allgemeine Überraschung: Ideal

Alleinsein ist nicht gut – für den ersten Anschein

Einsamkeit? „Unumgebenheit“ (Wort aus dem Traum)

Eine andere Zeit ist gekommen, aber nicht die, welche ich erahnt habe. Aber wenigstens habe ich heute noch keine Musik gehört

„Ich habe heute viel gelitten. – Habe ich wirklich viel gelitten?“

Er hat nichts zu verbergen, er ist kein Künstler

In den Vororten fangen die Rechtschreibfehler an

Verb für das Wirkliche, das Reale: Es „wuchtet“ (auch bloß in Form eines Tagpfauenauges)

Frühlingsbild: Die Vögel spielen „fallen“ hoch oben in den Pappeln

Er ist ein Dichter und liebt (auch) das Ungefähre

Ein Zitronenfaltertag ohne leibhaften Zitronenfalter. Aber Zitronenfalterluft, Zitronenfaltersonne, Zitronenfalterwind. Freilich: die Temperatur gegen Mittag: „Noch ein (1) Grad unter der Zitronenfalterskala“

Fortschritt im Altern: Ich weiß, wie dumm ich bin

„Bouvard und Pécuchet“, das wißbegierige vereinsamte ältliche Laien-Männer-Paar: was für ein langweiliger Mythos, aber immerhin ein Mythos – der letzte bisher? (und der „vorletzte“ der der „Wahlverwandtschaften“?)

Verb für das Grünen: Es „zählt“

„Was ist deine Lust?“ – „Die Lust, fern zu sein“

Nicht jede Einfalt ist edel

„Erfüllt von Alleinsein“, gibt es das? Oder ist es wieder nur, frei nach Nietzsche, eins der „leichtfertigen Paradoxe“?

„Der Geschmack ist eine Theophanie, und die Theophanien ereignen sich in den Formen“ (Ibn ʿArabī; immer wieder Ibn ʿA. und Jakob Böhme)

Die zweite Bedeutung von „sich sträuben“: „aufblühen“

Wer ist ein „Kalif“, nach Ibn ʿA.? – Einer, der von sich sagen kann: „O mein Volk …“

Segeltuchhemd: Ideal – ein Hemd, das im Gehen flattert und knattert wie ein Segel, als Segel

Variante zu G.’s „den edlen Seelen vorzufühlen …“: „Der edlen Seelen würdig sich erweisen, ist wünschenswertester Beruf“

Alles verstehen, heißt nichts verzeihen

Eine Elster im Lorbeerbusch / Seltsamer Widerspruch (oder: Elster aus dem Lorbeer flatternd, seltsamer Widerspruch)

Meine Schubert-Stunde: zum Beispiel die Messe des Ostersonntags in der Paulanerkirche, Wien 4, vor Wochen, und danach: Stunde der beschwingten, zu den Augenpaaren der anderen, Unbekannten hin schwingenden Gereinigtheit – füge solche Stunden aneinander. Schubert-Stunde als Reinheit, wie? Durch Ent-Wütigung und Anschauung, zum Bespiel der einander kreuzenden und sich bekreuzigenden, eher alten Meßbesucher auf dem Weg von und zur Kommunion / Eucharistie

Ich habe alle erlebten, ergangenen Erdgegenden in mir. Ich muß sie nur wecken, durch Innehalten. Vorsätzlichkeit gilt nicht

Schreiber, sei rückhaltlos. Keine Technik, es sei denn, die des (Ver)meidens

Selbst das Stürmische bei Schubert bleibt zart, verhalten. Das „Stürmische“? Das „Drängende“? – „Mein Kopf dagegen wütet – ich bin nicht Schubert“

Nichts Schöneres als das gleichmäßige Bergauf in der Sonne; das Piano Schuberts und das Flappen des jungen Laubs über den Waldboden

Im Zwist mit dem Kleinbürgertum ist man ewig in der schlechten Rolle (oder der „Rolle des Bösen“)

Schreiber: der universelle Stümper. Stümper, aber universell

„Gehen bis zum ersten Stern“. Und Gehen bis zum Sich-im-Kreise-Drehen. Gehen bis zum ersten Hahnenschrei. Gehen bis zum „Ich bin da!“

Steigerungsform zu „Schweig!“: „Schweig still!“

Verb zum Ekel: Er „geht vorbei“ (bis jetzt jedenfalls)

Eine weltumspannende Sprache: die der Kinderhüpfschritte (China – Alaska – Feuerland)

Appetitanregendes Nichtstun

Elegante Fürsorglichkeit: Ideal

Zeithaben ist auch, Zeit zu haben für die Einsicht in und die Betrachtung deiner Irrtümer

Andacht! Mehr Andacht, Eingedenksein in deinen Alltäglichkeiten!

Hoffnung? Ja, wenn sie leise bleibt

Beispiel der Anderen Zeit: das Ticken der Tautropfenuhr, da, dort, an den Grasspitzen

Zeitschwelle im Jahr: der Tag, an dem unversehens aus den allerwärts knospenden Blättern ein Laubkleid geworden ist – das jetzt und jetzt vom Wind aufgewühlt wird, wie gerade das eintägige Laub der Kastanie; und eine andere Zeitschwelle im Jahr: die ersten Gänseblümchen zwischen den Zehen beim Barfußlaufen im Garten. „Laß blühen!“

Vorwurf der Vorwürfe: „In dir ist kein Mitdenken!“

Im Wehen der Gräser unter der Sonne haben wir die Nachwelt

Liebeserklärung: „Für dich bin ich zu jedweder Geduldsprobe bereit“

Der Böse in mir? Der Gleichgültige

Wie zur Ruhe finden? Durch Irrtum und Irrtumsbetrachtung

Schwermut: Ach, diese so frische Blüte da, sie wird verblühen. Ach, dieser so klare Bergkristall, er wird erblinden. „Jetzt helfen nur noch die Worte Gottes“. Schwermut: Gegenwartsverlust, Gegenüberverlust, „ohn’ Gegenüber ist mein Name“

Verb zur Genüge: Sie „durchzieht“ (die Brust)

„Verachten ist eine Art von Verenden“, dachte er, und fuhr fort im Verachten und Verenden

Wie standhaft – nicht wegzublasen – so viele kleine Tiere sind, und vor allem die allerkleinsten – nichts, kein Orkan, kein Tornado, bläst sie vom Platz (gilt vor allem für die kleinen Spinnen)

Verb für die Liebe: Sie „schießt ein“ (still, stiller, stillest, stillend); und das Beiwort zu ihr: „hilflos“

So lange schlafend, bis die Frau „Frau“ erscheint: Ideal

„Fast ein Gedicht“: Was hast du heute vor? / Der Sonne entgegengehen, / Am Morgen ostwärts, / Gen Abend westwärts

Grundgütig (christlich); allbarmherzig (islamisch); gerecht (all-eins)

Mein Musikhören, zum Beispiel: Musik des Schwirrens und Sirrens der Spatzenflügel, Musik des Gestöbers der Meisen im Laub, Musik … (to be continued)

„Mein eigentliches Werk besteht … nicht aus Vers oder Prosa, sondern in der Überwindung meiner Dummheit“ (Doderer, spät, et ego?)

Ich, das Ich, „mein“ Ich, ist nichtswürdig, wenn ich, es nicht Durchlaß werde (wird)

Ein Schmetterling im Sturzflug: Gibt es das? Ja

„Willow, weep for me …“; und: „Rabe, flieg und schweig für mich!“

Verb zu den Schwalben oben: Sie „erhöhen“ (mir den Himmel)

Nachbild: Im Nachbild der weißen Jet-Spur im Himmel / zog ein Vogel / eine Schwarz-Spur / hinter sich her („Fast ein Gedicht“)

Ein erfrischendes Vergnügen: die Dinge an ihren Platz zu stellen, setzen, legen

Winkel-Seher, -Schauer, -Erblicker, -Schaffer, -Überlieferer: ein Beruf. Halt dich daran. „Schauen kann nicht schaden“

Beiwort zur Sorge: „unwürdig“

Aus dem Haus gehen mit dem Bedürfnis, zu grüßen; gleichwen

Schwalben-Sommer-Slalom: Ideal (oder Leitbild)

Wahrhafte, -haftige, -haftende Sprache ist herzzerstärkend, im Wortsinn (ich lese gerade François Mauriac)

Morgengebet in einem (1) Wort: „Laß!“

„ER hat ihn [Moses / Mussa] auf die Probe gestellt bei vielen Gelegenheiten, damit in ihm Geduld sich verwirkliche“ (Ibn ʿArabī)

Der Wind geht durch das Gras, / Und ich bin da. / Ich bin da, / Und wieder weht der Wind durchs Gras („Fast ein Gedicht“)

„Er fürchtete nichts mehr als den Sieg, nichts mehr als die Frucht des Sieges“ (Jean Azévédo in „Thérèse Desqueyroux“, Mauriac); und: „Den der Liebe unfähigen Wesen ist nichts wirklich eingraviert“ (Bernard in „Th. D.“)

Das Theater hat keinen Sinn mehr. – Aber es muß einen haben

„Hör auf, dir einzubilden, jung zu sein.“ – „Warum?“

Verb für die Anmut: Sie „existiert“ (und „läßt existieren“)

Verb zum Umkreis des Irrtums: Er „leuchtet“

Zur toten Biene am Morgen: „Ach, dich habe ich nicht gerettet“

Nach der Pflichterfüllung („der schweren Dienste tägliche Bewahrung“, G.): die Woge Zeit, die Masse Zeit, die massige Zeit („sonst bedarf es keiner Offenbarung“)

Die Empfindlichkeit für den andern, die Rücksicht auf das Gegenüber, die Aufmerksamkeit für deinen Nächsten, sie dürfen nicht dein Herz ersetzen

Ein ganzer Satz, und ihm nachfolgend noch einer, und noch einer, und so weiter, und dazwischen vielleicht „mangari“, 1, 2 unvollendete, halbe: Das ist meine Heimat (nie könnte ich so schreiben „wie“ Céline, J. Joyce, geschweige denn Arno Schmidt …)

„Was ist denn daran so demütigend, ein Monster zur Gattin zu haben, solange man das letzte Wort hat?“ (Bernard in „Th. D.“); und: „Das Schweigen des Angelus gibt es nicht“; und (Thérèse D. in Person, am Ende:) „Aber die Wesen, deren Annäherung sie wünschte, sie hatte kein Bild von ihnen“ (wie G. Keuschnig in der „Stunde der wahren Empfindung“)

Heckenrosenblüte am frühen Morgen als das Malteserkreuz für den Anruck des Films des Tages (wie einst das Nachbild der Kastanienblätter) (Velika Hoča, Kosovo)

Niemand hat ein Recht, mit sich selbst zufrieden zu sein

Mein Lebensgefühl setzt ein, sowie es um nichts (und wieder nichts) geht (V. Hoča)

„Inschrift“ auf geschenktem Kugelschreiber: „International Commission on Missing Persons“

Dorfhaus aus der Türkenzeit: Neben dem Haupteingang, hoch, der gar niedrige Nebeneingang für die Knechte, Diener, Lieferanten: der „Bücklingseingang“ („kapdžije“)

„Und“: der frühe Morgen und der dreibeinige Hund (V. Hoča)

„Wenn der Hase seine Behausung verläßt, kommt er nie mehr zurück. Deswegen sind wir nicht ausgewandert“, sagte der Pope von Velika Hoča

„Fang das Glück!“ (Trinkspruch des „Zigeuners“)

„Jeder, der stirbt, erleichtert sich selber, und macht den anderen keine Probleme mehr“ (Spruch im Versammlungskabuff namens „Rambouillet“ der Dorfalten von V. Hoča)

Ich will nicht ganz geheilt werden – nicht ausgeheilt (fern von Velika Hoča, wo ich warte auf die Kuckucksrufe von dort), am Morgen an der Morawa; und jetzt auch hier der erste Kuckucksruf, im Nachtwerden

Immer wieder: „In den Staub des Feldwegs, da gehörst du hin – da gehört dein Blick hin“ (Porodin, Landstraße)

Hüte dich vor den geschulten Stimmen

Die Umkehrfarben (die Farben im Augenblick des Umkehrens)? Ja, und der Umkehrraum

„Das ist eine gute Frage!“ – „Warum?“ – „Weil sie nicht zu beantworten ist“

„So wollen das doch die Paare: sich vermählen“ (Spruch im Aufwachen)

„Ich male nicht den Menschen (l’estre), je peints le passage“ (Montaigne); und: „l’estre véritable est le commencement d’une grande vertu“ (der wahrhafte Mensch [das wahrhaftige Wesen] ist der Beginn einer großen Tugend)

„Anderer Haiku“: Altwerden / Das Schlurfen beginnt / Gib acht! (So wie einst dem Grafen Johannes Moy in seinem Schloß am meisten zusetzte jede noch so niedrige Schwelle von einem Schloßsaal zum anderen)

Zum Weberknecht, der sich nicht „retten“ läßt aus der Wanne: „Wieviele Beine willst du denn noch verlieren?“

Ich kann und darf und will nicht spähen, beobachten etc. Aber ich habe Augen für das, was anders ist – für das eine Andere im Gleichförmigen und Gleichfarbigen. „Es ist nicht leicht, zu sehen. Aber wenn man sieht, dann sieht man“. Und: „Nicht ich sehe – es gibt sich zu sehen“

„Herr, gib jedem sein eigenes Alter!“ (trifft eher zu als „… seinen eigenen Tod“?)

„Heute winkt mir ein Alleintag“ (ich dachte wortwörtlich „winkt“)

Wahllos lebt am längsten

Literatur – Poesie – Kunst (trotz allem unabdingbare Wörter): Befreiung zur Liebe aus der Gefangenschaft der ewigen Haßliebe

Franz Baermann Steiner (nachzulesen bei H. G. Adler) hat sich während des Zweiten Weltkrieges das Photographieren „versagt“ – „diese Verzichte während des Krieges hatten Bußefunktion“

Elstern, noch und noch (oder zwei als „viele“) in der großen Zeder von Ast zu Ast übereinander hüpfend als Räuberleiter

Geheimnis des Unglaubens

Glückende Vereinigung, glückliches Nichtmehrweiterwissen

Ein Schwalbengeschwader schießt vorbei. So ein Geschwader und so ein Schießen lasse ich mir gefallen

Die glücklichen und die unglücklichen Besitzer: Letzteres trifft, zeitweise, auf mich zu

Kunst, Poesie (s. o.): Formen parallel zur Religion; „religiöse Kunst“ dagegen: Tautologie – Zusammenfallen (im Wortsinn), s. Schubert: Seine Messe ist ein „Zusammenfallen“, eine Tautologie – keine Verstärkung in Form einer Parallele, wie es sonst seine, seine „ureigene“ Musik ist, eine Musik „naturaliter christiana“, seine Seele als die Kirche der Kirchen

Verb für die Fremde: „hilft auf“ (wenn es der Fall ist)

(Hör-)Schwelle im Jahr: Spechtklopftage, -woche

Wenn du dich schon bückst, bücke dich richtig („Bücklingseingang“). Wenn du schon wirfst, wirf richtig (hole aus, ziele)

„Und“: Sicherheit und Seltenheit (nur als Seltenheit die Sicherheit auch als ein Gefühl? Eine Gefühls-Tatsache?)

„Lesen“ nenne allein jenes, welches dich das Rauschen hören läßt, auch wenn kein Rauschen hörbar ist – und auch wenn du gar nicht tatsächlich liest

„Warum bist du so gebräunt?“ – „Um zu verstecken, wie blaß ich bin“

Ein denkbarer „Sieg“: „Die Noblesse wird siegen“

„Maßregle mich“ (Morgengebet)

„Tujega nočemo, svojega ne damo“ („das Fremde wollen wir nicht, das Eigene geben wir nicht her“ – Parole der Kärntner Partisanen)

Ein einmal (fast) wahres Oxymoron: ein „brüderlicher Menschenfeind“

„Und“: Zwischenraum und Geheimnis; Zwischenbereich und Stofflichkeit. „Ihr verdammt Geheimnislosen!“

Meine Musik (s. o.): Der Regen in den Spätherbstblättern, den welken, auf der Kuhweide, „Kuhweidenregenmusik“

„Tatsächlich waren wir alle schon derart ermüdet, daß uns nur noch das Lachen aufrecht hielt“ (die Partisanen 1944 in den Wäldern)

Schöne Lügen sind keine Lügen

Alle Völker, sowie sie ihre Grenzen überschreiten, sind so laut geworden, alle, „grenzenlos laut“, „laut ohne Grenzen“

„Nicht jeder Ausgesandte, ist ein Kalif. Der Kalif besitzt das Schwert, die Macht, einzusetzen und abzusetzen … Der Ausgesandte aber hat zur einzigen Aufgabe, zu überliefern, was ihm anvertraut wurde“ (Ibn ʿArabī)

Wehe dir ab dem Moment, da du eine schlechte Meinung bekommst von deinem Kind!

„Ah, niemand! Immerhin etwas …“

Das „Laß!“, das Lassen, als eine Art des Ordnens, Ordnungschaffens; der Lasser als Schöpfer

Schwalben, schwoft für mich

Die Quitten, die dunje: Beispiele für das Wachsen und Fruchtwerden im Verborgenen, versteckt unter dem dicht-dichten Blattwerk. Und unversehens –

Das Geschrei der Kinder: Es gibt schönere Musik. Aber es ist Musik

„Übergroße Liebe“: Gibt’s nicht

Verb zum Blau(en) der Salbeiblüten im Gras: Es „durchwirkt“ (das Gras, den ganzen Garten)

Ein vornehmer Nachbar: Ideal

Er hat sich die Augen verdorben vom Nicht-Lesen

Einer der Gründe für’s Verreisen: Das Eigentum vergessen – sich als Eigentümer hinter sich lassen

„Wer ist der Herr der Welten?“, fragte der Pharao den Moses (nach Ibn ʿA.) – „Der, dem erschienen sind die Formen der Welt.“ – „Und was ist die Welt“? – „Die Himmel der Erde“

Erfreulichen (freudigen) Hunger, gibt es den? Ja

Das Elend mit den (heutigen?) Nachbarn: Ich finde mit ihnen nichts, aber auch gar nichts zu teilen. Und liegt das an mir?

„Gerade als wir uns weiße Leintücher umhängten, um auf dem Nachtmarsch im Schnee nicht gesehen zu werden …“ (Beginn einer Kärntner Partisanenerzählung, Kleindörfl ob Stara Vas, Winter 1944); und später auf dem Marsch: „Nur das Geräusch des gefrorenen Leinens war zu hören“

Eine feige Frau: unvorstellbar. Es gibt kein Bild von ihr (von einem feigen Mann, ja)

Eine schöne Plötzlichkeit: „Plötzlich hatte er Zeit“

So viele Geräusche, ob von nah oder fern, kamen bei mir seit jeher als Weinen an, als Schluchzen

„Der Schnee lag hoch, und es war schwer, die Waffen schußbereit zu halten“ (s. o.; und was meint dazu Clausewitz’ „Vom Kriege“?)

Lassen und Werden … Und solang du es nicht hast, dieses „Laß!“ und „Werde!“, bleibst du nur der trübe Gast auf der dunklen Erde

„A und B sitzen im Klee“, und A und C laichen im See

Farbenlehre: Eine junge Frau im roten Pullover geht linkerhand vorbei. / Ein Radfahrer mit gelbem Helm zieht rechterhand vorbei, / Ein Spatz fliegt grau in grau den grauen Zedernast entlang („Fast ein Gedicht“)

Gehen, meine Friedenspatrouille (samt gelegentlichem Mich-im-Kreis-Drehen). „The Lost Patrol“? Und Walker Percy ist auch nicht gestorben

Willow, weep for me! – Und Schwalben, sichelt mir

Für „Freude“ sag zuzeiten auch „Aufschwung“

„Hitlerdeutschland schmolz in der Frühlingssonne zusammen wie Eisschollen auf einem Fluß“ (der Kärntner Partisan Karel Prušnik-Gašper, 1945)

Ist er gierig oder bloß ungeschickt? Oder ist es die Gier, die ihn ungeschickt macht?

Immer wieder: Ferne, klare Stimmen spielender Kinder, und ich: „Mozart!“

So, wie ich mich kenne, kenne ich mich nicht

Fortschritt im Leben: Ich freue mich auf mein Verirren (Sierra Nevada)

Nach dem Schwimmen im Eiswasser des Río Bermejo: der Allfarbenblick; die tiefgelben Ginsterblüten im tiefroten Wegschlamm, darüber die weiß-weißen Falter und der sonntagsblaue Himmel, darunter die vanillefarbenen Kaktusblüten, daneben die Wildkirschen so schwarz, daß einem schwarz vor den Augen wird, herrlich schwarz

„Gehen bis zum ersten Stern“; und in der Steppe: Gehen bis zum ersten Tierknochen

„Dieser Ort ist häßlich.“ – „Nein, häßlich bist du“

Schauen bis zum ersten Spatzen

In den (Un-)Momenten des Meinens und Urteilens bin ich ein lebender Toter

Vor den „Urgencías“ von Granada: ein Verkäufer von Totenhemden

Wenn ich es nicht eilig habe, geht alles viel schneller

Die Kunst umspielt das Geheimnis (:Religion)

Eine meiner Bedingtheiten (s. o.): „Ich bin nicht am Platz, ich bin nicht erlaubt“ (Linares, Andaluçía – Aranjuez)

8. Mai 1945, Draubrücke Ferlach / Kärnten: „[Wir Partisanen-]Burschen waren vom ständigen Rufen nach Übergabe [Kapitulation] heiser“ (K. Prušnik)

Das kleine Kind, gerade von der „werktätigen“ Mutter übergeben der sogenannten „Tagesmutter“: in deren Armen jetzt am offenen Fenster, noch früh am Morgen, der „richtigen“ Mutter zuwinkend hinab auf die Straße, dabei mit der anderen Hand deutend in verschiedene Richtungen, dazu den Kopf, einen runden, blonden, wiegend und wendend in einem fort und immerzu, und ich, der Zuschauer, im Stillen: „Habemus principem: Ecce infans!“ (Niemandsbucht)

„Und“: Verlangsamung und (Ein-)Gedenken

„Der Allerbarmer überträgt (übermittelt?) nichts außer durch Erbarmen, und der, welcher dem Erbarmen ausweicht, zieht die Strafe auf sich, welche Abwesenheit des Erbarmens ist“ (Ibn ʿArabī)

Spielfreudig suchen! Und andächtig suchen! Und energisch suchen (mit Finde-Energie): Ideal („Der Gentlemansucher“)

Deine Wut hat keine Form. Also hat sie keinen Sinn. Also hör auf, zu wüten

Ein besonderes „Und“: Das Punktieren der arabischen Schrift, und das Aufrauschen der Sommerbäume am Sonntag (auch ohne Sonntag und Sommer): tüpfeln, tropfen

Entschlossen für Rußland sein – Tolstoi neu lesen!

Hör auf, in Gewichten und Zahlen zu denken

Obstdieb mit Weitblick, oben in den Baumkronen: Ideal

Lindenblüte im Schuh: Es ist Abend

Beim Hören von „Owner Of A Lonely Heart“: Was täten wir ohne Lieder? (Auch da ist einmal ein „wir“ am Platz)

Mehr an Gebet ist nicht in mir als ein zeitweiliges „Gott, wie schön!“?

Du willst deine Trauer fühlen? Beweg dich! (Gerhard Meier ist gestern gestorben)

Entrückung (s. o.): Das Ganze im Auge

„Olenin war müde, hungrig und voller Kraft“ (Tolstoi, „Die Kosaken“)

Ein neuer Morgen: das Hofhalten der Ringeltauben im System der Zedernäste, von unten nach oben, von breit bis schmal, von viel bis vereinzelt und zuletzt einzeln

„Neugier“? nein; „Wißbegier“? ja. (Die Sprache weiß alles)

„Plötzlich und unerwartet verstarb …“ (Todesanzeige)

„Denk, bevor du redest!“? – „Fühl, bevor du redest!“ („Spür, bevor …; schau, bevor …; hör, bevor …“)

Timeo mulieres et dona ferentes, oder so: „Ich fürchte die Frauen, vor allem, wenn sie Gaben bringen“

Erotisches Erzählen, so: „Er fuhr fort, sie zu küssen. Sie hörte auf, ihn auszufragen“ („Die Kosaken“)

„Fang ruhig an, fang ruhig an!“: So begann mein reales Schreiben; so fühlte ich mich auf der Schwelle zum Schreiber-als-Beruf (Sommer 1963, „Über den Tod eines Fremden“)

Noch einmal „Entrückung“: Entrückt, / Blickte er klar um sich: / Die Formen, / Die Formen, / Ah, die Formen, / O die Formen!

Schönes Begehren, verschönerndes (mich, die andere, die Dritten, das Dritte) Begehren: Ideal

„Mein größter Fehler ist die Undankbarkeit“, dachte der Dankbare

Gewöhn dir dein Kopfschütteln ab (außer wenn du staunst)

Zeitschwelle im Jahr: „Bienen-im-Klee-Zeit“

Wie lange täglich brauche ich zum Gesichtersehen, -wahrnehmen, -aufnehmen, -würdigen

Im Nußbäumchen der Anblick von sechs Nüssen: „Alle sechse!“

Beiwort zum Rauschen der Bäume: „unübertrefflich“

Beruf? Zwischenraumpflücker

Statt „Ich habe keine Lust“ sag: „Es ist nicht der Fall“, und umgekehrt, statt „Ich habe Lust“ sag: „Es ist der Fall“

Eine Weise der Ewigkeit: das Rennen der Bleßhühner auf den Seerosenblättern

Statt „Erinnerung“ sag, unter Umständen: „Rückbesinnung“; statt „Bereit sein“ sag „Gewärtigsein“

Verb für die Mauersegler-Flüge: Sie „demonstrieren“

„Die Bewegung ist ein Attribut der [göttlichen] Liebe“ (Ibn ʿArabī)

Alle Fülle ist nichts, wenn sie nicht für etwas oder für jemand ist

Der arglose Blick: Ideal

Ein Gesetzmäßiges, das du schon im voraus weißt, braucht nicht mehr den Weg des Schreibens

Jesus Christus, der unbeschränkte Mensch („Menschensohn“); und davor und danach alle die, all wir Beschränkten – bis auf manche Kinder und Sterbende

Man kann von jedem lernen. Also lern! (Die Ehrfurcht steht noch bevor)

Zu einem innigen Fest beitragen: Ideal

Der göttliche Blick (s. o.) sieht, „daß es gut war“? Nein, daß es gut sein könnte

Das Gedächtnis, das Gedenken, das Eingedenk-Sein liegt bewahrt (konzentriert) im Körper in Zwischenräumen aller Art, in Knochen, Sehnen, Adern, Hautzellen, überhaupt Zellen, Gelenken vor allem, Knie, Arme: diese dehnen! – und eine Gedächtniszelle nach der andern kehrt zurück und macht sich „ganzkörperweise“ bemerkbar

Ich freue mich: auf den Tau von Alaska

Noch einmal „Schwermut“: Wo eine Form ist, sehe ich eine Störung

2009

Verb für die Seele: „formt“, oder „verformt“ (je nachdem)

Verb für einen der neun Laute des Eichelhähers: Er „knarzt“

Schon draußen auf den Straßen kenne ich alle die Leute nicht – was soll ich dann erst in einem Haus, wo ich niemanden kenne? (für Antonio Porchía)

Auch Georges Bernanos, wie die Schwester meiner Mutter (aufwachend momentlang aus der Agonie in Stara Vas), hat vor seinem Tod gesagt: „Je vous aime tous“, so wie die alte Frau sagte: „Ich liebe euch alle“

Des einen Freud’ ist des anderen Freud’

„Im Blick auf einen Unbekannten, der vorbeigeht, das rechte Maß finden für die Freude und den Schmerz“ (Georges Bernanos)

Der Glücksjäger – der Freudengärtner

„P., der Fels“, ich? Aber nur in der Brandung

Was heißt „Maß“? Jetzt ist es recht – und ein Moment Übermut dazu, in Maßen

Verb zur Hysterie: „umzingelt“ (1 Person als Umzingler)

Den „fruchtbaren“ Ärger gibt es nicht. Nichts Unfruchtbareres als Ärger

„Schau, schau!“, sagte er zu sich, als er aufhorchte

Statt Schauer und (in G.’s „Folge“) (Be)denker: die Schaudenker

Epik kann selten entschieden auftreten. Darum braucht sie meist lange Sätze (wenn nicht gar Hexameter)

„Zu Sätzen aufgetürmte Sinnlosigkeiten?“ – „Nur Sätze? Überraschend gesprenkelt mit Sinn“ (zum Tod von Gert Jonke)

Statt „Hoffnung“ sag „Hoffnungsschub“

Im Wirbelwind dahinwirbelndes Laub: das Rad der Anderen Zeit