Animalische und narzisstische Liebe (Leben Lernen, Bd. 338) - Wolfgang Schmidbauer - E-Book

Animalische und narzisstische Liebe (Leben Lernen, Bd. 338) E-Book

Wolfgang Schmidbauer

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Beschreibung

Über die »animalische« Ebene unserer Beziehungen Führt das romantische Liebeskonzept Paare in die Sackgasse einer narzisstisch gefärbten Bindung? Wo die symbiotische Zuwendung zueinander das Selbstgefühl jedes Partners auf die angenehmste Weise steigern und damit Ängste beschwichtigen konnte, werden häufig kleine oder größere Kränkungen, ein Nachlassen der Aufmerksamkeit zur Bedrohung von Erotik und letztlich auch der Liebe. In der Paaranalyse geht es, wie Wolfgang Schmidbauer an vielen Beispielen zeigt, darum, Paaren wieder einen Zugang zur »animalischen« Ebene ihrer Beziehung zu zeigen. Die animalischen Gefühle orientieren sich an Lust und Unlust, zärtliche Nähe wird aktiv hergestellt und nicht vorwurfsvoll eingeklagt, wie es in der narzisstischen, an der Sicherung des Selbstgefühls interessierten Liebe meist geschieht. Ein wichtiges Korrektiv in unserer narzisstisch geprägten Zeit.

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Seitenzahl: 245

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Cover for EPUB

Wolfgang Schmidbauer

Animalische und narzisstische Liebe

Zur Paaranalyse der romantischen Bindung

Klett-Cotta

Leben Lernen

Die Reihe »Leben Lernen« stellt auf wissenschaftlicher Grundlage Ansätze und Erfahrungen moderner Psychotherapien und Beratungsformen vor; sie wendet sich an die Fachleute aus den helfenden Berufen, an psychologisch Interessierte und an alle nach Lösung ihrer Probleme Suchenden.

Alle Bücher aus der Reihe ›Leben Lernen‹ finden Sie unter:

www.klett-cotta.de/lebenlernen

Führt das romantische Liebeskonzept Paare in die Sackgasse einer narzisstisch gefärbten Bindung? Wo die symbiotische Zuwendung zueinander das Selbstgefühl jedes Partners auf die angenehmste Weise steigern und damit Ängste beschwichtigen konnte, werden häufig kleine oder größere Kränkungen, ein Nachlassen der Aufmerksamkeit zur Bedrohung von Erotik und letztlich auch der Liebe. In der Paaranalyse geht es, wie Wolfgang Schmidbauer an vielen Beispielen zeigt, darum, Paaren wieder einen Zugang zur »animalischen« Ebene ihrer Beziehung zu zeigen. Die animalischen Gefühle orientieren sich an Lust und Unlust, zärtliche Nähe wird aktiv hergestellt und nicht vorwurfsvoll eingeklagt, wie es in der narzisstischen, an der Sicherung des Selbstgefühls interessierten Liebe meist geschieht. Ein wichtiges Korrektiv in unserer narzisstisch geprägten Zeit.

Impressum

Dieses E-Book basiert auf der aktuellen Auflage der Printausgabe.

Klett-Cotta

www.klett-cotta.de

© 2023 by J. G. Cotta’sche Buchhandlung Nachfolger GmbH, gegr. 1659, Stuttgart

Alle Rechte vorbehalten

Cover: Jutta Herden, Stuttgart

unter Verwendung einer Abbildung von Janet/Adobe Stock

Gesetzt von Eberl & Koesel Studio, Kempten

Gedruckt und gebunden von CPI – Clausen & Bosse, Leck

ISBN 978-3-608-89316-8

E-Book ISBN 978-3-608-12163-6

PDF-E-Book ISBN 978-3-608-20619-7

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Inhalt

Vorwort

Einleitung

Die Komponenten der Liebe

Das verlorene Gleichgewicht

Entwicklung endet erst im Tod

Kapitel 1

Der verängstigte Mann

Die Implosion des männlichen Selbstgefühls

Aus dem kalten Ende wird kein warmer Anfang

Der Eremit im Kinderzimmer – oder die Angst vor der Liebe

Kapitel 2

Riskante Entwicklungen

Die Spaltung

Kapitel 3

Die Witwe von Ephesus

Die Überlebenden

Zur Psychoanalyse der Manipulierbarkeit

Die romantische Nekrophilie

Kapitel 4

Die erste und die zweite Liebe

Latenz als Dauerzustand

Die Einsicht in eigene Grenzen

Im Ritual legieren sich animalische und narzisstische Anteile

Wie sich Rituale bilden

Ritual und Gegenritual

Ritual und Distanz

Kapitel 5

Eifersucht

Der Sex der anderen

Kontrolle, Gewalt und Würde

Kapitel 6

Tödlicher Ernst und romantische Ironie

Vom Fürstenhof zum Supermarktparkplatz

Vom Segen der Ironie

Auf dem Weg zur Kälte

Von der romantischen Liebe zur negativen Bindung

Schluss

Literatur

Vorwort

Die romantische Liebe fasziniert nicht deshalb, weil sie oft gelingt und insgesamt befriedigender ist als die Zweckgemeinschaft der arrangierten Ehe. Im Gegenteil: Gerade weil sie so selten ihr Versprechen erfüllen kann, hängen wir so intensiv an ihr und sind bereit, ihr Scheitern nicht als Konstruktionsfehler zu deuten und den nächsten Versuch zu starten.

Die Bereitschaft, Scheitern und Leid zu vergessen und alle Hoffnung auf das seltene Gelingen zu setzen, hat die romantische Liebe triumphieren lassen und die Moderne verführt, auf diesem unsoliden Fundament die ebenso riskante wie kreative Kleinfamilie zu errichten.

Die Psychoanalyse hat die animalischen Wurzeln der Liebe freigelegt und gegen die Kulturforderungen verteidigt. Freud hat nicht vorausgesehen, dass in der Konsumgesellschaft weniger Verdrängung, Verleugnung und Schuldgefühl erotische Beziehungen belasten, als das Streben nach narzisstischer Aufwertung und symbiotischer Harmonie. Wer die romantischen Ideale nicht durch Ironie und Humor entschärft, läuft Gefahr, reale Nähe zu verlieren.

Die Frau und der Philosoph

Holzschnitt von Hans Baldung Grien

Einleitung

Die Analysandin, eine 50-jährige Akademikerin, hat mit einem langjährigen Freund einen schönen Abend entworfen: gemeinsam kochen, bei Kerzenlicht essen, Gespräche, je nach Stimmung auch Sex. Es ist seine Küche, er ist stolz auf seine Geräte und faucht sie an, als sie mit dem Messer ein Stück Gemüse in der Pfanne zerkleinert, pass doch auf, die Beschichtung geht kaputt. »Er hat mich so aggressiv angeschaut, hat richtig gefunkelt, ich hab ihm doch nichts getan, die Stimmung war verdorben, ich hatte wenig Appetit, hab mich so durch den Abend geschleppt, er war dann wieder ganz lieb, ich wollte aber nicht bleiben, er hat mir noch angeboten, mir die Reste des Auflaufs einzupacken. Aber ich glaube, es wird nichts mit uns, er ist einfach nicht der Richtige.«

»In solchen Konflikten«, sage ich hinter der Couch, »gibt es eine animalische und eine romantische oder narzisstische Lösung.«

»Und die wären?«

»Animalisch ist es, sich anzuknurren und sich dann wieder zu vertragen, als ob nichts gewesen wäre. Narzisstisch ist es, den Konflikt festzuhalten und nach einer Möglichkeit zu suchen, dass er sich niemals wiederholt. Das wäre dann das romantische Ideal.«

»Dann suche ich doch eher nach der narzisstischen Lösung.«

Diese ängstlich getönte Suche der Analysandin lässt sich mit ihrer frühen Erfahrung einer nicht belastbaren Mutter verbinden: Die Tochter fühlte sich nicht in ihren Emotionen beschützt. Sie war zu selten sicher, ob sie auch nach Äußerungen von Ärger und Distanzbedürfnis die wohlwollende Mutter wiederfinden würde. So verbinden sich frühe Erfahrung und romantische Sehnsucht: Das romantische Ideal lässt sich nur dadurch stabilisieren, dass es verloren und wiedergefunden werden darf.

Rein psychologisch, ohne Wissen um Geschichte und Soziologie, lässt sich das romantische Ideal nicht verstehen. Es besteht aus Zitaten, aus Erwartungen, welche frühere Gesellschaften aus mündlichen, später schriftlichen Traditionen schöpften, während heute die optischen Medien, Film und Video dominieren. Die erotische Bindung beruht auf einer Idealisierung, die sich aus dem aufbaut, was das Ich über die Liebe weiß. Diese Idealisierung wurde in traditionellen Kulturen durch starke Normen für Männer und Frauen stabilisiert; es gab in diesen Normen keine Homoerotik, keine Bisexualität.

Der Schritt zur romantischen Bindung ist auch einer aus diesen Normen heraus, in eine Vielfalt hinein, die zu dem neuen Modus der individualisierten Gesellschaft gehört: Es geht jetzt um Entwicklung, um Vielfalt, um Selbstverwirklichung. Die idealisierte Bindung wird weniger durch Normen, mehr und mehr durch Empathie aufrechterhalten. Das bedeutet mehr Freiheit und mehr offenkundiges Scheitern: Ehen sind jetzt »zerrüttet«, wenn Partner miteinander unzufrieden sind; die Suche nach einem Schuldigen tritt zurück.

Die Komponenten der Liebe

Das Animalische verbindet den Menschen mit den Säugetieren und äußert sich unter anderem in der Nähe und Aufmerksamkeit, mit der wir Tiere beobachten, sie in unseren Haushalt aufnehmen, uns mit ihnen identifizieren und ihnen nahe fühlen. Es ist geprägt vom Erleben der aus dem Körperinneren stammenden Erfahrungen von Lust und Unlust, die Nahrungsaufnahme, Ausscheidung, Schutz vor Kälte und Hitze steuern. Es schafft unkomplizierte, leicht nachvollziehbare Verbindungen zwischen Innen- und Außenwelt.

Das Animalische macht »gleich« – alle Menschen kennen Hunger und Durst, jeder »muss mal«. Die Beobachtung von Tieren ist ein Lehrmeister der von der Lebensphilosophie gepriesenen Fähigkeit des carpe diem1, sich ganz dem Augenblick hinzugeben. Tiere untereinander behandeln verlässlich Kinder wie Kinder und Erwachsene wie Erwachsene. Symbiotische Zuwendung endet klar. Die Nähe-Distanz-Regulierung zwischen Erwachsenen hat eine impulsive Grundlage. Sobald das Tierkind selbst für sich sorgen kann, reagiert die Mutter eindeutig abweisend, wenn es Nähe sucht und Milch haben möchte. Die romantische Auffassung der Liebe imaginiert hingegen einen Dauerzustand wechselseitiger Empathie und bietet dadurch Ansatzpunkte für Fixierungen und Ansprüche, die dem animalischen Modell fremd sind.

Die narzisstische Komponente wird vom Erleben eines kulturell vermittelten Selbstbildes getragen, das Scham- und Schuldgefühle bewachen. Während in der psychiatrischen und auch in der testpsychologischen Tradition Narzissmus als Störung angesehen wird, die durch Eitelkeit, Mangel an Empathie und durch exzessives Geltungsbedürfnis charakterisierbar ist, untersucht die Psychoanalyse vor allem die Entwicklung des Selbstgefühls und seine Verbindung zum Erleben von Beziehungen, die es festigen oder gefährden.

Die narzisstische Störung fällt vor allem dann auf, wenn das Selbstgefühl nicht durch Austausch nach dem Motto gelten und gelten lassen gefestigt wird, sondern durch Raubbau: Wie kann ein grandioses Ego möglichst viel Geltung ohne Rücksicht auf andere sammeln? Die animalische Steuerung des Verhaltens mit ihren klaren, impulsiven und hedonistischen Strukturen kann die komplexen narzisstischen Bedürfnisse integrieren, wenn das kleine Kind sich beschützt und in seinen vitalen Äußerungen angemessen gespiegelt erlebte. Wo das nicht der Fall war und die autoerotischen Orientierungen instabil bleiben, droht die Gefahr, dass die lebenserhaltenden animalischen Steuerungen nicht zuverlässig arbeiten. Narzisstische Modelle erleben die animalischen Forderungen als Gefahr. Sie entwerfen ideale Bilder und suchen von außen her Körper und Psyche zu formen, wie im Fall der Essstörungen oder der Geschlechtsdysphorie. Eine narzisstische Orientierung fragt, was richtig ist, was falsch, während eine animalische Lust sucht. Narzisstische Haltungen neigen zur Kompromisslosigkeit, zu Stolz, Vorurteil und Rachsucht. Eine animalisch fundierte Orientierung hingegen sucht nach ökonomischen Lösungen und akzeptiert Kompromisse.

Während in einer voranalytischen Betrachtung des Narzissmus dieser als »schlecht« und sein Fehlen (bzw. seine Verleugnung) als »gut« gelten, ist die dynamische Auffassung von der Einsicht geprägt, dass narzisstische Bedürfnisse zum Menschen gehören. Wesentlich ist, wie sich der Narzissmus entwickelt, ob er auf einer primitiven Stufe bleibt oder reifen kann. Der primitive Narzissmus gehorcht dem fanatischen Alles-oder-nichts-Prinzip. Er spaltet, es gibt nur »ganz gute« oder »ganz schlechte« Objekte. Reifer Narzissmus lässt die guten Aspekte einer geliebten Person weiterhin gelten, wenn sich diese lieblos verhalten hat.

Die klinischen Aspekte des Animalischen und des Narzisstischen lassen sich so zusammenfassen: Wer die impulsive, zyklische Welt des Animalischen kontrolliert, um narzisstische besetzte Ideale zu bewahren, schützt sich vor Ängsten, riskiert aber depressive Zustände. Wer umgekehrt die Ideale preisgibt, weil animalische Impulse locken, ist weniger durch Depressionen gefährdet, aber vermehrt (Verlust-)Ängsten ausgesetzt.

Die romantische Haltung verbindet die animalischen und narzisstischen Bestandteile der Liebe zu einer idealen Konstruktion. Ihr Kern ist eine wechselseitige Idealisierung: das Gegenüber verkörpert die eigene Sehnsucht nach vollkommener Harmonie der narzisstischen und der animalischen Komponenten. In der Verbindung werden frühere, etwas aus Kindheitstraumen stammende Hemmungen gelöscht und die in das Gegenüber projizierten Stärken werden Teil des eigenen Ich. Zu den (illusionär) überwundenen Schwächen gehört das Gefühl, isoliert zu sein. In Schillers Ode an die Freude ist das so formuliert:

Ja – wer auch nur eine Seele Sein nennt auf dem Erdenrund! Und wers nie gekonnt, der stehle Weinend sich aus diesem Bund!

Die romantische Liebe wird nicht, wie die traditionelle Ehe, durch Gehorsam gefestigt, sondern durch Empathie. Das fordert ständige Abstimmung mit dem Gegenüber und ein intensives Interesse an ihm, um die Entwicklungsmöglichkeiten der Beziehung zu erkennen und zu fördern. Das macht die romantische Liebe so attraktiv, fördert aber auch unrealistische Erwartungen, vor allem weil ähnliche Haltungen auch auf Kinder treffen, die den Liebesbund erweitern (und gefährden). Errungenschaften des reifen Narzissmus, Kreativität, Ironie und Humor sind unverzichtbar, um Höhenflug und Absturz zu mäßigen.

Das verlorene Gleichgewicht

Es ist ein Privileg meines Berufs als Einzel- und Paartherapeut, dass ich mit solchen Konflikten manchmal nur einmal, dann aber auch wieder über Jahre hin zu tun habe. In der Paaranalyse lässt sich die Störung der Idylle an Beispielen klären, getragen von der Hoffnung, dass das Paar in Zukunft anders damit umgehen kann. In der Einzelanalyse wird deutlich, wie groß die Neigung ist, solche Szenen zu wiederholen, wie oft es nötig ist, das Muster durchzuarbeiten.

Das Animalische ist leichter zu fassen als das Narzisstische. Die Reaktion des Mannes, der die Beschichtung seiner Pfanne vor dem Messer seiner Liebsten schützen will, zeigt ein Dilemma. Tiere haben keine beschichteten Pfannen, daher scheint es auch krumm, die Aggression des Verteidigers mit dem Animalischen zu verbinden. Dennoch halte ich an dem Begriff fest. Die Erinnerung an das Tier gibt der menschlichen Impulsivität etwas wie Unschuld und Tradition zurück. Sie erleichtern es, belastete Situationen zu verarbeiten, während die Überschätzung des Narzisstischen in die Ödnis moralischer Korrektheit führt.

Die narzisstische Dimension wurzelt in der Symbiose zwischen Mutter und Kind, der Ausschließlichkeit einer lebenswichtigen und nicht teilbaren Beziehung. Eben diese Qualitäten haben die Symbiose zu einer mächtigen Triebkraft der kulturellen Entwicklung gemacht. Es war nur nötig, sie mit deren unentbehrlichen Werkzeugen, zu denen auch Mythen und Werte gehörten, in eine ähnlich exklusive und leidenschaftliche Beziehung zu setzen.

Der empörte Eigentümer kann nicht gleichzeitig seine Werte beschützen und pfleglich mit seiner Freundin umgehen; die empörte Freundin verliert mit ihm und subjektiv durch ihn die Möglichkeit, sich sexueller Nähe zu erfreuen, weil die Beziehung nicht stimmt. Es ist für sie unerträglich, dass die Haut der Pfanne wichtiger sein soll als die ihrige.

Das symbiotisch-romantische Missverständnis sieht so aus: Der eine glaubt, er dürfe die Haut seiner Pfanne verteidigen, denn die Freundin wisse doch genau, dass sie ihm tausendmal wichtiger ist als jede Pfanne, und wenn sie das nicht wissen und ihm eine Szene machen wolle – was sei dann von ihrer Liebe zu halten? Der Freundin freilich ist sein zorniger Blick Beweis genug – er liebt sie nicht, denn wenn er das täte, würde er so nicht blicken.

Was die Frau so empfindlich auf den Ärger ihres Freundes reagieren lässt, ist ebenso wie dessen Verteidigung seiner Pfanne Folge der Erwartungen an die Konstanz einer narzisstisch besetzten Welt. Solche Erwartungen leugnen die animalische Realität: Suche nach Lust, kämpferische Ungeduld, ständige Wachsamkeit, Impulse hin zu Kampf oder Flucht. Sie schwächen die Fähigkeit, es sich nach dem ersten und vor dem nächsten Konflikt einfach gut gehen zu lassen.

In der paaranalytischen Arbeit geht es darum, ein verlorenes Gleichgewicht zwischen den animalischen und den narzisstischen Anteilen der Beziehung wiederzufinden. Die animalischen Gefühle orientieren sich an Lust und Unlust, die narzisstischen an der Sicherung des Selbstgefühls. Sobald Ängste vor Unsicherheit, Kränkung und Schmerz überhandnehmen, schwindet die Erotik und mit ihr die Chance für eine periodische Auflösung und Wiedergeburt des urteilenden Ichs.

Der am Scheideweg der Evolution menschlicher Gesellschaften vollzogene Schritt zu einer Paarbindung, in der Mutter-Kind-Symbiose und sexueller Trieb zu einem Bündel geschnürt wurden, ist schöpferisch und riskant zugleich. Im guten Fall sorgt das narzisstische Element für einen sicheren Raum, in dem sich die animalischen Bedürfnisse als Kraftquelle entfalten können; im schlechten verendet die animalische Energie unter den Trümmern des in kompromissloser Sturheit zerstörten Gebäudes.

Die Psychoanalyse ist ein Anwalt des Animalischen im menschlichen Leben. Freud sah ihre wichtigste Aufgabe darin, mit wissenschaftlichen Argumenten gegen kulturelle Forderungen vorzugehen, die den Einzelnen schaden.

Paaranalyse kann Paare darin unterstützen, einen neuen Zugang zu der animalischen Ebene ihrer Beziehung zu finden. Ein Gegenüber, mit dem gemeinsam sich einmal das Selbstgefühl steigerte und Ängste zurücktraten, hat sich in eine Quelle von Zweifeln und Ängsten verwandelt. Männer und Frauen sehen keine erwachsene, erotisch attraktive Person mehr, die sie hochschätzt und liebt, sondern ein feindliches Überich. Gegen dieses wehren sie sich mit den eigenen Normen. Dialoge werden lauter – und kälter. Sie verbannen erotische Gedanken aus ihrem Erleben und richten sich auf Angriff und Verteidigung ein.

Um sich zu entfalten, brauchen Zärtlichkeit und Erotik einen Raum, in dem Nähe aktiv hergestellt und nicht vorwurfsvoll eingeklagt wird. Die animalische Ebene lässt sich bei spielenden Kindern gut beobachten: Näheangebote werden angenommen oder abgelehnt, beides geschieht intuitiv und spontan, Zurückweisungen führen nicht zu Rückzug, sondern zum nächsten Versuch bei diesem oder auch einem anderen Objekt.

Das ändert sich dramatisch in Pubertät und Adoleszenz. Intuition und Spontaneität treten zurück, Zweifel an der eigenen Attraktivität und Ängste vor Zurückweisung bedrücken das Ich. Erwachsen zu werden hat sich aus einem Prozess biologischer Reifung zu einer Beziehungsdynamik verwandelt. Das war unausweichlich, aber es kostete einen emotionalen Halt, den die Offenheit gegenüber den elementaren Angeboten des Körpers bietet. Sie schützen uns vor der Depression.

Die von ihren narzisstischen Strukturen beherrschte Psyche errichtet eine manische Abwehr, die ihre kreatürlichen Grenzen ebenso leugnet, wie sie Leben und Vielfalt opfert. Eine solche Abwehr verheißt die Machbarkeit von Glück; wer im Leben alles richtig macht, findet das Paradies auf Erden. Wenn diese Abwehr zusammenbricht, begräbt sie den Zugang zu den vitalen Ressourcen, die lebendig sind, aber nicht richtig. Das Ergebnis sind depressive Zustände in ihren Varianten von Schwere und Dauer.

Einst war erwachsen, wer alleine in der Wildnis überleben und einen Sexualpartner finden konnte. Es fehlte der Tisch, an dem sich den Eltern unterwerfen muss, wer von ihm essen will. Wo Besitz kontrolliert und übergeben werden soll, gewinnt die narzisstische Dimension an Macht, es gibt dankbare Erben und Enterbte, Kain und Abel. Nicht mehr nur Frauen, Männer und ihre Lust aufeinander, sondern die richtige und die falsche Lust.

In der intuitiven Regelung von (erotischer) Nähe und Distanz ist Spontaneität erlaubt, aber riskant. In einem Video habe ich einen Löwen gesehen, der sich an eine Löwin kuschelt. Dann versucht er zu kopulieren, sie springt auf, schlägt mit der Tatze, fletscht die Zähne, er trollt sich. Der Beobachter kann nicht wissen, ob Löwe und Löwin nach dieser Szene über richtig/falsch nachdenken, aber er gewinnt doch den Eindruck, dass es wenig wahrscheinlich ist und der Löwe so wenig entmutigt ist wie die Löwin, sich künftig spontan zu verhalten.

Diese animalische Sicherheit ist dem Menschen nicht durch eine Erbsünde, sondern durch Erziehung geraubt worden. In den traditionellen Gesellschaften schufen soziale Normen wie die »eheliche Pflicht« einen kalten und latent destruktiven Ersatz, der sich durch Emanzipation und Individualisierung auflöst. Ganz verschwunden ist er keineswegs, wie das Beispiel des Ehemanns zeigt, der viele Jahre kein sexuelles Interesse an seiner Frau gezeigt hat. Seit sie einen Liebhaber hat, wirft er ihr vor, ihn auszunützen, weil sie »von meinem Geld lebt«, während sie den gemeinsamen Haushalt führt und sich um die Kinder kümmert.

Seit Menschen versuchen, sich selbst zu verstehen, ringen sie mit dem Konflikt, den ich hier als Gegensatz zwischen animalischen und narzisstischen Positionen fasse. In der griechischen Mythologie steht Aphrodite für die Macht des Animalischen, Hera für die Heiligkeit von Bindung und Ehe, Athene für die kluge Wahl. Es sind sehr menschliche Göttinnen, denn als Eris einen goldenen Apfel in ihre Mitte wirft und ruft »der Schönsten«, will keine verzichten.

Ein weiterer Mythos ist von Platon überliefert: der von den urtümlichen Kugelmenschen, die stärker zu werden drohten als die Olympier. Zeus zerschnitt sie, wie man Eier mit einem Haar schneidet, zog Haut über die Wundflächen und schuf so nicht nur Männer und Frauen, sondern auch Eros selbst, die Sehnsucht, sich mit der verlorenen Hälfte zu verbinden. Toleranter als viele Sexualethiker der Geschichte gab Platon der Homoerotik ebenso viel Bedeutung wie der Heterosexualität: Die Kugelmenschen hatten drei Geschlechter, Mannmann, Weibweib, Weibmann. Sie alle sehnen sich nach der verlorenen Hälfte. Sie tun alles, um sie zu finden. Wenn ihnen das glückt, können sie sich nicht ohne Schmerzen lösen.

Der Monotheismus raubt die Möglichkeit, uns Konflikte in einem Streit von Göttern und Heroen verständlicher zu machen. Wo im antiken Athen noch der adelige Grieche überzeugt war, ihm stünde eine Ehefrau für den rechtmäßigen Nachwuchs und eine Hetäre für kluge Gespräche und verfeinerten Eros zu, sind Petrarca und Dante die wichtigsten Beispiele für den kulturellen Schritt zu einer idealisierten Liebe.

Ich erinnere mich an eine Diskussion 2015 in Jena, in der ich mit einem ebenso neugierigen wie literarisch kundigen Hörerkreis über Friedrich Schlegels 1799 erschienenen Roman »Lucinde« sprach und die Ambivalenz des romantischen Projekts in den modernen Beziehungen schilderte.

Der biographische Hintergrund von »Lucinde« ist spannend genug. Die Heldin ist der als Brendel Mendelssohn in einer jüdischen Familie geborenen Dorothea Friederike Schlegel nachempfunden, die der acht Jahre jüngere Autor des Romans nach ihrer Scheidung und Konversion zum Protestantismus 1799 heiratete.

Brendel hatte mit 14 Jahren den Kaufmann Simon Veit geheiratet und ihm vier Söhne geboren, von denen zwei – Jonas und Philipp Veit – überlebten. Sie wurden Mitgründer der »Nazarener« genannten Gruppe von Malern. Brendel lernte Schlegel in einem Salon kennen. Die beiden verliebten sich, Brendel konvertierte zum Protestantismus und nahm einen neuen Namen an, um Schlegel heiraten zu können.

Sie setzte sich damit über die bei ihrer Scheidung von einem Rabbinatsgericht verhängten Forderungen der Ehelosigkeit und der Treue zum Judentum hinweg. In dieser ungewöhnlichen Beziehung wurzelt die erste literarische Darstellung der romantischen Liebe als Fundament einer Lebensgemeinschaft, in der Schlegel Lyrik, Epos und philosophische Thesen zu einem für damalige wie heutige Leser fordernden »Roman« kombiniert. Der Autor wurde heftig angegriffen, vor allem, als er später gemeinsam mit Dorothea noch einmal die Konfession wechselte und zum Katholizismus übertrat.

Ein Zuhörer in Jena brachte die Spannung zwischen den romantischen Idealen und den im Fundamentalismus wieder laut werdenden Forderungen auf den aktuellen Punkt: »Heißt das, wir verteidigen die romantische Liebe am Hindukusch?«

Das war sechs Jahre vor der Preisgabe einer Intervention, der sich Europa mit großen Opfern und geringem Erfolg angeschlossen hatte. Mir hat damals der Gedanke gefallen, weltfremd wie er war. Aber sehr viel von dem, was der Westen in Afghanistan versuchte, war von Korruption und Lüge vergiftet.

Im Grunde wissen wir nicht genau, was wir verteidigen, wenn wir um den Erhalt der romantischen Liebe kämpfen. Sie entzieht sich einer Definition und schöpft Kraft aus der eigenen Unmöglichkeit.

Ich übersinne Zeit und Raum,

Ich frage leise Blum‘ und Baum;

Es bringt die Luft den Hauch zurück:

»Da, wo du nicht bist, ist das Glück!«2

Die romantische Liebe lässt sich als Sehnsucht nach einer vollkommenen Beziehung verstehen, in der zwei Menschen ihr persönliches Paradies finden – und sich entsprechend verwundbar machen. Sie hebt den Unterschied zwischen der himmlischen und der irdischen, der realen und der idealen, der animalischen und der narzisstischen Liebe auf – in einem grandiosen Versprechen, denn halten lässt sich dieses Versprechen nur mit Hilfe von Illusionen. Auf Dauer erträglich bleibt es allein durch ironische Distanz oder wärmenden Humor.

Die nach vielen Jahren immer noch als glücklich geschätzte Ehe beruht nicht darauf, dass eine romantische Sehnsucht erfüllt wurde. Im Gegenteil: Die Liebenden, die ihre Bindung wagten, haben die Nicht-Erfüllung kooperativ bewältigt, es miteinander ausgehalten und diesen Prozess idealisieren können. Gealterte Paare, die sich ihrer wechselseitigen Liebe sicher geworden sind, wecken eine andere Art von Glück, aber auch von Wehmut als die Liebenden des Melodrams, die sich nach bewältigten Gefahren in die Arme nehmen.

Es kann durchaus ein Triumph der Liebe und nicht nur der Ausdauer sein, wenn eine goldene Hochzeit gefeiert wird. Die Freude am erotischen Gelingen intensiviert sich im Alter gerade aus den inzwischen wohlbekannten Gefahren des Scheiterns. Endlich wird der Teil, der sich mehr Kraft und Ausdauer bewahrt hat, doppelt unter dem Verlust leiden, den Krankheit, Schwäche und endlich der Tod dem Bund zufügen.

Entwicklung endet erst im Tod

Die romantische Sehnsucht ist eine adoleszente Bewegung und führt dazu, dass die moderne Persönlichkeit den Zustand des Erwachsenseins als Prozess erlebt, der immer unvollständig bleibt, nach Neuem sucht und erst mit dem Tod endet. Martin Walser hat das wiederholt ausgesprochen: Bei Menschen, die wirklich leben, hört die Pubertät nie auf.3 Pubertät löst Grenzen auf. Sie trifft radikale Entscheidungen, sie öffnet Räume, je nach Blickwinkel und persönlichen Möglichkeiten zum Nutzen oder Nachteil für die Beteiligten.

Es ist in der Adoleszenz »normal«, sich eine von der Normalität der Eltern abweichende Norm zu suchen: die kleinbürgerlichen Eltern werden durch Besäufnis und Punk-Frisur konterkariert, die linken durch Nazi-Symbole, die wohlgenährten durch Anorexie, die gleichgültigen durch Fanatismus.

Unsere westliche Welt hat sich zu einer Konsumgesellschaft entwickelt, in der verwöhnende Situationen selbstverständlich sind. Im guten Fall funktioniert vieles mühelos auf Knopfdruck; im schlechten geht gar nichts mehr und wir verstehen nicht, warum. Es ist verständlich, dass in dieser Dynamik die Sehnsucht nach den alten, überschaubaren Strukturen Macht gewinnt.

Kein Futurologe hat Szenarien vorausgesagt wie das IS-Kalifat, wo die modernste Kommunikationstechnik verwendet wurde, um Kindern liberaler Eltern die Rolle einer verschleierten Kämpferbraut einzupflanzen. Die verwendeten Überzeugungskünste nutzen die schwärmerische Phantasie von Aufbruch, Reinheit und Neuanfang, die in unserer emotionalen Tradition zur romantischen Liebe gehören.

Partner-Portale und Apps für Seitensprünge und Gruppensex beschleunigen die Erotik und rauben den Partnern nicht nur die Sehnsucht, sondern auch die Zeit, ihre Bindung zu entwickeln. Wo die Fundamentalisten Krieg führen, operiert die elektronische Piraterie in der Liebeswelt ähnlich wie die moderne Agrarchemie. Diese bekämpft Unkräuter, indem sie ihnen eine Überdosis an synthetischen Hormonen verabreicht, sodass sich die Disteln zu Tode blühen.

Die zeitgemäße Realität der Liebe ist ein Bund zweier Menschen, die aus mitgebrachten Traditionsfragmenten ihre Rituale formen und keine Autorität in Liebesdingen über ihr Urteil stellen. Dieser Bund musste schon immer kämpfen, um Einflüsse von außen teils abzuwehren, teils zu verdauen. Diese Aufgabe ist anspruchsvoller geworden, aber faszinierend geblieben.

Solange Paare zusammen ihre Regeln und Rituale aufbauen, ihre Bindung stärken, brauchen sie keinen Rat von außen, im Gegenteil: Vorgefertigte Bilder, traditionelle Regeln engen den schönen Spielraum ein. Was glückliche Paare richtig machen, muss ihnen niemand erklären; klärungsbedürftig ist die Frage, was bei den unglücklichen schiefläuft.

Das von Freud vorsichtig, von Wilhelm Reich kämpferisch vorgebrachte Unternehmen, die Erotik in ihrer natürlichen Schönheit und Vielfalt wahrzunehmen und zu pflegen, hat mehr Freiheit ermöglicht, aber auch neue Unterdrückung geschaffen. »Repressive Entsublimierung«4 wurde zum Schlagwort der sechziger Jahre.

In der Konsumgesellschaft wurde die Bedeutung der Erotik als Werbeträger entdeckt. Sie soll nicht mehr sublimiert werden und kulturelle Leistungen ermöglichen, sondern zum Vehikel für neu geschaffene Bedürfnisse werden. Burka und Porno markieren die Pole eines Magnetfeldes, das den Kompass der romantischen Liebe irritiert. Bald wird die erotische Phantasie hinter Schloss und Riegel gebracht, bald entzaubert sie sich zur rhythmischen Gymnastik entlang einer infantilen Schau- und Zeigelust.

Ein Liebesgedicht und seine Wirkungen sind ebenso mächtig und aufschlussreich wie ein gläserner Penis mit eingebauter Kamera, der das Scheideninnere beim Orgasmus »erkennt«. Dennoch hat in einer Welt, in der es beides gibt, das Gedicht eine andere Position als in einer Welt ohne die Fetische der Physiologie.

Die Taylorisierung der Liebe in Ratgebern und Videos über die perfekte Stimulation ist sich ihrer Trostlosigkeit nicht bewusst. Liebe muss scheitern dürfen, sie braucht den Mut, sich dieser Gefahr zu stellen. Was bleibt ihr noch an Kraft, wenn sie erst einmal jeden Schatten des Verdachts entkräften muss, am falschen Ort, zur falschen Zeit angetroffen zu werden?

Die Liebe hat es nicht leicht, den Kurs zwischen den Gefahren korrekter Ödnis und übergriffigen Missbrauchs zu finden. Gotteskrieger können sie so wenig brauchen wie Bürokraten; die Wissenschaft ist meist auf der Seite der Politiker, verspricht also auch keine Hilfe. Und Kunst geht, wer will es ihr übelnehmen, nach Brot, nicht anders als die Liebe selbst, über deren Neigung zu »Suppenlogik und Knödelargumenten« Heine lächelte. Wer den Wert der Liebe hochschätzt und nicht auf die Hoffnung verzichten will, dass sie auch unter widrigen Umständen und unmöglichen Voraussetzungen gedeihen kann, wird dennoch und gerade wegen ihrer schillernden Vielfalt und chronischen Unberechenbarkeit an ihr festhalten. Und damit an dem Glauben, dass der Erotik niemals ganz und gar die Möglichkeit abgesprochen werden sollte, etwas Gutes zu bewirken.

Die Paaranalysen der romantischen Liebe finden Leserinnen und Leser in den folgenden sechs Essays. Im ersten Kapitel geht es um die Ängste des in patriarchalischen Traditionen »starken« Geschlechts, sich auf die Möglichkeiten der romantischen Bindung einzulassen und Krisen gemeinsam zu bewältigen. Verleugnete Schwäche gefährdet die Bindung, lässt sie womöglich gar nicht entstehen. Klischees wie das vom ratlosen Mann und der in Liebesdingen tonangebenden Frau gefährden einen Dialog, der über der Einsicht in unterschiedliche Bedürfnisse die Wärme nicht verliert und den Machtkampf meidet.

Durch die Komplikationen einer individualisierten Biographie sind in beiden Geschlechtern narzisstische Ängste gewachsen, mit ihnen die Schwierigkeiten, das Animalische zu integrieren. Eltern, deren körperliche Beziehung erkaltet ist, erschweren ihren Kindern den Umgang mit den entsprechenden Ängsten. Zuflucht bieten dann Subkulturen, in denen jungen Erwachsenen vermittelt wird, das Animalische sei veraltet und in der Suche nach einer sexuellen Identität keine Hilfe.

Im zweiten Kapitel wird untersucht, was die romantische Liebe so attraktiv macht, dass sie sich trotz der mit ihr verbundenen Gefahren sowohl gegen die traditionell arrangierte Ehe wie auch gegen die sozialrevolutionäre Kritik als »bürgerliches« Besitzverhältnis behauptet. Der Widerspruch löst sich auf, wenn wir das psychologische Gesetz der Macht gerade einer unterbrochenen (intermittierenden) Belohnung einbeziehen. Nicht der Häufigkeit, sondern der Seltenheit des Erfolges verdankt die romantische Liebe ihre Bedeutung für die Sehnsucht nach Vollendung des Lebens. Eine Untersuchung der Nähe romantischer Vorstellungen zu dem primitiven Abwehrmechanismus der Spaltung schließt das Kapitel.

Im dritten Kapitel »Die Witwe von Ephesos« beginnt die weitere Untersuchung des Risikos der romantischen Beziehungen mit Hilfe einer dezidiert antiromantischen Anekdote. Die Innigkeit der menschlichen Zweierbeziehung führt dazu, dass Treuebruch und Verlusterfahrung zwar faktisch verarbeitet werden, das erlebende Ich aber diese Verarbeitung nicht konzipieren kann. Wir finden sie unmöglich – und können sie doch. Ähnlich paradox ist das Erleben einer einzigen großen, verschmelzenden Liebe neben dem Wissen, dass es sich bei genauer Betrachtung um zwei unterschiedliche Idealisierungen handelt. Themen wie die Liebe zu einer Puppe oder, moderner, zu einem Cyborg beweisen die nekrophile Komponente der romantischen Liebe, die in ihrem Streben nicht wählerisch ist, sich den Mythos der Verschmelzung zu beweisen.

Im vierten Kapitel geht es um die erste Liebe. Sie kann lebensprägende Kraft entfalten, sowohl in ihrem Fortbestehen wie in ihrem Scheitern. Dieses kann, wie in einer Fallgeschichte beleuchtet wird, dazu führen, dass das romantische Unternehmen komplett aufgegeben wird. Ob Liebeskatastrophen überwunden werden oder die Fähigkeit lähmen, sich noch einmal zu verlieben, hängt von der Integration der animalischen Lebendigkeit in die narzisstischen Strukturen des Selbstgefühls ab. Diese ist kein individuelles Geschehen, sondern beruht auf den Möglichkeiten von Paaren, Rituale zu finden, die das Selbstgefühl der Beteiligten festigen und so die Verarbeitung früherer, traumatischer Liebesbrüche begünstigen.

Das fünfte Kapitel ist der Eifersucht gewidmet. Sie steht für spezifisch menschliche Themen, die dem Animalischen fremd sind: den Neid auf Gefühle und die Angst, eine Bindung zu verlieren, weil es ein »besseres« Liebesobjekt gibt. Sie kann eine Regression zu primitiv-narzisstischen Lösungen einleiten, in denen alles bisher als gut Erlebte verschwindet und die Bindung zerstört wird. Sie kann aber auch verarbeitet werden und dem Paar ein Stück narzisstischer Reife schenken. Die Paaranalyse kann Eifersüchtige unterstützen, Projektionen zurückzunehmen und zu der Würde von Partnern zurückzufinden, die liebevoll miteinander umgehen, aber nicht (mehr) versuchen, durch Kontrolle und Übergriff sicherzugehen.