Das zweite Gefühl - Christian Manhart - E-Book

Das zweite Gefühl E-Book

Christian Manhart

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Beschreibung

Wilhelm Memmel genannt 'Melli', trifft auf Lucy, seine Traumfrau. Er ist schwer verliebt und doch passt etwas nicht. Alpträume, gefühllose Flecken verwirren seinen Geist. Arztbesuche geraten zum Desaster. Ist Lucy etwa daran schuld? Zu spät muss er erkennen, dass er endgültig einer dunklen Seite seiner Persönlichkeit Platz machen muss.

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Der Autor:

Jahrgang 1958, lebt seit Jahren mit seiner Familie in München. In seinem Hauptberuf Elektronik hat er jahrelang Handbücher und detaillierte illustrierte Reparaturanleitungen verfasst. Zuletzt arbeitete er als gefragter Ideengeber für komplizierte elektronische Anlagen und Prozesse. Einige beachtliche Comicbücher und Kurzgeschichten zählen zu seinem Portfolio. Die vierte Dimension Zeit spielt in der Elektronik eine große Rolle. Daher drehen sich die Geschichten in seinen Romanen um das zentrale Thema der Zeit und ihre Auswirkung auf den Menschen.

Das Projekt zeitgleich fünf unterschiedliche Romane zu verfassen und zu veröffentlichen, nähert sich seiner Verwirklichung

Die Veröffentlichung des letzten Titels ,Sterilis‘ wird allerdings noch etwas dauern, da ich noch an der Fertigstellung einiger anderer Romane arbeite.

München, 2011

Das

zweite Gefühl

Von

CHRISTIAN MANHART

Ist man in

seinem Körper allein?

Gibt es eine unbekannte

Macht

die ausbrechen kann?

Impressum:

Das zweite Gefühl

Christian Manhart

Copyright : © 2011 Christian Manhart

published by epubli GmbH, Berlin,

www.epubli.de

ISBN: 978-3-8442-2297-5

Das zweite Gefühl

Alles begann mit diesen Träumen. Mit diesen Scheißträumen. Wann genau ich den ersten dieser seltsamen Träume hatte – ich weiß es einfach nicht mehr. Ist vielleicht auch egal.

Anfangs dachte ich, na ja, halt ein Alptraum. So was hatte doch jeder schon einmal.

Als Kind hatte ich unwahrscheinlich oft Alpträume. Liegt unter Umständen daran, dass man als Kind eben öfter krank ist. Fieberträume sind das, hatte meine Mutter gesagt. Das sind Träume von der Sorte, nach denen man schweißgebadet aufwacht, mit der festen Meinung, man wäre im Schlaf gekocht worden.

Einmal war es besonders schlimm, daran kann ich mich noch sehr genau erinnern. Ich hatte Masern, Röteln oder irgendeine andere ekelhafte Kinderkrankheit. Jedenfalls eine Krankheit mit sehr hohem Fieber. Meine Mutter war immer ganz stolz auf meine Krankheiten. Als gäbe es für jede erfolgreich absolvierte Krankheit ihres Sohnes ein Auszeichnung zum Annähen. Ähnlich einem Freischwimmerabzeichen. So verwies sie bei jedem Arztbesuch zu dem sie mich schleppte, mit einem ehrfürchtigen Nicken auf mich und bejahte die Frage nach durchgestandenen Krankheiten mit einem selbstbewussten „Alle!“.

Damals wusste ich nicht so recht, ob ich darauf stolz, oder ob es mir peinlich sein sollte. Meine Mutter war schon ein wenig seltsam. Nicht, dass ich ein schlechtes Verhältnis zu meiner Mutter hätte, aber so manches trage ich ihr schon nach. Immerhin schleppte sie mich regelmäßig zu einer Vielzahl von Ärzten. Keine Ahnung was die bei mir finden sollten.

Vielleicht wäre meine Mutter zufrieden gewesen wenn sie irgendeine selten Krankheit bei mit gefunden hätten - aber so?

Was wollte sie nur bei den Quacksalbern? Na, egal, zurück zu meinem Alptraum.

Nun, als ich damals aus meinem Superalptraum aufwachte, war ich gerade den gefräßigen Mäulern von riesigen Krokodilen entronnen. Diese Krokodile mit ihren gewaltigen Zähen in den offenen Riesenmäulern schwammen in einem Burggraben voll mit glühender Lava. Ich stand am Rand des Grabens und hatte vielleicht einen Meter Platz bis zur Mauer hinter mir. Und es war höllisch heiß. Die Krokodile hatten mich aus ihrer Glutbrühe erspäht und machten sich gerade auf den Weg ans Ufer. Womöglich hätten sie mich in diesen Höllensumpf gezerrt und gefressen. Zum Glück hatte mich meine Mutter gerade noch rechtzeitig aufgeweckt. Das war wirklich knapp gewesen damals!

Als Kind hatte ich damals eine Mutter, die auf mich aufgepasst hatte und mich vor dem sicheren Tod rettete. Das bildete ich mir zumindest ein. Von den Träumen als Erwachsener und deren Folgen rettete mich Niemand.

Ich war zu der Überzeugung gelangt, dass ich nicht zu retten bin.

Und dabei war dieser eine Alptraum mit den Krokodilen im Vergleich mit denen, die ich durchmachte vergleichsweise harmlos.

Diese verdammten Träume. Ich hatte sie fast jede Nacht. Ich wurde sie nicht mehr los. Es schien zeitweise, als würde ich langsam aber sicher mein bisheriges Leben verlieren und in diesen verdammten Träumen weiterleben. Es war wie eine Transformation.

Eine Teilung der Persönlichkeit. Eine Teilung der Wahrnehmung. Wer würde in diesem Kampf gewinnen? Ich befürchtete, ich hatte ihn schon verloren. Es gab kein Zurück. Ich wurde ein anderer, mit anderen Wahrnehmungen - komisch!

Alles hatte ich versucht. Ich habe auf Schlaf verzichtet. Ich habe die Nacht zum Tag gemacht. Unzählige Mittelchen habe ich ausprobiert. Ich habe mir zu den unmöglichsten Zeiten den Wecker gestellt. Später habe ich ihn alle halbe Stunde gestellt. Es hatte nichts genützt. Ich habe mich sinnlos betrunken. Ich bin ausgegangen. Nächtelang.

Aber irgendwann musste ich schlafen. Kein Mensch hält es ewig ohne Schlaf aus. Wie oft wurde ich überwältigt von dem unersättlichen Schlafbedürfnis. Und dann kamen sie wieder, diese grausamen Träume.

Als ich aufwachte ging es mir wesentlich schlechter als vorher. Nicht dass ich müde gewesen wäre. Nein, der Schlaf, soviel musste ich anerkennend feststellen, war und ist erholsamer denn je. Obwohl mich diese Träume, so jedenfalls mein Eindruck völlig auslaugten.

Aber ich habe noch nicht erzählt was in diesen Träumen eigentlich passierte.

Nun, das ist gar nicht so einfach zu beschreiben. Es ist nämlich nicht so, dass ich wie in meinem kindlichen Krokodilfiebertraum beschrieben, grausame Geschehnisse aushalten musste. Es war viel schlimmer.

Zuerst wachte ich immer zu einer bestimmten Uhrzeit auf und begann zu Schlafwandeln. Ja, richtig Schlafwandeln. Das hört sich wie ein Witz an, war aber so. Und in den Nächten darauf ging es dann richtig los. Es begann immer mit einer unbestimmbaren Empfindlichkeit. Diese Empfindlichkeit dehnte sich langsam auf den ganzen Körper aus. Zuerst war es nur auf der Hautoberfläche. Aber umso länger das andauerte, umso tiefer wurde diese Empfindlichkeit. Ich wurde durchtränkt von Empfindlichkeit.

Am Anfang waren es ja auch nur kleine Stellen. Wo genau, ich kann es nicht mehr genau sagen. Ich glaube an der Hüfte war ein erster Fleck.

Die Empfindlichkeit kann man sich am besten vorstellen, als wäre die Haut oder die Körperstelle überall so reizbar wie bei unseren intimsten Geschlechtsteilen. Oder eine großflächige Abschürfung vielleicht. Eine Abschürfung oder sonstige Verletzung legt auch einen Teil der Haut frei der überaus sensibel ist. Mechanische Berührungen können sehr schmerzhaft sein. Auch Flüssigkeiten, Wärme, Kälte oder andere Substanzen die das offene Gewebe berühren, fühlen wir mit einer schmerzlich bis unerträglichen Reizung.

Bei unseren Geschlechtsteilen sind mechanische Grobheiten auch schmerzhaft, aber in gewissen Dimensionen können sie aber auch sehr lustvoll sein. Die Gratlinie genau zu bestimmen, erscheint mir unmöglich.

Also, sobald ich eingeschlafen war, fühlte ich mich als, würde mir die Haut abgezogen. Als würde man mich großflächig abschürfen. Oder als würde man die Haut andersherum tragen. Das Innere nach außen. Mein Körper lag dann frei und ungeschützt da. Es war, als wenn ich wie eine Banane abgeschält wurde. Aus meiner schützenden Haut gezogen. Empfindlich und schutzlos den Umwelteinflüssen ausgeliefert.

Der Vergleich mit den empfindlichsten Körperteilen den Mensch besitzt, ist allerdings nur ein Beispiel, weil mir nichts anderes einfällt wie ich es besser verdeutlichen könnte. Die Empfindlichkeit die mich erfasste war um viele Faktoren sensibler als die Hautregionen der Geschlechtsorgane. Ich weiß auch nicht ob sich jemand vorstellen kann, am ganzen Körper aufgeschürft oder großflächig ein Geschlechtsorgan zu sein.

Ich musste inzwischen tagtäglich damit leben. Ich hatte keine Ahnung ob ich je wieder zurück in mein ursprüngliches Leben finden würde.

Alles was ich bisher erlebt habe, verschwand allmählich. Mein Leben geriet aus den Fugen, wie man so schön sagt. Und doch ist die Erkenntnis geblieben, dass diese Träume unter Umständen gar nicht real stattgefunden haben, sondern nur in meinem Inneren. Wie eine Vorspiegelung, ein Fata Morgana.

Aber warum ich? Wo sollte das denn hinführen wenn ich in dieser grausamen Empfindlichkeit vollständig gefangen sein sollte? Und wozu das Ganze?

Sehr lange habe ich nachgedacht, womit das ganze Unglück begann und wer wohl der Auslöser für diese Ungeheuerlichkeiten war die mich womöglich noch mein ganzes Leben lang begleiten. Vielleicht beginne bei Lucy. Lucy war meiner Meinung nach definitiv schuld. Bei Lucy habe ich real zum ersten Mal gemerkt, dass etwas nicht stimmt mit mir, so glaubte ich wenigstens.

Kurz nachdem ich sie Kennen lernte begannen nämlich die Träume…

Lucy

Als ich Lucy kennen lernte, hatte ich keine Freundin. Vor allem keine feste Beziehung, wie man so sagt. Oder Partnerin, Lebensgefährtin, wie auch immer. Ich war richtig solo. Ein Single. Nicht dass ich immer solo gewesen wäre. Nein, nein, ich hatte schon immer mal Freundinnen. Sogar für längere Zeiträume. Aber es ging immer so eine Zeitlang und dann nutzte sich das irgendwie ab. So richtig Schluss mit Krach und Trara habe ich nie gemacht. Und die Mädels auch nicht. Bei mir war das immer so schleichend. Man hat sich halt immer weniger oft getroffen. Zuerst hatte ich keine Zeit, dann sie nicht und so weiter. Plötzlich merkte man, dass man sich schon ein paar Wochen lang nicht gesehen oder gehört hatte. Dann war`s auch schon egal. Weil der andere ist einem ja gar nicht abgegangen. Es hatte nichts gefehlt.

Na ja, so geht man eben durchs Leben.

Ich habe mich noch gar nicht vorgestellt. Also mein Name ist Melli. Ja, natürlich nicht richtig Melli. Ich heiße Wilhelm Memmel. Ein richtig blöder Name, stimmt doch oder? Also mir hat er nie gefallen. Weder Wilhelm noch Memmel. Aber was soll man machen. Ich habe auch noch einen Bruder. Der heißt tatsächlich Markus Memmel. Und wie haben wir ihn genannt? Mäcki. Unglaublich oder? Mäcki und Melli. Wie Dick und Doof. Max und Moritz. Tim und Struppi.

Furchtbar, wenn ich da zurückdenke. Was sich Eltern oft dabei denken, wenn sie die Namen für ihre Kinder aussuchen? Inzwischen gibt es ja richtig groteske Namenkreationen. Vor allem die Promis sind da vorne mit dabei. Aber ich glaube, da engagieren viele der Einfachheit halber eine Werbeagentur.

Na, egal mit der Zeit gewöhnt man sich halt an diese Spitznamen. Deshalb für alle: Melli. Das passt schon.

Ich war zu dieser Zeit als ich Lucy kennenlernte ungefähr 32 Jahre alt. Mein Gott, wie habe ich ausgesehen? Ich hatte ziemlich dunkle braune Haare.

K e i n e Glatze. Nicht die Spur von Geheimratsecken oder eines Hubschrauberlandeplatzes. Ich besitze sogar sehr dichtes volles Haar. Sie sind allerdings null gewellt. Glatt wie Makkaroni oder Spagetti. Also ich trug sie immer sehr kurz, weil ich der Meinung war, es sieht blöd aus, wenn glatte Haare lang sind. Mir gefiel es so kurz. Ich fand das sieht männlicher aus. Genauso gefällt es mir an Frauen, die ihr Haar lang tragen. Bubikopf und solche Frisuren haben mich nie besonders angemacht. Ich bin ungefähr einsachtzig groß und man kann sagen, schlank und muskulös. Kein Bierbauch oder schlabbernde Arschbacken. Graublaue Augen und eine gerade Nase. Meine Haut ist nicht weiß und rötlich sondern... gelbbraun? Nein, hautfarben, einfach hautfarben. Da wär`s erstmal.

Von Beruf bin ich gelernter Bankkaufmann. Das war mir dann allerdings zu öde. Ich habe mir dann die Mühe gemacht und in der kleinen Universitätsstadt Siegen vier Jahre lang BWL studiert. Dann war ich bei einer großen Firma und machte Controlling. Bei genauem Hinsehen natürlich auch endlos öde.

Obwohl, mir macht die Arbeit mit Zahlen Spaß. Mich beruhigt die Zahlenwelt. Mathematik hatte mich schon immer fasziniert. Schon in der Schule tat ich mich leicht in diesem Fach. Ich finde es genial.

Ich verdiente übrigens nicht mal schlecht. Für meine Bedürfnisse hatte es allemal gelangt.

Ach ja, ich lebte in München, wegen der Firma. Meine Eltern stammen aus Westfalen. Ich bin auch Westfale. Aufgewachsen in dem öden Kaff Lützeln. Kennt kein Mensch, ich weiß. Zu meinen Eltern hatte ich immer losen Kontakt gehalten. Also telefonisch. Im Urlaub und natürlich zu Weihnachten besuchte ich sie logischerweise regelmäßig.

Mein Bruder ist knapp 2 Jahre älter als ich. Er war schon länger verheiratet und hat eine Tochter. Er lebte und arbeitete in Hamburg. Er ist mir schon immer etwas voraus gewesen. Er hat auch Abitur und ich nicht. Mäcki hatte Jura studiert und macht jetzt einen auf Anwalt in einer großen Sozietät. Mäcki ist so einer, der mit seinem Spitznamen nicht mehr zu Recht kommt. Mäcki darf ihn heute nur noch ich nennen. Aber auch nur wenn niemand zuhört. Sonst wird er stinksauer. Ich kann das schon verstehen, alle sagen heute gehen wir noch zum Mäcki? Tja, die meinen aber was anderes, klar oder?

Und so entwickelte man sich halt auseinander. Aber sonst haben wir ein sehr gutes Verhältnis. Seine Frau und meine Nichte kenne ich allerdings kaum. Sein Gattin kommt aus reichem Haus und kümmert sich beruflich um das Familienunternehmen. Die Familie hat sich, das ist aber meine private Meinung, ihr Vermögen zusammen ergaunert. Systematisch die Leute bescheißen und dabei immer reicher werden. Die haben mit Immobilien und Firmen angefangen und jetzt haben sie alles in Holdings und Briefkastenfirmen versteckt. Die bräuchten gar nicht arbeiten. Aber solche Menschen halten sich für das Größte und bekommen nie genug. Ach egal, was geht mich das an.

Für die bin ich womöglich ein ungebildeter erfolgloser Depp. Ich möchte gar nicht wissen was die über Hartz IV Empfänger denken.

Trotzdem ich nicht dieses Niveau meiner Schwägerin erreicht habe, verdiente ich nicht schlecht da in meiner Firma. Ich konnte mir schon was leisten. Außerdem habe ich von Geld und Finanzen ein wenig Ahnung.Deshalb wohnte ich in einer Zweizimmer Neubauwohnung. In München wurde in den letzten Jahren viel gebaut. Meine Firma residierte in München-Unterföhring. Und genau da, hatte ich mir eineschmucke Eigentumswohnung gekauft. Ich bin doch nicht blöd und zahle in dieser überteuerten Stadt auch noch Miete.

O.K. Ein Kraftwerk ist in Sichtweite. Aber das störte mich nicht besonders. Die Kraftwerke sind besonders in München sehr sauber.

Ein Auto hatte ich noch. Standesgemäß. Ein bayerisches Auto. Zuerst habe ich den 3erBMW geleast und dann zum Restwert gekauft. Ein geiles Fahrzeug so ein BMW. Kein Vergleich zu irgend so einem popeligen Opel oder einem Allerweltsgolf. Ich war schon richtigeingebayert. Nur mit der Sprache haperte es natürlich. Das Bayerische kann man meiner Meinung nach nicht lernen. Verstanden hatte ich nach einiger Zeit so ziemlich alles. Aber dieser lässige Umgang mit den Vokalen, das würde mir nie gelingen. Sollte ich noch erwähnen, auch noch FCB Fan zu sein? Nicht nötig, ich weiß.

So das ist jetzt vorerst alles was sie wissen müssen. Vielleicht fällt mir im Verlauf des Schreibens noch etwas Wichtiges ein, das ich jetzt vergessen habe. Aber ich glaube das genügt zur Info wer ich bin.

Also nun zu meiner Eroberung Lucy:

Zu meinen Gepflogenheiten gehörte es, zwei bis dreimal die Woche in eine Kneipe zu gehen. Sie befand sich in Haidhausen, in der Nähe des Max-Weber-Platzes. Für mich äußerst bequem mit der U-Bahn zu erreichen. Der größte Mist für mich als Kneipengänger, waren die sich rasch auf das ganze innere Stadtgebiet ausgebreiteten Parklizenzgebiete. Mit dem Auto direkt hinzufahren war schier unmöglich ohne sich ein Ticket einzufangen. Meistens stellte ich mein Auto in der Nähe einer U-Bahnstation ab oder ich machte einen auf Risiko.

Wie gesagt, in der ‚Bar Topotronic’ so hieß der Laden, war unser Treffpunkt. Hier hatte man sich lose mit Kumpels und Freunden getroffen. Es waren auch immer Mädchen dabei. Nur war bei denen keine Passende für mich dabei. Hässlich oder vergeben. Aber wie gesagt, ich war solo zu dieser Zeit.

Ich war nicht immer solo. Ich hatte schon genügend Erfahrungen mit Mädchen. Zwei längere Beziehungen waren auch dabei.

Einmal endlose fünf Jahre lang und das zweite Mal auch immerhin etwa drei Jahre. Aber ich bin so nicht der Typ fürs Heiraten und Kinderkriegen. Wenn es mir zu eng und eingefahren wurde, ergriff ich immer die Flucht. Unbewusst. Also nicht mit bewusster Absicht. Ich weiß nicht warum, aber ich fing dann zu streiten an. So lange bis wir uns einig waren, dass es besser ist, man trennt sich. Ich kann schon ziemlich ekelhaft werden, glaube ich. Zumindest hat mir das Anni, das war die letzte, die mit der Dreijahresbeziehung, an den Kopf geworfen.

Jetzt war ich schon fast ein halbes Jahr ohne Beziehung. Natürlich auch ohne Sex. Es hatte sich nicht mehr ergeben. Komisch, aber umso älter ich wurde, umso weniger verspürte ich Lust dazu Mädels aufreißen. Ich bin auch kein richtiger Womenizer. Nicht dass ich schlecht aussehe, aber um den Hals fallen tun mir die Weiber auch nicht gerade. Da musste ich schon dafür ackern. Und auf diese Tour hatte ich seit geraumer Zeit eben keine Lust mehr. Das Anbaggern und bist du dann irgendwann merkst, Mist, die hat schon einen. Oder du bist nicht ihr Typ. Ja woher soll ich denn das alles wissen, dass ich nicht ihr Typ bin? Ich bin ja kein Hellseher. Das Resultat aus der Misere: Kein Sex. Nur Handbetrieb.

Nun, an dem bewussten Abend traf ich auf Lucy. Eine unscheinbare, aber hübsche junge Frau. Mit einem superhübschen Lächeln. Lucy hatte mir auf den ersten Blick gefallen. Nicht so wie bei allen hübschen Frauen. Nein, da war das gewisse Etwas. Genau das Unbeschreibliche was man sucht. Wie sie lächelte! Ein Typ von Mädchen der mich ungeheuer ansprach. Nicht so ein Käse von Liebe auf den ersten Blick. Aber man sieht jemand und wie er sich bewegt lächelt, spricht oder ein Merkmal besitzt, das löst eine Reaktion in dir aus. Man möchte sie näher kennen lernen. Man möchte sich vergewissern dass ist S i e.

Lucy war so eine Begegnung. Die hat man nicht alle Tage.

Ich konnte mir den Kopf darüber zerbrechen aber ich weiß nicht mehr genau mit wem Lucy in dem Lokal war. War sie alleine oder mit Freundinnen oder mit einer Clique in dem Lokal. Keine Ahnung.

Später hatte ich zwischenzeitlich den Verdacht, Lucy wurde auf mich angesetzt. Wie ein Blutegel. Nein, das mein ich nicht so. Das ist gemein. Das hatte sie wirklich nicht verdient. Aber woher kam sie so plötzlich? Meine Kumpels und ich waren schon seit Jahren Gäste in dieser Kneipe. Lucy hatte ich vorher noch nie darin gesehen. Und warum war alles so merkwürdig mit Lucy. Zuerst hatte ich doch glatt geglaubt, ich habe sie endlich gefunden, meine Traumfrau. Ein Trugschluss wie sich noch herausstellen sollte. Ich war gar nicht auf der Suche nach meiner Traumfrau. Ich war auch so glücklich. Meine Arbeit und meine Freunde und Bekanntschaften füllten mich vollends aus. Ich brauchte keine Partnerin. Zumindest hatte ich nicht das Bedürfnis nach einer festen Beziehung. Denn Beziehungen bedeuteten immer Stress und Ärger. Da hatte ich schon einiges an Erfahrungen gesammelt in meinem Leben. Den möchte ich sehen der keine Probleme mit seiner Partnerin hat. Also mein Bedarf an festen Beziehungen war nach der letzten gescheiterten absolut gedeckt.

Nun aber lief mir Lucy über den Weg. Ich weiß bis heute nicht was so Besonderes an ihr war. Das unscheinbare, das nicht plakativ zur Schau getragene, das war das Besondere. Das weiß ich heute. Das ist wie mit den Superblondinen. Die fallen natürlich optisch extrem auf. Alleine die großartigen blonden Haare, ob glatt und lang oder sonst irgendwie auffällig hinfrisiert, das lockt uns Männer an. Kein Zweifel. Auch wenn unter diesen wunderbaren blonden Haaren ein total blöde Kuh zu Hause ist. Das gleiche gilt übrigens für die, die sich Klamottenmäßig herrichten als würden sie allabendlich an einem Wettbewerb a`la Nuttenkontest teilnehmen müssen.

Nun Lucy war da so normal wie man es gar nicht beschreiben kann. Nicht blond und nicht aufgebrezelt. So eine, deren Qualitäten man schlichtweg erst ergründen und entdecken muss. Ein Glücksfall wenn man so eine entdeckt. Ein Glücksfall für mich.

Also nun, vorher war sie mir eben nicht aufgefallen. Bewusst nicht. Obwohl ich an dem Abend vielleicht zwei bis dreimal aufs Klo ging und jedes Mal an ihrem Tisch vorbei musste. Wer da noch alles mit ihr an dem Tisch saß? Ich weiß es beim besten Willen nicht mehr. Ist auch nicht wirklich wichtig.

In jedem Fall kam ich gerade vom Klo und wie es der Zufall will – sie stand auf und war genau vor mir. Wir sahen uns an. Mich durchströmte eine Welle der Neugierde und nicht beschreibbarer Zuneigung. Sie gefiel mir auf Anhieb.

Trotz meines, zugegebenermaßen erhöhten Alkoholpegels. Nachdem wir uns beide irgendeine Zeit lang angesehen hatten, lächelte sie dieses Lächeln. Dann sagte sie auch noch etwas:

„Hallo.“

Und ich:

„Hallo“

Sie zurrte ihre Handtasche fester, drehte sich etwas zur Seite und schlüpfte an mir vorbei zu den Toiletten. Ich war hin und weg. Ich starrte ihr nach. Am liebsten wäre ich da stehen geblieben und hätte auf sie gewartet. Aber ich stand im Weg und versperrte den Zugang zu den Toiletten. Ich machte mich wieder auf den Weg zurück zu unserem Tisch. Wie die mich angesehen hatte. Toll. An unserem Tisch redeten alle wirr durcheinander. Ich konnte keinem Gespräch mehr folgen. Meine Gedanken waren nur bei diesem Mädchen. Ich musste sie kennen lernen. Komischerweise vermisste auch keiner meine Kommentare. Auch gut. Ich schielte zu dem Tisch vor den Toiletten. Aber von meinem Platz aus konnte ich den Tisch nicht einsehen.

Jemand stupste mich an und ich plapperte ein paar Minuten mit. Aber ich fühlte mich nur abgelenkt. Ständig versuchte ich den Tisch weiter hinten zu beobachten. Dann hielt ich es nicht mehr aus und stand auf. Ich hatte mir vorgenommen an ihren Tisch zu gehen und sie einfach anzusprechen. Frechheit siegt.

Aber man glaubt es kaum. An dem Tisch standen nur noch leere Gläser. Das durfte doch nicht wahr sein. Ich fragte die Bedienung. Klar, erwiderte sie mir, die sind gerade gegangen. So ein Pech aber auch.

Ich kannte sie nicht mal und trotzdem wollte sie mir nicht aus dem Kopf gehen.

So schnell es ging, schlängelte ich mich durch die überall im Lokal umherstehenden Gäste nach draußen. Kein Mensch weit und breit.

Frustriert ging ich zurück, zahlte und ging heim. Auf dem Nachhauseweg spähte ich umher wie ein Privatdetektiv. Nichts zu machen. Sie war weg. Spurlos verschwunden. Vom sprichwörtlichen Erdboden verschluckt.

Von da an ging ich jeden Abend in diese Kneipe. Zuerst versuchte ich noch alle möglichen Leute zu überreden, mitzukommen. Aber es blieb nicht aus, dass ich nach drei Tagen alleine in der Wirtschaft saß.

Alleine in einer Kneipe, das ist nichts für mich. Ich bin nicht der Typ von Mensch, der sich da allabendlich an seinem Bierglas festhält. Ich brauche Unterhaltung. Einen Grund mich da rein zu setzen. Ich hatte zwar einen Grund, aber keine Unterhaltung.

Es gibt ja genügend Leute, die hocken sich an die Bar und sülzen den Barmenschen auf der anderen Seite mit irgendeinem Kram die Ohren voll. Da ich nichts mit mir anzufangen wusste, als dauernd zum Eingang zu schielen, probierte ich diese Variante der Unterhaltung kurzerhand auch einmal aus.

Ich beobachtete den Typen hinter dem Tresen, wie er sich mit seinen Gläsern beschäftigte. Der hatte keine Sekunde lang nichts zu tun. Obwohl das Lokal für meine Begriffe fast leer war, begann der Kerl pausenlos Bier einzuschenken. Dann mixte er auch noch allerlei Getränke zusammen. Ununterbrochen schob er dabei die Kühlschubladen auf und zu. Dazwischen beschäftigte er sich ausgiebig damit Gläser zu waschen, Limonen zu schneiden und lauter solche unnötigen Tätigkeiten. Der arbeitete dermaßen emsig. Wie eine Waldameise. Ich wurde das Gefühl nicht los, der wusste, dass ich nur darauf wartete ihn in ein blödes, uninteressantes Gespräch zu verwickeln.

Also wenn man so dasitzt und niemanden hat, mit dem man reden kann, also ich komme mir dabei wie ein Idiot vor. Außerdem hatte ich mein Weißbier in Null Komma nix hinuntergeschüttet. Erstaunlich, kaum hatte ich den letzten Schluck getan und wollte gerade das Glas absetzen, baute sich der Bartyp schon vor mir auf.

„Noch eins?“

Da hatten wir es, der wollte alles, nur nicht mit einem einsamen Trottel palavern. Ich sagte deshalb nichts und nickte nur. Das zweite Weißbier hatte er schon heimlich vorbereitet, die linke Sau. Ich musste mich zusammenreißen um nicht gnadenlos abzustürzen. Es würde mir gar nichts nützen, wenn dieses Mädchen hier ahnungslos hereinspaziert sollte und es wird von einem besoffenen Melli angelallt werden.

So begrenzte ich meinen Konsum von alkoholischen Getränken eisern auf zwei Weißbiere und stieg dann auf Mineralwasser um.

Gott sei Dank, zwei Tage später hatte ich Glück. Meine Ausdauer hatte sich doch gelohnt. Juhu. Lucy kam in Begleitung von zwei anderen genauso unscheinbaren Frauen ins Lokal. Dank meiner Strategie den Bierkonsum drastisch zu begrenzen und die Trinkdauer zu verlängern, war ich erst bei meinem ersten Bier.

Sie hatte mich mit keinem Blick, keiner noch so kleinen Aufmerksamkeit gewürdigt. Ich kann mir vorstellen, dass ich sie angegrinst habe wie ein minderbemittelter Depp.

Die drei platzierten sich wieder an denselben Tisch wie das erste Mal, als ich sie kennen gelernt hatte. Kennen gelernt war ganz leicht übertrieben. Aber immerhin hatte sie „Hallo“ zu mir gesagt.

Jetzt war der Tag der Tage. Wie sollte ich es am besten anstellen? Hingehen mit meinem Weißbier in der Hand:

„Hallo, Mädels ich bin der Melli, ich setz mich mal zu euch.“

Oder irgendeine andere saublöde Anmache. Tausend Varianten gingen mir durch den Kopf. Ich hatte die letzten Tage an tausend Dinge gedacht, aber wie ich sie ansprechen sollte. Aber jetzt wo es darauf ankam war alles weg. Das habe ich wohl unbewusst verdrängt. Weil ich weiß, wie viel man da verkehrt machen kann. Aber es nützte alles nichts, ich musste es einfach tun, auch auf die Gefahr hin mich lächerlich zu machen.

Ich spürte wie mir das Glas aus der Hand gezogen wurde. Der Barkeeper grinste mich wie inzwischen üblich, recht saublöd an und drückte mir ein frisches Weißbier in die leere Hand. Mein Gott, vor lauter grübeln um die beste Anmachmethode hatte ich das erste Bier schon weggegluckert.

Plötzlich saßen die beiden Begleiterinnen von Lucy alleine da. Mein Auftritt!

Ich verließ meinen Platz und positionierte mich in dem Gang zu den Toiletten. Und dann kam sie auch schon. Ich stellte mich ihr in den Weg.

„Hallo.“ sagte sie ohne mich richtig anzusehen.

„Ah, Hallo, so ein Zufall.“

Dann wandte sie sich in meine Richtung und sah mich irritiert an.

„Na, letzte Woche, da sind wir uns auch in dem Gang hier begegnet. Nur umkehrt, da kam ich gerade von den Toiletten.“

„Ja und?“

„Äh, nun also, wie soll ich sagen, äh… ich bin aber nicht zufällig hier. Ich würde dich sehr gerne Kennen lernen.“

So jetzt war es raus. Noch nie. Oder zumindest glaube ich fest daran, dass es mir noch nicht passiert ist, hat mich eine Frau so von oben bis unten taxiert wie Lucy. Dann zurrte sie wieder ihre Handtasche fest.

Ich zuckte mit den Schultern und versuchte so freundlich und einladend zu lächeln wie es nur ging. Vermutlich habe ich selten blöd dabei ausgesehen.

„Muss ja nicht jetzt sein. Ich … äh. Ich…“

Mir fiel ums Verrecken nichts mehr ein. Ich spürte wie mein Gesicht heiß und meine Ohren vermutlich glutrot wurden.

Sie wirkte entspannter. Ich meinte einen Anflug von Lächeln bei ihr zu entdecken.

„Wie heißt du denn?“

„Ah, ich… äh…Melli.“

„Lucy.“

Jetzt erst lächelte sie dieses einzigartige, dieses so wunderbare Lächeln, das mir so gefiel. Unfassbar. Eine Welle der Liebe durchlief mich. Kitschig ich weiß, aber ich empfand es so.

„Heute ist denkbar schlecht, ich bin mit Freundinnen da.“

„Aber, morgen, vielleicht hast du morgen Zeit? Was hältst du davon?“

Sie musterte mich noch mal mit strengem Blick. Ihr Lächeln war darauf hin nicht mehr so strahlend wie zuerst, aber ihr Gesichtsausdruck signalisierte Zustimmung. Langsam und gedehnt sagte sie dann:

„O.K. Gleiche Stelle, gleiche Uhrzeit?“

„Klar, ich freu mich schon, Lucy“

„Bis morgen, Melli.“

Sie hielt mir ihre schmale Hand hin. Vorsichtig ergriff ich sie und drückte sie sanft. Am liebsten hätte ich sie nicht mehr losgelassen. Es fühlte sich so sagenhaft gut an. Aber während ich mich noch mit diesen Gedanken beschäftigte, hatte sie ihre Hand schon zurückgezogen und sich mit diesem bezaubernden Lächeln abgewandt.

Ich konnte mein Glück gar nicht fassen. Wir hatten uns schon für den nächsten Tag verabredet. Das ging ja schnell. Ich konnte es kaum erwarten. Am liebsten hätte ich mir Urlaub genommen. Aber was hätte ich den ganzen Tag über getan? Gewartet und gewartet. Also doch in die Arbeit. Es vergeht einfach die Zeit schneller wenn man etwas zu tun hat.

Ich war, soweit ich mich erinnern kann, schon eine Stunde vor unserer ausgemachten Uhrzeit beim Lokal.

Aber der Abend verlief langweiliger als ich mir das vorgestellt hatte. Das ist ja oft so, dass man vor lauter Erwartungen und Vorfreude gar nicht so richtig in die Gänge kommt. So war es auch bei mir und Lucy.

Wir begrüßten uns wieder mit Handschlag. Ihre Hand war so schön feingliedrig, zierlich und klein. Sie hatte lange schmale Finger und ihre Nägel waren sauber manikürt und nicht lackiert.

Das war mir gestern schon aufgefallen. Sie zog jedoch die Hand gleich wieder zurück. Wir setzten uns an einen freien Tisch und sahen uns erstmal nur an. Keiner von uns beiden wusste, mit was für einem Thema er anfangen sollte. Die Bedienung brachte uns unsere Getränke und ich nutzte die Gelegenheit um ihr zuzuprosten. Und so kam ein recht zähes Gespräch in Gang. Sie lächelte die ganze Zeit über dieses bezaubernde Lächeln. Aber sie gab nicht viel von sich Preis. Also redete ich wie ein Wasserfall. Sie hörte mir aufreizend lächelnd zu.

Also rückblickend muss ich mich wie ein Volltrottel verhalten haben. Ich habe die arme Lucy vor lauter Nervosität voll geschwafelt bis zu geht nicht mehr.

Aber allem Anschein nach genoss sie meine Anwesenheit und mein ununterbrochenes Gerede. Klar, sie konnte sie mir ja kaum etwas von sich erzählen. Ich ließ sie doch kaum zu Wort kommen.

So verging der Abend und sie begann irgendwann mal öfter auf die Uhr zu gucken. Mit ernstem Blick schüttelte sie den Kopf hin und her.

„Schade, Melli, jetzt muss ich aber gehen. Sonst komm ich morgen früh nicht raus.“

„Haha, du hast Recht. Aber es war echt toll. Darf ich dich nach Hause bringen?“

„Wenn es dir nicht zu weit ist?“

„Keinesfalls. Wo wohnst du denn?“

Sie lächelte wieder.

„Keine Angst, soo weit ist es gar nicht.“

Gut, dass ich mich mit dem Trinken zurückgehalten hatte. Aber in weiser Voraussicht des kommenden Abends war ich mit dem Auto hergefahren. Allzeit bereit ist meine Devise. Obwohl ich nicht vorhatte meine Traumfrau gleich am ersten Abend aufs Kreuz zu legen. So sehr ich natürlich solche edlen Wünsche ständig in mir trage…aber für die echte, die reine wahre Liebe muss man sich einfach Zeit lassen.

Da fällt mir ein, ich hatte mal gelesen, dass die Erwartungshaltung und das hinauszögern des Aktes die allergrößte Erfüllung sein soll. Es soll Paare geben, die Ficken bis zum Umfallen, aber bevor der Mann Anstalten macht einen Orgasmus zu bekommen, hören sie auf und lesen Zeitung oder schauen fern. Das ist für mich schon auch eine Art der Perversion. In irgendeiner Zeitschrift die ich mal in den Fingern hatte, beschrieb so ein Mann in einem Leserbrief so ein schändliches Tun und wollte wissen, ob so eine bescheuerte Praxis schädlich sei. Hör mal! Der hatte jahrelang keine Dings da. Na, eine Ejakulation. Das ist doch krank oder? Wie kann man sich mit so einer Frau einlassen? Also wenn Lucy so etwas verlangen sollte…also da würde glaub ich, auch ihr Lächeln nichts mehr nützen.

Inzwischen waren wir am Auto angelangt und eingestiegen.

„Lucy, wo darf ich dich hinbringen?“

„Sag mal…“

Sie beugte sich zu mir herüber. Ihr Gesicht näherte sich dem meinem. Meine Brust wurde mir zu eng.

„…du hast mich da vor dem Klo abgepasst. Stimmt doch, oder?“

„Äh, ja, äh…ich...“

Ich konnte nicht anders. Sie sah mich an und ich konnte es nicht steuern, nicht kontrollieren. Ich küsste sie auf den Mund. Mir fiel ein Felsbrocken vom Herzen. Sie erwiderte meinen Kuss. So ein Glück. So ein wunderschönes Mädchen. Jetzt gehörte sie mir. Mir ganz alleine. In dem Augenblick hätte ich zu allem Ja gesagt, so selig war ich. Ich hätte sie auf der Stelle geheiratet und mit ihr zehn Kinder haben wollen. Ich legte meinen freien Arm um sie. Ich wollte sie ganz nah bei mir spüren. Aber plötzlich wehrte sie sich und befreite sich von mir.

„So, das reicht jetzt schon mal fürs Erste. Sonst wirst du noch übermutig, Melli.“

Sie funkelte mich mit ihren hübschen Augen an und streichelte mir mit ihrer zarten kleinen Hand unwahrscheinlich sanft über meine Wange. Sie rutschte wieder in ihren Sitz zurück. In meiner Erregung hatte ich sie fast zu mir herüber gezerrt. Schon klar, Lucy hatte zu Recht befürchtet ich würde sie gleich hier im Auto…Aber nein, das hatte ich doch nicht wirklich vor, oder? Sie hatte es beendet bevor es ausgeartet wäre.

„Entschuldige, ich bin ein richtiger Hitzkopf. Wo musst du denn nun hin, Lucy?“