Alles ändert sich - Heinrich Bedford-Strohm - E-Book

Alles ändert sich E-Book

Heinrich Bedford-Strohm

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Beschreibung

Heiligabend 2015 predigte der Ratsvorsitzende der EKD nicht im Kerzenschein einer Kirche, sondern auf dem Münchner Hauptbahnhof vor geflüchteten Menschen auf der Suche nach Schutz. Gott und Welt gehören zusammen, weil Gott sich mitten in dieser Welt gezeigt hat: Das, so das Credo des evangelischen Theologen, macht die Botschaft von Weihnachten aus. Das Buch des bayerischen Landesbischofs erschließt weihnachtliche Texte der Bibel in ihrer Bedeutung für unsere Zeit: im persönlichen und im öffentlichen Leben.

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Buch lesen

Cover

Haupttitel

Inhalt

Über den Autor

Über das Buch

Impressum

Hinweise des Verlags

Heinrich Bedford-Strohm

Alles ändert sich

Die Welt im Licht von Weihnachten

Patmos Verlag

Inhalt

Einladung

Advent: Alles ändert sich

Überall brennen die Lichter

Zeit aufzustehen

Dein König kommt zu dir

Der Zug der Erlösten

Friedenslicht aus Bethlehem

Reicher an Hoffnung

Empfangen und hören

Das große Ja

Eine lebensfreundliche Vision

Im Licht von Weihnachten

Love is in the air

Gesegnete Tage

Die Tore des Paradieses

Gottes Kinder sind wir

In Freiheit leben

Kraftfeld Weihnachten

Segen für das neue Jahr

Viel Glück!

Zum Segen werden

Wegweiser

Gottes Kraft

Heimat

Anmerkungen

Über den Autor

Über das Buch

Impressum

Hinweise des Verlags

Einladung

Alles ändert sich. Ein Satz, der sich je unterschiedlich anhört, je nachdem in welcher Lebenssituation man ist. Geht es einem hervorragend, so ist der Wunsch nach Veränderung meist gering. In einer Krise dagegen ist die Hoffnung groß, dass sich etwas ändert – zum Besseren hin.

Alles ändert sich. Die Zeit vor Weihnachten kündigt eine große Veränderung für alle Menschen an, egal in welcher Lebenssituation. An Weihnachten geschieht etwas, das den Einzelnen anrührt und die Welt in Bewegung bringt: Gott zeigt sich im Menschen.

Mit wunderbaren Bildern illustriert die Bibel, wie die Menschen sich auf diese Wirklichkeit von Weihnachten vorbereiten können. Viele davon sind vertraut: Das Licht scheint in der Dunkelheit. Macht hoch die Tür! Der König kommt zu dir. Wacht auf! Seid bereit, Gott zu empfangen.

Was bedeuten diese Bilder für unser Leben? Mit welcher Wahrheit sind sie für die je eigene Lebensgeschichte gefüllt, in schönen, wie in schweren Zeiten? Wie kann diese Wahrheit in meiner Beziehung zu Gott Wirkkraft entfalten?

Das Buch, das Sie vor sich haben, geht zurück auf Predigten, die ich in den letzten Jahren als Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern während der Advents- und Weihnachtszeit an verschiedenen Orten gehalten habe. Darin möchte ich die frohe Botschaft der Bibel für die heutige Zeit übersetzen. Ich will auch sichtbar machen, wo sich das Evangelium ziemlich widerspenstig zu unserem Zeitgeist verhält. Advent und Weihnachten sind nicht nur lieb und lieblich. Nicht nur Lebkuchen und Glühweinduft. Das Kommen Gottes in die Welt kann Menschen erschüttern. Es kann das Gewohnte und Althergebrachte in Aufruhr versetzen. Für mich haben Advent und Weihnachten daher immer auch Auswirkungen auf das Weltgeschehen. »Friede auf Erden!«, singen die Engel in der Heiligen Nacht. Friede auf Erden – das verändert wirklich alles. Mir hilft die Advents- und Weihnachtszeit, mit dem umzugehen, was mich erschüttert. Sie erinnert mich daran: Christus kommt als Licht in die Finsternis der Menschen. Christus gibt die Kraft, gewollten und erlittenen Veränderungen zu begegnen und sie schöpferisch und verantwortlich zu gestalten.

Auf dem Bucheinband sehen Sie einen Ausschnitt des Altares der St. Annakirche in Augsburg. Er ist aus purpurrotem Wachs als Kreuz geformt und weist Spuren auf, die wir als unvollkommen, gar fehlerhaft bezeichnen würden. Denn als das Wachs für den Altar geschmolzen wurde und anschließend erstarrt ist, haben sich Farbfehler gebildet und Unebenheiten. Zufällig, ungeplant. So durchbrechen Streifen und Muster die Glätte der Oberfläche. Der Tisch steht leicht schief im Raum. Das Material des Altars sieht lebendig aus, warm. Das Purpurrot leuchtet in der Kühle des Raumes.

Dieser besondere Altar erzählt für mich viel von Weihnachten. Gott kommt in die Welt, kommt zu uns Menschen. Gott kommt in ein Leben, das nicht planbar ist. Ein Menschenleben ist geprägt von Unsicherheit – das ist von Geburt an so, und es bleibt so bis zur letzten Stunde. Eine Unsicherheit, die oft schmerzhaft und manchmal kaum zu ertragen ist. Daran erinnert das Kreuz, nach dessen Form der Altar gestaltet ist. Doch über dem Kreuz höre ich die Botschaft der Engel an Weihnachten: »Siehe, ich verkündige euch große Freude, denn euch ist heute der Heiland geboren.« Alles ändert sich.

Ich freue mich, wenn dieses Buch Sie auf Advent und Weihnachten einstimmt. Ich wünsche Ihnen eine gesegnete Zeit, die Ihr Leben erleuchtet und Ihnen Mut macht, dort, wo Sie können, die Welt zum Guten hin zu verändern.

Ihr

Advent: Alles ändert sich

Überall brennen die Lichter

Und sein [Johannes des Täufers] Vater Zacharias wurde vom Heiligen Geist erfüllt, weissagte und sprach:

Gelobt sei der Herr, der Gott Israels!

Denn er hat besucht und erlöst sein Volk

und hat uns aufgerichtet eine Macht des Heils

im Hause seines Dieners David

– wie er vorzeiten geredet hat

durch den Mund seiner heiligen Propheten –,

dass er uns errettete von unsern Feinden

und aus der Hand aller, die uns hassen,

und Barmherzigkeit erzeigte unsern Vätern

und gedächte an seinen heiligen Bund

und an den Eid, den er geschworen hat unserm ­Vater Abraham, uns zu geben,

dass wir, erlöst aus der Hand unsrer Feinde,

ihm dienten ohne Furcht unser Leben lang

in Heiligkeit und Gerechtigkeit vor seinen Augen.

Und du, Kindlein, wirst ein Prophet des Höchsten heißen.

Denn du wirst dem Herrn vorangehen, dass du seinen Weg bereitest

und Erkenntnis des Heils gebest seinem Volk

in der Vergebung ihrer Sünden,

durch die herzliche Barmherzigkeit unseres Gottes,

durch die uns besuchen wird das aufgehende Licht aus der Höhe,

damit es erscheine denen, die sitzen in Finsternis und Schatten des Todes,

und richte unsere Füße auf den Weg des Friedens.

Lukas 1,67–79

Wie klingt einer, der eine neue Perspektive in seinem Leben gewonnen hat? Wie redet einer, der endlich wieder eine Zukunft für die Welt sieht? Wie hört sich einer an, der versteht, dass er selbst Teil einer Befreiungsgeschichte geworden ist? Vielleicht so wie Zacharias im ersten Kapitel des Lukasevangeliums. Da macht sich einer hörbar, der vorher stumm war. Die Zeit des Schweigens ist vorbei. Die Zeit des Lobens ist gekommen.

Es ist eine bemerkenswerte Geschichte, die da von Zacharias erzählt wird. Der Erzengel Gabriel erscheint ihm und kündigt an, dass seine unfruchtbare Frau Elisabeth in hohem Alter noch ein Kind bekommen würde. Dieses Kind wird ein Prophet sein und viele Menschen zur Umkehr bringen und offen machen für die Ankunft des erwarteten Retters. Zacharias kann es kaum glauben und fragt: Woran soll ich das erkennen? Ich bin alt und meine Frau Elisabeth ist betagt. Und der Engel sagt: Siehe, du wirst stumm werden bis zu dem Tag, an dem das geschieht, weil du meinen Worten nicht geglaubt hast.

Genauso kommt es. Zacharias wird stumm. Und erst als das Kind, Johannes der Täufer, geboren wird, löst sich seine Stimme wieder.

Wir kennen das ja so gut! Dass wir stumm sind, weil wir nicht glauben können. Dass wir loben wollen, dass wir danken wollen, dass wir uns freuen wollen, aber das Wort bleibt uns im Halse stecken. Das Herz schließt sich ein, schließt sich ab, sodass die Worte der Sehnsucht, die Worte der Hoffnung, die Worte der Befreiung, die tief in uns verborgen liegen, einfach nicht herauskommen wollen.

Es gibt viele Gründe, die uns stumm machen. Vielleicht ist es die Skepsis, die sagt: Wie soll ich diese alten Geschichten glauben? Muss ich dafür nicht meinen Verstand an der Garderobe abgeben? Kann ich als aufgeklärter moderner Mensch von Engeln sprechen? Und vielleicht spüren wir durch alle diese Gedanken hindurch die Wärme, die von solchen Engeln ausgeht, aber wir blockieren sie.

Oder es ist die Bitterkeit, die uns stumm macht und die aus der Erfahrung tiefen persönlichen Leids kommt. Wo war er denn, der Engel, als der Mensch starb, der der Liebste in meinem Leben war? Und wo ist er, wenn Menschen sinnlos leiden? Und vielleicht ist schon die Klage darüber ein Ausdruck dieser tiefen Ahnung, dass es da einen gibt, der sie hört, so wie er sie bei Hiob gehört hat.

Oder es ist die Orientierungslosigkeit, die uns stumm macht. Es gibt so viele Lehren und Weltanschauungen, die nach mir greifen und die sich allesamt für den Stein des Weisen halten. Sag mir irgendeinen Grund, warum ich ausgerechnet diese merkwürdige Botschaft vom Mensch gewordenen Gott für wahr halten soll? Und in diesen Worten kommt vielleicht schon die geheime Faszination davon zum Ausdruck, dass der Gott, an den die Christen glauben, keiner ist, der ganz weit weg in den spirituellen Sphären des Universums schwebt, sondern uns ganz nah geworden ist.

Ja, es gibt viele Gründe dafür, dass wir stumm sind, wenn es darum geht, sich auf die Perspektive einer neu gewordenen Welt einzulassen.

»Woran soll ich das erkennen?«, fragt Zacharias den Engel. Und er wird stumm. Welche Beweise könnt ihr liefern?, fragen wir angesichts der Botschaft vom angebrochenen Heil. Und wir werden stumm.

Wie heilsam ist es da, zu hören, was Zacharias ruft, als seine Zunge sich wieder gelöst hat. Er hat verstanden. Er hat sich selbst gefunden. Er hat die Geschichte im Herzen neu entdeckt, in die sein Leben hineingeschrieben ist. Ja, er spricht einfach nur von all dem, was sein Volk mit seinem Gott erlebt hat!

Gelobt sei der Herr, der Gott Israels! Denn er hat besucht und erlöst sein Volk und hat uns aufgerichtet eine Macht des Heils im Hause seines Dieners David – wie er vorzeiten geredet hat durch den Mund seiner heiligen Propheten –, dass er uns errettete von unsern Feinden und aus der Hand aller, die uns hassen, und Barmherzigkeit erzeigte unsern Vätern und gedächte an seinen heiligen Bund und an den Eid, den er geschworen hat unserm Vater Abraham, uns zu geben, dass wir, erlöst aus der Hand unsrer Feinde, ihm dienten ohne Furcht unser Leben lang in Heiligkeit und Gerechtigkeit vor seinen Augen.

Zacharias kann nur erfassen, was die Geburt seines Sohnes Johannes bedeutet, indem er von der Geschichte spricht, indem er von der großen Story spricht, in die sein eigenes Leben hineingeschrieben ist. Wir waren in der Hand der Feinde, Feinde, die mit Waffen den Körper bedrohten, aber auch Feinde, die unsere Seele niederdrücken wollten. Wir waren in der Hand der Feinde, aber der Herr hat uns errettet. Wir haben die Gebote, die Gott uns gegeben hat in dem Bund, den er mit uns geschlossen hat, verletzt, immer wieder verletzt, aber der Herr hat seinen Bund gehalten, hat uns wieder und wieder zu sich zurückgeführt, nichts hat seine Liebe zu uns ausgelöscht. Und nun – so lobt Zacharias – schenkt er mir einen Sohn und meinem Volk einen Propheten, der den Weg bereitet für etwas, was unser Herz in seiner Tragweite kaum fassen kann.

Diese große Liebe Gottes, die sich durch die Zeiten hindurch immer wieder so deutlich in unserem Leben gezeigt hat, die wird jetzt bald in einem Menschen erfahrbar, sichtbar, berührbar. Es kommt das Licht aus der Höhe, damit es denen in Finsternis und Todesschatten erscheint.

Und es verändert unser Leben. Es kommt – sagt Zacharias – Vergebung unserer Sünden, durch die herzliche Barmherzigkeit unseres Gottes. All das, was uns manchmal so schwer auf den Schultern und auf der Seele liegt, der Unfriede mit uns selbst, die gestörten Beziehungen zu anderen Menschen, die Niedergeschlagenheit, aus der wir selbst einfach nicht herausfinden, die Resignation angesichts einer Welt, die vor Waffen starrt, all das findet eine ausgestreckte Hand, in die wir es legen können. Sodass wir unsere Füße von der Last befreit auf den Weg des Friedens richten können.

Das ist die wunderbare Aussicht, die Zacharias vor sich sieht, die sein Herz so froh macht, dass sich seine Zunge löst und er seine Stummheit überwindet und einfach nur begeistert heraussingt.

Im Advent ist es Zeit, in diesen Gesang einzustimmen. Überall leuchten jetzt wieder die Lichter. Manchem ist das schon zu viel. Und die Sorge kommt auf, dass der vorweihnachtliche Kaufrausch das Lied des Zacharias erstickt. Aber es liegt an uns.

Warum brennen die Lichter? Weil sich über lange Zeit der Brauch herausgebildet hat, dass das »Licht aus der Höhe«, von dem Zacharias spricht, eben auch von uns Menschen sinnlich erfahrbar angezündet wird.

Wir können selbst dafür sorgen, dass diese Botschaft der Lichter nicht von der Kommerzialisierung erdrückt wird. Wir können vor einem dieser erhellten Weihnachtsbäume stehen bleiben und ein stilles Gebet sprechen. Wir können an Zacharias und sein begeistertes Lied von dem Licht denken, das aus der Höhe kommt. Dann erkennen wir in den Lichtern des Baums ein sinnliches Zeichen dafür, dass dieses Licht auch in unser Leben gekommen ist.

Vielleicht empfinden wir auch Verdruss angesichts der Riesensummen, die jetzt für alle möglichen Weihnachtsgeschenke ausgegeben werden, die man brauchen kann oder die man vielleicht auch nicht brauchen kann. Dann hilft der Gedanke daran, warum wir solche Geschenke machen, vielleicht indem wir uns beim Weihnachtseinkauf einmal in einer der offenen Kirchen hinsetzen und darüber nachdenken, was der Sinn dieser Geschenke ist: Wir wollen an diesem Fest, an dem wir uns über das Licht freuen, das in die Dunkelheit der Welt gekommen ist, diese Freude an andere weitergeben. Wir wollen ihnen ein Zeichen der Aufmerksamkeit, der Liebe geben. Und wir freuen uns, wenn sie sich freuen. Es geht nicht um ein großes materielles Neuausstattungsprogramm auf Gegenseitigkeit, sondern darum, anderen Menschen gegenüber zum Ausdruck zu bringen: Es ist schön, dass du da bist, und ich habe mir Gedanken darüber gemacht, worüber du dich freuen könntest. Das wichtigste Geschenk ist, dass sich jemand Gedanken gemacht und dem anderen damit Zeit geschenkt hat.

Lassen wir uns unsere Freude über die Ankunft des Lichts, von dem Zacharias singt, weder durch Kommerzialisierung noch durch die Klage über die Kommerzialisierung verdunkeln! Entdecken wir das Licht hinter all den Lichtern um uns herum!

Zacharias hat seine Stummheit überwunden. Sein Lobgesang sagt uns: Auch für euch ist die Zeit der Stummheit vorbei. Ihr dürft das glauben, was da verheißen wird. Ihr dürft in den Lobgesang einstimmen und sagen:

Gelobt sei der Herr, der Gott Israels! Denn er hat besucht und erlöst sein Volk.

Wir sind gemeint: Gott hat uns besucht und uns erlöst! Deswegen können wir in jedem einzelnen der vielen Adventslichter das Licht entdecken, das unser Leben hell macht. Wir werden im Herzen spüren, dass Advent geworden ist.

Zeit aufzustehen

Seid niemandem etwas schuldig, außer dass ihr euch untereinander liebt; denn wer den andern liebt, der hat das Gesetz erfüllt. Denn was da gesagt ist (Exodus/2. Mose 20,13–17): »Du sollst nicht ehebrechen; du sollst nicht töten; du sollst nicht stehlen; du sollst nicht begehren«, und was da sonst an Geboten ist, das wird in diesem Wort zusammengefasst (Levitikus/3. Mose 19,18): »Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.« Die Liebe tut dem Nächsten nichts Böses. So ist nun die Liebe des Gesetzes Erfüllung. Und das tut, weil ihr die Zeit erkennt, nämlich dass die Stunde da ist, aufzustehen vom Schlaf, denn unser Heil ist jetzt näher als zu der Zeit, da wir gläubig wurden. Die Nacht ist vorgerückt, der Tag aber nahe herbeigekommen. So lasst uns ablegen die Werke der Finsternis und anlegen die Waffen des Lichts.

Römer 13,8–12

Es ist ein starkes Bild, mit dem uns Paulus in die Adventszeit schickt. Advent: Das ist wie aufstehen aus dem Schlaf und sich bereit machen für den neuen Tag.

Und das tut, weil ihr die Zeit erkennt, nämlich dass die Stunde da ist, aufzustehen vom Schlaf, denn unser Heil ist jetzt näher als zu der Zeit, da wir gläubig wurden. Die Nacht ist vorgerückt, der Tag aber nahe herbeigekommen.

Das ist auch deswegen ein starkes Bild, weil es deutlich macht, wie schwer das Aufstehen sein kann in einer Zeit, in der so vieles in unserer Welt und um uns herum und vielleicht auch in unserem persönlichen Leben wie Nacht ist. Es ist schwer, das Licht zu sehen, wenn der Terror uns jetzt so nahe kommt, dass immer mehr ir­rationale Angst entsteht und schon Diskussionen geführt werden, ob der Besuch eines Advents- oder Weihnachtsmarktes oder der Stadionbesuch nicht vielleicht zu riskant sein könnten.

Es ist schwer, das Licht zu sehen, wenn die Opfer von Krieg und Gewalt entweder in den Flüchtlingslagern des Nahen Ostens unter erbärmlichen Bedingungen leben müssen oder auf dem Weg nach Europa hin- und hergeschoben werden und, wenn sie es bis hierher schaffen, auf ein Volk treffen, das zunehmend verunsichert ist und sich Sorgen macht, ob es weiter so viele Menschen aufnehmen kann. Es ist schwer, das Licht zu sehen, wenn in alledem ja die Not im eigenen Land nicht verschwindet, sondern sichtbar und unsichtbar um uns herum da ist, aber angesichts der Herausforderungen rund um die Flüchtlinge in den Hintergrund zu treten droht.

Es ist schwer, das Licht zu sehen, wenn in diesen uns bedrängenden Problemen ja auch das zu bewältigen ist, was uns im eigenen Leben beschwert: eine Krankheit, die uns Angst macht, Streit in der Familie, das Gefühl der Einsamkeit oder auch nur eine Kraft- und Mutlosigkeit, für die wir vielleicht gar keinen bestimmten Grund nennen können. Und da sagt Paulus jetzt:

Die Nacht ist vorgerückt, der Tag aber nahe herbeigekommen.

Es ist Zeit aufzustehen! Dass es leicht ist, sagt er nicht. Ich weiß nicht, ob Sie Frühaufsteher sind oder ob Sie morgens gerne ausschlafen. Aber ich glaube, jeder von uns kennt dieses Gefühl, geweckt zu werden und doch nichts mehr zu ersehnen, als weiterschlafen zu dürfen. Bei den Tatort-Folgen im Fernsehen am Sonntagabend ist es fast schon eine klassische Szene, dass der Tatort-Kommissar im Bett liegt und der Wecker oder das Telefon klingelt, und es dauert eine halbe Ewigkeit, bis der Schlaf überwunden und der arme Mensch handlungsfähig ist. Ja, man möchte sich einfach auf die andere Seite drehen und weiterschlafen. Es dauert zuweilen ziemlich lange, bis man den Wecker hört und beginnt, von Nacht auf Tag umzuschalten.

Aber genau darum geht es im Advent: von Nacht auf Tag umzuschalten. Wachwerden, das heißt, von der Furcht zur Zuversicht aufzustehen. Es heißt, nicht mehr zu liegen, sondern zu stehen, seinen Mann und seine Frau zu stehen. Es heißt, die Lähmung zu überwinden und in Bewegung zu kommen. Es heißt, von verschlossenen Augen hin zu offenen Augen zu kommen, die die Welt und ihre Zerrissenheit wahrnehmen. Und es heißt, nicht länger in der Dunkelheit zu verweilen, sondern auf das Licht zu schauen und hin zum Licht aufzubrechen.

Das ist die Perspektive des Advents. »Macht hoch die Tür, die Tor macht weit. Es kommt der Herr der Herrlichkeit«, so heißt es in einem beliebten Adventslied. Wenn Sie es singen, können Sie schon ein wenig von dem spüren, was die Worte sagen. Vielleicht werden die Tore Ihres Herzens dann weit und öffnen sich für dieses Gefühl der Wärme und Zuversicht, das mit dem Advent verbunden ist. Das in den vielen Lichtern auf Adventskränzen und Christbäumen in der Dunkelheit so sinnlich sichtbar ist, dass es sogar für die Menschen einen Zauber entwickelt, die heute kaum noch etwas von der guten Botschaft wissen, die dahintersteckt.

Es gibt ja ganz unterschiedliche Möglichkeiten, auf all das Flüchtlingselend, die Terrorgefahr, den Klimawandel und all die anderen Probleme der Welt zu reagieren.

Eine mögliche Reaktion ist schlicht die Angst. Man zieht sich zurück. Man versucht, alles zu vermeiden, was irgendwelche Risiken für das eigene Leben bedeuten könnte. Und man hofft einfach, dass die Gefahr irgendwie verschwindet und bis dahin ein effektiver Sicherheitsapparat die Risiken begrenzt.