Ritter der einsamen Herzen - Tara Lain - E-Book

Ritter der einsamen Herzen E-Book

Tara Lain

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Beschreibung

Billy scheint nirgendwo in seinem Leben richtig reinzupassen: Seine Ex-Freundinnen fanden ihn zu nett, für einen durchschnittlichen Bauarbeiter bedient er zu wenig männliche Klischees und seiner Bauleiter-Karriere steht tiefgreifende Prüfungsangst im Weg. Als Billy den Stylisten Shaz kennenlernt, ahnt er noch nicht, dass diese Begegnung alles auf den Kopf stellen wird. Denn Shaz weckt in Billy lange verborgene Sehnsüchte und öffnet ihm gleichzeitig das Tor zu einer ganz neuen Welt. Eine, in der er sein kann, wer er ist... Buch 1 der "Laguna Love"-Reihe. Entspricht 324 Romanseiten.

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Seitenzahl: 455

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Deutsche Erstausgabe (ePub) Juli 2016

Für die Originalausgabe:

© 2015 by Tara Lain

Titel der amerikanischen Originalausgabe:

»Knight of Ocean Avenue«

Originalverlag:

Published by Arrangement with Dreamspinner Press LLC, 5032 Capital Circle SW, Ste 2, PMB# 279, Tallahassee, FL 32305-7886 USA

Für die deutschsprachige Ausgabe:

© 2016 by Cursed Verlag

Inh. Julia Schwenk

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung,

des öffentlichen Vortrags, sowie der Übertragung

durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile,

Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit

Genehmigung des Verlages.

Bildrechte Umschlagillustration

vermittelt durch Shutterstock LLC; iStock

Satz & Layout: Cursed Verlag

Covergestaltung: Hannelore Nistor

ISBN ePub: 978-3-95823-601-1

Besuchen Sie uns im Internet:

www.cursed-verlag.de

Liebe Leserin, lieber Leser,

vielen Dank, dass Sie dieses eBook gekauft haben! Damit unterstützen Sie vor allem die Autorin des Buches und zeigen Ihre Wertschätzung gegenüber ihrer Arbeit. Außerdem schaffen Sie dadurch die Grundlage für viele weitere Romane der Autorin und aus unserem Verlag, mit denen wir Sie auch in Zukunft erfreuen möchten.

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Klappentext:

Billy scheint nirgendwo in seinem Leben richtig reinzupassen: Seine Ex-Freundinnen fanden ihn zu nett, für einen durchschnittlichen Bauarbeiter bedient er zu wenig männliche Klischees und seiner Bauleiter-Karriere steht tiefgreifende Prüfungsangst im Weg. Als Billy den Stylisten Shaz kennenlernt, ahnt er noch nicht, dass diese Begegnung alles auf den Kopf stellen wird. Denn Shaz weckt in Billy lange verborgene Sehnsüchte und öffnet ihm gleichzeitig das Tor zu einer ganz neuen Welt. Eine, in der er sein kann, wer er ist...

Aus dem Englischen von Jilan Greyfould

Für Z.A. Maxfield, deren wundervolle Werke mich jeden Tag neu inspirieren und deren Freundschaft mir eine besondere Freude ist.

Kapitel 1

Oh, komm schon.

Billy warf einen Blick auf seine Armbanduhr und starrte dann aus dem Fenster des Coffeeshops. Nach Annie Ausschau zu halten, würde nicht dazu führen, dass sie schneller hier war, aber es lenkte ihn von den möglichen Gründen ab, warum sie ihn im Coffeeshop treffen wollte, statt sich von ihm zu Hause abholen zu lassen.

Er atmete tief ein und langsam wieder aus. Vielleicht lag er falsch. Vielleicht war sie in der Nähe des Coffeeshops unterwegs gewesen und wollte nur nicht noch mal nach Hause fahren. Ja, genau.

Er lehnte sich zurück und sah sich im Laguna Grind um. Fünf Besucher arbeiteten an Laptops, während sie ihre überteuerten Milchkaffees tranken. Jeder von ihnen zählte zur gehobenen Laguna-Gesellschaft, abgesehen von dem Mann in der Ecke, der eine staubige Jeans und ein Arbeitshemd trug, durch ein altes Magazin blätterte und an schwarzem Kaffee nippte. Billy wusste, was er trank, weil er gehört hatte, wie er es bei dem süßen Mädchen hinter der Theke bestellt hatte. Komisch, dass ein Arbeiter diese anspruchsvollen Preise für schwarzen Kaffee bezahlte. Das hier war kein Arbeitertreff. Billy musste es wissen. Mr. Schwarzer Kaffee war wie er, und er selbst würde auch nicht hier sein, wenn Annie es nicht als Treffpunkt ausgesucht hätte.

Er sah auf die Uhr. Komm schon. Mama hasste es, wenn er zu spät zu Familienessen kam, und da dieses spezielle Essen Rhonda und Mitch gewidmet war, würde sie es doppelt hassen. Mit doppeltem Hass seiner Mutter war nicht zu spaßen.

Der Kerl mit dem Kaffee sah zu dem Mädchen hinter dem Tresen. Mann. Der Ausdruck puren Verlangens auf seinem Gesicht ließ Billy zusammenzucken. Deshalb also der Kaffee. Er wollte das Mädchen. Sorry, Charlie, wird wahrscheinlich nicht passieren. Wie es sich wohl anfühlte, jemanden so sehr zu wollen?

Ein Luftzug strömte über ihn hinweg, als die Tür geöffnet wurde. In Südkalifornien waren die Juniabende noch immer kühl, was bedeutete, dass es spät geworden war. Er sah auf – und erstarrte. Wer zum Teufel?

Der Neuankömmling brachte jeden Kopf im Coffeeshop dazu, sich zu ihm umzudrehen. Sein flammend rotes Haar umgab seinen Kopf in wilden Locken und fiel bis auf seine Schultern herab. Er trug ein hippes, pinkfarbenes Hemd, dessen Vorderseite mit mehreren Perlenketten geschmückt war. Seine schwarze Hose lag so eng an, dass sie genauso gut hätte aufgemalt sein können. Oooh Gott.

Das hübsche Mädchen hob den Kopf und rief ihm zu: »Du holst dir deinen Kaffee höchstpersönlich? So weit ist es also schon gekommen?«

Leichthin wedelte der Rotschopf mit der Hand. »Ich habe sie alle mit Arbeit versorgt und bin geflüchtet, Schätzchen. Versorge mich bitte intravenös mit Koffein.«

Diese Stimme – hoch und vor Humor sprühend – vibrierte Billys Wirbelsäule hinauf. Komisch. Der Mann war lächerlich extravagant, aber auch schön. Er besaß Gesichtszüge, die man bei einem Mädchen erwartet hätte, jedoch definierter. Nicht so weich. Große Augen, volle Lippen und hohe Wangenknochen. Wahrscheinlich hatte er diese Gesichtszüge auch mit Make-up hervorgehoben, was eigentlich seltsam aussehen sollte, aber bei diesem Mann passte alles ins Bild. Wunderschön.

Aus dem Augenwinkel registrierte Billy eine Bewegung und sah zu dem Arbeitertypen hinüber. Der junge Mann wirkte wie ein Bulle. Wie ein wütender Bulle. Er setzte sich auf, starrte den Rothaarigen an und ballte die Fäuste. Er fand den Neuankömmling nicht schön. Scheiße, in seinem Gesichtsausdruck zeigte sich purer Hass. Billy spannte sich an. War es etwas Persönliches oder nur Vorurteile?

Der Rotschopf plauderte mit jemandem und schien den Kerl nicht zu bemerken. Wie konnte er ihn übersehen? Man konnte förmlich den Rauch über dem Kopf des bulligen Kerls aufsteigen sehen.

Stell dir vor, du gehst durch das Leben und Menschen ziehen einfach so über dich her. Aber wenn dieser rothaarige Mann an einer von Billys Baustellen vorbeigelaufen wäre, hätte jeder der Arbeiter seinen Wortschatz überstrapaziert, um neue Möglichkeiten zu finden, ihn Schwuchtel zu nennen. Billy hätte sich ihnen vielleicht nicht angeschlossen, doch unterbunden hätte er es wahrscheinlich auch nicht. Männer wie dieser hassten Schwule. So war es eben.

Die Bedienung kam mit einem großen, dampfenden Milchkaffee hinter der Theke hervor. Sie ging zum Tisch des Rotschopfs, stellte die Tasse ab und küsste den hübschen Mann auf die Wange.

Oh-oh.

Der Arbeitertyp stand auf. Nicht gut. Niemand schien es zu bemerken. Scheiße.

Der Mann war groß, aber nicht so groß wie Billy. Langsam erhob sich Billy und hielt den Blick auf den Arbeiter gerichtet. Sieh mich an. Die Augen des großen Mannes streiften ihn. Kaum merklich bewegte Billy seinen Kopf von einer Seite zur anderen. Tu das nicht. Eine Sekunde lang starrte ihn der Mann verständnislos an, dann schien er jemanden wie sich selbst wiederzuerkennen. Jemanden in zerknitterter Arbeitskleidung. Sein Blick traf Billys und fokussierte sich. Einmal schüttelte er den Kopf und focht eine Art inneren Kampf aus, dann spannte er sich an und trat einen Schritt vor.

Billy tat es ihm gleich.

Der Kerl wurde bis zum Haaransatz rot, gab ein leises Geräusch von sich und stürmte aus der Tür, als wäre die verdammte Schwulenparade hinter ihm her.

Billy spürte, wie seine Hände zitterten. Was hätte er getan, wenn der bullige Kerl den Rotschopf angegriffen hätte? Hätte Billy ihn geschlagen? Ihn aufgehalten? Wen versuchte er hier zu schützen? Scheiße.

Er sah sich um. Alle kümmerten sich um ihren Kram, als wäre nichts Großes passiert. Doch dann trafen Billys Augen auf den ruhigen Blick des rothaarigen Mannes, der ihn mit einem leichten Nicken und einem kleinen Lächeln bedachte. Er wusste es. Er wusste, was passiert ist. Was dachte er gerade?

»Billy?«

Er zuckte zusammen und drehte sich um. Zu Annie. »Gott, hast du mich erschreckt.« Er hatte vergessen, warum er hier war.

Sie runzelte die Stirn. »Entschuldige. Ich habe angenommen, dass du auf mich gewartet hast.«

»Das habe ich auch. Es ist nur, dass… Ich meine, das tue ich.« Erneut streifte sein Blick den Rothaarigen, der Annie ausdruckslos anstarrte. Reiß dich zusammen, Ballew. Er deutete auf den Stuhl neben sich. »Setz dich.«

Sie ließ sich auf dem Rand des Lederstuhls nieder. Er setzte sich ebenfalls. Versuch entspannt auszusehen.

Billy nickte in Richtung des zweiten Pappbechers, der vor ihnen auf dem Tisch stand. »Ich hab dir Tee mit Milch geholt.«

»Danke.« Sie nahm den Becher und trank einen Schluck. So ein attraktives Mädchen und zudem auch freundlich.

Billy trank seinen Milchkaffee aus. »Also, willst du ihn mitnehmen? Mom wird das Essen sicher schon fertig haben, du kennst sie ja.«

Sie seufzte und ihn durchlief es kalt. »Ich komme nicht mit zum Essen.«

»Nein?« Scheiße, Scheiße, Scheiße.

»Nein, Billy.« Sie sah auf und ihre großen, braunen Augen glänzten. Ganz schlechtes Zeichen. »Du weißt, dass ich sagen werde, dass es nicht funktioniert, oder?«

Er starrte in seinen leeren Becher. Leer ergab Sinn. »Ich wusste es nicht, bis du gesagt hast, dass du reden willst.« Er rang sich ein Lächeln ab. »Reden ist für Männer immer eine schlechte Nachricht.«

»Ich habe seit einigen Tagen darüber nachgedacht. Vielleicht sogar seit einigen Wochen, wenn ich ehrlich bin. Ich muss weiterziehen. Sag deiner Familie, dass es mir leidtut.«

Nicht schon wieder. »Darf ich fragen, warum es für dich nicht funktioniert?«

Annie zuckte die Schultern und drehte ihren Becher auf dem niedrigen Tisch. »Das willst du nicht wissen.«

Er hätte es auf sich beruhen lassen können, wie er es immer tat. Aber wie zur Hölle sollte er dann jemals etwas aus seinen Fehlern lernen? Er hob die Schultern. Auf ins Tal des Todes. »Eigentlich schon. Würdest du es mir erklären?« Er hielt eine Hand in die Luft. »Du musst mir aber nicht gleich den Kopf abreißen oder so was.«

Sie lächelte und schüttelte den Kopf. »Du siehst aus wie ein großes Alphamännchen, aber eigentlich bist du ein ganz Süßer.«

»Ist das nicht was Gutes?« Er versuchte zu lächeln.

»Natürlich, aber mein Hund ist auch ein ganz Süßer und ich schlafe nicht mit ihm.«

Autsch.

Jetzt kam sie in Fahrt. »Weiß Gott, du bist umwerfend. Ich werde es vermissen, irgendwo mit dir aufzutauchen und zuzusehen, wie Frauen beim Anblick meines Partners zu sabbern anfangen – und er sie keines Blickes würdigt. Was schmeichelhaft ist, aber irgendwie auch ein bisschen seltsam, weißt du? Die meisten Männer würden es genießen, wenn sie sich vor der Aufmerksamkeit der Damenwelt kaum retten können.«

Er runzelte die Stirn. »Du bist sauer, weil ich treu bin?«

»Nein.« Sie stieß den Atem aus. Es klang halb wie ein Seufzen und halb wie Verzweiflung. »Sag mir ehrlich, wo hätte uns das hier deiner Meinung nach hingeführt?«

»Hawaii?« Er setzte das Lächeln auf, das bei Frauen immer wirkte.

»Ernsthaft.«

Mit der Hand strich er sich über das Gesicht. »Ich dachte, wir könnten uns noch ein wenig länger treffen und dann wäre es vielleicht etwas Ernstes geworden und, ich weiß nicht, vielleicht hätten wir irgendwann geheiratet.«

Ihre Augen wurden groß. »Wirklich? Du hast erwartet, dass wir heiraten?«

Hatte er das? »Warum nicht? Du bist großartig. Klug und hübsch. Meine Familie liebt dich.«

Sie ergriff seinen Arm. »Ja, deine Familie liebt mich und ich liebe sie. Aber liebst du mich, Billy?«

»Natürlich. Ich weiß, dass ich das nicht so oft sage, aber Männer wie ich sind eben nicht so emotional, weißt du?«

»Was meinst du mit Männer wie du?«

Er zuckte mit den Schultern. »Arbeitertypen. Weißt du?«

»Billy, du bist nicht wie die Arbeitertypen, die ich bis jetzt getroffen habe. Deshalb hast du mir gefallen und ich habe dich in dieser Nacht in der Bar ausgewählt, erinnerst du dich?«

Er nickte. Es war eine der seltenen Gelegenheiten gewesen, wo er mit seinem Team losgezogen war. Meist fühlte er sich bei den Jungs etwas komisch, aber in dieser Nacht war Annie das hübscheste Mädchen in der Bar gewesen und sie hatte ihn aus dem Rudel ausgewählt und zum Tanzen aufgefordert. »Ja, du hast mir meinen Ruf verschafft.«

Sie brachte nur ein halbes Lächeln zustande. »Ich habe dich ausgewählt, weil du nicht einer dieser Männer warst. Du warst anders als die Männer, die ich kenne, aber – vielleicht bist du ja zu anders. Bei uns hat es einfach nicht richtig Klick gemacht. Wir gehen aus und reden, aber ich habe nie das Gefühl, dass du sterben würdest, wenn du mich nicht siehst. Wir haben Sex und er ist ganz nett, aber ganz nett ist mir nicht genug. Ich will ein Feuerwerk und Sternschnuppen. Zumindest ein bisschen davon.«

Zur Hölle, wo war er denn zu anders? »Komm schon, das hier ist das echte Leben.«

»Verdammt, Billy, ich bin vierundzwanzig. Ich bin zu jung für das echte Leben.«

Vielleicht war es eine schlechte Idee, nachzufragen. Es zu wissen, tut echt weh.

Sie seufzte. »Ich glaube nicht, dass ich dein Typ bin.«

»Wer dann?« Es klang wie ein Jammern.

Annie starrte Billy an. »Ich weiß es nicht. Ich wünschte, ich wüsste es.«

»Also liegt es überwiegend am…« Er schluckte und senkte die Stimme. »… am Sex?« Scheiße, es hatte ihn ein ganzes Stück Überwindung gekostet, das zu fragen.

»Nein, es liegt an allem. Dieses Unternehmerding zum Beispiel. Ich weiß, dass du die Prüfung schreiben kannst und sie mit Leichtigkeit bestehen würdest, wenn du es nur versuchen würdest. Aber das tust du nicht. Ich weiß, dass du glaubst, du wärst nicht klug genug, aber verdammt, Billy…« Sie lehnte sich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich glaube, irgendwo versteckst du einen Dynamo. Einen Tiger, der darauf wartet, freigelassen zu werden. Doch ich sehe ihn nie. Du willst mich nicht wirklich. Ich bin nur bequem. Und ehrlich gesagt verdiene ich etwas Besseres als das. Und du auch.« Sie erhob sich von dem bequemen Stuhl und sah aus dem Fenster. »Ich werde dich vermissen, Billy. Aber ich will in zwei Jahren nicht erkennen müssen, dass ich in derselben Lage bin oder, schlimmer noch, geheiratet habe, weil« – mit ihren Fingern deutete sie Anführungszeichen an – »alle mich mögen, und mich mit einem Kind und einem Ehemann wiederfinden, der jedermanns Erwartungen erfüllt, aber nicht wirklich glücklich ist.«

»Wow. Du hättest Die Tribute von Panem schreiben sollen.«

»Mir egal. Du hast gefragt und so sehe ich es nun mal. Sag deiner Familie, dass es mir wirklich leidtut, dass ich bei Rhondas Hochzeit nicht dabei sein kann.«

»Du könntest trotzdem kommen.« Er schluckte schwer. »Rhonda wird so enttäuscht sein.«

Sie schüttelte den Kopf und ihre Augen glänzten. »Das würde zu sehr wehtun. Du bedeutest mir wirklich etwas, Billy, und es war hart, mir keine Hoffnungen zu machen.« Sie machte einen Schritt in Richtung Tür. »Man sieht sich.«

Heilige Scheiße. Er konnte nicht atmen. Sie war weg, einfach so. Er wollte nicht wie die anderen denken. Annie war nicht einfach nur eine von vielen.

Er lehnte sich zurück und sah dann auf. Der rothaarige, schöne Mann unterhielt sich mit einer der Baristas und lachte. Billy war nicht nach Lachen zumute.

An diesem Morgen hatte er gedacht, er würde sein Leben überblicken können. Nette Familientreffen. Ein bisschen Tanz auf der Hochzeit. Aber hatte er sich etwas vorgemacht?

Was, wenn ich mir immer etwas vormache?

Wie fühlst du dich? Wie zu einem kurzen Nickerchen schloss er die Augen. Die Schmetterlinge in seinem Bauch führten einen Krieg gegen die Stahlspitze in seiner Brust. Verletzt. Er fühlte sich verletzt. Und verwirrt. Und… Erleichterung. Er war erleichtert.

Das konnte nicht richtig sein, oder? Natürlich war er erleichtert gewesen, als er mit Nancy Schluss gemacht hatte, aber sie war ein Miststück, und Trisha hatte es nicht wirklich ernst gemeint. Aber Annie. Er liebte sie. Oder etwa nicht?

Er riss die Augen auf und sah auf seine Uhr. 17.30 Uhr. Oh Scheiße, er musste sich auf den Weg zum Haus seiner Eltern machen. Er musste seiner Familie ohne Annie gegenübertreten und dann die ganze, verdammte Hochzeit ohne eine Frau an seiner Seite durchstehen. Seine Mutter würde ausrasten. Er ließ seinen Kopf in eine Hand sinken und fuhr mit seinen Fingern durch die Strähnen. Selbst seine Haare würden ihn in Schwierigkeiten bringen. Zu lang. Seine Mutter bevorzugte es, wenn er ordentlich aussah. Allerdings hätte sie ihm alles durchgehen lassen, wenn sie gedacht hätte, dass er sich auf direktem Weg zum beschissenen Altar befand. Jetzt würde sie über seine Kleidung und alles andere meckern. Jetzt war Schluss mit lustig. In ihren Augen würde er ein dreifacher Verlierer sein. Ein Mann, der keine Frau halten konnte. Ein Mann, der ihr keine Enkelkinder schenken konnte.

Er stand auf und eilte in Richtung Tür. In Richtung Erschießungskommando.

Dann hielt er inne und sein Kopf schien sich von selbst zu drehen. Auf der anderen Seite des Ladens starrte ihn der hübsche Mann direkt an. Seine Mundwinkel kräuselten sich und er zeigte die Zähne.

Billy sah sich um. Wen? Sein Blick kehrte zurück. Der Mann sah ihn an. Das Schaudern begann in seinem Steißbein und entwickelte sich zu einer ausgewachsenen Gänsehaut. Seltsam. Echt seltsam.

Er schob die Tür auf und zwang seine Füße, den Coffeeshop zu verlassen. Warum hatte er das Gefühl, der Mann würde ihn auslachen?

Weil du es verdienst, du Versager.

Verdammt, wie Scarlett O'Hara gesagt hatte, darüber würde er sich morgen Gedanken machen. Schnurstracks eilte er zu seinem Pick-up.

Zwanzig Minuten später lenkte er den Wagen in Santa Ana auf einen Parkplatz, fünf Türen von seinem Elternhaus entfernt. Autos säumten die Straße und er kannte den Besitzer von jedem einzelnen. Der Clan hatte sich wegen Rhonda zusammengefunden. Sie hatte sie alle mobilisiert. Nach dem heutigen Familientreffen würde Billy zum Junggesellenabschied, zum Probeessen, zur Hochzeit, zum Empfang danach und zum Hochzeitsfrühstück gehen müssen. Allein. Gott! Er mochte zwar 1,95 m groß sein und gute 100 Kilogramm auf die Waage bringen, doch seine Mutter war trotzdem in der Lage, ihn zu lynchen.

Bring es hinter dich.

Er lief den Bürgersteig und die lange Auffahrt zum einstöckigen Haus seiner Eltern hinunter, das im Stil der Ranchhäuser der Fünfzigerjahre erbaut worden war. Er hatte das alte Haus immer gemocht und hart dafür gearbeitet, es für sie in Schuss zu halten. Alle Instandhaltungsmaßnahmen und Reparaturen übernahm er. Sogar einen Großteil der Gartenarbeit, damit sie, außer ab und zu fürs Mähen und Sprengen, keine Ausgaben hatten. Seit seinem Herzinfarkt konnte sein Vater nicht mehr schwer heben. Witzig. Die Leute sagten immer sein Herzinfarkt, als würde er das verdammte Ding besitzen.

Anklopfen war nicht notwendig, er drehte einfach den Türknauf und trat durch den schmalen Eingang. Abseits des Trubels standen sein Vater und sein Schwager Austin auf entgegengesetzten Seiten des Raums. Sein Vater stützte sich auf seinen Gehstock. Billy trat zu ihnen. Aus der Küche und dem Esszimmer drangen Stimmen und Gelächter herüber. Wie üblich hielt sich kaum jemand im Wohnzimmer auf.

Austin streckte ihm seine Hand hin. »Hey, Kumpel, schön, dich zu sehen.«

»Tut mir leid, dass ich zu spät bin.«

Leicht klopfte ihm sein Vater auf die Schulter. Kein Mann vieler Worte. »Wo ist Annie?« Warum musste er ausgerechnet diese verdammten Worte wählen? Scheiße. Sein Vater liebte Annie. Der Spaß beginnt.

»Wir haben Schluss gemacht. Deshalb bin ich zu spät.« Billy fixierte seine alten, löcherigen Turnschuhe.

Stille.

Er sah auf und begegnete dem Blick seines Vaters. Dieser starrte ihn an, als hätte er gerade bekannt gegeben, dass er unter die Hobby-Serienmörder gegangen war. »Was? Es war nicht meine Idee. Sie hat mit mir Schluss gemacht.«

Der Blick seines Vaters wurde finster. Seine 1,82 m kamen nicht an Billys 1,95 m heran, doch er wirkte trotzdem verdammt respekteinflößend. »Was hast du getan, um sie zu verärgern?«

»Nichts!« Er seufzte. »Alles, glaube ich. Sie hat gesagt, sie glaubt nicht, dass ich sie liebe.«

»Hast du sie betrogen?«

»Zur Hölle, nein. Sie meinte, ich sollte anderen Frauen öfter hinterherschauen.«

Perplex starrte sein Vater ihn an.

Austin knuffte seinen Arm. »Hey, tut mir leid, Kumpel. Sie ist ein nettes Mädchen.«

»Ja. Danke.«

Sein Vater schüttelte den Kopf. »Sie wird drüber hinwegkommen. Manchmal bekommen Frauen diese romantischen Anwandlungen. Schick ihr ein paar Blumen und schreib ihr ein Gedicht oder so was.«

Billys Magen zog sich zusammen. »Das glaube ich nicht. Sie klang ziemlich überzeugend.«

»Verdammt. Tja, dann musst du es wohl deiner Mutter erzählen.«

Er zog die Nase kraus. »Ich weiß. Es dir zu erzählen, war ein Testlauf.«

Austin lachte.

Sein Vater nickte. »Viel Glück.«

Billy legte seinen Anorak auf den Haufen aus Handtaschen und Pullovern auf dem Stuhl im Flur. Tief durchatmen, Mann. Er betrat das Esszimmer. Rhonda und ihr Verlobter Mitch standen auf der anderen Seite des ausgezogenen Esstisches und unterhielten sich mit seinem Onkel Fred und irgendeiner Bombenbraut, die Billy noch nie zuvor gesehen hatte. Blond, schlank und mit einem Vorbau in der Größe Utahs. Und, so wie es aussah, wirklich hübschen Klamotten.

Wunderbare Düfte drangen aus der Küche. Ja, dort würde er seine Schwester Teresa, seine Tante und, Gott möge ihm beistehen, seine Mutter finden. Er sollte hierbleiben. Er umrundete den Tisch und gesellte sich zu Rhonda. »Hey, ihr Turteltauben. Wie läuft's?«

Sie sah auf und lächelte. Das fremde Mädchen im Esszimmer mochte umwerfend aussehen, doch seine jüngste Schwester stellte alle in den Schatten. Rhonda war eine Schönheit mit Köpfchen. Groß und dunkelhaarig wie Billy, mit einem Körper, der Männern den Boden unter den Füßen wegzog. Mit der Hilfe von Stipendien und großer finanzieller Unterstützung von Billy hatte sie ihren Magister an der UCI absolviert und unterrichtete jetzt Geschichte an einem privaten College. »Hi, kleiner Bruder.«

Fred begrüßte ihn mit einem Schlag auf den Rücken und Mitch streckte ihm seine perfekt manikürte Hand hin. »Wie geht es dir?« Mitch war hübsch. Fast so hübsch wie der Mann in dem Coffeeshop.

Billy schüttelte seine Hand. »Ganz okay.«

Rhonda runzelte die Stirn. »Was ist los?«

Verdammt. Konnte er dieser ganzen Sache entgehen, wenn er einfach flüchtete? Billys Blick wanderte von Rhonda zu dem blonden Mädchen. »Hi, ich bin Billy Ballew, Rhondas Bruder.«

»Ja, hi. Sie hat mir viel von dir erzählt. Du bist wirklich groß.« Sie kicherte. »Und süß.«

Was sagt man dazu? »Danke. Ich habe deinen Namen nicht mitbekommen.«

»Oh, entschuldige. Ich bin Sissy. Sissy Auchincloss.«

Mitch nickte. »Meine Cousine.«

Was die teuer aussehenden Klamotten erklärte. Wahrscheinlich besaß sie genauso viel Geld wie Mitch. »Schön, dich kennenzulernen.«

Seine Schwester starrte ihn an. »Wo ist Annie?«

Er schüttelte den Kopf.

»Was ist passiert?«

»Wir haben Schluss gemacht.«

Fred machte ein Oooh-Geräusch.

Rhondas Augenbrauen trafen sich über ihrer schmalen Nase. »Wann?«

»Erst vor Kurzem.«

»Oh, verdammt, erzähl's nicht Mom.«

Mitch lachte. »Ja, ich glaube, sie wollte eine Doppelhochzeit.«

Finster sah Rhonda ihn an und das Lächeln verschwand von seinem Gesicht. »Entschuldige. Sie ist ein nettes Mädchen.«

Sissy legte eine warme Hand auf Billys Arm. »Es tut mir so leid. Trennungen sind schrecklich. Einfach schrecklich.«

Ein kurzer Schauer jagte über seine Haut und er nickte und zog seinen Arm weg.

»Billy Ballew.« Der Ruf des Verderbens. Die Stimme seiner Mutter ertönte aus der Küche.

Er zuckte zusammen und Mitch lachte. Billy erwiderte laut: »Hi, Mom.«

Sie streckte ihren ergrauenden Schopf aus der Küchentür. »Kommst du gar nicht her, um deiner Mutter einen Kuss zu geben?«

»Schon unterwegs.«

»Viel Glück«, flüsterte Fred.

Kapitel 2

Seine Mutter war wieder in der Küche verschwunden. Für sie stand das nicht zur Diskussion: Die Küche war ein Raum, in dem Frauen arbeiteten. Marie Ballew hatte ihre Vorstellungen und ließ andere gerne daran teilhaben. Sich selbst sah sie als traditionelle Frau: tiefreligiös, eine liebende Ehefrau und unerschütterliche Beschützerin ihrer Kinder. Ja, eine traditionelle Frau, die es auf die Weltherrschaft abgesehen hatte. Billy liebte sie, aber sie jagte ihm auch eine Heidenangst ein.

Er schob die Schwingtür auf. Whoa. Der Geruch nach Schinken, Hühnchen, Kartoffeln und wer weiß was noch bestürmte ihn. Sein Magen knurrte. »Hey, Ladys.« Natürlich eilten Teresa und Tante Clarice geschäftig um seine Mutter herum, die gerade Spargel in eine Servierschüssel füllte. Er versuchte zu lächeln. »Kann ich helfen?«

Als der Dampf aufstieg, wischte sich seine Mutter die Stirn an ihrer Schulter ab. Sie war sehr groß und fast sechzig. In ihrer Jugend war sie eine hinreißende Schönheit gewesen, mit schwarzem Haar, das jetzt an den Schläfen ergraute, und ausdrucksstarken blauen Augen. »Nein, Schatz. Du kannst später beim Aufräumen helfen.« Sie musterte ihn eingehend. »Billy, das ist eine Veranstaltung für deine Schwester. Hättest du dir nicht etwas mehr Mühe geben können?«

Er zuckte mit den Schultern. »Für die Hochzeit werde ich mich in Schale werfen.«

»Und ob du das tun wirst. Ich werde nicht zulassen, dass du diese Familie vor Rhondas neuen angeheirateten Verwandten blamierst. Ich hätte gedacht, Annie würde dich besser erziehen.«

Stille. Er starrte auf seine verblichene, ausgeleierte Jeans.

»Wo ist Annie?«

»Zu Hause, denke ich mal.«

»Was meinst du damit, zu Hause?«

»Wir haben Schluss gemacht. Sie hat mit mir Schluss gemacht.«

Wieder Stille. Selbst Teresa und Clarice bewegten sich nicht. Oh Gott.

Doch seine Mutter schrie ihn nicht an. Sie seufzte nur, was zehnmal schlimmer war. Sie schüttelte den Kopf und wandte sich einer Schüssel mit gestampften Kartoffeln zu. »Ich wünschte, ich wüsste, was du aus deinem Leben machen willst, Billy. Ich wünschte nur, ich wüsste es.«

Scheiße, wenn er das herausfand, würde sie es sofort erfahren.

Sie reichte ihm die Kartoffeln und mied seinen Blick. Sie wogen etwa 200 Kilo und waren mit Schuld gebuttert. Er hätte sie auf dem Rücken tragen sollen. Mit seiner Schulter stieß er die Tür auf und schleppte die Schüssel und sein Kreuz ins Esszimmer. Rhonda sah auf und warf ihm ein halbes Lächeln zu. Ja, sie wusste es.

Die Schwingtür wurde geöffnet und Teresa kam mit zwei dampfenden Schüsseln Gemüse in den Händen heraus. Vorsichtig stellte sie sie ab, stopfte die Topflappen in die Tasche ihrer Schürze und kam zu Billy herüber. Sie griff ihn bei den Schultern und küsste ihn auf die Wange, auch wenn sie dafür seinen Kopf zu sich hinunterziehen musste. Teresa kam eher nach ihrem Vater. Sie hatte nicht wie er und Rhonda die Größe ihrer Mutter geerbt.

»Hey, Kleiner, es tut mir so leid. Ich weiß, dass du sie wirklich gemocht hast.«

»Ja.« Er hatte Annie gemocht.

»Lass dich von Mom nicht fertigmachen. Annie war eben nicht die Richtige.«

»Danke, Schwesterherz.« Er liebte Teresa so sehr. Zu ihr hatte er schon immer den besten Draht gehabt, trotz ihres größeren Altersunterschieds. Rhonda war mit 27 nicht ganz zwei Jahre älter als er, doch Teresa war fast 35 und war in seiner Kindheit wie eine zweite Mutter für ihn gewesen. Er schüttelte den Kopf. »Aber wie Mom gesagt hat, ich wünschte, ich wüsste, wer die Richtige ist.«

Sie legte ihm eine Hand auf die Wange und sah zu ihm auf. Er und Rhonda hatten blaue Augen, doch Teresas waren braun wie die seines Vaters. Sie sah gut aus, kam jedoch nicht mal annähernd an die Schönheit von Rhonda heran.

»Ich denke, du solltest dich bei der Suche mehr anstrengen, kleiner Bruder. Öffne deine Augen weiter. Hör auf, dich nach den Meinungen anderer zu richten.« Sie grinste. »Auch nicht nach meiner.«

Er schnaubte. »Ich bin so ratlos, dass ich nicht mal weiß, was du damit meinst.«

»Mach dir keine Sorgen. Denk nur mal darüber nach, wenn du eine Minute Zeit hast. Was willst du wirklich?«

»Ich will, dass die Leute aufhören, mir diese Frage zu stellen.« Er lächelte, damit es nicht so schien, als würde er sie dazu drängen wollen.

Sie lachte und gab der Wange, an der ihre Hand gelegen hatte, einen Klaps. »Klugscheißer.«

»Jetzt muss ich es den gesamten Abend lang ertragen, dass Mom mich mit vernichtenden Blicken bedenkt.«

Sie grinste. »Nicht mit vernichtenden Blicken. Mit leidgeprüften Seufzern.«

»Schlimmer. Viel schlimmer.«

»Es ist eine Kunst, die ich noch zu perfektionieren suche, obwohl ich an den Kindern übe.«

Er senkte die Stimme. »Ja, tja, Rhonda scheint gut darin zu sein. Sie probiert es ziemlich oft an Mitch aus.«

Teresa spähte zu ihrer Schwester, dann sah sie Billy wieder an. »Ihn scheint es nicht zu stören. Ich glaube, Mitch braucht irgendwie eine starke Hand.«

Billy lachte leise. »Ungezogenes Mädchen.«

Die Tür zur Küche wurde aufgestoßen und seine Mutter trat mit einer Servierplatte heraus, auf der ein bereits fertig geschnittener Schinken thronte. Clarice folgte ihr mit drei Brathähnchen, die von gebackenen Tomaten und anderem Gemüse umgeben waren.

Teresa tätschelte seinen Arm. »Mom speist mal wieder die Massen – mit einer Brotrinde.« Sie ging zu Clarice, nahm ihr die Platte aus der Hand und stellte sie neben dem Schinken auf dem Tisch ab.

Sein Vater und Austin folgten ihren Nasen ins Esszimmer, während seine Mutter begann, jedem seinen Platz zuzuweisen. Sie endete mit »Billy, du und Sissy sitzt dort drüben.«

Er und Sissy? Wann zur Hölle war es Billy und Sissy geworden? Er kannte die Antwort darauf. Als er ohne Annie aufgetaucht war.

Er zog für die schöne Blonde den Stuhl hervor, was ihm ein zustimmendes Grinsen von seiner Mutter und ein breites Lächeln des Mädchens einbrachte. Sein Magen verkrampfte sich. Er war gerade erst aus dem verdammten Regen gekommen und jeder wollte ihn in die Traufe schieben. Konnte er einfach aufstehen und gehen? Sein Blick ruhte auf dem Gesicht seiner Mutter.

Okay, denk darüber nach. Sie hatte ihn gerade neben ein hübsches Mädchen gesetzt, das ihn anscheinend mochte, und er meckerte herum. Er fröstelte, griff nach dem Kartoffelpüree und bot es Sissy an.

Sie schüttelte den Kopf. »Nein, danke. Zu viele Kohlenhydrate.«

Kurz musterte er ihren Körper, der viel zu dünn für die Größe ihrer Brüste war. »Sieht nicht so aus, als hättest du in deinem Leben je Kohlenhydrate gegessen.«

Sie kicherte. »Danke.«

War das ein Kompliment? »Also, bist du an der Hochzeit beteiligt?« Er reichte ihr den Schinken und sie nahm sich ein Scheibchen. Er lud zwei große Stücke auf seinen Teller.

»Oh ja. Ich bin eine Brautjungfer. Ich glaube, Rhonda und Mitch haben getauscht. Er hat dich und sie hat mich.« Sie kicherte. »Also denke ich, dass wir zusammen den Gang zum Altar hinunterlaufen werden.«

»Oh, verstehe.« Er sah auf und wartete, während seine Mutter sich setzte.

Sie sah sich am Tisch um. »Lasst uns die Häupter zum Gebet neigen.«

Überrascht blickte Sissy auf, senkte dann jedoch bedächtig den Kopf.

Die Stimme seiner Mutter erfüllte den Raum. »Hab Dank, Herr, für diese Gabe, die du uns zuteilwerden lässt, und für das Geschenk der Familie. Mögen alle Anwesenden gesegnet sein für ihren Beitrag zu deiner schönen Welt – und für die Kinder, die sie in die nächste Generation bringen.«

Lieber Gott, töte mich auf der Stelle.

Teresa erhob die Stimme. »Und möge jeder von uns seinen eigenen Weg gemäß deines göttlichen Plans finden.«

Man konnte spüren, wie alle den Atem anhielten. Teresa hatte schon immer am meisten Mut gehabt. Interessanterweise wurde sie auch am meisten von ihrer Mutter respektiert.

Billy starrte auf die Tischdecke. Schließlich sagte seine Mutter: »Danke, Teresa. Reichst du das Hühnchen weiter?«

Das kollektive Aufatmen war hörbar.

Billy gab einige andere Schüsseln weiter und aß zwischendurch ein paar Bissen. Er war hungrig, doch das üblicherweise großartige Essen seiner Mutter schmeckte wie Sand.

Seine Mutter bedachte Sissy mit einem Blick, als würde sie ihren Marktwert abschätzen. »Also, Sissy, was machst du beruflich?«

Sie lächelte und tupfte sich die Lippen ab. »Ich bin in der Modebranche tätig.«

»Oh, wirklich? Wie interessant. Was genau machst du denn in der Modebranche?«

»Ich arbeite für einen Stylisten in L.A. Alexander Longstory. Er ist sehr berühmt. Wir kreieren die neuesten Trends für Filmstars und Sänger und solche Leute. Wir helfen dabei, ihre Frisuren auszusuchen und, Sie wissen schon, ihren gesamten Look. Wenn man sie auf dem roten Teppich sieht?« Sie wedelte mit ihrer Gabel. »Das war ich. Oder zumindest hatte ich etwas damit zu tun.«

Rhonda schaltete sich ein. »Sissy hat mir von meinem Hochzeitsstylisten erzählt und mir geholfen, ihn auszusuchen.«

Seine Mutter hob eine Augenbraue. »Hochzeitsstylist?«

Sissy strahlte. »Oh ja, sie hat sich Shaz ausgesucht – Chase Phillips! Es gibt niemand Besseren. Und er war die perfekte Wahl, weil er eine totale Diva ist und Laguna Beach niemals verlassen würde. Er lässt all seine Klienten zu sich kommen, was sie bereitwillig tun, glaubt mir! Aber wie auch immer, es ist einfacher für Rhonda, als nach L.A. zu gehen, und ich war begeistert, als er zugestimmt hat, mit ihr zu arbeiten.«

»Und was tut dieser Mann für dich, Rhonda?« Die Lippen seiner Mutter bildeten eine schmale Linie. Obwohl Mitch und seine Familie den Großteil der Hochzeit bezahlten, befürwortete seine Mutter nichts, was sie als Verschwendung empfand.

Rhondas Augen funkelten. »Er ist unglaublich. Er hat die Kleider der Brautjungfern ausgesucht und es geschafft, etwas zu finden, das nicht wie jedes andere gewöhnliche Kleid aussieht. Du weißt es, du hast sie gesehen. Er hat die Smokings der Trauzeugen ausgewählt und hat ein Auge auf all die Farbabstimmungen. Außerdem wird er sich bei der Hochzeit um die Frisuren und das Make-up kümmern. Nicht er persönlich, weißt du, sondern sein Team. Ihr werdet ihn sehr bald kennenlernen. Er wird ein großes Beratungsgespräch für die gesamte Hochzeitsgesellschaft ausrichten. Er ist ein absoluter Schatz. Ihr werdet ihn verehren.«

Billy runzelte die Stirn. »Nicht die Männer.«

Seine Mutter warf ihm einen kurzen Blick zu. »Was?«

»Ich habe zu Rhonda gesagt, dass ihre Diva nicht die Männer stylen wird, oder?«

Rhonda lächelte. »Oh doch. Er wird sich um jeden kümmern.«

»Das erscheint mir irgendwie komisch.«

Sissy ergriff ihn am Arm. »Oh nein, du wirst es lieben. Als würde man total verhätschelt werden, weißt du? Du wirst dich kaum wiedererkennen, wenn er mit dir fertig ist.«

Das war es, was er befürchtete. Er sah auf und entdeckte, dass seine Mutter und Rhonda eine stille Unterhaltung mit vielsagenden Blicken führten. Scheiße. Ganz schlecht.

Er versuchte, sich mit Sissy zu unterhalten und etwas zu essen, aber ihm war zu warm und der Raum schien sich um ihn herum zusammenzuziehen. Wenigstens war die Aufmerksamkeit wieder auf Rhonda und Mitch gerichtet. Alle unterhielten sich. Er tat so, als würde er zuhören, und rutschte auf seinem Stuhl hin und her, bis seine Mutter ihm einen tadelnden Blick zuwarf.

Sobald es so aussah, als hätten die meisten das Essen beendet, sprang er auf und begann abzuräumen. Als er einen Armvoll Geschirr in der Spüle abgestellt hatte, folgten ihm sein Vater und Austin mit weiteren Tellern, sodass Billy sie abspülte und die Spülmaschine füllte, bevor er begann, die Töpfe und Pfannen abzuwaschen. Während er am Spülbecken stand, konnte er endlich einmal durchatmen.

Was zum Teufel stimmte nicht mit ihm?

Er wollte einfach nur nach Hause. Dieser Tag war beschissen und er hatte die Nase gestrichen voll davon.

Als der letzte Teller in der Spülmaschine verschwand, war er mit den Töpfen fertig. Er starrte ins Spülbecken und das Licht auf dem Edelstahl zwinkerte zurück. Warum zur Hölle konnte er nicht nach Hause gehen, wenn er das wollte?

Sorgsam trocknete er sich die Hände ab, dann stiefelte er aus der Küche. Die meisten der Gesellschaft waren ins Wohnzimmer gegangen, doch seine Mom und Rhonda standen in dem Durchgang zwischen den beiden Räumen zusammen und planten offensichtlich eine Verschwörung, wahrscheinlich gegen ihn.

Sei tapfer. Mit einem aufgesetzten Lächeln marschierte er zu den beiden Frauen hinüber. »Hey Leute, es tut mir leid, dass ich nur aufräume und dann gehe. Ähm, ich muss später noch wohin, also sage ich jetzt Gute Nacht.«

Seine Mutter runzelte die Stirn. »Wo musst du denn nachher hin? Du hast dich gerade von deiner Freundin getrennt.«

Zähl bis zehn. »Ich muss nach Hause. Ich habe seit 6 Uhr morgens gearbeitet und bin danach direkt hierhergekommen. Na ja, nachdem ich einen Kaffee hatte und ein Danke, aber Nein danke von Annie bekommen habe. Ich gehe.«

»Wenn du zu Hause wohnen würdest, statt für diese teure Wohnung zu bezahlen, könntest du es dir leisten, dich besser zu kleiden.«

Er riss die Augen auf. Was zur Hölle? Sie wollte wirklich dieses Thema anschneiden, obwohl er die Hälfte von dem, was er verdiente, seinen Eltern gab? Tja, verdammt. Das konnte er nicht sagen. Er konnte es nicht. Er starrte sie nur an und sah die Erkenntnis in ihren Augen.

Sie sah weg. »Außerdem wollen deine Schwester und ich mit dir reden. Wir haben uns ein paar Gedanken gemacht.«

Rhonda lächelte und legte ihm eine Hand auf den Arm. »Ja, Kleiner. Wir wollen nur eine Minute mit dir reden, dann kannst du nach Hause gehen.«

Sein Blick traf den seiner Schwester. Seit er 16 war, hatte er gearbeitet, um dabei zu helfen, sie durchs College zu bringen. Nein. Er schüttelte den Kopf. »Entschuldigt, ich muss jetzt gehen. Ruft mich morgen an.« Er wandte sich ab und ging zur Tür.

Rhonda rief: »Aber Billy, warte…«

Nein, verdammt. Als er die Eingangstür öffnete, hörte er seine Mutter sagen: »Er muss wegen Annie doch mehr aus der Fassung sein, als wir dachten.«

Kapitel 3

Scheiße! Er fühlte sich beschissen. Auf dem Parkplatz seiner Wohnung zog Billy den Schlüssel aus dem Zündschloss und ließ seinen Kopf auf das Lenkrad fallen. Warum war er so gemein zu seiner Mutter und seiner Schwester gewesen? Noch nie hatte er etwas für sie getan, das er nicht tun wollte. Er sollte sie anrufen und sehen, was sie mit ihm hatten besprechen wollen.

Der Gedanke allein bewirkte, dass sich ihm der Magen umdrehte. Später.

Er stieg aus seinem Pick-up, schaute bei den Briefkästen vorbei, stieg dann die Treppen zu seiner Wohnung im dritten Stock im südlichen Laguna empor und schloss die Tür auf. Die Wohnung war alt und schon ziemlich heruntergekommen gewesen, als er sie gemietet hatte, doch er hatte den Vermieter Mr. Kersey dazu überredet, die Miete zu senken, wenn er auf eigene Kosten ein wenig renovierte. Er hatte die alten Rohrleitungen wieder auf Vordermann gebracht, die Wände gestrichen, ein paar Bücherregale gebaut und den Boden neu lackiert. Als er in den Gebrauchtwarenläden auf der Jagd gewesen war, hatte er sogar einen großen, alten Tisch nach Bauart der 1950er gefunden und zwei Stühle, bei denen er es geschafft hatte, sie neu zu polstern. Sie war zwar nichts Besonderes, aber er liebte seine Wohnung dennoch. Sie fühlte sich wie die einzige Sache an, die ihm gehörte.

»Merwaor.«

»Mewr.«

»Hallo, Leute.«

Er ging in die Hocke, um die Jungs zu begrüßen. Clancy glitt unter seine Beine, um sein Lieblingsspiel Billy aus dem Gleichgewicht bringen zu spielen. Tatsächlich brachte der große, orange getigerte Kater ihn mit einigen Stößen gegen die Knie ins Wanken. Er landete auf seinem Hinterteil und die Post verteilte sich auf dem Boden, woraufhin beide Katzen auf seinen Schoß kletterten und an ihm schnupperten. Der schlanke, schwarze Yerby, der immer der Neugierigere von beiden war, balancierte mit seinen Vorderpfoten auf Billys Knien und streckte sich, um seinen Atem zu riechen.

»Entschuldigt. Ich weiß, ich hatte Schinken und habe euch keinen mitgebracht.« Er war so verdammt gereizt gewesen, dass er die Jungs vergessen hatte.

»Merwowr.«

»In Ordnung, ich gebe euch gleich was.« Er sammelte die Post zusammen, hob die pelzigen Körper von sich herunter und stand auf. Schnell überflog er den Papierstapel. Rechnungen, ein Handwerkskatalog und der Beach City-Werbeflyer. Sein Blick blieb daran hängen und er legte den Rest der Briefe auf den niedrigen Tisch im Flur, um durch die Seiten zu blättern. Überwiegend waren es Werbeanzeigen für Massagesalons und Immobilien. Eine Monstertruck-Rallye und – er blätterte schnell weiter und dann wieder zurück. Anthony's. Nur ein kleines Wort. Er war nur ein Mal dort gewesen. Ein einziges Mal. Das bedeutete nicht… Scheiße. Das bedeutete einen Scheiß. Ich frag mich, ob der Rotschopf aus dem Coffeeshop da wohl hingeht?

Er warf die kleine Broschüre auf den Rest des Stapels und ging in sein Schlafzimmer, um seine Jeans gegen eine Jogginghose zu tauschen. Was für einen gehobenen Lebensstil er doch pflegte. Er warf einen Blick in den Walmart-Spiegel, der an der Schranktür hing. Alle gingen ihm wegen seiner Klamotten auf die Nerven. Verdammt, viele Kerle scherten sich nicht um Klamotten. Warum war er etwas anderes? Sah er wirklich so schlecht aus? Kleidung in XL-Größe mit einer 85-Zentimeter-Taille war schwer zu finden und zudem teuer. Außerdem würde er sich die Frauen nicht vom Leib halten können, wenn er sich in Schale warf.

Er hielt inne. Ernsthaft? Er wollte sich die Frauen vom Leib halten? Na ja, ja, zumindest die falschen Frauen.

Er brauchte ein Bier.

»Merwaor.« Clancy saß in der Tür zum Schlafzimmer. Zweifellos ließ der Kater seine Krallen gegen das Parkett klacken.

»Okay, okay. Truthahn und Nudeln sind schon unterwegs.« Mit beiden Katzen im Schlepptau betrat er die Küche und nahm eine Flasche Bier aus dem Kühlschrank, zusammen mit dem aufgetauten Katzenfutter, das er auf zwei Schüsseln aufteilte. Nachdem er sie auf die dafür vorgesehenen Platzsets auf dem Boden neben dem Kühlschrank gestellt hatte, setzte er sich an den Küchentisch und starrte seinen Laptop an, während er sein Bier trank. Sein Bein federte auf und ab. Beruhig dich.

Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück und nippte an seinem Bier. War es Annie, die ihn nervte? Der Scheiß, den sie gesagt hatte? Dass der Sex mit ihm ganz nett war, aber… Dass ihr Hund auch ein ganz Süßer war, sie jedoch nicht mit ihm schlief. Am Ende lief es doch immer nur auf den Sex hinaus. Und auf Liebe. Liebe ich Annie? Wie fühlt sich Liebe überhaupt an? Er fand sie ganz nett. Er schnaubte. Ja genau, nett. Die Wahrheit war, dass der Sex mit ihr gar nicht so toll gewesen war.

Wann hatten sie es das letzte Mal getan? Vor vielleicht einer Woche, weil sie ein Drama daraus gemacht und gesagt hatte, dass es einen Monat her war, dass sie es zuletzt getan hatten. Scheiße. Er hatte versucht ihr klarzumachen, wie müde er war, doch so alt war er nicht. Sollte er es nicht die ganze Zeit tun wollen wie die anderen Kerle auch?

Er nahm einen Schluck von seinem Bier. Es schmeckte bitter und er stand auf und spuckte es ins Spülbecken.

Eigentlich wollte er es tun, nur eben nicht mit ihr. Diese Nacht war beschissen gewesen. Er hatte versucht, hart zu bleiben, während er in sie stieß, und sie hatte sich in dem Versuch, einen Orgasmus zu bekommen, an ihm gerieben. Letztendlich hatte sie sich auf ihn gesetzt und ihn gefickt, bis sie gekommen war. Es war peinlich gewesen. Er hatte einen Orgasmus vorgetäuscht, den er nicht gehabt hatte.

Sie hatte recht. Ihr Sex war beschissen gewesen. Warum hatte er das nicht eingesehen?

Weil du es nicht sehen willst.

Drei große Schritte brachten ihn von der offenen Küche ins Wohnzimmer. Er hielt inne, kehrte noch einmal zurück, griff nach dem Laptop und trug ihn hinüber zum Sofa. Für Sex brauchte er sie nicht.

Mit wenigen Klicks fand er zu seiner geheimen Pornosammlung. Jeder Mann hatte so eine, oder?

Seine beiden Fellknäuel flanierten durch das Wohnzimmer und sprangen auf ihren Lieblingsstuhl. Während sie sich unaufhörlich die Pfoten leckten, machten sie es sich als Ball aus Orange und Schwarz bequem, als wäre für sie immer Halloween. Scheiße, diese Katzen mussten schwul sein. Zwischen den beiden lief eindeutig mehr ab, als nur eine Bromance.

Okay, auf geht's. Er scrollte durch die kurze Liste seiner Sammlung. Blowjobs. Ja. Große Schwänze. Der ist gut. Er klickte ihn an.

Der Clip startete in der Mitte, wo er letztes Mal aufgehört hatte. Der Pornostar versenkte seinen gewaltigen Penis in die Scheide der Frau. Wieder und wieder. Sieh dir diesen Schwanz an. Gott. Wie es sich wohl anfühlen würde, wenn etwas von dieser Größe in dich reinrammt? Tut wahrscheinlich höllisch weh. Sein eigener Penis kam diesem in Länge und Umfang ziemlich nah. Noch nie hatten sich Frauen beschwert, aber tat er ihnen weh? Er erschauderte.

Wenigstens spürte er, dass sein eigener Schwanz zum Leben erwachte. Gut. Denn der Sex, den er mit Annie gehabt hatte, war nicht ganz nett gewesen. Nicht mal annähernd nett.

Er stoppte das Große Schwänze-Video und wechselte hinüber zum Blowjob. Der Clip, den er gestartet hatte, zeigte zwei Frauen, die es einem Kerl besorgten. Eine saugte und die andere leckte seine Hoden. Ja, über Blowjobs wusste er Bescheid. Er schloss die Augen. Dieses eine Mal war episch gewesen. Klar, ergibt ja auch Sinn. Willst du einen Blowjob, geh zum Experten. Männer wissen, wie man einen bläst. Er rutschte unruhig hin und her. Scheiße, der Mund von diesem Typen. Wie ein richtig teurer Staubsauger hatten diese Lippen seinen Saft aus ihm rausgesaugt, bis er beinahe ohnmächtig geworden war. Verdammt. Ja. Er sollte nicht daran denken, aber er hatte so wenige großartige Blowjobs erlebt, mit denen er es hätte vergleichen können. Es war schwer, das zu vergessen.

Okay. Er war lange genug brav gewesen. Aber dieses Mal. Einmal noch. Nur für seinen Orgasmus.

Er stützte den Computer auf dem Polster ab, öffnete die Augen, lehnte sich zurück und zog seinen halb erigierten Schwanz aus seiner Jogginghose. Mit der anderen Hand fischte er das Gleitgel aus dem hinteren Teil der Schublade des Beistelltischs.

Da ist nichts Falsches daran.

Dann startete er das letzte Video auf der Liste, welches er seit Monaten gemieden hatte, und begann, seinen Schwanz mit glitschigen Händen heftig zu streicheln. Es würde nicht lange dauern. Er sollte es sich nicht ansehen, aber wem tat es weh? Scheiße, er hatte noch nicht einmal mehr eine Freundin. Das war sein Schwanz, oder? Sein fester Griff quetschte seinen Penis zusammen.

Unverwandt starrte er auf den Bildschirm. Gott, ja. Seine Hände bewegten sich schneller und schneller. Er atmete so schwer, dass es in seiner Brust schmerzte, und seine Hüften bewegten sich auf und ab und auf und ab, während sie seinen Schwanz durch seine zusammengepressten Handflächen zwangen. Oh yeah, Mann. Ja. Endlich. Ja. Hitze wallte in seinen Hoden auf wie in einem lang erloschenen Vulkan. Seine Augen wollten sich schließen, doch er wollte nicht aufhören, zuzusehen.

Ja. Da. Fast da.

»Ahhhh!« Sperma schoss aus seinem steinharten Schwanz, als er in seinen Händen kam, während sein Blick starr auf das Bild des großen, dunkelhaarigen Cowboys gerichtet war, der den Arsch eines hübschen, kleinen, rothaarigen Mannes fickte.

Lady Gagas Edge of Glory drang an sein Ohr. Verdammt. Schluss jetzt.

Er streckte die Hand aus und griff einige Male am Rand des Beistelltischs ins Leere, bis er endlich sein Handy zu fassen bekam. Seine Finger fanden die Stummtaste und er drückte sie. Frieden. Er versuchte, sich auf die andere Seite zu drehen. Schwer.

»Merwaorwr.«

»Mewr.«

Krallen gruben sich in seine Brust, als das Gewicht sich erhob und dann verschwand. »Schlaft weiter.« Er rollte sich herum, bis sein Gesicht und sein Körper gegen die Sofalehne gepresst wurden. Autsch. Sein Schwanz tat weh. Schlafen. Autsch.

Ach, verdammt. Langsam drehte er sich auf den Rücken und starrte an die Decke. Dann spähte er zur Seite. Clancy und Yerby sahen ihn an, als könnten sie ihm allein mit Willenskraft befehlen, den Thunfisch aufzumachen. »Haltet durch, Jungs.«

Oh Mann. Das ist kein Kater. Er hatte gerade mal eine halbe Flasche Bier getrunken. Doch hier lag er vollständig bekleidet mit schmerzenden Knochen auf seinem Sofa und fühlte sich, als hätte ihm jemand in die Eier getreten. Das war wohl er gewesen. Er hatte sich das selbst angetan.

Er schwang die Beine zur Seite, setzte sich auf dem Rand des Sofas auf und ließ den Kopf hängen. Vier Augen starrten zu ihm hinauf. »Geht und öffnet sie selbst.«

Drei Mal. Er hatte es sich drei Mal bis zur Ohnmacht besorgt, während er diesen verdammten Porno wieder und wieder abgespielt hatte. Gab es eine Zeile, die nicht in sein Hirn gemeißelt worden war? Jedes Oh, oh, oh. Fick mich härter hatte sich in seine Erinnerung gebrannt. Gott, Ballew. Ja, die Betonung lag auf Gott. Wenn er allerdings fürs Masturbieren in die Hölle wandern sollte, würde er wenigstens jeden männlichen Erdenbewohner mitnehmen.

Natürlich hatte er nicht nur masturbiert; er hatte sich zu einem Schwulenporno einen runtergeholt. Worum geht es hier verdammt noch mal? Die Wahrheit? Ihm war bereits so oft von so vielen Frauen übel mitgespielt worden, dass ihm die Idee, einen netten, unkomplizierten Mann zu ficken, irgendwie gar nicht so schlecht vorkam. Na ja, nicht ernsthaft, aber die Theorie war verlockend. Und nein, diese Offenbarung würde er nicht mit den Jungs von der Baustelle teilen.

Das Klopfen an seiner Tür erschreckte ihn fast zu Tode.

Wer zum Teufel?

Niemand kam hierher. Er gab seine Adresse nicht sehr häufig weiter. Kein Poker mit den Jungs oder Schäferstündchen mit den Mädchen. Seine Wohnung. Seine. Wer war das?

Das Klopfen wiederholte sich.

Scheiße!

Er sprang auf. »Ja?« Bei dem lauten Klang seiner Stimme blickten die Katzen auf.

»Billy, hier ist Jim.« Die Stimme drang durch die Tür.

Jim. Billy sah sich um, griff nach dem Laptop, schloss ihn nachdrücklich und schob ihn auf den Beistelltisch. Gleitgel. Scheiße. Er stopfte die offene Tube in die Schublade und taumelte dann hinüber zur Eingangstür. Wie sehr roch er nach Sex? Verdammt, seine Jogginghose hing noch halb zwischen seinen Knien. Er zog sie hoch und öffnete dann die Tür. »Hi. Sorry, hab verschlafen.« Mit einer Hand fuhr er sich durch die Haare.

Jim Carney war ein wenig älter als er und ein guter Kerl, auch wenn er manchmal etwas von einem Spürhund hatte. Er grinste. »Entschuldige. Mein Pick-up hat schlapp gemacht. Ich war gerade in der Nähe und hab mich an deine Adresse erinnert. Dachte, dass ich vorbeischauen und nach einer Mitfahrgelegenheit fragen könnte.«

»Oh, klar.« Er spähte über die Schulter. Es fühlte sich seltsam an, jemanden hier zu haben. »Komm rein. Ich muss noch meine Katzen füttern und kurz duschen, wenn du warten willst.«

»Sicher. Zum Laufen ist es zu weit und außerdem die ganze Zeit bergauf.« Er trat ein. »Du hast Katzen?«

Billy sah Jim an. Er hatte ein hart konturiertes Gesicht und eine gebrochene Nase, was manchen Frauen gefiel. »Ja, ich hab zwei. Magst du Katzen?«

»Nein. Find's nur irgendwie witzig, dass du sie magst.« Er knuffte Billys Schulter. »Du verrückte Katzenlady, du.«

Tja, scheiß drauf. »Fühl dich wie zu Hause.« Oder so. Mit den Jungs auf den Fersen ging er in die Küche und schaufelte etwas Katzenfutter auf die beiden Teller. »Bitte schön, Jungs.« Er erhob die Stimme. »Lasst euch von Katzenhassern nicht den Tag vermiesen.«

Aus dem Wohnzimmer erklang Jims Lachen. »Nette Bleibe hast du hier. Meine Güte, Alter, was bist du, ein verkappter Raumausstatter?«

Billy runzelte die Stirn und gesellte sich zu ihm ins Wohnzimmer. »Nein, ich habe nur gerne eine schöne Wohnung.«

»Aber du bist so verdammt ordentlich.« Er hielt den gläsernen Globus in den Händen, den Billy auf einem Hinterhofflohmarkt gefunden hatte.

»Und?« Er griff nach dem Globus und stellte ihn zurück ins Regal.

»Nichts. Kein Wunder, dass die Frauen auf dich fliegen.«

»Ich geh kurz unter die Dusche.« Er ging in Richtung Schlafzimmer, hielt kurz inne, um sich den Laptop zu schnappen, und betrat dann den Raum – klein mit einem großen Bett.

Schnell warf er einen Blick auf seine Uhr, die unbeirrt an seinem Handgelenk tickte. Doppelte Scheiße. Wenn er sich nicht beeilte, würden sie beide zu spät zur Arbeit kommen. Samstagsschichten eigneten sich gut, um zusätzliches Geld zu verdienen, aber nur, wenn er auch da war.

Er trat unter den Wasserstrahl. Zu kalt. Er rasierte sich so schnell, dass er sich dabei schnitt, zog sich endlich etwas an und eilte zurück ins Wohnzimmer. Jim saß auf dem Sofa und hielt ein Buch in den Händen, während die beiden Katzen ihn von der anderen Seite des Raums anstarrten. Er starrte zurück. Billy lachte. »Haben sie dich in die Ecke getrieben?«

»Scheiße, Mann, die zwei sind echt unheimlich. Was sind das, Ninja-Katzen?«

Billy setzte sich und schlüpfte in seine Arbeitsstiefel. Er nickte in Richtung Buch. »Was hast du dir geholt?«

Jim hielt es hoch. »Das ist harter Stoff, Alter.« Das Exemplar von Jane Eyre ließ seine Hand beinahe absacken.

Billy versuchte, ein Stirnrunzeln zu verhindern. »Ich lese einfach gerne. Ich hatte nicht die Möglichkeit, so lange zur Schule zu gehen, also lese ich, okay?« Er verschwieg, dass er las, weil es ein verdammtes Geschenk war, es endlich zu können.

Jim legte das Buch weg und stand auf. »Du bist echt anders, weißt du?«

»Vielen Dank auch.«

»Ich will damit nicht sagen, dass das schlecht ist. Du bist einfach… nicht wie die meisten anderen Kerle.«

Mann, er hatte es satt, das zu hören.

Er kniete sich nicht hin, um sich von den Jungs zu verabschieden, denn das wäre mit Sicherheit zu viel anders gewesen. Hoffentlich pinkelten sie nicht aufs Bett, um ihn zu strafen.

Wie ein Irrer raste er durch die Stadt und erreichte die Baustelle drei Minuten vor sieben. Jim machte sich daran, die elektrischen Anschlüsse zu vervollständigen, während Billy den Einbau der Küche beaufsichtigte.

Eineinhalb Stunden später hämmerte er den letzten Schrankrahmen an seinen Platz und trat einen Schritt zurück. Das fast vollendete, komplett neu gestaltete, dreistöckige Haus in Laguna erhob sich um ihn herum.

»Billy, Achtung!«

Er hob eine Hand und fing das metallene Maßband aus der Luft. »Danke, Charlie.« In einem kräftigen Zug ließ er das Band abrollen und legte es über die Lücke zwischen den Schränken. »Hab's dir gesagt. Auf den Zentimeter genau. Der Kühlschrank sollte reinpassen, außer es hat jemand bei den Angaben zu den Haushaltsgeräten Mist gebaut.«

Raoul, der gerade neben Jim die Trockenbauwand der neuen Küche gegenüber fertigstellte, beugte sich hinab. »Hey, Billy, warum arbeitest du für jemand anderen, Alter? Warum holst du dir nicht deine Unternehmerlizenz und machst dein eigenes Ding, Alter? Ich würd für dich arbeiten.«

Charlie, einer der Tischler, legte einen Finger an die Lippen. »Shhh. Heikles Thema.«

Herrgott noch mal. Sein Versagen war so bekannt. »Bin halt einfach kein Mensch für die Schule, weißt du?« Er zuckte mit den Schultern und grinste, doch der Schmerz zog sich quer durch seine Brust. »Bin zu dumm zum Studieren.«

Raoul hob die Schultern. »Kommst mir schlau vor, Alter.«

»Ihr Dumpfbacken lasst mich bloß wie ein Genie wirken, das ist alles.« Er rang sich ein Lachen ab und floh in den größeren Raum, um die Arbeit des Teams für die Trockenbauwand dort zu beaufsichtigen.

»Yo, Ballew.«

Billy sah auf. Jim kletterte gerade eine weitere Leiter in Richtung der offenen Balkendecke empor. »Yo, Carney.«

»Ich und ein paar der Jungs gehen nach der Arbeit noch ein Bier trinken. Danach bringen sie mich nach Hause, du brauchst mich also nicht zu fahren. Willst du auf einen Drink mitkommen?«

»Kann nicht. Hab noch Little League-Training.«

Hans, einer der Trockenbauer, rief: »Bist nicht gut genug für die Leagues der Großen, was, Ballew?«

Billy zeigte ihm den Mittelfinger.

Jim lachte. »Wenn du mit deiner gemeinnützigen Arbeit fertig bist, komm noch vorbei. Wir werden noch da sein. Im Bay. Du kennst uns ja.«

Ja, das tat er. Er liebte diese Jungs, aber mit ihnen rumzuhängen, fühlte sich seltsam an. Er wusste noch nicht einmal, wieso. »Entschuldige, ich hab danach noch was vor.«

»Hast ein heißes Date?«

Hitze breitete sich in seinem Nacken aus. »Nein, nicht so was.« Denk dir was aus. »Bloß Familienkram. Wegen dieser verdammten Hochzeit.«

Hans stemmte eine Hand an die Hüfte, was witzig aussah, weil er noch immer auf der Leiter stand. »Zur Hölle, Billy, ein großer, gut aussehender Hengst wie du? An deiner Stelle würd ich mir jede Nacht eine andere ins Bett holen.«

»Ja, na ja, ich kann nicht klagen.« Scheiße, das war so eine Lüge.