Alien Wars - Planetenjagd - Marko Kloos - E-Book

Alien Wars - Planetenjagd E-Book

Marko Kloos

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Beschreibung

Der Krieg hat gerade erst begonnen

Anfang des 22. Jahrhunderts. Die Menschheit kämpft gegen Aliens, in den letzten bewohnbaren Zonen der Galaxis tobt ein blutiger Bürgerkrieg, und politische Unruhen, militärische Polizeigewalt und Not bedrohen das gesamte Sonnensystem. Der junge Army-Offizier Andrew Grayson hat zwar das Militärbootcamp und den verheerenden Überfall im All überlebt, doch als er mit einer Truppe Querulanten und Unruhestiftern in eine ferne Kolonie geschickt wird, weiß er, dass seine gefährlichste Mission gerade erst begonnen hat …

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Das Buch

Zu Beginn des 22. Jahrhunderts ist die Erde ruiniert: Überbevölkerung, Nahrungsmittel- und Ressourcenknappheit haben den blauen Planeten in eine wüste Hölle verwandelt. Kurz gesagt: Niemand will mehr auf der Erde leben, weshalb sich der Nordamerikanische Commonwealth mit der Sino-Russischen Armee erbitterte Schlachten um die verbliebenen menschlichen Kolonien des Sonnensystems liefert. Doch es ist nicht nur der verheerende Bürgerkrieg mit den Russen, der die Soldaten des Nordamerikanischen Commonwealth zusehends in die Enge treibt: Die Lankies, scheinbar unbesiegbare Aliens, erobern Planet um Planet. Bis sie schließlich alle Heimatwelten der Menschen zerstört haben werden, ist es nur noch eine Frage der Zeit. Ausgerechnet jetzt wird Officer Andrew Grayson zu einer Rettungsmission zu einem fern abgelegenen Planeten abkommandiert. Während Grayson und seine Mannschaft sich in ihrem klapperigen Spaceshuttle den Weg durch sino-russische Geschützfeuer und Lankie-Laser bahnen, wird Grayson klar, dass dies die gefährlichste Mission seines Lebens ist …

Der Autor

Marko Kloos wurde 1971 in Deutschland geboren und ist dort auch aufgewachsen, bevor er nach Amerika übersiedelte. Er arbeitete u.a. als Soldat, Verkäufer und IT-Administrator, bevor er seine Leidenschaft für Fantasy und Science-Fiction zu seinem Beruf machte und Autor wurde. Er lebt mit seiner Frau und den gemeinsamen zwei Kindern in New Hampshire.

Mehr über Marko Kloos und seine Romane erfahren Sie auf:

diezukunft.de

MARKO KLOOS

ALIEN

WARS

PLANETENJAGD

ROMAN

WILHELM HEYNE VERLAGMÜNCHEN

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Titel der amerikanischen Originalausgabe:LINES OF DEPARTUREDeutsche Übersetzung von Martin GilbertDeutsche Erstausgabe 01/2016Redaktion: Werner BauerCopyright © 2014 by Marko KloosCopyright © 2016 der deutschsprachigen Ausgabe byWilhelm Heyne Verlag, München,in der Verlagsgruppe Random House GmbHUmschlaggestaltung: Nele Schütz Design, München, unter Verwendung von Shutterstock/Angela HarburnSatz: Fotosatz Amann, MemmingenISBN 978-3-641-16534-5V002www.diezukunft.de

Für Lyra und Quinn.Wie viele Romane auch immer ich schreiben werde – ihr seid das Beste, was ich jemals auf den Weg gebracht habe.

PROLOG

Manchmal reden die altgedienten Sergeants über die »guten alten Zeiten«.

Ja, es war einmal eine gesegnete und wirklich sagenhafte Zeit, als der Dienst beim Militär ein erstrebenswerter Beruf war – die Fahrkarte zu einer risikoarmen Karriere, mit anständiger Verpflegung und guten Sozialleistungen. Denn das Militär nahm längst nicht jeden! Doch wenn man es erst einmal geschafft hatte, war man für den Rest des Lebens Mitglied einer privilegierten Klasse.

Natürlich endeten die »guten alten Zeiten« etwa zehn Minuten nachdem ich meine Verpflichtungserklärung unterschrieben hatte.

Wir kämpfen nun schon seit annähernd fünf Jahren gegen einen neuen Feind, und wir konnten uns bisher noch nicht einmal auf einen Namen für ihn einigen. Die Xenobiologen haben sich eine unaussprechliche lateinische Bezeichnung einfallen lassen, die schließlich in den Lehrbüchern verwendet wird. Die für ihre prosaische Ader bekannten Infanteristen nennen sie »Lankies« oder »Monsterbratzen«. Und die Sino-Russen hatten im ersten Jahr des Krieges gar keinen Namen für sie, denn sie glaubten, dass das Nordamerikanische Commonwealth nur Desinformation betrieb, um Terraforming-Unfälle oder Naturkatastrophen in den Kolonien zu vertuschen, die wir reihenweise verloren.

Und dann eroberten die Lankies das von der SRA besiedelte Novaja Rossija direkt hinter der Dreißig. Es mussten erst hundertdreißig Kolonisten sterben, bis ihre Wissenschaftler sich endlich bereit erklärten, ihre Aufzeichnungen mit unseren abzugleichen.

Diese Aliens waren knapp fünfundzwanzig Meter groß, hatten eine ausgesprochen dicke Haut und streiften in Gruppen umher. Es ist großkalibrige panzerbrechende Munition erforderlich, um ein Loch in einen Lanky zu stanzen; und um ihre kilometerhohen Terraforming-Strukturen auch nur ins Wanken zu bringen, muss man schon eine Zehn-Kilotonnen-Atombombe einsetzen. Die einzige Chance, sie von einem Kolonialplaneten zu vertreiben, besteht darin, ihre Atmosphärenaustauscher und Siedlungen aus dem Orbit mit ein paar Hundert Megatonnen zu glasieren. Nur dass man sich damit auch der Möglichkeit beraubt, den Ort mit Menschen zu besiedeln. Sobald die Saatschiffe der Lankies in die Umlaufbahn um eine Kolonie gehen, haben wir den Ort definitiv verloren. Für uns mag es ein Krieg sein – für sie höchstens Schädlingsbekämpfung.

Als ich ins Militär eintrat, hatte die Menschheit ein paar Hundert Kolonien, die sich im Besitz der SRA und des NAC befanden: Sie erstreckten sich von der alten Siedlung auf Luna bis zum neu terrageformten New Caledonia direkt an der 70-Lichtjahre-Linie. Dann erschienen die Lankies und vertrieben uns von einem Kolonialplaneten namens Willoughby – und fünf Jahre später haben wir keine einzige Kolonie mehr jenseits der 30-Lichtjahre-Linie, die einmal die Grenze zwischen den inneren und äußeren Kolonien markiert hatte.

Wir haben jetzt nur noch sechsundneunzig Kolonien, und diese Zahl verringert sich mit jedem Jahr um ein weiteres Dutzend oder noch mehr. Die Lankies tauchen auf, zerstören die großen Siedlungen, reißen unsere teuren Terraforming-Stationen ein und errichten dann ein eigenes voll funktionsfähiges, höchst effizientes Terraforming-Netzwerk. Und das Ganze in kürzerer Zeit, als wir bräuchten, um über das nächste Alcubierre-Gefälle Verstärkung zu schicken. Auf diese Weise belegen sie den Ort mit Beschlag. Wenn sie erst einmal in der Umlaufbahn sind, können unsere Leute am Boden nur noch in Deckung gehen und darauf warten, dass die Evakuierungsgruppe der Navy auftaucht. Es gibt verdammt noch mal nichts, was die Marines der Garnison gegen die Lankies tun könnten.

Als Junge schaute ich immer die kitschigen Videos mit militärischen Abenteuern in den Netzen. Ich erinnere mich an die optimistischeren Versionen, in denen die Erde Ziel der Invasion durch eine Spezies war, die noch gewalttätiger und besitzergreifender war als unsere eigene. Daraufhin legten die Nationen der Erde ihre alten Differenzen bei und übten den Schulterschluss gegen die äußere Bedrohung.

Trotzdem konnte nicht einmal die Gefahr einer Alien-Invasion die SRA davon abhalten, uns wieder auf die Füße zu treten. Sie machten sich dabei den Umstand zunutze, dass drei Viertel unserer militärischen Kräfte plötzlich abgezogen wurden, um die Stellung gegen die Lankies zu halten. Wir mussten uns an der Peripherie unseres Einflussbereichs eingraben, um die Kolonien zu verteidigen. Die Garnisonen hatten nun Bataillons- und Regimentsstärke, wo zuvor Kompanien und Züge dort stationiert gewesen waren. In den inneren Kolonien mussten wir plötzlich wieder verstärkte SRA-Angriffe abwehren und die Sino-Russen von Kolonien fernhalten, die seit über fünfzig Jahren unangefochtenes Eigentum des NAC gewesen waren.

Alles in allem waren die letzten fünf Jahre für Leute in Uniform alles andere als risikoarm gewesen.

Zu Hause hatte man alle Flüge zu den Kolonien gestrichen, sodass die Erde jetzt ein noch unangenehmerer Ort war als zu der Zeit, als ich in die Streitkräfte eingetreten war. Diese Flüge hatten zwei Zwecken gedient: als Überdruckventil für das Bevölkerungswachstum auf der Erde und als Hoffnungsträger für jeden, der bisher noch kein Ticket für die Kolonien ergattert hatte. Ein Platz auf einem Kolonieschiff war wie ein Sechser im Lotto, und solange die Chance bestand, den Jackpot zu knacken, gab es zumindest einen schwachen Hoffnungsschimmer für die unruhigen Massen. Doch wurde nun selbst diese minimale Chance zunichtegemacht, und wir haben jetzt mehr soziale Unruhen in einem Monat als früher in einem Jahr. Und noch schlimmer: Die chronisch schwache Regierung des NAC ist nun endgültig und definitiv bankrott.

Die Kolonisierung des Weltraums ist ein extrem kostspieliges Unternehmen, zumal wir Ausrüstung im Wert von Billiarden Dollars auf den Kolonien verloren haben, die die Lankies uns abgejagt hatten. Weil nun auch keine Erze mehr auf diesen Welten geschürft werden, bleiben die Rohstofflieferungen, durch die die Kolonisierung sich amortisiert hatte, aus. Und die Privatwirtschaft ist auch nicht mehr bereit, Kredite zu verlängern oder neue Kolonialkontrakte abzuschließen. Und um dem Ganzen die Krone aufzusetzen: Weil das Militär für den Einsatz gegen andere irdische Streitkräfte ausgerüstet und organisiert wurde, reicht das Budget nicht einmal mehr aus, um zehn Marine-Divisionen und fünfhundert Raumschiffe zur Bekämpfung von fünfundzwanzig Meter großen Aliens abzustellen. Stattdessen müssen wir uns mit chinesischen und russischen Marines herumschlagen.

Es gab einmal eine Zeit, als das Militär eine großartige Karriere versprach. Heute sind wir eine überdehnte, unterfinanzierte und schlecht angesehene Streitmacht. Im Rücken haben wir die unruhigen Massen unserer überbevölkerten Heimatwelt, und vor uns steht ein neuer Feind, der uns körperlich und technisch weit überlegen ist. Nur ein Idiot würde jetzt noch in die Streitkräfte eintreten, und man musste wohl als geistig minderbemittelt eingestuft werden, wenn man nach Ablauf der regulären Dienstzeit noch einmal verlängerte.

Und als für mich die Zeit kam, wieder zu unterschreiben oder meine Sachen zu packen und ins Zivilleben zurückzukehren, setzte ich natürlich meine Unterschrift auf die gepunktete Linie.

1

WEITERVERPFLICHTUNG

»Ich schwöre feierlich, dem Nordamerikanischen Commonwealth treu zu dienen und seine Gesetze und die Freiheit seiner Bürger tapfer zu verteidigen.«

Ich hatte meine Weiterverpflichtung zwar schon gestern im Büro des Captains unterschrieben, sodass ich schon jetzt mit Haut und Haar für die nächsten fünf Jahre Regierungseigentum war. Aber das Militär hat eben ein Faible für Rituale. Wir befinden uns in einem Besprechungsraum, und der Captain und der Erste Offizier stehen zu beiden Seiten des Rednerpults. Jemand hat eine zerknitterte Flagge des Nordamerikanischen Commonwealth aufgetrieben und vor dem Wandbildschirm drapiert. Also hebe ich die Hand und wiederhole zum zweiten Mal in meiner militärischen Laufbahn die Eidesformel. Ein Corporal von der PR-Abteilung der Flotte zeichnet das Ereignis auf – aus welchem Grund auch immer. Selbst bei unseren derzeitigen Problemen hat das Militär noch immer eine Weiterverpflichtungsquote von neunzig Prozent, sodass diese Zeremonie durchaus öfter stattfindet.

»Glückwunsch, Staff Sergeant Grayson«, sagt der Captain, nachdem ich die Eidesformel gesprochen habe. »Sie sind für weitere fünf Jahre bei der Truppe.«

Was hätte ich auch sonst machen sollen?, sage ich mir.

»Danke, Sir«, erwidere ich und nehme das rein zeremonielle Weiterverpflichtungs-Zertifikat aus seiner ausgestreckten Hand entgegen. Dies bedeutet einen Bonus für mein Konto, das seit dem ersten Tag der Grundausbildung vor fünf Jahren stetig angewachsen ist. Nur dass die Währung des Commonwealth zunehmend an Wert verliert. Bei meinem Ausscheiden aus den Streitkräften wird das Geld auf meinem staatlichen Konto wahrscheinlich gerade noch dafür reichen, ein Frühstück und eine Bahnfahrkarte nach Hause in die Sozialwohnungssiedlung in Boston zu bezahlen.

Ich habe mich natürlich nicht des Geldes wegen weiter verpflichtet. Ich habe mich weiter verpflichtet, weil ich nicht wusste, was zum Teufel ich sonst hätte tun sollen. Meine beruflichen Fertigkeiten beschränken sich darauf, Dinge in die Luft zu jagen und mit geheimen neuronalen Netzen zu arbeiten, womit ich im Zivilleben keinen Blumentopf gewinnen dürfte. Ich hatte keine Lust, wieder zur guten alten Erde zurückzukehren und bis zu meinem frühen Tod in einer Sozialwohnung zu leben. Außerdem bin ich seit dem Tag, als ich von der Navy Indoc bei den Großen Seen zur Flottenakademie auf Luna geflogen bin, nicht mehr auf Terra gewesen. Und nach dem, was ich über das MilNet höre, ist die alte Heimatwelt ziemlich auf den Hund gekommen. Ein paar Leute, die kürzlich dort gewesen sind, sagen, wir könnten den Lankies wohl nichts Schlimmeres antun, als ihnen diesen Ort freiwillig zu überlassen.

Die Erdbevölkerung erreichte vor zwei Jahren den Höchststand von dreißig Milliarden Menschen, von denen drei Milliarden sich in Nordamerika zusammendrängen. Terra gleicht einer Ameisenkolonie mit hungrigen, unzufriedenen und antisozialen Ameisen, und ich bin noch nicht erpicht darauf, mich ins Getümmel dieser Bevölkerung zu stürzen. Wenigstens kann das Militär seine Leute noch ernähren, was man von der Zivilverwaltung des NAC nicht unbedingt sagen kann. Mom geht einmal im Monat oder so zum Verwaltungsgebäude, um Netzzugang zu erhalten. In ihrer letzten Nachricht hat sie erwähnt, die Nahrungsmittelgrundversorgung sei auf dreizehntausend Kalorien pro Person und Woche reduziert worden. Es sieht so aus, als ob ihnen dort unten Scheiße und Soja ausgingen.

So fiel mir die Entscheidung, mich weiter zu verpflichten, auch nicht schwer. Und weil meine Freundin Halley sich auch weiter verpflichtet hat, hatte ich eh keine andere Wahl.

»Also auf ein Neues«, sagt Halley. Die Videoübertragung ist leicht verpixelt, aber ich erkenne trotzdem die dunklen Ringe um ihre Augen. Sie hat einen langen Tag an der Kampffliegerschule gehabt, wo sie den Nachwuchspiloten beibringt, tragbaren chinesischen Boden-Luft-Raketen und Bio-Minen der Lankies auszuweichen. Wir sind zur Abwechslung einmal im selben System – mein Schiff gehört zu einer Kampfgruppe, die getarnte Anflüge auf einen der Saturnmonde übt, und wir beide können das Orbital-Relais über dem Mars nutzen. Es hat genug freie Bandbreite, um uns ein paar Minuten Videochat zu ermöglichen.

»Jau, auf ein Neues. Hatte keine Wahl, weil du mir zuvorgekommen bist und direkt vor mir verlängert hast.«

»Ich dachte, wir beide hätten beschlossen, uns weiter zu verpflichten«, sagt sie. »Weißt du noch? Du hast knallhart kalkuliert und gesagt, dass unsere Sonderzahlungen zu diesem Zeitpunkt nur ein besseres Taschengeld wären.«

»Ja, ich weiß. Ich will dich doch nur ein bisschen frotzeln. Gefällt es dir wenigstens an der Fliegerschule?«

»Hör mir bloß damit auf«, sagt sie und verdreht die Augen. »Kann’s verdammt noch mal kaum erwarten, wieder zur Flotte zurückzukehren. Ich meine, es ist schon schön, für ein paar Monate mal nicht als Zielscheibe zu dienen, aber ich könnte schwören, dass ein paar dieser Neulinge für die andere Seite arbeiten. Ich wäre allein in dieser Woche fast dreimal getötet worden.«

»Hey, du bildest die nächste Generation von Toppiloten aus. Das ist eine wichtige Aufgabe.«

»Wohl eher die nächste Generation von Sarginsassen«, sagt sie grimmig. »Unsere Freunde von der SRA haben eine neue tragbare Boden-Luft-Rakete. Mit einem nuklearen Sprengkopf im 50-Mikrotonnen-Bereich. Genau richtig, um eine Rotte von Landungsschiffen zu vernichten, ohne eine nennenswerte Sauerei am Boden zu veranstalten.«

»Scheiße«, sage ich. »Man kann von den Lankies halten, was man will, aber wenigstens haben sie bisher noch nicht mit Atomwaffen rumgespielt.«

»Sie brauchen gar keine Atomwaffen, Andrew. Sie treten uns auch so kräftig in den Arsch.«

Außer der ständig gegenwärtigen Gefahr eines plötzlichen und gewaltsamen Todes ist Halley die einzige Konstante in meinem Leben, seit wir uns bei der Grundausbildung in NACRD Orem im Ausbildungszug 1066 kennengelernt haben. Es ist uns gelungen, eine Art Fernbeziehung zu führen, bei der wir monatelang voneinander getrennt sind und nur in einem kurzen Urlaub in runtergekommenen Erholungseinrichtungen der Navy oder auf entlegenen Kolonien zusammen sein können. Wir haben beide in unseren jeweiligen Bereichen Karriere gemacht – sie ist nun First Lieutenant und Kommandantin eines brandneuen, hochmodernen Angriffs-Landungsschiffs, und ich bin in meinem zweiten Jahr als Gefechtscontroller, nachdem ich mich auf einen Posten beworben hatte, den Halley als »Affenzirkus-Direktor« bezeichnete.

Die Aufgabe eines Gefechtscontrollers besteht darin, gemeinsam mit den Infanteristen an vorderster Front an heiklen Einsätzen teilzunehmen. Nur dass man Funkausrüstung und einen Zielmarkierer am Mann hat statt moderner Waffen. Das war eine logische Folge meines Wunschs, mich jobmäßig zu verbessern und etwas anderes zu machen, als immer nur mit Neuronalen Netzen zu arbeiten. Immerhin war ich schon auf allen Informationssystemen der Flotte geschult. Sie suchten nach Freiwilligen, und ich suchte nach einem spannenderen Job, als in einem Kontrollraum für Neuronale Netze Fortschrittsbalken zu beobachten. Also bekamen sie ihren Freiwilligen, und ich bekam reichlich Nervenkitzel.

Ich bestand das Auswahlverfahren für Gefechtscontroller und verbrachte dann fast das ganze dritte Jahr meiner Dienstzeit mit Schulungen. Halley absolvierte inzwischen zweihundert Kampfeinsätze und sammelte ein paar Tausend Flugstunden. Außerdem wurde ihr noch das Distinguished Flying Cross verliehen, weil sie unter Einsatz ihres Lebens mitten in einer wilden Schießerei ein Aufklärungsteam rausgeholt hatte, das von einer Kompanie SRA-Marines eingekesselt war. Wir glauben, dass der jeweils andere den gefährlicheren Job hat, und je nach »Mission der Woche« hat mal der eine, mal der andere von uns recht.

»In ein paar Tagen geht’s wieder auf einen Planeten runter«, informiere ich Halley. Nähere Einzelheiten zum Einsatz darf ich ihr aber nicht einmal über die sichere Kommunikationsverbindung mitteilen. Die Filtersoftware läuft der Verbindung mit einer Verzögerung von drei Sekunden nach und kappt die Verbindung, wenn sie registriert, dass ich bestimmte Planeten, Schiffsnamen oder Sternsysteme erwähne.

»Lankies oder SRA?«, fragt sie.

»Lankies. Ich werde mit einem Aufklärungsteam landen. Wir sollen nach etwas suchen, das es wert wäre, ein paar Kilotonnen darauf abzuladen.«

»Nur ein Team? Da steckt aber nicht viel Feuerkraft dahinter.«

»Wir sollen Feuergefechte sowieso nach Möglichkeit vermeiden. Außerdem werde ich zusammen mit den Aufklärern runtergehen. Es wird mir schon nichts passieren.«

»Hoffentlich. Aufklärer sind auch nicht kugelfest«, sagt Halley. »Ich habe schon mehr als einen Treffpunkt angeflogen, ohne dass jemand erschienen wäre – weil nämlich das ganze Team ausgelöscht wurde.«

»Falls wir in Schwierigkeiten geraten, überlasse ich der Aufklärung das Schießen und haue ab. Ich bin schließlich nur eine wandelnde Funkstation.«

»Dafür, dass wir das Pech magisch anziehen, haben wir noch ziemlich viel Glück, weißt du?«, sagt Halley versonnen, und wir beide lachen.

»Du hast schon eine merkwürdige Auffassung von ›Glück‹«, sage ich. Aber ich weiß, dass sie recht hat. Wir leisten mit die gefährlichste Arbeit in der ganzen Flotte, und trotzdem ist es uns gelungen, fast vier Jahre im Kampfeinsatz ohne größere Blessuren zu überleben. Es hatten nur zwölf Kameraden unseres Zuges die Grundausbildung bestanden, und von ihnen sind vier bereits im Einsatz gefallen. Erstaunlicherweise sind alle Angehörigen unserer Tafelrunde in der Kantine noch am Leben. Ich bin das einzige Mitglied unserer kleinen Gruppe, das so ungeschickt war, sich eine so schwere Verletzung zuzuziehen, dass es für ein Purple Heart reichte. Halley ist mit ihrem Distinguished Flying Cross der höchstdekorierte Soldat von uns. Und weil sie sich als einziger Abgänger unseres Zugs für die Offizierslaufbahn qualifizieren konnte, ist sie zugleich das ranghöchste Mitglied an Tisch 5 in der Kantine.

»Nun, wir haben es schon so weit geschafft«, sagt Halley, als ob sie die gleichen Gedanken gehabt hätte. »Dann werden wir halt noch mal fünf Jahre lang durch ein Stahlbad gehen.«

»Hey, es hätte noch schlimmer kommen können«, erwidere ich. »Wir könnten jetzt nämlich wieder auf der Erde sein.«

Mein derzeitiges Schiff ist die NACSINTREPID, Flotten-Träger und eines von drei Schiffen der neuen Essex-Klasse. Die Essex-Träger sind schnell, gut bewaffnet und auf absehbare Zeit wohl auch die letzte Neuanschaffung der Flotte. Die Schiffe wurden schon bestellt, ehe der Krieg mit den Lankies ausbrach. Die drei Schiffe wurden auf der Werft dann noch eilig umgerüstet, um den taktischen Anforderungen der veränderten Lage gerecht zu werden. Die Navy hatte dann noch sieben weitere Einheiten bestellt, sodass die Gesamtzahl sich auf zehn Schiffe belief, die das Rückgrat der neuen NACS-Trägerstreitkräfte bilden sollten. Jedoch blieb es wegen der Budgetknappheit dann bei den drei Essex-Trägern – die nun ein ziemlich kurzes Rückgrat bilden. Sie sind nicht annähernd so groß wie ihre Vorgänger, die Supercarrier der Navigator-Klasse, aber sie sind schneller und verfügen über bessere Sensoren. Das hat sich gegen die Lankies als hilfreicher erwiesen als schiere Größe oder Stärke der Panzerung. Die Essex-Träger sind laufend im Einsatz und immer im Brennpunkt der Ereignisse.

Ich mag den Dienst auf einem Träger, denn auf den großen Vögeln ist viel mehr Platz als in den kleinen Blechbüchsen, in denen ich während meiner Dienstzeit als Administrator für Neuronale Netze normalerweise steckte. Als einer von drei Gefechtscontrollern der INTREPID habe ich eine Einzelkabine – ein Luxus, der normalerweise Stabsoffizieren und lang gedienten Dienstgraden vorbehalten ist. Das bedeutet, dass ich private Videochats genießen kann, ohne dass ein Rudel Kameraden mit halbem Ohr zuhört. Gefechtscontroller sind ständig im Einsatz, denn es gibt nur wenige von uns. Wir genießen bestimmte Privilegien, die uns gemäß unserem Rang und der Besoldungsgruppe eigentlich nicht zustehen würden. In der ganzen Flotte gibt es nur zweihundert von unserer Zunft, sodass auch nie Langeweile aufkommt.

Seit ich nach Bestehen der Grundausbildung das scharlachrote Barett trage, springe ich von einem Sternsystem zum nächsten: In diesem Monat bekämpfe ich die SRA, und im nächsten die Lankies. Würde die Flotte einen Cent für jede Million zurückgelegte Flugmeilen zahlen, wäre ich der reichste Mensch in der Geschichte des Planeten. Weil bei den Kriegsschiffen aber auch Standzeiten für Umrüstung und neue Bewaffnung anfallen, wechsle ich etwa jedes halbe Jahr das Schiff. Wir Gefechtscontroller sind zu wenige, als dass wir uns die gleichen Auszeiten wie das Gerät leisten könnten. Vor der INTREPID war ich auf der ATLAS, der TECUMSEH, der NEW HAMPSHIREund noch auf einem halben Dutzend anderer Schiffe, an deren Namen ich mich schon nicht mehr erinnere. Ich müsste meine Personalakte und die Versetzungshistorie hinzuziehen, um wieder zu wissen, um welche Schiffe es sich gehandelt hat.

Letztlich läuft es aber immer wieder aufs Gleiche hinaus: Eine Einheit Commonwealth-Infanteristen startet mit Leichenbittermiene von einem Träger oder Kreuzer, zieht gegen Russen oder Chinesen oder Lankies ins Gefecht und beschwört im Notfall den Zorn der Götter auf unsere Feinde herab. Die Infanteristen haben Gewehre, Raketenwerfer und taktische Nuklear-Mörser. Und ich habe eine noch viel mächtigere Waffe – eine Funkausrüstung, die mit den Schiffen der Kampfgruppe im Orbit zu kommunizieren vermag, und einen Computer, der diese Kampfgruppe gegebenenfalls fernsteuern kann.

Bei geringen Schwierigkeiten setzen die Infanteristen ihre Gewehre und Raketen ein. Bei größeren Problemen kommen Atomwaffen mit einer Sprengkraft von einer halben Kilotonne zum Einsatz. Und bei wirklich ernsten Problemen rufen sie mich. Ich entsende dann ein Geschwader voll bewaffneter Shrikes, oder ich ordne einen orbitalen Fünfzig-Megatonnen-Schlag an, der eine ganze Lankie-Siedlung in ein mehrere Hundert Quadratkilometer großes »Freilichtkunstwerk« aus glühender Schlacke verwandelt. Einer meiner Gefechtscontroller-Kollegen hat Planetenmodellierungs-Kitauf die Abdeckung seiner taktischen Steuerkonsole geschrieben, und dieser Scherz ist gar nicht mal so weit von der Realität entfernt.

Zwischen den Stunden und Tagen der Aufregung, Anspannung und des schieren Entsetzens gibt es jedoch auch Tage und Wochen der Langeweile. Das ist der Mechanik des interstellaren Raumflugs geschuldet. Meine nächste Mission, die in etwa einer Woche beginnt, wird mich auf einen Planeten namens New Wales führen, der sich in einer Umlaufbahn um den vierten Planeten des Systems Theta Persei befindet. Die Reise zum Alcubierre-Gefälle nach Theta Persei am Rand des Sonnensystems wird sieben Tage dauern, die Transition über die dazwischenliegenden siebenunddreißig Lichtjahre aber nur zwölf Stunden.

Und gleich nach unserer Ankunft werden wir gegen die Lankies ins Gefecht ziehen. Ich weiß noch nicht, was uns auf New Wales erwartet, aber in den letzten Jahren hat es ein paar zuverlässige Konstanten gegeben: Wir werden bewaffnungs- und zahlenmäßig unterlegen sein und immer am Rand der totalen Niederlage stehen, während wir die Stellung zu halten versuchen – und während wir zu verhindern versuchen, dass unsere sich zusammenziehende kleine Blase kolonisierten Raums noch weiter schrumpft.

Wir sind das Corps. Das ist unser Auftrag. Das Commonwealth – die Menschheit – steckt tief in der Scheiße, und wir sind die Leute mit den Schaufeln. Das Problem ist nur, dass es ein großer Scheißhaufen ist und es sich bei den Schaufeln eher um Schäufelchen handelt.

2

NEW WALES

Einen guten Offizier erkennt man an der Art und Weise, wie er Einsatzbesprechungen abhält. Kapitäne der Großkampfschiffe der Flotte und »Konsolenjockeys« neigen zu weitschweifigen Ausführungen und halten sich bei der Besprechung streng an die Dienstvorschrift. Und dann schalten alle Anwesenden im Besprechungsraum normalerweise ab, nachdem ihnen die gleichen Informationen in sechs Varianten dargereicht wurden. Die Aufklärungsoffiziere kommen jedoch gleich zur Sache, und die Besprechung geht dann so zügig über die Bühne, dass die Leute nicht einmal dazu kommen, ihre Sandwiches ganz aufzuessen.

»Die heutige Mission wird ein ›Drop-and-Shop‹-Einsatz«, sagt Major Gomez, nachdem wir alle Platz genommen haben. Als der einzige Gefechtscontroller, der dieser Mission zugeteilt wurde, bin ich auch der einzige Flottenangehörige im Raum. Der Rest der Truppe besteht aus Rauminfanterie-Aufklärern – einem Team, das ich zuvor schon ein paarmal abgesetzt hatte.

»New Wales wird seit ungefähr einem Jahr von den Lankies mit Beschlag belegt«, fährt der Major fort. »Höchstwahrscheinlich existieren ein paar größere Siedlungscluster dort unten. Sie hatten immerhin reichlich Zeit, sich einzugraben und häuslich einzurichten.«

Hinter dem Major wird auf dem wandmontierten holografischen Briefing-Monitor eine Reihe dreidimensionaler Abbildungen unseres Zielplaneten eingeblendet. Wie immer haben wir eine ungefähre Vorstellung davon, wo sich die Populationszentren der Lankies befinden – und wie immer reicht unsere ungefähre Vorstellung nicht aus, um orbitale Angriffskoordinaten zu ermitteln. Wegen des Minenfelds, das die Lankies um den Planeten gelegt haben, kommen die Aufklärungseinheiten der Flotte nicht nah genug heran, um brauchbare Daten für die Zielerfassung zu gewinnen. Und dann schlägt wiederum die Stunde der Aufklärungsteams.

»Wir haben die übliche beschissene Suppe da unten, die wie immer die Sensoren beeinträchtigt. Die Aufklärungsdrohne hat aber noch einen brauchbaren IR-Scan der nördlichen Hemisphäre durchgeführt, bevor sie zerstört worden ist. Sie haben sich nicht allzu weit von der alten Hauptstadt der Kolonie entfernt niedergelassen.«

Die Karte hinter dem Major zeigt eine Ausschnittsvergrößerung, und das taktische Symbol für »unbestätigte Siedlung« wird auf die topografischen Daten projiziert. New Wales war schon seit über fünfzehn Jahren kolonisiert, bevor die Lankies auftauchten und diesen Ort übernahmen. Also existierte schon eine anständige Vegetation und Landwirtschaft an der Oberfläche, bevor das Verhältnis von Sauerstoff und Kohlendioxid in der Atmosphäre in einem Zeitraum von nur anderthalb Monaten auf den Kopf gestellt wurde. Nun handelt es sich um typisches Lanky-Territorium – heiß, feucht und definitiv tödlich für einen Menschen ohne Raumanzug.

»Das primäre Zielgebiet trägt die Bezeichnung ›Normandie‹. Wenn die Kanoniere unsere Kapsel halbwegs gerade starten, werden Sie zwischen zwanzig und fünfundzwanzig Kilometer vom Rand der mutmaßlichen Hauptsiedlung entfernt landen. Dann gehen Sie rein, markieren die Atmosphärenaustauscher und die hochwertige Ausrüstung, die Sie sonst noch sehen, und dann soll der Kamerad von der Flotte hier seinen Job machen, sobald Sie Lanky City ausgemacht haben.«

Seit wir den Kampf gegen die Lankies aufgenommen haben, bestanden achtzig Prozent meiner Missionen in dem, wofür wir die Bezeichnung »Drop-and-Shop« geprägt haben. Weil die Aliens ihre neuen Kolonien mit tief gestaffelten orbitalen Minenfeldern sichern, kommen unsere Flotteneinheiten nicht nah genug an die von Lankies besetzten Welten heran, um präzise Zielerfassungsdaten oder verlässliche Steuerdaten für Drohnen zu gewinnen. Die Raumverteidigungs-Kreuzer der Linebacker-Klasse können zwar einen ausreichend großen Abschnitt des Minenfelds räumen, um ein Offensivkontingent runterzuschicken oder eine Salve nuklearer Raum-Boden-Raketen abzufeuern, dennoch müssen Aufklärungsteams vorgeschickt werden, um eine exakte Zielerfassung zu ermöglichen, damit die Linebackers ihr ebenso beschränktes wie teures Waffenarsenal nicht vergeuden. Wir landen, markieren alles, was im Zielgebiet ein Bombardement lohnt, und laden die Informationen dann zu den Schiffen hoch, die in sicherer Entfernung warten. Die Linebackers stoßen ein Fenster auf, der Träger schickt einen Offensivverband rein – oder auch mehrere –, und dann kommen die Bergungsboote, um uns wieder abzuholen.

Der schwierige Teil einer Drop-and-Shop-Mission ist immer das Reinkommen. Die Annäherungs-Minen der Lankies fangen alle künstlichen Objekte oberhalb einer bestimmten Größenschwelle ab, und Landungsschiffe sind zu groß und zu »künstlich«, um durchzukommen. Deshalb werden Aufklärungsteams sozusagen per Expresslieferung auf von Aliens kontrollierten Welten abgesetzt – mit ballistischen Landekapseln, die aus den großkalibrigen Raketenrohren von Großkampfschiffen abgefeuert werden. Diese Art des Pendelns zum Arbeitsplatz ist ausgesprochen aufregend.

»Vorbereitungen um 0700 Zulu. Start um 0830 Zulu«, sagt der Major und beendet damit die Besprechung. »Sie alle haben das schon ein paar Dutzend Mal gemacht, also wissen Sie auch genau Bescheid. Eventuelle Probleme mit dem Anzug melden Sie dem Leiter der Waffenkammer, damit wir im Notfall jemanden von der Reservebesatzung mitschicken können. Waidmanns Heil, Leute. Wegtreten.«

»Der wievielte Absprung ist das für Sie, Grayson?«, fragt der Leiter des Aufklärungsteams, Lieutenant Graff, mich beim Verlassen des Besprechungsraums.

»Oh, zum Teufel, ich habe inzwischen den Überblick verloren«, sage ich ihm, obwohl ich ganz genau weiß, wie oft ich schon in einer Biokapsel in den Weltraum geschossen wurde. Die Zahl der Absprünge gilt bei den Rauminfanteristen als ein Maß für die Tapferkeit. Indem man auch eine stolze Absprungbilanz als Bagatelle abtut, weist man sich als alter Weltraum-Kämpe aus. »Ich glaube, es sind inzwischen so um die zweihundert.«

»Verdammt. Man sollte sich eine noch höhere Stufe für das Springerabzeichen einfallen lassen. Platin oder Titan oder so. Sie haben jetzt schon viermal Gold.«

»Und was ist mit Ihnen, LT?«

»Für mich ist das Nummer neunundsechzig.«

»Sie zählen die Übungssprünge mit?«, frage ich, um ihn aufs Glatteis zu locken.

»Wir können schließlich nicht alle im Dauereinsatz sein wie Sie, Grayson.«

»Seien Sie froh drum. Seit der Gefechtscontroller-Ausbildung hatte ich keinen richtigen Urlaub mehr. Ich hätte liebend gern ein paar dieser Absprünge gegen etwas mehr Freizeit eingetauscht. Und meine Mutter habe ich nicht mehr gesehen, seit ich zur Grundausbildung abgereist bin.«

»Sie haben auch nicht viel verpasst«, meint Lieutenant Graff. »Den nächsten Urlaub sollten Sie auf einer Kolonie oder in einem der Erholungs-Center verbringen. Terra ist dieser Tage kaum noch eine Reise wert.«

»Sie waren kürzlich auf Terra? Woher kommen Sie übrigens?«

»Aus der Houston-Metroplex. Ich hatte vor einem Vierteljahr Heimaturlaub. Es ist jetzt ein verdammtes Kriegsgebiet. Und Sie?«

»PRC Boston-Sieben«, sage ich. »Das war schon ein Kriegsgebiet, als ich es verließ.«

»Da stimmt doch irgendetwas nicht, oder? Wir reißen uns den Arsch auf, um die Sicherheit der Erde zu gewährleisten, und sie schießen auf uns, wenn wir uns dort in Uniform zeigen. Da fragt man sich schon, wofür wir überhaupt kämpfen.«

Ich frage mich das allerdings nicht. Ich kämpfe, weil die einzige Alternative darin besteht, in irgendeinem Getto auf der Erde recycelte Scheiße als Nahrung zu sich zu nehmen und auf den unvermeidlichen Tag zu warten, wenn die Lankies ihre interstellare Schädlingsbekämpfungsmission gegen uns abschließen, indem sie im Erdorbit auftauchen und unseren schmutzigen kleinen Ameisenhügel von Planeten mit Nervengas ausräuchern.

Ich kämpfe, weil das die einzige Möglichkeit für mich ist, wenigstens ein klein wenig über mein eigenes Schicksal zu bestimmen.

Es dauert ungefähr eine halbe Stunde, um einen Kampf-Raumanzug für feindliche Umgebungen anzulegen.

Die sogenannten HEBA-Anzüge sind noch eine relativ neue Entwicklung. Sie wurden für Offensivmissionen auf Lanky-Welten konzipiert und sind so mit modernster Technik vollgestopft, dass ein regulärer Kampfanzug im Vergleich dazu wie eine Ritterrüstung anmutet. Die konventionellen Kampfanzüge sind grundsätzlich für Lanky-Welten geeignet – jedoch sind die integrierten Sauerstofftanks zu klein, und die Filter sind der hohen Konzentration biologischer Schadstoffe in der Luft auf Dauer nicht gewachsen. Die Lankies bringen nämlich eine Art von Pollen in der Atmosphäre aus, um ihre Version einer Landwirtschaft zu etablieren, und die Filter eines normalen Anzugs verstopfen dann innerhalb weniger Stunden.

Die neuen HEBA-Anzüge hingegen verfügen über spezielle Filter und ein neues System zur Sauerstofferzeugung, das einen Infanteristen auch bei hartem körperlichen Einsatz für ein paar Tage mit Atemluft versorgt. Die Panzerung bietet zwar weniger Schutz gegen Beschuss aus Handfeuerwaffen als der Standard-Infanterieanzug, ist dafür aber flexibler und nur halb so schwer. Und das in den Helm integrierte Sensorenpaket ist so hoch entwickelt, dass man damit auch ein Sternenschiff steuern könnte: Die Funktionen umfassen Infrarot, Wärmebildgebung, Millimeterwellen-Radar und Ultraschall.

Dann gibt es noch ein eingebautes Trauma-Kit und einen extrem schnellen taktischen Rechner, der alle Datenströme bündelt. Wer auch immer den Anzug entwickelt hat, wusste wohl, dass das Visier die Schwachstelle bei einem Helm ist und dass eine Antibeschlagvorrichtung auf einer Welt mit einem hohen Anteil an Kohlendioxid eine unnötige Energieverschwendung bedeuten würde. Also haben die neuen Helme gar kein Visier mehr. Das Fehlen konventioneller Augen in Verbindung mit den kleinen Höckern der Sensorbaugruppen des Helms verleiht dem Träger ein insektenhaftes Aussehen. Deshalb dauerte es auch nicht lange, bis nach der Ausgabe der ersten HEBA-Anzüge jemand den offensichtlichen Spitznamen dafür prägte: Insektenkostüm.

Die Insektenanzüge werden für jeden Träger maßgeschneidert und sind deshalb sündhaft teuer. Weil das Verteidigungsbudget knapp bemessen ist, sind sie auch streng limitiert. Nur Militärangehörige mit häufigen Einsätzen auf Lanky-Welten bekommen einen – Aufklärer, Gefechtscontroller, Landungsschiffpiloten und Weltraumrettungs-Spezialisten. Alles in allem gibt es vielleicht dreitausend Soldaten im gesamten Corps, die einen Insektenanzug besitzen. Sie kommen aber nicht bei Missionen gegen die SRA zum Einsatz, weil das Oberkommando vermeiden will, dass die Technik den Russen oder Chinesen in die Hände fällt.

Ich empfinde eine Art von Hassliebe für meinen Insektenanzug. Er ist sehr bequem, und die Fülle der Sensordaten, die auf die Innenseite des Helms projiziert werden, suggeriert mir beinahe ein Gefühl der Allwissenheit. Auf der anderen Seite bedeutet das Anlegen des Anzugs, dass ich mich bald auf Lanky-Territorium vorwagen werde.

»Alle Mann die Anzüge ausprüfen«, befiehlt der Lieutenant. »Wir sind einsatzbereit. Bitte auch noch die Waffen kontrollieren.«

Wir legen mit unseren Gewehren auf das Diagnoseziel am Schott an und überlassen den Computern die Kommunikation über das drahtlose Netzwerk. Wir sind mit den neuen Gewehren M-80 ausgerüstet, die als Spezialausrüstung für den Einsatz gegen die Lankies entwickelt wurden. Die alten Nadelgewehre M-66 sind auch noch im Einsatz, kommen aber nur gegen die Sino-Russen zum Tragen. Die kleinen Wolframnadeln, die das M-66 verschießt, richten wenig gegen die dickhäutigen Lankies aus. Deshalb verschießen die neuen Gewehre Binär-Projektile vom Kaliber 25-mm: ein hoch dichtes Uran-Wuchtgeschoss mit einer Treibladung. Wegen der hohen Mündungsgeschwindigkeit, die zum Durchdringen der Lanky-Haut erforderlich ist, wird ein hülsenloses Treibmittel verwendet, das jedoch einen enormen Rückstoß verursacht. Deshalb haben die neuen Gewehre auch einen vertikal angeordneten Doppellauf ohne Magazin. Wegen des extremen Rückstoßes würde die Waffe mit einer Rückstoßdämpfung so unhandlich und schwer, dass ihr Einsatz nicht mehr praktikabel wäre. Mit nur zwei Schuss in der Waffe sind die neuen Gewehre gegen die SRA praktisch nutzlos, aber gegen die Lankies haben sie sich bewährt.

»Alles klar«, sagt der Lieutenant, als wir die abschließende Waffenkontrolle beendet haben. »Dann wollen wir mal ein paar Monsterbratzen aufmischen.«

Das Aufklärungsteam besteht aus vier Soldaten: Lieutenant Graff, Staff Sergeant Humphrey, Sergeant Keller und Corporal Lavoie. Ich bin das fünfte Rad an diesem speziellen Wagen. Allerdings hat niemand etwas gegen meine Anwesenheit, denn ich habe die Funkausrüstung am Mann, um Hilfe zu rufen, wenn es brenzlig wird. Wir alle werden in Einzelkapseln abgeworfen, um zu vermeiden, dass das ganze Team ausgelöscht wird, falls die Start-Mannschaft unsere Flugdauer falsch berechnet und eine Kapsel in den Pfad einer Annäherungs-Mine der Lankies schießt. Die Artilleristen verstehen ihr Handwerk – die Wahrscheinlichkeit einer tödlichen Kollision von Kapsel und Mine beim Anflug beträgt nur ein Prozent – doch bei zweihundert Missionen erhöht sich diese Wahrscheinlichkeit entsprechend.

Ich schnalle mich in meiner Biokapsel an, die wie eine steinerne Artilleriegranate aussieht. Da die Minen nicht auf kleine, im Weltraum schwebende Objekte wie Asteroiden programmiert sind, stellen unsere Kapseln authentische Imitationen solcher Himmelskörper dar. Bisher haben sie ihren Zweck auch erfüllt. Aber vor jedem Start habe ich die Befürchtung, dass ausgerechnet bei dieser Kapsel die Lankies auf den Trichter kommen werden, wie unsere Aufklärungsteams auf den Planeten gelangen und dass meine Kapsel die erste ist, die durch eine aktualisierte Mine aus ihrer Flugbahn katapultiert wird.

»Letzter Kommunikationstest«, sagt der Lieutenant auf dem Teamkanal. »Ton abschalten, Leute. Gebt mir ein Go/No-Go.«

Ich höre, wie das Team auf die Anweisung des Lieutenants reagiert, und bestätige dann selbst, als die anderen durch sind.

»Echo Fünf, bestätigen und für den Start bereit machen.«

»Echo Eins, bestätige – wir sind bereit für den Start. Nach dieser Sendung herrscht Funkstille, bis wir am Ziel sind. Ich sehe euch in dreißig auf dem Boden. Echo Eins Ende.«

Ich signalisiere dem Starttechniker, der neben meiner Kapsel steht, mit erhobenem Daumen Startbereitschaft. Er erwidert die Geste und schließt den Kapseldeckel. Sofort aktiviert sich der Restlichtverstärker des Helms, um die plötzliche Dunkelheit auszugleichen. Es gibt hier drin aber nichts zu sehen außer der glatten Innenseite des Kapseldeckels. Also schalte ich die visuelle Übertragung manuell ab, um den Akku zu schonen.

Die Kapsel wird mit einem automatischen Zuführungsmechanismus ins Abschussrohr geschoben. Ich bin jetzt nur noch eine Raum-Boden-Granate in den Magazinen des Trägers – mit dem einen Unterschied, dass ich eine biologische Waffe bin und keine chemische oder nukleare. Zehn der hundertvierundvierzig Abschussrohre der INTREPID sind für den Start von Biokapseln umgerüstet worden. Also kann eine ganze Staffel gleichzeitig gestartet werden. In den nächsten zwanzig bis dreißig Minuten wird mein Leben in den Händen der automatisierten Systeme des Schiffs liegen. Da wäre einmal der ballistische Computer, der eine Flugbahn für meine Kapsel berechnet, um das Lanky-Minenfeld zu überwinden und das Zielgebiet zu erreichen – und der Startmechanismus, der die Kapsel mit genau der richtigen Geschwindigkeit aus dem Rohr schießt. Nur eine Computerpanne, nur eine Überspannung oder eine Stromschwankung im falschen Moment, eine falsche Dezimalstelle in einer Programmierungs-Subroutine, und ich werde am Planeten vorbei in den tiefen Raum geschossen oder löse mich in den oberen Schichten der Atmosphäre des Planeten in eine Wolke aus organischem Feinstaub auf.

Der schlimmste Teil ist jedes Mal der Moment kurz vor dem Start, wenn der holprige Transport der Kapsel auf der Granatenzuführung stoppt. Dann weißt du, jetzt wirst du in ein aus einer Titanlegierung bestehendes Raketenabschussrohr eingeführt – wie eine Patrone in einen Gewehrlauf geschoben wird. Es ist der Moment vor dem Abschuss, die letzten paar Sekunden, bevor der elektrische Auslösemechanismus die Kapsel hinaus in die Kälte und Dunkelheit des Raums schießt, direkt in den Verhau der feindlichen Orbitalverteidigung. Wenn die Kapsel erst einmal unterwegs ist, werde ich etwas ruhiger, doch in dieser kurzen Zeitspanne vor dem Start der Kapsel habe ich fast immer eine solche Angst, dass ich mir beinahe in die Hose mache.

Das Abschussrohr summt, als das elektrische Feld aktiviert wird; und dann ertönt ein lautes Rauschen, als beim Druckausgleich die Luft aus dem Rohr entweicht. Dann werde ich in die Halterung gedrückt, als die Kapsel mit acht g aus dem Rohr hinausgeschossen wird.

Ich halte beim Start immer den Atem an – was mir auch gar nicht schwerfällt, wo der Beschleunigungsdruck wie die Kufen eines Landungsschiffs auf der Brust lastet. Und ich gestatte mir auch erst wieder zu atmen, wenn die Gewichtsbelastung spürbar nachlässt, sobald die Kapsel das künstliche Schwerefeld des Trägers verlässt.

Manche Soldaten aktivieren das Helmdisplay während des Flugs und rufen den taktischen Bildschirm auf, der ihnen die genaue Position der Kapsel auf der geplanten Flugbahn und den exakten Moment anzeigt, in dem sie das Lanky-Minenfeld durchstößt.

Ich ziehe es jedoch vor, den Flug in Dunkelheit zu verbringen.

Das genaue Zeitfenster meines möglichen plötzlichen Todes will ich gar nicht wissen. Falls ich auf eine Mine laufe oder eine ihre meterlangen panzerbrechenden Projektile auf meine Kapsel abfeuert, bin ich sofort tot. Und falls ich durchkomme, werde ich es durch das Geräusch der heißen Luft erfahren, die an der Kapsel vorbeirast, während ich durch die oberen Schichten der Atmosphäre fliege.

In den nächsten paar Minuten rast meine Kapsel durch das feindliche Vakuum zwischen dem Träger und dem Planeten, und ich bin völlig isoliert – blind, taub, schwerelos, und ich fühle mich wie das einsamste Lebewesen in der gesamten Galaxis. Es gibt nichts zu sehen, nichts zu spüren, keine Wahrnehmungen, die mich von der Furcht ablenken würden. Dann wird die Kapsel leicht durchgeschüttelt, und ich höre das vertraute gedämpfte Tosen von Luft, die an der Außenhaut meines »einfachen« Flugs vorbeirast. Noch fünf Minuten, und der Hauptbremsfallschirm wird sich öffnen. Dann werde ich zum hundertzweiundneunzigsten Mal in meiner neuen Karriere auf einer ebenso fremdartigen wie feindseligen Welt landen. Wieder einmal werde ich dem Tod von der Schippe springen und mich durch Ansammlungen von Antischiffsminen hindurchgeschlängelt haben, die eine Fregatte schlagartig in einen Haufen Schrott verwandeln können.

Wobei der Anflug noch der leichteste Teil der Mission ist. Ich werde gleich den Fuß auf eine von Lankies kolonisierte Welt setzen, und es gibt dort unten viele Möglichkeiten, einen schnellen Tod zu sterben.

3

NUKLEARE SCHÄDLINGSBEKÄMPFUNG

Ich weiß, dass dieser Absprung gescheitert ist, bevor die Kapsel noch auf dem Boden auftrifft. Während ich am Bremsfallschirm absteige, aktiviere ich das Helmdisplay, um mich zu orientieren. Und ich zucke zusammen, als ich sehe, dass unsere Flugbahn uns direkt ins Zielgebiet geführt hat. Eigentlich hätten wir ein paar Dutzend Kilometer von dem großen roten Rechteck auf der Karte entfernt runtergehen sollen, doch werden unsere Kapseln etwa vierzig Kilometer innerhalb dieses Bereichs landen. Es ist schon jemand am Boden und sondiert die Lage, denn auf dem taktischen Monitor wimmelt es plötzlich von aktualisierten Zielmarkierungen und Bedrohungsvektoren.

Meine Kapsel schlägt so hart auf dem Boden auf, dass mir förmlich die Knochen klappern. Der Deckel der Kapsel wird automatisch abgesprengt, und über mir sehe ich den vertrauten bleiernen Himmel einer von Lankies umgemodelten Welt. Die Lankies mögen es düster – die ganze Zeit Wolken, Regen und Nebel. Die Kapsel hat jedoch eine seltsame Schräglage. Als ich den Öffnungsmechanismus des Sicherheitsgurtes betätige und mich aufsetze, sehe ich, dass unsere Kapseln auf einem steil abfallenden Hügel gelandet sind.

»Echo Fünf ist unten«, melde ich auf dem Teamkanal. »Alles noch an einem Stück.«

»Fabelhaft«, erwidert Lieutenant Graff sofort. »Sammeln Sie Ihren Kram zusammen, und kommen Sie zu mir. Sieht so aus, als ob Arty diesmal Mist gebaut hätte.«

Ich nehme das Gewehr aus der Halterung und überprüfe es, um mich nochmals zu vergewissern, dass beide Läufe geladen sind. Dann halte ich auf dem realitätsverstärkten Monitor Ausschau nach dem Rest meines Teams. Was die Streuung betrifft, so war der Abschuss sehr präzise – wir alle sind höchstens einen viertel Kilometer voneinander entfernt. Sie haben aus einer Entfernung von einer viertel Million Kilometern eine enge Gruppe geschossen, aber das Ziel dennoch komplett verfehlt. Als ich den Hügel hinuntertrotte, um mich meinem Teamführer anzuschließen, sehe ich keine zehn Kilometer entfernt einen Atmosphärenaustauscher der Lankies in die Höhe ragen – und eine Ansammlung der eigentümlich organisch anmutenden Lanky-Gebäude weniger als zwei Kilometer zu unserer Rechten. Statt uns an das Siedlungsgebiet anzupirschen, sind wir mittendrin gelandet! Falls die Bewohner nicht gerade schlafen oder gar tot sind, wird sich auch schon bald ein Begrüßungskomitee einfinden. Der einzige Lichtblick bisher ist, dass wir alle wohlbehalten gelandet sind. Ich habe schon an ein paar Missionen teilgenommen, bei denen ein Fallschirm sich nicht geöffnet hat: Die üblichen Auswirkungen eines Kapselabsturzes aus einer hohen Umlaufbahn sind ein drei Meter tiefer Krater und Fetzen organischer Materie zwischen den deformierten Wrackteilen auf dem Boden des Einschlagkraters. In der Regel bleiben aber nicht einmal mehr die Erkennungsmarken übrig.

Wir sammeln uns am Standort des Lieutenants und stelle fest: Es gibt keine Deckung im näheren Umkreis. Ich fühle mich auf dieser Anhöhe, auf die man von den nahe gelegenen Gebäuden der Lankies aus einen ungehinderten Blick hat, wie auf dem Präsentierteller. Sie sind zwar zwei Kilometer entfernt, aber eine fünfundzwanzig Meter große Kreatur hat auch eine sehr große Schrittweite. Wir haben schon gesehen, dass die Lankies einen Kilometer in drei Minuten zurücklegten, ohne dass sie dabei angestrengt wirkten. Zum Glück scheint der Lieutenant mein Unbehagen zu teilen.

»Wir stehen hier rum wie eine Leuchtreklame«, sagt er, während wir uns um ihn sammeln. »Wir gehen erst mal den Abhang runter und sehen dann zu, dass wir aus dieser Scheiße wieder rauskommen.«

»Da ist ein Graben auf zehn Uhr, unten am Fuß des Hügels«, sagt Corporal Lavoie. »Wenn wir uns dort verstecken, sind wir von diesen Gebäuden aus nicht mehr zu sehen.«

»Gute Idee. Bewegt eure Ärsche, Leute. Fächerformation, Abstand jeweils hundert Meter.«

Wir haben nicht einmal einen halben Kilometer auf dem steinigen Hang zurückgelegt, als wir Bewegung aus der Richtung der asymmetrischen Gittertürme der Lanky-Gebäude erkennen. Kurze Zeit später erblicken wir dann auch die charakteristischen Formen von drei Lankies, die sich mit langsamen und gemessenen Schritten unserer Landezone nähern. Lankies scheinen es nie eilig zu haben; doch wenn sie einem erst einmal auf den Fersen sind, kann man ihnen nur noch mit einem Fahrzeug entkommen.

»Drei nähern sich aus vier Uhr, Peilung Eins-Zehn«, sagt Sergeant Humphrey mit ihrem rauen, steifen kanadischen Akzent. Wir alle hatten schon in dem Moment, als einer von uns die Lankies ortete, die Symbole »feindliche Truppen« auf dem Display. Doch die ausbildungsbedingte Konditionierung sitzt tief. Mein taktisches Computer-Helferlein berechnet Geschwindigkeit und Bewegungsvektoren und informiert mich dann darüber, dass wir den Graben erreichen werden, kurz bevor das Begrüßungskomitee bei der Anhöhe ankommt.

»Im Laufschritt«, befiehlt der Lieutenant. Das hätte er sich auch sparen können. Wir rennen so schnell den Hügel hinab, wie unsere Hundert-Pfund-Last aus Ausrüstung und Waffen es zulässt.

»Alle Mann die Tarnung aktivieren. Sobald wir im Graben sind, mit gespreizten Armen und Beinen flach auf den Boden legen.«

Unsere Anzüge verfügen über ein brandneues polychromatisches Tarnungssystem. Es besteht aus einer Anzahl winziger optoelektronischer Projektoren, mit deren Hilfe wir mit jedem Terrain verschmelzen. Dieses System macht uns zwar nicht unsichtbar, funktioniert aber so gut, dass man schon dicht neben einem polychromatisch getarnten Soldaten stehen müsste, um ihn auszumachen. Wir wissen nicht, ob die Lankies auf die gleiche Art sehen wie Menschen – wir wissen nicht einmal, ob sie überhaupt »sehen« können. Aber die paar Male, als Soldaten in Insektenanzügen ihre polychromatische Tarnung aktiviert hatten, um sich vor in der Nähe befindlichen Lankies zu verstecken, ist niemand getötet worden. Da die Projektoren die Anzugbatterien aber stark belasten, sollen wir sie nur im äußersten Notfall einsetzen. Was mich betrifft, erfüllt unsere momentane Situation jedoch dieses Kriterium.