Mein 40. Opfer - Christian Manhart - E-Book

Mein 40. Opfer E-Book

Christian Manhart

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Beschreibung

Eigentlich wollte sich Bernhard Gittermann nach seinem 40. Lustmord zur Ruhe setzen und Schluss machen mit dem Töten von Frauen. Doch sein lang ersehnter Jubiläumsmord verlief so gar nicht wie geplant. Er landete unvermittelt in Untersuchungshaft und wurde mit immer neuen Vorwürfen konfrontiert. Sein eigens präpariertes Haus verfügte über eine ziemlich merkwürdige Ausstattung. Er wurde deshalb verdächtigt am Schicksal von spurlos verschwundenen Frauen schuldig zu sein. Die Mordkommission war sich sicher einen perversen und lange unentdeckten Serienmörder gefasst zu haben. In der Haft litt der elegante Geschäftsmann unter großen Selbstzweifeln. Um sein Gewissen zu erleichtern, begann er seine unfassbare Geschichte aufzuschreiben. Darin schilderte er penibel genau seine Karriere als Frauenmörder. Durch einen Zufall wurde die unter strengen Verschluss gehaltene Akte des erfolgreichen Immobilienmaklers Bernhard Gittermann wieder zugänglich. Die Polizeibehörden hatten triftige Gründe diese Akte geheim zu halten...

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Der Autor:

Jahrgang 1958, lebt seit Jahren mit seiner Familie in München. In seinem Hauptberuf Elektronik hat er jahrelang Handbücher und detaillierte illustrierte Reparaturanleitungen verfasst. Zuletzt arbeitete er als gefragter Ideengeber für komplizierte elektronische Anlagen und Prozesse. Einige beachtliche Comicbücher und Kurzgeschichten zählen zu seinem Portfolio.

Nicht jedermann zugängliche Archive bergen einen reichhaltigen Schatz an faszinierenden und geheimnisvollen Aufzeichnungen.

Sie sind die Grundlage für die Geschichten „Mein 40. Opfer“ und dem Ebook Erfolg „Aus dem Leben einer Missgeburt“.

Einige Romane, wie die Trilogie

„Der Mensch muss kleiner werden!“,

„Die Zeitgene“ und

„Das Projekt Gott“,

die sich mit Gentechnik beschäftigen sind ebenfalls als Ebook erhältlich.

München, 2012

Mein 40. Opfer

von

Christian Manhart

Impressum:

Mein 40. Opfer

Christian Manhart

Copyright : © 2012 Christian Manhart

published by epubli GmbH, Berlin,

www.epubli.de

ISBN: 978-3-8442-3354-4

Kapitel 1

Vorwort

Oft möchte man es nicht für möglich halten, welche Geschichten sich in der Realität abspielen. Niemand kann wissen, welche ungeheuerlichen Dinge in den Behausungen unserer Mitmenschen geschehen. Sind erst mal die Haustüren geschlossen, bleibt der Blick in dunkle Keller, Garagen, versteckte Zimmer und einsame Gartenhäuser verborgen. Manche unserer Zeitgenossen treiben auf diese Weise, unbeobachtet und unentdeckt, meist über viele Jahre hinweg, ihr grausames Unwesen. Der Zufall will es, dass sich hin und wieder die meist unerfreuliche Wahrheit zurück ans Licht der Öffentlichkeit kämpft.

Die Asservatenkammern und Archive der Polizeibehörden bergen ein reichhaltiges Sortiment an ungeheuerlichen Objekten und Beweisstücken. Es sind dies nicht nur die blutigen Messer und Schlagwerkzeuge. Nein, die interessantesten Objekte bestehen aus den handgeschriebenen Aufzeichnungen von Verdächtigen und schuldig Verurteilten. In diesen losen Blättern, Notizbüchern, Tagebüchern oder Taschenkalendern, verbergen sich Geschichten die sich niemand so ohne Weiteres ausdenken kann. Deren Studium wiederum ist sehr anstrengend, weil die Schreiber in ihrer Angst und Unsicherheit nahezu unleserlich kritzeln und krakeln. Lose Blätter sind dabei am schwierigsten zu entziffern. Auf dem Papier, das sie im Gefängnis erhalten, schreiben die Verfasser winzig klein, übereinander, durcheinander, streichen durch, malen kleine Symbole dazu, achten nicht mehr auf Zusammenhänge.

Wo sie nur Platz finden, werden Worte, Bildchen und Buchstaben gesetzt. Kaum ein Beamter macht sich die Mühe und kämpft sich durch diese wirren Notizen, geschweige denn er hält sie für die Wahrheit oder tatrelevant. Intensiv kontrolliert wird nur, was nach außen transferiert werden soll.

Auch der des mehrfachen Mordes Verdächtige Bernhard Gittermann war so ein ängstlicher Kandidat. Nein, er wollte nicht gestehen, keinesfalls. Sein Motiv zu schreiben, war sein Stolz. Gittermann hielt sich und seine Art Frauen zu töten für einzigartig. Er wollte wie so viele vor ihm, heimlich still und leise prahlen mit seinem verwerflichen Tun. Wie unzählige vor ihm, wollte er aber auch durch das Niederschreiben sein Gewissen erleichtern und eine Art Absolution erfahren. Sein Leben, das er während seiner Untersuchungshaft auf ein paar Blättern festgehalten hatte, wurde natürlich aufbewahrt und zu den Akten geheftet.

Dieser Text war eigentlich nicht besonders schwer zu dechiffrieren. Er hatte lediglich einige Buchstaben durch Zahlen ersetzt. Nur seine Abkürzungen und Kürzeln die er benutzt hatte, verhinderten ein rasches Übersetzen. Sein gesamter Text bestand nur aus diesen Wortfragmenten.

Doch er hatte sich keine große Mühe gegeben, den Code zu verstecken, der mir geholfen hatte seine Geschichte zu verstehen. Es war nicht leicht zu glauben was er da geschrieben hatte. Zu schlimm und verachtend waren seine Taten. Zu kaltschnäuzig und egoistisch seine Argumente. Zu weinerlich seine Rechtfertigungen.

Die Akte Gittermann war normalerweise niemanden zugänglich. Doch der Zufall sorgte dafür, dass zum Einsehen der Akte nicht mehr das persönliche Einverständnis eines bestimmten Staatsanwaltes benötigt wurde.

So kam ich an die versiegelte Mappe mit den Aufzeichnungen des Immobilienmaklers Bernhard Gittermann.

Schockierend waren die Umstände welche zu der Versiegelung und Geheimhaltung der Akte führten. Nie hätte ich gedacht, dass es Fälle gibt, von denen die Öffentlichkeit nur eine abgemilderte und geschliffene Version erfährt. Erst wenn die beteiligten Personen versetzt oder in Pension geschickt werden, oder sogar sterben, ändern sich die Umstände und die Gründe für den rigorosen Verschluss entfallen.

Natürlich sind alle Namen, Orte und Zeiträume abgeändert.

Kapitel 2

Mein 40. Opfer

Nun war es also soweit. Lange Jahre meines Lebens hatte ich mich vor diesem Augenblick gefürchtet. Immer wieder hatte ich die drohende Gefahr verdrängt und mich in trügerischer Sicherheit gewogen. Trotzdem, vor allem in den ersten Jahren meiner Laufbahn hatte ich große Angst vor Entdeckung gehabt. Immer wieder hatte ich es mir in der Vergangenheit ausgemalt, wie es wohl sein würde, wenn ich eines Tages in so eine ausweglose Situation kommen sollte. Was hatte ich mir nicht alles für tolle Ausreden ausgedacht. Tja, die können mir gar nichts, hatte ich immer gedacht. Und jetzt? Sollte ich jetzt wirklich geliefert sein? Droht mir heute die gnadenlose Ächtung und Beschimpfung? Ausgeschlossen aus der normalen Gesellschaft? Nicht auszudenken, sollte ich für unzurechnungsfähig erklärt werden. Würden sie mich am Ende in die Psychiatrie stecken? Mich? Einen ehrwürdigen Geschäftsmann? Geendet als Geisteskranker der von gewissenlosen und experimentierfreudigen Psychiatern mit Medikamenten vollgestopft wurde? Um Gottes Willen! Bitte nicht! Ja, ich hatte Angst, ein Gericht könnte entscheiden mich für immer und ewig einzusperren. Die berüchtigte Sicherungsverwahrung! Furchtbar, allein der Gedanke daran!

Aber mein lieber Gott, was hatte ich nur getan? War wirklich alles Böse? War ich so ein Scheusal? Eine Bestie? Nein, nein und nochmals nein! Ich halte mich heute für keinen schlechten oder verrückten Menschen. Aber denken alle anderen auch so von mir? Sehen sie nur das Tote, das Vergangene und nicht das Glück und die Lust die damit verbunden waren?

So viele Fragen hatte ich und niemanden konnte ich sie stellen, damit sie mir beantwortet werden. Ich musste stets alles für mich behalten. So wie ich es mein ganzes Leben lang getan hatte. Einsam und eingeschlossen in meinem Herz, wird mein Wirken für immer bleiben. Mit niemanden konnte ich reden und mich austauschen. Es war ein Graus. Doch jetzt, an diesem Punkt, an dem ich das erste Mal um meine Existenz fürchten musste, verspürte ich einen starken Drang mich mitzuteilen. Ja, es war gut ein wenig von dem Ballast loszuwerden. Meine Gedanken frei zu lassen aus dem Gefängnis, das sich Gedächtnis nennt.

Vielleicht erhoffte ich mir nur ein wenig Verständnis. Vielleicht erhoffte ich mir aber auch Mitleid. Ich hatte ja keine Ahnung ob und wie viele Menschen es gab, die sich mit ähnlichen Vorlieben beschäftigten.

Vor mir auf dem Tisch stand ein ausgetrunkener Kaffeebecher aus dunkelbraunen Plastik mit senkrechten Rippen. Einer dieser wirklich billigen Behältnisse. Die bittere Brühe darin schmeckte genau genommen gar nicht wie richtiger Kaffee. Aber sie war wenigstens heiss gewesen.

Sie hatten mich schon wieder allein gelassen. Sie, das waren die grimmigen Kriminalbeamten, die mich seit Tagen pausenlos verhörten und mir die größten Vorwürfe machen. Sie waren es, die mich quälten und mich sitzen liessen. Das machten sie unentwegt. Immer und immer wieder musste ich über lange Zeiträume allein in diesem trostlosen, fensterlosen Raum sitzen. Ich konnte mich gar nicht erinnern wie lange ich diesmal schon dasass und warten musste. Aber es war mir im Grunde egal. Ich hatte doch Zeit. Nichts lief mir mehr davon.

Außer meinem leeren Becher befand sich nichts auf dem Tisch. Im Raum befanden sich außerdem nur zwei einfache Stühle und dieser ebenso einfache Tisch. Über dem Tisch baumelte ein winziges Mikrofon von der Decke. Mehrere Kameras an den Wänden montiert, beobachteten mich. Ich befand mich momentan in einem kargen Vernehmungsraum der Kriminalpolizei in Köln.

Ohne Zweifel hatte ich eine mordsmäßige Angst vor den Verhören. Es war nicht die Angst vor körperlicher Gewalt der Polizisten. Nein, es war meine Angst mich womöglich falsch zu entscheiden. Was sollte ich denn tun? Wer war imstande mir den richtigen Rat zu geben? Wer konnte mir den richtigen Weg zu weisen? Welche Taktik sollte ich wählen?

Sollte ich reinen Tisch machen und alles gestehen, was man mir vorwirft? Mein Gewissen erleichtern, wie man so schön zu sagen pflegt? Aber war denn mein Gewissen wirklich schlecht und belastetet? Hatte ich in meinem Leben etwas verbotenes, etwas verwerfliches getan? Sollte ich mich aufplustern, präsentieren, protzen und angeben? Ein bisschen prahlen und angeben mit meinen Taten? Die eine oder andere Gemeinheit noch dazu erfinden? Damit ich eines Tages von den anderen Gefangenen respektiert und bewundert werde?

Oder sollte ich lieber meinen Mund halten und warten ob man mir letztendlich etwas beweisen kann?

Meine Überlegungen tendierten dann lieber zur letzteren Variante. Das war die juristische Variante. Das Taktieren mit der Wahrheit und den Beweisen. Denn Beweise dürfte es in meinem speziellen Fall, wenn sie denn gefunden werden, nur sehr marginal geben. Sie würden nicht ausreichen mich anzuklagen, so hoffte ich inständig. Mal sehen ob ich meine Kraft ausreichen würde, den Fragen über Fragen standzuhalten, die nun auf mich warteten. Die Gefahr bestand, meine Selbstbeherrschung zu verlieren. Das würde dazu führen, dass ich mich um Kopf und Kragen redete. Die Ermittler würden jedenfalls nicht so schnell locker lassen, da war ich mir sicher. Die waren gut geschult und abgebrüht, diese Leute. Das war mir gleich im ersten Moment aufgefallen. Sie waren gierig und ehrgeizig. Sie glaubten im Vorteil zu sein. Weil, ich konnte mich nicht wehren. Ich durfte nur hier herumsitzen. Doch ich war mein Leben lang ein gründlicher und sorgfältiger Mensch. Ein sturer Pedant, wie man mich bezeichnen würde. Jemand, der von jeher die Ordnung und Aufgeräumtheit liebte. Detailversessen. Jemand der nichts dem Zufall überlassen hatte. All die vielen vergangenen Jahre nicht.

Klar, ich hatte Fehler gemacht. Viele Menschen machen Fehler. Das liegt in unserer menschlichen Art, Fehler zu machen. Obwohl ich mein ganzes Leben lang penibel und sorgfältig gearbeitet hatte, waren mir hin und wieder Fehler unterlaufen. Sonst sässe ich doch gar nicht erst hier!

Mich hatte nicht der Zufall erwischt und in diese Situation gebracht. Nein, ich hatte einfach Pech gehabt. Oder ich hatte zu sehr meinen eingespielten Abläufen und Ritualen vertraut. Die Routine hatte mich unvorsichtig werden lassen. Oder es lag schlicht und einfach an meinem fortgeschrittenen Alter? Man verliert mit den Jahren ohne sich selber darüber bewusst zu sein, die Eigenschaft flexibel zu reagieren. Man wird unaufmerksam und verlässt sich darauf, dass schon immer alles gut gegangen war. Verdammt aber auch! So ein Pech! Und das musste mir passieren. Obwohl ich genau genommen gar keine Fehler gemacht hatte. Ich war einfach nur zu blöd gewesen, die Falle die man mir gestellt hatte, rechtzeitig zu erkennen. Hatten mir meine selbstsicheren und eingespielten Abläufe einen Streich gespielt? Oder warum hatte ich meinen sensiblen Antennen, meinem trainierten Gespür nicht vertraut? Ich hatte es doch unterschwellig geahnt, dass etwas anders war als sonst. Ach, was sollte jetzt das Lamentieren... jetzt war es ohnehin zu spät. Nun musste ich sehen, dass man mir nicht noch mehr anhängen kann.

Mir wurde allmählich langweilig. Mich überkam das übermächtige Bedürfnis aufzustehen und meine Gelenke und die Muskulatur zu lockern. Gerade meine Hüftgelenke schrieen nach ein bisschen Bewegung. Ich konnte einfach nicht mehr sitzen. Der Schmerz zog sich wie eine brennende Fackel nach oben bis in die Schulter. Kaum hatte ich den Stuhl nach hinten gerückt, wurde die Tür aufgesperrt und ein uniformierter Beamter kam herein gestürmt.

„Hinsetzen!“ bellte er mich rüde an.

„Warum?“ entgegnete ich ihm ruhig.

Der Mann deutete mit strengen Blick und ohne ein weiteres Wort zu sagen auf meinen Stuhl. Ich probierte es noch einmal.

„Entschuldigen Sie bitte. Mein Füsse sind eingeschlafen. Ich verspüre starke Schmerzen in der Hüfte. Ich gehe nur ein paar mal um den Tisch. Dann setze ich mich wieder. Ist das für Sie in Ordnung?“

Ich wartete seine Reaktion gar nicht erst ab. Ich gab mir nochmals einen Ruck und machte mich daran aufzustehen. Mit einem sehr schnellen Satz war der Polizist bei mir und packte mich an den Armen. Der bullige Mensch nahm keinerlei Rücksicht auf mein fortgeschrittenes Alter. Die kalten Metallschellen schmerzten und zwickten, als er sie mir fest um meine schmalen Gelenke drückte. Der Beamte stellte sich anschließend wieder an die Tür und gab mir ein Zeichen... soll heissen: jetzt durfte ich um den Tisch herumgehen!

Interessant wirklich! Ich war doch nicht gemeingefährlich! Die Polizei hatte einen seriösen Herrn im Rentenalter und keinen Schwerverbrecher vor sich! Ein Geschäftsmann der unglücklicherweise in eine schlimme Sache geraten war. Unschuldig nach dem Gesetz der der Natur! Noch lange kein zwingender Grund mir Handschellen anzulegen, nur weil ich um den Tisch gehen wollte. Ich hatte gar keinen Grund weg zu laufen oder den Polizisten anzugreifen.

Zwei Tage später lag ich in einer schmalen Zelle auf dem Bett. Ich hatte einen Entschluss gefasst, auch wenn es sich später als Fehler herausstellen sollte. Ich hatte um Papier und Bleistift gebeten um meine Sicht der Dinge aufzuschreiben. So jedenfalls hatte ich mich geäußert. Natürlich hatte ich nicht vor Klartext zu schreiben. Denn die Beamten würden alles lesen und analysieren was auf den Blättern stand. Deshalb verwendete ich einen speziellen Code. Ich musste sehr diszipliniert vorgehen um in dieser Codesprache zu schreiben. Aber im Verschleiern und Täuschen hatte ich genügend Erfahrungen. Später so mein Plan, könnte ich vielleicht meinen Anwalt einen Schlüssel überreichen, um meine hier aufgeschriebene, harmlose Geschichte wieder zu dechiffrieren. Aber es war noch besser den Schlüssel im Text zu verstecken. Findige Menschen sollten ihn schnell finden und meine Geschichte verstehen. Vielleicht war es auch gar nicht notwendig. Mit etwas Glück und einem verständnisvollen Richter, werde ich ohnehin freigesprochen. Später, wenn genügend Gras über die Sache gewachsen sein wird und ich im Altersheim sitze, könnte ich meine Aufzeichnungen sogar als Buch veröffentlichen.

Die Vernehmungen waren mehr als lästig und brachten mich aus meiner gewohnten inneren Ruhe. Gerade diese innere Ruhe und Ausgeglichenheit sind ein hohes, nicht zu unterschätzendes Gut. Sie sind der einzige Garant für ein zufriedenes Leben. Dazu gehört eine penibel eingehaltene Regelmäßigkeit im Tagesablauf. Das war seit langem sehr wichtig für mich.

Die Polizisten jedoch kamen zu den unmöglichsten Zeiten. Immer wieder liessen sie mich stundenlang allein sitzen und nervten mich mit den immer selben Fragen. Sie zeigten mir Fotos, versuchten mich in Widersprüche zu verwickeln oder wurden ganz konkret und direkt. Oft wurden sie auch ziemlich unfreundlich und beschimpften mich. Sie drohten mir und malten wahre Schreckensszenarien an die Wand. Für mich waren das aber Zeichen, dass sie im Nebel stocherten. Die hatten nicht die blasseste Ahnung! Manchmal waren sie aber auch überaus freundlich und boten mir diesen bitteren Kaffee und staubtrockenes Gebäck an. In einigen Tagen sollte ich tatsächlich psychologisch begutachtet werden. Ich war mir nicht sicher ob ich diesen Vorhaben zustimmen sollte. Ich dachte mir, i c h benötige doch keinen Seelendoktor!Psychisch ging es mir ausgezeichnet. Ich war mit mir im Reinen und sehr ausgeglichen. Es gab in meiner Gefühlswelt keine nennenswerten oder auffälligen Störungen. Einzig die Eintönigkeit und Langeweile begann mich allmählich zu stören. Ich war es seit vielen Jahren gewohnt viel zu denken, zu planen und die Vorhaben exakt umzusetzen. Nun war ich zur Untätigkeit verdammt. Das war für mich die eigentlich einschneidende Belastung. So gingen die Tage dahin und ich langweilte mich fürchterlich.

Gott sei Dank ist der Mensch mit einem großzügigen Denkapparat ausgestattet. Das erlaubte mir in meinen Gedanken und Träumen meine verborgenen Leidenschaften zu erleben, sooft es nur ging. Das war schön und abwechslungsreich. Das konnte mir niemand nehmen. Selbst wenn man mich bis an mein Lebensende eingesperrt sollte. Immer würde ich daran denken können, immer wieder würde ich die erlebten Empfindungen aus meinem Gedächtnis abrufen können und mich daran erfreuen. Niemand von außerhalb würde je daran teilhaben können oder sich eine Vorstellung davon machen. Zum Glück verfügte über einen reichen Schatz an Empfindungen und Erlebnissen.

Doch, natürlich fürchtete ich mich davor, nur noch von Erinnerungen zehren zu müssen. Das durfte ich nicht zulassen. Nein, ich musste weiter nach vorne schauen und der Zuversicht einen Platz einräumen. Keinesfalls durfte ich vorzeitig aufgeben und Trübsal blasen. Immer wird es Auswege geben.

Diese Geschichte die ich nun aufschreiben werde, soll alles sein, nur keine tränenreiche Lebensbeichte. Nein, ganz bestimmt nicht! Sie sollte lediglich dazu dienen, elementare Teile meines Lebens zu erzählen und zu verstehen. Oder einen intensiven Teil meines Lebens. Die Geschichte war sozusagen ein Elixier daraus. Der Teil meines Lebens für den sich manche Zeitgenossen so brennend interessierten. Aus der Tagespost wusste ich bereits, welche große Neugier die Medien an meiner Person und ihrer vermeintlich schandhaften Taten hat. Man hatte ohne Genaues zu wissen, wilde Spekulationen angestellt. Ungeheuerlich! Der für unbedarfte Bürger, skurril anmutende Fall, hatte diese Meute von Bluthunden auf den Plan gerufen. Die Medienleute hatten darauf hin angefangen alles Mögliche auszugraben. Sie waren unverschämter und neugieriger als die Polizei. Vor allem machten sie vor keiner Privatsphäre halt. Sie drehten buchstäblich jeden Stein um. Aber auch sie hatten weitgehend Pech gehabt. Soviel Schmutz sie auch zu verbreiten wussten. So viele Schandtaten sie mir auch unterstellten. Niemand würde mir je etwas beweisen können. Niemand!

Die Geschichte sollte helfen, dass sie verstehen, welchen Grund es gab, dass ich hier festgehalten wurde und ich mich im Gewahrsam der Polizeibehörden befand. Ich möchte noch betonen, dass niemand außer mir selber etwas über mein Leben wissen kann. Denn ich war Zeit meines Lebens ein Einzelgänger. Jemand, der seine Erlebnisse niemals mit anderen geteilt hatte. Nur soviel: Ich war trotz allem was man mir vorwirft, ein guter, ein sehr braver Mensch mit äußerst hohen, moralischen Ansprüchen, die ich im gesellschaftlichen Leben immer beachtet hatte. Gewalt, alle Formen von Ungerechtigkeit, Brutalität, Korruption, Betrug, all die Dinge mit denen so viele Menschen Probleme haben, berührten mich niemals. Unter keinen Umständen würde ich Geschäftspartner übervorteilen oder gar Frauen und Kinder schlagen. Das sollte man schon wissen, bevor man über mich urteilt. In mir hatte stets ein edles Gemüt gewohnt.

Die abenteuerlichen Geschichten und Spekulationen, die Unbeteiligte über mich in Umlauf brachten und verbreiteten, entsprachen nicht der Wahrheit. Ich hatte eine weisse Weste. Es gab mit Sicherheit keine gesicherten Indizien meiner langjährigen Tätigkeiten. Wenn man meine praktizierte Leidenschaft als strafbar bezeichnen würde, so wäre ich nahe am perfekten Verbrechen.

Es mag sein, dass die Ermittlungsbehörden sich weit dem Fenster lehnten und mit Erkenntnissen prahlen. Doch ich war immer sehr gründlich und gewissenhaft. Selbst wenn ich eine Tat gestehen würde... ohne stichhaltige Beweise könnte ich mir das doch auch ausgedacht haben. Ich war insoweit sehr zuversichtlich, dass man mir nichts wirklich nachweisen kann. Bald werde ich wieder in Freiheit sein und meinen wohlverdienten Ruhestand geniessen können.

Wie alles anfing

Was folgt ist meine Lebensgeschichte bis zu jenem verhängnisvollen Tag, in meinem 63. Lebensjahr. Punktgenau mit meinem Geburtstag wollte ich mein bisheriges Leben ändern. Das war mein selbst gewählter Zeitpunkt um Schluss zu machen und etwas Neues zu beginnen. Sie dürfen mir glauben, ich hatte ein bewegtes und äußerst erfülltes Leben gelebt. Vor allem mein Liebesleben war von intensiven und häufigen Beziehungen gekrönt. Nein, natürlich gab es auch bei mir Höhen und Tiefen. Doch die überwiegende Mehrzahl der Jahre flossen ruhig und gemächlich dahin. Warum? Vielleicht weil ich stets meiner Linie treu geblieben war. Niemals hatte ich meine Prinzipien verlassen oder mich auf Dinge eingelassen, von denen ich nicht vollständig überzeugt war. Ständig hatte ich versucht ein normales und gutes Leben zu leben. Es hatte mir gut getan nicht in Euphorie oder in Größenwahn zu verfallen. Ich war immer sehr ausgeglichen während dieser ganzen Zeit. In einem Einklang der Sinne. Vielleicht, weil ich eine Stufe der Befriedigung erreicht hatte, die kaum einer der Menschen je zu erreichen vermag. Nein, eine irgendwie geartete Unzufriedenheit hatte ich nicht kennengelernt.

Das lag zum großen Teil daran, dass ich mich an Wesentliches und Elementares gehalten hatte. Ich hatte schon sehr früh begriffen, dass man sich seinem Geschlecht stellen muss. Es machte absolut keinen Sinn als Mann eine Art von Feminismus zu entwickeln. Als Mann hat man diverse Bedürfnisse. Als Mann wird man von Hormonen gesteuert. Das lässt sich nicht wegdrücken oder überspielen. Als Mann braucht man nämlich eine Aufgabe die einen in Beschlag hält und einen sicheren Ruhepol für die mitunter sehr drängenden Gefühle bietet. Viele Männer stürzen sich deshalb wie besessen in ihre Arbeit. Und sie beissen sich in ihrem Beruf richtig fest. Nächtelang tüfteln sie über Strategien oder Berechnungen. Manche gehen in die Politik und verbringen fast ihre ganze Zeit mit Sitzungen und Versammlungen, nur um abgelenkt zu sein. Andere schrauben an ihren Autos und Motorrädern, oder sitzen im Keller und kleben an ihren Modelleisenbahnen. Oder sie fahren landauf, landab und sammeln irgendeinen unnützen Tand, wie Bierdeckel oder Kronenkorken. Es gibt sogar Zeitgenossen, die fertigen aus Zündhölzern oder sonstigem Kleinkram, wahre Kunstwerke.

Wiederum andere verbringen ihre gesamte Freizeit in der Kneipe, mit viel Alkohol und Zigaretten. Oder sie werkeln in einem Verein. Oder sie widmen sich dem Glücksspiel und verspielen ihre gesamte Habe und oft auch ihre Existenz. Oder man denke nur an die große Gruppe von Extremsportlern, die sich tagtäglich mit der Ausreizung ihrer körperlichen Grenzen beschäftigen. Andere wiederum wollen ihre Kräfte gegeneinander messen und prügeln sich am Wochenende bei Sportereignissen. Nur so zum Spass, zum Training oder um sich anderen gegenüber zu behaupten.

Nahezu alle normalen Männer tun irgendetwas in dieser Form. Ein Mann braucht diese oft absonderlich erscheinenden Hobbys. Der Mann an sich ist ein unruhiger Geist. Ein Getriebener. Er braucht etwas, das ihn ablenkt von seiner, der Natur vorgesehenen Aufgabe. Denn die einzige sinnvolle Aufgabe die einem Mann von der Natur zugewiesen wurde, ist die der ausgiebigen Befruchtung des Weibchens. Dazu sind wir Männer da. Zu sonst nichts. Das muss man wissen um uns Männer zu verstehen. Alles andere sind diese jämmerlichen, aber notwendigen Formen von Ersatzbefriedigungen mit denen wir Männer uns durchs Leben quälen. Schnöde Ablenkungen von der wahren Bestimmung des Geschlechtes. Im Grunde traurig, aber eben notwendig.

Doch sinnlos sind die Ersatzbeschäftigungen nicht. Im Gegenteil.

Denn die Männer haben in ihren umfangreichen Tätigkeiten der Ablenkung einen wesentlichen Beitrag zur Entwicklung der Menschheit geleistet. Viele grandiose Bauwerke, technische Entwicklungen wären ohne diese Besessenen gar nicht erst entstanden.

Darauf immerhin, können wir Männer sehr stolz sein.

Gut, wenn man die kriegerischen Auseinandersetzungen um Macht und Religionen mal ausnimmt, ist Stolz in jedem Fall angebracht.

Natürlich hat die Sache mit der ausgiebigen Befruchtung von Weibchen einen Haken. Denn schon seit einigen Jahrtausenden ist die Sache mit den Befruchtungen nicht mehr so einfach. Die jeweiligen Gesellschaften, die sich unter den Menschen gebildet hatten, wachten von jeher streng über diese spezielle Art von Tätigkeiten. Wir Männer können außerdem gar nicht ständig die Frauen befruchten. Bei den meisten von uns Männern erschöpfen sich die natürlich vorhandenen Ressourcen überraschend schnell.

Auch die Weibchen sind längst nicht so zahlreich und immer willig, den männlichen Urtrieben bereitwillig entgegen zu kommen. Deshalb die zunehmende Homosexualität. Für mich ein ziemlich männliches Phänomen. Die Männer können ihre Sexualität ausleben ohne sich mit dem anderen Geschlecht auseinander zusetzen. Einfach und praktisch. Auch eine Form der Ablenkung.

Ziemlich groteske Situationen entstehen für mich in Gesellschaften, bei denen die Geburten von Mädchen sogar verpönt und unerwünscht sind. Wir Männer würden uns gerne mit den Frauen paaren, gleichzeitig ist uns ihre Existenz unangenehm. Ein Paradoxon.

Aber in unserer westlichen, hoch entwickelten Gesellschaft ist der Ausgleich zwischen den Geschlechtern relativ gut gelungen, wie ich finde.

Denn Frau, Kinder, Familie, Beruf und Heim sollten dem modernen Mann sozusagen in der Waage halten. Nur funktioniert diese vielfach ausgeübte Praxis nicht bei allen Geschlechtsgenossen.

Ich war nämlich keiner von den Vorgenannten. Obwohl ich, außer dem Beruf, und der war nichtmal eine so große Leidenschaft, keine Ehefrau und Kinder oder Familie hatte, war bei mir immer alles im Lot.

Weil ich das Prinzip der männlichen Ablenkung befolgt hatte und mir auch ein Hobby angeeignet hatte. Ein sehr schönes Hobby, das alle diese Dinge miteinander auf wunderbare Weise verbunden und in ein befriedigenden Verhältnis gebracht hatte. Dieses Hobby hatte mich mein Leben lang begleitet und mir unzählige schöne Stunden bereitet. Denn allein die Erinnerungen an diverse schöne Stunden bereichern heute mein Alltagsleben und liessen mich ruhig und ausgeglichen die Aufgaben meistern. Ich zählte mich stets zu den Männern, denen es ein großes Anliegen war, die sexuelle Vereinigung zu perfektionieren.

Ich nenne meine Geschichte kurzerhand

„Mein 40. Opfer“.

Wer die Zahl darin liest, denkt erstmal an etwas Vollendetes, Ganzes. Ein Jubiläum vielleicht. Als wäre mit 40 ganzen Dingen etwas besonderes geschafft. Zum Beispiel 40 Jahre Arbeit im selben Betrieb. Oder 40 Jahre verheiratet. Auch 40 Jahre in derselben Wohnung, wäre schon ein Grund zum Feiern. Manche freuen sich auch über 40 gesammelte Tassen oder Puppen.

Man könnte die Liste natürlich ewig so weiterführen. Tausende von Möglichkeiten. Aber ich war gerade dabei ein ganz besonderes Jubiläum zu feiern. Etwas, das auf dieser schönen Welt bestimmt einen außergewöhnlichen Seltenheitswert genießt.

Bei mir bedeutete die Zahl nämlich 40 ein für manche ziemlich makabres Jubiläum. Ich blickte zurück auf 40 zu Tode befriedigte Frauen und Mädchen. Ich hatte mich über „40 Opfer“ gefreut. Denn ich hatte im Laufe meines Lebens 40 Frauen umgebracht. Das sollte mir erst mal jemand nachmachen. Klar, ist es einfach 40 Menschen umzubringen. Das ist keine besondere Kunst. Es gibt genug von den Wahnsinnigen, die im Krieg Bomben auf Dörfer und Städte abwerfen, oder sich an Massenerschießungen beteiligen. Aber das meine ich nicht.

Bei mir ging es um die Tötung nach guter alter handwerklicher Tradition, in trauter Zweisamkeit. In aller Seelenruhe und mit ehrlichem wohl überlegtem Genuss. Denn das Töten kann ein unbeschreiblicher Genuss sein. Ja, und ich hatte es vierzig Mal genossen!

Da denkt sich manch einer, ich wäre vielleicht pervers oder geisteskrank. Weit gefehlt. Ich fühlte mich zeitlebens so normal wie tausend andere Menschen auch.

Ich hatte auch niemals einen Hass gegen Frauen verspürt. Nie fühlte ich mich von ihnen zurückgesetzt. Im Gegenteil: ich liebte die Frauen und den Sex mit ihnen.

Ich hatte zu Beginn meiner Liebschaften natürlich nicht vorgehabt, meine Freundinnen jedes Mal ins Jenseits zu befördern. Dieser Umstand hatte eine ganz besondere Bewandtnis, die ich noch näher erklären werde. Natürlich hatte ich um nicht erwischt zu werden, im Laufe der Jahre eine richtig ausgefeilte Technik entwickelt. Meine nahezu patentreife Methode ermöglichte es mir, absolut perfekte Morde auszuführen. Auch ein Grund, warum ich so fest überzeugt war, dafür niemals von menschlichen Gerichten dafür belangt zu werden.

Natürlich wäre es niemals so weit gekommen, wenn ich nicht zusätzlich von einem richtigen Ehrgeiz besessen wäre. Und von einer unbändigen, nahezu unstillbaren Lust getrieben würde. Diese Lust brennt immer noch in mir, wenn auch nicht mehr so heiss und glühend wie in der Vergangenheit.

Ich wollte das Erlebnis, das mich zu den Morden verführte, immer und immer wieder spüren und erleben. Ich konnte gar nicht genug bekommen.

Aber es gab noch etwas: Die Genugtuung, dass man mir nichts nachweisen konnte, zum Beispiel. Das machte einen weiteren großen Reiz für mich aus.

Das andere, die viel mächtigere Triebfeder war aber die Last mit der mitunter ziemlich lästig werdenden Lust.

Aber von dieser, gerade in meinem speziellen Fall, ziemlich einmaligen Lust erzähle ich später mehr.

Zugute kam mir bei meinem Vorhaben, das damals in mir reifte und Gestalt annahm, mein gutes Aussehen. Ich hatte keine Probleme Frauen kennen zu lernen und dieselben auch in mein Bett zu bugsieren. So hatte ich schon mit Anfang zwanzig, ausreichende Erfahrungen mit dem anderen Geschlecht gesammelt und viele der gängigen Spielarten des geschlechtlichen Zusammenseins ausprobiert. Bis zu den Tagen an denen mich äußere Umstände an gewisse sexuelle Dinge erinnerte, die ich lange Zeit verdrängt hatte. Doch sie waren immer präsent gewesen. Mein Gedächtnis hatte diese unglaublichen Dinge gespeichert und sie mir immer wieder ungewollt präsentiert. Ich hatte es mir selber lange nicht eingestanden, aber irgendwann war Schluss mit dem Verdrängen. Das Verlangen, der Druck diese Dinge zu tun war übermächtig geworden. Ich war eines Tages an einem Punkt angelangt, an dem ich mich nicht mehr wehren konnte. Später, nachdem es geschehen war, gab es kein Halten mehr. Eine Umkehr war unmöglich geworden. Ich war zum Täter geworden. Zum Lustmörder!

37 Jahre waren seit diesem eindrucksvollen ersten Mal vergangen. Was 37 Jahre!!! Das werden sie sich womöglich denken. Und nie hatte jemand etwas gemerkt oder ich wurde verdächtigt? Nein, tatsächlich ging die Suche der Polizei immer an mir vorbei. Wie durch ein Wunder blieb ich unbehelligt. So kam es zu 40 Morden über einen Zeitraum von 37 Jahren verteilt. Unmöglich? Doch, doch, glauben sie mir.

Aber es waren keine richtigen Morde im Sinne einer brutalen Gewalttat. Denn Mord hat etwas mit Hass, Gewalt, Heimtücke und niederen Beweggründen zu tun. In meinem Fall hatte es stets etwas mit Lust und Vergnügen zu tun. Mit dem Streben nach der höchsten der Erfüllungen. Wenn es sich die Umstände nicht so kompliziert verhalten würden, es hätten auch 400 Frauen das Glück haben können mit mir ihren Tod zu zelebrieren.

Mein 40. Mord plante ich gleichzeitig mit meinem 63. Geburtstag. An diesem Tag sollte eine Zäsur stattfinden. Ich hatte zu diesem Zweck ein Erlebnis von besonderer Güte geplant. Der schönste Tag in meinem Leben. Gleichzeitig sollte er den Schlusspunkt meines bisherigen Lebens markieren. Ein neuer Abschnitt sollte beginnen. Ein Lebensabschnitt der Ruhe und Besinnlichkeit. Mit viel weniger Sex. Mit erheblich weniger Aufwand und Gefahren. Ich hatte geplant mein Leben radikal zu ändern. Mein Geschäft wollte ich verkaufen und viel Reisen. All diese Sachen, die man unternimmt als Pensionär. Keine Morde mehr. Kein anstrengender Sex mehr.

Die Menschen werden Fragen stellen wenn sie das lesen. Zum Beispiel:

Hatte denn Kerl gar kein Mitleid mit seinen armen Opfern?

Meine einfache Antwort:

Nein, hatte ich nicht. Warum denn auch? Niemand hat das Recht und die Gewissheit gesund und munter Hundert Jahre alt zu werden. Und noch eins: wie oft hatte ich mir ausgemalt mit welch unübertrefflicher Lust meine Frauen gestorben sind. Da dürften meine Opfer eher Mitleid mit den anderen unglücklichen Frauen gehabt haben, die einen anderen, weniger spektakulären Tod gestorben waren. Also, mit Sicherheit kein Mitleid. Auch nicht mit den Angehörigen. Schließlich waren nicht nur unberührte Engel dabei. Mit wem sollte ich Mitleid haben? Mit dem betrogenen Ehemann oder Freund? Gewiss nicht. Hätten diejenigen sich sexuell mehr Mühe gegeben, wäre ihnen auch nicht die Frau davongelaufen. Aber so sind halt viele von meinen Geschlechtsgenossen. Rauf, rein, raus und fertig. Da brauchten sie sich nicht wundern wenn sich ihre geliebten Partnerinnen mal anderweitig vergnügten. Und die Eltern der Frauen? Na, also, was denn? Ich hatte niemals pädophile Neigungen verspürt. Die Jüngste in meiner Liste war um die 21. Sie hatte mir erzählt, sie hätte nur mehr sporadisch Kontakt zu ihren Eltern. Da kann die Trauer nicht so groß gewesen sein. Waren denn keine Mütter dabei, werden sie wissen wollen? Klar. Aber Frauen die spezielle sexuelle Genüsse suchen, sind auch keine guten Mütter. Erfahrungssache.

Die Welt und ihre Menschen sind viel einfacher als man glauben möchte. Man muss nur genau hinsehen. Der Sex beherrscht uns alle. Ob wir es wahrhaben wollen oder nicht.

Und noch etwas: mal ehrlich, wer denkt in höchster Erregung, in saftiger Geilheit an die Folgen seines Tuns? An seine Familie? Erregte, in sexueller Anspannung vertiefte Paare kennen nur ein Ziel: sich zu befriedigen. Diesen gewaltigen Urtrieb, der uns allen eigen ist, freien Lauf zu lassen. Die Zweisamkeit und Nähe des anderen zu fühlen. Die Gefühle zu geniessen.

Kurzer Vergleich mit der Tierwelt. Ein wilder Eber riecht eine paarungswillige Sau schon kilometerweit. Wenn er zu ihr kommt hat er sogar Schaum ums Maul. Ekelhaft und doch ein Zeichen von einer unterbewussten Steuerung. Die Herrschaft der Hormone. Das ist die pure ehrliche Natur. Beim Menschen ist es Gott sei Dank nicht ganz so wild. Aber wenn dich die Lust packt, gibt es oft kein Zurück mehr. Kein links und rechts oder oben und unten. Das schlechte Gewissen kommt immer erst später. Bei meinen Opfern gab es kein schlechtes Gewissen. Sie hätten ihre Gesichter sehen sollen als ihre Herzen in größter Lust aufhörten zu schlagen. Eine Mischung aus Schmerz und tiefer Befriedigung. Einer unkontrollierbaren inneren Emotion, die den Körper vollends überwältigte. Alles andere wurde in diesem Augenblick unwichtig und nicht mehr beachtet. Nur diese eine Lust war wichtig. Und das soll schlecht gewesen sein? Mitleid? So ein Blödsinn!

Aber nun zu den Anfängen. Damals, als ich diese sonderbare Karriere einschlug, war ich knapp 23 Jahre alt. Ich sah sehr gut aus. 1,85 Meter groß, kräftig und schlank. Gerade Nase und schmale Lippen, schöne ebenmäßige Zähne und sehr festes dichtes dunkelbraunes Haar, das ich stets länger trug, als es aktuell die Mode war. Ich liebe meine Haare und hatte sie immer sehr gepflegt. Ich habe bernsteinfarbene Augen mit einer sehr schönen Zeichnung. Obwohl ich mir früher blaue oder blaugraue Augen gewünscht hatte. Meistens in meiner Freizeit, ließ ich mir einen so genannten Dreitagebart stehen. Das sah gut aus und nicht ganz so streng. Viele Frauen finden Männer mit Bärten ungepflegt. Doch ich hatte festgestellt, einen dunklen Schatten im Gesicht, finden sie wiederum attraktiv.

Ich hätte im Übrigen tausendmal heiraten können. Aber ich wollte keine feste Frau und Kinder zu Hause haben. Ich genoss stattdessen lieber die Freiheit.

Viele meiner positiven Anlagen hatte ich wohl von meinen Eltern geerbt. Ich hoffte natürlich nicht, dass mein Vater ein Mörder war. Meine Eltern sind leider bereits gestorben.

Mein Vater war ein erfolgreicher Geschäftsmann. Ein alteingesessener und angesehener Immobilienmakler. Meine Mutter war Lehrerin. Sie arbeitete als Studienrätin an einem Gymnasium in der Nähe unseres Wohnortes. Sie unterrichtete Englisch und Latein. Aus finanziellen Gründen hätte sie es nicht nötig gehabt zu arbeiten. Ich kam also aus gutem Hause. Aus einem wohlhabenden und gut situiertem Hause, mit gebildeten Eltern.

Ich wollte etwas von meinen speziellen Neigungen erzählen und wie es dazu kam. Womöglich war es bei vielen anderen Menschen ähnlich wie bei mir. Es gibt Phasen und Zeitabschnitte während des Lebens, die sehr prägend sein können. Die Pubertät, die Zeit davor und danach zum Beispiel. Diese Zeitspanne war bei mir ausschlaggebend für meine spätere Karriere. Nein, nicht die berufliche Karriere. Meine Entwicklung in sexueller Hinsicht war damit gemeint. Meine Ausrichtung war und ist natürlich ausschließlich heterosexuell. Doch meine Präferenzen lagen in einem Bereich, den die meisten Menschen eher ablehnen oder als spezielle Abart bezeichnen würden. Perverse Gelüste wären dafür eine passende Bezeichnung. Gut, das mag sich etwas abwertend anhören. Aber Leute die so urteilen wissen nicht, wovon sie reden, weil sie es niemals ausprobiert haben.

Nun ein Ausflug in die Vergangenheit, in meine Kindheit. Mag sein, dass ich damals eine Art Trauma erlitten hatte, das mich mein Leben lang verfolgte. Ich hatte in jungen Jahren dieses Trauma verdrängt und mich ihm später bedingungslos hingegeben. Es gab keinen Ausweg für mich.