Am siebten Tag flog ich zurück - Arnold Stadler - E-Book

Am siebten Tag flog ich zurück E-Book

Arnold Stadler

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Beschreibung

Zum Kilimandscharo reist in diesem wundersamen Buch der Ich-Erzähler, hinter dem sein Autor Arnold Stadler gut zu erkennen ist. Eine Reportage soll er schreiben, aber er will weder auf den Gipfel noch auf Safari gehen. Im Gegenteil: Er hat Angst vor wilden Tieren und einen Smoking und Lackschuhe im Gepäck, weil er ja anschließend eine Einladung nach Bremen hat ... Und es genügt ihm völlig, einfach den wunderbaren Berg anzuschauen, der als Ölgemälde in der elterlichen Wohnstube hing und seither sein Sehnsuchtsziel ist. Die Reise nach Afrika wird für den Erzähler zu einer tragikomischen Tour de Force durch deutsche Gegenwart, koloniale Vergangenheit und touristische Träume. Und, wie könnte es anders sein bei diesem Autor, zu einer kurvenreichen Erkundung des eigenen Inneren und des ganzen menschlichen Lebens. »Am siebten Tag flog ich zurück« ist ein poetisches Plädoyer, in einer sich wandelnden Welt das eigene Ich zu erhalten, die eigenen Wege zu gehen – und auf dem Glück zu bestehen.

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Seitenzahl: 255

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Arnold Stadler

Am siebten Tag flog ich zurück

Meine Reise zum Kilimandscharo Roman

Roman

FISCHER E-Books

Inhalt

Präludium: Vor der AbreiseErster TagZweiter TagDritter TagVierter TagFünfter TagSechster Tag

Präludium

Vor der Abreise

All meine Wege verschwanden einst unter dem Makadam an den hellen heißen Tagen meiner Kindheit. Makadam war ein schönes Wort, das schwarz glänzte, welches Männer mit ihren Schaufeln auf dem Boden meines ersten Lebens verteilten. Es waren Männer mit freiem Oberkörper mitten in den Feldern meiner Erinnerung. Und damit verschwand auch der Staub von hundert Jahren oder mehr für immer unter dem Makadam. McAdam war ein Schotte, der von seiner Erfindung oder Entdeckung am Ende doch nichts hatte. Geboren wie Mozart im Jahr des Heils 1756, war John Loudon McAdam ein Erfinder. Ich sage lieber: Entdecker, der im Jahr des Wiener Kongresses auf seinen revolutionären Makadam stieß. Mit vierzehn ging er nach New York. Stand auf der britischen Seite im Unabhängigkeitskrieg. Reich geworden durch Kriegsbeute, musste er New York verlassen und kehrte 1783 nach Schottland zurück. Es reichte aber noch für ein schönes Anwesen, auf dem er in zweiter Ehe mit der Schwester von James Fenimore Cooper lebte. Seine erste Straße führte zu jenem Landsitz, auf dem er starb. Er starb und musste alles andere zurücklassen wie du und ich.

Mitten in den Feldern meiner Erinnerung stehen halb nackte Männer und schwarze Kühe in den angrenzenden Weiden.

Es war die Straße nach Walbertsweiler, eigentlich nur ein Feldweg, wobei das Wort »nur« eine selige Welt bescheint. Denn »nur« war ein Wort »mehr als alles«. Es war zwischen unserem Heimatfriedhof und den Kühen in Halbtrauer. Und wenn wir die Totenglocke hörten, fragten wir uns »Wer ist es?« und beteten ein Requiem aeternam.

Wir kamen auf den Friedhof, unsere Kühe wurden immer wieder abgeholt und verschwanden in den Städten und Bäuchen von Menschen, die auch lange tot sind. Und einige von ihnen hatten den seltsamen Wunsch, verbrannt zu werden und dass ihre Asche über dem Meer verstreut würde. Andere wollten nun unter einem Lieblingsbaum im Friedwald ruhen und verwechselten ihre Asche mit sich selbst.

Ach, der Mensch, und dieser Weg, mein erster Weg, führte schon mitten in den Wald. Ab da war ich eigentlich immer auf Holzwegen unterwegs.

Dieser Weg, der bis zur Landesgrenze führte, an dem noch in meiner Kindheit die Grenzsteine zu sehen und zu lesen waren. Ein Kind konnte damit sein Leben als Leser der Welt beginnen.

Auf dem einen Stein stand »Großherzogtum Baden« mit den entsprechenden Hoheitszeichen, auf dem anderen »Königreich Preußen« in Schwarz und Weiß. Das war mitten im Wald, einen Kilometer von meiner ersten Welt entfernt.

Glaubte ich, weil es schön war oder weil es wahr war?

Der rabenschwarze Teer, die schneeweißen Körper und dieser Weg, auf dem kein Gras mehr wachsen sollte?

Die Männer in den Feldern waren dafür zuständig, den heißen Makadam auf meinem Weg zu verteilen, und dann fuhr jene Walze über alles, unter dem meine erste Welt verschwand. Oder war es anders?

Du glaubst, dass du glaubtest. Doch glaubtest du, weil es schön war oder weil es wahr war wie der Makadam auf meiner Straße, die aus meiner Welt hinausführte in die andere Welt hinter dem Wald? Makadam: Es war eines unserer schon wieder verschwundenen Fremdwörter, denn es kam ja von Herrn McAdam. Und das Tu-Wort »glauben« schmolz wie das Hauptwort »Makadam« zu einem unauflöslichen Nichts.

Da stand ich einst und sah den Arbeitern zu, wie sie zur Zeit der Hundstage unsere Wege, die meist Feldwege waren, verteerten und versiegelten.

 

Und nun, unterwegs zu diesem Berg, der nun schon eine Zeitlang Kilimandscharo hieß, da dachte ich, dass diesen Kindern in den Dörfern am Fuße des Kilimandscharo oder auch erst ihren Kindern der Makadam wohl noch bevorstand, und auch: dass ihre Welt verschwand. Wie ich verstand …

Ich hatte es hinter mir. Das war vielleicht der einzige wirkliche Unterschied. Dass ihre Welt verschwand. Unter der Walze und dem Makadam. Oder auf Taubenfüßen.

So etwas war eines der Hauptereignisse meiner Kindheit. Das war fast schon alles.

 

Mein Leben hat keinen Plot. Mein Leben ist kein Thriller. Es ist kein Roman von einem, der fast zwanzig erste Jahre lang nicht wegkam und doch vom Meer und vom Kilimandscharo wusste.

So weit konnte ich vorausdenken und zurückdenken, und wie ein Dichter, den ich etwas näher kennengelernt hatte, sagte: Die Zukunft war damals meine Sehnsucht, so wie die Erinnerung nun mein Heimweh ist.

Ich hatte nun fast mein ganzes Leben in Städten gelebt, und je größer sie waren, schienen sie des Glaubens, sie wären das Zentrum, und der Rest der Welt wäre die Provinz, über die sie nach Gutdünken verfügten wie der Sultan von Brunei über das Gesetz und die Menschen. Und Heimat war der Ort, wo wir herkamen und wo es hinging. Also da, wo wir nicht waren. Dachte ich. Jedes einzelne Leben ist die Welt. Dachte ich.

Doch nun war ich auf dem Weg zum Kilimandscharo.

 

Auch meine leichtfertige Reise in sechs Tagen würden wohl unzählige Lebewesen mit dem Leben bezahlen, ganz zu schweigen von den Qualen unserer Wirbelsäulenverwandtschaft in den Versuchslabors dieser Welt, und der Reim von »Qualen« auf »bezahlen« war von mir keineswegs beabsichtigt, die Qualen all der Lebewesen, die im Dienst meiner sicheren Weltreisen standen und dafür sorgten, dass ich mit der neuesten Medizin in meiner Antibiotika- und Soforthilfebox, selbst gegen den neuesten Fußpilz, reiste, gegen den jedes Kreuzfahrtschiff bewaffnet war. Und ich dann auch. Dachte ich, als hätte ich sämtliche Krankheiten besiegt. Ich hatte einen Neffen, der rechnete für eine große Firma die voraussichtlichen Schmerzensgeldsummen, die an die Absturzopfer zu zahlen wären, aus. Warum immer alle so teure Uhren haben wollten und in der First Class auch tatsächlich hatten, war vielleicht auch ihm ein Rätsel. Vielleicht war es der Irrglaube, sie hätten so die Zeit im Griff. Und das Leben und alles. Oder war es, weil eine Rolex etwas war, das sie überlebte? Die so genau war, dass ihr Besitzer sein genaues Todesdatum hätte ablesen können, auf eine Tausendstelsekunde genau auf dem Weg nach unten.

 

Das meiste in meinem Leben war mittlerweile Schmerzprophylaxe geworden, so musste ich es sagen.

Ich gehörte anscheinend auch zu jenen, die weiterlebten und ihre Feste feierten und dann und wann am Meer ankamen, war einer von denen, die sich immer noch Reisen ausdachten und davon träumten, die an einem schönen Tag aufs Meer hinausschauten und aufatmeten, als wäre die Welt etwas Schönes. Und glaubten, es zu glauben. Glaubte ich etwas, weil es schön war? Oder weil es wahr war?

Dabei wusste ich auch nicht, wie viele Schwalben es von ihrem Nest unter unserem Dach bis zum Kilimandscharo geschafft hatten oder nicht. Oder auf meinem Flug den Nil entlang in den Triebwerken meiner Maschine landeten, die mich bis zum Kilimandscharo brächten oder nicht. Das war ja auch nicht klar, und die Flugangst, die noch nicht von der Flugscham abgelöst worden war, war eine Tatsache, mit der die Börse rechnete, und erst recht jene unerschütterlich frechen Vertreter von der Time-is-money-Fraktion, jene Anhänger dieses Henry-Ford-artigen Lebensmodells auf dem Weg nach oben (in seiner alten Vieldeutigkeit) oder auch Loser in meinem Alter, die es nicht bis zum Börsenplatz geschafft hatten und einen wie mich noch auf dem Weg zum Gate abfangen wollten, um eine Lebensversicherung für diesen Flug abzuschließen, um mir einzureden, der Absturz sei eigentlich ein Gewinn, zumindest eine Win-win-Situation, um mir das Ganze schließlich auch noch als gute Tat im Blick auf meine Enkel zu verkaufen. Woher wussten sie denn, dass ich Kinder hatte? Wie ich diese Win-win-Sprache hasste, das Preis-Leistungs-Verhältnis-Leben des sich so nennenden Verbrauchers! Wie mein patagonischer Onkel den Wind gehasst hatte, diese Gewalt von Nichts über etwas.

Das dächte ich beim wackeligen Landeanflug in Frankfurt. Und dann erst recht beim Stop-over in der Transitzone, am Gate von Ethiopian Airlines. Und dann an Bord auf dem Weg über das Mare Nostrum, und ich hoffte, dass an diesem kalten Tag der Heiligen Drei Könige kein einziger Mensch unter mir ertrank. Und dann über den Nil hinauf immer weiter in die Geschichte. Über die Gräber und Ruinen hinweg via Aksum. Und dann würde ich bei den Nachfahren von König Salomon und der Königin von Saba landen. Für einen halben Tag lang in der Transitzone des Flughafens von Addis Abeba International. Und was ich da erleben würde.

 

Und dann bei den ersten Menschen, das heißt: dort, von wo sich angeblich die ersten Menschen in die Welt aufgemacht hatten. Doch waren sie nicht schon da? (Was war da doch ein vieldeutig unbrauchbares Wort.) Das war vom Fuß des Kilimandscharo aus. Heute hieß es Tansania, wo die Experten die ersten Menschen orteten, also wie in der Bibel Adam und Eva, die im Garten Eden lebten, im Paradies, das aber bisher irgendwo im Zweistromland, im nördlichen Mesopotamien gedacht war. Die Bibel nannte ja Namen: von der Genesis zu Adam und Eva im Paradies. Dann ging es außerhalb weiter. Es kamen Kinder dazu, Abel und ein missglücktes namens Kain, von dem wir alle abstammten, wie ich gelernt hatte.

Dorthin, wo der Mensch von heute das Paradies von einst ortete, war ich nun unterwegs. Ich, einer, der immer noch »ich« sagte.

 

Ich dachte schon voraus.

Der Flug war so billig, dass die halbe Maschine leer war und ich vier Plätze ganz für mich gehabt hätte. Und ich hätte alles verschlafen können, selbst einen Absturz. So viel war ich ihnen wert, dass sie kalkulierten und eher einen Absturz riskierten als einen sicheren Flug. Nun gut. Ich kannte mittlerweile meinen Platz im Leben, und der war ziemlich ebenerdig, verglichen mit den glanzvolleren Beispielen, doch auch da unten angekommen, konnte man als Egoist gelten.

Meine Final Destination war Kilimandscharo International. Aber da nahmen sich die Luftfahrtgesellschaften vielleicht doch etwas zu wichtig: Bei »Final Destination« dachte ich immer an etwas ganz anderes.

Zurück zu den Mortgagehändlern: Nahmen sie von so einem wie mir an, dass ich Enkel hatte und dass die halbe Welt nun schon »Opa« sagte zu mir?

Doch dann waren es nicht die Schwalben, die ihren Flug überlebt hatten, sondern ich, noch so ein immer wieder Überlebender.

Und den Lebensversicherern in den Hallen der internationalen Departure-Zonen war es auch recht, dass ich überlebte. Denn sie wollten ja wieder beim nächsten Flug ihr Geschäft machen mit solchen wie mir. Die von meiner Angst lebten waren in der Mehrheit, das war meine Erkenntnis. Doch ich wollte diese Angst nicht Oberhand gewinnen lassen über mich.

Es war eine Tatsache, dass es nicht alle Menschen und Schwalben schafften, die jeden Tag von Bett zu Bett und von Stalltürchen zu Stalltürchen und von Nest zu Nest unterwegs waren, von ihrem Stalltürchen im Schwarzwald zu ihrem Stalltürchen bei der Momellafarm in Tansania, die ich unbedingt sehen wollte, den Schauplatz eines Hollywoodfilms und des Lebens eines alten Nazis, der noch mit 85 im Stehen von einem Einbaum aus eigenhändig Krokodile erlegt hatte.

Dass es nicht alle geschafft hatten bis zu diesem Tag, wohl aber ich. Das war noch ein kleiner Fortschritt meiner darwinistischen Erkenntnis. (Die bestritt ich keineswegs: Sie war nur nicht so schön wie wahr.)

Dass ich mich tatsächlich auf dem Siegertreppchen der Überlebenden befand.

Ja, aus mir war mittlerweile schon fast ein alter Mann geworden, der immer noch »ich« sagte. Und immer noch ja sagen konnte und nein. Ich. Was für ein Joint Venture aus Samenzelle und Ei.

Seither hatte ich manches Mal geglaubt, auf der Verliererseite zu sein und dass Irma Köllner so langsam recht bekäme mit ihrer Kartenspiel-Erkenntnis aus der Freiburger Vorstadtkneipe. Die, wenn für sie abzusehen war, dass sie am Verlieren war, »Ez goat’s d’Schießgass’ abi!« in ihren Lebensraum hineinrief. Die Alemanninnen und Alemannen hatten ja die Lautverschiebung von »ie« zu »ei« nicht mitgemacht. Und sie unterschieden noch zwischen »schiese« und »schi-ese«. Also zwischen »scheißen« und »schießen«. Das war auch nicht vornehmer.

Ein alter Satz aus meinem Leben, meinem nachträglichen Leben, war, dass sich der Mensch darin am meisten glich, dass er sich nicht glich. Und dass jedes einzelne Leben die Welt war.

Die einen sprachen von Naturparadies und konnten sich nicht sattsehen, wie ganze Schwärme von Ölsardinen ins Killerwalmaul hineinschwammen. Das waren die Naturgläubigen.

Die anderen? – Und wenn ich jetzt wieder an meine Schwalben dachte, die mir vorausgeflogen waren nach Afrika?

Wäre ich einer von denen gewesen, die ein Requiem auf die Schwalben geschrieben hätten, die ihren Heimweg nicht schafften?

Ich konnte doch nicht einfach »Schwamm drüber« sagen wie Onkel Henry.

So kam eines zum anderen, und am Ende stand ich am Check-in.

 

Es war am Tag der Heiligen Drei Könige, die sich einst wohl von Persien aus nach Betlehem aufgemacht hatten, um in einem Stall einem Kind als Retter des Universums zu huldigen. Um dann als Knochen in einem goldenen Schrein zu landen, über dem dann der Kölner Dom errichtet wurde, was für ein Mega-Wallfahrts-Geschäftsmodell auf der Höhe des 13. Jahrhunderts.

Einst sollte ein Kind die Welt retten, und über dieses Betlehem war ein solcher Glanz gekommen nach dem Stall und der Stallgeschichte, der schon nach ein paar Tagen auf die Heiligen Drei Könige abfärbte, so dass ihre heiliggesprochenen Knochen zuerst von den Kölnern in Mailand gestohlen wurden. Es war eines der erfolgreichsten Geschäftsmodelle der Geschichte, das Köln erst recht zu Köln machte.

 

Das Wort »Gottesdienst« konnte ich auch nicht leiden. Das protestantische Wort »Gottesdienst« mochte ich nicht. Es kam zuerst aus dem römischen und dann aus dem preußischen Militärdienst für mich. Und einer wie Kaiser Wilhelm war ja auch noch als Bischof von Preußen der erste der Gottesdiener, nach dem mein Kilimandscharo benannt war, was ich aber auch noch nicht wusste in den Jahren, als der Kilimandscharo über meinem täglichen Esstisch hing: als Gemälde von Fritz Lang. Außer diesem Bild und Namen wusste ich praktisch nichts von ihm. Wie es dahin gekommen war, wusste ich auch nicht so recht. Mir wurde gesagt, dass es ein Hochzeitsgeschenk gewesen sei … Fritz Lang: »Der Kibo«, ein Ölbild im Format ein Meter dreißig mal neunzig. – Seitdem ich das Bild zum ersten Mal wahrgenommen hatte, gab es wohl kein schöneres Reiseziel für mich, als jene Stelle zu sehen, die als Bild in unserem Esszimmer hing. Und der Kibo war der Gipfel des Kilimandscharo.

 

Zurück zu diesem ersten großen Kind nach Moses! Der war einst in einem Schiffchen aus Schilf ausgesetzt worden, Jesus lag dann in einer Stallkrippe im Stroh. Am Ende seines Lebens hatte Moses vom Nebo aus das Gelobte Land gesehen. – Kain und Abel, die zwei Söhne von Adam und Eva, dürften eher schon ein erstes Beispiel einer missglückten Kindheit und einer falschen Erziehung gewesen sein.

Zurück zu allen Kindern und Kindsköpfen dieser Welt, zu denen wohl auch ich zählte, in meinem auf eine eher naturtrübe Kindheit folgenden Leben von Adam und Eva und ihrem überlebenden Sohn Kain her.

Und meine Kinderfrage, als ich die erste schwarze Kuh erblickte, war: »Mama, gibt die schwarze Kuh schwarze Milch?« Schwarz wie Makadam.

 

Zwischen unserem Heimatfriedhof, den Kühen in Halbtrauer und mir: Makadam. Gehörte zum Ersten, was meine Kinderaugen sahen. Und dazu kam seither zu meiner Erfahrung gewordenen Entdeckung, dass mein Ich-Erzähler und auch ich, dass also wir zwei dazu auch noch mit der Besonderheit ausstaffiert waren, die Himmelsrichtung sämtlicher Betten, in denen wir jemals gelegen hatten, aufsagen zu können, das musste gleich in die Einleitung, wenn ich jemals ein Buch über alles schreiben sollte, mein Buch! Und mit diesem Gedanken spielte ich ja auch auf dem Weg zum Kilimandscharo. Ich hatte allerdings nur den Auftrag eines Wochenmagazins, das die Zeit im Namen mit sich führte, für eine Reisebeilage zur Internationalen Tourismusmesse in Berlin.

Vielleicht wird ja auch da ein Buch daraus, dachte ich wie im Flug. Oder ein Schuh.

Mit dieser Begabung, mich an meine Himmelsrichtungen erinnern zu können, konnte ich freilich nichts werden, nicht einmal ein berühmter Mörder. Der erste von ihnen war Kain, von dem wir alle abstammten. Oder etwa nicht?, fragte ich mich bei dieser Welt am Tag meiner Abreise. Und längst lag auch ein elektrischer Wespenschläger, den schon unsere Kleinen zu bedienen wussten, allzeit einsatzbereit herum, du tapferes Schneiderlein! Und besonders in Bettnähe, und dazu hatte ich zu Hause das verrostete Samuraischwert aus dem Nachlass von Onkel Henry mehr oder weniger griffbereit unter dem Bett, bis man mir sagte, das ziehe Blitze an, und ebenso den Dolch, den mein Vater aus dem Zweiten Weltkrieg mitgebracht hatte, den wir als Kinder unter seinem Kopfkissen entdeckt hatten, denn die ersten unserer Entdeckungsreisen führten zurück ins Bett unserer Eltern.

»Ich blute, also bin ich«, dachte ich nun wieder einmal, als ich mein Blut aus dem mit meiner bloßen Hand gerade erschlagenen Moskito herausfließen sah. Was für ein Bluttransfer: Erst war ich angezapft worden, dann wurde das Moskito von mir eigenhändig erschlagen, und dann jener Blutfleck rechts neben meinem Bett unter dem Moskitoschirm, in dem sich mein und sein Blut vermählte.

»Ich weiß auch nicht, warum das Spülmittel nach Kirschen riechen muss«, sagte mein Lebensmensch, als wollte ich mit diesem Satz dem Spülmittel huldigen, das alles wegwusch.

»Die Kinder wollen dann zudem von richtigen Kirschen nichts mehr wissen, weil sie nicht so schmecken wie der Kunstbrei von Nestlé.« Sagte mein Lebensmensch.

Das war am Tag vor meiner Abreise. Es war Pril, die Blumen-Edition. Wir hatten noch einen Spültisch.

Er half mir wie immer beim Packen. Denn ich war möglicherweise doch ein Chaot, der sich als Don Quichotte herausstellte.

Und das war geblieben, und das war auch etwas.

So wollte mein Lebensmensch seine Menschen, zu denen ich gehörte, vor Dingen bewahren, vor denen ich sie nicht bewahren konnte. Es war ein Kampf gegen die Windmühlen meines Lebens. »Je näher ich dir komme, umso deutlicher weiß ich, dass du kein Egoist bist. Sondern etwas anderes. Aber ich habe noch nicht herausgefunden, was.«

Was für ein schöner Tag, im Bewusstsein, bald den Kilimandscharo auf der anderen Seite meiner Augen vor mir zu haben … zum ersten Mal. Bisher war es ja nur das Bild gewesen, das über unserem großen Esstisch hing.

Eine ungeheure Sehnsucht war mir geblieben. Denn wer schon mit vier am Meer war, wird nie wissen, was die Sehnsucht danach sein kann. Ungeheure Heimat und ihr Gegenteil. »Espejo de mi corazon«, und ich hätte das mit »mein Seelenspiegel« übersetzt, das war noch deutscher als »Spiegel meines Herzens« gewesen, bei dem eine kitschig-karibische Restwärme mitschwang. Und am genauesten wäre es am Ende gewesen, ich hätte das Meer, diesen Spiegel »Espejo de mi corazon«, in meine Sprache als »Bauch, in dem alles verschwindet«, also mit einem Dichtervers, übersetzt.

Unser Haus war eins, dessen Räume noch in Stuben und Kammern unterteilt waren. Unten die Stuben, oben die Kammern. Und eine Küche gab es auch noch, und irgendwo ein Clo, wie man im Adel sagte.

In unserer großen, der vorderen Stube, über dem Esstisch, an dem ich jahrelang zwischen Vater und Großvater, dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg gesessen hatte, aber hing der Kilimandscharo. Ein Maler hatte auf seine Weise dafür gesorgt, dass auch meine Welt schöner wurde. Oder auch nur schöner schien, als sie war. Aber das war auch etwas.

 

Und dann gab es auch noch den Kilimandscharo, wie gesungen von Pascal Danel.

Von dieser Stube aus kam ich bald, und damals immer zu Fuß, in den Rosengarten, welcher kein Südtiroler Bergmassiv war, sondern eine unserer zwei Dorfwirtschaften, die »Löwen« und »Rosengarten« hießen. Ich frage mich heute, was das für ein Reichtum gewesen sein musste, und was für ein Sehnsuchtsort: zwei Wirtschaften in einem kleinen Dorf namens Rast.

Und mitten in diesem Rosengarten stand eine Jukebox, die mich mit Fernweh versorgte, mit Durst und Fernweh. In diesem Eden stand unsere Jukebox, die uns mit Träumen belieferte, die gab es, im Deutsche-Mark-Takt.

Kilimandscharo: Das war 1967, zwei Jahre vor der Mondlandung, und ich hörte es. Das Lied sang von jenem Mann, der mit dem Kilimandscharoschnee als Bettdecke bald schlafen und sterben wird.

 

Den Film nach dem Buch von Ernest Hemingway hatte ich bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht gesehen, und von Hemingway wusste ich damals noch nichts, aber es könnte sein, dass ich kurz danach zum ersten Mal im Englisch-Unterricht mit seinem »Der alte Mann und das Meer« traktiert wurde. Das hätte leicht zur Folge haben können, dass ich sowohl für das Meer als auch für die englische Literatur verloren gewesen wäre. Hemingway, der nun mit seinem Rollkragenpulli die Hemingway-Bars dieser Welt illuminierte. Den Film hast du bis zum heutigen Tag nicht gesehen, musste ich mir sagen.

Und Tamara hatte mir an diesem Tag, da ich meine Sachen für den Kilimandscharo zusammenpackte, geschrieben: »Mir ist so langweilig ohne Dich!« Ja, auf die Liebe wartete ich fast so lang wie aufs Meer, das von da etwas ganz Großes war.

Ich. Dagegen gab es Menschen, die es überallhin schafften.

 

Ja, so war das Leben, und am Ende war keiner mehr da von jenen, die das Kind hatten schreien gehört, keiner mehr da von jenen, die daraufhin erleichtert gelacht hatten.

Es gab also Menschen, die wussten, wo es langging, zum großen Beispiel Odysseus, Magellan, Humboldt, McAdam, Hemingway, Lord Byron, Reinhold Messner. Cook, Drake – und all die Seeräuber. Und sogar Kolumbus, der es nicht glauben konnte, dass es Amerika war.

Vielleicht genau wie jener Mensch, der es nach dem ersten Mal nicht glauben konnte, dass es Liebe war.

Und mich gab es auch, und ich saß nun auf meinem Frontporch und schaute in die schöne Welt hinaus, und in das Unsichtbare zwischen den Häuserzeilen, in Richtung Windmühlen.

Und ich konnte nicht mehr bestreiten, dass ich Schriftsteller geworden war … der von sich sagen musste, auch manch erfolgreichen Kollegen kennengelernt zu haben.

Ich war wie sie und liebte wie sie. Nur war ich vielleicht dümmer. Das konnte ich, dumm, wie ich war, ja nicht wissen, wie dumm ich war und wie ich alles falsch gemacht hatte, weil ich ja aufgrund der gegebenen Voraussetzungen gar nicht wissen konnte, wie man es richtig machte. Weiter reichte meine Erkenntnis nicht, als dass ich wusste, dass sie in Schlössern wohnten, dass ich etwas, wahrscheinlich alles, falsch gemacht haben musste.

Einer von diesen Schriftstellern war so reich geworden, dass er sogar einen Fahrstuhl für seine Katzen einbauen lassen konnte. So etwas will ich doch gar nicht, glauben Sie mir!, sagte ich zu meinem Lektor. Jetzt musste ich ihn nur noch davon überzeugen, dass es nicht Neid war, sondern Enttäuschung.

Und ich war doch nichts als Schriftsteller, »nur Narr, nur Dichter« …

 

Mittlerweile hatte ich den Betrieb so gut kennengelernt, dass ich bald ein Buch »Meine Begegnungen mit den Literaturnobelpreisträgern« hätte schreiben können, und auch, noch umfangreicher, ein Buch »Keine Literaturnobelpreisträger«, das noch viel umfangreicher geworden wäre.

Den großen alten Böll sah ich einmal missmutig in den Gassen von Ascona, bald starb er, aber nicht deswegen (also wegen Ascona oder mir).

Herta Müller hatte in der Zwischenzeit bei mir in der Küche gesessen und gegessen. Und Peter Handke hatte mich mittlerweile an der Bar des Elefanten zu Weimar gefragt: »Wovon lebst du? Bist du mit einer Lehrerin verheiratet, oder arbeitest du als Zuhälter?«

Und dann auch noch die Schwester von Günter Grass … (Die kleine Geschichte aus dem Herzen des Ruhrgebiets, das musste irgendwo zwischen Essen und Mülheim gewesen sein …) Zwei Nonnen in der charmanten Umgebung eines Clubkellers eines katholischen Vereins, es war nach meiner Lesung. Und die eine sagte zu mir: »Der Bruder von Schwester Angelika ist auch Schriftsteller«, und ich fragte: »Wie heißt er denn?«, und sie sagte: »Günter Grass«. Das war in der Zeit, bevor er als SS-Mann enttarnt worden war, und nach dem Literaturnobelpreis. Der an seinen Sätzen nichts änderte. Aber ich errötete doch.

 

Mittlerweile war Trump wirklich durchgeknallt, Erdoğan auf Friedensmission in Syrien, Ursula von der Leyen EU-Kommissionspräsidentin, und Peter Handke hatte den Nobelpreis in Aussicht gestellt bekommen. Und die Post von Tamara erreichte mich auch in der Kilimanjaro View Lodge.

Es freute mich zu hören, dass Peter Handke für den Nobelpreis vorgeschlagen war, ausgerechnet er, ausgerechnet für diesen trüben Preis, der außer Ruhm und Geld an sich ja noch nie etwas wert war, zumal dieser Preis vom Erfinder und Profiteur des Dynamits als Alibi gestiftet worden war, um sich einen anderen Platz zu sichern im Geschichtsbuch als jenen eines Mitarbeiters des Bösen. Es freute mich für Peter. Gewiss würde ich diesen Preis auch annehmen, es könnte bei meiner Lage gar nicht anders sein. Aber einer wie Handke dürfte den Nobelpreis eigentlich gar nicht erst annehmen. Dachte ich. Denn es ist Blutgeld. Nobel war der klassische Kriegsgewinnler, aber genau der Richtige für unsere verlogene Gesellschaft und Welt. Da kam beim Wort NOBELPREIS ein ungeheurer Glanz über alles. Auch über das längst getrocknete Blut. Denn das Problem waren nicht so sehr die Nobelpreisträger, sondern der Nobelpreis selbst.

Doch der erste aller Literaturnobelpreisträger, mit denen ich es zu tun bekommen hatte, war Hemingway. Statt Ernest Hemingway hatte ich aber seinen Bruder Leicester auf meiner Festplatte, früher hätte ich vielleicht noch Hirn gesagt und hätte in Verbindung mit meinem Kilimandscharo von Gepäck gesprochen. Statt »The Snows of Kilimanjaro« also Leicester, der »My brother, Ernest Hemingway« (dt. »Mein Bruder Ernest«) geschrieben hatte.

Eines Tages saß ich bei den Hemingways in ihrem schönen Haus in Florida unter jenem berühmten Foto, das ich von verschiedenen Briefmarken und Hemingway-Bars dieser Welt kannte. Es hing über dem Esstisch, und ich sollte auch noch ein Tischgebet sprechen. Denn die Hemingways waren fromme Leute, ein Tischgebet auf Deutsch. Doch mir fiel keines ein, und stattdessen errötete ich. Immerhin saß ich schon in den Jahren 1980 und 1981 mehrfach unter diesem Hemingway-Pulli-Foto; und zwar im Haus seines Bruders Leicester zwischen Miami und Miami Beach direkt am großen Kanal, wo heute die Kreuzfahrthotels, die »Mein Schiff« heißen, in die Karibik all inclusive vorbeigleiten, du glaubst es nicht? Da sah ich jenen Bärtigen im Rollkragenpulli an der Wand des Esszimmers, so wie bei uns zu Hause den Kilimandscharo.

Meine Besuche bei den Hemingways lagen nun auch schon so lange zurück, wie die Mauer gefallen war. Und so lange, wie sie gestanden hatte.

Ich sagte damals Leicester freilich nichts davon, wie wenig mir sein Bruder Hemingway bedeutete.

Wie ich in dieses Haus gekommen war?

In Leicesters Haus sah ich auch den ersten Computer meines Lebens, jenes Riesenmonster, auf dem er zusammen mit der schönen Claire und Frau Hemingway ein paar Jahre lang Speisekarten für die Restaurants von Greater Miami entwarf. Auf jenem ersten Computer, der längst Schrott war. Und so kam eines zum anderen. Gleichzeitig und auf einmal: Das ist die Welt.

Und eines Tages, und wenn ich auf die Uhr schaue, so früh war es in meinem Leben, kam ich auch nach Miami, und zwar wegen einem, der Jim hieß.

Und dann. Und dann gab es noch Mrs. Claire Martinelli.

Jims Mutter, irgendwoher musste es ja kommen …

Erst ein Jahr vor der Staatsgründung von New Atlantis war Claire mit ihren zwei Söhnen vor einem faszinierenden, wenn auch zwischendurch gewalttätigen Mann süditalienischer Herkunft von den nördlichen Appalachen aus nach Miami geflüchtet. Das war also 1963. New Atlantis: Claire war von Anfang an dabei. Die Mutter meines Freundes Jim. Seinetwegen war ich ja nach Miami geflogen, zweimal in kürzester Zeit, im November 1979 und dann schon wieder im Februar 1980. Offiziell waren meine Reisen als Weltreisen deklariert, in Verbindung mit einem Buchprojekt. Und so kam es dann ja auch irgendwie. Das Wort »Reisestipendium« war auch noch gefallen meinerseits sowie auch »Wiedersehen mit meinem patagonischen Onkel«. Nun fiel mir aber auch der alte Satz eines erfahrenen Lügners ein, der mir auf der Suche nach einer Erklärung für mein Nichterscheinen geraten hatte: Eine Lüge ist glaubwürdiger als zwei. Und wo wurde mehr gelogen als dann, wenn es um Liebe ging, zumal umso eine wie meine.

Claire kannte ich also schon seit ein paar Jahren. Auch sie war eine Frau, die nicht mit Äpfeln oder Birnen zu vergleichen war. Sie war jene, die ihren zwei Söhnen auf der Flucht vor ihrem gewalttätigen Mann einst einen Atlas vorgelegt hatte. Jimmie und Joey waren damals acht und zehn Jahre alt, und darauf konnten sie schon alle fünfzig Bundesstaaten auf einmal sehen, und sie konnten auswählen, ob sie in Richtung Kalifornien oder Florida fliehen sollten. Diese Entscheidung hatte Claire ihnen freigestellt. Also für den Rest des Lebens, soweit ich das sagen konnte: Florida. Und dort – ich überschlug nun zwanzig Jahre – hatte Claire, die es nicht mehr hatte in Scranton aushalten können, von ihrem Italiener mit Küchenmessern und Brotlaiben beworfen zu werden, mit dem vergleichsweise milden Leicester und seiner Frau eine Firma gegründet, die Speisekarten für Greater Miami entwarf. Und da sah ich den ersten Computer meines Lebens, es war auch in meinem Leben ein solcher Schnitt, dass ich mich daran nicht nur einmal erinnerte, an jenes monsterartige Ding, das den halben Raum einnahm und das halbe Leben, das aber bald in die Insolvenz führte. Und dann kam Mr. Heartman von der Abwicklung und sagte, dass diese Maschine nur noch Schrottwert habe.

 

Das sollte genügen, dachte ich, bevor ich endlich zum Kilimandscharo aufbrach.

Und ich hätte auch an das Harry Ransom Center der University of Texas at Austin verweisen können. Dort lagerten die »New Atlantis Papers« von Leicester Hemingway. Mit all den Dokumenten und Papieren seines von ihm gegründeten Staates: New Atlantis. Bescheiden klang das nicht.

Leicester Hemingway war mit seiner Staatsgründung auf einer künstlichen Insel in der Karibik in die Geschichte der Spinner eingegangen. Er war aber auch ein anderer, ein ernsthafter Mann, ein square man aus Wisconsin, ich hätte nun das Wort »square« nicht mit »viereckig«, sondern mit »bodenständig« übersetzt, auch wenn mir dieses Wort nicht gefallen hätte.

Einen Vollbart hatte er auch.

»Sie können das alles im Internet überprüfen, wenn Sie meiner Erzählung nicht glauben wollen!«, so glaubte ich mich gegen unglaubwürdig dreinblickende Mienen wappnen zu können, jenen gegenüber, die Don Quichotte mit dem Lügenbaron Münchhausen verwechselten.

Der einzige Bruder Ernest Hemingways war der erste Präsident. Die Republik von New Atlantis hatte im Februar 1965 sieben wahlberechtigte Bürger, die, von Leicester auserkoren, diesen zum ersten Präsidenten wählten. Die feierliche Amtseinführung auf einem Floß in Anwesenheit der Repräsentanten dieses neuen Staatswesens, es waren sieben Personen, wurde der Weltöffentlichkeit in den Zeitungen von Belize, der Dominikanischen Republik und zahlreichen anderen Karibik- und Bananenstaaten vom 5. Juli 1964 bekanntgegeben. Bald fanden sich auch außerhalb Menschen, die diesen Staat anerkannten, vielleicht reichsbürgerartige, doch vor allem Münz- und Briefmarkensammler. Vielleicht fiel auch hier das Monströse mit dem Banalen zusammen, und ein und derselbe Mensch konnte Reichsbürger und Briefmarkensammler sein. Ich zog die Briefmarkensammler vor, die vielleicht ihre Kindheit nie abstreifen konnten.