Der Oberhof - Karl Immermann - E-Book

Der Oberhof E-Book

Karl Immermann

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Beschreibung

Dieses eBook: "Der Oberhof" ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. Aus dem Buch: "Über diese uralten Wehren freier Männer ist der Atem der Zeiten, Marken verrückend und Rechte tilgend, hingefahren. Die anfängliche germanische Genossenschaft, in welche jeder nur eintrat, Leibes und Lebens sicher zu werden, nicht Leib und Leben zu verlieren, ist längst zerstört; der Vasallendienst hat an der Freiheit gerüttelt, und endlich sind die Trümmer eigenartiger Selbständigkeit in den großen Not- und Bergehafen des modernen Staates getrieben worden." Karl Immermann (1796-1840) war ein deutscher Schriftsteller, Lyriker und Dramatiker.

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Seitenzahl: 587

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Karl Immermann

Der Oberhof

e-artnow, 2017 Kontakt: [email protected]
ISBN 978-80-268-7082-1
Inhaltsverzeichnis
Karl Immermann
Erstes Buch. Der wilde Jäger
Erstes Kapitel. Der Hofschulze
Zweites Kapitel. Rat und Anteil
Drittes Kapitel. Der Oberhof
Viertes Kapitel. Worin der der Jäger einem Menschen, Namens Schrimbs oder Peppel, einen Begleiter nachsendet und selbst auf den Oberhof kommt
Fünftes Kapitel. Der Jäger verdingt sich zum Wildschützen, und des Abends erzählen Knechte und Mägde die Ergebnisse ihres Nachdenkens über die moralischen Sprüche
Sechstes Kapitel. Der Jäger schreibt an seinen Freund Ernst im Schwarzwalde
Siebentes Kapitel. Worin der Jäger dem Hofschulzen eine alte Geschichte von seinen Eltern erzählt
Achtes Kapitel. Worin der Hofschulze eine dreifache Moral aus der Geschichte des Jägers zieht
Neuntes Kapitel. Der Jäger erneuert eine alte Bekanntschaft
Zehntes Kapitel. Von dem Volke und den höheren Ständen
Elftes Kapitel. Die fremde Blume und das schöne Mädchen. Die gelehrte Gesellschaft
Zwölftes Kapitel. Brief und Antwort
Dreizehntes Kapitel. Der Jäger schießt und trifft
Zweites Buch. Hochzeit und Liebesgeschick
Erstes Kapitel. Worin der Hofschulze dem einäugigen Spielmann auseinandersetzt, warum er keine seiner neun Jacken einbüßen wolle
Zweites Kapitel. Ein Topf läuft über und eine Braut wird geschmückt
Drittes Kapitel. Worin der Autor fortfährt, die Vorbereitung zur Hochzeit zu beschreiben
Viertes Kapitel. Der Jäger und sein Wild
Fünftes Kapitel. Die Störung. Was sich in einer Dorfkirche zutrug
Sechstes Kapitel. Die ferneren Ereignisse eines Hochzeitstages
Siebentes Kapitel. Der vornehme Herr vom Hofe macht vergebliche Anstrengungen, sich herabzulassen. Der Spaßmacher Steinhausen wird jedermann verständlich
Achtes Kapitel. Eine Idylle in Feld und Busch
Neuntes Kapitel. Jäher Sturz
Drittes Buch. Das Schwert Karls des Großen
Erstes Kapitel. Der Lendemain in einem Oberhofe
Zweites Kapitel. Wie der Sammler und der Hofschulze sich abermals entzweien
Drittes Kapitel. Die Geschichte eines Geächteten
Viertes Kapitel. Der Hofschulze kommt wieder zu sich und Lisbeth schreibt an den Diakonus
Fünftes Kapitel. Lisbeth und Oswald
Sechstes Kapitel. Suchen und nicht finden
Siebentes Kapitel. Ein Trauerspiel im Oberhofe
Achtes Kapitel. Wie der einäugige Spielmann seine Absicht bei einem leidenschaftlichen Juristen erreicht
Neuntes Kapitel. Das Freigericht und was diesem folgte
Zehntes Kapitel. Wie der Hofschulze und der Graf Oswald aneinander und auseinander gerieten
Elftes Kapitel. Eine Art von Feldzug
Zwölftes Kapitel. Aus dem Tode Leben
Viertes Buch. Weltdame und Jungfrau
Erstes Kapitel. Worin der Diakonus vom Zufall und von der wahren Liebe spricht
Zweites Kapitel. Worin ein humoristischer Arzt nützliche Wahrheiten über die Behandlung kranker Personen vorträgt
Drittes Kapitel. Speisesaal und Krankenzimmer
Viertes Kapitel. Die Leiden einer jungen Strohwitwe
Fünftes Kapitel. Worin der Hofschulze seine letzte Rede über allerhand wichtige Gegenstände hält
Sechstes Kapitel. Ernste und feierliche Erklärung zwischen der Baronesse und dem Oberamtmann
Siebentes Kapitel. Was Lisbeth auf die Ermahnungen zu einer uneigennützigen und entsagenden Liebe antwortete
Letztes Kapitel. Fröhliche Siege
Anhang. Zwei Briefe

Karl Immermann

Inhaltsverzeichnis

Karl Immermann ward als Sohn eines Kriegs- und Domänenrats am 24. April 1796 in Magdeburg geboren. Als er Ostern 1813 die Universität Halle bezogen, verhinderte ihn Krankheit an dem eben ausbrechenden französischen Kriege teilzunehmen; doch als Napoleon Elba verlassen hatte und den Kampf wieder begann, konnte er daran bis zum Abschluß sich beteiligen und nachher, zum Offizier avanciert, seine Studien in Halle wieder aufnehmen. Hier und in dem benachbarten Lauchstädt gewährten ihm die Vorstellungen der weimarischen Schauspieler mancherlei Anregungen; doch verfolgte er seine juristische Laufbahn in Magdeburg und Münster weiter und hatte nun jahrelang mit der Neigung zu der später geschiedenen Gattin des Freischarenführers von Lützow zu kämpfen. Er wurde erst durch Verheiratung mit einer Enkelin des Kanzlers Niemeyer in Halle (1839) ruhiger und jetzt seiner dichterischen Kraft in dem (wenn auch nie ganz ausgenutzten) Umgange mit der Künstlerschaft in Düsseldorf, wohin er schon 1826 versetzt war, bewußt. Ein praktischer Versuch mit dem Stadttheater scheiterte an der Interesselosigkeit des Publikums, und weiteren großartigen Plänen entriß ihn ein früher Tod (25. August 1840). Seine dramatischen Dichtungen bezeichnen den Weg wahrhaft künstlerischen Ringens vom phantastischen Spiel bis zur ernsten Geschichte: aber wir empfangen nirgends den Eindruck voller Sättigung. Ein reicheres, klareres Talent zeigte er als Epiker; eine ganz einzige, künstlerisch außerordentlich bedeutsame Verbindung von tiefstem Naturgefühl, seelischster Empfindung und herrlichster humoristischer Freiheit offenbart sich in seinem Roman »Münchhausen« (4 Bände, 1838–39), dessen glänzendste Abteilung »Der Oberhof« für die wahre Dorfgeschichte in Deutschland die rechte Form und in Benjamin Bautier den besten malerischen Interpreten gefunden hat.

Erstes Buch. Der wilde Jäger

Erstes Kapitel. Der Hofschulze

Inhaltsverzeichnis

Im Hofe zwischen den Scheuern und Wirtschaftsgebäuden stand mit aufgekrämpten Hemdärmeln der alte Hofschulze und schaute achtsam in ein Feuer, welches zwischen Steinen und Kloben am Boden entzündet, lustig flackerte. Er rückte einen kleinen Amboß, der daneben stand, zurecht, legte sich Hammer und Zange zum Griffe bereit, prüfte die Spitzen einiger großen Radnägel, die er aus dem Bruststücke des vorgebundenen Schurzfelles zog, legte die Nägel auf das Bodenbrett des Leiterwagens, dessen Rad er ausbessern wollte, und drehte die Stelle des Rades, von welcher ein Stück Schiene abgebrochen war, achtsam nach oben, worauf er durch untergeschobene Steine das Rad in seiner Stellung festigte.

Nachdem er wieder ein paar Augenblicke in das Feuer gesehen hatte, ohne daß seine hellen und scharfen Augen davon zu blinzeln begannen, fuhr er rasch mit der Zange hinein, hob das rotglühende Eisen heraus, legte es auf den Amboß, schwang den Hammer darüber, daß die Funken sprühten, schlug das noch immer glutrötliche um das Rad, da wo die Schiene fehlte, schlug und schweißte es mit zwei gewaltigen Schlägen fest und trieb dann die Nägel, welche es in seiner weichen Dehnbarkeit noch immer leicht durchließ, an ihre Plätze.

Einige der stärksten und heftigsten Schläge gaben dem eingefügten Stücke das letzte Geschick. Der Schulze stieß mit dem Fuße die vor das Rad gelegten Steine hinweg, faßte den Wagen bei der Stange, um das geflickte Rad zu prüfen, und zog ihn ungeachtet seiner Schwere ohne Anstrengung quer über den Hof, so daß die Hühner, Gänse und Enten, welche sich ruhig gesonnt hatten, mit großem Geschrei vor dem rasselnden Wagen entflohen und ein paar Schweine aus ihrem eingewühlten Lager grunzend auffuhren.

Zwei Männer, von denen der eine ein Pferdehändler, der andere ein Rendant oder Rezeptor war, hatten, unter der großen Linde am Tische sitzend und ihren Trunk verzehrend, der Arbeit des alten, rüstigen Mannes zugesehen. Das muß wahr sein, rief jetzt der eine, der Pferdehändler, Ihr hättet einen tüchtigen Schmied abgegeben, Hofschulze!

Der Hofschulze wusch in einem Stalleimer voll Wasser, welcher neben dem kleinen Amboße stand, sich Hände und Gesicht, goß dann das Feuer aus und sagte: Ein Narr, der dem Schmied giebt, was er selbst verdienen kann. Er nahm den Amboß, als sei er eine Feder, auf und trug ihn nebst Hammer und Zange unter einen kleinen Schuppen zwischen Wohnhaus und Scheuer, in welchem Hobelbank, Säge, Stemmeisen, und was sonst zum Zimmer- und Schreinergewerk gehört, bei Holz und Brettern mancher Art stand, lag oder hing.

Indem der Alte sich unter dem Schuppen noch zu schaffen machte, sagte der Pferdehändler zu dem Rezeptor: Wollen Sie glauben, daß der auch alle Pfosten, Thüren und Schwellen, die Kisten und Kasten im Hause mit eigener Hand flickt oder, wenn das Glück gut ist, auch neu zuschneidet? Ich meine, wenn er wollte, könnte er auch einen Kunstschreiner vorstellen und würde einen richtigen Schrank zuwege bringen.

Da seid Ihr im Irrtum, sprach der Hofschulze, der das letzte gehört hatte und, das Schurzfell jetzt abgethan, im weißleinenen Kittel aus dem Schuppen trat. Er setzte sich zu den beiden Männern an den Tisch, eine Magd brachte ihm auch ein Glas, er that seinen Gästen Bescheid und fuhr dann fort: Zu einem Pfosten, zu einer Thüre und Schwelle gehören nur ein Paar gesunde Augen und eine firme Faust, aber ein Schreiner braucht mehr. Ich habe mich einmal vom Hochmut verleiten lassen und wollte, wie Ihr es nennt, einen richtigen Schrank zuwege bringen, weil mir Hobel und Meißel und Reißschiene auch bei dem Zimmerwerk durch die Hände gegangen waren. Ich maß und zeichnete und schnitt die Hölzer zu, auf Fuß und Zoll hatte ich alles abgepaßt; ja, als es nun an das Zusammenfügen und Leimen gehen sollte, war alles verkehrt. Die Wände standen windschief und klafften, die Klappe vorne war zu groß und die Kasten für die Öffnungen zu klein. Ihr könnt das Gemächt noch sehen, ich habe es auf dem Sill stehen lassen, mich vor Versuchung künftig zu wahren, denn es thut dem Menschen immer gut, wenn er eine Erinnerung an seine Schwachheit vor Augen hat.

In diesem Augenblicke ließ sich ein lustiges Wiehern aus dem Pferdestalle gegenüber vernehmen. Der Pferdehändler räusperte sich, spuckte aus, schlug sich Feuer an, blies dem Rezeptor eine starke Dampfwolke in das Gesicht, sah sehnsüchtig nach dem Stalle und dann gedankenvoll vor sich nieder. Hierauf spuckte er nochmals aus, nahm den lackierten Hut vom Kopfe, strich mit dem Arme über die Stirn und sagte: Noch immer eine schwüle Witterung. – Dann schnallte er seine lederne Geldkatze vom Leibe, warf sie mit Getöse auf den Tisch, daß der Inhalt klang und klirrte, lösete die Riemen und zählte zwanzig blanke Goldstücke hin, bei deren Anblick die Augen des Rezeptors zu funkeln anfingen, und nach denen der alte Hofschulze gar nicht hinsah. Hier ist das Geld! rief der Pferdehändler, die Faust geballt auf den Tisch stemmend, krieg' ich die braune Stute dafür? Sie ist, weiß Gott, nicht einen Heller mehr wert.

Dann behaltet Euer Geld, damit Ihr nicht zu Schaden kommt, versetzte der Hofschulze kaltblütig. Sechsundzwanzig, wie ich gesagt habe, und keinen Stüber darunter. Ihr kennt mich nun die Jahre her, Herr Marx, und solltet daher wissen, daß das Dingen und Feilschen bei mir nicht verschlägt, weil ich nie von meiner Sprache abgehe. Ich begehre, was mir eine Sache wert ist und thue niemalen vorschlagen, und so könnte ein Posaunenengel vom Himmel dahergefahren kommen, er kriegte die Braune nicht unter Sechsundzwanzig.

Aber Gott's Sackerlot, schrie der Pferdehändler erbost, aus Fordern und Bieten besteht doch der Handel, und meinen eigenen Bruder überfrage ich, und wenn kein Vorschlagen mehr in der Welt ist, so hört alles Geschäft auf!

Im Gegenteil, erwiderte der Hofschulze, das Geschäft kostet dann weit weniger Zeit und ist schon um deshalb profitlicher, aber auch außerdem haben beide Teile von einem Handel ohne Vorschlagen vielen Nutzen. Ich habe es immer erlebt, daß wenn vorgeschlagen wird, sich die Natur erhitzt und zuletzt niemand mehr weiß, was er redet oder thut. Da läßt denn der Verkäufer, um nur dem Gehader ein Ende zu machen, die Ware oft unter dem Preise, den er im stillen bei sich festsetzte, und der Käufer seinerseits in der Begierde und Brunst des Bietens verthut sich ebenso oftmals. Ist aber gar keine Rede vom Ablassen, dann bleiben beide schön ruhig und wahren sich vor Schaden.

Da Ihr so vernünftig redet, so werdet Ihr meinen Antrag jetzt besser erwogen haben, hob der Rezeptor an. Wie gesagt, die Regierung will alle Korngefälle der Höfe in hiesiger Gegend in Geld umwandeln. Sie hat allein den Schaden davon, denn Korn bleibt Korn, aber Geld ist heut so viel und morgen so viel wert, indessen ist es nun einmal ihr Wille, um der Last des Aufspeicherns quitt zu werden. Ihr thut mir also den Gefallen und unterschreibt diese neue, auf Geld lautende Urkunde, die ich zu diesem Behufe schon mitgebracht habe.

Durchaus nicht, antwortete der Hofschulze eifrig. Es ist ein alter Glaube hier zu Lande, daß, wer seinem Hofe eine Last auflegt, dafür zur Strafe nach seinem Tode auf dem Hofe umgehen muß. Ich weiß nicht, wie es damit beschaffen ist, aber das weiß ich: Vom Oberhofe sind seit vielen hundert Jahren nur Körner an die Gotteszelle gegeben worden, und damit wolle sich also das Rentamt begnügen, wie das Stift sich damit begnügt hat. Wächst Geld auf meinem Acker? Nein. Korn wächst darauf. Woher wollen Sie also das Geld nehmen?

Ihr sollt ja nicht übervorteilt werden! rief der Rezeptor.

Es muß alles beim alten bleiben, sagte der Hofschulze feierlich. Das war noch eine gute Zeit, als die Tafeln mit den Verzeichnissen der Lasten und Abgaben der Bauernschaft in der Kirche hingen. Dazumalen stand alles fest, und kein Gezänk hat sich nimmer darüber begeben, wie neuerdings nur gar zu oft. Hernach hieß es, die Tafeln mit den Hühnern und Eiern und Maltern und Sümmern schadeten der Andacht, und sie wurden hinweggethan. Im Gegenteil, sie hatten immer zu Predigt und Gesang gehört, wie Amen und Segen; ich für mein Teil, wenn ich sie ansah, besonders beim dritten Teile oder der Nutzanwendung, hatte die erbaulichsten Gedanken bekommen, zum Exempel: Überhebe dich nicht, denn da steht geschrieben, wie viel Zinsroggen und Schloßhafer du geben mußt, oder auch so: Wenn du draußen Lasten zu tragen hast, hier im Gotteshause bist du frei, und was dergleichen mehr war. Nun aber, als man auf die leeren Tafeln sah, gingen die Gedanken wandern und suchten nach den Tafeln, und es dauerte geraume Zeit, ehe und bevor die Menschheit wieder recht nach dem Pastor hinhörte.

Er ging in sein Haus. – Das ist ein alter Racker! rief der Pferdehändler, als er seinen Handelsfreund nicht mehr sah, indem er den lackierten Hut verdrießlich wieder auf den Kopf stülpte. Wenn der nicht will, so bringt ihn der Teufel nicht herum. Das Schlimmste ist, daß der Kerl die besten Pferde in der Gegend zieht und sie im Grunde so zu sagen, billig genug losschlägt.

Ein starres, widerhaariges Volk hier zu Lande, sagte der Rezeptor. Ich bin erst vor kurzem aus Sachsen herversetzt und merke den Abstand. Dort wohnen die Leute beisammen, und deshalb müssen sie schon höflich und nachgiebig und bethulich mit einander sein. Aber hier sitzt ein jeder auf seinem Kampe, hat sein Holz, seinen Wiesewachs um sich, als gäbe es sonst nichts in der Welt. Darum halten sie auch auf ihre alten Schnurren und Faxen so steif, die anderwärts überall abgekommen sind. Was für Mühe habe ich schon mit den andern Bauern wegen der dummen Umschreibereien gehabt, aber dieser ist doch der schlimmste.

Das kommt daher, Herr Rezeptor, weil er so reich ist, bemerkte der Pferdehändler. Mich wundert, daß Sie es mit den andern in der Bauerschaft ohne ihn durchgesetzt haben, denn der hier ist ihr General und Advokat und alles, sie richten sich in jeglicher Sache nach ihm. Er bückt sich vor keinem. Vor'm Jahre kam ein Prinz hier durch; wie er den Hut vor dem abnahm, war es wahrhaftig, als wollte er sagen: Du bist der und ich bin der. Der Mistfink! Für die Stute sechsundzwanzig Pistolen haben zu wollen! Aber das ist das Unglück, wenn der Bauer zu viel Vermögen kriegt. Wenn Sie dort durch das Eichholz hindurch sind, gehen Sie eine geschlagene halbe Glockenstunde durch seine Felder. Und alles bestellt, daß es nur so eine Art hat. Ich bin mit meiner Koppel vorgestern durch den Roggen und Weizen geritten, und Gott strafe mich, wenn was anderes als die Köpfe von den Pferden über die Ähren hinübersahen. Ich dachte, ich würde ersaufen.

Woher hat er's denn? fragte der Rezeptor.

O! rief der Pferdehändler, da liegen hier mehrere solcher Höfe herum, man heißt sie Oberhöfe; wenn die nicht manchen Edelmann ausstechen, so will ich nicht Marx heißen. Das Erdreich ist von uralter Zeit zusammengeblieben. Und sparsam und fleißig ist der Nichtsnutz von jeher gewesen, das muß man ihm lassen. Sie sahen ja, wie er sich abäscherte, um nur dem Schmied die paar Groschen Verdienst zu nehmen. Jetzt freit seine Tochter einen andern jungen Geldschlingel; die kriegt mit! Ich bin an der Leinwandkammer durchgegangen, der Flachs und das Garn, das Gebild, die Wäsche und alle mögliche Kramerei ist bis unter die Decke gestopft. Und dazu giebt ihr der alte Schabhals noch bare sechstausend Thaler mit. Blicken Sie nur um sich; ist es nicht hier, als ob man bei einem Grafen wäre?

Während der letzten Reden hatte der verdrießliche Pferdehändler sacht in die Geldkatze gegriffen und den zwanzig Goldstücken, gleichsam gleichgiltig thuend, noch sechs hinzugefügt. Der Hofschulze trat wieder in die Thüre, und der andere sagte brummend, ohne ihn anzusehen: Da liegen die Sechsundzwanzig, weil es einmal nicht anders sein soll.

Der alte Bauer lächelte schalkhaft und sprach: Ich wußte wohl, daß Ihr das Pferd kaufen würdet, Herr Marx, denn Ihr sucht für den Rittmeister in Unna eins zu dreißig Pistolen, und mein Bräunchen paßt Euch dazu, wie bestellt. Ich ging auch nur in das Haus, um die Goldwage zu holen, und konnte vorher sehen, daß Ihr Euch unterdessen besonnen haben würdet.

Der Alte, welcher in seinen Bewegungen bald etwas ungemein Rasches, bald wieder die größte Bedächtigkeit zeigte, jenachdem das Geschäft war, was er trieb, setzte sich an den Tisch, wischte langsam und sorgfältig seine Brille ab, spannte sie über die Nase und fing nun an, die Goldstücke genau zu wägen. Zwei oder drei musterte er als zu leicht aus, worüber der Pferdehändler ein heftiges Gezeter erhob, welchem der Hofschulze schweigend und kaltblütig die Wage in der Hand behaltend, zuhörte, bis der andre statt der verworfenen vollwichtige hervorholte. Endlich war die Sache beendigt, der Verkäufer packte bedächtig das Geld in ein Papier und ging mit dem Pferdehändler nach dem Stalle, um ihm das Pferd zu überliefern.

Der Rezeptor wartete die Rückkunft der beiden nicht ab. Mit solchem Klotz ist nichts anzufangen, sagte er, aber wenn du uns nur nicht so ordentlich auf die Termine bezahltest, wir wollten dich – Er fühlte nach seinen urkundlichen Papieren in der Tasche, merkte an ihrem Knittern, daß sie noch darin seien, und schlich vom Hofe.

Aus dem Stalle traten der Roßkamm, der Schulze und ein Knecht, welcher zwei Pferde, das des Roßkammen und die erkaufte braune Stute hinter sich herführte. Der alte Schulze sagte, indem er die letztere zum Abschiede streichelte: Es thut einem immer leid, wenn man eine Kreatur, die man aufzog, losschlägt, aber wer kann dawider? – Nun, halte dich brav, Bräunchen! rief er und gab dem Thiere einen herzhaften Schlag auf die runden glänzenden Schenkel.

Der Pferdehändler war indessen aufgestiegen und sah mit seiner langen Figur und der kurzen Schoßjacke unter dem breitkrämpigen lackierten Hute, mit seinen erbsengelben Hosen über den dürren Lenden und den hochhinaufreichenden ledernen Gamaschen, mit seinen Pfundsporen und mit seiner Peitsche wie ein Wegelagerer aus. Er ritt, ohne Lebewohl zu sagen, fluchend und wetternd davon, die Braune am Leitzaum nachziehend. Keinen Blick wandte er nach dem Gehöfte zurück, die Braune dahingegen drehte mehrere Male den Hals um und wieherte wehmütig, als wollte sie klagen, daß ihre gute Zeit nun vorüber sei. Der Hofschulze blieb, die Arme in die Seite gestemmt, mit dem Knechte stehen, bis der Zug durch den Baumgarten verschwunden war. Dann sagte der Knecht: Das Vieh grämt sich. Warum sollte es nicht? erwiderte der Hofschulze, grämen mir uns doch auch. Komm auf den Futterboden, wir wollen Hafer messen.

Zweites Kapitel. Rat und Anteil

Inhaltsverzeichnis

Indem er sich mit dem Knechte dem Hause zuwandte, sah er, daß der Platz unter den Linden schon wieder von neuen Gästen eingenommen war. Diese hatten aber ein sehr verschiedenartiges Ansehen. Denn es saßen da drei bis vier Bauern, seine nächsten Nachbarn, und neben ihnen saß ein bildschönes Mädchen. Dieses bildschöne Mädchen war die blonde Lisbeth, welche im Oberhofe genächtigt hatte. 1

Ich werde mich nicht vermessen, ihre Schönheit zu beschreiben; es käme dabei doch nur auf rote Wangen und blaue Augen hinaus, und diese allerliebsten Dinge, so frisch sie sich in der Wirklichkeit halten, sind schwarz auf weiß etwas abgestanden. Es denke sich daher jeder Leser seine jetzige und ehemalige Geliebte, und jede Leserin blicke in den Spiegel oder erinnere sich, wie sie an ihrem Brauttage ausgesehen hat, so wird die Lisbeth vor allen Leuten dastehen, wie sie leibt und lebt.

Der Hofschulze ging, ohne sich vorläufig um die langhaarigen, bekittelten Nachbarn zu bekümmern, auf seinen blühenden Gast zu und sagte: Nun? Gut geschlafen, Mamsellchen?

Prächtig, versetzte Lisbeth.

Was haben Sie denn am Finger? Sie tragen ihn ja verbunden? fragte der Alte.

Nichts, antwortete das junge Mädchen und errötete. Sie wollte eine andere Unterredung anfangen. Der Hofschulze ließ sich aber nicht irren, ergriff ihre Hand, an welcher sie den Finger verbunden trug und rief: Es ist doch nicht schlimm?

Nicht der Rede wert, versetzte Lisbeth. Als ich Eurer Tochter gestern abend nähen half, fuhr mir die Nadel in den Finger, und da hat er geblutet, das ist alles.

Ei! Ei! sagte der Hofschulze schmunzelnd, und wie ich sehe, ist es sogar der Ringfinger; das bedeutet was Gutes. Wissen Sie wohl, daß wenn eine Jungfer einer Braut hilft am Brautlinnen nähen und verwundet sich am Ringfinger, sie noch im nämlichen Jahre auch Braut wird? Nun, ich gratulier' schönstens zum schmucken Freiersmann.

Die Bauern lachten; die blonde Lisbeth ließ sich nicht aus der Fassung bringen, sondern rief fröhlich: Und wißt Ihr auch meinen Spruch, den ich von der Spröden gelernt habe? Er lautet:

So weit der Herr die Lilien kleidet, Und auch die jungen Raben weidet, Geht mein Hab' und Gut; Drum, wer nach mir fragen thut, Der soll thun nach mir fragen Mit vier Pferden vor'm Wagen!

Und – fiel der Hofschulze ein:

Er soll mich fangen, wie die Maus, Und angeln, wie einen Fisch, Und schießen, wie ein Reh –

Ein Schuß fiel in der Nähe. Sehen Sie, Mamsellchen, das trifft zu, rief der Alte.

Laßt jetzt Eure losen Reden, Hofschulze, sagte das junge Mädchen. Ich bin darum bei Euch eingekehrt, um von Euch Rat wegen der Gülten zu bekommen, und den gebt mir also nun auch ohne Scherz und Possen.

Der Hofschulze setzte sich, um zu hören und zu reden in Positur, die Lisbeth zog ein Schreibtäflein heraus und las die Namen der Bauern ab, bei welchen sie in den Tagen zuvor umhergewandert war, um die Rückstände der Zinsen für ihren Pflegevater einzutreiben. Sie erzählte dabei dem Hofschulzen, daß und unter welchen Vorwänden sie sich geweigert hätten, ihre Schuld abzustoßen. Der eine wollte längst bezahlt haben, der andere hatte gesagt, er sei neu auf dem Hofe, der dritte wußte von gar nichts, der vierte hatte gethan, als höre er nicht gut, und so fort, so daß das arme Mädchen, wie ein Vöglein, das bei Winterszeit nach Futter fliegt und kein Körnlein aufzupicken findet, von Thür zu Thür leer abgewiesen worden war. Wer aber glaubt, daß diese vergebliche Mühe sie in Kümmernis gestürzt habe, der irrt; ihr konnte nichts etwas anhaben, sie erzählte ihre beschwerlichen Wanderungen mit heitrem Munde.

Der Hofschulze schrieb mehrere der ihm genannten Namen mit Kreide auf den Tisch und sagte, als sie ihre Liste geschlossen hatte: Was die andern betrifft, so wohnen die nicht bei uns, über die habe ich keine Macht, und wenn sie so schlecht sind, ihre Pflicht und Schuldigkeit zu verleugnen, so streichen Sie die Schelme nur aus, denn mit Prozessen kriegt man nichts vom Bauer. Aber die in unserer Gemarke wohnen, gegen die werde ich Ihnen zu Ihrem Rechte helfen, dazu haben wir noch Mittel.

Oho! sagte einer der Bauern halb laut zu ihm; thut Ihr doch Schulte, als hättet Ihr immer das Strop 2 im Rockärmel bei Euch. Wann soll die Heimlichkeit vor sich gehen?

Schweigt, Baumschulte, denn solche spöttischen Worte möchten Euch zu Schaden werden, versetzte der Alte mit Ernst.

Der Angeredete wurde betreten, schlug die Augen nieder und erwiderte kein Wort. Lisbeth dankte dem Alten für die zugesagte Hülfe und fragte nach den Wegen und Stegen zu den andern, die sie noch in der Schreibtafel hatte. Der Schulze bezeichnete ihr den Pfad zu dem nächsten Hofe über die Pfaffenwiese, an den drei Mühlen vorbei, durch die Hollenberge. Als sie ihren Strohhut aufgesetzt, ihren Stecken genommen, für gute Bewirtung gedankt, und sich solchergestalt zum Gehen gerüstet hatte, bat er sie, bei der Wiederkehr sich so einzurichten, daß sie die Hochzeit über und bis zum zweiten Tage nach derselben im Hofe bleibe, dann hoffe er ihr die Versicherung über die Zinsen oder diese sogar vielleicht selbst zugleich nach Hause mitgeben zu können.

Als die schlanke und edle Gestalt des jungen Mädchens hinter den letzten Wallnußbäumen des Baumgartens verschwunden war, sagte einer der Bauern: Wenn der alte Herr Baron die früher zur Schaffnerin gehabt hätte, so wäre er nicht so heruntergekommen und hätte nicht zu besorgen, daß ihm das Haus einmal über dem Kopfe zusammenstürzt. – Übrigens ist es unrecht, daß sie das Kind allein im Lande herumlaufen lassen.

Daran sehe ich eben kein Unrecht, erwiderte der Hofschulze. Ich habe noch nicht erlebt, daß einem ordentlichen Mädchen Schlechtigkeiten widerfahren wären. Eine reine Jungfer kann unter Räuber und Mörder gehen, unter Gesindel und Betrunkene, sie thun ihr so leicht nichts. Vorigen Herbst, als hier nebenan das Volk auf der Halde im Lager stand, hatte sich meine Tochter bei einem Gange über Feld unter einen marschierenden Trupp verloren. Ja, von niemand war sie angetastet worden; sie hatten sie, weil sie müde geworden war, ganz sauber auf einen von ihren Vorspannwagen gehoben, und so wurde sie hier am Hofe richtig abgesetzt. Ein Frauenzimmer, was die Mannsleute angreifen, pflegt von Hause aus angreifische Ware zu sein.

Die Bauern sprachen jetzt von dem Gegenstande, welcher sie zu dem Hofschulzen geführt hatte. Eine neue Straßenanlage, die mit der großen Chaussee Verbindung stiften sollte, bedrohte sie mit dem Verluste einiger kleinen Wiesenstücke, über welche der Weg notwendig zu legen war, wenn er zu stande kommen sollte. Gegen diesen Verlust suchten sie sich nun, obgleich die Anlage zum Vorteil aller umliegenden Bauerschaften gereichte, auf jede Weise zu schützen; und wie er abzuwenden sein möchte, darüber wollten sie sich bei dem Besitzer des Oberhofes Rats erholen. Wirklich zeigte sich auch der Hofschulze in dieser Angelegenheit sehr eifrig und gab ihnen die besten Mittel und Wege an die Hand, wie sie der Forderung des Staates unter dem Schutze buchstäblicher Vorschriften der Gesetze entgehen oder doch wenigstens das Nachgeben hinzögern könnten. Sie möchten nur sagen, die Stücke seien ihnen ganz notwendig, wenn sie nicht zugrunde gehen sollten, möchten einen übermäßigen Preis auf sie setzen, den und den angehen, welcher in der Sache abzusprechen habe, und welcher, wenn sie ihn recht zu behandeln wüßten, schon ein Zeugnis ausstellen werde, daß die Straße auch anders gelegt werden könne, und was dergleichen mehr war, welches freilich auf eine ganz andere Sinnesweise hinauszulaufen schien, als die wir schon von dem Hofschulzen in seinem Verkehre mit Menschen kennen gelernt haben.

Indessen wurde aus seinem Gespräche mit den Nachbarn klar, daß diese Bauern sich den Heischungen des Staats zum öffentlichen Nutzen gegenüber im Zustande des Krieges glaubten, welcher bekanntlich alle Mittel, die zum Zweck führen, gutheißt. Wir werden schon unsre Frucht einfahren und zum Markte führen können, wie bisher, ohne große Straßen nötig zu haben, und was geht uns alles Übrige an? sagte der Hofschulze im Verlaufe der Unterredung. Mögen sie bauen und graben, was sie wollen, sie sollen uns aber ungeschoren lassen. Wenn es nach denen ginge, so wären wir bald vom Erb, von wegen des gemeinen Nutzens, wie es heißen würde, fügte er hinzu.

Guten Tag, wie geht's? rief eine hier wohlbekannte Stimme. Ein Fußwanderer, ein Mann in anständiger Kleidung, aber von den grauen Gamaschen bis zur grünen Schirmkappe bestaubt, war durch den Thorweg eingetreten und hatte sich dem Tische genähert, ohne von den Redenden anfänglich bemerkt zu werden. Ei, Herr Schmitz, sieht man Sie auch einmal wieder? sagte der alte Bauer sehr freundlich und ließ für den Ermüdeten durch den Knecht das Beste, was sich im Keller befand, herbeiholen.

Die Bauern rückten vor dem neuen Ankömmlinge höflich zusammen. Er wurde zum Sitzen genötigt und bewerkstelligte diese seine Niederlassung mit bedachtsamer Vorsicht, um nicht, was er bei sich trug, zu zerbrechen. In der That war ein solches Verhalten auch notwendig, denn der Mann war bepackt wie ein Lastwagen, und die Umrisse seiner Gestalt glichen einem Konglomerate zusammengeschnürter Ballen. Nicht allein, daß die Rocktaschen mit manchem Runden, Viereckigen, Länglichten befrachtet, in sonderbarer Bauschung weit vom Leibe abstanden, auch Brust- und Seitenbehälter, zu gleichen Zwecken verwendet, bildeten mannigfach geformte Wülste und Erhöhungen, die um so schärfer hervortraten, als der Sammler, um nichts von seinen Schätzen zu verlieren, den Rock ungeachtet der herrschenden Sommerwärme, fest zugeknöpft trug. Selbst das Innere der Kappe hatte zur Aufbewahrung kleinerer Gegenstände dienen müssen und erhielt von diesem Inhalte ein kürbisartiges Ansehen. Er schlürfte den ihm vorgesetzten guten Wein mit sichtbarem Behagen, das ältliche, von Wandern und Hitze aufgedunsene und gerötete Antlitz gewann allmählich seine ihm natürliche Farbe und Form wieder.

Gute Geschäfte gemacht, Herr Schmitz? fragte der Hofschulze lächelnd. Dem Anscheine nach sollte man es glauben.

Es geht noch, versetzte der Sammler. In der lieben Erde steckt ein rechter Segen. Nicht allein Korn und Gewächse bringt sie immerdar hervor und wird nicht müde; auch Altertümer erntet ein aufmerksamer Forscher ihr fortwährend ab, soviel auch danach schon gescharrt und gegraben worden ist. Ich habe denn einmal wieder so mein Gängelchen durch das Land gehalten, kam diesmal bis an die Grenze vom Siegenschen. Nun bin ich auf dem Rückmarsch, will heute noch zur Stadt, mußte aber unterwegs bei Euch, Schulze, mich etwas ausruhen, denn müde ward ich freilich.

Was bringen Sie denn mit? fragte der Hofschulze.

Der Sammler klopfte sacht und freundlich auf alle Erhöhungen und Wülste seiner verschiedenen Taschen und sagte: Ei nun, Liebes und Gutes, allerhand Siebensachen, eine Streitaxt, ein paar Donnerkeile, Kattenringe, prächtig mit grünem Rost überzogen, Aschenkrüglein, Thränenflaschen, drei Götzen und ein paar kostbare Lampen. Dann schlug er mit der umgewendeten Hand an seinen Nacken und fuhr fort: Und ein ganz komplett erhaltenes Stück korinthischen Erzes habe ich mir hier, weil ich sonst keinen andern Platz mehr hatte, hier im Rücken unter dem Rocke festgebunden. Nun, es wird sich denn wohl leidlich machen, wenn es alles erst gesäubert ist und in Reih und Glied steht.

Die Bauern bezeigten ihre Neugier nach einigen der Sachen; der alte Schmitz erklärte sich aber unfähig, dieselbe zu befriedigen, weil die Altertümer so sorgfältig verpackt und mit so ausgeklügelter Benutzung jedes Räumchens eingesenkt seien, daß es schwer halte, die ganze Befrachtung, wenn sie gelöset worden, wieder zu stande zu bringen. Der Hofschulze sagte seinem Knechte etwas in das Ohr; dieser ging in das Haus. Inzwischen erzählte der Sammler ausführlich von dem Fundorte der verschiedenen Erwerbungen, rückte dann seinem Gastfreunde näher und sagte vertraulich: Was aber die allerwichtigste Entdeckung dieser Reise ist, ich habe nun wahr und wahrhaftig den Ort gefunden, wo Hermann den Varus schlug.

Ei, ei, versetzte der Hofschulze und schob seine Mütze hin und her.

Alle sind sie auf dem falschen Wege gewesen, Clostermeier, Schmidt, und wie sie heißen mögen, die darüber geschrieben haben! rief der Sammler feurig. Immer wollten sie den Varus in der Richtung auf Aliso, wovon doch auch noch kein Mensch ausgeforscht hat, wo es eigentlich gelegen – genug aber mitternachtwärts – sich zurückziehen lassen, und demnach sollte die Schlacht zwischen den Quellen der Lippe und Ems, bei Detmold, Lippspringe, Paderborn und Gott weiß wo noch? vorgefallen sein –

Der Hofschulze sagte: Ich glaube, der Varus mußte aus allen Kräften suchen, nach dem Rhein zu kommen, und das konnte er nur, wenn er ins offene Land gelangte. Drei Tage soll die Bataille gedauert haben, darin läßt sich schon ein Stück marschieren, und so bin ich vielmehr der Meinung, daß die Attacke in den Bergen, die unsere Börde einschließen, also gar nicht weit von hier vorgefallen ist.

Falsch! Falsch, Hofschulze! rief der Sammler. Hier unterwärts war alles besetzt und verstopft von Cheruskern, Katten und Sicambrern. Nein, weit mehr nach Mittag ist die Schlacht gewesen, der Ruhrgegend nahe, nicht weit von Arnsberg. Varus mußte sich durch das Gebirg hindurchworgen, er hatte nirgends einen Ausweg, und seine Gedanken standen auf den Mittelrhein, wohin der Weg quer durch das Sauerland geht. So dachte ich es mir immer, so, und jetzt habe ich die untrüglichsten Bestätigungszeichen entdeckt. Dicht an der Ruhr fand ich das korinthische Erz und kaufte die drei Götzen, und da sagte mir ein Mann aus dem Dorfe, daß kaum eine Stunde davon im Walde zwischen den Bergen eine Stelle liege, wo Knochen in ungeheurer Anzahl zwischen dem Sand und Kies aufgeschichtet seien. Hui! rief ich, es wird Tag. Ging mit einigen Bauern hinaus, ließ nachgraben, und siehe da, wir fanden Knochen, wie ich sie nur wünschte. Das ist also der Platz, wo Germanicus sechs Jahre nach der Teutoburger Schlacht die Überreste der römischen Legion bestatten ließ, als er seine letzten Züge wider Hermann machte, und folglich habe ich dort das richtige Schlachtfeld entdeckt.

An die tausend und mehrere Jahre pflegen sich Knochen nicht zu erhalten, sagte der Schulze und bewegte zweifelmütig das Haupt.

Sie haben sich versteinert in den Mineralien dort, sprach der Sammler zorneifrig. Ich muß Euch nur den Glauben in die Hand geben, da ist einer, den ich mitgebracht habe.

Er zog einen großen Knochen aus dem Busen und hielt denselben seinem Widerpart unter die Augen. He, was ist das? fragte er triumphierend.

Die Bauern starrten den Knochen verdutzt an. Der Hofschulze antwortete, nachdem er ihn prüfend betrachtet hatte Ein Kuhknochen, Herr Schmitz. Sie sind auf einen Schindanger gestoßen und nicht auf das Teutoburger Schlachtfeld.

Grimmig steckte der Sammler das bescholtene Altertum wieder an seinen Platz und stieß einige heftige Reden aus, denen der alte Bauer in kräftiger Weise zu begegnen wußte. Es sah daher nach einem Zanke zwischen beiden Männern aus; indessen hatte es damit nicht viel zu bedeuten. Denn es war schon hergebracht, daß sie über solche und ähnliche Dinge aneinander gerieten, wenn sie zusammenkamen. Immer aber blieben sie trotz dieser Streitigkeiten gute Freunde. Der Sammler, der sich das Brot am Munde absparte, um seine Liebhaberei zu befriedigen, pflegte sich das Jahr hindurch wochenlang bei den gefüllten Fleischtöpfen des Oberhofes auszufüttern und half wieder seinerseits dem Gastfreunde mit allerhand Schreibereien in dessen Geschäften; denn er war seines Zeichens ein ehemaliger kaiserlicher geschworener und immatrikulierter Notarius.

Endlich sagte der Hofschulze nach vielem nutzlosen Hin- und Herreden von beiden Seiten: Ich will mit Ihnen über den Wahlplatz nicht streiten, obgleich ich dabei verbleibe, daß Hermann den Varus hier herum geschlagen hat. Es liegt mir überhaupt nicht viel daran, die Sache ist mehr für die Herren Gelehrten, denn wenn der andere römische General sechs Jahre darauf, wie Sie mir oftmalen erzählt haben, schon wieder mit einer Armee in hiesigen Gegenden stand, so hat die ganze Bataille wenig zu bedeuten gehabt.

Davon versteht Ihr nichts, Hofschulze! fuhr der Sammler auf. Auf der Hermannsschlacht beruht das gesamte deutsche Wesen. Wenn Hermann der Befreier nicht gewesen wäre, so säßet Ihr nicht so breit hier zwischen Euren Hecken und Pfählen. Aber Ihr Leute lebt nur von einem Tage zum andern, und Geschichte und Altertümer sind Euch nichts nütze.

Oho, Herr Schmitz, da thun Sie mir doch groß Unrecht! versetzte der alte Bauer stolz. Weiß Gott, was für Plaisir es mir macht, bei Winterszeit die Chroniken und Historienbücher zu lesen, und Sie selbst wissen, daß ich mit dem Schwerte von Carolus Magnus (der Alte sprach die zweite Silbe lang aus), welches nun seit tausend und mehreren Jahren im Oberhofe aufbewahrt wird, umgehe, wie mit meinem Augapfel, folglich ...

Das Schwert Karls des Großen! sagte der Sammler höhnisch. Freund, ist es denn nicht möglich, Euch diese Grillen aus dem Kopfe zu bringen? Hört doch nur –

Und ich sage und behaupte, daß es das echte und aufrichtige Schwert Caroli Magni ist, womit er hier auf dem Oberhofe den Freistuhl gesetzet und eingerichtet hat. Und das Schwert wirket und vollbringet noch heutzutage sein Amt, obgleich davon nicht weiter geredet werden darf. Der Alte sprach diese Worte mit einem Ausdruck in den Mienen und mit einer Gebärde, die etwas Erhabenes hatten.

Und ich sage und behaupte, daß das eitel Thorheiten sind, eiferte der Sammler. Ich habe den alten Flederwisch an die hundert Male untersucht, er hat kein halb Jahrtausend erlebt und rührt vielleicht von der Soester Fehde her, wo ihn ein Reisiger des Erzbischofs, der sich hier in den Büschen verkrochen, mag haben stehen lassen.

Daß dich! rief der Hofschulze und schlug mit der Faust auf den Tisch. Dann murmelte er vor sich hin: Nun warte! Dafür sollst du heute deine Strafe kriegen.

Der Knecht trat aus der Thüre. Er trug ein Gefäß aus gebrannter Erde, von bedeutendem Umfange und fremdartigem Ansehen, es steif und achtsam mit beiden Händen an den Henkeln gefaßt.

Ei Gott! rief der Sammler, als es ihm näher zu Gesichte kam, das ist ja eine prächtige große Amphora! Woher stammt denn die?

Ich habe, versetzte der Hofschulze gleichgiltig, den alten Topf vor acht Tagen in meiner Kiesgrube gefunden, als Grant ausgestochen wurde. Es stand noch mehr des Zeuges umher, was aber die Leute mit den Grabscheiten zerschlagen haben. Der Topf allein ist erhalten worden. Ich wollte doch, daß Sie ihn sähen, da Sie einmal hier sind.

Mit feuchten Blicken betrachtete der Sammler das große, wohlerhaltene Gefäß. Endlich stammelte er: Ist darüber kein Handel zu machen?

Nein, versetzte der alte Bauer kalt, ich will den Topf mir selber aufheben. Er gab dem Knechte einen Wink; dieser wollte die Amphora in das Haus zurücktragen, wurde aber daran von dem Sammler gehindert, welcher, die Augen nicht von dem Gefäße wendend, den Eigentümer mit den mannigfaltigsten und beweglichsten Wendungen anging, ihm den ersehnten Weinkrug abzustehen. Es war indessen alles vergebens; der Hofschulze verblieb den eindringlichsten Bittworten gegenüber in unerschütterlicher Seelenruhe und machte auf diese Weise den unbewegten Mittelpunkt der Gruppe, um welchen die Bauern, die dem Handel mit aufgesperrten Mäulern zuhorchten, der Knecht, der das Gefäß an den Henkeln gefaßt, dem Hause zustrebte, und der Altertümler, welcher dasselbe am unteren Ende festhielt, die aufgeregten Seiten- und Nebenfiguren bildeten. Zuletzt sagte der Hofschulze, daß er Willens gewesen sei, seinem Gaste den Topf, wie so manches früher aufgefundene Stück, zu schenken, weil er selbst seine Freude daran habe, die alten Sachen auf den Brettern der Sammlung an den Wänden ringsherum in Ordnung gestellt zu sehen, daß ihm aber die beständigen Angriffe auf das Schwert Caroli Magni verdrießlich seien, und daß er deshalb auch mit dem Topf seinen Willen behalten wolle.

Kleinlauten Tons versetzte hierauf der Sammler nach einer Pause, daß irren menschlich wäre, daß die Waffen des Mittelalters sich nach den Zeitaltern oft nicht genau unterscheiden ließen, daß er auf diese Überbleibsel sich weniger, als auf Römersachen verstände, und daß allerdings manches an dem Schwerte auf ein höheres, über die Soester Fehde hinausreichendes Alter zu deuten schiene. Worauf der Hofschulze entgegnete, daß ihm dergleichen allgemeine Redensarten nichts frommen könnten, daß er den Zwist und den Zweifel an seinem Schwerte ein für allemal abgethan wissen wollte, und daß es nur ein Mittel gäbe, in den Besitz des alten Topfes zu kommen, nämlich, wenn der Herr Schmitz auf der Stelle eine Schrift von sich gäbe, worin das im Oberhofe aufbewahrte Schwert förmlich für das wahre Schwert Caroli Magni anerkannt würde.

Nach dieser Eröffnung hatte der Altertümler freilich einen harten Kampf zwischen seinem antiquarischen Gewissen und seiner antiquarischen Begierde zu kämpfen. Er warf die Lippe auf und trommelte mit den Fingern auf der Stelle umher, wo er den Knochen vom Teutoburger Schlachtfelde stecken hatte. Sichtlich war sein Bestreben, über die Anmahnungen des ihn zur Unwahrheit verlockenden Gelüstes Herr zu werden. Endlich aber erhielt dennoch die Leidenschaft, wie dies immer zu geschehen Pflegt, die Oberhand. Hastig forderte er Feder und Papier und stellte mit fliegender Eile, zuweilen seitwärts nach der Amphora schielend, ein unumwundenes Bekenntnis aus, daß er nach oftmaliger Besichtigung des Schwertes im Oberhofe solches für das des Kaisers Karls des Großen erkannt und befunden habe.

Diese Urkunde ließ der Hofschulze von den beiden Bauern als Zeugen mit unterschreiben, und steckte dann das Papier, mehrmals zusammengeschlagen, zu sich. Der alte Schmitz aber faßte heftig nach der auf Kosten seines besseren Bewußtseins erkauften Amphora. Der Hofschulze sagte, er wolle ihm den Topf andern Tages nach der Stadt schicken; wie hätte aber ein Sammler wohl jemals auch nur einen Augenblick lang die körperliche Innehabung eines teuer erworbenen Besitzstückes entbehrt? Entschieden lehnte der unsrige jeden Verzug ab, ließ sich eine Schnur geben, zog diese durch die Henkel und hing sich daran das große Weingefäß über die Schulter. Sie schieden demnächst im besten Einvernehmen, nachdem der Sammler noch zur Hochzeit gebeten worden war. Er gewährte mit seinen Winkeln, mit den bauschig abstehenden Rockschößen und der hin- und herwackelnden Amphora an der linken Seite einen abenteuerlichen Anblick, als er von dannen zog.

Die Bauern boten ihrem Ratgeber die Zeit, versprachen, sich seinen Rat merken zu wollen und gingen dann, ein jeder zu seinem Gehöfte. Der Hofschulze, dem im Laufe einer Stunde mit allen Menschen, die sich bei ihm zusammengefunden hatten, jegliches Vornehmen geglückt war, trug erst die erwonnene Anerkennungsurkunde auf die Kammer, worin er das Schwert Caroli Magni verwahrte, dann ging er mit dem Knecht auf den Futterboden, um den Hafer für die Pferde ihm zuzumessen.

Drittes Kapitel. Der Oberhof

Inhaltsverzeichnis

Westfalen bestand aus einzelnen Höfen, deren jeder seinen eigentümlichen und freien Besitzer hatte. Mehrere solcher Höfe machten eine Bauerschaft aus, die gewöhnlich den Namen des ältesten und vornehmsten Hofes führte. Es gründet sich in der ersten Anlage der Bauerschaften, daß der älteste Hof auch der erste im Range bleiben und der vornehmere werden mußte, wo von Zeit zu Zeit die davon ausgegangenen Kinder, Enkel, Hausgenossen zusammenkamen und einige Tage feierten und zechten. Der Anfang oder das Ende des Sommers war die gewöhnliche Zeit dazu, wo jeder Hofbesitzer etwas von seinen gezogenen Früchten und auch wohl ein gutes Stück Vieh zum Bauermahl mitbrachte. Man besprach sich über mannigfaltige Gegenstände und nahm Rücksprache, Heiraten wurden da geschlossen, Todesfälle angezeigt, und der Sohn als eingetretenes Haupt seines väterlichen Erbes erschien dann gewiß mit volleren Händen und ausgesuchterem Viehe bei seinem ersten Eintritt in die Versammlung. An Zwisten konnte es bei solchen Freudentagen nicht fehlen, dann trat der Vater als Haupt des ältesten Hofes in die Mitte und legte mit Einstimmung der Übrigen den Zank bei. Wurden einige Hofbesitzer während der andern Jahreszeit irgend einer Ursache halber uneins, so brachten beide bei der nächsten Versammlung ihre Beschwerde vor, und beide waren damit zufrieden, was ihre Mitgenossen für gut oder recht fanden. War alles aufgezehrt, der zur Feier bestimmte Baum ausgebrannt, so hatte das Fest, die Versammlung, ein Ende. Jeder kehrte dann zurück, erzählte seinen zu Hause schon wartenden Hausgenossen die Begebenheiten des Festes und ward mit ihnen lebendige und stets fortdauernde Urkunde aller Vorfälle ihrer Bauerschaft.

Dergleichen Zusammenkünfte hießen Sprachen, Bauersprachen, weil sämtliche Hofbesitzer einer Bauerschaft um sich zu besprechen, zusammenkamen, und Bauergerichte, weil hier die Irrungen der schon stillschweigend in einen Verein getretenen Männer beigelegt oder zurückgewiesen wurden. Da die Bauersprachen und Bauergerichte beim ältesten oder vornehmsten Hofe gehalten wurden, so hieß solcher Hof auch Richthof, und die Bauergerichte und Bauersprachen auch Hofsprachen und Hofgerichte, welche bis auf heutigen Tag noch nicht ganz verschwunden sind. Der älteste Hof, der Richthof, ward nun im vorzüglichen Sinne Hof genannt, womit man den Haupthof oder Oberhof in der Bauerschaft und dessen Besitzer als das Haupt oder den Hauptmann der Übrigen bezeichnete.

So hätten wir ungefähr die Entstehung von dem ersten Vereine und den ersten Gerichtsanstalten der westfälischen Höfe oder Bauerschaften. Sie kann uns desto weniger befremden, wenn man bedenkt, daß Westfalens ehemalige Gestalt nur eine langsame Bevölkerung und allmählichen Anbau verstattete, und dieses allmähliche Fortschreiten gerade so zu den simpeln und einförmigen Einrichtungen, als zu der gleichen Bildung, Sitte und Gewohnheit führte, die wir bei Westfalens alten Bewohnern antreffen.

* * *

Die Stelle aus Kindlingers Münsterischen Beiträgen führt uns auf den Schauplatz der Handlung. Sie verdeutlicht uns den Helden des letzteren, den Hofschulzen. Er war der Besitzer eines der größten und reichsten Haupt- und Oberhöfe, welche in den dortigen Gegenden, freilich jetzt bis zu geringer Anzahl zusammengeschmolzen, liegen.

Über diese uralten Wehren freier Männer ist der Atem der Zeiten, Marken verrückend und Rechte tilgend, hingefahren. Die anfängliche germanische Genossenschaft, in welche jeder nur eintrat, Leibes und Lebens sicher zu werden, nicht Leib und Leben zu verlieren, ist längst zerstört; der Vasallendienst hat an der Freiheit gerüttelt, und endlich sind die Trümmer eigenartiger Selbständigkeit in den großen Not- und Bergehafen des modernen Staates getrieben worden. In diesem schwimmen sie (um dem Gleichnisse treu zu bleiben), stoßen und prallen an einander an, oder sind auch wohl seitwärts auf das Trockene geworfen. Dort verwittern sie, mit Tang, Flechten und Schneckenhäusern besetzt, nach und nach, während jener Überzug den Schein eines neuen Gebildes fortsetzt.

Aber es ist etwas Merkwürdiges um die ersten Stammerinnerungen, und die Völker haben ein so langes Gedächtnis wie die einzelnen Menschen, denen ja auch die Eindrücke der frühesten Kinderzeit bis in das höchste Alter hinauf getreu zu bleiben pflegen. Erwägt man nun, daß eines Menschen Leben Neunzig währen kann und darüber, daß der Völker Jahre aber Jahrhunderte sind, so ist es weiter nicht zu verwundern, daß in den Gegenden, in welchen sich unsere Geschichte nunmehr begeben hat, manches noch hin und wieder aufstößt, welches nach der Zeit zurückweist, in welcher der große Frankenkaiser die eigensinnigen Sassen mit Feuer und Schwert zu bekehren wußte.

Weckt also die Natur da, wo sonst der oberste Richter und Erbe der Gegend wohnte, wieder einmal besondere Eigenschaften in einem Menschen auf, so kann an den Jahrtausend alten Erinnerungen und zwischen den Grenzen und Gräben, die doch noch erkennbar sind, eine Gestalt erwachsen, wie unser Hofschulze, eine Gestalt, deren Geltung zwar von den Mächten der Gegenwart nicht anerkannt wird, welche aber für sich selbst und bei ihres Gleichen einen längst verschwundenen Zustand auf einige Zeit wieder herstellt.

Doch das klingt für diese Geschichte zu ernsthaft. Sehen wir uns lieber im Oberhofe selbst um! Wenn das Lob der Freude immer ein sehr zweideutiges bleibt, so darf man dagegen dem Neide der Feinde vertrauen, und am glaubwürdigsten ist ein Pferdehändler, der die guten Umstände eines Bauern herausstreicht, mit welchem er nicht des Handels einig werden konnte. Zwar ließ sich von dem Hofe nicht, wie der Roßkamm Marx sagte, behaupten, es sei darin, als ob man sich bei einem Grafen befinde, dagegen nahm man, wohin man blickte, bäurischen Wohlstand und einen Segen wahr, welcher dem hungrigsten Menschen zurufen mußte: Hier kannst du dich mit satt essen, die Schüssel ist immerdar voll.

Der Hof lag ganz allein an der Grenze der fruchtbaren Börde, da wo sie in das Hügel- und Waldland übergeht. Die letzten Felder des Hofschulzen stiegen schon sacht die Anhöhe hinauf, und eine Meile von dort war Gebirg. Der nächste Nachbar der Bauerschaft wohnte eine Viertelstunde vom Hofe. Um diesen breitete sich alles Besitztum, welches eine große ländliche Wirtschaft nötig hat, aus: Feld, Wald, Wiese unzerstückelt, in geschlossenem Zusammenhange.

Von der Anhöhe herab liefen die Felder durch die Ebene, bestens bestellt. Es war aber um die Zeit der Roggenblüte, der Rauch ging von den Ähren und wallte in den warmen Sommerlüften, ein Opfer der Scholle. Einzelne Reihen hochstämmiger Eschen oder knorrichter Rüstern, zu beiden Seiten der alten Grenzgräben gepflanzt, faßten einen Teil der Kornfelder ein und bezeichneten, schon von weitem erkenntlich, die Marken des Erbes, bestimmter, als Steine und Pfähle vermögen. Ein tiefer Weg zwischen aufgeworfenen Erdwällen führte quer durch die Felder, mündete rechts und links an verschiedenen Orten in Seitenpfade aus und führte, wo das Getreide aufhörte, in ein kräftig bestandenes Eichenwäldchen, unter welchem sich erdgelagerte Säue gütlich thaten, dessen Schatten aber auch für den Menschen erquicklich war. Dieser Kamp, welcher dem Schulzen sein Holz lieferte, drang bis wenige Schritte vom Gehöfte vor, umfaßte es von beiden Seiten und gab so zugleich für die Ost- und Nordwinde Schutz.

Nur mit Stroh war das Wohnhaus, welches sich in seinen weiß und gelb angestrichenen Wänden von Fachwerk zweistöckig erhob, gedeckt, aber da diese Bedeckung immer sehr wohl im Stande erhalten ward, so hatte sie nichts Dürftiges, verstärkte im Gegenteil den behaglichen Eindruck, den das Gehöft machte. Das Innere lernen wir schon bei Gelegenheit kennen; jetzt sei nur gesagt, daß auf der andern Seite des Hauses um einen Hof Ställe und Scheunen liefen, an denen auch das schärfste Auge keine schadhafte Stelle an Mauer und Bewurf erspähen konnte. Große Linden standen vor der Hofthüre, und dort, nicht nach der Wandseite zu, waren auch, wie wir schon erfahren haben, die Ruhesitze angebracht. Denn der Hofschulze wollte, selbst wenn er rastete, seine Wirtschaft im Auge behalten.

Gerade dem Wohnhause gegenüber sah man durch ein Gitterthor in den Baumgarten. Dort breiteten starke und gesunde Obstbäume ihre belaubten Zweige über frischem Graswuchs, Gemüse- und Salatstücken aus: hier und da ernährte ein schmales Beet dazwischen rote Rosen und gelbe Feuerlilien. Doch waren solcher Beete nur wenige. In einer echten Bauerwirtschaft bleibt der Boden dem Bedürfnisse gewidmet, selbst wenn dem Eigentümer seine Umstände Luxus mit der Natur verstatten. Deshalb haben wir in solchen Höfen eine Empfindung froher Ruhe aller Sinne, wie sie Prachtgärten, Parks und Villen nicht zu erregen vermögen. Denn das ästhetische Landschaftsgefühl ist schon ein Produkt der Überfeinerung, weshalb es denn auch nie in eigentlich robusten Zeiten auftritt. Diese halten vielmehr die Stimmung zur Mutter Erde, als zu der Allernährerin fest, wollen und verlangen nichts von ihr, als die Gabe des Feldes, der Viehweide, des Fischteiches, des Wildforstes.

So weit das Auge über den Baumgarten hinausblickte, sah es auch nur Grün. Denn jenseits des Gartens lagen die großen Wiesen des Oberhofes, auf welchem der Schulze Raum und Futter für seine Pferde besaß. Ihre Zucht, mit Fleiß betrieben, gehörte zu den einträglichsten Nahrungsquellen des Erbes. Auch diese grünen Grasflächen waren von Hecken und Gräben umschlossen: eine derselben faßte einen Weiher ein, in welchem ausgefütterte Karpfen zugweise umherschwammen.

Auf diesem reichen Hofe zwischen vollen Scheuern, vollen Böden und Ställen hantierte der alte, weit und breit angesehene Hofschulze. Bestieg man aber den höchsten Hügel, zu dem sich seine Felder hinauf eistreckten, so erblickte man von dort die Thürme dreier der ältesten Städte Westfalens.

Es ging zu der Zeit, von welcher ich rede, auf elf Uhr vormittags, und der ganze weitläufige Hof war so still, daß sich fast nur das Rauschen der Lüfte in den Baumwipfeln des Kamps vernehmen ließ. Der Schulze maß dem Knechte Hafer zu, womit dieser, den Sack über der Schulter, langsamen Schrittes nach dem Pferdestalle ging, die Tochter zählte in der Linnen- und Garnkammer ihre Ausstattung nach, eine Magd besorgte die Küche. Was sonst von Menschen im Hofe lebte, lag und schlief, denn es ging gegen die Ernte, in welcher Zeit es bei den Bauern am wenigsten zu thun giebt, und die Arbeiter jede Minute zu benutzen pflegen, um gewissermaßen auf Rechnung der herannahenden schweiß- und mühevollen Tage im Voraus zu schlafen. Überhaupt können die Landleute, wie die Hunde, zu allen Stunden bei Tage und bei Nacht schlafen, wann sie wollen.

Viertes Kapitel. Worin der der Jäger einem Menschen, Namens Schrimbs oder Peppel, einen Begleiter nachsendet und selbst auf den Oberhof kommt

Inhaltsverzeichnis

Aus den Hügeln, welche die Felder des Hofschulzen begrenzten, traten zwei Männer von verschiedenem Ansehen und Alter. Der eine, im grünen Jagdkollet, die kleine Mütze über das lockige Haupt geworfen, die leichte Lütticher Flinte im Arme, war ein blühend schöner Jüngling, der andere, in stillere Farben gekleidet, ein ältlicher Mann von treuherziger Miene. Der Jüngere schritt rasch wie ein Edelhirsch dem Älteren voran, der seines Orts mehr den langsamen Gang eines ausgedienten, aber dem Herrn noch stets anhänglich nachschleichenden Jagdhundes hatte. Als sie auf einen freien Platz vor den Hügeln getreten waren, setzten sie sich auf einen großen Stein, der dort nebst mehreren andern lag, im Schatten einer mächtigen Linde. Der Jüngere gab dem Alten Geld und Schriften, deutete ihm die Richtung an, in welcher er nun seinen Weg fortsetzen müsse, und sagte zu ihm: Jetzt Jochem, geh und sei gescheit, daß wir des vermaledeiten Schrimbs oder Peppel habhaft werden, der solche abscheuliche Lügen ausgedacht hat. Und sobald du ihn entdeckt hast, gieb mir Nachricht.

Ich werd' gescheit sein, erwiderte der alte Jochem. Ich frage immer so sacht und unter der Hand in den Flecken und Städten nach einem, der sich Schrimbs oder Peppel schreibt, und es müßte mit dem Henker zugehen, wenn ich den Gauch nicht ausfindig machen wollte. Sie halten sich derweilen incognito verborgen, bis Sie von mir ein Weiteres vernehmen.

Wohl, sagte der junge Mann, und nur immer äußerst vorsichtig und bedachtsam gehandelt, Jochem, denn wir sind nicht mehr im lieben Schwabenland, sondern dahaußen unter Sachsen und Franken.

Die wüsten Kerl! versetzte der alte Jochem. Sie haben halt lang von Schwabenstreichen gesprochen, sie sollen verspüren, daß der Schwab auch ein feiner Vogel sein kann, wann's Not thut.

Immer rechts dich gehalten, mein Jochem, denn dahin weisen die letzten Spuren von dem Schrimbs oder Peppel, sagte der junge Mann, indem er aufstand, und dem Alten zum Abschied herzlich die Hand schüttelte. Immer rechts, versteht sich, erwiderte dieser, gab dem Andern die vollgestopfte Waidtasche, die er bis jetzt getragen hatte, lüftete den Hut und ging dann zwischen den Kornfeldern einen Seitenpfad rechts nach der Gegend zu hinab, wo man in der Ferne eine der im vorigen Kapitel angedeuteten Turmspitzen ragen sah.

Der junge Mann mit der Jagdflinte ging dagegen gerade gegen den Oberhof hinunter. Er mochte etwa hundert Schritte weit gegangen sein, als er etwas keuchend hinter sich herkommen hörte und, sich umdrehend, sah, daß sein alter Begleiter ihm folgte. Ich wollte Sie noch um eins gebeten und ersucht haben, rief dieser, thun Sie, da Sie nun allein und sich selbst überlassen sind, das Schießgewehr von sich, denn Sie treffen doch nichts und richten, weiß Gott, noch einmal ein Unglück an, wie neulich schon beinahe geschehen wäre, da Sie nach dem Hasen zielten und beinahe das Kind niedergeschossen hätten.

Ja, es ist verwünscht, immer zu zielen und nimmer zu treffen! rief der junge Mann. Ich will mich auch wahrhaftig überwinden, so schwer es mir fallen wird, denn du weißt ja, daß es mir von meiner seligen Mutter anklebt, allein ich will mich, wie gesagt, überwinden, und es soll kein Schrotkorn aus diesen Läufen fliegen, so lange ich von dir entfernt bin.

Der Alte bat ihn um das Gewehr. Dessen aber weigerte sich der junge Mann, indem er sagte, daß es ohne Gewehr ja gar keine Überwindung koste, das Schießen zu lassen, und seine Handlungsweise dann alles Verdienst einbüße. Das ist auch wahr, erwiderte der Alte und ging nun getrost, ohne einen zweiten Abschied zu nehmen, da der erste noch vorhielt, seine ihm angewiesene Straße zurück. Der junge Mann blieb stehen, setzte das Gewehr auf den Boden, stieß den Ladestock in den Lauf und sagte: Es wird hart halten, den Schuß herauszubringen, und er darf doch nicht darin bleiben. Dann warf er es wieder über die Schulter und schritt auf den Eichenkamp des Hofschulzen zu.

Dicht vor demselben von einem schmalen Raine ging eine Kette Feldhühner mit schmetterndem Flügelschlage und Geschrei auf. Jauchzend riß der junge Mann das Gewehr von der Schulter, rief: Da werde ich ja gleich der Schüsse quitt! schlug an, es knallte zweimal aus dem Doppelgewehre, die Vögel flogen unversehrt davon, der Jäger sah betroffen ihnen nach, sagte, diesmal, meinte ich, müßte ich was getroffen haben, nun will ich mich aber gewiß überwinden; und setzte seinen Weg durch das Eichenwäldchen nach dem Hofe fort.

Als er zur Thüre eintrat, sah er in einem geräumigen, hohen Flure, welcher den ganzen mittleren Teil des Hauses einnahm, den Hofschulzen mit Tochter, Knechten und Mägden bei dem Mittagsessen sitzen. Er bot mit seiner sonoren, wohlklingenden Stimme freundlichen Gruß; der Hofschulze sah ihn achtsam, die Tochter verwundert an; was die Knechte und Mägde betrifft, so sahen ihn diese gar nicht an, sondern aßen, ohne seiner zu achten, weiter. Der Jäger trat zu dem Hofwirte und erkundigte sich nach der Entfernung der nächsten Stadt und dem Wege dahin. Anfangs verstand der Schulze diese ihm fremdklingende Sprache nicht, die Tochter aber, welche kein Auge von dem schönen Jäger verwandte, half ihm den Sinn entdecken, und er gab darauf richtigen Bescheid. Diesen verstand wieder der Jäger seinerseits erst nach dreimaligem Fragen, brachte aber endlich doch heraus, daß die Stadt auf dem schwer zu findenden Fußwege unter zwei starken Stunden nicht zu erreichen sei.

Die Mittagshitze, der Anblick des vor ihm stehenden reinlichen Mahls und sein eigener Hunger riefen dem Jäger die Frage auf: ob er nicht hier für Geld und gute Worte Essen und Trinken und bis zur Abendkühle Obdach erhalten könne? – Für Geld nicht, versetzte der Hofschulze, für ein gutes Wort aber Mittagsessen und Abendbrod dazu und Rast, so lange es dem Herrn beliebt; ließ einen spiegelblanken zinnernen Teller, Messer, Gabel und Löffel, ebenso blank wie der Teller, aufsetzen und nötigte den Gast zum Sitzen. Dieser sprach dem kräftigen gekochten Schinken, den großen Bohnen, den Eiern und Würsten, woraus die Mahlzeit bestand, mit allem Appetite der Jugend zu, und fand, daß die weit und breit als böotisch verschrieene Landeskost gar nicht so übel sei.

Geredet wurde von den Wirten wenig, denn der Bauer spricht während des Essens nicht gern, doch erfuhr der Jäger von dem Hofschulzen auf Befragen, daß hier herum in der ganzen Gegend kein Mensch, namens Schrimbs oder Peppel, bekannt geworden sei. Die Knechte und Mägde, welche gesondert von den Herrenplätzen am anderen Ende der langen Tafel saßen, waren ganz stumm und blickten nur auf die Schüssel, aus welcher sie mit ihren Löffeln die Speise zum Munde führten.

Nachdem sie aber abgegessen und sich die Mäuler gewischt hatten, trat eines nach dem andern vor den Herrn und sagte: Baas 3, meinen Spruch. Der Hofschulze teilte hierauf jedem eine sprichwörtliche Redensart oder eine Bibelstelle mit. So sagte er zum ersten Knechte, einem rothaarigen Kerl: Jach sein zum Hader, zündet Feuer an, und jach sein zu zanken, vergießt Blut; zum zweiten, einem dicken, langsamen Menschen: Gehe hin zur Ameise, du Fauler, sieh ihre Weise an und lerne; zum dritten, einem kleinen schwarzäugigen verwogen blickenden Gesellen: Besser ein Sperling in der Hand, als ein Reiher auf dem Dache. – Die erste Magd empfing den Spruch: Hast du Vieh, so warte sein, und trägt dir's Nutzen, so behalte es; und zur zweiten sagte er: Es ist nichts so fein gesponnen, es kommt endlich an die Sonnen.

Nachdem jeder auf solche Weise bedacht worden war, gingen alle zu ihren Arbeiten, der eine gleichgültig, der andere betroffen aussehend. Die zweite Magd war von ihrem Spruche blutrot geworden. Der Jäger, welcher allgemach den ortüblichen Dialekt verstehen lernte, hatte diesem Unterrichte mit Erstaunen zugehört und fragte nach dessen Beendigung, was er bezwecke?

Daß sie darüber nachdenken, sagte der Hofschulze. Wenn sie heute abend hier wieder zusammenkommen, so sagen sie mir, was sie sich bei den Sprüchen gedacht haben. Die meiste Arbeit auf dem Lande ist derart, daß die Leute nebenbei noch allerhand Gedanken haben können, und da fallen ihnen denn alle die schlechten Sachen ein, die hernachmals in Liederlichkeit, Lug und Trug ausbrechen. Beim Pferdefüttern denken sie, wie sie Hafer auf die Seite bringen können, und wenn die Magd die Kuh melkt, so steht ihr immer der Liebste vor Augen. Kriegt aber der Mensch so einen Spruch auf zu raten, so ruht er nicht ehender, als bis er die Moral davon heraus hat, und derweile ist die Zeit vergangen, ohne daß ihm etwas Übles in den Sinn kam.

Ihr seid ja ein wahrer Weltweiser und Priester! rief der Jäger, dessen Verwunderung hier mit jedem Augenblicke zunahm.

Es läßt sich viel mit dem Menschen ausrichten, wenn man ihm die Moral beibringt, sagte der Hofschulze bedächtig. Die Moral steckt aber in kurzen Sprüchen besser, als in langen Reden und Predigten. Meine Leute halten sich viel länger, seitdem ich auf die Moral verfallen bin. Freilich das ganze Jahr hindurch geht es mit den Sprüchen nicht; während der Bestellzeit und in der Ernte hört alles Nachdenken auf. Da thut es aber auch nicht not, denn sie haben zu Schlechtigkeiten keine Zeit.

Ihr macht also förmliche Abschnitte in Eurem Unterrichte? fragte der Jäger.

Bei Winterszeit gehen die Sprüche gemeiniglich nach dem Dreschen an und dauern bis zum Säen, versetzte der Hofschulze. Im Sommer aber werden sie von Walpurgis bis gegen die Hundstage zugeteilt. Das sind die Zeiten, wo es bei dem Bauer am wenigsten zu verrichten giebt.

Der Jäger erkundigte sich, was für eine Bewandtnis es mit dem Rotwerden des einen Mädchens gehabt habe, und erhielt darauf folgende Antwort: Die hat etwas auf dem Gewissen, und in solchen Fällen ist es meine Manier, einen Spruch anzubringen, worauf das räudige Schaf sieht, daß ich um den Fehler weiß. Wir wollen abwarten, ob es bis heute abend gewirkt haben wird.