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Dieses Buch enthält folgende Western: Lee J. Slater: Wyatt Earp und das Vermächtnis der Apachen Alfred Bekker: Sonora-Geier Pete Hackett: Allgegenwärtig ist der Tod Pete Hackett: Das Gold der Sierrita-Mountains Pete Hackett: Town-Wölfe Pete Hackett: Rächer ohne Gnade Alfred Bekker: Farley und die Rancherin Alfred Bekker: Ein Reiter aus dem Nirgendwo Pete Hackett: Gunlock und die Jagd im Blizzard Jack Raymond: Der Schatten der Banditen Pete Hackett: Gunlock oder In die Hölle und zurück Die Schüsse peitschten. Toga-De-Chuz, der Apachenhäuptling, wurde herumgerissen und geschüttelt und sank schließlich tot zu Boden. Apachen, die um das Lagerfeuer saßen, sprangen auf. Geschrei kam auf. Pulverdampf wölkte und wurde vom lauen Abendwind zerpflückt. In den Gesichtern der Männer, die geschossen hatten, zuckte kein Muskel. Sie zogen sich langsam zurück und hielten die Gewehre im Anschlag. Niemand wagte es, ihnen zu folgen… Außerhalb des Feuerscheins warfen sie sich herum und begannen zu laufen. Sie verschwanden in der Nacht.
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Seitenzahl: 884
Veröffentlichungsjahr: 2025
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11 Goldene Western September 2025
Copyright
Wyatt Earp und das Vermächtnis der Apachen
SONORA-GEIER
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Allgegenwärtig ist der Tod
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Das Gold der Sierrita-Mountains
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Town-Wölfe
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Rächer ohne Gnade
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FARLEY UND DIE RANCHERIN
Ein Reiter aus dem Nirgendwo
Gunlock und die Jagd im Blizzard: Pete Hackett Western
Der Schatten der Banditen
Gunlock oder In die Hölle und zurück: Pete Hackett Western
Titelseite
Cover
Inhaltsverzeichnis
Buchanfang
Dieses Buch enthält folgende Western:
Lee J. Slater: Wyatt Earp und das Vermächtnis der Apachen
Alfred Bekker: Sonora-Geier
Pete Hackett: Allgegenwärtig ist der Tod
Pete Hackett: Das Gold der Sierrita-Mountains
Pete Hackett: Town-Wölfe
Pete Hackett: Rächer ohne Gnade
Alfred Bekker: Farley und die Rancherin
Alfred Bekker: Ein Reiter aus dem Nirgendwo
Pete Hackett: Gunlock und die Jagd im Blizzard
Jack Raymond: Der Schatten der Banditen
Pete Hackett: Gunlock oder In die Hölle und zurück
Die Schüsse peitschten. Toga-De-Chuz, der Apachenhäuptling, wurde herumgerissen und geschüttelt und sank schließlich tot zu Boden. Apachen, die um das Lagerfeuer saßen, sprangen auf. Geschrei kam auf.
Pulverdampf wölkte und wurde vom lauen Abendwind zerpflückt. In den Gesichtern der Männer, die geschossen hatten, zuckte kein Muskel. Sie zogen sich langsam zurück und hielten die Gewehre im Anschlag. Niemand wagte es, ihnen zu folgen…
Außerhalb des Feuerscheins warfen sie sich herum und begannen zu laufen. Sie verschwanden in der Nacht.
Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von
Alfred Bekker
© Roman by Author
COVER EDWARD MARTIN
© dieser Ausgabe 2024 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen
Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.
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Alles rund um Belletristik!
von LEE J. SLATER
Die Sonne brannte erbarmungslos auf die staubige Ebene von Arizona herab, während ein einsamer Reiter die Silhouette der kleinen Stadt Silver City am Horizont ausmachte. Sein Name war Wyatt Earp, und sein Ruf eilte ihm voraus wie der Wind, der den Sand über die Prärie jagte. In seinem Schatten folgte ein zweiter Reiter, hager, mit scharfen Gesichtszügen und einem Husten, der so trocken war wie der Boden unter ihren Pferdehufen: Doc Holliday.
Silver City war nicht viel mehr als eine Ansammlung aus windschiefen Holzhäusern, einem Saloon, einer Schmiede und einer kleinen Kirche, deren weiß gestrichener Turm sich trotzig gegen den Himmel reckte. Doch in den letzten Wochen war das Städtchen zum Zentrum von Gerüchten geworden. Gold, so hieß es, sei in den Hügeln gefunden worden, und mit dem Gold kamen die Glücksritter, die Gauner und die Gesetzlosen. Und mit ihnen kam das Unheil.
Wyatt Earp zog die Zügel seines Pferdes an, als sie den Rand der Stadt erreichten. Staub wirbelte auf, als die Tiere stehenblieben. Wyatt schob den Hut tiefer ins Gesicht und warf einen Blick zu Doc, dessen Augen trotz der Schwäche seines Körpers vor Intelligenz blitzten.
„Was meinst du, John?“, fragte Wyatt leise, während er die Hauptstraße musterte, auf der sich ein paar Männer herumtrieben, die zu viel Zeit und zu wenig Arbeit hatten.
Doc grinste schief. „Ich meine, Wyatt, dass wir entweder ein Vermögen machen oder mit einem Loch im Bauch wieder abziehen. Aber das ist ja nichts Neues für uns.“
Wyatt schnaubte. „Ich hab nicht vor, hier zu sterben. Nicht heute.“
Sie ritten weiter, die Blicke der wenigen Passanten folgten ihnen misstrauisch. Wyatt wusste, was sie dachten. Zwei Fremde, bewaffnet, mit Gesichtern, die mehr gesehen hatten, als ein Mensch ertragen sollte. Doch Wyatt war nicht gekommen, um Ärger zu machen. Nicht diesmal. Er war gekommen, weil ihn ein Brief erreicht hatte – ein Hilferuf von einem alten Freund, der nun Marshal in Silver City war.
Sie banden die Pferde vor dem Saloon an, dessen Schild im Wind quietschte. Wyatt klopfte sich den Staub von der Weste und trat ein, Doc dicht hinter ihm. Im Inneren war es dunkel, nur wenige Gäste saßen an den Tischen. Hinter dem Tresen polierte ein dicker Mann mit Glatze die Gläser, als wollte er den Staub aus der ganzen Stadt vertreiben.
Wyatt trat an die Theke. „Whiskey. Zwei.“
Der Wirt stellte die Gläser hin, musterte die beiden Männer und sagte dann leise: „Ihr seid nicht von hier.“
Doc lachte trocken. „Ein scharfer Beobachter. Sagen Sie, Marshal Johnson – ist er hier?“
Der Wirt zuckte zusammen. „Der Marshal? Der ist…“ Er brach ab, warf einen Blick zu einem der Tische, an dem drei Männer in staubigen Mänteln saßen. „Der ist im Büro. Aber ich würd’ euch raten, euch nicht einzumischen.“
Wyatt nahm einen Schluck Whiskey, stellte das Glas ab. „Wir sind nicht zum Spaß hier.“
Doc grinste. „Noch nicht.“
Ohne ein weiteres Wort verließen sie den Saloon und gingen die Straße hinunter zum kleinen Büro des Marshals. Die Tür stand offen, und drinnen saß ein Mann mittleren Alters hinter einem Schreibtisch, das Gesicht von Sorgenfalten durchzogen. Als er Wyatt sah, stand er auf und kam ihm entgegen.
„Wyatt! Bei Gott, ich hätte nicht gedacht, dass du wirklich kommst.“
Wyatt reichte ihm die Hand. „Marshal Johnson. Dein Brief klang, als hättest du Ärger.“
Johnson nickte, sein Blick wanderte zu Doc, der sich mit einem Husten auf einen Stuhl fallen ließ. „Und wie. Seit das Gerücht vom Gold die Runde macht, ist Silver City nicht mehr sicher. Es gibt Überfälle, Schießereien, und jetzt…“ Er zögerte.
Wyatt setzte sich ihm gegenüber. „Jetzt was?“
Johnson beugte sich vor, die Stimme gesenkt. „Vor drei Tagen ist eine Postkutsche verschwunden. Mit ihr vier Männer und eine Kiste, die für den Minenbesitzer bestimmt war. Niemand hat sie gesehen, niemand weiß, wohin sie verschwunden sind. Aber gestern Nacht…“ Er schluckte. „Gestern Nacht hat jemand einen Zettel an meine Tür genagelt. Kein Gold für Silver City, stand da. Und ein Zeichen, das ich nicht kenne.“
Er zog ein Stück Papier aus der Schublade und schob es Wyatt zu. Es war ein grob gezeichneter Kreis, in dessen Mitte ein Pfeil nach unten zeigte.
Doc nahm das Papier, betrachtete es. „Sieht aus wie ein Indianerzeichen. Aber ich hab so was noch nie gesehen.“
Wyatt runzelte die Stirn. „Wer wusste von der Kiste?“
Johnson zuckte die Schultern. „Nur ich, der Minenbesitzer und der Kutscher. Aber das reicht hier, um ein Dutzend Leute zu alarmieren. Die Gier ist wie ein Lauffeuer.“
Wyatt stand auf. „Wir sehen uns die Stelle an, wo die Kutsche verschwunden ist.“
Johnson nickte. „Ich bringe euch hin. Aber seid vorsichtig. Die Männer, die das getan haben, sind keine gewöhnlichen Banditen.“
Sie verließen das Büro, und Wyatt spürte die Blicke der Stadtbewohner, die sich hinter Gardinen und Fenstern verbargen. Silver City war eine Stadt am Abgrund, und Wyatt wusste, dass sie nur einen Funken brauchte, um in Flammen aufzugehen.
Die Sonne stand schon tief, als sie die Stelle erreichten, an der die Kutsche zuletzt gesehen worden war. Die Straße führte durch eine enge Schlucht, die von Felsen und Gestrüpp gesäumt war. Hier und da lagen Spuren von Hufen und Rädern im Staub, doch sie endeten abrupt an einer Stelle, wo der Boden aufgerissen war.
Wyatt kniete sich hin, untersuchte die Spuren. „Hier haben sie angehalten. Sieht aus, als hätten sie die Kutsche hier verlassen.“
Doc trat neben ihn, sah sich um. „Oder sie wurden gezwungen.“
Johnson deutete auf einen Fleck am Boden. „Da – Blut.“
Wyatt nickte. „Hier hat jemand gekämpft.“
Er folgte den Spuren, die in das Gestrüpp führten. Die Sonne warf lange Schatten, und die Luft war erfüllt vom Zirpen der Grillen. Wyatt spürte, wie sich die Anspannung in ihm aufbaute. Er kannte dieses Gefühl – das leise Prickeln, das ihm sagte, dass Gefahr in der Luft lag.
Plötzlich blieb Doc stehen. „Da vorne – sieh mal.“
Zwischen den Büschen lag ein Hut, zerrissen und blutverschmiert. Wyatt hob ihn auf, betrachtete das Innenfutter. „Das ist der Hut des Kutschers.“
Johnson trat näher, seine Stimme zitterte. „Glaubst du, sie sind tot?“
Wyatt schüttelte den Kopf. „Nicht alle. Die Spuren führen weiter. Sie wurden vielleicht verschleppt.“
Sie folgten den Spuren, die sich durch das Dickicht zogen, immer tiefer in die Schlucht hinein. Die Felsen warfen dunkle Schatten, und Wyatt spürte, wie sich die Kälte der Nacht ankündigte. Plötzlich hörten sie ein Geräusch – ein leises Stöhnen.
Wyatt zog seinen Revolver, Doc tat es ihm gleich. Sie schlichen sich voran, bis sie einen Mann entdeckten, der an einen Baum gefesselt war. Sein Gesicht war blutverschmiert, das Hemd zerrissen.
Johnson stürzte vor. „Das ist Billy, der Kutscher!“
Wyatt kniete sich zu ihm, schnitt die Fesseln durch. „Billy, was ist passiert?“
Der Mann hustete, spuckte Blut aus. „Sie… sie kamen aus dem Nichts. Maskiert. Einer hatte eine Narbe über dem Auge. Sie haben die Kiste genommen… und die anderen mitgeschleppt. Ich… ich konnte entkommen.“
Wyatt sah Johnson an. „Kennst du jemanden mit einer Narbe über dem Auge?“
Johnson nickte langsam. „Vielleicht. Es gibt da einen Mann… nennen ihn Red Jack. Ein Desperado, der schon in Tombstone gesucht wurde.“
Doc schnaubte. „Red Jack? Der hat mehr Leben als eine Katze.“
Wyatt stand auf, steckte den Revolver weg. „Wir bringen Billy zurück in die Stadt. Und dann suchen wir Red Jack.“
Die Nacht war hereingebrochen, als sie in Silver City ankamen. Die Straßen waren leer, nur das Licht aus dem Saloon warf einen schwachen Schein auf den staubigen Boden. Wyatt brachte Billy ins Büro des Marshals, wo er versorgt wurde.
Doc setzte sich auf die Veranda, zündete sich eine Zigarette an und blickte in die Dunkelheit. „Was meinst du, Wyatt? Ist das nur ein Überfall, oder steckt mehr dahinter?“
Wyatt lehnte sich an den Türrahmen. „Red Jack ist kein gewöhnlicher Bandit. Und das Zeichen… das gefällt mir nicht.“
Doc blies den Rauch aus. „Vielleicht ist es eine Warnung. Oder eine Botschaft.“
Wyatt nickte. „Wir werden es herausfinden. Aber zuerst müssen wir Red Jack finden.“
In diesem Moment näherte sich eine Gestalt aus der Dunkelheit. Ein Junge, vielleicht zwölf Jahre alt, mit schmutzigem Gesicht und zerrissener Hose. Er blieb vor Wyatt stehen, die Augen weit aufgerissen.
„Mister Earp? Ich hab was gesehen. Da draußen, bei den alten Minenschächten. Männer mit Masken. Sie haben etwas vergraben.“
Wyatt kniete sich zu ihm. „Bist du sicher?“
Der Junge nickte heftig. „Ich hab’s gesehen. Und sie haben über einen Mann gesprochen… Red Jack.“
Wyatt sah Doc an. „Das ist unsere Spur.“
Doc stand auf, warf die Zigarette weg. „Na dann, auf in die Nacht.“
Die alten Minenschächte lagen eine Meile außerhalb der Stadt, verlassen und halb eingestürzt. Wyatt und Doc schlichen sich durch die Dunkelheit, die Waffen bereit. Der Wind heulte durch die zerfallenen Gebäude, und irgendwo klapperte ein loses Blech.
Sie hörten Stimmen, gedämpft und rau. Wyatt schlich näher, spähte um die Ecke eines alten Förderturms. Drei Männer standen um ein Loch im Boden, einer von ihnen hielt eine Laterne. In seinem Gesicht glänzte eine lange Narbe – Red Jack.
Wyatt gab Doc ein Zeichen. Sie schlichen sich heran, die Waffen im Anschlag. Plötzlich knackte ein Ast unter Docs Fuß, und Red Jack wirbelte herum.
„Wer da?“, rief er, zog seinen Revolver.
Wyatt trat aus dem Schatten, die Waffe auf Red Jack gerichtet. „Runter mit den Waffen, Jack.“
Red Jack lachte höhnisch. „Wyatt Earp. Ich hätte wissen müssen, dass du auftauchst.“
Doc trat neben Wyatt, das Gesicht im Schein der Laterne bleich. „Drei gegen zwei, Jack. Aber ich wette, wir sind schneller.“
Red Jack zögerte, dann ließ er die Waffe fallen. Die anderen beiden folgten seinem Beispiel.
Wyatt trat vor, nahm ihnen die Waffen ab. „Was habt ihr mit der Kiste gemacht?“
Red Jack spuckte aus. „Die Kiste? Die gehört nicht euch. Und sie ist verflucht, Earp. Ihr solltet sie besser nicht öffnen.“
Wyatt packte ihn am Kragen. „Was meinst du damit?“
Red Jack grinste schief. „Fragt die Minenbesitzer. Sie wissen mehr, als sie zugeben.“
Wyatt ließ ihn los, wandte sich an Doc. „Wir bringen sie zurück in die Stadt. Und dann reden wir mit dem Minenbesitzer.“
Doc nickte, seine Augen funkelten. „Ich hab das Gefühl, Wyatt, das ist nur der Anfang.“
Wyatt sah in die Dunkelheit hinaus, wo die Schatten der Nacht sich über die Hügel legten. Er wusste, dass Doc recht hatte. In Silver City war ein Spiel im Gange, das größer war als ein einfacher Überfall. Und Wyatt Earp war fest entschlossen, die Wahrheit ans Licht zu bringen – komme, was wolle.
Als Wyatt und Doc die gefangenen Banditen – darunter Red Jack – zurück in die Stadt bringen, wartet bereits der Minenbesitzer, ein gewisser Mr. Silas McCready, nervös vor dem Marshal-Büro. Er besteht darauf, sofort mit Wyatt zu sprechen. Im Büro, während Doc draußen die Lage sichert, legt McCready plötzlich ein Geständnis ab, das alles auf den Kopf stellt:
„Marshal Earp, Sie verstehen nicht, was Sie da gefunden haben. Die Kiste, die Red Jack gestohlen hat, war nie für meine Mine bestimmt. Sie enthält kein Gold, sondern… etwas viel Wertvolleres. Und Gefährlicheres.“
Wyatt runzelt die Stirn. „Was meinen Sie?“
McCready senkt die Stimme, seine Hände zittern. „Vor Jahren, als ich noch in New Orleans lebte, bin ich mit einem Mann namens Jean Lafitte in Kontakt gekommen – einem Nachfahren des berühmten Piraten. Er hat mir ein Artefakt verkauft, einen alten, versiegelten Behälter, angeblich aus den Händen der spanischen Konquistadoren. Es heißt, er birgt eine Karte zu einem sagenhaften Schatz… aber auch einen Fluch.“
Wyatt schüttelt den Kopf. „Sie wollen mir erzählen, dass Red Jack und seine Männer wegen einer verfluchten Schatzkarte vier Menschen entführt und einen Kutscher fast umgebracht haben?“
McCready nickt heftig. „Nicht nur Red Jack. Es gibt noch jemanden in Silver City, der hinter der Kiste her ist. Jemand, der alles riskiert, um an den Schatz zu kommen.“
In diesem Moment stürmt Doc ins Büro, außer Atem, die Pistole in der Hand. „Wyatt! Die anderen Banditen – sie sind tot. Jemand hat sie vergiftet, bevor wir sie verhören konnten. Und Red Jack… ist verschwunden.“
Wyatt und McCready starren Doc entsetzt an. Wyatt begreift als Erster: „Jemand wollte Red Jack zum Schweigen bringen. Und er ist nicht allein.“
Plötzlich fällt Wyatt ein Detail wieder ein: Das Zeichen auf dem Zettel – der Kreis mit dem Pfeil nach unten. Es ist kein Indianerzeichen, sondern das alte Siegel der spanischen Schatzjäger, die einst die Gegend durchstreiften. Und Silver City ist auf den Ruinen einer alten spanischen Siedlung erbaut.
Doc flucht leise. „Wyatt – wir sind nicht auf einen gewöhnlichen Goldraub gestoßen. Wir stehen mitten in einem jahrhundertealten Wettlauf um einen legendären Schatz. Und unser Feind ist näher, als wir dachten…“
In diesem Moment fällt ein Schuss. Ein Schatten huscht am Fenster vorbei. Wyatt und Doc stürzen hinaus – und erkennen im Licht der Laterne: Der Junge, der ihnen die entscheidende Spur gegeben hatte, liegt getroffen am Boden. In seiner Hand hält er einen zerknitterten Zettel – darauf das gleiche Zeichen wie auf dem Drohbrief.
Wyatt hebt den Zettel auf und erkennt die Handschrift: Es ist die von Marshal Johnson, ihrem alten Freund.
Die unerwartete Wendung: Marshal Johnson, der sie um Hilfe gebeten hat, ist in Wahrheit der Drahtzieher hinter dem Überfall – und auf der Jagd nach dem Schatz. Er hat die Banditen benutzt, um die Kiste zu stehlen, und ist nun bereit, über Leichen zu gehen, um das Geheimnis von Silver City für sich allein zu beanspruchen.
Damit nimmt das Abenteuer eine völlig neue Richtung: Wyatt und Doc müssen nicht nur Red Jack und die Banditen stellen, sondern sich auch gegen ihren alten Freund Johnson wenden – und das tödliche Geheimnis des spanischen Schatzes entschlüsseln, bevor es zu spät ist.
Die Nacht hatte Silver City fest im Griff. Ein fahler Mond stand über der Stadt, sein Licht warf gespenstische Schatten auf die leeren Straßen. Wyatt Earp kniete neben dem Jungen, der reglos im Staub lag. Blut sickerte durch das Hemd des Kindes, das Gesicht war blass und von Schmerz verzerrt. Doc Holliday beugte sich über ihn, seine Hände zitterten, doch seine Stimme war ruhig.
„Er lebt noch, Wyatt. Aber nicht mehr lange, wenn wir ihn nicht sofort versorgen.“
Wyatt nickte, sein Blick war hart und entschlossen. Er nahm den Zettel aus der Hand des Jungen, faltete ihn auseinander. Das Zeichen – ein Kreis mit einem Pfeil nach unten – prangte darauf, darunter einige hastig gekritzelte Worte: „Vertraue niemandem. J—“
Wyatt runzelte die Stirn. Die Handschrift war ihm vertraut. Marshal Johnson. Der Mann, der ihn nach Silver City gerufen hatte. Der Mann, den er für einen Freund gehalten hatte.
Doc sah ihm in die Augen. „Was steht da?“
Wyatt schüttelte den Kopf. „Ein Warnung. Und ein Name, der mit J beginnt. Johnson.“
Doc fluchte leise. „Ich hab’s immer gesagt, Wyatt. In dieser Stadt ist niemand, wie er scheint.“
Wyatt hob den Jungen vorsichtig auf. „Wir bringen ihn zu McCready. Er hat medizinische Vorräte. Und dann finden wir Johnson.“
Sie eilten durch die dunklen Straßen, der Junge in Wyatts Armen. Am Haus des Minenbesitzers angekommen, klopfte Wyatt energisch an die Tür. McCready öffnete, das Gesicht voller Sorge.
„Was ist passiert?“
„Der Junge wurde angeschossen“, sagte Doc knapp. „Wir brauchen Verbände, Alkohol, alles, was Sie haben.“
McCready führte sie in sein Arbeitszimmer, wo sie den Jungen auf eine Couch legten. Doc begann sofort, die Wunde zu versorgen, während Wyatt am Fenster stand und die Straße beobachtete. Die Nacht war still, doch Wyatt spürte, dass sie nicht allein waren.
McCready trat zu ihm. „Sie glauben, Johnson steckt dahinter?“
Wyatt antwortete nicht sofort. Er dachte an die letzten Stunden zurück. Die verschwundene Kiste, vergifteten Banditen, Red Jacks Flucht – und nun der Angriff auf den Jungen. Alles deutete darauf hin, dass jemand in Silver City ein doppeltes Spiel spielte.
„Ich weiß es nicht“, sagte Wyatt schließlich. „Aber ich werde es herausfinden.“
Doc kam zu ihnen, das Gesicht ernst. „Er wird es schaffen. Die Kugel ist durchgegangen, keine Organe verletzt. Aber er braucht Ruhe.“
Wyatt nickte. „Danke, Doc.“
Doc zuckte mit den Schultern. „Ich schulde dir noch was aus Tombstone, falls du dich erinnerst.“
Wyatt lächelte schwach. Dann wandte er sich an McCready. „Sie sagten, die Kiste enthält ein Artefakt. Eine Karte zu einem Schatz.“
McCready nickte. „Das stimmt. Ich habe sie nie geöffnet. Lafitte warnte mich, dass der Inhalt verflucht ist. Aber ich hielt das für Aberglauben.“
Wyatt sah ihn scharf an. „Und warum haben Sie sie dann hierher gebracht?“
McCready wich seinem Blick aus. „Ich… ich wollte sie verkaufen. An einen Sammler in San Francisco. Aber niemand sollte sterben wegen eines alten Stücks Papier.“
Wyatt schnaubte. „In Silver City stirbt man für weniger.“
Er trat hinaus auf die Veranda, Doc folgte ihm. Die Nachtluft war kühl, der Wind trug das Heulen eines Kojoten herüber. Wyatt spürte, wie sich die Anspannung in ihm aufbaute. Er wusste, dass sie handeln mussten – und zwar schnell.
„Was jetzt?“, fragte Doc leise.
Wyatt zog seinen Colt, prüfte die Trommel. „Wir finden Johnson. Und dann bringen wir Licht in diese Sache.“
Doc grinste schief. „Endlich mal wieder ein klarer Plan.“
Sie schlichen durch die Straßen, immer auf der Hut. Das Büro des Marshals lag im Dunkeln, nur ein schwacher Lichtschein drang durch das Fenster. Wyatt drückte die Tür auf – sie war nicht verschlossen.
Drinnen herrschte Chaos. Papiere lagen verstreut auf dem Boden, der Schreibtisch war durchwühlt. Auf dem Boden lag eine leere Flasche Whiskey, daneben ein zerbrochener Stuhl. Doch von Johnson keine Spur.
Wyatt kniete sich hin, untersuchte die Papiere. Viele davon waren belanglos – Berichte über Viehdiebstahl, Anzeigen wegen Ruhestörung. Doch dann fand er einen Brief, der anders war als die anderen. Das Papier war dick, die Schrift elegant. Wyatt las laut vor:
„Lieber Marshal Johnson,der Transport wird am 14. eintreffen. Sorgen Sie dafür, dass niemand von der Kiste erfährt. Unsere Abmachung steht.— L.“
Wyatt sah Doc an. „Lafitte?“
Doc nickte. „Oder jemand, der sich so nennt.“
Wyatt steckte den Brief ein. „Johnson hat sich abgesetzt. Aber wohin?“
Doc sah sich um, dann deutete er auf eine Landkarte an der Wand. „Sieh mal. Da – ein rotes Kreuz. Bei den alten spanischen Ruinen, südlich der Stadt.“
Wyatt trat näher. Das Kreuz war mit Bleistift eingezeichnet, kaum sichtbar. Doch daneben stand in kleinen Buchstaben: „El Tesoro“ – der Schatz.
Wyatt grinste. „Ich glaube, wir wissen, wo Johnson hin ist.“
Doc zog seinen Revolver. „Dann sollten wir uns beeilen. Wenn er die Kiste findet, bevor wir ihn stellen…“
Wyatt nickte. „…wird noch mehr Blut fließen.“
Die spanischen Ruinen lagen eine halbe Stunde südlich von Silver City, verborgen zwischen zerklüfteten Felsen und dornigen Büschen. Der Mond stand hoch am Himmel, als Wyatt und Doc ihre Pferde anhielten und sich zu Fuß weiter durch das Gelände bewegten.
Die Ruinen waren Überreste einer alten Missionsstation – zerfallene Mauern, ein halb eingestürzter Glockenturm, von Unkraut überwucherte Gräber. Wyatt bewegte sich vorsichtig, die Waffe im Anschlag. Doc folgte ihm, sein Atem rasselte in der kühlen Nachtluft.
Plötzlich hörten sie Stimmen. Sie schlichen näher, verbargen sich hinter einer Mauer. Vor ihnen lag ein kleiner Platz, in dessen Mitte ein Lagerfeuer brannte. Drei Männer standen dort – Johnson, Red Jack und ein dritter, den Wyatt nicht kannte. Neben ihnen lag die Kiste, von der alles abhing.
Johnson sprach leise, doch seine Stimme war scharf. „Das war nicht abgemacht, Jack. Du solltest die Kiste bringen, nicht die halbe Stadt aufscheuchen.“
Red Jack lachte rau. „Du hast gesagt, es gibt Gold. Aber das hier…“ Er trat gegen die Kiste. „…ist nur alter Plunder.“
Der dritte Mann, ein hagerer Typ mit stechenden Augen, zog ein Messer. „Öffne sie, Johnson. Oder ich tu’s.“
Johnson zögerte, dann kniete er sich hin und hob den Deckel der Kiste an. Wyatt und Doc hielten den Atem an.
Im Schein des Feuers glitzerte etwas – ein silberner Zylinder, in Leder gewickelt. Johnson zog ihn heraus, entrollte das Leder. Zum Vorschein kam eine Karte, alt und vergilbt, die Ränder verbrannt.
Red Jack beugte sich vor. „Was ist das?“
Johnson lächelte kalt. „Der Schlüssel zu allem. Mit dieser Karte finden wir den Schatz der spanischen Konquistadoren. Und niemand wird uns aufhalten.“
In diesem Moment trat Wyatt aus dem Schatten, die Waffe auf Johnson gerichtet. „Das wollen wir doch erst mal sehen.“
Die drei Männer wirbelten herum, Red Jack griff nach seinem Revolver – doch Doc war schneller. Ein Schuss peitschte durch die Nacht, Red Jacks Waffe flog aus seiner Hand.
Johnson hob die Hände. „Wyatt! Das ist nicht, wie du denkst—“
„Halt den Mund, Johnson“, knurrte Wyatt. „Du hast uns benutzt. Du hast den Jungen angeschossen, die Banditen vergiftet. Alles nur, um an diese Karte zu kommen.“
Johnson wich zurück, das Gesicht verzerrt. „Ich musste es tun! Du verstehst nicht, was auf dem Spiel steht!“
Wyatt trat näher, die Waffe fest in der Hand. „Was steht auf dem Spiel, Johnson? Geld? Macht? Oder einfach nur Gier?“
Der dritte Mann, der mit dem Messer, nutzte den Moment. Mit einem Satz stürmte er auf Doc zu, das Messer blitzte im Mondlicht. Doch Doc wich aus, rammte dem Angreifer den Revolvergriff gegen die Schläfe. Der Mann sackte bewusstlos zusammen.
Red Jack knurrte. „Ihr habt keine Ahnung, was ihr da tut. Die Karte ist verflucht. Jeder, der ihr folgt, stirbt.“
Wyatt schnaubte. „Dann hast du ja nichts zu befürchten, Jack.“
Johnson taumelte zurück, die Karte an sich gepresst. „Ihr könnt mich nicht aufhalten! Ich habe alles riskiert, um diesen Schatz zu finden!“
Wyatt trat ihm entgegen, die Waffe auf seine Brust gerichtet. „Gib mir die Karte, Johnson. Es ist vorbei.“
Für einen Moment stand Johnson reglos da, der Wahnsinn in seinen Augen. Dann – mit einem wilden Schrei – riss er die Karte in Stücke und warf sie ins Feuer.
Wyatt stürzte vor, doch es war zu spät. Die Karte fing sofort Feuer, die Flammen fraßen sich durch das alte Pergament. Johnson lachte hysterisch.
„Niemand wird den Schatz finden! Niemand!“
Wyatt packte ihn am Kragen, zog ihn vom Feuer weg. „Du Narr!“
Doc trat zu ihnen, Red Jack lag gefesselt am Boden, der dritte Mann stöhnte benommen. Wyatt starrte auf die Überreste der Karte, die im Feuer verglühten. Ein Teil davon war noch lesbar – ein Stück mit einer Zeichnung, die an einen alten Brunnen erinnerte.
Doc hob das verkohlte Fragment auf. „Vielleicht reicht das, um den Schatz zu finden.“
Wyatt nickte. „Vielleicht. Aber zuerst bringen wir Johnson zurück nach Silver City. Er wird sich vor Gericht verantworten müssen.“
Johnson lachte nur. „Ihr versteht nicht… der Schatz ist verflucht. Jeder, der ihn sucht, wird sterben.“
Wyatt sah ihm in die Augen. „Das werden wir sehen.“
Der Morgen dämmerte, als Wyatt, Doc und McCready im Arbeitszimmer des Minenbesitzers saßen. Der Junge schlief ruhig, seine Wunde war sauber verbunden. Johnson, Red Jack und der dritte Mann waren im Gefängnis, bewacht von McCreadys Männern.
Doc legte das verkohlte Fragment der Karte auf den Tisch. „Was nun, Wyatt?“
Wyatt betrachtete die Zeichnung. „Das ist der alte Brunnen hinter der Mission. Wenn der Schatz irgendwo ist, dann dort.“
McCready seufzte. „Ich hätte nie gedacht, dass meine Gier so viel Unheil über Silver City bringen würde.“
Wyatt sah ihn an. „Sie haben einen Fehler gemacht. Aber jetzt können Sie ihn wiedergutmachen.“
Doc grinste. „Und was ist mit uns, Wyatt? Suchen wir den Schatz?“
Wyatt lächelte. „Wir sind schon so weit gekommen. Warum nicht?“
Er stand auf, steckte das Fragment ein. „Kommt, Doc. Es wird Zeit, das letzte Geheimnis von Silver City zu lüften.“
Doc folgte ihm, die Sonne stieg über den Horizont. Die Schatten der Nacht wichen dem Licht des neuen Tages – doch Wyatt wusste, dass die größten Gefahren oft im hellsten Licht lauerten.
Und so machten sie sich auf, dem Geheimnis der spanischen Konquistadoren entgegen. Doch was sie am alten Brunnen finden würden, konnte keiner von ihnen ahnen.
Die Sonne stand bereits hoch am Himmel, als Wyatt Earp und Doc Holliday sich auf den Weg zu den alten Ruinen machten. Die Ereignisse der Nacht hingen schwer über Silver City. Noch immer lag eine unheimliche Stille über der Stadt, als hätte sie den Atem angehalten, während sich das Schicksal seiner Bewohner entschied.
Wyatt führte das Pferd langsam durch das Gestrüpp, den Blick stets auf den alten Glockenturm der Mission gerichtet, der wie ein mahnender Finger in den Himmel ragte. Doc ritt hinter ihm, die Augen rot und müde, aber wachsam wie immer. Das verkohlte Fragment der Karte, das sie aus dem Feuer gerettet hatten, lag sicher in Wyatts Westentasche.
„Glaubst du wirklich, dass wir etwas finden?“, fragte Doc, während er sich ein neues Zigarettenpapier drehte.
Wyatt antwortete nicht sofort. Er dachte an Johnsons Wahnsinn, an Red Jacks Warnung und an das, was McCready über den Fluch erzählt hatte. „Es gibt Dinge, die tiefer gehen als Gold und Silber, Doc. Manchmal ist der Schatz nicht das, was du erwartest.“
Doc grinste schief. „Solange er nicht beißt.“
Sie banden die Pferde an einem alten Zaunpfahl fest und gingen zu Fuß weiter. Die Ruinen waren verlassen, aber Wyatt hatte das Gefühl, beobachtet zu werden. Er zog den Colt, Doc tat es ihm gleich. Die Luft war trocken, das Summen der Insekten wurde nur vom gelegentlichen Kreischen eines Bussards unterbrochen.
Sie umrundeten die Missionskirche und fanden den alten Brunnen, wie auf dem Fragment der Karte eingezeichnet. Er war halb eingestürzt, von Unkraut überwuchert, das Seil am Eimer längst verfault. Wyatt kniete sich nieder und untersuchte die Steine. Einer von ihnen war heller als die anderen, als wäre er erst vor kurzem bewegt worden.
„Hier“, sagte er leise.
Doc trat näher, die Waffe im Anschlag. Wyatt stemmte die Hände gegen den Stein und schob ihn beiseite. Darunter kam eine schmale Öffnung zum Vorschein, kaum breit genug für einen Mann. Ein fauliger Luftzug stieg ihnen entgegen.
„Willst du wirklich da runter?“, fragte Doc.
Wyatt nickte. „Wenn der Schatz irgendwo ist, dann hier.“
Er holte eine Laterne aus dem Rucksack, zündete sie an und ließ sich langsam in die Öffnung gleiten. Doc folgte ihm, nicht ohne einen letzten Blick über die Schulter zu werfen.
Der Schacht war eng und feucht, die Wände von Moos und Flechten bedeckt. Nach wenigen Metern öffnete er sich zu einer kleinen Kammer, deren Boden mit Schutt und Geröll bedeckt war. In der Ecke lag ein zerbrochenes Holzfass, daneben ein verrostetes Schwert. Noch von den Spaniern.
Wyatt leuchtete mit der Laterne an die Wand. Dort waren Zeichen eingeritzt – spanische Worte, die er nur halb verstand. „La muerte espera a los codiciosos.“ Der Tod erwartet die Gierigen.
Doc lachte leise. „Na, das ist ja einladend.“
Wyatt beachtete ihn nicht. Er untersuchte den Boden und entdeckte eine kleine Metallplatte, die lose auflag. Er hob sie vorsichtig an – darunter lag eine lederne Mappe, alt und brüchig. Er öffnete sie und fand darin eine weitere Karte, detaillierter als das Fragment, das sie gerettet hatten. Sie zeigte die Umgebung von Silver City, mit einem roten Kreuz, das mitten in die Ruinen der Mission gesetzt war.
„Das ist es“, murmelte Wyatt.
Plötzlich hörten sie Stimmen von oben. Wyatt löschte die Laterne, Doc drückte sich an die Wand. Durch die Öffnung drang Licht, und dann erschien ein Gesicht – Silas McCready.
„Wyatt! Doc! Seid ihr da unten?“
Wyatt entspannte sich ein wenig. „Hier unten, McCready. Aber seid vorsichtig!“
McCready ließ sich vorsichtig in den Schacht hinab. Sein Gesicht war schweißnass, die Hände zitterten. „Ich habe draußen jemanden gesehen. Zwei Männer, sie verstecken sich bei den Pferden.“
Wyatt fluchte leise. „Red Jacks Leute. Sie wollen den Schatz.“
Doc grinste. „Dann sollten wir uns beeilen.“
Sie kletterten wieder nach oben, Wyatt steckte die Karte ein. Kaum hatten sie die Oberfläche erreicht, fielen Schüsse. Kugeln peitschten durch die Luft, Splitter flogen von der Mauer.
Wyatt warf sich hinter einen umgestürzten Grabstein, Doc und McCready folgten ihm. Zwei Männer, beide mit Halstüchern maskiert, schossen aus der Deckung eines alten Karrens.
„Wir müssen sie umgehen“, raunte Wyatt. „Doc, du bleibst hier und deckst uns. McCready, mit mir.“
Doc nickte, schob den Zylinder seines Revolvers auf und zielte auf die Angreifer. Wyatt und McCready duckten sich und rannten im Zickzack durch die Ruinen, immer wieder von Kugeln gestreift. Wyatt spürte, wie eine Kugel seinen Hut durchschlug, doch er blieb unverletzt.
Sie erreichten die Flanke der Angreifer. Wyatt sprang hinter einen Mauervorsprung, zielte und feuerte. Einer der Banditen sackte getroffen zusammen, der andere warf die Waffe weg und rannte davon. Doc schoss ihm hinterher, traf ihn am Bein. Der Mann stürzte und blieb liegen.
Wyatt und McCready näherten sich vorsichtig. Der verletzte Bandit keuchte, das Gesicht verzerrt vor Schmerz. Wyatt kniete sich zu ihm.
„Wer hat euch geschickt? Red Jack?“
Der Mann spuckte Blut aus. „Nicht Jack… Johnson. Er ist entkommen. Er will die Karte.“
Wyatt erstarrte. „Wie? Johnson sitzt im Gefängnis.“
Der Bandit lachte bitter. „Nicht mehr. Eure Leute sind bestochen worden. Er ist auf dem Weg hierher.“
Wyatt sprang auf. „Doc! Johnson ist frei!“
Doc fluchte. „Wir müssen zurück zur Stadt. Wenn Johnson die Karte will, wird er alles tun, um sie zu bekommen.“
Wyatt nickte. „McCready, hilf Doc mit dem Gefangenen. Ich reite voraus.“
Die Rückkehr nach Silver City war ein Wettlauf gegen die Zeit. Wyatt trieb sein Pferd durch die staubige Prärie, das Herz schlug ihm bis zum Hals. In der Ferne sah er Rauch aufsteigen – das Marshal-Büro brannte.
Wyatt sprang vom Pferd, rannte zum brennenden Gebäude. Die Tür war aufgebrochen, drinnen loderten die Flammen. Er hörte Schreie, dann das Krachen von Schüssen.
Er stürmte hinein, die Hitze schlug ihm entgegen. Durch den Rauch sah er einen von Johnsons Leuten, der mit einer Waffe in der Hand auf einen der Deputys zielte. Wyatt riss seinen Colt hoch und feuerte. Die Kugel traf Johnsons Mann in die Schulter, der Mann stürzte zu Boden.
Wyatt packte ihn, zog ihn aus dem brennenden Gebäude. Draußen hustete Johnsons Mann Blut, das Gesicht voller Hass.
„Du bist zu spät, Wyatt“, keuchte er. „Der Schatz… er gehört….“
Wyatt kniete sich zu ihm. „Wo ist die Karte? Wo ist Johnson?“
Johnson lachte, ein bitteres, hasserfülltes Lachen. „Du wirst ihn nie finden. Niemand wird ihn finden.“
In diesem Moment tauchten Doc und McCready mit dem gefangenen Banditen auf. Doc war blutverschmiert, aber unverletzt.
„Alles in Ordnung, Wyatt?“
Wyatt nickte. „Johnson ist erledigt. Aber er hat noch einen Trumpf im Ärmel.“
McCready trat zu ihnen. „Was ist mit der Karte?“
Wyatt zog sie hervor. „Wir haben sie. Aber wir müssen vorsichtig sein. Johnson hat vielleicht noch mehr Leute in der Stadt.“
Doc sah sich um. „Wir sollten uns im Saloon verschanzen. Da haben wir einen guten Überblick.“
Sie zogen sich in den Saloon zurück, der Wirt warf ihnen einen nervösen Blick zu, sagte aber nichts. Wyatt breitete die Karte auf dem Tisch aus. Doc, McCready und der Deputy, der den Brand überlebt hatte, beugten sich darüber.
Die Karte zeigte einen unterirdischen Gang, der von der Mission zu einem alten Mausoleum führte, das außerhalb der Stadt lag. Ein rotes Kreuz markierte das Ziel.
„Das ist unser Weg“, sagte Wyatt. „Wir gehen heute Nacht. Wenn Johnson noch Leute hat, werden sie uns folgen. Aber wir dürfen keine Zeit verlieren.“
Doc grinste. „Endlich mal wieder ein Abenteuer, das seinem Namen gerecht wird.“
Die Nacht war stockdunkel, als sie sich auf den Weg machten. Wyatt, Doc, McCready und der Deputy schlichen durch die Straßen, immer auf der Hut vor Hinterhalten. Die Stadt war unheimlich still, nur das Knistern des abgebrannten Marshal-Büros war zu hören.
Sie erreichten das Mausoleum, ein verfallener Bau aus grauem Stein, von Efeu überwuchert. Wyatt schob die schwere Tür auf, das Scharnier quietschte. Drinnen war es kalt und feucht, der Geruch von Moder und Verfall lag in der Luft.
Sie folgten dem Gang, der auf der Karte eingezeichnet war. Er führte tief unter die Erde, vorbei an alten Särgen und Gebeinen. Wyatt spürte, wie die Anspannung in ihm wuchs. Jeder Schritt hallte durch die Dunkelheit, jeder Schatten schien sich zu bewegen.
Plötzlich hörten sie Stimmen hinter sich. Wyatt drehte sich um – drei Männer, bewaffnet, die Gesichter im Schein der Laterne verzerrt.
„Gebt uns die Karte!“, rief der Anführer.
Wyatt zog seinen Colt. „Kommt und holt sie euch.“
Ein Schusswechsel entbrannte. Kugeln pfiffen durch die Dunkelheit, Stein splitterte von den Wänden. Doc schoss präzise, traf einen der Angreifer in die Schulter. McCready und der Deputy feuerten aus der Deckung.
Wyatt nutzte das Chaos, um sich vorwärts zu schleichen. Er erreichte eine schwere Eisentür, die auf der Karte als Ziel markiert war. Mit aller Kraft stemmte er sich dagegen – sie gab nach.
Dahinter lag eine kleine Kammer, in deren Mitte eine steinerne Truhe stand. Wyatt trat näher, zog die Karte hervor. Das Kreuz war genau hier.
Er öffnete die Truhe – und erstarrte.
Drinnen lag kein Gold, kein Silber, keine Juwelen. Stattdessen fand er ein kleines, in Leder gebundenes Buch und eine silberne Medaille. Das Buch war in spanischer Sprache geschrieben, die Schrift alt und kunstvoll.
Doc trat ein, keuchend, die Waffe noch in der Hand. „Was hast du gefunden, Wyatt?“
Wyatt reichte ihm das Buch. „Das ist der Schatz. Kein Gold, sondern Wissen.“
Doc blätterte darin. „Es ist ein Tagebuch. Von einem der ersten Konquistadoren. Er beschreibt, wie sie die Gegend erkundeten, wie sie mit den Apachen handelten – und wie sie einen Vertrag schlossen, um das Land zu schützen.“
McCready trat hinzu, Tränen in den Augen. „Das ist mehr wert als alles Gold der Welt. Es ist die Geschichte unseres Landes.“
Wyatt nickte. „Und die Medaille?“
Doc betrachtete sie. „Das ist das Siegel der Mission. Ein Symbol des Friedens.“
In diesem Moment hörten sie Schritte hinter sich. Johnson, blutend und wankend, stand in der Tür, die Waffe auf sie gerichtet.
„Gebt mir das Buch“, keuchte er. „Es gehört mir!“
Wyatt stellte sich ihm entgegen. „Es gehört niemandem. Es ist das Vermächtnis dieses Landes.“
Johnson schrie auf und feuerte. Die Kugel verfehlte Wyatt knapp, Doc schoss zurück. Johnson taumelte, fiel zu Boden. Das Buch rutschte ihm aus den Händen.
Wyatt kniete sich zu ihm. Johnsons Augen waren voller Hass – und Reue.
„Ich wollte nur… etwas hinterlassen“, flüsterte er. Dann war er tot.
Stille senkte sich über die Kammer. Wyatt stand auf, das Buch in der Hand.
„Das ist das Ende, Doc.“
Doc schüttelte den Kopf. „Nein, Wyatt. Es ist ein neuer Anfang.“
Sie verließen das Mausoleum, der Morgen dämmerte über Silver City. Die Sonne tauchte die Ruinen in goldenes Licht, und für einen Moment schien es, als hätte sich der Fluch der Gier aufgelöst.
Wyatt und Doc ritten schweigend zurück in die Stadt, das Buch und die Medaille sicher verwahrt. Sie wussten, dass sie etwas gefunden hatten, das größer war als jeder Schatz – die Wahrheit.
Und in Silver City begann ein neuer Tag.
Die Sonne war kaum über den Horizont gestiegen, als Wyatt Earp und Doc Holliday durch die leeren Straßen von Silver City ritten. Die Ereignisse der vergangenen Nacht hatten die Stadt verändert. Das Marshal-Büro war nur noch eine verkohlte Ruine, und die wenigen Bewohner, die sich auf die Straße wagten, warfen den beiden Männern misstrauische Blicke zu. Die Nachricht vom Tod Johnsons hatte sich wie ein Lauffeuer verbreitet. Viele hatten ihn für einen Helden gehalten, einen, der die Stadt vor dem Untergang bewahren wollte. Doch jetzt, da sein Verrat ans Licht gekommen war, lag ein Schatten auf Silver City, schwer und drückend wie die drückende Hitze des Morgens.
Wyatt und Doc hatten kaum geschlafen. Das Tagebuch des spanischen Konquistadors, das sie in der Gruft gefunden hatten, lag sicher in Wyatts Satteltasche. Die silberne Medaille, Symbol der alten Mission, glänzte im ersten Licht des Tages. Sie waren auf dem Weg zu McCready, der sie im Saloon erwartete. Der Minenbesitzer hatte sich nach den dramatischen Ereignissen der Nacht zurückgezogen, um über das Gelesene nachzudenken.
Doc rieb sich die Augen, hustete trocken. „Ich weiß nicht, Wyatt. Ich hab schon viele Nächte durchgemacht, aber so eine wie gestern… Die Geister der Vergangenheit sind manchmal gefährlicher als lebende Banditen.“
Wyatt nickte, die Zügel locker in der Hand. „Das hier ist noch nicht vorbei, Doc. Das Tagebuch hat Fragen aufgeworfen – und ich glaube, die Antwort liegt nicht im Gold, sondern in dem, was die Spanier mit den Apachen vereinbart haben.“
Doc grinste schief. „Vielleicht ist das der wahre Schatz. Frieden, Wyatt. Aber dafür braucht es mehr als ein Buch.“
Sie banden die Pferde vor dem Saloon an. Drinnen war es still, nur McCready saß an einem Tisch, das Gesicht von Sorgenfalten durchzogen. Neben ihm lag das aufgeschlagene Tagebuch.
„Wyatt, Doc. Setzt euch“, sagte er leise. „Ich habe die ganze Nacht gelesen. Dieses Buch… es ist unglaublich. Es erzählt von einem Vertrag zwischen den Spaniern und den Apachen. Sie haben ein Bündnis geschlossen, um das Land zu schützen – vor anderen Eroberern, vor Gier, vor Krieg.“
Wyatt zog die Medaille aus der Tasche, legte sie neben das Buch. „Und das hier?“
McCready nahm die Medaille, drehte sie in den Händen. „Das Siegel der Mission. Es wurde an den Häuptling der Apachen übergeben – als Zeichen des Friedens. Laut dem Tagebuch wurde es in der Gruft versteckt, damit niemand es an sich reißen konnte.“
Doc lehnte sich zurück. „Und jetzt liegt es hier, mitten in Silver City. Was machen wir damit?“
McCready sah die beiden Männer an, seine Stimme zitterte. „Das ist es, Wyatt. Das ist das Problem. Die Apachen werden kommen, um zu sehen, ob ihr Vermächtnis noch sicher ist. Und wenn sie herausfinden, dass wir das Siegel gefunden haben…“
Wyatt verstand sofort. „Dann werden sie denken, dass wir den Frieden gebrochen haben.“
In diesem Moment wurde die Tür des Saloons aufgestoßen. Ein junger Mann stürmte herein, das Gesicht voller Angst. „Wyatt! Doc! Ihr müsst kommen. Die Apachen… sie sind da!“
Wyatt sprang auf, Doc folgte ihm. McCready griff nach dem Buch und der Medaille. Gemeinsam eilten sie hinaus auf die Hauptstraße.
Am Rand der Stadt hatte sich eine Gruppe Apachen versammelt. Es waren etwa zwanzig Männer, alle beritten, mit Federn und Perlen geschmückt, die Gesichter ernst und unbeweglich. An ihrer Spitze ritt ein älterer Mann mit scharf geschnittenen Zügen und einem Adlerfeder-Kopfschmuck. Sein Blick war ruhig, aber in seinen Augen lag eine Warnung.
Die Bewohner von Silver City hatten sich am Straßenrand versammelt, manche bewaffnet, andere voller Angst. Wyatt trat vor, die Hände offen, das Colt-Holster sichtbar, aber nicht bedrohlich.
Der Häuptling sprach mit fester Stimme. „Ich bin Nantan Lupan, der Wolfshäuptling. Wir wissen, dass ihr das Siegel der Mission gefunden habt. Es ist unser Vermächtnis. Warum habt ihr es gestohlen?“
Wyatt hob die Hände. „Wir haben nichts gestohlen, Häuptling. Wir haben das Siegel gefunden, als wir einen Verräter jagten. Es war nie unsere Absicht, euren Frieden zu brechen.“
Nantan Lupan musterte ihn lange, dann blickte er zu McCready. „Das Buch. Ihr habt es gelesen?“
McCready nickte. „Ja. Es erzählt von eurem Bündnis mit den Spaniern. Von eurem Wunsch nach Frieden.“
Der Häuptling nickte langsam. „Das Siegel ist mehr als ein Stück Silber. Es ist das Band, das unsere Völker verbindet. Ohne es… wird das Land wieder bluten.“
Doc trat vor, hustete, dann sagte er: „Wir wollen keinen Krieg. Wir wollen, dass Silver City in Frieden lebt. Aber es gibt Männer, die das nicht wollen. Männer wie Johnson.“
Nantan Lupan blickte Doc scharf an. „Johnson ist tot. Aber sein Geist lebt in vielen von euch weiter.“
Wyatt spürte die Spannung in der Luft. Die Bewohner der Stadt rückten nervös die Gewehre zurecht, die Apachen saßen reglos auf ihren Pferden. Ein Funke hätte gereicht, um einen Krieg zu entfachen.
Wyatt trat einen Schritt näher, zog die Medaille aus der Tasche und hielt sie dem Häuptling hin. „Hier. Das Siegel gehört euch. Es war nie unser.“
Nantan Lupan nahm die Medaille, betrachtete sie lange. Dann hob er den Blick und sagte mit fester Stimme: „Ihr habt das Richtige getan, Wyatt Earp. Aber das reicht nicht. Ihr müsst beweisen, dass ihr den Frieden wollt.“
Wyatt nickte. „Was verlangt ihr?“
Der Häuptling blickte zu seinen Kriegern, dann zurück zu Wyatt. „Kommt mit uns. Zeigt uns, dass ihr keine Geheimnisse habt. Zeigt uns, wo ihr das Siegel gefunden habt. Wenn ihr ehrlich seid, wird es Frieden geben. Wenn nicht… wird Silver City brennen.“
Wyatt wusste, dass er keine Wahl hatte. „Ich komme mit euch.“
Doc trat an seine Seite. „Ich auch.“
McCready zögerte, dann nickte er. „Wir alle.“
Sie ritten gemeinsam zu den Ruinen der Mission. Die Apachen bewegten sich lautlos, ihre Pferde schienen mit dem Boden zu verschmelzen. Wyatt spürte, wie die Anspannung in ihm wuchs. Er wusste, dass jeder Fehler tödlich sein konnte.
Am alten Brunnen hielten sie an. Nantan Lupan stieg ab, betrachtete die Steine, die Öffnung, durch die Wyatt und Doc in die Gruft gestiegen waren.
„Zeigt uns den Ort“, befahl er.
Wyatt kletterte hinab, gefolgt von Doc, McCready und dem Häuptling. Die Kammer war kühl und dunkel, das Licht der Laterne warf gespenstische Schatten an die Wände. Nantan Lupan betrachtete die Inschriften, das leere Versteck, in dem das Siegel gelegen hatte.
Er kniete sich nieder, berührte die Steine, murmelte leise Worte in seiner Sprache. Dann stand er auf und sah Wyatt an.
„Ihr habt die Wahrheit gesagt. Ihr habt das Siegel nicht gestohlen. Aber das Land ist in Gefahr, solange Gier und Hass hier herrschen.“
Wyatt nickte. „Ich weiß. Aber ich kann nicht für alle sprechen. Silver City ist eine Stadt voller Angst.“
Der Häuptling trat näher, legte Wyatt die Hand auf die Schulter. „Dann müsst ihr ein Zeichen setzen. Ein Zeichen, dass der Frieden mehr wert ist als Gold.“
Doc lachte leise. „Das wird schwer. Die Leute hier glauben nur an das, was sie sehen.“
Nantan Lupan nickte. „Dann sollen sie sehen. Heute Abend werden wir ein Fest abhalten – gemeinsam. Ihr werdet das Siegel übergeben, vor allen. Und ihr werdet schwören, das Land zu schützen.“
Wyatt verstand. „Ein neues Bündnis.“
Der Häuptling nickte. „Ein neues Bündnis.“
Die Nachricht verbreitete sich schnell. Am Abend versammelten sich alle Bewohner von Silver City auf dem Platz vor der alten Mission. Die Apachen hatten ein großes Feuer entzündet, ihre Krieger standen in einem Halbkreis um das Feuer, die Gesichter ernst, aber nicht feindselig. Die Stadtbewohner standen auf der anderen Seite, unsicher, aber neugierig.
Wyatt, Doc und McCready traten vor, das Tagebuch und das Siegel in den Händen. Nantan Lupan stand ihnen gegenüber, die Augen voller Erwartung.
Wyatt hob das Siegel, seine Stimme war fest und klar. „Dieses Siegel ist das Band zwischen unseren Völkern. Es wurde verloren, aber nun ist es zurückgekehrt. Wir schwören, das Land zu schützen – gemeinsam.“
Er übergab das Siegel dem Häuptling. Nantan Lupan nahm es, hob es hoch, und ein Jubelruf ging durch die Reihen der Apachen.
Dann trat McCready vor, das Tagebuch in der Hand. „Dieses Buch erzählt von unserem gemeinsamen Erbe. Es gehört nicht einem Mann, sondern allen. Es wird in der Mission aufbewahrt, damit jeder daraus lernen kann.“
Die Stimmung auf dem Platz veränderte sich. Die Angst wich langsam einer vorsichtigen Hoffnung. Die Apachen begannen zu tanzen, ihre Trommeln hallten durch die Nacht. Einige Stadtbewohner schlossen sich an, zögernd zuerst, dann immer mutiger.
Doc trat zu Wyatt, ein Lächeln auf den Lippen. „Siehst du, Wyatt? Manchmal ist der wahre Schatz das, was Menschen zusammenbringt.“
Wyatt nickte, sah in das Feuer, das die Gesichter der Menschen erleuchtete. „Vielleicht hast du recht, Doc. Vielleicht ist das der Anfang von etwas Neuem.“
In dieser Nacht wurde in Silver City kein Blut vergossen. Stattdessen wurde ein neues Bündnis geschlossen, eines, das auf Respekt und Vertrauen gründete. Wyatt wusste, dass es nicht einfach werden würde. Aber zum ersten Mal seit langer Zeit hatte er Hoffnung.
Und während die Trommeln der Apachen in der Nacht widerhallten, wusste er, dass das Vermächtnis der Vergangenheit nicht in Gold oder Silber lag – sondern im Mut, für den Frieden zu kämpfen.
Das Fest in Silver City war noch in vollem Gange, als Wyatt Earp sich am Rand des Feuers niederließ. Die Trommeln der Apachen hallten durch die Nacht, ihre Gesänge vermischten sich mit dem Lachen und den vorsichtigen Gesprächen der Stadtbewohner. Es war ein Bild, das Wyatt nie für möglich gehalten hätte: Cowboys und Apachen, Seite an Seite, vereint durch ein uraltes Versprechen, das sie gemeinsam erneuert hatten.
Doc Holliday, einen Becher Whiskey in der Hand, setzte sich neben Wyatt. Sein Gesicht war im flackernden Licht des Feuers von Müdigkeit und Erleichterung gezeichnet. „Du siehst aus, als könntest du ein Jahr schlafen, Wyatt.“
Wyatt lächelte schwach. „Vielleicht ein halbes. Aber ich glaube, wir haben heute etwas erreicht, das länger hält als Schlaf.“
Doc prostete ihm zu. „Auf den Frieden. Möge er länger halten als mein letzter Zahnarztbesuch.“
Wyatt lachte leise, dann wurde sein Blick ernst. Er sah zu Nantan Lupan, der gerade das Siegel der Mission in die Hände eines jungen Kriegers legte. Die Geste war feierlich, voller Bedeutung. Wyatt spürte, wie sich etwas in ihm löste – eine Last, die er nicht einmal bemerkt hatte, war von seinen Schultern gefallen.
Doch tief in seinem Inneren blieb eine Unruhe. Die Nacht war zu ruhig. Zu vollkommen. Und zu oft hatte er erlebt, dass der Frieden nur der kurze Atemzug war, bevor ein neuer Sturm losbrach.
Die Feier zog sich bis weit nach Mitternacht. Die meisten Bewohner von Silver City hatten sich irgendwann in ihre Häuser zurückgezogen, doch einige Unermüdliche – darunter Doc, der Wirt und ein paar neugierige Cowboys – saßen noch immer am Feuer. Die Apachen hatten sich in die Nähe der Ruinen zurückgezogen, um unter sich zu sein.
Wyatt stand auf, streckte sich und blickte zum Sternenhimmel. Die Luft war klar, die Nacht kühl. Er spürte die Müdigkeit in seinen Knochen, aber auch eine seltsame Wachsamkeit. Er beschloss, einen letzten Rundgang durch die Stadt zu machen, bevor er sich zur Ruhe legte.
Er war kaum hundert Schritte gegangen, als er ein Geräusch hörte – ein leises, metallisches Klicken, gefolgt von einem gedämpften Fluch. Wyatt blieb stehen, die Hand am Colt. Er bewegte sich lautlos durch den Schatten einer alten Scheune und spähte um die Ecke.
Im Mondlicht sah er eine Gestalt, die sich an der Rückwand des Saloon zu schaffen machte. Der Mann war in einen langen Mantel gehüllt, den Hut tief ins Gesicht gezogen. Wyatt erkannte ihn nicht, aber sein Instinkt warnte ihn: Hier war jemand, der nicht zum Fest gehörte.
Er schlich näher, die Waffe gezogen. Der Fremde hatte gerade ein Fenster aufgehebelt und war dabei, ins Innere zu klettern. Wyatt trat aus dem Schatten, die Stimme ruhig, aber fest.
„Keinen Schritt weiter, Freund. Die Nacht ist zu schön, um sie im Gefängnis zu verbringen.“
Der Mann erstarrte, dann drehte er sich langsam um. Im Schein des Mondes sah Wyatt ein schmales Gesicht, von Narben durchzogen, die Augen kalt und berechnend. Der Mann hob die Hände, aber Wyatt bemerkte das Zucken seiner Finger – ein erfahrener Revolverheld.
„Ich will keinen Ärger“, sagte der Fremde leise. „Ich suche nur jemanden.“
„Mitten in der Nacht, durch das Fenster des Saloons?“, fragte Wyatt und trat näher. „Wen suchst du?“
Der Mann lächelte schief. „Dich, Wyatt Earp.“
Wyatt spürte, wie sich die Muskeln in seinem Nacken anspannten. „Dann hast du mich gefunden. Wer bist du?“
Der Fremde trat ins Licht. „Mein Name ist Caleb Finch. Ich komme aus Tombstone. Und ich bringe eine Warnung.“
Wyatt ließ den Colt nicht sinken. „Von wem?“
Calebs Blick wurde noch härter. „Von jemandem, der dich besser kennt als du dich selbst. Er nennt sich ‚Der Schatten‘. Und er will, dass du weißt: Dein Frieden ist nur geliehen. Die Vergangenheit holt dich ein.“
Wyatt lachte trocken. „Ich habe viele Feinde, Finch. Und die meisten von ihnen sind tot.“
Caleb schüttelte den Kopf. „Nicht dieser. Er ist lebendig. Und er ist auf dem Weg nach Silver City.“
Wyatt musterte den Mann. „Warum warnst du mich?“
Caleb zuckte die Schultern. „Weil ich weiß, wie es ist, wenn der Schatten dich einholt. Und weil ich dir einen Handel anbieten will.“
Wyatt hob eine Augenbraue. „Was für einen Handel?“
Caleb trat einen Schritt näher, die Stimme gesenkt. „Ich helfe dir, den Schatten zu finden – bevor er dich findet. Dafür gibst du mir Schutz. Ich habe in Tombstone zu viele falsche Freunde gehabt. Und der Schatten will mich tot sehen.“
Wyatt zögerte. Er hatte in seinem Leben viele Männer getroffen, die ihm einen Handel anboten. Die meisten waren Lügner oder schlimmer. Doch in Calebs Augen sah er etwas Echtes – Angst, aber auch Entschlossenheit.
„Du kommst mit ins Marshal-Büro“, sagte Wyatt. „Dort reden wir weiter.“
Caleb nickte. „Wie du willst, Earp. Aber beeil dich. Der Schatten schläft nie.“
Wyatt brachte Caleb ins provisorische Marshal-Büro – ein leerstehendes Haus, das sie nach dem Brand notdürftig hergerichtet hatten. Doc wartete dort bereits, eine Flasche Whiskey in der Hand.
„Wer ist das?“, fragte Doc, als Wyatt mit Caleb eintrat.
„Ein Bote“, antwortete Wyatt knapp. „Er sagt, der Schatten ist auf dem Weg nach Silver City.“
Doc hob eine Augenbraue. „Der Schatten? Klingt wie eine schlechte Geschichte aus einem Revolverblatt.“
Caleb setzte sich, rieb sich die Hände. „Ihr lacht. Aber der Schatten ist real. Er war einmal ein Marshal, so wie ihr. Dann hat er alles verloren – seine Familie, seine Ehre, sein Leben. Jetzt jagt er die, die ihm Unrecht getan haben. Und Wyatt steht ganz oben auf seiner Liste.“
Wyatt dachte an die Jahre in Dodge City, an Tombstone, an all die Männer, die er gestellt, verhaftet oder erschossen hatte. Es gab viele, die ihn hassten. Aber keiner hatte sich je „Der Schatten“ genannt.
„Wie heißt er wirklich?“, fragte Wyatt.
Caleb schüttelte den Kopf. „Niemand kennt seinen Namen. Er taucht auf, wenn du es am wenigsten erwartest. Er bringt den Tod – und verschwindet wieder. In Tombstone hat er drei Männer getötet, die mit dir geritten sind, Earp. Ich war der Nächste auf seiner Liste.“
Doc lehnte sich vor, die Stimme plötzlich ernst. „Und warum sollte er ausgerechnet jetzt nach Silver City kommen?“
Caleb sah Doc an, dann Wyatt. „Weil ihr den Frieden gefunden habt. Weil ihr etwas habt, das er nie wieder haben kann. Der Schatten will euch alles nehmen, was euch noch bleibt.“
Wyatt schwieg lange. Dann stand er auf, trat ans Fenster und sah hinaus in die Nacht. Der Frieden, den sie so mühsam errungen hatten, war in Gefahr. Und diesmal war der Feind kein gieriger Bandit, sondern ein Geist aus der Vergangenheit – einer, der wusste, wie Wyatt dachte, wie er kämpfte, wie er verlor.
„Wir müssen die Stadt warnen“, sagte Wyatt schließlich. „Und wir müssen herausfinden, wer dieser Schatten wirklich ist.“
Doc nickte. „Ich werde die Apachen informieren. Sie haben ihre eigenen Späher. Wenn jemand Fremdes in die Gegend kommt, werden sie es wissen.“
Wyatt sah Caleb an. „Du bleibst hier. Keine Dummheiten.“
Caleb nickte, aber in seinen Augen lag ein Ausdruck, der Wyatt nicht gefiel – eine Mischung aus Angst und Berechnung.
Wyatt und Doc verließen das Büro. Die Nacht war still, aber Wyatt spürte, wie sich die Schatten um die Stadt verdichteten. Er ging zu Nantan Lupan, der am Rand des Lagers saß, das Gesicht im Schein des Feuers ruhig und wachsam.
„Häuptling“, begann Wyatt, „es könnte Ärger geben. Ein Mann, den sie den Schatten nennen, ist auf dem Weg hierher. Er ist gefährlich – für uns alle.“
Nantan Lupan nickte. „Meine Späher haben einen Fremden gesehen. Er bewegt sich wie ein Wolf, allein, immer im Schatten. Wir werden ihn finden.“
Wyatt dankte ihm und kehrte zurück in die Stadt. Er organisierte Wachen, sprach mit den Bürgern, bereitete sie auf das Schlimmste vor. Die Erinnerung an die letzten Tage war noch frisch – die Angst, die Unsicherheit, der Tod. Doch diesmal war es anders. Diesmal standen sie vereint.
Die Nacht verstrich langsam. Immer wieder meldeten die Wachen Bewegungen am Stadtrand, doch es war nichts – ein streunender Hund, ein Windstoß, das Knarren eines alten Zauns. Wyatt blieb wach, die Hand am Colt, das Herz schwer.
Gegen Morgen, als der Himmel sich langsam verfärbte, kam einer der Apachen-Späher zum Büro gerannt. Sein Gesicht war ernst, die Stimme leise.
„Ein Mann kommt. Er trägt Schwarz. Er hat einen Stern an der Brust – aber er ist kein Gesetz mehr.“
Wyatt und Doc tauschten einen Blick. Sie wussten, dass es Zeit war.
Am Stadtrand, dort, wo der Weg aus der Wüste auf Silver City traf, stand eine einsame Gestalt. Der Mann war groß, hager, in einen langen schwarzen Mantel gehüllt. An seiner Brust prangte ein alter Marshal-Stern, von Rost und Zeit gezeichnet. Er trug einen Revolver, der aussah, als hätte er mehr Leben genommen, als er zählen konnte.
Wyatt, Doc, Nantan Lupan und eine Handvoll Männer – Cowboys, Apachen, Stadtbewohner – stellten sich ihm entgegen. Die Sonne ging gerade auf, warf lange Schatten über den Boden.
Der Mann blieb stehen, zog den Hut und sah Wyatt an. Seine Augen waren kalt, leer, wie ein ausgetrockneter Brunnen.
„Wyatt Earp“, sagte er mit rauer Stimme. „Endlich sehen wir uns wieder.“
Wyatt trat vor, das Colt-Holster locker, aber bereit. „Wer bist du?“
Der Mann lächelte, ein schmaler, trauriger Zug. „Du kennst mich nicht mehr? Vielleicht hast du zu viele Männer vergessen, Wyatt. Aber ich habe dich nie vergessen.“
Doc trat neben Wyatt. „Was willst du hier, Schatten?“
Der Mann sah Doc an, dann die anderen. „Ich bin gekommen, um zu nehmen, was mir gehört. Ihr habt Frieden gefunden – ich will ihn zerstören. Ihr habt ein Bündnis geschlossen – ich will es brechen. Ihr habt Hoffnung – ich will sie euch nehmen.“
Wyatt schüttelte den Kopf. „Du wirst hier nichts nehmen. Nicht heute.“
Der Schatten zog langsam den Revolver, ließ ihn an seinem Finger kreisen. „Dann lass uns das beenden, wie Männer es tun.“
Wyatt spürte, wie die Zeit stillstand. Die Sonne stand über dem Horizont, das Licht blendete, aber er sah nur den Schatten, den Mann, der alles verloren hatte und nun alles nehmen wollte.
Ein Schuss krachte. Dann noch einer. Staub wirbelte auf, die Menge schrie auf.
Als sich der Staub legte, stand Wyatt noch immer. Der Schatten lag am Boden, die Waffe aus der Hand gefallen, das Gesicht zum Himmel gewandt.
Wyatt trat zu ihm, kniete sich nieder. Der Mann hustete, Blut lief aus seinem Mund.
„Warum, Schatten?“, fragte Wyatt leise.
Der Mann sah ihn an, ein letzter Funken Leben in seinen Augen. „Weil ihr vergessen habt, was es heißt, alles zu verlieren. Weil ihr glaubt, Frieden sei für immer.“
Wyatt schüttelte den Kopf. „Frieden ist ein Kampf, jeden Tag.“
Der Schatten lächelte schwach. „Dann kämpfe weiter, Wyatt Earp.“
Mit diesen Worten starb er.
Die Sonne stieg höher, tauchte Silver City in goldenes Licht. Die Gefahr war gebannt, doch Wyatt wusste, dass der Kampf nie enden würde. Frieden war kein Geschenk – er war ein Versprechen, das jeden Tag erneuert werden musste.
Doc trat zu ihm, legte ihm die Hand auf die Schulter. „Du hast das Richtige getan, Wyatt.“
Wyatt sah auf die Stadt, auf die Menschen, die sich umarmten, weinten, lachten. „Ich hoffe es, Doc. Ich hoffe es.“
Und während der Wind durch die Straßen von Silver City wehte, wusste Wyatt Earp, dass seine Geschichte noch nicht zu Ende war. Denn im Westen, wo das Gesetz oft nur so stark war wie der Mann, der es trug, war jeder Tag eine neue Prüfung – und jeder Sonnenaufgang ein neues Versprechen.
Die Sonne stand schon hoch, als die Bewohner von Silver City am Rande der Stadt das Grab des Mannes aus dem Schatten schaufelten. Wyatt Earp stand schweigend daneben, den Hut in der Hand, während Doc Holliday mit müder Miene den Apachen und Cowboys half, den leblosen Körper in das karge Erdloch zu legen. Niemand kannte den wahren Namen des Toten, und doch lastete sein Tod schwer auf allen Anwesenden. Es war nicht nur das Ende eines Mannes, sondern das Ende einer Bedrohung, die wie ein dunkler Nebel über Silver City gelegen hatte.
Nantan Lupan, der Häuptling der Apachen, trat an Wyatt heran. „Der Schatten ist fort, aber sein Zorn bleibt in euren Herzen. Ihr müsst ihn begraben, so wie wir seinen Körper begraben.“
Wyatt nickte, doch in ihm tobte ein Sturm. Der Schatten hatte ihn an etwas erinnert, das er zu vergessen gehofft hatte: Im Westen war kein Friede von Dauer. Kaum war eine Gefahr gebannt, lauerte schon die nächste. Und diesmal war es nicht ein einzelner Mann, sondern die Gier, das Misstrauen, die Angst, die wie Unkraut in der Stadt wucherten.
Als das Grab geschlossen war, zerstreuten sich die Menschen langsam. Einige kehrten zum Alltag zurück, andere blieben noch eine Weile stehen, als wollten sie sicherstellen, dass der Schatten wirklich verschwunden war. Wyatt blieb zurück, den Blick auf das frische Grab gerichtet. Doc trat neben ihn, zündete sich eine Zigarette an.
„Du siehst aus, als hättest du einen Geist gesehen, Wyatt.“
Wyatt schnaubte. „Vielleicht habe ich das.“
Doc ließ den Rauch entweichen. „Es ist vorbei. Die Stadt ist sicher. Die Apachen sind unsere Verbündeten. Was willst du mehr?“
Wyatt zuckte mit den Schultern. „Frieden. Aber ich weiß nicht, ob es den hier gibt.“
Doc grinste schief. „Du bist zu lange im Westen, mein Freund. Hier ist Frieden nur die Pause zwischen zwei Stürmen.“
Wyatt lachte leise, dann wurde sein Blick ernst. „Ich habe das Gefühl, dass noch etwas kommt. Etwas, das größer ist als alles, was wir bisher erlebt haben.“
Doc hob eine Augenbraue. „Du meinst, der Schatten war nur der Anfang?“
Wyatt nickte. „Ich habe einen Brief gefunden. In der Tasche des Schatten. Er war adressiert an einen Mann namens Silas McCready.“
Doc erstarrte. „Unser Minenbesitzer?“
Wyatt zog den Brief hervor und reichte ihn Doc. „Lies selbst.“
Doc öffnete das zerknitterte Papier und las laut:
„McCready,du hast mir den Schatz versprochen. Ich habe deinen Feinden Angst gemacht, wie du es verlangt hast. Doch du hast dein Wort gebrochen. Wenn ich falle, werden andere kommen. Sie wissen, was du getan hast.— Der Schatten“
Doc sah Wyatt an, das Gesicht bleich. „McCready hat mit dem Schatten zusammengearbeitet?“
Wyatt nickte. „Es sieht ganz so aus. Und wenn der Schatten die Wahrheit sagt, dann weiß noch jemand von dem Schatz – und von McCreadys Verrat.“
Doc fluchte leise. „Wir sollten mit ihm reden. Sofort.“
Sie fanden McCready in seinem Haus am Rand der Stadt. Der Minenbesitzer war nervös, die Hände zitterten, als er Wyatt und Doc die Tür öffnete. Im Arbeitszimmer lag das Tagebuch des Konquistadors offen auf dem Tisch, daneben das Siegel der Mission.
„Wyatt, Doc… was führt euch her?“
Wyatt legte den Brief auf den Tisch. „Du kennst den Absender.“
McCready las die Zeilen, das Gesicht wurde aschfahl. „Ich… ich kann das erklären.“
Doc verschränkte die Arme. „Dann fang besser an.“
McCready sank schwer auf einen Stuhl. „Es war vor Monaten. Ich hatte Schulden, große Schulden. Der Schatten kam zu mir, bot mir an, meine Gläubiger einzuschüchtern. Im Gegenzug sollte ich ihm helfen, den Schatz zu finden. Ich dachte, ich könnte ihn hinhalten, ihm falsche Spuren legen. Aber er war zu schlau. Er hat Johnson auf mich angesetzt, Red Jack bezahlt… Ich war gefangen.“
Wyatt trat näher. „Und jetzt?“
McCready sah ihn flehend an. „Ich habe alles verloren. Aber ich schwöre, ich habe niemanden getötet. Ich wollte nur meine Mine retten.“
Wyatt nickte langsam. „Du wirst der Stadt alles gestehen. Heute Abend, beim Treffen auf dem Platz. Die Leute haben ein Recht auf die Wahrheit.“
McCready schluckte. „Und wenn ich es nicht tue?“
Wyatt zog seinen Colt, ließ ihn bedrohlich kreisen. „Dann erzähle ich es. Und dann bist du hier nicht mehr sicher.“
McCready senkte den Kopf. „Ich werde da sein.“
Am Abend versammelten sich die Bewohner von Silver City erneut auf dem Platz. Die Stimmung war angespannt, die Ereignisse der letzten Tage hatten Spuren hinterlassen. Die Apachen standen am Rand, beobachteten alles mit wachsamen Augen.
Wyatt trat vor, Doc an seiner Seite. „Die Stadt hat einen Feind verloren, aber sie hat noch offene Wunden. Silas McCready hat euch etwas zu sagen.“
McCready trat zögernd vor, das Gesicht blass, die Stimme leise. „Ich habe Fehler gemacht. Große Fehler. Ich habe mit dem Schatten zusammengearbeitet, weil ich Angst hatte, meine Mine zu verlieren. Ich habe Männer bezahlt, um meine Feinde einzuschüchtern. Aber ich habe nie gewollt, dass jemand stirbt. Ich bitte euch um Vergebung.“
Ein Murmeln ging durch die Menge. Einige riefen nach Strafe, andere schwiegen. Wyatt hob die Hand.
„McCready hat sich gestellt. Er wird seine Mine an die Stadt überschreiben. Die Gewinne werden für den Wiederaufbau des Marshal-Büros und für die Schule verwendet. Außerdem wird er die nächsten Jahre unter Aufsicht der Gemeinde arbeiten. Das ist unser Angebot.“
Die Leute diskutierten heftig, doch am Ende stimmten sie zu. Es war keine perfekte Gerechtigkeit, aber es war ein Anfang.
Nach dem Treffen saßen Wyatt und Doc auf der Veranda des Saloons. Die Hitze des Tages war einer kühlen Brise gewichen. Doc schenkte ihnen beiden einen Whiskey ein.
„Du hast das Richtige getan, Wyatt. Die Stadt braucht einen Neuanfang.“
Wyatt nickte, doch seine Gedanken waren woanders. „Der Schatten hat gesagt, dass andere kommen werden. Ich frage mich, wer sie sind.“
Doc grinste schief. „Was immer kommt, wir werden bereit sein.“
In diesem Moment kam Nantan Lupan zu ihnen. „Ein Bote ist angekommen. Er sagt, er kommt aus Santa Fe. Er hat eine Nachricht für Wyatt Earp.“