Die Zufällige - Ali Smith - E-Book

Die Zufällige E-Book

Ali Smith

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Beschreibung

Eine englische Familie macht Ferien in einem Sommerhaus in Norfolk. Der Vater Michael, ein Literaturprofessor, trifft sich wie gewohnt mit Studentinnen. Die Mutter Eve, eine erfolgreiche Autorin, versucht, ihre Schreibblockade zu überwinden. Die Kinder Magnus und Astrid leben in ihrer eigenen abgeschotteten Welt. Bis plötzlich Amber auftaucht, eine geheimnisvolle, charismatische Fremde, und das Leben dieser ganz normalen neurotischen Familie gehörig durcheinanderbringt.

Ausgezeichnet mit dem Whitbread Award für den besten Roman.

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Seitenzahl: 429

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Ali Smith

Die Zufällige

Roman

Aus dem Englischen

von Silvia Morawetz

Buch

Eine englische Familie macht Ferien in einem Sommerhaus in Norfolk, wie immer. Der Vater Michael, ein Literaturprofessor, trifft sich ab und zu in der Stadt mit Studentinnen. Die Mutter Eve, eine erfolreiche Autorin, versucht, ihre Schreibblockade zu überwinden. Der 17-jährige Magnus verkriecht sich, weil er glaubt, am Selbstmord einer Mitschülerin schuld zu sein. Die 12-jährige Astrid beschäftigt sich mit ihren Gedanken und sieht sich das Leben durch ihre Digicam an. Alles ganz normal also – bis plötzlich Amber auftaucht, barfuß, geheimnisvoll, charismatisch. Keiner kennt sie, aber jeder denkt, sie sei eine Freundin der anderen. Man fragt nicht nach, man ist ja so cool. Und Amber, die eigentlich Alhambra heißt, nach dem Kino in einem fernen Land, in dem sie gezeugt wurde, lügt sich ihren Weg in die Familie hinein. Sie ist exotisch, ungewöhnlich, unübersehbar. Sie wirft Astrids Digicam weg, verführt Magnus, sagt Michael die Meinung und küsst Eve auf den Mund. Sie bringt das feste Gefüge der aneinander vorbeilebenden durchschnittsneurotischen Familie ins Wanken, und als sie wieder verschwindet, ist jeder der vier ein anderer geworden.

Autorin

Ali Smith wurde 1962 in Inverness in Schottland geboren und lebt heute in Cambridge. Sie hat bisher drei Romane und vier Erzählbände veröffentlicht und schreibt regelmäßig für verschiedene Zeitungen. Sie stand bereits zweimal auf der Shortlist des Booker Prize und einmal auf der Shortlist des Orange Prize. Für »Die Zufällige« wurde sie 2006 mit dem Whitbread Award für den besten Roman ausgezeichnet.

Die Originalausgabe erschien 2005 unter dem Titel »The Accidental« bei Hamish Hamilton, London.

Das Zitat von Jane Austen stammt aus: Austen, Jane, Emma, Übers., Nachw. u. Anm.: Grawe, Christian; Grawe Ursula. © 1980 by Philipp Reclam jun. GmbH & Co., Stuttgart

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1. Auflage Genehmigte Taschenbuchausgabe April 2009, btb Verlag in der Verlagsgruppe Random House GmbH, München Copyright © der Originalausgabe 2005 by Ali Smith Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2006 by Luchterhand Literaturverlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH Umschlaggestaltung: semper smile, München Umschlagbild: © Maike Klein/buchcover.com Satz: Greiner & Reichel, Köln CP · Herstellung: BB

eISEN 978-3-641-19716-2V001

www.btb-verlag.de

www.randomhouse.de

Für Philippa Reed große Hoffnungen

Inuk Hoff Hansen weit weg so nah

Sarah Wood die Zauberin bei uns

Inhaltsverzeichnis

Buch und AutorinCopyrightWidmungDer AnfangMitteDas EndeDanksagung

Zwischen der Erfahrung, ein normales Leben auf der Erde zu führen, wie sie hier und heute ist, und den bekannten Erzählungen, die als Mittel zur Sinngebung dieses Lebens im Angebot sind, liegt ein unausgefüllter Raum, eine gewaltige Kluft.

– John Berger

Oberflächlicher Konformismus ist kein Zufall, sondern eine Folge dessen, was Marxisten optimistisch Spätkapitalismus nennen.

– Nick Cohen

Die ganze Geschichte löste sich bald mehr oder minder in Wohlgefallen auf, außer für Emma und ihre Neffen: In ihrer Phantasie spielte sie weiterhin eine Rolle, und Henry und John baten sie täglich wieder, die Geschichte von Harriet und den Zigeunern zu erzählen, und korrigierten sie hartnäckig, wenn sie auch nur im kleinsten Detail von der ursprünglichen Erzählung abwich.

– Jane Austen

Vieles vermögen die Sterblichen, wenn sie es gesehen, zu erkennen, indessen ehe denn man sah, ist keiner ein Sehender des Kommenden.

– Sophokles

Mein Künstlertum ist wenig feierlich.

– Charlie Chaplin

Meinen Anfang machte meine Mutter eines Abends 1968 an einem Tisch in dem Café des einzigen Kinos der Stadt. Ein paar Stufen weiter oben, hinter dem fadenscheinigen roten Samt des Logenvorhangs, gähnte die Platzanweiserin, ließ ihre ausgeschaltete Taschenlampe locker baumeln, beugte sich, auf die Ellbogen gestützt, über das Geraschel und Geknutsche in der hinteren Reihe, pulte an dem Holz der Trennwand und schnipste kleine Splitter davon auf die im Dunkeln sitzenden Kleinstadtköpfe. Der Film auf der Leinwand vor ihnen war Geküsst und geschlagen mit Terence Stamp, einem Schauspieler von solcher Numinosität, dass meine Mutter – jung, schick, schlank und anmaßend –, die den Film in der Woche schon zum dritten Mal gesehen hatte, aufstand, woraufhin der Sitz hinter ihr mit dumpfem Laut hochklappte, sich an den Beinen der Leute in ihrer Reihe vorbeizwängte, durch den schmuddeligen Gang dem Ausgang zustrebte und durch den Vorhang ins Licht hinaustrat.

Das Café war bis auf den Knaben, der Stühle auf die Tische stellte, leer. Wir schließen, sagte er zu ihr. Meine Mutter, noch blinzelnd nach dem Dunkel, bahnte sich einen Weg durch die abgewetzten roten Stühle. Sie nahm ihm den Stuhl, den er gerade hielt, aus der Hand, und legte ihn, immer noch verkehrt herum, auf den Boden. Stieg aus ihren Schuhen. Knöpfte ihren Mantel auf.

Hinter der Kasse drehten die umspülten Orangen in dem Orangensaftbereiter ihre Kreise, und der Bodensatz am Grunde des Tanks stieg hoch und ging wieder nieder, stieg hoch und ging nieder. Die Stühle auf den Tischen reckten ihre Beine in die Luft, die über den Teppich verstreuten Kuchenkrümel warteten passiv auf die Staubsaugerdüse. An der großen, zur Straße hinausführenden Haupttreppe, die meine Mutter in ein paar Minuten hinabstieg, die Nylonstrümpfe zu einem warmen Knäuel zusammengerollt in der Manteltasche, die Schuhe an den Fesselriemchen in der Hand schwenkend, lächelten in dem grellen, die Treppe ins Dunkel tauchenden Licht Julie Andrews und Christopher Plummer aus ihren Rahmen heraus, nicht anders, als sie es, verblichen in ihrem Glanz und schon seit einem Jahrzehnt aus der Mode, fünf Jahre später immer noch taten, als der junge Vorführer (aus einem Job gedrängt, den er sicher zu haben glaubte; das Management hatte einen neuen Vorführer aus der Stadt eingestellt, nachdem der alte gestorben war) das Gebäude mit einer Dose Kreosot und dem Zigarettenstummel, den er auf den Boden warf, in Brand steckte.

Die teuren Balkonplätze, auf denen das Rauchen verboten war? In Rauch aufgegangen. Die durchgesessenen, nach Leder riechenden Plätze im Sperrsitz? Für immer dahin. Die Samtvorhänge, der Kandelaber aus Glas, rund wie eine Schüssel? Verwehte Asche, ein Gefunkel aus winzigen zerbrochenen Scherben auf dem Boden lokaler Geschichte. Die Zeitungen tags darauf waren eisern: ein Unfall. Der Mann, dem das Kino gehörte, ließ sich von der Versicherung den Schaden erstatten und verkaufte den zerstörten Bau an einen Mitnahme-Markt mit dem eher phantasielosen Namen Mackay’s Mitnahme-Markt.

In jener Nacht im Jahre 1968 aber dröhnten in dem fast geschlossenen Café die Stimmen hinter den Wänden noch von moderner Liebe. Die Musik erhob sich noch von irgendwoher. Kurz vor der Szene, als das Gesindel Terence Stamp kriegt und ihn dahin schafft, wohin er gehört, hatte sie ihre Beine hinter seinem Rücken verschlungen, und mein Vater hatte sich überrascht stöhnend in sie geschoben und sie mit buchstäblich einer Million Möglichkeiten beschenkt, von denen sie sich nur für eine entschied.

Hallo.

Ich bin Alhambra, benannt nach dem Ort meiner Empfängnis. Glauben Sie mir. Alles ist so gewollt.

Von seiten meiner Mutter: ein Anschlag auf die Anständigkeit; der Einsatz des Geheimnisvollen; wie kriege ich das, was ich will. Von seiten meines Vaters: wie setze ich mich ab, wie stelle ich es an, dass ich gar nicht existiere.

Der Anfang