Das Elixier von Prag - Gunnar Habitz - E-Book

Das Elixier von Prag E-Book

Gunnar Habitz

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Beschreibung

Regina ist eine flinke, graue und vor allem clevere Ratte. Sie kann lesen und hat einen ungewöhnlichen Beruf für ihre Gattung: Sie betätigt sich als Reiseleiterin und zeigt den zugereisten Ratten die Schönheit ihrer Heimatstadt Prag. Allerdings ist Regina traurig. Sie weiß, dass Ratten nicht lange leben und ihr der letzte geliebte Winterschlaf bevorsteht. Außerdem ist ihr Leben langweilig geworden, weil die Touristenratten ausblieben und sie kaum noch ihrer Tätigkeit nachgehen kann. Gemeinsam mit ihrem Bruder Rudolf macht sie sich auf die Suche nach einem geheimnisvollen, mittelalterlichen Elixier, mit dem sich das Rattenleben verdoppeln sollte. Für Rezept und Zutaten geht es durch alte Apotheken, in die Katakomben des Altstädter Rathauses, auf den Boden der Altneusynagoge und zur Moldau. Können Regina und Rudolf alle Zutaten richtig zubereiten und wirkt der Trank überhaupt? Viel Spaß auf einer ganz anderen Entdeckungsreise durch die Goldene Stadt Prag.

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VORWORT

Willkommen in einer Welt, die den meisten Erwachsenen gar nicht auffällt – es sei denn, sie richten den Blick in versteckte Ecken mit dem Blick eines Kindes, das die Umgebung noch mit natürlicher Neugier entdecken möchte.

Und in dieser Welt ist doch einiges sehr ähnlich, wie wir Erwachsene es auch kennen. Ungesehen von uns leben die Vertreter vieler Tiergattungen ihr Leben in den Städten und gehen ihrem eigenen Tagewerk nach, eben nicht nur Haustiere.

Ein geeignetes Beispiel dafür ist die tschechische Hauptstadt Prag. Angesichts der vielen Türme und blitzenden Dächer wird sie auch gern „Die Goldene Stadt“ genannt.

Man sagt, dass in Prag etwa eine Ratte auf einen menschlichen Einwohner kommen. Demzufolge müsse es dort wohl etwa 1,3 Millionen dieser lieben Zweibeiner geben.

Im Volksmund leiden Ratten häufig unter einem ungeeigneten Ruf. Dabei sind sie von Haus aus sehr sauber, dazu recht clever und vor allem sehr putzig.

Mit dem Spielfilm „Ratatouille“ und dessen Rattenkoch Remy änderte sich dieses schlagartig, auf einmal wurden deren positiven Eigenschaften überall gelobt.

Meine Frau Alexandra und ich hatten viele Jahre lang Ratten als Haustiere und konnten ihr Leben ausgiebig beobachten. Kein Wunder, sie wuchs mit den lieben Zweibeinern im Bauernhof auf. Und alle waren recht verschieden mit eigenem Charakter.

Leider liegt die durchschnittliche Lebenserwartung einer Ratte nur bei zwei bis drei Jahren. Da sie doch gerne schlafen, bedeutet dies in der freien Natur leider nur zweimal natürlichen Winterschlaf.

Es sei denn, sie würden irgendwie einen Weg finden – wie ihn bereits Kaiser Rudolf II im Mittelalter ein solches Elixier für die Menschheit gesucht hatte.

Wenn schon der erwähnte Remy lesen und kochen konnte, mag es nicht irgendwo eine Ratte geben, die sich auf die Suche nach der Verlängerung ihres Lebens machen würde? Kann man aber jeden Versuch mit Ratten auch auf die Menschheit beziehen?

Viel Spaß mit der Lektüre meines ersten Märchens!

Gunnar Habitz, im Januar 2023

INHALT

Vorwort

Kapitel 1:

lesen

Kapitel 2:

zeigen

Kapitel 3:

freuen

Kapitel 4:

fragen

Kapitel 5:

beobachten

Kapitel 6:

suchen

Kapitel 7:

vermuten

Kapitel 8:

besorgen

Kapitel 9:

finden

Kapitel 10:

wirken

Kapitel 11:

verfolgen

Kapitel 12:

verlängern

Über den Autor

Kapitel 1LESEN

Regina war eine flinke, graue und vor allem clevere Ratte. Sie hatte einen ungewöhnlichen Beruf für ihre Gattung: Sie betätigte sich als Reiseleiterin und zeigte den zugereisten Ratten die Schönheit ihrer Heimatstadt. Sie stammte aus Prag, wo auf 1,3 Millionen Menschen ziemlich genau 1,3 Millionen Ratten kamen – zu wenig im Vergleich zu anderen Hauptstädten.

Regina müsste eigentlich glücklich sein. Sie hatte genügend Futter, ein interessantes Leben ohne Langeweile und liebte vor allem den Winterschlaf. Es war Ende Oktober, also sollte es gar nicht mehr lange dauern. Doch irgendwie war sie traurig, unglücklich und auch einsam.

Ihr Wohn- und Arbeitsort, den die Menschen gern als „Mutter der Städte“ bezeichnen, gilt als eine der schönsten Metropolen in Europa mit den meisten Sehenswürdigkeiten auf kleinem Raum. Nicht nur die Zweibeiner, auch die intelligenten Vertreter der Tierwelt mussten dies anerkennen.

„Moment mal“, wehrte sich Regina, „Ratten sind auch Zweibeiner“. Nur gelegentlich würden zur Sicherheit alle Viere benutzt.

Grundsätzlich gab es zwei Sorten von Ratten. Ein paar ganz wenige konnten lesen wie zum Beispiel in dem Buch Ein Weihnachtsgeschenk für Walter. Nicht umsonst hatte sich der Begriff der Leseratte schon seit Jahrhunderten im Sprachgebrauch der Menschen eingebürgert. Die überwiegende Mehrheit der Ratten war dessen jedoch nicht fähig.

Regina gehörte zu der erstgenannten Gattung, auch wenn sie sich dieses nie erklären konnte. Sie war auf der Müllhalde in Karlín im Prager Osten aufgewachsen. Der Stadtteil war erst ein paar Jahre vorher von einer Flut heimgesucht worden und hatte viele Ratten und Menschen obdachlos gemacht. Dabei entstanden auf der Müllhalde sehr eigenartige Dämpfe und Abgase. Ob das ständige Einatmen ausgerechnet bei ihr im Gehirn die Lesefunktion eingeschaltet hatte, ließ sich nicht mehr nachvollziehen.

Jedenfalls hatte sie plötzlich Buchstaben auf einer Erbsendose erkennen und in eine logische Reihenfolge bringen können. Nach dieser Erkenntnis hatte Regina weitere Sachen zum Lesen gesucht und rasch gelernt. Auf der Müllhalde hatte es meist Schnipsel von Konservenbüchsenetiketten, alte und noch wohlriechende Verpackungen von Käse oder andere Dinge gegeben, bei denen Bilder und Text gut erlernbar waren. Häufig hatte sie auch alte Telefonbücher gefunden. In denen gab es zwar viel zu lesen, aber leider keine Handlung.

Kapitel 2ZEIGEN

Schon damals war Regina eine sehr neugierige junge Ratte gewesen und hatte sich nach Neuem gesehnt. Also war sie von zu Hause aufgebrochen und hatte ihre Eltern und Geschwister verlassen, denen die Gabe des Lesens leider verwehrt blieb.

Entlang der Moldau hatte es sie in Richtung Süden gezogen, wo tatsächlich mehr und mehr Aufschriften zu sehen gewesen waren. Beinahe hätte sie dieser Ausbruch das Leben gekostet! Sie hatte sich eines Abends in der Toilette eines dunkelroten, spitz geformten Neubaus verschanzt, um sich vor plötzlichem Regenfall zu schützen.

Auf einmal wurde inmitten der Dunkelheit zweimal auf sie geschossen! Vor Schreck sprang sie ins offene Toilettenbecken, zum Glück hat keiner an der Strippe gezogen. Regina konnte zwar lesen, jedoch war die Aufschrift „Achtung! Filmaufnahmen für James Bond“ in der Dunkelheit einfach nicht zu erkennen gewesen.

Regina hatte nach einigen Tagen in einem abgeschlossenen Grundstück in der Prager Altstadt ein kleines Domizil gefunden und hier ihren Bau errichtet. Sie war stolz gewesen, diesen Platz entdeckt zu haben. Es war kein Haus wie alle anderen gewesen, deren Fassaden direkt an den Gehsteig grenzten. Ein altes, schweres Tor hatte vor den Blicken Neugieriger geschützt.

Ohnehin war in dem Gebäude hinter dem Tor nicht viel los gewesen, denn das Areal hatte leer gestanden. Jedenfalls meistens. Nur manchmal waren große Wagen mit immer der gleichen Aufschrift, die Regina als „Filmstudios“ identifizierte, gekommen. Lustige bunte Gestalten hatten sich tagsüber aufgeregt getummelt, wenn Regina meist ohnehin schlief. Der Rattenalltag spielt sich abends ab.

Dann hatte Regina ihre ersten Spaziergänge durch die Gassen unternommen und die Altstadt ganz gut kennen gelernt. Sie hatte sich immer wieder auf beide Beine aufrecht gestellt, dann war sie den Turmspitzen näher und konnte besser hinaufschauen. Gern hatte sie einmal einen der tausend Türme besteigen wollen, aber neunundsechzig Meter sind eben doch sehr hoch für eine Ratte.

Nach ihren nächtlichen Ausflügen in der Altstadt war sie wieder in ihre Straße U Obecního dvora zurückgekehrt, was so viel wie „Zum Gemeindetor“ heißt. Sie hatte einen recht guten Orientierungssinn entwickelt. Und wenn sie sich auf dem Rückweg auf dem jahrhundertealten Kopfsteinpflaster doch einmal verlaufen hatte, brauchte sie nur das Tor zu beschreiben, denn die meisten schlauen Ratten, denen sie unterwegs begegnete, hatten es schon einmal gesehen.