Flirt-Angriff - Birgit Hasselbusch - E-Book

Flirt-Angriff E-Book

Birgit Hasselbusch

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Beschreibung

Wie cool ist das denn?! Mia und Jette reisen allein mit der Bahn zu Jettes Liebstem Claude nach Südfrankreich! Doch was den Eltern als Sommersprachkurs verkauft wurde, entpuppt sich für die beiden handballbegeisterten Freundinnen als echtes Abenteuer. Denn bereits im Zug von Hamburg nach Paris werden ihnen die Tickets, die Handys und das Geld geklaut. Ab jetzt gilt: Improvisieren und diverse Flirt-Angriffe abwehren! «Ein lustiges Buch über das Gefühlschaos zwischen Handballfeld und erster Liebe.» «Die Welt» zu «Ein guter Fang»

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Seitenzahl: 222

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Birgit Hasselbusch

Flirt-Angriff

Rowohlt Digitalbuch

Inhaltsübersicht

Voyage, voyage! Kommt ein Brieflein geflogenAu revoir l’AllemagneVive la France – Volltreffer FrankreichTour d’amourCharmant und abgebranntVoilà: ein Job à la carteEin Malheur kommt selten alleinWillkommen – bienvenu – au revoirBall und bisousBonjour mon amour – eine gefährliche LiaisonRendezvous am RastplatzLa plage und andere PlagenFlirt-FinaleExküssez-moiTout est bien qui finit bien – Ende gut, alles gut!
[zur Inhaltsübersicht]

Voyage, voyage! Kommt ein Brieflein geflogen

So stark haben ihre Hände nicht einmal gezittert, als sie neulich den wichtigen Siebenmeter geworfen hat. Aber jetzt beben Jettes Hände, und sie lässt beinahe den Brief fallen. «Mia, Mia, er hat geschrieben!», ruft Jette freudestrahlend und sprintet quer durch die Handballhalle, in der unsere weibliche C-Jugend des TSV Alsterberg gerade trainiert.

«Ach nee, das Fräulein Rosenberg!», schallt Helgas General-Stimme über das Spielfeld. «Seit wann läufst du denn so schnell? Außerdem bist du viel zu spät. Das macht 50 Cent für die Mannschaftskasse.»

Jette beachtet ihre Trainerin nicht, sondern steuert auf mich zu. Ich bekomme genau in diesem Moment einen Ball von meiner Linksaußen-Konkurrentin Jana an den Kopf. «Aua!», rufe ich mit verzerrtem Gesicht, aber Jette fegt das mit einer Handbewegung weg.

«Mann, Mia. Ich habe wochenlang Herzschmerzen gehabt, da wirst du ja wohl so eine Beule am Kopf abkönnen. Aber jetzt hat er geschrieben!»

Ich schaue wie ein Fragezeichen. «Wer?», frage ich dümmlich.

«Ach, du kleine Maus. Bekommst einmal einen Ball an den Kopf, und schon sind all deine Gehirnzellen futschikato!» Jette wedelt mit dem Brief vor meinen Augen herum. «Lui!»

Lui ist französisch und bedeutet auf Deutsch er. Und plötzlich fällt bei mir der Cent. «Ehrlich? Claude hat geschrieben? Was denn? Wann denn? Wo denn?»

Jette kichert wild drauflos. «Ganz ruhig, Mia. Ich bin in Claude verliebt, nicht du!»

Und wie recht sie damit hat. Vor gut einem Jahr hatten wir Claude und weitere Franzosen bei einem Handballturnier an der Ostsee kennengelernt. Die sonst so unabhängige Jette war daraufhin weich wie Butter geworden. In Gesprächen mit ihr fehlten folgende Worte nie: «Claude», «Frankreich» und «Claude aus Frankreich». Unser Französischlehrer war extrem erstaunt, weil sie plötzlich nicht mehr ihre berühmt-berüchtigten genervten Grimassen im Unterricht zog, sondern zur Megastreberin mutierte. Auffällig war allerdings, dass Jette sich hauptsächlich Begriffe merkte wie «Coup de foudre» – Liebe auf den ersten Blick – oder aber «Je t’adore, mon chouchou» – ich begehre dich, mein Liebling. Zugegebenermaßen verdrehe ich oft die Augen, weil mir Jette mit ihrem ganzen Claude-Getue etwas auf die Nerven geht, andererseits darf ich mich nicht allzu sehr beschweren, da Jette vermutlich genauso sehr die Augen verdreht, wenn ich von Matti schwärme. Mit Matti bin ich auf demselben Turnier zusammengekommen. Als ich eigentlich in Jan verknallt war, woran ich nicht sonderlich gern erinnert werde. Zum einen, da Jan seitdem ungefähr schon dreißig neue Freundinnen hatte, während Matti und ich weiter ein Herz und eine Seele sind. Matti habe ich es auch zu verdanken, dass Jette überhaupt noch mit mir spricht. Damals war ich nämlich eine echte Giftzecke und megafies zu Jette. Aber Matti hat mich mit ein paar Notlügen aus dem Schlamassel gerettet und alles wieder geradegebogen. Und ihn habe ich wenigstens ständig um mich, während Jettes große Liebe 1200 Kilometer von Hamburg entfernt in Lyon wohnt.

Und er hat nun endlich geschrieben. Ich freue mich wahnsinnig für Jette, um ehrlich zu sein auch deswegen, weil meine Freundin in den vergangenen Wochen unausstehlich war, als sie dachte, Claude wolle nichts mehr von ihr wissen.

«Siehst du, sage ich doch, dass er sich meldet», jubele ich.

Jette hat ganz rote Wangen. «Hätte ja sein können, dass irgendeine Clémentine, Florence oder Géraldine ihn mir weggeschnappt hat.»

«Non! Er will nur disch, Jetté», gebe ich lachend mit übertriebenem Akzent zurück.

«Was ist denn hier für eine Aufregung?», mischt sich Marie ein, die in unserer Mannschaft im Rückraum spielt.

«Claude hat geschrieben, weißt du noch, der vom Turnier am Weißenhäuser Strand.»

Marie nickt heftig, und auch die blöde Zicke Jana, die mir gerade den Ball an den Kopf geworfen hat, kommt näher.

«Was soll das denn sein?», fragt sie und zeigt auf den Brief. «Der Typ scheint ja hinterm Mond zu leben. Wer schreibt denn heutzutage noch Briefe auf Papier? Und dann noch mit der Hand.»

Jette schenkt ihr einen verächtlichen Blick. «Er ist halt ein Romantiker. Davon hast du natürlich noch nie was gehört! Mit dir machen deine Freunde ja auch immer per SMS Schluss.»

Erwähnte ich bereits, dass Jana nicht zu unseren allerbesten Freundinnen gehört?

Während die halbe Mannschaft über dem Brief hängt und das Bällewerfen eingestellt hat, naht von hinten Unheil.

«Sag mal, sehe ich richtig? Erst zu spät kommen und dann die anderen noch vom Training abhalten. Jette, es reicht. Zehn Strafrunden für dich. Und Mia läuft gleich mit! Aber ohne Gequatsche.» Wenn Helga so miese Laune hat, sollte man möglichst tun, was sie verlangt. Sonst könnte es auch passieren, dass sie uns Mädchen Stubenarrest aufbrummt.

Jette und ich trotten los und grinsen uns dabei verschwörerisch zu. Denn Helga ist mit ihren gut 80 Jahren glücklicherweise leicht schwerhörig und merkt nicht, dass hinter ihrem Rücken sehr wohl gequatscht wird.

«Was hat er denn nun genau geschrieben?» Ich platze bald vor Neugierde.

«Dass ich ihn besuchen soll!»

«Waaas?», schreie ich so laut, dass es auch die Jungsmannschaft mitbekommt, die in der anderen Hallenhälfte trainiert.

Prompt ruft eine Stimme zurück: «Mia, es heißt wie bitte und nicht was!»

Das kommt von meinem Freund Matti, der sich ordentlich einen feixt. Er behauptet, mein größtes Hobby sei es, seine Grammatikkenntnisse zu korrigieren. Und für ihn ist es ein besonderer Spaß, wenn ich, die große Deutschleuchte und Möchtegernjournalistin, mich selber mal nicht so gewählt ausdrücke, wie ich es immer von ihm verlange.

«Jetzt nicht, Matti!», winke ich grinsend ab und konzentriere mich wieder auf Jette. «Wohin sollst du kommen?»

«Nach Frankreich, zu ihm. In den Sommerferien!»

Vor lauter Aufregung stolpere ich beinahe über meine Füße. «Ehrlich? Das ist ja total irre!»

Jette holt den Brief hervor, den sie unter ihr Trikot gestopft hat. «Seine Eltern haben ein Haus am Meer, an der Côte d’Azur, da kann ich hin. Außerdem gibt’s da auch ein Handballturnier.»

«Ich werde verrückt. Kommt Valérie auch?»

«Kann gut sein», gibt Jette zurück.

Valérie gehörte im letzten Jahr zu der Franzosen-Gruppe, die bei dem Handballturnier dabei war. Mit ihr hatte ich mich besonders gut verstanden. Ein wenig Französisch habe ich auch von ihr gelernt. Valérie hat eine erfrischend direkte Art. Sie hatte mir nach fünf Sekunden gesagt, dass ich meinen Schwarm Jan in die Tonne treten könne, weil er ein «grand Blödmann» ist. Nach dem Turnier war der Kontakt nicht abgerissen, ein paar Mails hatten wir getauscht, aber selbstredend nicht so intensiv wie Jette und Claude. Von Valérie allerdings wusste ich auch, dass Claude vielleicht nicht nur an Jette gedacht hat im vergangenen Jahr. Ein paar Wochen war Funkstille gewesen, und Jette hatte verheult vermutet, dass da eine andere im Spiel war. Ich hatte stets entrüstet gesagt: «Niemals», und gedacht: «Niemals erzähle ich dir, dass ich von Valérie weiß, dass es eine Claire gibt.» Glücklicherweise ist diese Dreiecksgeschichte nun durch, und ich muss nicht mehr schwindeln. Valérie hatte mir geschrieben, dass Claire mit zu einem Handballspiel gekommen war. Ein Ball war auf sie zugeflogen und sie kreischend zur Seite gesprungen. Ich konnte mir bildlich vorstellen, wie Valérie sich beim Schreiben amüsierte. Das war es dann mit der kleinen Etepetete-Französin. Pah! Claude und Claire. Klingt eh wie aus einem Kitschfilm. Matti und Mia natürlich nicht.

«Wie soll ich das denn nun machen?», reißt Jette mich aus meinen Gedanken.

Wie soll sie was machen? «Na ja, Koffer packen, rein in den Zug und los!»

Jette tippt sich an die Stirn. «Ja, wär schön, wenn es so einfach wäre. Aber du hast eine Kleinigkeit vergessen. Meine Eltern!»

Jettes Eltern, die Rosenbergs, sind eigentlich ganz cool. Waren früher selber, als sie noch jung waren und keine Kinder hatten, also als sie noch lebten, in Frankreich. Aber das ist Lichtjahre her. Jetzt sind sie zwar nett, aber sie sind eben Eltern. Mit den kleinen Macken, die man als Kind leider gratis mitgeliefert bekommt. Sie machen sich Sorgen und fragen ständig solche unnützen Dinge wie: «Wo genau willst du dort wohnen? Sind die Eltern auch dabei? Ihr habt ja wohl getrennte Zimmer? Wer, stellst du dir vor, soll das bezahlen?»

Jette geht in Gedanken den Inhalt ihres Sparschweins durch, als eine Stimme durch die Halle dringt: «Euer nächstes Taschengeld könnt ihr schon einmal in die Mannschaftskasse einzahlen. Ihr sollt eure Beine trainieren, nicht eure Münder!»

Jette und ich beenden das Training daraufhin schweigend, auch wenn es uns noch nie so schwerfiel wie diesmal. Nach gefühlten tausend Laufrunden und einer Million Würfen aufs Tor lässt Helga uns endlich gehen. Wir stürzen in die Duschen, danach in unsere Klamotten und sprinten in Richtung Park. Dort setzen wir uns auf die Bank. Unsere Geheimzentrale. Die war eigentlich mal in Jettes Hängematte auf ihrem Dachboden, seit aber ihr Bruder Nic uns dort einmal mit Hilfe eines Babyphones belauscht hat, sind wir selbst zu Hause nicht mehr sicher. Außerdem geht es ja um den Schlachtplan, wie Jettes Eltern von dem kleinen Frankreich-Trip überzeugt werden können, möglichst so, dass sie einfach nur «oui» sagen. Könnte schwierig werden. Ich war mit meinen fünfzehn Jahren noch nie alleine im Urlaub und Jette auch noch nicht. Mal abgesehen von Klassenreisen und den Handballturnieren. Aber da war ja Helga als Aufpasserin dabei, was in etwa so ist, als würde man Ferien in einem Gefängnis machen.

«Eigentlich sollte es dieses Jahr nach Dänemark gehen. Da habe ich sowieso keine Lust zu.»

«Wir fahren irgendwo in die Berge», gebe ich genauso angenervt zurück.

Jette stöhnt verzweifelt auf. «Wenn Nic hört, dass ich nicht mitfahre, wird er auch darauf bestehen, dass er was Cooles machen darf. Und dann sitzen Mama und Papa allein in dem blöden Dänemark-Haus und langweilen sich. Was sollen die schon groß ohne uns anstellen?»

Ich stütze meinen Kopf in die Hände und grübele. Plötzlich geht mir ein Licht auf. «Ich hab’s. Wir sagen deinen Eltern, meine hätten es erlaubt, und meinen, deine hätten es erlaubt. Dann können sie nicht nein sagen.»

Jette schaut mich an, als hätte ich gerade behauptet, eins und eins ergebe drei.

«Wieso deine Eltern?», fragt sie vorsichtig nach.

«Na ja, meine erlauben das auch nicht so einfach, dass ich nach Frankreich fahre!»

Jette kapiert offenbar nicht, dass ich natürlich mitkomme. Dementsprechend zurückhaltend reagiert sie auch. Was soll das denn jetzt? Wir sind doch sonst unzertrennlich. Jette hat mich liebend gerne um sich, das weiß ich genau. Andererseits hat sie sich vermutlich schon auf zwei herrliche romantische Wochen alleine mit Claude gefreut, fällt mir in diesem Moment ein.

«Äh», fängt Jette dann auch leicht stockend an. «Ich weiß gar nicht, wie groß das Haus der Eltern da am Meer ist.»

Als Jette mein enttäuschtes Gesicht sieht, geht es ihr gar nicht gut. Bisher haben wir so viel gemeinsam erlebt. Jette hat von mir in Deutsch abgeschrieben und ich von ihr in Mathe. Das schweißt doch zusammen. Und selbstverständlich wäre es megagenial, gemeinsam nach Frankreich zu fahren.

«Du willst tatsächlich mit?», fragt Jette also.

«Na klar, was denkst du denn? Wofür habe ich jahrelang blöde französische Vokabeln gepaukt? Und Valérie würde ich auch gerne wiedersehen. Sie hat mich schließlich zu Matti gebracht.» Da durchzuckt mich ein schlechtes Gewissen. «Oh Gott, Matti. Voll vergessen. Wir wollten uns eigentlich nach dem Training treffen.» Schnell rufe ich bei ihm an. Das Gute an Matti ist, dass er eigentlich selten sauer ist, auch nicht, wenn ich eine Verabredung in den Sand setze. Wenn ihm so etwas passiert, sieht das allerdings ganz anders aus. Bin dann nicht so nachgiebig. Teufelswild wäre vielleicht nicht das richtige Wort. Fuchsteufelswild trifft es eher. Im jetzigen Fall hat er noch gar nicht gemerkt, dass ich ihn versetzt habe, weil er gerade erst aus der Umkleidekabine herausgekommen ist. Trotzdem neckt er mich, als ich unter tausend Entschuldigungen ins Handy stammele, ich hätte etwas Wichtiges mit Jette zu besprechen.

«Waaas?», ruft Matti gespielt entrüstet. «Du hast mich vergessen? Nehm dir mal ein Beispiel an mir!», legt er gleich mehrere Köder aus und weiß, dass ich direkt anbeißen werde.

«Mann, Matti, es heißt ‹Wie bitte› und ‹nimm› dir mal ein Beispiel an mir.»

Matti lacht laut. «Es ist so schön, dass du jedes Mal drauf reinfällst.»

«Witzbold!» Auch ich muss lachen. Ich halte kurz das Handy zu und frage Jette tuschelnd, ob Matti auch in den Park unten an der Alster kommen soll. Jette zuckt nur mit den Schultern, vielleicht fällt ihm ja eine Lösung ein.

Kurz darauf erscheint er auf seinem Rad bei uns und quetscht sich neben mich auf die Bank. Schönes Gefühl, so Bein an Bein nebeneinanderzusitzen, auch wenn ich mich anstrengen muss, das Gleichgewicht zu halten, da ich sonst von der Bank plumpse. Sitze nur noch mit einer halben Pobacke drauf. Aber was tut man nicht alles, um ein Stück Hosenbein des Freundes zu spüren.

«Das mit dem Eltern-Geschwindel könnt ihr euch abschminken!», erklärt Matti uns, nachdem wir ihn auf den neuesten Stand gebracht haben. «Wenn ihr Mias Eltern erzählt, Jettes Eltern hätten schon alles erlaubt, rufen sie dort an und erkundigen sich. Dann fliegt die Sache auf, und ihr hockt statt an der Côte d’Azur in den blöden Bergen oder im dummen Dänemark.»

Wir seufzen, weil dies ein schwieriges Unterfangen zu werden scheint. In wenigen Wochen schon beginnen die Sommerferien, aber noch ist Frankreich so weit entfernt wie der Mond.

«Ihr seht süß aus, wenn ihr euch eure hübschen, kleinen Köpfchen zerbrecht», neckt Matti uns.

Ich knuffe ihn in die Seite. Solche Kommentare helfen jetzt auch nicht weiter.

«Hat Claude denn eigentlich geschrieben, wann genau du kommen sollst?»

«Ist egal. Aber am zweiten Wochenende unserer Ferien ist da das Handballturnier. Wäre ja toll, wenn man da dabei sein könnte. Insgesamt hat er von zwei Wochen gesprochen.»

Matti speichert diese Information und fragt weiter, so als hätte er es mit Kleinkindern zu tun. «Und wann wollt ihr nach Dänemark?»

«Weiß ich nicht so genau. Glaub, die letzten drei Wochen!»

Ich nicke. «Die schrecklichen Berge sind auch am Ende der Ferien dran. Damit ich danach völlig aus der Puste wieder in der Schule ankomme.»

Matti schaut uns an. «Ja, aber dann sind wir doch schon mal einen Schritt weiter.»

«Häh? Wieso das denn?», will Jette wissen.

«Na ja, dann könntet ihr ja eigentlich beides machen! Erst nach Frankreich und anschließend mit euren Eltern weg. Dann verärgert ihr sie auch nicht!»

Keine schlechte Idee. «Stimmt. Aber trotzdem weiß ich nicht, ob sie das erlauben.»

Matti zuckt mit den Schultern. «Ihr müsst irgendwas machen, was sie sinnvoll finden. Was irgendwie mit der Schule zu tun hat. Also, sagt doch, ihr wollt euch für einen Sprachkurs anmelden, damit ihr in Französisch besser werdet.»

Voilà! Das isses.

«Genial, Matti. So machen wir es», ruft Jette. Sie hätte wahrscheinlich jeden Vorschlag bejubelt, auch wenn sie behaupten müsste, ein Praktikum als Zugschaffnerin zwischen Hamburg und Marseille machen zu wollen. Verdrängt hat Jette offenbar, dass sie auf den letzten Schüleraustausch in der Nähe von Paris keine Lust hatte, weil ihr das zu albern war mit den unreifen Franzosen und überhaupt. Damals gab es aber auch noch keinen Claude.

Ich beäuge meinen Matti stolz von der Seite. Immer hat er den Durchblick und weiß, was zu tun ist. Das war schon im vergangenen Jahr so. Als er den Pokal als bester Spieler sausenließ, nur um mir, Mia, zu helfen. Und jetzt hat er auch wieder einen vernünftigen Vorschlag parat. Wenigstens einer, der sein Hirn einschaltet, während ich in seiner Gegenwart oft wirke, als hätte ich nur Watte im Kopf. Aber Matti hat was von einem Erwachsenen. Jana behauptet manchmal, er sei ein Besserwisser. Aber ich weiß, dass Jana nur eifersüchtig ist. Was sie nicht weiß, ist, dass Matti Gott sei Dank nicht immer nur vernünftig ist. Wie zum Beispiel neulich, als er nachts um ein Uhr bei mir Steinchen ans Fenster geworfen hat, um mich zu einem nächtlichen Ausflug abzuholen, obwohl am nächsten Tag Schule war.

Voll romantisch. Schade bloß, dass ich in meinem Schlafanzug und mit den verwuschelten Haaren nicht wirklich so aussah wie Rapunzel.

 

Wir drei fahren zu Matti nach Hause, um im Internet nach geeigneten Sprachkursen rund um Marseille zu suchen. Nach einer Weile mit Google stellen wir fest, dass so ein Kurs ganz schön teuer ist. Hoffentlich bezahlen die Eltern das.

«Oder ihr müsst noch eine Runde jobben bis dahin. Zeitung austragen oder im Supermarkt an der Kasse sitzen.»

Jette und ich ziehen lange Gesichter, darauf haben wir nicht wirklich Lust.

«Oder Mia gibt Nachhilfe in Grammatik», fügt Matti noch gehässig hinzu. Manchmal ist es besser, ihn gar nicht zu beachten.

«Ich habe noch ein wenig was gespart. Vielleicht kann ich auch einen kleinen Artikel für die Zeitung schreiben, für die ich schon einmal was gemacht habe.» Später würde ich ja wahnsinnig gerne Sportreporterin werden. Den Handballstar Pascal Hens durfte ich schon interviewen, als er mal bei uns mittrainiert hat. Mein Papa hat das damals organisiert. Werde ich ihm nie vergessen. Bei dem Interview habe ich zwar nicht durch fundamentales Sportwissen geglänzt, dafür viel mehr durch bunte Fragen, die den Menschen hinterm Sportanzug beleuchten. Von solchen unkonventionellen, witzigen, weiblichen, intelligenten Fragern braucht die Sportszene mehr. Finde ich zumindest. Ein Praktikum bei einem Radiosender kann ich auch schon vorweisen. Um das Geld für einen Sprachkurs zusammenzukratzen, müsste ich allerdings bis ins Jahr 2040 durchgehend Zeitungen füllen. Meine Dreizeiler sind jetzt nicht so wirklich lukrativ.

«Na ja, ein wenig werden Mama und Papa schon dazugeben, das größere Problem ist, glaube ich, eher, dass die doch bestimmt wieder denken, dass wir mit den Franzosen da sonst was anstellen», merke ich an.

Matti schaut mich halb amüsiert, halb skeptisch an. «Aha. Interessant. Was habt ihr denn so vor mit den Franzosen?»

«Äh, nix natürlich!», gebe ich schnell zurück und merke, dass ich mich gerade um Kopf und Kragen, oder besser um Herz und Hirn, rede. «Also ich jetzt nicht. Natürlich nicht.»

«Naturellement nischt!», greift Jette mir schnell unter die Arme.

«Vielleicht sollte ich euren Eltern doch sagen, dass es keine gute Idee ist, euch allein loszulassen!?» Matti blickt mich fragend an.

Süß, dieser leicht verletzte Gesichtsausdruck. «Quatsch. Lass das bloß!»

«Will ja nur nicht, dass du mir eine Ansichtskarte schickst mit den Worten: Wir flittern gerade zwischen Monaco und St. Tropez. Mia und Olivier oder so.»

«Blödsinn!»

«Gibt ja eigentlich nur eine Möglichkeit, das zu verhindern», überlegt Matti laut. «Ich überprüfe das selber vor Ort!»

«Du willst mit?», kreische ich begeistert.

Jette wählt dieselben Worte, allerdings eher entsetzt. Sie sieht ihre schönen, intimen Tage mit Claude völlig den Bach, oder besser die Côte d’Azur, runtergehen. Von wegen beide allein, vermutlich wird sie in Cassis mit einer ganzen Handballmannschaft auflaufen.

«Ich weiß echt nicht, ob Claudes Eltern das so gut finden», merkt Jette erneut an. Sie will es sich ja nicht gleich mit ihren potenziellen, zukünftigen Schwiegereltern verderben. «Glaubst du denn, dass deine Eltern das erlauben würden?», überhöre ich Jettes Einwände.

«Na klar», gibt Matti locker zurück. «Ich wollte eh ein wenig allein durch die Gegend reisen. Meine Eltern sind da ja sehr entspannt!»

Plötzlich bin ich hellwach. Vor zwei Stunden sah ich mich noch mit meinen Eltern gelangweilt durch irgendwelche Berglandschaften kraxeln, jetzt habe ich die Aussicht auf einen Meerurlaub mit Jette und vielleicht sogar mit Matti. Leichte Panik keimt auch auf. Wo würde er denn dann schlafen? Bei mir mit im Zimmer? Oder würde Jette sich ein Zimmer mit mir teilen, oder würde ich in der Besucherritze zwischen ihr und Claude landen? Es ist das erste Mal, dass ich mir solche Gedanken mache. Bisher gab es noch nicht annähernd Gelegenheit, sich zu überlegen, ob ich in den Ferien nachts mit einem Jungen unter einer Decke stecken will. Und ehrlich gesagt, ist mir das auch eine Nummer zu groß. Zur Not würde ich am Strand in einem Schlafsack übernachten, beschließe ich und beginne zu kichern ob der Vorstellung, was da alles an Neuigkeiten auf meine Eltern zukommt. «Nein Mama, du musst dir üüüberhaupt keine Sorgen machen, dass ich was mit einem Franzosen anfangen könnte. Schließlich passt Matti schon auf, dass das nicht passiert. Er kommt auch mit!» Das erlauben meine Eltern niemals.

«Vielleicht können wir dich zunächst außen vor lassen und erst später ins Spiel bringen», schlage ich deshalb vor.

«Na, klar. War ja nur so eine Idee. Geht ihr jetzt mal schön nach Hause und verklickert euren Eltern die Sache mit dem Sprachkurs. Und du, Jette, könntest Claude eine Mail schicken, um zu fragen, ob das Haus seiner Eltern die Ausmaße eines Landschulheims hat. Und ob noch mehr Gäste aus Deutschland überhaupt willkommen wären.»

[zur Inhaltsübersicht]

Au revoir l’Allemagne

«WO willst du hin? Zu wem? Wann? Wie? Und wer noch?» Auch wenn es eigentlich gar nicht sonderlich lustig ist, muss ich innerlich grinsen. Mama und Papa haben gerade innerhalb von Sekunden die berühmten W-Fragen ausgespuckt. Im Journalismus hat man die bei Interviews als Anhaltspunkt, um sicherzugehen, dass man alle wichtigen Fragen abgehakt hat. Sechs Wörter mit W sind das: was, wer, wo, wann, wie, warum.

In diesem Fall werde nur leider ich damit bombardiert, nachdem sie erfahren haben, dass ich nach Frankreich will.

«Mia, was ist das denn schon wieder für eine Idee? Bist du überhaupt ausreichend im Ausland versichert?» Das ist mal wieder typisch Papa. Arbeitet bei einer Versicherung und denkt als Allererstes ans Geschäft. Mir doch egal, ob ich da versichert bin oder nicht.

Auch Mama schenkt Papa einen gereizten Blick. «Darum geht es doch jetzt überhaupt nicht.» Mama versucht sich zu sammeln und einen auf erwachsen zu machen. «Mia, das ist viel zu gefährlich. Ihr könnt doch nicht ganz alleine durchs Land reisen, du und Jette.»

«Och, Mann, Mama, das ist überhaupt nicht so, wie du denkst.» Ich erkläre den beiden, dass wir bei Claudes Eltern im Haus wohnen können, ohne zu erwähnen, dass die von ihrem Glück noch überhaupt nichts wissen.

«Und die erlauben das?», erkundigt sich Papa ungläubig.

«Klar! Die haben ein großes Haus direkt an der Côte d’Azur in einem hübschen Ort. Die passen ständig auf uns auf. Und die restliche Zeit sind wir ja eh in dem Sprachkurs.»

«Der für 1500 Euro?», fragt Mama mit einem gewissen Sarkasmus in der Stimme.

«Na ja, wir haben ja nur mal im Internet geschaut, was noch so frei wäre. Bestimmt gibt es noch günstigere.» Dass das hier ein schwieriges Unternehmen würde, war ja klar, aber das gleicht in etwa dem Versuch, Trainerin Helga davon zu überzeugen, man müsse sich vor dem Handballspiel nicht warmlaufen.

«Und Jettes Eltern erlauben das?», will Mama wissen.

«Wenn die nicht so blöde streng sind wie ihr, dann müsste sie eigentlich schon die Zusage haben. Sie erzählt es ihnen nämlich auch gerade. Aber ihr tut ja immer so, als wenn ich noch ein Baby wäre.» Das stimmt zwar nicht und ist auch unfair, weil meine Eltern mir häufig erlauben, auch mal länger mit Matti unterwegs zu sein. Aber so ein wenig die beleidigte Leberwurst zu spielen, kommt vielleicht auch nicht schlecht.

Als könnte Papa Gedanken lesen, kommt die nächste unangenehme Frage: «Was macht Matti eigentlich in den Sommerferien?»

«Äh, das ist noch nicht klar, also unklar, klärt sich erst später.» Normalerweise würde Mama auf so ein Gestammel sofort anspringen und Lunte riechen, in diesem Fall hat sie den Braten aber noch nicht gerochen. Erst mal die eine Sache durchboxen. Dann kann ich ihnen später immer noch verklickern, dass rein zufällig auch Matti nach Frankreich will.

Das Verhör ist noch lange nicht beendet. Wie fest das eigentlich zwischen Jette und diesem Claude ist, wollen die beiden wissen.

«Ihr kennt Claude doch vom Handballturnier», werfe ich ein.

«Eben deswegen», gibt Papa zurück. «Schließlich hat er da ein Auto fast zu Schrott gefahren.»

«Mann, Papa, du übertreibst mal wieder maßlos. Immerhin hat dir das einen neuen Versicherungskunden eingebracht.» Aus dem Augenwinkel bemerke ich, dass Mama schmunzeln muss. Wahrscheinlich ist sie sogar stolz auf mich, weil ich weiß, wie ich Papa um den Finger wickeln kann.

«Ich finde das ja auch etwas gefährlich», merkt er noch an.

Ich setze mich gerade hin, um diesen besonderen Moment zu genießen, weil ich jetzt meinen letzten Trumpf ausspielen kann.

«Du findest das also gefährlich?», sonne ich mich in meinem Auftritt. Vermutlich ahnt Papa, was jetzt kommt, und innerlich würde er sich am liebsten ohrfeigen, weil er so dumm war, mir Anekdoten aus seiner eigenen Jugend zu erzählen. «Ungefähr so gefährlich, Papa, wie damals, als du als 15-Jähriger per Autostopp mit deinem besten Freund nach Spanien getrampt bist?»

Mama lacht laut los. Das muss man ihr lassen. Sicherlich wird sie sich einen Haufen Sorgen um mich machen, größer als der Berg dreckiger Wäsche in meinem Zimmer, aber immerhin weiß sie, wann es was zu lachen gibt.

Papa schickt noch ein klägliches «Das war doch was ganz anderes» hinterher. «Wir waren schließlich Jungs!»

«Wenn ich mich recht erinnere, hast du mir was von zwei Berlinerinnen erzählt, die ihr an einer Raststätte kennengelernt habt und die mitgetrampt sind.»

«Ach was? Davon hast du mir ja noch nie was erzählt!»

Herrlich. Jetzt muss Papa sich gegenüber Mama rechtfertigen. So etwas nennt man Kriegsschauplatzverlagerung. Und Papa weiß, dass er jetzt schnell meine Reise erlauben sollte, weil ich sonst noch auspacken könnte, dass er sich mit der einen Berlinerin noch lange romantische Briefe geschrieben hat.

In diesem Moment lenkt er auch ein und ab. «Ach, Vera, das ist lange her. Lass uns lieber über Mia reden. Wir vertrauen dir, und wenn ihr wirklich mit der Bahn fahrt und dann bei den Eltern wohnt und täglich zum Sprachkurs geht, spricht meiner Meinung nach nichts dagegen. Außerdem können wir euch ja auch immer auf euren Handys erreichen.»

«Das gab es damals noch nicht, sonst hätte Papa bestimmt die Handynummer der Berlinerin», meint Mama ihm noch einen mitgeben zu müssen.

«Über das Geld und so können wir ja vielleicht später noch reden?», frage ich nach, und Mama und Papa nicken.

«Ja, den Sprachkurs und die Fahrt zahlen wir dir schon. Aber du fährst mit uns danach noch in die Berge», nimmt mir Papa das Versprechen ab.

«Na, sicher!», gebe ich schnell zurück. Beim Wort Berge meine ich gesehen zu haben, wie Mama die Augen verdreht hat. Kann mich auch ehrlich gesagt nicht daran erinnern, dass Mama die große Kraxlerin ist. Die liegt eigentlich auch lieber am Strand und mimt den Hummer.

«Ich hätte gerne noch die Telefonnummer von Claudes Eltern, um mit denen alles zu klären.»