111 Gründe, Deutschland zu lieben - Juliane Gringer - E-Book

111 Gründe, Deutschland zu lieben E-Book

Juliane Gringer

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Beschreibung

Die Deutschen bereisen die ganze Welt, denken, shoppen und leben immer globaler. Dabei ist es doch zu Hause immer noch am schönsten! Und auch für erfahrene Deutschlandkenner gibt es noch so viel Neues zu entdecken. Deutschland ist ein aufregendes, beeindruckendes und spannendes Land voller Gegensätze. Es bietet seinen Bürgern ein hohes kulturelles, politisches und soziales Niveau und damit die Grundlage für ein freies, sicheres und zufriedenes Leben. Die Deutschen gehen offensiv mit den Fehlern ihrer Geschichte um, bemühen sich, aus ihnen zu lernen, und arbeiten gleichzeitig an einer glücklichen Zukunft. Zeit, sich dieser großen Errungenschaften zu besinnen! Warum? Um – wenn nötig – für sie zu kämpfen und sie für die nächsten Generationen zu erhalten. Aber auch abseits der bekannten Vorzüge dieses Landes gibt es noch so viele Gründe mehr, warum Deutschland absolut liebenswert ist … Was ist das? Es ist eines der sichersten Länder der Erde, liegt am Meer, ist ein erfolgreicher Wirtschaftsstandort, dort werden Kunst, Kultur und Forschung gefördert und 'Sommermärchen' Wirklichkeit. Die medizinische Versorgung ist top, Bildung erschwinglich und für frischgebackene Väter und Mütter gibt es Elternzeit. Richtig! Die Rede ist von Deutschland, einem attraktiven Land, in dem es sich vortrefflich leben lässt. Juliane Gringer schaut mit wohlwollendem Blick und wachem Verstand auf die vielen guten Seiten ihrer Heimat, ohne dabei die schlechten schönzureden. In 111 Gründe, Deutschland zu lieben erinnert sie an Annehmlichkeiten, die oft als selbstverständlich wahrgenommen werden. Und sie erlaubt sich zu schwärmen: von der klischeehaften deutschen Pünktlichkeit und Sauberkeit genauso wie von Qualität 'made in Germany'. Herausgekommen ist ein leidenschaftliches Plädoyer dafür, das große Abenteuer einfach mal im eigenen Land zu suchen.

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Juliane Gringer

111 GRÜNDE, DEUTSCHLAND ZU LIEBEN

Eine längst überfällige Liebeserklärung

•Weil Deutschland Heimat ist 14

•Weil die Deutschen sehr ordentlich sind 17

•Weil Auswandern meistens nicht gut geht 20

•Weil man auch gleich hier Urlaub machen kann 22

•Weil Socken in Sandalen irgendwann doch Trend wurden 26

•Weil Meckern auch Spaß macht 28

•Weil die Deutschen (fast immer) pünktlich sind 31

•Weil hier so viele Spießer leben 34

•Weil hier angeblich saure Gurken am Weihnachtsbaum hängen 37

•Weil schlechte Laune, aber auch Freundlichkeit, hier ernst gemeint sind 40

•Weil Deutschland am Meer liegt 43

•Weil man hier so gut wandern kann 47

•Weil nicht alle hochdeutsch sprechen 50

•Weil nicht alle Klischees zutreffen 53

•Weil Durchschnitt sehr sympathisch sein kann 54

•Weil es 55 Millionen Touristen hier auch sehr gut gefällt 56

•Weil es so gut riecht 58

•Weil Deutschland so gut schmeckt 61

•Weil zu viel Sonne irgendwann auch nervt 64

•Weil es so gut aussieht 67

•Weil Deutschland das Land der Dichter und Denker ist 70

•Weil wir es erfunden haben … 72

•Weil Deutschland so viele beeindruckende Persönlichkeiten hervorgebracht hat 75

•Weil es die documenta gibt 78

•Weil Kunst und Kultur gefördert werden 79

•Weil von Leipzig aus die Kunstwelt aufgemischt wird 82

•Weil deutsche Firmen Weltklasse sind 84

•Weil die duale Ausbildung Weltklasse ist 86

•Weil Piraten hier Politik machen dürfen 89

•Weil Martin Luther die Kirche reformierte 91

•Trotz Lothar Matthäus 94

•Weil deutsche Sportler im Ausland schwer gefragt sind 97

•Weil Sportler auf hohem Niveau gefördert werden 99

•Weil Köln die größte Sporthochschule der Welt hat 101

•Weil alle mitmachen – von »Trimm dich« bis »Jugend trainiert für Olympia« 103

•Weil Adolf Dassler Sportkleidung neu erfand 106

•Weil hier Sommermärchen geschrieben werden 109

•Weil der Volkssport Fußball wirklich einer ist 112

•Weil es für viele Profis ein spannendes Leben nach dem Sport gibt 115

•Weil der deutsche Sport Idole wie Steffi Graf hervorbringt 118

•Weil sich das Land seiner Geschichte stellt 122

•Weil es Menschen wie Sophie und Hans Scholl gab 124

•Weil Nürnberg sich für Menschenrechte einsetzt 127

•Weil vergeben nicht vergessen heißt 129

•Weil jede Generation neu über die Vergangenheit nachdenkt 132

•Weil es die 68er gibt 134

•Weil der Atomausstieg doch möglich ist 137

•Weil zwei Länder wieder zu einem wurden 140

•Weil es eine neue jüdische Kultur im Land gibt 143

•Weil sich die Deutschen endlich trauen, stolz auf ihr Land zu sein 146

•Weil hier so viele fremde Kulturen zusammenleben 149

•Weil man in einer Straße Pizza, Sushi und Eisbein essen kann 151

•Weil man hier leben kann, wie es einem gefällt 154

•Weil am Grill jeder gleich ist 155

•Weil hier viele auf wenig Raum miteinander auskommen 159

•Weil sich hier jeder Dritte ehrenamtlich engagiert 160

•Weil »Familie« sich gewandelt hat – und doch Familie bleibt 163

•Weil in der Not Helfer zur Stelle sind 165

•Weil hier in der Sauna alle Hüllen fallen 168

•Weil das Sozialsystem die Schwachen auffängt 171

•Weil die beste Band der Welt aus Berlin kommt 173

•Weil Deutschlands Orchester die Welt erobern 176

•Weil auch deutsche Texte gut klingen 179

•Weil die GEMA Existenzen sichert 181

•Weil deutsche Komponisten die klassische Musik prägten 183

•Weil deutsche Musik international gefragt ist 185

•Weil immer noch 99 Luftballons aufsteigen 187

•Weil: »Bumm, Bumm, Bumm!« 189

•Weil alle mitsingen dürfen 192

•Weil uns nichts peinlich ist 195

•Weil man hier sicher leben kann 198

•Weil man hier ordentlich Gas geben darf 200

•Weil hier Müll getrennt wird 202

•Weil es die Elternzeit gibt 206

•Weil hier Wetter noch Wetter ist 209

•Weil es kaum Korruption gibt 210

•Weil man hier älter wird 212

•Weil die Auswahl an Wurst und Käse riesig ist 214

•Weil hier Handwerk geehrt wird 216

•Weil die medizinische Versorgung eine der besten der Welt ist 218

•Weil die besten Autos aus Deutschland kommen 221

•Weil Bäcker hier das beste Brot backen 223

•Weil hier Kuckucksuhren gebaut werden 226

•Weil die deutsche Küche so ehrlich ist 228

•Weil Verwaltung Sinn macht 231

•Weil wir gutes Bier brauen 234

•Weil man sich hier fühlen kann wie ein König oder eine Prinzessin 236

•Weil Werbung auch mal blond sein und Heidi heißen darf 239

•Weil Deutschland Exportweltmeister ist 242

•Weil der deutsche TÜV auf der ganzen Welt Qualität erkennt 243

•Weil nicht immer Til Schweiger mitspielt 247

•Weil der deutsche Film immer besser wird 250

•Weil ein Filmfestival hier sogar im Winter ein Erlebnis ist 252

•Weil Diane Kruger so sehr »Hollywood« ist 254

•Weil Deutschland doch Humor hat 256

•Weil das Wohnzimmer immer sonntags zum »Tatort« wird 259

•Weil große und kleine Verlage spannende Vielfalt bieten 262

•Weil zwei große Buchmessen jede Menge Lesestoff bieten 264

•Weil es die ARD gibt 266

•Weil wir auch online mitmischen 268

•Weil Forschung intensiv gefördert wird 271

•Weil wir eine Kanzlerin haben 274

•Weil wir innovativer sind 276

•Weil man hier günstig leben kann 277

•Weil Deutschland in Kinder investiert und damit in die Zukunft 278

•Weil ausländische Firmen sich hier gern niederlassen 280

•Weil Deutschland ein angesehener Wissenschaftsstandort ist 283

•Weil wir uns Sorgen machen 285

•Weil auch die Weltmacht China unser Potenzial erkennt 287

•Weil die Generationen zusammenhalten 289

•Weil jeder sein eigenes Deutschland hat – danke! 291

»Warum in die Ferne schweifen,wenn das Gute liegt so nah?«

Redensart nach Johann Wolfgang von Goethe

Darf man das? Ja!

Vorwort

Berge und Meer, Weißwurst und Labskaus, Ost und West: Deutschland ist ein Land voller Gegensätze und spannender Vielfalt. Es gibt hier an jeder Ecke was zu entdecken, aber gerade wenn man selbst in diesem Land lebt, sieht man den Wald manchmal vor lauter Bäumen nicht und nimmt vielleicht gar nicht richtig wahr, was Deutschland so alles zu bieten hat.

Deshalb wollte ich dieses Buch schreiben. Weil ich schon immer gern in Deutschland lebe und irgendwann dachte: Warum eigentlich? Also habe ich spontan eine Liste gemacht und Gründe aufgeschrieben. Ich habe recherchiert, nachgefragt und genauer hingesehen und immer mehr Antworten gefunden, bis es irgendwann mindestens 111 Gründe, Deutschland zu lieben, waren. Ich habe sie alle hier aufgeschrieben.

Ich berichte von liebenswerter Meckerei, tollen Landschaften und schlauen Menschen, von Schwarzbrot und goldenem Handwerk, Multikulti und TÜV, japanischen Touristen und schlechten Schauspielern, die gar nicht so übel sind (womit wir wieder am Anfang dieses Satzes ankommen … ) und vielen anderen Dingen, die man zwischen Flensburg und Bodensee, zwischen Aachen und Görlitz entdecken kann.

Aber Deutschland lieben, darf man das eigentlich? Ich lebe seit über 30 Jahren hier und das wirklich gern. Ich bin in Deutschland geboren und aufgewachsen – lange nach dem tiefschwarzen Geschichtskapitel, das für immer mit diesem Land verbunden sein wird. Darf ich es wirklich lieben? Die Antwort fällt leicht und schwer zugleich: Natürlich darf ich das. Wer sollte es mir auch verbieten? Trotzdem wird sich dieser Satz immer unbequem anfühlen. Deutschland hat mit dem Zweiten Weltkrieg die Weltgeschichte auf grausame Weise mitgeschrieben und eine Schuld auf sich geladen, die niemals vergessen werden kann und darf.

Auch heute noch gibt es Menschen in diesem Land, die rechtsextrem denken und Gewalt ausüben, sogar morden. Dagegen muss man mit aller Kraft vorgehen, und es wird zum Glück auch immer Leute geben, die das tun. Doch wer sagt, dass er Deutschland liebt, drückt damit nicht gleich eine rechte Gesinnung aus. Es gibt einen entscheidenden Unterschied zwischen Nationalisten und Patrioten: Nationalisten werten alles Fremde ab, Patrioten lieben ihr »Vaterland«. Und: Was man liebt, darauf passt man sehr gut auf. Man wertschätzt es und will es pflegen, erhalten und positiv mitgestalten. Dazu gehört auch, dass man negativen radikalen Tendenzen mit aller Kraft entgegentritt.

Ich möchte Sie mit diesem Buch auf eine Reise vor die eigene Haustür mitnehmen, und ich hoffe, dass Sie beim Lesen und danach Ihre Heimat genauso in vertrautem wie vielleicht auch neuem Licht sehen. Ich möchte Gästen und Zugezogenen schöne und interessante Seiten dieses Landes zeigen, die sonst vielleicht kein Reiseführer oder Tourist Guide so beleuchtet. Ich möchte für Aha-Momente sorgen und im besten Sinne Werbung für ein Deutschland machen, das ein modernes, weltoffenes und ganz einfach liebenswertes Land ist.

Juliane Gringer

KAPITEL 1

Typisch deutsch

Was ist dran an den Klischees?

1. GRUND

Weil Deutschland Heimat ist

Immer wenn ich von einer Reise nach Hause komme, dann gibt es diesen Moment, in dem ich nicht mehr an all das denke, was gerade eben noch war und was ich unterwegs erlebt habe, sondern in dem ich mich auf das freue, was mich jetzt erwartet: mein Zuhause.

Der Bus und die S-Bahn vom Flughafen zu »meiner Haltestelle«. Die Großstadt, in der alles so weiterläuft, als sei nichts gewesen. Der Fußweg zum Haus, der Gemüseladen, das Kurzwarengeschäft und der Blumenladen, dann noch zwölf Schritte bis zur Haustür, aufschließen, links die Briefkästen, dann die Wohnungstür und diese Leere dahinter, die sich jetzt wieder Stück für Stück mit Leben füllt. Die Tasche im Schlafzimmer abstellen und noch nicht ausräumen, sondern später. Die Post durchschauen, aufs Sofa legen und durchs Fenster nach draußen gucken. In den Laden an der Ecke gehen, ein bisschen Obst und sehr viel Joghurt und ein schnelles Tiefkühlgericht kaufen. Der gleiche Verkäufer wie immer, auf der Straße dieselben Menschen, vertraut und fremd wie immer. Alles noch da, wo es war. Das ist Heimat. Die zweite neben der, in der ich aufgewachsen bin und wo noch heute meine Familie wohnt. Ich besuche sie regelmäßig, und immer, wenn ich dort ankomme, ist mir auch sofort alles ganz vertraut – mit einer kuschligen Selbstverständlichkeit fühle ich mich auch dann wohl und geborgen.

Der Ausdruck Heimat ist nicht nur für mich seit jeher mit Deutschland verknüpft. Er stammt vom germanischen Wort haima ab. Bis heute gibt es keine direkte Übersetzung dieses Begriffs in andere Sprachen, Wörter wie homeland bezeichnen lediglich das Land, aus dem man kommt. Anfangs eher ein juristischer Begriff, hat sich »Heimat« mit der Zeit emotional immer mehr aufgeladen – im positiven wie auch im negativen Sinne. In ihrem Deutschen Wörterbuch von 1877 nennen die Brüder Grimm es »das land oder auch nur der landstrich, in dem man geboren ist oder bleibenden aufenthalt hat« und »der geburtsort oder ständige wohnort«.1

Der Besitz von Haus und Hof ist im Mittelalter das, was man Heimat nennt. Zur Zeit der Industrialisierung sehnen sich die Menschen zurück nach so einem Zuhause, die Romantik bringt die »Heimatdichtung« hervor, die in der Natur nach Geborgenheit sucht. Im 19. Jahrhundert wird der Begriff durch die Nationalbewegung politisch, man vermisst die Einheit des Staates.

Die Nationalsozialisten schließlich bringen die Wende: Sie missbrauchen »Heimat« im Rahmen ihrer agrarpolitischen Blut-und-Boden-Ideologie, die auch für Adolf Hitlers Proklamation steht, der »deutsche Boden« sei nur für »Arier« bestimmt. Heimat bedeutet Deutschsein, alle anderen werden daraus ausgeschlossen.

Nach dem Krieg wird das Wort wieder zum Begriff für Sehnsucht: Im Heimatfilm werden schöne Bilder gezeigt, die eine heile Welt zeichnen, die die Menschen im Krieg so lange vermisst haben. Doch »Heimat« ist noch lange Zeit negativ besetzt. Unter anderem gilt es als spießig und rückwärtsgewandt, sich darauf zu besinnen und gar von Heimatgefühlen zu schwärmen.

Im neuen Jahrtausend jedoch bekommt die Heimat ihre Chance auf ein Comeback und nutzt sie. Die Sehnsucht nach einem Zuhause ist wieder groß – nach dem Ort, aber vor allem nach dem Gefühl. Von kitschigen Bergpanoramen hat man den Blick abgewendet und schaut auf das, was die Heimat im Herzen ausmacht. Man besinnt sich auf Ursprünglichkeit, Natürlichkeit und Einfachheit. »Home is where the heart is«, sagt man im Englischen. Und das Herz schlägt nun mal meistens für den Ort, aus dem man kommt.

2. GRUND

Weil die Deutschen sehr ordentlich sind

Wäre dieser Punkt ein Kriterium für die deutsche Staatsbürgerschaft, dann müsste ich sofort meinen Pass und Ausweis abgeben und würde beide Dokumente wohl niemals wiedersehen. Ich gehöre eindeutig zur Fraktion »kreatives Chaos«. Ich staple die vielen Dinge meines alltäglichen Lebens, wo immer auch Platz für einen Stapel ist. Der Stapel ist dann ganz korrekt auf Kante gesetzt, umfallen tut der so leicht nicht – aber es ist und bleibt ein Stapel. Und wo immer sich schon wie von selbst ein kleiner Stapel gebildet hat, da türme ich fleißig weiter auf. Bücher, Zeitungen und Zeitschriften, wichtige Unterlagen, hoffentlich nicht so wichtige Unterlagen und auszufüllende sowie abzuschickende Unterlagen – alles kreuz und quer durcheinander. Klamotten und andere Sachen ohne richtige Ecken und Kanten werden genauso gestapelt und aufgetürmt.

Kurz bevor so ein Bauwerk umzustürzen droht (oder manchmal leider auch doch erst kurz danach), packt mich dann ein gewisser Ehrgeiz, und ich trage die Schichten Stück für Stück wieder ab, sortiere, lege hierhin und dorthin, um letztlich wieder neue Stapel zu bilden, weil doch noch nicht alles seinen festen Platz hat. Die neuen Stapel haben dann wenigstens alle ein Thema, zum Beispiel »Büro«, »privat« oder »ab in den Müll«, aber nicht immer verschwinden sie damit automatisch aus dem Blickfeld, weil sich für einige Themen irgendwie niemals eine Location findet, an der sie fachgerecht verstaut werden können. Mindestens einer der Türme steht dann also doch wieder rum und zieht leider auch schnell neue Kumpane an.

»Verstauen und Ordnen«, diese Abteilung bei IKEA mit dem wohlklingenden Titel und all ihren Boxen, Zeitschriftenständern und Wäschesäcken ist eins meiner Lieblingsziele beim schwedischen Möbelkaufhaus: Auch ich wandle dort regelmäßig gern durch die Gänge und shoppe hier ein Skubb (»Fach mit seitlichem Griff für einfaches Herausziehen und Umstellen«, im Dreier-Set für 17,99 Euro) oder da einen Pallra (Schachtel im Vierer-Satz für 16,99 Euro – »Ordnung halten fällt leicht mit diesen Behältern«) oder auch Signum (Kabelkanal waagerecht, silberfarben, »sammelt Computer- und Elektrokabel; so bleibt der Arbeitsbereich leichter übersichtlich«, 9,99 Euro).2 Doch dem deutschen Klischee von Ordnung und Sauberkeit immer und überall kann ich persönlich leider auch mit gelb-blauer Unterstützung nicht gerecht werden.

Vielleicht wird die Messlatte durch meine deutschen Mitbürger aber auch tatsächlich einfach viel zu hoch gelegt. Vielleicht stimmt es, und die sind tatsächlich alle so superordentlich, dass ich mit meinen kleinen Unzulänglichkeiten gleich als Chaotin wahrgenommen werde. Ich kann also gar nichts dafür. Alles ist relativ sozusagen. Und ich dosiere meine Unordnung ja auch relativ maßvoll – die wichtigsten Dinge finde ich immer, sei es auch manchmal nur durch stundenlanges oder sehr hektisches Suchen, das von üblem Fluchen begleitet wird. Ich bin dann selbst immer überrascht, was für Worte der Wut über meine Lippen kommen können.

Außerdem fällt mir auf: Auch ich mag es ausgesprochen gern ordentlich. Ich liebe die Ästhetik perfekt gefalteter Handtücher im Schrank, die Buchrücken in meinem Regal sind nach Farben sortiert, und wann immer ich eine hübsch eingerichtete Wohnung betrete, deren Besitzer offensichtlich das Prinzip Ordnung beherrscht und auch umsetzt, fühle ich mich sofort wohl. Ich beneide vor allem die Menschen, die nur eine sehr übersichtliche Anzahl von Dingen in ihr Leben lassen. Dann fällt Ordnung halten bestimmt leichter. Aber als jemand, der zum Beispiel mehr als ein Buch pro Jahr liest und Bücher auch selbst kauft und nicht nur von Freunden oder aus der Bücherei leiht, kommt über die Jahre einiges an Material zusammen.

So einem Stapel lässt sich außerdem ja auch ein gewisses Ordnungsprinzip nicht absprechen. Eigentlich bin ich also schon sehr ordentlich, nur leider etwas zu faul dazu, das konsequent zu verwirklichen. Damit entspreche ich also wieder dem Klischee vom »ordentlichen Deutschen«, behaupte ich jetzt einfach mal. Leider erfülle ich damit nur nicht das Klischee des »immer fleißigen Deutschen« – aber das ist dann ein anderes Thema.

3. GRUND

Weil Auswandern meistens nicht gut geht

Man ist vielleicht gerade mal einfach genervt von allem und denkt dann, das Land, in dem man lebt, sei schuld. Und man träumt ja auch schon lange davon, mal woanders zu leben, und damals im Urlaub, in Spanien, das war doch so schön, und da unten scheint auch immer die Sonne, und die Menschen sind so nett und viel offener als die Deutschen. Ja, warum eigentlich nicht? Warum kann man sich nicht mal was trauen, alte Schuhe ausziehen, zu neuen Horizonten aufbrechen, man lebt doch nur einmal, nur wer wagt, gewinnt … Also beschließt man, einfach mal was Neues zu wagen.

Weil das doch auch mal sein muss und sich gut und ein bisschen verrucht anfühlt. Dann schwärmt man vielleicht noch allen seinen Freunden vor, wie man sich sein zukünftiges Leben im Paradies so vorstellt, und nervt sie mit Meckerei über ihre »typisch deutsche« Engstirnigkeit. Irritierte Gesichter werden ignoriert, man schaut gar nicht hin, weil der eigene Blick so verklärt ist von der Vorstellung von dem tollen, glücklichen Leben, das einen in der Ferne erwarten wird. Egal wie, Hauptsache schnell weg hier!

Also verkauft man die Anbauwand und den Flokati-Teppich bei eBay, was gut passe, erklärt man, weil man sich sowieso freimachen wolle von allem Ballast. Falls Ihnen das mal passiert, seien Sie beruhigt, das ist alles völlig okay und kann schon mal vorkommen. Aber dann begehen Sie bitte nicht den schlimmsten aller Fehler und rufen Sie das Fernsehen an, ob die Sie nicht auf dem Abenteuer Ihres Lebens begleiten wollen.

Das wollen die nämlich bestimmt gern, weil sie wissen, wie gut es bei ihren Zuschauern ankommt, wenn sich auf dem Bildschirm jemand kräftig amüsiert. Sie wären wirklich nicht die Ersten, deren Scheitern beim Auswandern peinlichst genau dokumentiert und zum Auslachen freigegeben worden wäre.

Im Fernsehen gibt es dann nämlich die bittere Realität zu sehen, wenn man bei der Ankunft in der neuen Heimat begleitet wird: Dass so ein Umzug ins Ausland etwas mehr Planung bedeutet, als bei »Umzugshannes« anzurufen und drei Kartons zu packen. Dass es Kakerlaken nicht nur im Fernsehen gibt und dass sich auch spanische Makler auf die Kunst verstehen, tolle Fotos von Wohnungen ins Netz zu stellen, die in Wirklichkeit verdammt mies aussehen, und pikante Details wie »liegt direkt an der Autobahn« gern mal vergessen zu erwähnen. Und dann – huch! – sprechen die nicht mal alle deutsch da im Paradies, wenn man sich jetzt aber mal richtig beschweren will. Und bei Ämtern wartet man dreimal so lange wie zu Hause, aber am Ende des Tages hat man immer noch nicht den Stempel, den man braucht. Und der Stundenlohn, den man fürs Jobben im Café bekommt, der ist auch nicht gerade üppig, sondern man könnte ihn eher Hungerlohn nennen. Oder die Geschäftsidee vom Restaurant mit deutscher Küche direkt am Strand ist doch nicht so gefragt. Und irgendwann ist man wieder an dem Punkt, wo man einfach genervt ist von allem, und man hat sich das ja auch alles ganz anders vorgestellt, woher sollte man es denn auch besser wissen. Und na ja, jetzt ist irgendwie wieder an allem das Land schuld, in dem man lebt …

All diese Menschen, die regelmäßig auf den deutschen Bildschirmen bei ihrer Flucht aus der Heimat begleitet werden, sind auf der Suche nach dem Glück. Doch was hindert sie daran, es zu finden? Deutschland hat sie ganz sicher nicht davon abgehalten.

4. GRUND

Weil man auch gleich hier Urlaub machen kann

Die hundertste Kirche, das fünfzigste Museum, der tausendste Sonnenuntergang: So ein Urlaub im Ausland ist schön, spannend, lehrreich – keine Frage. Doch erstens gibt es das alles auch in Deutschland. Und zweitens verpasst man wirklich nichts, wenn man den Urlaub »nur« in der Heimat verbringt. Okay, man verzichtet auf anstrengende und/oder langwierige und/oder teure Fahrten (mitten in der Nacht/Rushhour/größten Hitze des Tages?) zum Flughafen, einen stundenlangen Aufenthalt dort inklusive sehr unbequemer Metallstühle und vieler sehr gelangweilt dreinschauender Mitreisender an der Seite, bringt sich nicht bei der Fahrt in klapprigen Bussen ohne TÜV-Siegel in Lebensgefahr und verpasst die Gelegenheit, sich von windigen Taxifahrern kräftig übers Ohr hauen zu lassen. Man verzichtet auch auf Tropenkrankheiten, nervige Strandverkäufer und Moskitos, deren Stiche nicht nur jucken, sondern sogar tödlich sein können. Dafür bekommt man: eine spannende Mischung aus Vertrautheit und Neuem.

Natürlich sollte man sich immer mal rauswagen aus den eigenen vier Wänden, Grenzen überschreiten, auf bisher unerforschten Pfaden wandern … – ja, ja, nun hören Sie schon auf! Wer sagt eigentlich, dass man dazu gleich das Land verlassen muss? Der Urlaub im Ausland ist oft auch nicht wahnsinnig originell, vor allem weil allein die Logistik einen Großteil der Energie verschlingt, von der an den schönsten Tagen des Jahres eigentlich oft nicht mehr viel übrig geblieben ist. Ob man im Mittelmeer segelt, auf peruanische Berge klettert oder an der Nordsee wattwandert – Reisen ist Reisen, nicht weniger und vor allem nicht mehr. Heißt es nicht auch »Erholungsurlaub«? Warum muss man dann Dinge auf sich nehmen, die man in seinem ohnehin schon stressigen Alltag niemals tun würde: zum Beispiel 6.000 Treppenstufen hinauf auf den heiligen Berg Tai Shan in der chinesischen Provinz Shandong laufen. Im Büro nimmt man doch schon den Lift, wenn es nur in den zweiten Stock geht.

Außerdem ist eine Reise in heimische Gefilde eine gute Gelegenheit, um Wissenslücken zu füllen. Wie peinlich ist es einem doch oft, dass man gar nicht so genau weiß, wo Fontane nun genau wanderte, wo Bach musiziert hat oder wo Goethe dichtete, wie es in der Zeche Zollverein aussieht und ob Schloss Neuschwanstein wirklich so ein Kitschklumpen ist, wie die Postkartenbilder verheißen, oder vielleicht doch ganz schön. Machen Sie endlich Schluss damit, reisen Sie mal hin! Oft kennt man ja nicht mal die eigene Heimatstadt ganz genau. Es wäre also eine gute Idee, mal an einer Stadtführung teilzunehmen – doch wann soll man dazu Zeit finden, wenn man ständig in der weiten Welt herumtingelt und jede freie Minute nutzt, um zu flüchten?

Grundsätzlich reisen die Deutschen sehr gern, auch in finanziell knappen Zeiten halten sie an ihrem »wohlverdienten« Urlaub fest. Und dann darf es vor allem gern Spanien sein, sagt die Statistik – ein Schalk, wer da nur an Mallorca denkt. Oder die eigene Heimat, die ist wirklich ein sehr gern bereistes Ziel der Deutschen selbst. Besonders oft reisen die Menschen hierzulande an die Nordsee oder in die Berge.

Die Liste der Vorteile für »Daheimbleiber« ist lang. Die Anreise an den Urlaubsort ist zum Beispiel innerhalb Deutschlands meist deutlich kürzer und deshalb auch günstiger: Die Bahnfahrkarte kostet in der Regel doch noch weniger als ein Flug. Man schont dabei ganz nebenbei das Klima. Oder man kann das eigene Auto einfacher mit ans Ziel nehmen und ist damit flexibler und auch wieder billiger unterwegs. Noch ein Kostenfaktor für besonders sparsame Reisende: Anrufe nach Hause belasten die Telefonrechnung kaum. Eher ängstlichen Zeitgenossen kann man außerdem noch mit auf den Weg geben: Der Urlaub in Deutschland bedeutet, dass sie jederzeit einen deutsch sprechenden Arzt antreffen werden, der sie bei Vorlage ihrer Krankenkassenkarte auch gern behandeln wird – ohne Extraversicherung und Vorauszahlung in bar. Man braucht keine Angst vor windigen Medizinmännern oder alles andere als sterilen Geräten zu haben, mit denen einem ja nur mal schnell der Blinddarm entnommen werden soll (was hat der Arzt jetzt genau gesagt, warum hat das Wörterbuch kein Kapitel zu Notoperationen … ?)! Das klingt jetzt alles ein bisschen spießig? Ja, aber wenn man sich das alles erspart, dann bleibt auch einfach mehr Zeit für Erholung.

Nicht zuletzt trifft man bei Reisen durch Deutschland Touristen aus anderen Ländern und kann mit ihnen über das eigene Land ins Gespräch kommen sowie selbst stolz berichten oder auch mit Vorurteilen abrechnen. Außerdem gibt es da doch immer einen entfernten Verwandten, ehemaligen Studienkollegen oder die beste Freundin aus Kindertagen im Sauerland, an der Nordsee – oder noch besser: in München, Hamburg oder Köln! –, die man immer schon mal besuchen wollte, aber ganz ehrlich jetzt. Na dann: Nichts wie los! Ganz ehrlich: Jetzt!

Aus all diesen Argumenten können sich Deutschlandurlauber ein dickes Fell stricken, das sie vor Neid auf die Weitgereisten schützt: Die fiesen Mitbürger, die dann nach den Sommerferien mit Sonnenbrand in der Kantine sitzen und lautstark von wilden Krokodilen, Kamelausritten und knackigen Beach-Bekanntschaften schwärmen. Pah, braucht man doch alles nicht, wenn man Deutschland gesehen hat!

5. GRUND

Weil Socken in Sandalen irgendwann doch Trend wurden

Es war lange Zeit die viel belächelte Uniform des männlichen deutschen Durchschnittstouristen: Mit einem weißen Feinripp-Hemd, das stark über dem Bierbauch spannte, in abgetragenen Bermudashorts, mit Käppi auf dem Kopf und Fotoapparat um den Hals entstieg er dem Reisebus am aktuellen Haltepunkt des Programms.

Wenn er sich ins Getümmel der Touristen aus anderen Ländern mischte, dann konnte er mit diesem Look schon mal untergehen. Aber ein Erkennungszeichen war immer ein ganz eindeutiges Indiz für seine Herkunft und gleichsam seinen schlechten Geschmack: die bequemen Trekking- oder auch Birkenstocksandalen, die barfuß vielleicht gerade noch zu ertragen gewesen wären, aber nein, der deutsche Tourist zog sich lieber Socken über die Füße, bevor er hineinschlüpfte und die Must-sees von Akropolis bis Eiffelturm unsicher machte. Es waren bevorzugt weiße Tennissocken, obwohl ihre Träger immer unter dem Verdacht standen, noch nie in ihrem Leben einen Tennisplatz betreten, geschweige denn ein Match gespielt zu haben. Dabei fragte man sich auch, was der Träger bezweckte: Es mag etwas bequemer sein, Sandalen mit Socken zu tragen. Andererseits sind frische Luft und Sonne auf der Haut doch auch ganz angenehm. Wir sollten zwar teilweise dankbar sein, das Kleidungsstück ersparte uns schließlich den Anblick grober Männerfüße, denen das Prozedere der Pediküre nicht geläufig sein dürfte. Doch man will nicht wissen, wie viel Energie verschwendet worden sein muss, um die weißen Socken nach einem staubigen Fußmarsch auch wirklich wieder weiß zu waschen – wenn sie nur aufgebracht wurde, auch schmutzige Exemplare wurden offen zur Schau getragen. Da ist ein Fußbad doch immer einfacher und effektiver durchzuführen.

»Socke in Sandalen« war jedenfalls lange Zeit das Synonym für den schlechten deutschen Modegeschmack. Bis zum Jahr 2007, als auf einer Modenschau von Prada plötzlich sexy Männer in Sandalen über den Laufsteg gingen – und doch tatsächlich Socken trugen! Es handelte sich nicht um das Modell »Tennis«, sondern um fein gestrickte Strümpfe, farblich passend abgestimmt. Damit war der Bann gebrochen: Die Socke war plötzlich stylish und lag hochoffiziell sogar im Trend. Junge, attraktive Kerle ohne Bierbauch setzten sie fortan als Accessoire ein – immer mit einem Hauch von Ironie, das versteht sich von selbst. Doch gleichzeitig passierte, was immer geschieht, wenn etwas Trend wird: Eben noch fand man es superhässlich, dann gewöhnt man sich irgendwie dran, findet es am Ende gar richtig chic und will es vielleicht sogar selbst tragen. Dazu braucht es jedoch immer eine Vorlage: Hier war es der deutsche Mann, der nicht nur zur Sandale, sondern auch gleichzeitig zur Socke griff. Vielleicht hat er da was geahnt …

6. GRUND

Weil Meckern auch Spaß macht

In Süddeutschland wird »gegrantelt«, in Norddeutschland »schanfuudert«, überall »motzt« man: Der Deutsche meckert ganz gern. Ihm scheint eine chronische Unzufriedenheit mitgegeben zu sein, die er ziemlich offen zum Besten gibt. Und es gibt ja auch einiges zu bemängeln: das Wetter (Sonne, Regen, Wind, zu kalt, zu warm, zu trocken, zu nass) und den Wetterbericht (stimmt doch nie, denken die sich das etwa alles aus?), die Nachbarn, die Politik, die Reichen, die Sozialschmarotzer, die Lehrer der Kinder, die Sporttrainer der Kinder, die Kindergartenerzieher der Kinder, die nervigen Freunde der Kinder, die eigenen Freunde, die lieben Verwandten, die Jugend, die Alten, die Autofahrer, die Radfahrer, die Fußgänger, matschige Bananen im Supermarkt und Reis schon wieder ausverkauft, die lange Schlange an der Kasse und die Kassiererin könnte ja auch mal lächeln, der nervige Chef, die langsame Kollegin, das miese Kantinenessen (diese zerkochten Kartoffeln und soll das eine Soße sein?), das miese Essen zu Hause, das miese Essen auf dem Hotelbuffet, das miese Essen im ICE (und dann so teuer?), Lebkuchen schon im August, überall nur noch Weihnachtsmusik im Dezember, muss sich zum Fest alles nur um Geschenke drehen, Streit unterm Baum, schlechte Radioprogramme, mieses Fernsehprogramm sowieso, Moderatoren im Fernsehen (zu doof), Moderatoren im Radio (zu nervig), die GEZ-Gebühr (wofür zahlen wir die eigentlich?), Strafzettel am Auto, kein Parkplatz vor dem Haus, jeden Abend wieder, teure Tickets für die öffentlichen Verkehrsmittel und dann ist die U-Bahn auch immer noch so voll, der eine Sitznachbar niest einen an, der andere müffelt, der nächste telefoniert so laut, Schienenersatzverkehr, kein Kleingeld für den Automaten, der Automat frisst den Schein nicht, die Deutsche Bahn, die Deutsche Post, die Deutsche Telekom, die Deutsche Bank, samstags shoppen in der Fußgängerzone, volle Supermärkte vor Feiertagen, teures Bio-Obst und teures Bio-Fleisch (und ist das überhaupt wirklich alles bio?), Schnupfen, Grippe, Rückenschmerzen, Kopfschmerzen, volle Wartezimmer beim Arzt, dann wird man in fünf Minuten abgefertigt und die Medikamente muss man in der Apotheke auch noch selbst bezahlen, der Kollege ist auch ständig krank, überall wird gespart, alles wird teurer (Strom, Wasser, Gas), die Mieten steigen, nur das Gehalt nicht, warum duzen mich alle bei IKEA (ich kenn die doch gar nicht), warum werde ich plötzlich überall gesiezt (so alt bin ich doch noch gar nicht), Facebook nervt, E-Mails nerven, Handys nerven, aber vor allem, wenn mal wieder der Akku leer ist und das Ladegerät zu Hause liegt, wie schön war doch alles in der Zeit vor Handys und Computern, und der Drucker spinnt auch schon wieder, der eigene Mann (unkommunikativ), die eigene Frau (zu kommunikativ), die Kinder (zu laut, zu frech, zu zappelig), die Eltern (anstrengend), die beste Freundin (schon wieder Liebeskummer, immer noch wegen diesem bescheuerten Typen), der beste Freund (schon wieder ’ne Neue und was ist das für ’ne blöde Pute?), Politessen (überflüssig), Polizisten (haben leider immer recht), Strafzettel, Blitzer, Versicherungsvertreter (penetrant), die Zeugen Jehovas (ich geh einfach nicht mehr an die Tür), der Paketbote (kauft der Typ aus dem Vorderhaus das ganze Internet leer?), Spendensammler (sind die seriös?), Zeitungstestaboverkäufer (da vergesse ich sowieso, das rechtzeitig zu kündigen …), Straßenumfragen, Warteschleifen, Abstellgleise, Schlaglöcher, Pfützen, Hundehaufen, Glatteis, wo ist dieser verdammte Schlüssel hin, Glühbirne kaputt, Wasserhahn leckt, wieder die falschen Beutel für den Staubsauger gekauft, das Bild muss endlich an die Wand und das Fahrrad repariert werden, Winterreifen, Sommerreifen, Winter, Sommer, Frühling, Herbst, Vollmond …

… aaaah, das tat gut!

7. GRUND

Weil die Deutschen (fast immer) pünktlich sind

Kommt ein Deutscher in Mexiko an die Bushaltestelle und wundert sich, dass der Bus nicht pünktlich kommt. Das »Hahaha« der Einheimischen bei diesem »Witz« könnte man quer über den Atlantik schallen hören …

Wer hält sich denn bitte schön an Zeiten und Pläne? Pünktlichkeit ist in vielen Kulturen nichts, womit man sich groß beschäftigt, und kein Wert, der sich anzustreben lohnt. Man nimmt das Leben dort eben so, wie es passiert, und schert sich nicht um banale Umstände wie die Uhrzeit. Wenn der andere aufgehalten wurde, dann wird das schon einen guten Grund haben. Und warum so hetzen? Es geht doch alles auch eine Spur langsamer. Leider nehmen sich in solchen Kulturen dann auch Busfahrer und andere Menschen, auf deren Dienstleistung man manchmal dringend angewiesen ist, dieses Recht heraus. Auch private Verabredungen werden dort häufig höchstens lose getroffen und auf gar keinen Fall lange Zeit voraus. Das ist auch nicht nur ein typisch südamerikanisches Phänomen: Eine Kollegin reist zum Beispiel regelmäßig beruflich nach Island, und eigentlich weiß sie bis direkt vor dem Abflug nie, ob sie dort alle Menschen wird treffen können, die sie treffen will. Die verabreden sich nämlich nur sehr ungern zu festen Terminen – und schon gar nicht eine Woche oder sogar einen Monat vorher. Jedes Mal wieder heißt es also für sie, eine meist pünktliche und gut organisierte Frau aus Deutschland, die Ruhe zu bewahren und in dieser scheinbaren Unverbindlichkeit darauf zu vertrauen, dass schon alles gut gehen und rechtzeitig passieren wird.

»Komm ich heut nicht, komm ich morgen«, sagt man hierzulande zum lockeren Umgang mit Verpflichtungen – und das steckt für viele Deutsche dahinter, wenn jemand die Zeiten nicht einhält, die man ausgemacht hat. Der Gedanke ist wohl: Wenn man es nicht mal schafft, zu einer vereinbarten Uhrzeit am Treffpunkt zu erscheinen, wie zuverlässig kann man dann noch in anderen Belangen sein.

Nix für mich, denkt der Pünktliche also, wenn er an den lässigen Umgang anderer mit der Zeit denkt. Und es fällt ihm ja auch leicht: Die Pünktlichkeit liegt den meisten Deutschen offenbar im Blut. Sie sind morgens Schlag neun Uhr im Büro, sie sitzen Punkt 20 Uhr vor dem Fernseher, um die Tagesschau zu sehen, und bei Verabredungen klingelt es wirklich zur vereinbarten Zeit an der Tür. Es sei denn, es handelt sich um eine echte Party – da ist klar, dass es völlig uncool ist, pünktlich zu sein und genau zu der Zeit zu erscheinen, die in der Einladung steht.

Abseits von solch illustren Ausnahmen ist das akademische Viertel meist das höchste, das der pünktliche Deutsche gut ertragen kann, der sich selbst trotz allem nicht als pedantisch, sondern nur als »gut organisiert« einschätzen würde. Verspätungen machen ihn nervös. Spießer eben. Aber der gemeine Spießer ist ja erstens gar nicht so schlimm wie sein Ruf (darum geht es im folgenden Kapitel) und zweitens hat Pünktlichkeit eben auch eine Menge Vorteile. Das gesamte gesellschaftliche Leben funktioniert besser, wenn sich alle auch nur einigermaßen an vereinbarte Zeiten halten – von zwanghafter Pünktlichkeit auf die Minute genau redet ja hier niemand. Es zeugt von Respekt, wenn ich Freunde nicht ewig im Café warten lasse oder der gemeinsame Ausflug zum Baggersee starten kann, bevor die Sonne untergeht. Und letztlich fühlt es sich auch für mich besser an: Das schlechte Gewissen, schon wieder zu spät zu sein, kann man sich ersparen, indem man einfach mal pünktlich losgeht.