11 wilde Western Stories - Alfred Bekker - E-Book

11 wilde Western Stories E-Book

Alfred Bekker

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Beschreibung

11 wilde Western Stories von Alfred Bekker Über diesen Band: (399) Dieser Band enthält folgende Western von Alfred Bekker (Neal Chadwick): Dunkler Prediger Der Prediger kommt nach Lincoln Grainger und das blutige Dutzend Der Spieler Ein Reiter aus dem Nirgendwo Eine offene Rechnung für Grainger Herr der Stadt Der Prediger und die Hure Der lange Schatten des Jake McCann Die Eisenbahnräuber Das heiße Spiel von Dorothy Der Dunkle Prediger kommt nach Lincoln – doch nicht, um das Wort Gottes zu verkünden. Stattdessen will er eine alte Rechnung begleichen und seine Mauser-Pistolen sprechen lassen. Doch auch zwischen dem Town-Marshal und dem Saloonbesizer gibt es offene Rechnungen. Es kommt der Tag, an dem die Colts sprechen...

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Seitenzahl: 436

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Alfred Bekker

11 wilde Western Stories

UUID: 7fedc98b-6b5e-4482-b30e-4f7e5ce8ce13
Dieses eBook wurde mit Write (https://writeapp.io) erstellt.

Inhaltsverzeichnis

Title Page

11 wilde Western Stories | von Alfred Bekker

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Dunkler Prediger

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Der Prediger kommt nach Lincoln

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Grainger und das blutige Dutzend

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Der Spieler

Ein Reiter aus dem Nirgendwo

Eine offene Rechnung für Grainger | Alfred Bekker (Neal Chadwick)

​Herr der Stadt

​Der Prediger und die Hure | von Alfred Bekker (Neal Chadwick)

DER LANGE SCHATTEN DES JAKE McCANN

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DIE EISENBAHNRÄUBER

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Das heiße Spiel von Dorothy

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Title Page

11 wilde Western Stories

Alfred Bekker

Published by Alfred Bekker, 2020.

Inhaltsverzeichnis

Title Page

11 wilde Western Stories | von Alfred Bekker

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Dunkler Prediger

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Der Prediger kommt nach Lincoln

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Grainger und das blutige Dutzend

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Der Spieler

Ein Reiter aus dem Nirgendwo

Eine offene Rechnung für Grainger | Alfred Bekker (Neal Chadwick)

​Herr der Stadt

​Der Prediger und die Hure | von Alfred Bekker (Neal Chadwick)

DER LANGE SCHATTEN DES JAKE McCANN

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DIE EISENBAHNRÄUBER

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Das heiße Spiel von Dorothy

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11 wilde Western Stories | von Alfred Bekker

​11 wilde Western Stories

von Alfred Bekker

Über diesen Band:

Dieser Band enthält folgende Western von

Alfred Bekker (Neal Chadwick):

Dunkler Prediger

Der Prediger kommt nach Lincoln

Grainger und das blutige Dutzend

Der Spieler

Ein Reiter aus dem Nirgendwo

Eine offene Rechnung für Grainger

Herr der Stadt

Der Prediger und die Hure

Der lange Schatten des Jake McCann

Die Eisenbahnräuber

Das heiße Spiel von Dorothy

––––––––

Der Dunkle Prediger kommt nach Lincoln – doch nicht, um das Wort Gottes zu verkünden. Stattdessen will er eine alte Rechnung begleichen und seine Mauser-Pistolen sprechen lassen. Doch auch zwischen dem Town-Marshal und dem Saloonbesizer gibt es offene Rechnungen. Es kommt der Tag, an dem die Colts sprechen...

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Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker (https://www.lovelybooks.de/autor/Alfred-Bekker/)

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© dieser Ausgabe 2020 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

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Alles rund um Belletristik!

Dunkler Prediger

​​Dunkler Prediger

von Alfred Bekker

Carson City ist eine Stadt wie jede andere, eine Stadt voller Laster, Geheimnisse, Betrügereien und auch vor Mord wird hier nicht zurückgeschreckt. Doch als der Dunkle Prediger in die Stadt kommt, ist nicht sicher, ob das Gute oder Böse siegt...

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker

© by Author/ Titelbild

© dieser Ausgabe 2016 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

www.AlfredBekker.de

[email protected]

1

Er ist ein Bote des Todes.

Und der Rache.

Er sieht aus wie ein Prediger.

Der knielange, eng geschnittene Gehrock ist schwarz.

Der Hut auch.

Ebenso das Hemd und die Hose. Selbst seine Augen sind schwarz und die Pupillen scheinen kaum Platz für das Weiße zu lassen.

Nur der Kragen ist weiß, wie man es von einem Reverend kennt. So blütenweiß, dass man sich fragen kann, wie er es schafft, ihn bei all dem Staub, der in der Luft liegt, auch nur einen Tag lang so sauber zu halten. Aber wenn er den Gehrock öffnet, kann man den Gürtel mit dem Spezialholster sehen. Zwei Pistolen vom Typ Mauser C96 stecken darin - mit dem Magazinkasten vor dem Abzug, in den bis zu zwanzig Patronen geladen werden können. Ungewöhnliche Waffen sind das hier im Westen. Ungewöhnliche Waffen mit einer ungewöhnlich großen Feuerkraft.

Selbst eine Winchester hat nicht so ein großes Magazin. Wer die beiden Mauser gesehen hat, ahnt dass für diesen Prediger die Barmherzigkeit nicht unbedingt das höchste Gebot ist.

Der linke Ärmel wird etwas ausgebeult, wenn er den Arm anwinkelt. Manchmal, wenn der Ärmel etwas zurückrutscht, kann man den Griff eines Wurfdolchs erkennen.

Der Prediger lenkt sein Pferd an diesem grauen Abend irgendwann im Jahr 1901 vor den HAPPY SINNER SALOON, das einzige Hurenhaus von Carson City, Nevada.

Der Prediger steigt von seinem Rappen und bindet ihn an der Querstange fest.

Dann geht er durch die Schwingtüren.

Gleich sind alle Augen auf ihn gerichtet.

Der Prediger lässt den Blick durch den Raum schweifen.

Sein Blick bleibt an einem der Saloon Girls hängen. Sie trägt ein Kleid mit tiefem Ausschnitt. Ihr Haar ist rot. Ihre Augen grün wie der Schwefel der Hölle.

Sie senkt unwillkürlich den Blick, als er sie ansieht.

Sonst ist sie nicht schüchtern und so schnell lässt sie sich von Niemandem was sagen. Aber diesem Blick kann sie nicht standhalten. Ein Blick, der ihr bis in das tiefste Innere ihrer Seele zu gehen scheint.

“Einen Drink, Prediger?”, fragt der Barmann.

Der Prediger wendet den Kopf.

Sein Blick ist so durchdringend wie der Schuss aus einem 45er aus einer Entfernung von nicht mehr als einer Handspanne.

“Nur Wasser”, sagt der Prediger.

Seine Lippen bewegen sich kaum, während er spricht.

Der Barmann hebt die Augenbrauen

“Wasser?”

“Hat der Herr dir keine Ohren wachsen lassen, um zu hören?”

“Doch, doch...”

“Was fragst du dann!”

“Ist ja schon gut!”

Der Keeper stellt das Wasser auf den Schanktisch.

Der Prediger nimmt es.

Er trinkt es in einem Zug.

Er verzieht das Gesicht, als würde es bitter schmecken oder in der Kehle beißen wie hochprozentiger Whiskey. Dann stellt er das Glas wieder hin. Das klirrende Geräusch hat etwas Durchdringendes. Ein Laut, der durch Mark und Bein geht.

Er geht auf die junge Frau zu.

"Wie heißt du?"

"Madeleine."

"Wie heißt du wirklich?"

Sie macht die Augen schmal. Ihren schwefelhöllengrünen Augen scheinen dadurch noch mehr zu leuchten. "Hey, Mann..." Sie sieht ihn an und wird ganz blass. "Kennen wir uns irgendwoher?"

"Wie heißt du wirklich?", fragt er. Sein Gesicht ist so regungslos, als sei es aus Granit geschlagen worden. Sein Blick so durchdringend wie der Stich eines Dolchs.

"Okay, wenn es dir Spaß macht: Betty."

"Ich bin deinetwegen hier, Betty."

"Ach, wirklich? Sollen wir gleich hoch aufs Zimmer gehen?"

"Ja."

“Für einen Prediger hast du es aber ganz schön eilig.”

“Gehen wir”, sagt der Prediger. Und so, als wolle er über diesen Punkt keine Missverständnisse aufkommen lassen, fügt er noch hinzu: “Jetzt!”

Sie seufzt. "Dann bringen wir es hinter uns", meint sie.

Eine der anderen Frauen grinst dreckig. Das hätte sie besser bleiben lassen, denn sie hat faule Zähne. Aber mit geschlossenem Mund sieht sie ganz passabel aus. Und Betty? Die scheint sich kaum darüber zu freuen, was ihr bevorsteht.

Der Prediger folgt ihr die Treppe hinauf.

"Wer hätte das gedacht", sagt der Keeper "Ein Prediger, der so aufs Ganze geht!" Er kann sich ein Grinsen nicht verkneifen.

"Ja, so kann man sich täuschen!", grinst die Schöne mit den schlechten Zähnen.

"Lass den Mund zu", sagt der Keeper. "Dein Mundgeruch vertreibt uns sonst noch die letzten Kunden.”

2

Betty liegt nackt auf dem breiten Bett. Der Prediger hat sich die Jacke ausgezogen und den Hosenschlitz geöffnet, während er sie genommen hat. Mehr hat er nicht abgelegt. Selbst die Holster mit den Mauser-Pistolen nicht.

“Du erinnerst mich an jemanden”, sagt sie.

“Kann sein.”

“Nein, im Ernst. Du siehst jemandem ähnlich, den ich mal...”

Er dreht sich um.

Sein Blick ist durchdringend.

Stechend.

Er sagt kein Wort.

Sie schluckt. “Oh, mein Gott”, sagt sie.

“Du sollst den Namen des Herrn nicht missbrauchen oder unnütz im Mund führen”, sagt der Prediger. “Hast du davon noch nichts gehört?”

Sie ist so bleich wie die Wand geworden. “Du siehst jemandem ähnlich.”

Das ist eine Eigenschaft, die er hat. Es geschieht dem Prediger nicht zum ersten Mal, dass ihm Ähnlichkeiten mit irgendwem nachgesagt werden.

“Mit wem?”, fragt er.

“Das ist schon lange her.”

“Sag es.”

“Macht dich das an, oder was?”

“Sag es einfach.”

Sie zögert, setzt sich nun auf. “Da war mal ein Mann, der hieß Frank Bolan, der hatte hier in der Gegend viel Geld gemacht, weil er Gold gefunden hatte. Der... starb hier.. Mein Gott, du siehst aus, als würdest du ein Bruder von ihm oder so etwas Ähnliches sein.... Wie aus dem Gesicht geschnitten.”

“Erzähl mir mehr über Frank Bolan.”

“Nein, das will ich nicht.” Sie schüttelt den Kopf. “Ich weiß auch gar nicht, weshalb ich überhaupt damit angefangen habe.”

“Weil es dich erleichtert.”

“Wie bitte?”

“Du hast mich genau verstanden.”

Sie winkelt ihre Knie an, schlingt ihre Arme darum, sodass ihre schweren Brüste sich dagegen drängen. Sie sieht aus, als wolle sie sich schützen.

“Wo ist Frank Bolan jetzt?”, fragt der Prediger.

“Er ist tot”, sagt sie.

“Starb er hier, im HAPPY SINNER?”

“Ja.” Ihre Stimme ist tonlos geworden.

“In deinem Bett?”

“Was?”

“Du weißt genau, was ich meine.”

“Ja, aber...”

“Es ist sinnlos, etwas vor mir verbergen zu wollen.”

Sie schluckt.

“Du weißt es?”

“Erzähl mir einfach alles!”

“Warum sollte ich das tun?”

“Weil du deine Sünden bekennen solltest, bevor du vor den Herrn trittst.”

Sie weicht vor ihm zurück, als habe sie nicht einen Mann Gottes, sondern den leibhaftigen Satan vor sich.

Sie sieht ihn an und die Furcht leuchtet in ihren Augen. Wer zum Teufel ist dieser Mann?, geht es ihr durch den Kopf. Sein Gesicht... Es ist seltsam! Es sieht aus wie Frank Bolans Bruder oder ein naher Verwandter! Oder sein Geist...

“Was willst du von mir?”, fragt sie.

“Die Wahrheit.”

Er weiß alles!, denkt sie. Alles über diesen Narren namens Frank Bolan. Alles darüber, wie ich ihn um die zwanzigtausend Dollar aus den Satteltaschen genommen habe, als er noch schlief. Und alles darüber, dass er dann erwachte, aufstand, mich zur Seite stieß... Sie blickt unwillkürlich zu der Kommode. Auf die mittlere Schublade.

Sie schnellt hoch.

Greift in die Schublade, holt den Derringer heraus und richtet den Lauf der Waffe auf den Prediger.

“War das die Waffe?”, fragt er.

“Woher wissen Sie das alles?”, fragt sie. “Und was wollen Sie von mir?”

“Erzähl mir genau, wie es mit Frank Bolan war.”

“Warum sollte ich das tun?”

“Wer seine Sünden bekennt, dem vergibt der Herr.”

“Da fahre ich lieber in die Hölle, du Bastard! Und nun verschwinde.”

“Niemand kann dem Fluch seiner Tat entgehen, Betty.” Er macht einen Schritt nach vorn. Dann wiederholt er: “Niemand.”

Der Finger krümmt sich um den Abzug des Derringers. Zwei Schüsse hat die zierliche Pistole. Die sollten ausreichen, um selbst diesen Teufel zum Schweigen zu bringen!, geht es ihr durch den Kopf.

Sie drückt ab.

Der Schuss geht daneben, fährt in das Holz des Türrahmens.

Der zweite Schuss trifft auch nicht. Sie ist keine geübte Schützin. Aber Frank Bolan hat sie schließlich auch getroffen. Und es ist fast unmöglich, auf diese Entfernung nicht zu treffen... Das kann nicht sein! Sie weicht zurück.

Ihre Brüste wippen dabei.

Ihr Gesicht ist vollkommen weiß geworden.

“Ich sagte doch, ich bin deinetwegen gekommen, Betty.”

Sie schluckt.

3

Als wenig später eine Fensterscheibe im Obergeschoss des HAPPY SINNER zerspringt und der nackte Körper einer Frau hinaus auf die Straße fliegt, kommen schnell Leute zusammen. Mit einem dumpfen Geräusch kommt der Frauenkörper auf und bleibt in eigenartig verrenkter Haltung liegen. In der rechten Hand befindet sich der Derringer, den Betty auch jetzt noch umklammert. Und ihre grünen Augen sind vor Entsetzen weit aufgerissen, ihr Blick zu einer Maske des Schreckens gefroren.

Wenig später kommt der Prediger durch die Schwingtüren und tritt ins Freie.

Unter den Menschen, die sich versammelt haben, bildet sich eine Gasse.

Der Prediger wirft einen Blick auf die Frau und sagt: “So spricht der Herr: Mein ist die Rache.”

Dann dreht er sich.

“Heh, Prediger!”, ruft einer der Männer. Ein großer Rothaariger mit Sommersprossen und einem dichten Bart. Und er trägt einen Revolver mit dem Griff nach vorn.

Der Prediger geht weiter.

Er beachtet den Rufer nicht.

“Prediger! Hörst du nur die Stimme Gottes oder auch das, was in der Welt gesagt wird?”

Er reagiert noch immer nicht.

“Oder hast du einfach nur Dreck in den Ohren?”

Jetzt bleibt er stehen. Langsam dreht er sich um.

Der Blick seiner dunklen Augen mustert den Mann von oben bis unten.

Aber er schweigt.

Keinen Ton sagt er.

“Warst du nicht mit der Toten auf dem Zimmer, Prediger?”, fragt der Rothaarige. “Und kaum bist du fertig mit ihr, fliegt sie aus dem Fenster!”

Das Gesicht des Predigers bleibt unbewegt. Vollkommen regungslos, sieht man einmal vom Zucken eines nervösen Muskels unterhalb seines linken Auges ab.

“Der Herr wird sich ihrer Seele erbarmen.”

“Ach, ja?”

“Ja.”

Der Prediger sagt dieses letzte Ja auf dieselbe Weise, auf die er vielleicht nach einem Gottesdienst ‘Amen’ sagt. Zumindest in der Zeit, da er noch aktiv gewesen war. Und wie lange das genau her ist, darüber schweigt er.

“Du hast sie umgebracht!”, stößt der Rothaarige hervor. Dessen Gesicht hat schon beinahe die Farbe seiner Haare angenommen. Gesund sieht das nicht gerade aus.

“Was Sie nicht sagen”, murmelt der fremde Mann zwischen den Zähnen hindurch und ohne kaum den Mund zu bewegen.

“Du scheinst ein Teufel zu sein! Ein Teufel im Predigerrock!”

“Mein ist die Rache, spricht der Herr.”

“Und du bist der Herr, ja? Der Herr über Leben und Tod? Bisschen aufgeblasen für einen dahergelaufenen Kerl.”

Einen Augenblick lang herrscht jetzt Schweigen.

Und der Prediger wendet ganz langsam den Blick zu dem Mann, der zu ihm gesprochen hat und der jetzt ganz bleich wird. Ein schöner Gegensatz zu seinen feuerroten Haaren. Der Rothaarige muss schlucken.

Der Prediger fragt: "Was hast du gesagt?"

"Ich sagte: Ein bisschen aufgeblasen für einen dahergelaufenen Kerl oder so ähnlich. Scheiße, wie soll ich mich an jedes Wort erinnern?" Er versucht lässig zu wirken.

Locker.

Souverän.

So als würde ihm das alles gar nichts ausmachen.

Als sei es ihm gleichgültig.

Aber das ist es nicht. Und alle spüren das.

Der Prediger aber weiß es sowieso.

Seine Augen werden schmal und die Daumen des Rothaarigen rutschen hinter die Schnalle seines Revolvergurts, so als müsse er sich daran festhalten.

"Wie heißt du, mein Sohn?", fragt der Prediger.

"Ich heiße Saul Lawson", sagt der Rothaarige. "Und wer bist du, Prediger?"

"Das weißt du doch", erwidert der Prediger.

Und sein Blick fixiert Saul Lawson auf eine Weise, die diesen schaudern lässt.

Sein Gesicht!, durchfährt es Lawson. Sein Gesicht sieht aus wie...

Er wagt es nicht, den Gedanken zu Ende zu denken.

Plötzlich hat Saul Lawson ein Gefühl, als ob sich eine kalte Hand auf seine Schulter legt.

Und er ahnt plötzlich, dass er dem Tod sehr nahe ist.

“Du wolltest noch etwas sagen?”, fragt der Prediger.

Und seine Stimme klirrt wie Eis, als er das sagt.

Aber nicht nur das. Sie klingt auch wie die Stimme von jemand anderem.

Jemandem, den Saul Lawson kannte und dessen Gesichtszüge er im Gesicht des Predigers wiederzuerkennen glaubte.

Hast du was mit Frank Bolan zu tun?, würde Saul Lawson am liebsten fragen.

Aber das tut er nicht.

Denn dann müsste er das begründen.

Er müsste erklären, was er mit Frank Bolan zu tun hat, der mit seiner Tasche voll Geld hier her kam.

Der Prediger sagt schließlich: “Nein, ich bin nicht der Herr. Aber der Herr schickt mich. Manchmal sendet er ein Schaf unter die Wölfe, so wie unseren Herrn Jesus Christus. Aber manchmal sendet er auch einen Wolf unter die Wölfe. Einen Wolf, der sie alle zerreißt. Einen nach dem anderen. Denn manchmal, so spricht der Herr, muss die Zahl der Wölfe reduziert werden. Verstehst du mich?”

“Komisch, von dieser Bibelstelle habe ich noch gar nichts gehört”, sagt der Rothaarige.

Der Prediger verzieht das Gesicht.

“Ach, wirklich?”

“Ja.”

“Ich bin hier, um dich zur Strecke zu bringen. Dich und noch einige andere, die dem Herrn ärgerlich sind. Früher oder später wird es so kommen. Der Herr will es. Und sein Wille geschieht. Amen.”

“Hör mal...”

“Regle deine Angelegenheiten. So viel Zeit hast du vielleicht noch. Wenn du nicht den Verstand verlierst. Danach wird es Zeit für dich. Deine Zeit ist abgelaufen.”

Der Prediger dreht sich wieder um. Aber aus den Augenwinkeln sieht er, wie der Rothaarige an den Gürtel greift.

Mag sein, dass Gott so etwas wie Gnade kennt.

Der Prediger aber nicht.

Und er wartet auch nicht, bis der Rothaarige sein Eisen gezogen hat. Aber hektisch wird er auch nicht. Er greift in aller Ruhe und Bestimmtheit zu seinen Mauser-Pistolen. Alle beide zieht er gleichzeitig und dann geht alles so schnell, dass keiner, der es mitansieht, genau nachvollziehen kann, was da eigentlich vor sich geht. Die Mauser-Pistolen spucken Mündungsfeuer.

Sie krachen los.

Ihr Klang erinnert an bellende Hunde.

Nur härter.

Metallischer.

Vierzig Kugeln hat er in den beiden Waffen. Vierzig Schuss, die er innerhalb von Sekunden auf den Weg schicken kann.

Die Bleigeschosse fetzen in den Oberkörper des rothaarigen Saul Lawson hinein. Er zuckt. Kaum zur Hälfte hat er seinen Revolver aus dem Holster reißen können.

Ob Saul Lawson ein guter Schütze ist, kann sich in diesem Moment gar nicht erweisen.

Gegen die Schnelligkeit des Predigers hat er nicht den Hauch einer Chance. Und gegen die Feuerkraft der beiden Mauser-Magazine auch nicht.

Saul Lawsons Hemd ist voller roter, blutiger Löcher, als er mit gefrorenem Blick in sich zusammensackt.

Wie viele Kugeln sind es, die ihn durchsiebt haben?

Mindestens ein Dutzend.

Vielleicht auch doppelt so viel.

Aber genau kann niemand sagen, wie viel Blei die Läufe der beiden Mauser-Pistolen gespien haben. Und egal, ob der Prediger nun ein oder zwei Dutzend Schuss abgegeben hat - er hat auf jeden Fall immer noch genügend Blei in seinen Magazinen, um auch noch den ganzen Rest derer über den Haufen zu ballern, die sich vor dem HAPPY SINNER Saloon versammelt haben.

Mit einem dumpfen Geräusch schlägt Saul Lawson auf dem Boden auf.

Wie ein Mehlsack, den man in den Staub geworfen hat, weil er zu schwer auf dem Rücken lastet.

Und genau so bleibt Saul Lawson auch liegen.

Der Prediger steht wie erstarrt. Die Mündungen der beiden Mauser-Pistolen sind noch immer waagerecht, sodass er nur die Abzüge durchziehen muss, um das Bleifeuer wieder beginnen zu lassen.

Mit bewegungslosem Gesicht sieht der Prediger die Furcht in den Augen der Leute. “Ja, fürchtet euch nur! Es ist die Furcht vor dem Zorn des Herrn, die euch erfüllt. Und ihr tut sehr gut daran, euch zu fürchten”, sagt er.

Genau so, denken vielleicht manche von ihnen, hat vielleicht in einer lange vergangenen Zeit der eine oder andere Prophet geklungen, von denen der Reverend in der Kirche manchmal sprach. Zumindest dann, wenn es in der Stadt gerade mal einen Reverend gibt.

Das ist längst nicht immer der Fall.

Im Moment zum Beispiel nicht.

Da bleibt die Kirche leer oder jemand aus der Gemeinde, der es sich zutraut, muss die Predigt halten.

Eine gottlose Stadt, würde der Dunkle Prediger dazu vielleicht sagen, der mit seinen Mauser-Pistolen Carson City, Nevada heimgesucht hat wie ein Racheengel eines Gottes, der das neue Testament vergessen zu haben scheint.

Langsam, sehr langsam, senkt der Prediger seine Waffen und steckt sie dann mit großer Ruhe in die Holster zurück. Man sieht, dass das eine geübte Bewegung ist. Und manch einer in der Menge fragt sich schaudernd, wie oft er das schon gemacht hat: Die Mauser-Pistolen ziehen, den Bleihagel auf den Weg schicken und die Waffen wieder zurück an ihren Ort gleiten lassen.

Der Prediger tritt auf den Toten zu.

Er sieht auf Saul Lawson herab.

Schweigt dann einige Augenblicke.

Dann nimmt er sogar den Hut ab.

"Der Herr sei deiner armen Seele gnädig, mein gefallener Sohn", sagt er und setzt den Hut anschließend wieder auf.

Wortlos dreht er sich um.

Wortlos und furchtlos.

Er scheint nicht anzunehmen, dass einer der anderen Männer ihm von hinten eine Kugel in den Rücken ballert.

Obwohl ihm die Wut in in den Gesichtern eigentlich nicht hätte entgehen können.

Nein, er hat diese Wut und und diesen Hass gewiss bemerkt. Und auch die Furcht, die in dieser Mischung enthalten ist.

Es ist eine explosive Mischung von Gefühlen und der Prediger weiß das. Aber es scheint ihn in keiner Weise zu beeindrucken.

Er weiß, dass das Quantum Furcht in dieser Mischung gerade groß genug ist, um dafür zu sorgen, dass ihre Eisen stecken bleiben. Keiner von ihnen wird ziehen. Nicht nach dem, was gerade mit Saul Lawson passiert ist.

Und wenn er sich an das Gesetz hält, dann kann nicht einmal der Town Marshal etwas gegen den Prediger unternehmen, denn Saul Lawson hat zuerst gezogen.

So ist es immer.

Der Prediger lächelt sehr verhalten.

Und sehr kalt.

4

Sie haben Saul Lawson unter die Erde gebracht. Und da es keinen Reverend in der Stadt gibt, musste einer der Männer ein paar Worte aus der Bibel lesen. Dazu hat man den Town Marshal ausgesucht. Und viele hoffen, dass er auch noch etwas mehr tut, als nur aus der Bibel zu lesen.

Aber der Town Marshal denkt nicht einmal im Traum daran, sich den Bauch mit Blei aus den Rohren der beiden Mauser-Pistolen vollpumpen zu lassen. Hat er so offen noch nicht gesagt, aber das denkt er. Und abgesehen davon ist er froh, dass das Gesetz in mehr als einer Hinsicht auf seiner Seite ist. Denn nach dem Gesetz kann er den Prediger weder verhaften noch der Stadt verweisen. Also läuft er auch nicht Gefahr, sich mit ihm schießen zu müssen.

Noch nicht.

Er ahnt selbst, dass sich das im Handumdrehen ändern kann.

Aber im Moment findet er noch salbungsvolle Worte für Saul Lawson. Als der Rothaarige unter der Erde liegt und das Grabkreuz aufgestellt ist, gehen die Meisten nach Hause. Nur ein paar Männer bleiben.

"Gehen wir in die Kirche", sagt einer und alle finden, dass das eine gute Idee ist.

"Nichtmal im Saloon können wir uns treffen", sagt ein anderer.

Und noch ein anderer wendet sich an den Town Marshal. "Kommst du auch mit?"

"Wenn's sein muss", sagt der Town Marshal, denn er ist alles andere als begeistert davon. Und doch ist er wie alle anderen mitgegangen, denn er kann es sich nicht erlauben, nicht zu wissen, was da im Haus Gottes besprochen wird.

"Wir sollten diesem verfluchten Prediger die Leviten lesen."

"Eine Kugel sollte man ihm in den Kopf jagen", sagt ein anderer. Und dabei grinst er ziemlich breit.

Und ein dritter grinst auch.

"Meinst du, so wie Bolan?", fragt er.

Und dann sind die beiden plötzlich nicht mehr die einzigen, die grinsen. Und aus dem Grinsen wird schließlich ein raues Lachen.

5

Mindestens hundert Männer haben sich in er Kirche versammelt. Und auch einige Frauen. Auch einige Frauen aus den Saloons, die man hier nicht unbedingt erwarten würde. Und sie alle treibt weniger die Trauer um den Rothaarigen hier her, sondern vielmehr die Angst. Die Angst vor dem Prediger und die Angst davor, dass er alte Geschichten noch einmal ans Tageslicht holt.

Die Geschichte davon, wie ein gewisser Frank Bolan umgekommen ist und manche sich sein Geld unter den Nagel gerissen haben. Andere haben nur zugesehen. Und die, die hätten zusehen sollen, haben die Augen geschlossen wie zum Beispiel der Town Marshal.

Und jetzt kommt dieser Mann im dunklen Rock und legt den Finger in die Wunde. Aber es scheint, als wäre das nicht die einzige Wunde, die er wieder aufzureißen droht.

“Der Kerl ist unheimlich”, sagt einer.

“Ich frage mich, ob hier noch das Gesetz herrscht oder ob hier so ein dahergelaufener Heiliger einfach tun und lassen kann, was er will!”

“Ein Unheiliger würde ich eher sagen”, meint eine der Frauen. “Wenn ich daran denke, was heute passiert ist... Ein verfluchter Teufel ist das.”

“Ich kann mir nicht helfen, aber irgendwoher kenne ich den Kerl.”

“Das scheint das Besondere an ihm zu sein. Irgendwie denkt man immer, dass man ihn von irgendwoher kennt!”

6

“Er hat Ähnlichkeit mit einem Kerl, den ich mal in Nogales zusammengeschlagen habe!” Der Mann, der das sagt, räuspert sich geräuschvoll, ehe er weiterspricht.

“Vielleicht ist er es”, meint ein anderer.

“Nein, bestimmt nicht.”

“Und wieso nicht?”

“Weil ich den Kerl umgelegt habe. Deshalb. Er kann es nicht sein.”

“Scheint seine Besonderheit zu sein, dass man ihn immer für jemanden hält, den man kennt.”

“Jedenfalls geht es so nicht weiter!”

“Jawohl!”

“Der Prediger terrorisiert uns alle!”

“Wer weiß, ob er wirklich ein Prediger ist!”

“Richtig!”

Ein Tumult entsteht in der Kirche. Der Town Marshal muss seine ganze Stimmgewalt in die Waagschale werfen, um diesen Tumult zu beenden. Zumindest für den Moment.

“Ruhe, verflucht nochmal!”, ruft er. “Auch wenn dies eine Kirche ist.”

Jetzt tritt ein Mann mit ordentlichem Binder und einem dunklen Anzug vor. Er heißt Hallway. Und er ist der reichste Mann der Stadt. Wenn er spricht, dann hören die Leute in Carson City zu. So ist das hier schon immer gewesen. Und jetzt ist es auch so.

Hallway hebt die Hände und dann wird es schließlich vollkommen still im Saal.

“Dies ist nicht der Augenblick für falsches Heldentum”, sagt Hallway. “Ganz bestimmt nicht!”

Unter den Leuten in der Kirche wird es jetzt unruhig.

“Was meinen Sie damit?”, fragt der Town Marshal.

Seine Augen werden schmal.

Kleine Schlitze sind sie nun. Ganz offensichtlich fühlt sich der Sternträger durch die Worte Hallways beleidigt. Und dazu besteht auch Anlass, denn was Hallway den Leuten gesagt hat, bedeutet nicht mehr und nicht weniger, als dass er nicht glaubt, dass der Town Marshal im Stande ist, die Sache zu regeln und die Bürger von Carson City zu schützen.

“Nichts für ungut”, sagt Hallway und bedenkt den Town Marshal mit einem verächtlichen Blick. “Aber Sie werden den Prediger ganz gewiss nicht aus der Stadt vertreiben!”

“Sie etwa, Mister Hallway?”

“Wieso nicht?”

“Soweit ich mich erinnern kann, habe ich noch nicht gesehen, dass sich in Ihrer Hand jemals ein Colt befunden hat, Mister Hallway!”

“Mag sein. Aber manchmal sind Dollars eine viel wirkungsvollere Waffe.”

Hallway macht ein paar Schritte nach vorn. Er kostet diese gesteigerte Aufmerksamkeit, die ihm im Augenblick zuteil wird, weidlich aus.

Daumen und Zeigefinger wandern in die Tasche seiner goldfarben schimmernden Weste. Er wirft einen Blick auf die Taschenuhr, die er dann herausfingert und mit einem klackenden Geräusch öffnet.

Dann sagt er: “Es gibt da einen Kerl, den man den Colorado-Mann nennt. Hat schonmal jemand von ihm gehört?”

Schweigen.

Hallway lässt den Blick schweifen.

Sie alle hängen jetzt an seinen Lippen, als wäre von seinen Worten die Erlösung zu erwarten. Erlösung von diesem Prediger, der sie alle an die dunkelsten Schatten ihrer verfluchten Seelen erinnert. “Er heißt nicht deswegen Colorado-Mann, weil er aus Colorado kommt”, fährt Hallway dann fort. “Vielmehr nennt man ihn deswegen so, weil er in Colorado im Alleingang mit einer Meute von schießwütigen Zaunschneidern fertig geworden ist. Zwanzig Mann liegen jetzt auf dem Boothill von Springfield. Und nochmal zwanzig in einer anderen Stadt dort. Ich kenne jemanden, der ihn kennt und könnte nach ihm schicken. Für einen guten Preis wird er uns den Prediger vom Hals schaffen, sodass wir alle wieder gut schlafen können.”

“Keine schlechte Idee”, meint einer der Männer.

“Sollte man sich wirklich überlegen. Nur, wer bezahlt diesen Kerl, diesen Colorado-Mann?”

“Ich bezahle den Colorado-Mann”, sagt Hallway. “Das ist mein Dienst an der Stadt und soll mein Anteil daran sein, dass dieser Albtraum-Prediger endlich verschwindet.” Hallway macht eine ausholende Handbewegung. “Aber ihr müsst den Lohn für die Leute aufbringen, die der Colorado-Mann mitbringt.”

“Heißt das, dieser tolle Gunslinger wird nicht allein mit dem Prediger fertig?”, fragt einer der Männer im Raum.

Hallways Blick glitt suchend durch den Raum. Aber er fand den Sprecher nicht. Und offenbar erkannte er auch nicht dessen Stimme.

“Wollt ihr, dass das Problem gelöst wird oder wollt ihr knauserig sein?”, fragt er dann. “Ich hatte eigentlich gedacht, dass Ersteres der Fall wäre.”

Einige Augenblicke herrscht betretenes Schweigen.

Dann stimmt der erste dem Vorschlag von Hallway zu.

Es ist ein Ladenbesitzer namens Blacksmith. “Ich werde meinen Beitrag dafür gerne bezahlen”, sagt er. “So ein Kerl wie der Prediger ist schlecht fürs Geschäft!”

Zustimmendes Gemurmel erhebt sich.

Und einer nach dem anderen stimmt dann ebenfalls dem Vorschlag von Hallway zu.

Blacksmith kündigt daraufhin an, den doppelten Beitrag leisten zu wollen.

“Ich will, dass der Kerl verschwindet”, erklärt der Ladenbesitzer.

“Ich wette, er erinnert dich an deinen Bruder”, meint einer der Männer grinsend. Aber das Grinsen erstirbt, als er Blacksmith’ Blick begegnet.

Das ist ein Blick, der töten kann.

Dass die Blacksmith-Brüder sich nicht gut verstanden haben, ist kein Geheimnis. Sie haben den Laden gemeinsam gegründet und sich dann zerstritten. Eines Tages ist der ältere der beiden Blacksmith-Brüder dann verschwunden.

Er sei aus der Stadt geritten, hieß es.

Man hat nie wieder von ihm gehört. Und es gab ein paar eigenartige Gerüchte darüber, dass der jüngere Blacksmith seinen Bruder erschlagen und irgendwo verscharrt hatte.

“Ich werde keinen einzigen Cent dafür geben, dass ihr Killer anheuert, um einen Prediger zu erschießen!”, schrillt nun die Stimme von Margery Brimson durch die Kirche.

Margery Brimson ist eine uralte, zerknittert wirkende Witwe. Sie trägt schwarz und ein Schleier hängt ihr vor dem Gesicht.

Die Blicke wendeten sich zu ihr zu.

Einen Moment herrscht Schweigen. Margery Brimson erhebt sich von ihrem Platz und streckt ihre knochigen Finger aus. “An das Naheliegendste scheint hier niemand zu denken!”, stößt sie hervor.

“Und was ist Ihrer Meinung nach das Naheliegendste?”, fragt Blacksmith.

“Was, wenn dieser Prediger Recht hat? Wenn er die Wahrheit spricht?”, fragt Margery Brimson. “Hat in diesem Raum darüber schonmal jemand nachgedacht? Was, wenn es wirklich der Herr ist, der ihn geschickt hat, um die Sünder zu strafen?”

“Das ist nicht Ihr Ernst, Mrs Brimson”, meint Blacksmith.

“Doch, das ist es. Wenn der Herr ihn gesandt hat, dann muss er sein Werk tun und ich jedenfalls werde nicht diejenige sein, die dabei mithilft, ihn daran zu hindern.”

7

Der Prediger bleibt in Carson City.

Er bewohnt ein Zimmer im HAPPY SINNER Saloon. Es ist das Zimmer, in dem die Hure lebte, die er aus dem Fenster warf. Der Saloonkeeper hat sich nicht getraut, dem Mann mit den zwei Mauser-Pistolen das Zimmer zu verwehren. Manche nehmen dem Keeper das übel und behaupten, sie kämen deswegen nicht mehr in seinen Saloon, sondern würden ihren Whiskey in Zukunft anderswo trinken.

Aber alle wissen, dass das nicht die Wahrheit ist.

Dass in den nächsten Tagen kaum noch jemand seinen Fuß in diesen Saloon setzt, außer den Girls, die hier Zimmer haben, und die den Whiskey aus lauter Verzweiflung über den schlechten Gang der Geschäfte trinken, hat einen ganz anderen Grund.

Einen Grund, der offensichtlich ist.

Aber niemand spricht darüber.

Die Leute haben Angst vor dem Prediger.

Sie wollen ihm nicht begegnen. Er ist wie der Schatten ihres schlechten Gewissens. Wie ein leibhaftiger Todesfluch. Und keiner wagt es, sich ihm entgegen zu stellen.

Hier und da reden sie davon, dass der Colorado-Mann und seine Leute bald kommen und die Sache beenden wird. Auf die eine oder andere Weise. Aber noch ist der Colorado-Mann nicht da. Und schon kommen die ersten Gerüchte auf, die besagen, dass der Colorado-Mann nur das Geld genommen hat, das ihm angeboten wurde, und jetzt nicht einmal mehr im Traum daran denkt, dafür auch nach Carson City zu kommen und seinen Job zu erledigen.

Einen Job, der diesen rauen Gunslingern womöglich selber eine Kugel im Schädel einbringen könnte.

Denn dass der Prediger zwei Pistolen trägt, die zusammen eine Feuerkraft von vierzig Schuss haben, dürfte sich inzwischen auch andernorts herumgesprochen haben.

In Carson City ist das jedenfalls der Fall.

“Vierzig Schuss!”, hört man hier und da jemanden sagen und wissend dabei nicken.

Vierzig Schuss - das ist so viel, wie sonst eine ganze Revolverbande zusammen abfeuern könnte.

8

Schon der dritte Tag bricht seit der Ankunft des Dunklen Predigers an und es ist immer noch ruhig geblieben. Seit dem furchtbaren ersten Tag, der so blutig ausgegangen ist, hat der Prediger keinen weiteren Einwohner von Carson City getötet.

Er stolziert durch die Stadt, nachdem er morgens im Saloon ein Frühstück genommen hat, das aus zwei Eiern und einem Glas Whiskey besteht.

Er geht dann die Main Street entlang.

Und er weiß, dass alle Blicke auf ihn gerichtet sind.

Alle weichen ihm aus. Selbst die beiden Automobile, die es seit fast einem Jahr in Carson City gibt. Diese Pferdelosen Kutschen, die einen Höllenlärm machen und anfangen zu stottern, wenn der Prediger sie ansieht.

9

Am fünften Tag nach der Ankunft des Predigers sind die Straßen wie ausgestorben. Ein ungewöhnlich kalter Wind bläst zwischen den Häusern hindurch.

Da kommt ein zweispänniger Frachtwagen und er hält vor Blacksmith’ Laden.

Der Prediger geht auf den Wagen zu. Langsam, gelassen und vollkommen ruhig. Die beiden Mauser-Pistolen sind unter den Schößen seines dunklen Rocks verborgen. Aber die kleinen Wölbungen verraten, dass sie da sind und dass er sie jederzeit herausreißen kann, um vierzig Schuss in einer Minute abzufeuern.

Er bleibt stehen.

Die beiden Männer, die mit dem Wagen gekommen sind, steigen gerade vom Bock herunter und wischen sich den Staub notdürftig von der Kleidung. Blacksmith ist auch gerade aus dem Laden gekommen. Er erstarrt genauso. Und schluckt.

“Was ist das für ein Typ?”, fragt einer der beiden Frachtfahrer an Blacksmith gerichtet.

“Ihr wart ‘ne Weile nicht in der Stadt”, sagt er. “Sonst wüsstet ihr es.”

Die beiden Frachtfahrer tragen Colts und Patronengurte. Und in den Scubbards rechts und links des Kutschbocks stecken Winchester-Karabiner. Schließlich kann man nie wissen, wer einem auf so einer langen Fahrt durch die Wildnis so begegnet.

Der Größere der beiden schaut zum Kolben des Karabiners und man sieht, dass er zumindest darüber nachgedacht hat, die Waffe aus dem Scubbard herauszuziehen. Er tut es dann aber doch nicht.

“Hey, was glotzt du so!”, ruft der Größere dann in Richtung des Predigers.

“Ist dir der Blick des Herrn unangenehm?”, kommt es von dem Prediger zurück.

“Bist du der Herr, du Vogelscheuche?”, regt sich der Größere auf. “Glotz gefälligst woanders hin, oder du lernst mich kennen!”

“Der Herr kennt doch schon. Und er weiß, was du getan hast!”, sagt der Prediger.

“Hey, wie ist der denn drauf!”, meint der Kleinere der beiden.

“Halt’s Maul”, sagt der Größere.

“Wenn du mich fragst, hat der Kerl Ähnlichkeit mit dem Jungen, den du vor zwei Jahren mit dem Gespann drüben in San Cristobal überfahren hast.”

“Ich sagte, halt’s Maul!”

“Vielleicht ist das sein Vater. War ja nur so ein Gedanke...”

Jetzt mischt sich Blacksmith ein.

“Lasst den Kerl in Ruhe, sage ich euch! Mit dem ist nicht gut Kirschen essen. Seit er hier ist, hat er schon ein paar Leute in der Stadt erschossen.”

“Und unser Town Marshal macht nichts dagegen!”, regt sich der Größere auf. Er spuckt aus. “Teufel, das darf ja wohl nicht wahr sein! Wofür wird der Feigling denn bezahlt? Dafür, dass er in seinem Office die Füße hochlegt.”

“Lass es gut sein”, versucht Blacksmith ihn zu besänftigen.

Aber dazu ist es wohl nun spät. Der Prediger kommt jetzt ein paar Schritte näher.

Er schlägt seinen Mantel zur Seite.

Die Griffe der Mauser-Pistolen sind jetzt deutlich zu sehen.

“Ich bin auch deinetwegen hier, mein Sohn”, sagt er.

“Ich wüsste nicht, dass wir verwandt sind, du Missgeburt!”, knurrt der Größere.

“Mein ist die Rache, spricht der Herr.”

“Ach, und so einen Mist muss ich mir von dir sagen lassen!”

Blacksmith greift erneut ein. Er sagt: “Ich habe dich gewarnt, leg dich nicht mit ihm an! Hallway hat nach jemandem geschickt, der die Sache regelt!”

“Nein, das regele ich jetzt selbst!”, sagt der Größere.

Er greift zum Colt.

Aber den hat er kaum gezogen, da krachen die Mauser-Pistolen in den Händen des Predigers bereits los. Der Körper des Größeren der beiden Frachtfahrer zuckt unter den Einschüssen.

Der Kleinere zieht ebenfalls seinen Revolver, und bekommt ebenfalls seine Ladung Blei ab.

Der Prediger feuert und feuert.

Alle vierzig Schuss ballert er raus.

Bis die Läufe der Mauser-Pistole heiß und die Magazine leer sind.

Am Ende liegen sie alle in ihrem Blut: Die beiden Frachtfahrer, Blacksmith und auch eines der beiden Pferde. Es hängt noch im Geschirr und das andere wiehert laut auf. Es klingt fast wie ein Kind oder eine Frau, aber es kann nicht weg, reißt aber trotzdem an den Lederriemen.

Blacksmith lebt allerdings noch.

Trotz der Tatsache, dass ihn mindestens fünf Kugeln getroffen haben.

Er hat keine Waffe bei sich.

Aber er ahnt, dass ihm die in dieser Situation wohl auch nicht viel genützt hätte.

Irgendwo ruft jemand laut aus, dass es eine Schießerei vor Blacksmith’ Laden gegeben hätte.

Der Prediger beginnt jetzt in aller Ruhe seine Mauser-Pistolen nachzuladen. Und als er damit fertig ist, tritt er auf den schwer getroffenen Blacksmith zu. Dessen Kleidung ist inzwischen dunkelrot geworden.

“Worauf... wartest du noch”, zischt Blacksmith zwischen den Lippen hindurch. Es ist ein schwaches Wispern. Er weiß, dass er nicht mehr viel Zeit hat.

Der Prediger blickt auf den Sterbenden herab.

“Los, gibt mir die letzte Kugel, du Schweinehund.”

“Es ist gut so”, sagt der Prediger.

“Was ist gut so?”

“Dass du noch lange genug lebst, um über alles nachzudenken, bevor du vor deinen Schöpfer trittst”, sagt der Prediger und geht weiter.

Er hat keine Eile.

10

Blacksmith’ Gesicht ist unterdessen eine von Wut gezeichnete Grimasse. Er bringt seine letzten Kräfte auf. Robbt ein Stück über den staubigen Boden.

Er hat noch ein letztes Ziel vor Augen: Die Waffe des Größeren der beiden Frachtfahrer. Dessen tote Hand krallt sich noch immer um den Griff der Waffe.

Blacksmith keucht.

Die letzten paar Fußbreit sind für ihn nur schwer zu schaffen. Aber dann ist die Waffe in seiner Reichweite. Er nimmt sie dem toten Kerl aus den Fingern, was gar nicht so leicht ist. Dessen Zeigefinger hat sich am Abzug verhakt.

Es dauert einen Moment, bis Blacksmith den Revolver endlich in der zitternden Hand hält.

Ein guter Navy-Colt mit langem Lauf und Perlmuttgriff, in den ein Name eingraviert ist.

Und es gibt ein paar Kerben.

Mag der Teufel wissen, wofür die stehen, denkt Blacksmith.

Aber heute wird noch eine hinzukommen!

Er reißt die Waffe hoch.

Kein Schuss ist daraus bis jetzt abgefeuert worden, denn dazu ist der Frachtfahrer gar nicht mehr gekommen. Also müssen noch sechs Patronen in der Trommel stecken. Sechs Patronen mit sechs Kugeln, um diesen Teufel, in der Gestalt eines Predigers zur Strecke zu bringen.

Blacksmith schießt.

Der Prediger dreht sich nicht einmal um.

Die Kugel geht irgendwo ins Nichts.

Der zweite Schuss folgt - und geht auch daneben.

In der Wassertränke vor dem Mietstall ist jetzt ein Loch. Ein Strahl schießt heraus.

Der nächste Schuss streift den Hut des Predigers.

Reißt ein Stück aus dem Filz heraus, sodass dort nun ein Loch zu sehen ist, ohne dass ihm dadurch der Hut vom Kopf fliegt.

Jetzt erst dreht sich der Prediger um.

Sein Blick trifft Blacksmith.

Der zieht noch einmal den Hahn des Navy-Colts zurück.

Ein weiterer Schuss löst sich - aber der ist völlig ungezielt, denn jetzt bricht der Ladenbesitzer leblos in sich zusammen und rührt sich nicht mehr. Seine Augen sind im grenzenlosen Hass erstarrt, der Mund wie zu einem verstummten Schrei geöffnet.

“Der Herr sei deiner armen Seele gnädig”, sagt der Prediger. “Und Satan möge dir die Hölle heizen!”

11

Der Town Marshal ist aus seinem Office herausgekommen. Sonst traut sich kaum jemand auf die Straße. Er starrt den Prediger an und als er dann zu dem Schlachtfeld hinsieht, dass der Fremde an diesem Tag vor Blacksmith’ Laden hinterlassen hat, da steht dem Sternträger der Mund offen und er vergisst erstmal, ihn wieder zu schließen.

Gegen den Prediger vorzugehen, traut sich der Town Marshal nicht.

Er steht einfach nur da. Und man sieht ihm die Angst an.

“Das Werk der Gerechtigkeit des Herrn ist schon getan”, sagt der Prediger in Richtung des Town Marshals. “Du kommst zu spät, Marshal!”

Der Mann mit dem Stern bekommt ein dunkelrotes Gesicht.

Er wünscht sich in diesem Augenblick nur eins: Dass der Colorado-Mann mit seinen Leuten so schnell wie möglich in die Stadt kommen möge.

Nie im Leben hätte er gedacht, dass sich in ihm mal dieser Wunsch regen würde, denn er hat inzwischen einiges über den Colorado-Mann gehört. Und er weiß daher, was für ein schlimmer Bursche das ist und das er in anderen Städten schlimm gewütet hat. Er weiß auch, dass es in mindestens drei Staaten eine Belohnung auf seinen Kopf gibt. Die Steckbriefe liegen in seiner Schublade im Office und der Town Marshal hat sie erst beachtet, nachdem der Beschluss in der Kirche gefallen ist.

Einen Teufel, so denkt er jetzt, bekämpft man wohl nur mit einem noch schlimmeren Teufel.

12

Es ist der siebte Tag seit der Ankunft des Predigers.

Als er an diesem Tag die Treppe aus dem Obergeschoss des Saloons herunterkommt und sein Frühstück nehmen will, sagt der Salooner: “Ich hätte eigentlich ganz gerne, dass Sie mir die zwei Dollar bezahlen für das Frühstück, die noch ausstehen, denn...”

Der Prediger blickt auf.

Sein Blick scheint den Salooner zu durchbohren und bringt ihn zum Schweigen.

“Zwei Dollar?”, fragt der Prediger.

Der Salooner hat gesehen, dass an diesem Morgen ganz früh ein paar Männer in die Stadt gekommen sind. Der Colorado-Mann und fünf weitere Gunslinger. Und so denkt der Salooner jetzt wohl, dass er sein Geld vielleicht nicht mehr bekommen wird, wenn er es jetzt nicht einfordert.

“Ich habe Hunger”, sagt der Prediger und der Salooner stellt ihm sein Frühstück hin.

“Bitte sehr.”

“Danke.”

“Und die zwei Dollar...”

“Ja?”

“Also, es wäre wirklich nett, ich meine... Ich habe ja auch Kosten und...”

Der Prediger greift in die Tasche und wirft dem Salooner zwei Dollar hin. Eine der Münzen dreht sich auf dem Tresen wie eine Ballerina und fällt erst dann um.

“Danke.”

“Danke dem Herrn für jeden Tag, an dem du die Augen aufschlägst, mein Sohn.”

“Ja, das tue ich auch. Und ich war zuletzt auch wieder in der Kirche”, sagt der Salooner. Das ist nichtmal gelogen, denn er war in der Kirche dabei, als man beschlossen hat, den Colorado-Mann und seine Leute zu holen.

Der Prediger nimmt sein Frühstück.

Währenddessen geht der Salooner zu den Schwingtüren und blickt hinaus auf die Main Street.

“Ich glaube, da draußen wartet jemand auf dich, Prediger!”

“Soll sich in Geduld üben”, sagt der Prediger und isst ungerührt weiter.

“Ich fürchte, die werden kaum noch länger geduldig sein”, meint der Salooner daraufhin. Er sieht den Colorado-Mann und seine Leute, wie sie sich vor dem Sallon aufgestellt haben. Am meisten fürchtet der Salooner nun, dass sie zu ihm hereinkommen und die Schießerei bei ihm im Schankraum stattfindet.

Besser, das Blutbad findet draußen auf der Main Street statt.

Dann hat er nicht den Schaden.

“Allein der Herr bestimmt Tag und Stunde”, sagt der Prediger.

13

Ein Schuss pfeift durch das Fenster. Die Scheibe zerspringt.

Der Salooner verkriecht sich hinter seinem Tresen.

“Prediger! Komm raus!”, ruft eine heisere Stimme.

Aber der Prediger isst ungerührt sein Frühstück zu Ende.

Dann legt er einen Cent auf den Tresen.

“Das ist für dich, Salooner”, sagt er. “Für deine Unannehmlichkeiten. Und dafür, dass du hinterher sauber machst”

Der Prediger geht zu den Schwingtüren, stößt sie auf und tritt ins Freie.

Da stehen sie - der Colorado-Mann und seine fünf Gunslinger. Die Hände sind an den Colts. Und zwei der Männer haben Shotguns in den Händen, einer eine Winchester, die jetzt gerade mit einem ratschenden Laut durchgeladen wird.

Der Prediger schlägt den Rock zur Seite und legt die Griffe der Mauser-Pistolen frei.

“Ihr habt fünfmal sechs Schüsse in euren Colts”, sagt der Prediger ruhig. “Das macht dreißig Schuss. Dazu kommen je zwei Schuss in den Shotgun-Läufen. Das macht 34 Schuss. Und 12 Schuss im Magazin der Winchester. Dann sind wir bei sechsundvierzig Schuss. In meinen Mauser-Magazinen sind vierzig Kugeln. Ihr seid also leicht im Vorteil.”

“Ich habe gehört, du redest viel über den Herrn und so - und nicht so viel über Patronen”, sagt der Colorado-Mann.

“Alles zu seiner Zeit”, sagt der Prediger.

Der Colorado-Mann spuckt aus. “Wie auch immer, wenn du noch etwas zum Herrn sagen willst, solltest du das jetzt tun. Weil es sonst zu spät sein könnte.”

Die anderen lachen dreckig.

Im Hintergrund, auf der anderen Straßenseite, bemerkt der Prediger Hallway und den Town Marshal. Die halten sich beide aus der Schusslinie. Aber sie wollen trotzdem wissen, wie die Sache ausgeht. Sollen sie ihr Schauspiel haben, denkt der Prediger.

Der Colorado-Mann verzieht das Gesicht. Sein Handballen ruht auf dem Colt. “Na, was ist? Kein Gebet, Prediger?”

“Es ist niemals zu spät, zum Herrn zu sprechen”, sagt der Prediger.

14

Er wartet nicht, bis einer der Männer nervös wird und anfängt zu schießen.

Stattdessen zieht er seine Mauser-Pistolen heraus und feuert als Erster.

Einer der Shotgun-Schützen fliegt regelrecht in den Dreck und bleibt der Länge nach und bleidurchsiebt liegen. Der Winchestermann sinkt wie ein gefällter Baum nieder. Ein Schuss nach dem anderen kommt aus den Läufen der Mauser-Pistolen und der Colorado-Mann hat bereits eine Kugel mitten in die Stirn bekommen. Das Einschussloch sieht jetzt aus wie ein drittes Auge.

Hinter dem Prediger bewegen sich die Schwingtüren, in denen inzwischen Dutzende von Löchern sind.

Aber der Prediger hat nichts abbekommen.

Es dauert nicht länger als ein paar Augenaufschläge und der Colorado-Mann liegt zusammen mit allen fünf Gunslingern im Staub der Main Street. Einer der Gunslinger hat noch versucht, zu den Pferden zu kommen.

Aber der Prediger lässt ihn nicht entkommen und feuert ihm eine Kugel in den Rücken.

Die angebundenen Pferde wiehern unruhig.

Aber ansonsten herrscht nun Stille.

Für den Moment. Als der Prediger zwischen den Toten hindurchgeht und zu Boden auf ihre zerschossenen Leiber blickt, sieht er aus den Augenwinkeln heraus noch, dass jetzt der Town Marshal auf der anderen Straßenseite zur Waffe gegriffen hat.

Er denkt wohl, dass die Gelegenheit günstig ist.

Vielleicht glaubt er auch, dass die Magazine der Mauser-Pistolen leer sind.

Aber so genau kann das in diesem Höllenfeuer ohnehin niemand mitgezählt haben.

Der Schuss des Town Marshals geht daneben. Knapp, aber daneben.

Der zweite Schuss streift den Prediger an der Schulter.

Im Schulterpolster seines Rocks ist jetzt ein Loch. Aber er selbst hat nichts abbekommen, denn genau in diesem Augenblick hat er sich niedergebeugt, die beiden Mauser-Pistolen fallengelassen und stattdessen die Winchester aufgenommen.

Ein dritter, schlecht gezielter Schuss des Town Marshals fällt noch, aber der lässt nur eine weitere Scheibe im Saloon zu Bruch gehen. Der Prediger lädt die Winchester durch. Er hat gewusst, dass seine Magazine leer waren. Und genauso weiß er, dass mit der Winchester kaum zwei oder drei Schuss abgegeben wurden. Also sind noch genug Patronen drin, um den Town Marshal, zu erledigen.

Und zudem ist eine lange Waffe auf diese Distanz auch treffsicherer.

Er feuert, lädt durch, feuert.

Der Town Marshal taumelt getroffen nach vorn.

Eine weitere Kugel trifft ihn und noch eine.

Einer dieser Schüsse geht durch seinen Körper hindurch und fährt Hallway in den Kopf, der daraufhin nach hinten kippt und an der hinter ihm befindlichen Hauswand hinunterrutscht. Dabei zieht er eine blutige Spur hinter sich her, die auf dem hellen Holz gut sichtbar ist.

15

Der Prediger lässt die Waffe sinken und nimmt seine beiden Mauser-Pistolen wieder an sich.

Niemand zeigt sich auf der Straße.

Aber hinter einigen Gardinen und an manchen Fenstern ist zu erkennen, dass sich da etwas bewegt.

Eine Viertelstunde später hat der Prediger sein Pferd gesattelt und reitet zur Stadt hinaus.

Es ist niemand da, der sich ihm in den Weg stellt.

In der Kirche kniet Margery Brimson vor dem Altar und betet unablässig vor sich hin und bittet den Herrn um Vergebung. Es ist so still in der Stadt und sie betet so inbrünstig, dass man ihr Gemurmel sogar noch draußen hören kann. Es klingt fast wie das Klagen einer getretenen Katze.

Der Prediger zügelt kurz sein Pferd, als er dort vorbeikommt.

Dann reitet er weiter und lässt Carson City hinter sich.

––––––––

ENDE

Der Prediger kommt nach Lincoln

​​Der Prediger kommt nach Lincoln

––––––––

von Alfred Bekker

Der Dunkle Prediger kommt nach Lincoln – doch nicht, um das Wort Gottes zu verkünden. Stattdessen will er eine alte Rechnung begleichen und seine Mauser-Pistolen sprechen lassen.

Doch auch zwischen dem Town-Marshal und dem Saloonbesizer gibt es offene Rechnungen.

Es kommt der Tag, an dem die Colts sprechen...

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker

© by Author /Cover Tony Masero

© dieser Ausgabe 2018 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

www.AlfredBekker.de

[email protected]

Der Prediger war auf dem Weg in die Stadt.

Er war den ganzen Tag geritten und und vermutlich hatte er noch ein paar Stunden vor sich, ehe er Lincoln erreichen würde.

Der dunkle Hut war tief ins Gesicht gezogen. Die Krempe warf einen Schatten auf die obere Hälfte seines Gesichts.

Er hatte sein Pferd geschunden.

Rücksicht war ihm fremd.

Sowohl was Menschen betraf, als auch in Bezug auf Tiere.

Nachsicht kannte er nicht.

Mit niemandem.

Der Schoß seines Knielangen Rocks wehte für einen Moment zur Seite.

Ein imaginärer Beobachter hätte jetzt das Futteral mit der zwanzigschüssigen Mauser-Pistole sehen können.

Er hatte noch eine zweite auf der anderen Seite stecken.

Teufelswaffen waren das.

Waffen einer neuen Zeit.

Aber das Jahrhundert war jung.

Es hatte gerade erst begonnen. Und es war durstig nach Blut. Viel Blut.

Mehr als selbst eine so unbarmherzige Seele wie die des Predigers sich vorzustellen vermochte.

Man schrieb das Jahr 1901.

Und der Prediger war nicht gekommen, um Gottes Barmherzigkeit zu verkünden.

Er war gekommen, um zu töten.

*

Jenny stützte sich mit den Händen auf der Fensterbank ihres Geschäftszimmers auf der Bordell Ranch vor der Stadt ab. Das blonde Girl atmete schwer. Sie war vollkommen nackt. Hinter ihr stand Marshal Jim Dolan, der ebenfalls keinen Faden am Leib trug. Er umfasste ihr Gesäß und presste seine Lenden gegen sie. In regelmäßigen Stößen drang er in sie ein. Ihre Brüste wippten im gleichen Rhythmus. "Ja, gut so", flüsterte sie. Aber Jim hörte kaum zu. Viel zu sehr war er auf den aufregenden Körper dieser Klasse-Frau konzentriert.

Immer heftiger wurden die Bewegungen.

"Oh, Jim! Keiner besorgt's mir so wie du!", stöhnte sie.

"Schön, dass du das zu schätzen weißt, Jenny!"

"Und du willst wohl behaupten, dass du überhaupt nichts davon hast, was?"

Jim grinste. "Dumme Angewohnheit von euch Frauen..."

"Was?", keuchte Jenny.

"Die Quatscherei beim Sex!"

"Ich weiß dein Opfer zu schätzen, Jim!"

Jims Hände wanderten höher, strichen über ihre Taille, ihren Bauch, umfassten dann ihre festen Brüste und kneteten sie. Dann riss der Sturm der Leidenschaft sie beide fort.

Schweiß perlte von Jennys Haut. Das Girl schloss die Augen, presste die Lippen aufeinander. Ihr Becken drückte sie Jim entgegen, der immer wieder tief in sie hineinstieß.

Dann endlich kam der erlösende Höhepunkt.

Jenny konnte sich nicht mehr abstützen. Aber Jim hielt sie von hinten mit seinen kräftigen Armen. Sie atmeten beide schwer. Seine Hände hielten ihre Brüste, spürten ihren rasenden Herzschlag.

"Bleib so!", flüsterte sie. "Nicht weggehen... noch nicht..."

Ein Reiter preschte in diesem Augenblick auf den Vorplatz der Redlight Ranch. Er kam von der Brücke her, die über den Rio Bonito führte. Auf der anderen Seite des Flusses befand sich die Stadt Lincoln. Eine wahre Staubfontäne zog der Reiter hinter sich her, so dass man zunächst kaum etwas von ihm sehen konnte.

Vor dem Ranchhaus zügelte er seinen Gaul.

"Das ist Doug Payne!", stellte Jim verwundert fest. "Mein Gott, der ist geritten wie der Teufel! So habe ich ihn noch nie daherpreschen sehen. Höchstens seinen Gaul, nachdem er ihn abgeworfen hatte..."

Jennys Arme wanderten nach hinten, hielten seine Hüften fest und zogen sie wieder näher zu sich heran. Sie schmiegte sich dabei an ihn. Ihre Augen waren geschlossen. Ein versonnenes Lächeln spielte um ihre Lippen. "Hierbleiben, Jim..."

"Wenn Doug so daherreitet ist in der Stadt irgend etwas los", meinte Jim, dessen Blut sich langsam wieder aus anderen Körperregionen zurückzog, um in den Kopf zurückzukehren.

"Ach, Jim... gönn den armen Bankräubern und Banditen doch auch mal einen guten Tag... und mir ebenfalls!"

Jim glitt aus ihr heraus. Sie drehte sich um, schlang die Arme um seinen kräftigen Hals. Jim hob sie hoch, trug sie zum Bett und legte sie dann behutsam nieder.

Als er sich erheben wollte, zog sie ihn zu sich, küsste ihn.

"Komm", sagte sie.

Es klopfte an der Tür. "Jim! Hörst du mich Jim?"

"Ich höre dich, Doug", rief Jim Dolan zurück. Jenny verzog in gespieltem Zorn das Gesicht. Jim zuckte grinsend die Achseln.

"Jim, in der Stadt ist der Teufel los! Ich störe dich ja höchst ungern, aber Mary-Jane sagte mir unten in der Bar, dass du hier oben wärst und... du kannst mir glauben, dass ich nicht so einen Aufstand machen würde, wenn es nicht nötig wäre."

"Schon klar", meinte Jim, der bereits damit begonnen hatte sich anzuziehen.

"Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie sehr du hier störst!", rief Jenny ihm zu. "Glaub mir, wenn du so etwas noch einmal machst, werde ich Rufus dahingehend beeinflussen, dass du auf der Redlight Ranch keinen Drink mehr bekommst!"

"Lass ihn", unterbrach Jim sie. "Du merkst doch, wie konfus er ist. Da muss wirklich was passiert sein!"

Rasend schnell knöpfte er sich das Hemd zu und schnallte sich dann den Colt um.

Anschließend öffnete er die Tür.

Jenny verkroch sich unter die Decke.

Wenn dieser verdammte Assistant Marshal ihr schon den Geliebten entführen musste, dann sollte er nicht auch noch mit dem Anblick ihres wunderschönen Körpers belohnt werden.

Doug stierte sie trotzdem an.

"Nichts für ungut, Jenny!"

Das Girl machte eine wegwerfende Handbewegung. "Scheint so, als ginge es abwärts mit mir! Wenn deine Anziehungskraft auf Jim schon stärker ist als meine..."

Jim setzte den Hut auf, zwinkerte Jenny noch einmal zu.

"Mach dir ein paar schöne Gedanken, bis ich wieder zurückkomme", meinte er.

Sie warf ihm ein Kissen hinterher.

Jim duckte sich, so dass Doug es mitten ins Gesicht bekam.

Der Marshal schloss die Tür, so dass das nächste Kissen gegen das Holz prallte.

Zusammen gingen Jim und Doug dann die große Freitreppe hinunter, die in die Eingangshalle der Redlight Ranch führte.

"Meinst du das mit den Drinks in der Bar meint sie ernst?", fragte Doug.

"Einstweilen bin ich der Besitzer der Ranch", erklärte Jim. "Und Rufus ist mein Angestellter. Er wird also tun, was ich ihm sage - gleichgültig, was Jenny meint."

"Na, wenigstens eine gute Nachricht."

"Nun mal raus damit, was ist los?"

"Da warten ein paar Kerle im DRUNKEN SINNER auf mich und wollen sich mit mir schießen."

"Mit dir, Doug?"