13 Goldies of Hammer Boox - Markus Kastenholz - E-Book

13 Goldies of Hammer Boox E-Book

Markus Kastenholz

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Beschreibung

Gut zwei Jahre sind nun vergangen, seit HAMMER BOOX gegründet wurde. Mit nicht weniger als dem Anspruch, die Leserschaft bestens zu unterhalten – ein Vorsatz, der meistens gelungen ist, wie viele Rezensionen zeigen.   Zwei Jahre, das ist Grund genug, euch hier einen Querschnitt unserer Publikationen zu bieten. Mit langen Leseproben aus den Romanen und abgeschlossenen Geschichten aus den Anthologien. Zum Lesen, Stöbern, Neugierigwerden und Reinschnuppern.   Viel Spaß mit unseren Goldies!           INHALT:     Abartige Geschichten Alpha Asylum Faye Hell Dirty Strays - Von Menschenfressern und Blutsaugern     The Forests have eyes Jean Rises Leseprobe     13 Warzones of Cthulhu M. H. Steinmetz Es ist nicht tot, was ewig liegt     Kroll Markus Kastenholz Leseprobe     Blutgrütz 5 Lothar Nietsch Susis Herz     13 Gifts of Lady Santa Alida Gersonde Jingle Balls     Die Schuld der Väter Jutta Wölk Leseprobe     Malleus Daemonium Torsten Scheib Totentanz     Ein diabolischer Auftrag Doris E. M. Bulenda Leseprobe     Dämonenhammer 1 Markus Kastenholz Daemonium     Montagues Monster 2 Azrael ap Cwanderay Bonus-Story     Der Nachtmahr Marcel Hill Leseprobe     13 Licks of Nic Hope Nici Hope Schandenkater     Abartige Geschichten Beta Baker Street Ralf Kor 221 A     Chicago Blues Ky von Rae Leseprobe     13 Brains of Zombies Erik Andara Was Freundschaft am Ende bedeutet    

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Markus Kastenholz, Azrael ap Cwanderay

13 Goldies of Hammer Boox

BookRix GmbH & Co. KG81371 München

Intro-Impressum

 

 

13

Goldies

of

HAMMER

BOOX

 

 

 

 

 

 

 

Vollständige Ausgabe 2021

Copyright © Hammer Boox, Bad Krozingen

Lektorat:

Hammer Boox, Bad Krozingen

 (Fehler sind völlig beabsichtigt und dürfen ohne Aufpreis

behalten werden)

Titelbild: Azrael ap Cwanderay

Satz und Layout: Hammer Boox

 

Copyright © der einzelnen Beiträge bei den Autoren

 

1 / 21 - 22

 

 

 

 

EINE BITTE:

 

Wie ihr vielleicht wisst, ist HAMMER BOOKS noch ein sehr junger Verlag.

Nicht nur deshalb freuen wir uns alle, wenn ihr uns wissen lasst, was ihr von diesem Roman haltet.

Schreibt eine Rezension, redet darüber,

fragt uns, wenn ihr etwas wissen wollt...

 

 

 

 

 

Vorwort-Inhalt

 

 

Liebe Leserin, lieber Leser,

 

gut zwei Jahre sind nun vergangen, seit HAMMER BOOX gegründet wurde. Mit nicht weniger als dem Anspruch, die Leserschaft bestens zu unterhalten – ein Vorsatz, der meistens gelungen ist, wie viele Rezensionen zeigen (und da meine ich nicht diese seltsamen Bewertungen auf Amazon ohne Text – die sind sinn- und nutzlos).

 

Eine Menge ist in diesen beiden Jahren passiert. AutorInnen kamen, AutorInnen gingen – das ist der Lauf der Welt.

Aber ich kann mit Fug und Recht behaupten, der Verlag und natürlich seine Autoren waren fleißig. So sind bis heute immerhin 21 Bücher entstanden … Dabei wollte ich anfangs ja „nur so fünf“ Bücher machen.

(Und ja, uns ist klar, in diesem Ebook (es wird kein Print geben) sind mehr als 13 Beiträge. Aber angesichts unserer schönen 13er-Reihe …)

 

Zwei Jahre, das ist Grund genug, euch hier einen Querschnitt unserer Publikationen zu bieten. Mit langen Leseproben aus den Romanen und abgeschlossenen Geschichten aus den Anthologien.

Zum Lesen, Stöbern, Neugierigwerden und Reinschnuppern.

 

Und das zu einem sagenhaft günstigen Preis, der regulär 99 Cents betragen wird – und auch den spenden wir natürlich!

 

Zwei Jahre HAMMER BOOX sind aber auch die Gelegenheit, DANKE zu sagen.

DANKE an alle, die uns in irgendeiner Form unterstützt haben und uns unterstützen werden.

 

Viel Spaß mit unseren Goldies!

 

Herzlichst

Markus Kastenholz

 

 

 

 

 

 

 

INHALT

 

 

Abartige Geschichten Alpha

Asylum

Faye Hell

Dirty Strays -

Von Menschenfressern und Blutsaugern

 

 

The Forests have eyes

Jean Rises

Leseprobe

 

 

13 Warzones of Cthulhu

M. H. Steinmetz

Es ist nicht tot, was ewig liegt

 

 

Kroll

Markus Kastenholz

Leseprobe

 

 

Blutgrütz 5

Lothar Nietsch

Susis Herz

 

 

13 Gifts of Lady Santa

Alida Gersonde

Jingle Balls

 

 

Die Schuld der Väter

Jutta Wölk

Leseprobe

 

 

Malleus Daemonium

Torsten Scheib

Totentanz

 

 

Ein diabolischer Auftrag

Doris E. M. Bulenda

Leseprobe

 

 

Montagues Monster 2

Azrael ap Cwanderay

Bonus-Story

 

 

13 Licks of Nic Hope

Nici Hope

Schandenkater

 

 

Abartige Geschichten Beta

Baker Street

Ralf Kor

221 A

 

 

Chicago Blues

Ky Van Rae

Leseprobe

 

 

13 Brains of Zombies

Erik R. Andara

Was Freundschaft am Ende bedeutet

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Abartige Geschichten Alpha - Asylum

 

 

 

Oftmals nimmt das Abartige im Leben der Menschen einen deutlich größeren Raum ein, als man auf dem ersten Blick meint.

 

Verschleiert hinter ihren Masken tragen sie vielerlei Dinge in sich, die wir nicht für möglich halten. Einige dieser Dinge halten sie selbst nicht für möglich. Es bedarf äußerster Vorsicht, hinter diese Masken zu sehen, damit die Menschen keinen Schaden nehmen.

 

Markus Lawo hat eine Reihe namhafter und noch nicht namhafter Autor*innen gefunden, um diese Abgründe zu ergründen.

 

 

 

 

Faye Hell

 

Dirty Strays

Von Menschenfressern und Blutsaugern

 

 

Prolog

 

»Sie ist schon wieder da«, sagt Carl und stiert, wie er denkt unauffällig, über sein Schnapsglas hinweg zur Frau hinüber. Diese hat sich in die letzte Ecke der abgefuckten Kneipe verzogen. Sitzt dort an einem der speckigen Sperrholztische und trinkt ihr Bier. Jeden Abend. Eine einzige Flasche Bier und stundenlanges Sitzen. Carl dreht das gedrungene Glas in seiner zittrigen Hand Millimeter für Millimeter erst gegen, dann mit dem Uhrzeigersinn, als wolle er das Zahlenschloss eines Tresors knacken. Dann kippt er den Inhalt des Glases seine trockene Kehle hinab, das aufgedunsene Gesicht zu einer Fratze der Abscheu verzogen.

Du verkaufst uns doch Benzin für Whiskey, will er sagen, aber sein Gegenüber kommt ihm zuvor. Nicht mit einem Eingeständnis, sondern mit einer Frage:

»Schon wieder oder noch immer?«, raunt der Barkeeper und poliert gedankenverloren einen Bierkrug mit eben jenem Geschirrtuch, in das er unmittelbar nach dem Pissen seine Hände gewischt hat. Vielleicht hat er sich davor noch schnell am Arsch gekratzt. Nah am Loch. Das ist nicht weiter schlimm. Im Dirty Strays ist alles Pisse, oder es ist Scheiße. Und das Bierglas wird ohnehin nur von Arschlöchern berührt. An einem Ort wie diesem bleibt man einander nichts schuldig. Nicht mal ansteckende Krankheiten.

»Ich glaub wirklich nicht, dass sie von der Presse ist«, überlegt Carl und bewundert das Schnapsglas, als habe es alle Antworten parat. Als wäre es das Orakel des armen, besoffenen Mannes. Jedes besoffenen Mannes. »Die Presseleute sind doch seit Monaten weg.«

»Aber die kommen wieder. In Wellen. Schlachten alles aus, bis die Sensation endgültig hin ist, und dann knallen sie der Gesellschaft den Kadaver in die Fresse«, gibt der Barkeeper zu bedenken. Aber er glaubt selbst nicht, dass die Frau von der Presse ist. Anfangs, als sie vor Wochen das erste Mal in der Bar aufgetaucht ist, hat sie tatsächlich noch ausgesehen wie einer dieser elenden Aasgeier. Jetzt sieht sie aus wie Aas, passt also verdammt gut an diesen gottverdammten Ort.

»Aber wer ist sie dann?«, will Carl wissen.

»Ein schlechte, aber wenigstens zahlende Kundschaft«, erwidert der Barkeeper, der nicht von derselben Art von Neugierde beseelt wird wie sein Kumpel, der seit beinahe zwei Jahrzehnten den Fusel im Dirty Strays säuft und noch immer nicht blind ist. Was an ein Wunder grenzen würde, wäre Carl nicht einfach eine derart zähe Ratte, die nicht mal der tödlichste Moonshine ins Grab treten könnte. Carl ist die elende Schabe, die sogar die finale Atombombe überdauern wird. Danach wird er allein an der Bar hocken und den letzten Fusel durch seinen Insektenrüssel aufsaugen. Und wieder rauswürgen. Und wieder aufsaugen. Bis in alle Ewigkeit. Amen.

»Ehrlich, wer ist sie?«, beharrt Carl.

»Sie ist niemand«, antwortet der Barkeeper. Er verwehrt sich dem alkoholschwangeren Wissensdurst der Gelangweilten, weil ihn die Frau irgendwie beunruhigt. Ihre heruntergekommene Erscheinung. Ihre heruntergekommene Stumpfsinnigkeit. Etwas an ihr ist eigenartig. Er will nicht wissen, was. Für ihn ist sie niemand, und das wird sie auch bleiben. Und wenn sie mit dem fertig ist, was sie macht oder eben nicht macht, dann wird sie wieder gehen. Besser gestern als morgen. Mehr muss er nicht wissen.

»Sie war ganz hübsch. Damals, am Anfang. Sie war heiß, mit ihrem kleinen Arsch und ihren kleinen Titten. Ich hätte sie gefickt«, lässt Carl den Barkeeper an seiner tiefschürfenden Erkenntnis teilhaben.

»Du würdest einen Waschbären ficken, dessen Kopf in einer Falle feststeckt«, knurrt dieser zurück, stellt den pissepolierten Bierkrug zur Seite und greift stattdessen zum Schnapsglas seines Stammsäufers. »Noch einen?«, fragt er.

»Einen Waschbären gewiss nicht. Aber die da auf jeden Fall«, antwortet Carl und drischt zur Bestätigung zweimal mit der flachen Hand auf den Tresen. Bestätigt das Saufen und das Ficken. »Noch einen. Auf den Weg. Nur noch einen auf den Weg.«

 

 

eins

»Sie haben sich da ganz schön was … Heftiges ausgesucht«, sagte der Mann mit der Halbglatze und den Bärenpranken, dem sie am wuchtigen Schreibtisch gegenübersaß. Seine riesigen Hände schwitzten. Seine Handflächen hinterließen feuchte Abdrücke auf der blanken Eichenholzplatte. »Ganz schön heftig«, wiederholte er kopfschüttelnd.

Sie antwortete nicht, sondern starrte ihn herausfordernd an. Wie immer war sie ihrem Gesprächspartner um mindestens drei Gedankenschritte voraus und somit Herrin der Lage. Die Sprache war die Klaviatur, auf der sie zu spielen wusste wie ein beschissenes Wunderkind. Sie war die Meisterhackerin der neurolinguistischen Programmierer.

»Ich denke immer noch, dass es keine gute Idee ist …«, setzte Riesenpranke abermals an, doch diesmal fiel sie ihm ins Wort:

»Dann bin ich froh, dass es meine Idee ist und dass einzig und allein zählt, was ich denke.«

»Und was ihr Doktorvater denkt«, verbesserte er sie herablassend.

»Meine Doktormutter«, betonte sie überdeutlich.

»Dass sich zwei Frauen mit solch einem Thema beschäftigen wollen …«, murmelte er verwundert vor sich hin, als wäre er der festen Überzeugung, dass sich Vaginas auf pastellfarbene Pferdchen konzentrieren und Babys in die Welt kotzen müssten.

»Sie denken also, dass Kannibalismus etwas Penisabhängiges ist? Dass man einen Schwanz und haarige Eier braucht, um sich damit zu beschäftigen? Einer der berühmtesten Fälle der jüngsten Zeit könnte Ihnen sogar Recht geben. Immerhin hat da ein Mann den Penis eines anderen gegessen. Mit dessen Einverständnis«, erörterte sie und genoss es, dass ihre offensiven Worte den Oberarzt der psychiatrischen Abteilung für geistig abnorme Rechtsbrecher in seinen Chefsessel quetschten, als würde sie ihn mit dem Dreifachen ihres Körpergewichts niederringen. Lächelnd fuhr sie fort: »Aber Sie übersehen, dass ich persönlich keinen Schwanz verspeisen und auch sonst nicht dem Kannibalismus frönen, sondern nur eine Fallstudie durchführen will, um gewisse Theorien meiner wissenschaftlichen Arbeit zu untermauern. Oder gegebenenfalls zu widerlegen. Sie sind also in Sicherheit, Doktor Mayers.«

Nach einer kurzen Verschnaufpause, die er benötigte, um sein bröckelndes, testosterongesteuertes Selbstbildnis zu restaurieren, griff er resigniert zum Aktenordner, der ganz oben auf einem Stapel von Schnellheftern lag, und blätterte kurz darin, bevor er ihr diesen widerstrebend aushändigte. Dabei kommentierte er:

»Hershel G. Davis, geboren am 4. Mai 1977, in Gewahrsam seit dem 2. Juni 2016. Vom Staat Louisiana für unzurechnungsfähig erklärt. Verbüßt seine lebenslängliche Freiheitsstrafe in der geschlossenen, psychiatrischen Abteilung des New Orleans Beacon Behavioral Hospital. Keine Aussicht auf Bewährung oder Heilung. Hat seinen Bruder ermordet, zerstückelt und verspeist.«

Er hielt inne und musterte sie eingehend. Sichtlich enttäuscht darüber, dass sie nicht mädchenhaft erbleichte und betreten den Blick senkte, setzte er nach: »Er hat seinen Bruder nahezu vollständig aufgefressen. Es waren bloß noch vereinzelte Knochen und verwesendes Gedärm übrig.«

Sie verzog das Gesicht. Nicht angeekelt, sondern gelangweilt.

»Das weiß ich bereits. Und weiter?«, forderte sie ihn auf.

»Der … Patient verfügt über einen gravierenden Mutterkomplex, weist eine fortgeschrittene dissoziative Persönlichkeitsstörung auf und leidet unter massiven paranoiden Schüben. Er stellt nach wie vor eine Gefahr für andere, aber vor allem für sich selbst dar.«

»Und wie viel Zeit habe ich für meine Befragung?«, erkundigte sie sich, ohne auf die Fallbeschreibung des Oberarztes einzugehen.

»Sie haben exakt zwei Wochen. Fünf Werktage die Woche, jeweils drei Stunden. Und keine Minute länger«, erklärte er, peinlichst darum bemüht, aus seiner Niederlage doch noch einen Sieg zu machen. Er hatte ihre Forschungsarbeit von Anfang an unterbinden wollen, war aber an ihrer Beharrlichkeit gescheitert. Nun hatte er ihre Besuchszeit auf ein Mindestmaß heruntergekürzt und genoss seine fünfzehn Minuten Ruhm.

»Vorerst«, entgegnete sie. »Das letzte Wort ist nicht gesprochen, und Sie sind es auch nicht, der es sprechen wird. Ich habe mich informiert.«

Sie gab ihm die Chance, etwas zu erwidern, doch er schwieg, schien fast schon persönlich beleidigt.

Mit einem unverbindlichen »Na dann« verstaute sie die Akte in ihrer Tasche, ohne einen Blick hinein zu werfen. Das würde sie zuhause machen, mit einem schönen Glas Rotwein in der Hand und den leisen, aber fordernden Klängen ihrer Lieblingsoper im Hintergrund. Diese Akte würde ihr Gedichtband sein. Das menschliche Böse wusste ihre Nerven zu beruhigen, das Abartige ihre nervöse Seele zu streicheln. Sie war angewiesen auf die Grausamkeit von Fremden, wollte sie Ruhe oder Inspiration finden. Das Studium der klinischen Psychologie war ihr Wunderland.

Langsam stand sie auf, strich ihr Sakko glatt, verabschiedete sich höflich und wandte sich zum Gehen.

»Erschrecken Sie bloß nicht, Fräulein Elisabeth Wagner, wenn Sie unseren Ehrengast morgen besuchen!«, rief ihr Doktor Mayers unverhofft hinterher.

»Erschrecken?«, fragte sie, blieb stehen und blickte über ihre Schulter.

»Wissen Sie«, erwiderte der Oberarzt, »Sie sollten nicht erwarten, einen Menschen anzutreffen, denn Sie werden einem Monster gegenübertreten.«

»Wir sind alle Monster«, entgegnete sie spitz.

»Aber dieses spezielle Monster sieht auch aus wie eines. Sein Gesicht ist kein menschliches. Mister Davis hat keine Nase mehr. Die hat sein Bruder ihm im Todeskampf abgebissen.«

 

 

zwei

Das Patientenzimmer, oder eben die Kerkerzelle, war größer, als sie erwartet hatte. Dafür war es, versteckt im Kellertrakt gelegen, umso dunkler und … feucht. Einer mittelschweren depressiven Phase gleich lastete die drückend tiefe Decke auf dem modrigen Raum. Gut ein Drittel wurde von einem nahezu greifbaren Schatten belagert, der entweder die mannigfaltigen Nachtmahre einer röchelnden Zivilisation versteckte oder doch nur einen wahnsinnigen Mörder verbarg. Vielleicht auch beides.

Ein Gefühl lethargischer Beklemmung machte sich in ihrer Magengrube breit. Zitternd zog sie mit der linken Hand ihren Trenchcoat enger an den Körper und umklammerte mit der rechten ihre Aktentasche. Sie musste einen erbärmlichen Anblick abgeben. Wenn Doktor Mayers an diesem Unort Überwachungskameras hatte anbringen lassen und sie in diesem Augenblick beobachtete, bescherte sie ihm einen der wohl glücklichsten Momente seines armseligen Lebens. Die Szene mutete an, als habe sie jemand bewusst arrangiert, um ihr Selbstbewusstsein zu untergraben, ihre Faszination für das Morbide zu erschüttern und ihr eine Heidenangst einzujagen. Um sie zu brechen und sich am Klang ihres zerschellenden Nervenkostüms zu erfreuen.

kling kling kling

du bist hin

Aber das war keine Inszenierung und es ging nicht um sie.

Jedes der sechs Zimmer hier unter der Erde hatte bemerkenswerte Bestien zu bieten. Die Gesellschaft verwahrte in dieser Grabkammer ihren giftigsten Abschaum, den sie nicht beseitigen durfte, aber auch nicht erhalten wollte.

Dieses Kellergewölbe war Schrödingers Irrenhaus.

Und die Inkarnation des Wahnsinns würde für die nächsten drei Stunden ihr Gesprächspartner sein.

»Eh, Alte, ich kann deine faule Fotze kaum riechen«, kamen die Worte zischend aus dem Schatten gekrochen und gaben die eben noch geheimnisvolle Atmosphäre der Absurdität preis. Der angsteinflößende Raum war mit einem Mal kaum mehr als ein Kellerloch, der Patient war einfach nur ein Verrückter und kein dämonischer Höllenfürst. Er war ein Hinterwäldler, der im Methamphetamin-Rausch seinen Bruder … nun ja, gefressen hatte. Elisabeth hatte sich den schlimmsten Fall ausgesucht und wurde selbst da enttäuscht.

Sie würde keine zwei Wochen brauchen, um die entsprechenden Antworten zu bekommen. Das war nicht die erwartete Krönung des menschlichen Bösen. Es war einfach abartig, aber in all seiner Abartigkeit dennoch banal.

»Wenn du das nächste Mal zu Besuch kommst, reib deinen Fickfrosch, bis er schwitzt und wasch dich dann nicht. Ich rede nur mit dir, wenn der ganze Raum stinkt, als würde ich mein zahnloses Maul in deine Fotze versenken und mich bis zu deinen Eierstöcken durchlecken«, lallte der Menschenfresser, als wäre er besoffen. Vermutlich schlug sich aber bloß seine geistige Trägheit auf seine Intonation.

Ketten klirrten, doch sie zuckte nicht. Diese im Schatten verborgene Gestalt war peinlich und keineswegs erschreckend.

»Sei nicht beleidigt, dass meine Reaktion ausbleibt«, fuhr Hershel fort. »Du bist eine Fickstute, wie mein Bruder und ich sie uns sogar geteilt hätten. Und Brüder kreuzen eigentlich keine Schwerter und auch keine Schwänze. Ich würde sogar jetzt sofort drauflos wichsen, aber ich kann nicht. Man hat mich an mein Bett gefesselt. Die hatten wohl Angst, ich würde dir die Titten abkauen.«

»Lass den Schwanz stecken. Wir haben einiges zu besprechen.«

»Ich rede nicht mit gewaschenen Fotzen«, feixte der Brudermörder.

Seufzend ging sie zum Tisch und legte ihre Aktentasche darauf. Dann zog sie ihren Mantel aus und nahm in ihrem Business-Kostüm auf dem Metallsessel Platz, der ebenso wie der Tisch am Boden festgeschraubt war. Ihre Augen gewöhnten sich nur langsam an die Dunkelheit, doch nach gut einer Minute manifestierte sich ein undeutlicher Umriss. Nach und nach wurde ein Schädel sichtbar, der mehr an einen eingetretenen Kürbis erinnerte als an das Haupt eines Mannes. Da war ein tiefer Krater mitten im Gesicht, umgeben von Fleischwulsten. Ein Antlitz wie ein Arschloch.

»Scheiße, bist du hässlich«, stellte sie fest, lehnte sich im Sessel zurück und spreizte ihre Beine.

Ein zufriedenes Stöhnen floss aus dem nässenden Anus des zerquetschten Kürbisschädels und hinein in ihre staubtrockene Vagina.

»Jetzt riech ich sie doch, deine Fotze«, stöhnte der Kannibale.

 

 

drei

private Aufzeichnungen, streng vertraulich

Mag. Elisabeth Wagner, Doktorandin der Psychologie  an der medizinischen Fakultät der Adler University in Chicago

(inoffiziell und ergänzend zum Gesprächsprotokoll »Fallstudie 17/3, Hershel G. Davis«)

 

 

März 2017

Der Patient erweist sich als mäßig gebildet, wenig charismatisch und verbal aggressiv. Dennoch fällt es mir leicht, eine Verbindung zu ihm aufzubauen. Trotz seiner anfänglichen Weigerung – immerhin würde meine Fotze zu wenig stinken – erweist er sich aufgrund meines … Entgegenkommens als sehr mitteilsam. Ich will es nicht leugnen, ich habe erotische und intellektuelle Stimulanz durch das Gespräch mit einem derart verdorbenen Individuum erwartet. Doch dem Patienten haftet weder etwas Böses, noch Stimulierendes an. Selbst sein Wahnsinn erscheint mir geistlos und uninspiriert.

Wenngleich ich wohl wenig persönlichen Nutzen aus unseren Treffen ziehen werde, so wird sein Wille, sich mir mitzuteilen, für meine empirische Forschung gewiss von Vorteil sein.

Ich sollte in Erwägung ziehen, die Dusche morgen Früh ausfallen zu lassen. 

 

 

März 2017

Offensichtlich steigt dem Patienten der Geruch meiner ungewaschenen Möse betörend zu Kopf. Bereitwillig schildert er mir, wie er seinen Bruder mit einem Telefonkabel erst gefesselt, danach gefoltert und schließlich mit bloßen Händen erwürgt hat. Eine wichtige Rolle spielt hierbei der Todeskampf des Opfers. Die Stimme des Patienten wird tiefer, wenn er davon berichtet, wie viel Kraft er aufbringen musste, um seinen Bruder zu töten; sie nimmt gar einen schwärmerischen Unterton an, wenn er dessen Schmerzschreie und Flehen beschreibt. Wortwörtlich wiedergibt. Vor allem die grellen Schreie während der Folter haben es dem Patienten angetan. Selbst ich bekomme feuchte Augen, wenn er sie nachahmt. Es klingt so … echt. Als wäre es sein Todeskampf.

Der Patient hat seinem Bruder mit einem Jagdmesser diverse tiefe Schnittwunden zugefügt, anschließend hat er ihm mit roher Gewalt beide Beine förmlich an den Kniegelenken abgerissen. Verifizierbar sind seine Behauptungen nicht, da die Gerichtsmedizin anhand der spärlichen gefundenen Überreste keine qualifizierten Aussagen treffen konnte. Eingeweide und einzelne angenagte und zerbrochene Knochen geben keinerlei Aufschluss darüber, ob die Verstümmelungen ante mortem oder post mortem durchgeführt worden sind. Man kann einzig und allein mit Sicherheit sagen, dass er seinen Bruder vollkommen in seine Einzelbestandteile zerlegt hat. Ihn zerlegt hat wie Schlachtvieh.

Faszinierend ist, dass tatsächlich kaum etwas vom Fleisch der Leiche aufgefunden worden ist. Der Patient besteht darauf, er habe nichts davon im Wald vergraben oder an wilde Tiere verfüttert, sondern tatsächlich das gesamte Fleisch seines Bruders selbst verspeist. So habe er zum Beispiel die Oberschenkelknochen gekocht, bis sich das Fleisch leicht habe ablösen lassen. Und selbstverständlich habe er auch die Suppe genossen. Aus irgendeinem Grund ist ihm diese Suppe besonders wichtig.

 

 

März 2017

Der Patient weigert sich, über sein emotionales Verhältnis zu seinem Bruder zu sprechen. Er versorgt mich mit Geschichten, deren pornografischer Inhalt schlichtweg lächerlich ist und die sich minutenlang in der detaillierten Beschreibung von Geschlechtsorganen ergehen. Besonders gern beschreibt er seinen eigenen Schwanz. Noch lieber den seines Bruders. Er kann haargenau schildern, wie sich die Adern auf dem gigantischen Prügel abzeichnen und wie anmutig geschwungen die Eichel ist. Er verwendet tatsächlich die Wörter Prügel und anmutig. Das ist befremdlich poetisch.

Hershel schätzt seinen Bruder.

Er empfindet Hochachtung für dessen Schwanz.

Hat aber keinerlei Gefühle darüber hinaus.

Mag sein, dass er die Fleischqualität seines Bruders ebenfalls zu würdigen weiß. Dazu hat er sich mehrfach anerkennend geäußert. Vor allem sein – wer hätte es gedacht – Schwanz sei köstlich gewesen. Und natürlich die Suppe.

Diese gottverdammte Suppe.

Mir graut.

Ich frage mich, was zwischen den Brüdern vorgefallen sein mag, das eine derartige Eskalation provoziert hat. Ich schließe nicht aus, dass Hershel von seinem Bruder sexuell missbraucht worden ist, allerdings liegt dieser mögliche Missbrauch wohl weit zurück, kommt als Auslöser demnach eher nicht in Frage. Zeugenaussagen belegen, dass die beiden Brüder zuletzt gesehen wurden, als sie mit zwei sehr jungen Frauen eine Bar verließen. Von den Frauen fehlt jede Spur, sie wurden aber auch nicht als vermisst gemeldet. Haben Mord und Kannibalismus unter Umständen etwas mit sexueller Rivalität zu tun?

Und wo zum Teufel ist der Schädel des Opfers eigentlich abgeblieben?

 

 

März 2017

Was für ein Tag …

Da wenig Zeit bleibt und der Patient sich mir bisher zwar als gewalttätig und sexuell psychotisch zeigt, aber noch keinerlei Symptome einer dissoziativen Persönlichkeitsstörung offenbarte, will ich ihn provozieren. Spontan entscheide ich mich dafür, seinen Mutterkomplex anzusprechen, um ihn aus der Reserve zu locken.

Ich frage ihn also: »Gleich nach deiner Verhaftung hast du zu Protokoll gegeben, dass deine Mutter die dir zur Last gelegte Tat verübt hat« - und weiter komme ich gar nicht.

Als hätte ich eine Schleuse der Verdammnis geöffnet, bricht die Hölle über mich herein. Der Patient schreit wie am Spieß, reißt an seinen Ketten, scheint gar in Zungen zu sprechen. Es ist unverständlich, was er hysterisch kreischend von sich gibt. Die Wärter kommen gerannt, um die Apokalypse einzudämmen und zu verhindern, dass sie erst das Krankenhaus, dann die Stadt und danach den Kontinent, vielleicht sogar die ganze verdammte Welt verschlingt. Gänzlich unerwartet offenbart der Patient jenseits seines stoischen Pragmatismus‘ eine Seite, die an dämonische Besessenheit grenzt und mehr nach einem Exorzismus verlangt als nach einer Therapie. Wie gut, dass ich weder das eine, noch das andere vorhabe.

Hätte er mir nicht etwas hinterher gebrüllt, während ich dazu gezwungen wurde, seine Zelle zu verlassen, hätte sein ungefilterter Irrsinn vielleicht doch eine akzeptable Masturbationsfantasie abgeben können. Aber wer möchte schon zu »Denk dran, Mama liebt Fleisch!« abspritzen? 

 

 

März 2017

Er weigert sich, mit mir zu sprechen! Und das Krankenhaus schützt ihn! Sie schützen ihn! Ich warte eine geschlagene Stunde vor dem Büro des Direktors, bis man mich wenigstens zur Zelle bringt, die ich jedoch nicht betreten darf. Ich hätte den Patienten zu sehr aufgeregt, sagt Doktor Mayers! Ich ihn! Was für eine Scheiße! Hershel hat seinen verfluchten Bruder gefressen, weil der beide Fotzen gefickt hat, die sie in der Mordnacht abgeschleppt haben. Und weil Hershel randvoll mit Drogen war. Randvoll wie das vollgeschissene Scheißhaus neben diesem Drecksloch von Trailer. Und das ist ein Mensch, den ich mit meiner zurückhaltenden Art aufregen soll? Geht’s noch?!

Ich darf also nur für einen Augenblick durch die kleine vergitterte Luke in der Zellentür in den Raum hineinschauen. Dort liegt der elende Menschenfresser, eingerollt wie ein verficktes Baby und jammert ohne Ende vor sich hin:

»Lass nicht zu, dass Mama kommt. Lass nicht zu, dass Mama kommt …«

Mein Kopf dröhnt, als würde eine scheiß Dampflok durchbrettern.

Ich sollte nicht trinken, wenn ich mich ärgere … aber wie sollte ich sonst besoffen sein?

Mama, Mama, Mama … flüstert Hershels Stimme tief in mir. Ich glaube zumindest, dass es seine Stimme ist.

 

 

März 2017

Ich lerne Hershel von einer ganz neuen Seite kennen: zerknirscht, ich möchte fast behaupten: höflich. Es tut ihm leid, dass er mich um einen ganzen Tag gebracht hat und das, wo unsere Gespräche doch so wichtig für meine Forschung sind. Sagt er.

Und ich glaube ihm das.

Allerdings will er mir darüber hinaus etwas ganz anderes weismachen: Angeblich sind seine bisherigen Antworten unbedeutend, da er gelogen hat und weder ein Mörder, noch ein Kannibale ist.

Alles ist ganz anders gewesen.

Er hat seinen Bruder weder getötet, noch gefressen. Merle und er sind beide sexuell verführt und gefoltert worden. Nicht zwingend in dieser Reihenfolge. Nicht zwingend in irgendeiner Reihenfolge. Aber auf jeden Fall verführt und gefoltert. Von zwei blutjungen Frauen. Zwei Mädchen, so heiß, dass er während der schlimmsten Qual die höchste Lust empfunden hat, die man  nur empfinden kann. Blind vor Schmerz und dem Tode nah, hat ein Orgasmus seinen Körper durchflutet, der einer religiösen Offenbarung gleichgekommen ist.

Die Maulfotze dieses Mädchens ist der Schoß der Gottesmutter.

Darauf beharrt er.

Und eben, dass er seinen Bruder nicht gefressen hat. Ihn aber fressen würde, wenn dafür die Frau ein weiteres Mal seinen Schwanz lutschen und sein Sperma trinken würde. Er wäre sogar bereit, selbst dafür zu sterben. Zu sterben, wie sein Bruder gestorben ist. Von Mama zerfleischt und aufgefressen.

Und genau das kann ich ihm nicht abkaufen!

Dennoch stelle ich mir vor, wie die beiden grausamsten und erotischsten Frauenwesen der Welt splitterfasernackt nebeneinander zwischen meinen obszön weit gespreizten Schenkeln knien und abwechselnd meine Möse lecken, während sie mir ihre zarten Finger in den Arsch schieben.

 

 

März 2017

Als Hershel mich fragt, ob ich die ganze Nacht damit verbracht habe zu masturbieren, zögere ich, bevor ich ihm antworte. Aber dann sage ich ihm die Wahrheit. Ich habe meine Fotze gerieben und dabei an die beiden mystischen Mädchen gedacht. An ihre sexuelle Folter. Der Gedanke hat sich nicht abgenutzt, meine Möse schon. Ich kann kaum sitzen, so wund bin ich.

Er hält die Hände hoch. »Komm«, sagt er. »Schau dir das an.«

Ich zucke zurück.

Da sind Wundmale auf seinen Handflächen.

»Wie Jesus«, sagt er, und ich schlucke die trockene Erregung hinunter, während das wunde Fleisch in meiner Körpermitte brennt wie das Höllenfeuer.

»Wie Jesus«, flüstere ich.

»Chantal und Kimberly. Sie heißen Chantal und Kimberly«, flüstert er zurück.

Chantal und Kimberly.

Heute Nacht werde ich das Laken mit meiner Lust und meinem Blut durchtränken.

 

 

März 2017

Hershel will wissen, ob ich gewillt bin, dafür zu bezahlen.

»Wie soll ich bezahlen? Und wofür«, frage ich.

»Du kannst sie treffen, wenn du bereit für Mama bist. Wenn du bereit bist, mit deinem Leben zu bezahlen«, antwortet er. »Sie sind Mamas Töchter. Willst du die Töchter, bekommst du auch Mama, und die wird dir das Fleisch von den Knochen nagen. Aber es wird sich widerstandslos lösen, so befriedigt wird es sein. So befriedigt wirst du sein.«

Ich glaube ihm.

Aber ich will nicht sterben.

Ich weiß bloß nicht, ob ich unbefriedigt überhaupt weiterleben kann.

 

 

März 2017

Hershels Flüstern ist leise wie der Flügelschlag eines pelzigen Nachtfalters, als er mir verrät, wohin ich gehen muss, um zu finden, was ich begehre. Aber ich verstehe ihn. Ich verstehe alles.

Dirty Strays.

Jetzt wälze ich mich auf meiner durchgeschwitzten Matratze wie im Fieberwahn, betäube meinen schreienden Körper mit Alkohol.

Ich muss vergessen ... Namen, Orte, Lust … alles muss ich vergessen. Aber ich kann nicht vergessen.

Ich will die Befriedigung erleben, die Hershel vergönnt gewesen ist.

Ich will, wenn es denn sein muss, sogar diesen letzten, diesen finalen Schmerz durchleben.

Wer kann schon sagen, ob nicht der Tod der ultimative Orgasmus ist?

 

 

März 2017

Geh!

Und sag Mama, sie soll mich holen kommen.

Sei unbesorgt, Hershel, das werde ich.

 

 

Epilog

»Sie ist schon wieder da«, sagt Carl wie eine Platte, die einen Sprung hat.

»Schon wieder oder noch immer?«, erwidert der Barkeeper, dem erst gar nicht in den Sinn kommt, diese ewig gleiche Unterhaltung zu hinterfragen. Wenigstens haben sie etwas, worüber sie sprechen können. Wenigstens ist die Frau da. Sonst würde der Barkeeper nämlich allein mit seinem Stammgast hier hocken. Es ist Dienstagabend. Da läuft eine gute Show im Fernsehen, und der Fernseher in der Bar hat den Geist aufgegeben. Vor mittlerweile beinahe drei Jahren. Irgendwann geht hier drin alles kaputt und niemals wird irgendetwas repariert. Ins Dirty Strays kommen selbst die Menschen, um einzugehen. Von den Gästen denkt erst gar niemand, dass er seine Probleme wegsaufen könnte. Das glauben bloß vom Schicksal privilegierte Stadtmenschen.

»Sie ist seit neun Wochen da. Seit neun Wochen und einem verfickten Tag«, erklärt Carl.

»Woher weißt du das denn?«, fragt der Barkeeper.

»Ich merk‘ mir Dinge. Hab ein gutes Gedächtnis.«

»Einen Dreck hast du!«

»Dann beweis‘ das Gegenteil.«

Das will der Barkeeper zunächst nicht, aber dafür fällt ihm etwas anderes ein: »Ich hab Recht behalten. Oder mich getäuscht, kommt ganz drauf an, wie man es sieht. Ob man nur den Inhalt sieht oder auch das … den Zeitplan.«

»Was willst mir sagen?«, erkundigt sich Carl. »Denkst, sie hat ihre Fotzenfäule? Ich kann ihr Blut bis zu mir her riechen.«

Der Barkeeper ignoriert ihn, vor allem, weil er nicht über blutende Fotzen nachdenken will. »Die Presseleute. Sie waren da. Heute in der Früh, vor meiner Wohnung. Weil mir die Bar gehört, wo Merle und Hershel immer gewesen sind. Das letzte Mal überhaupt gewesen sind. Weil Hershel ja jetzt für immer im Knast sitzt und Merle von seinem Bruder … tja … gefressen, verdaut und ausgeschissen worden ist.«

»Was haben die denn wissen wollen?«, fragt Carl desinteressiert, doch der Barkeeper kommt nicht mehr dazu zu antworten. Weil es ihm die Sprache verschlägt und weil die junge Frau, die von den beiden Säufern unbemerkt an die Theke getreten ist, stattdessen antwortet:

»Die haben wissen wollen, ob es in dieser Bar für zwei Schwestern was zu trinken gibt.«

Da stehen sie.

Zwei Engel.

Von Gott persönlich auf die Erde gewichst.

Eine strohblond, die andere pechschwarz. Haare bis zum Arsch. Die Sorte Arsch, die man reitet wie ein Presslufthammer ein Stück Asphalt, während man die langen Haare mit den Fäusten festhält wie die Zügel einer ungezähmten Vollblutstute. Dass sie es wollen, nein, dass sie es unbedingt haben müssen, steht außer Zweifel. Ihre Klamotten brüllen förmlich Fick mich! Besser noch: Fick uns!

Leuchtend bunte, bauchfreie Bikinitops, verwaschene, arschenge Jeans-Hotpants und Ledersandalen mit lächerlich klobigen Korkabsätzen.

Der Barkeeper nickt frenetisch wie ein deplatzierter Wackeldackel auf der Hutablage eines Hippiemobiles, schenkt zwei gedrungene Gläser bis obenhin voll mit Whiskey und schiebt sie seinen unerwarteten Gästen hin.

»Das ist erst der Anfang«, sagt er und prostet den Schwestern mit seiner Bierflasche zu.

»Der Anfang«, bestätigt die blonde Schönheit und lächelt wissend, bevor sie ihr Glas in einem Zug leert.

»Wir haben Pläne«, ergänzt die Schwarzhaarige, schmiegt ihren schlanken Körper sündig an den ihrer Schwester, als wären sie beide geschmeidige, inzestuöse Wildkatzen, und trinkt ebenfalls.

»Pläne? Die habe ich auch«, sagt Carl und schiebt sein Trucker-Cap aus der Stirn, damit seinen Blicken kein Fleckchen nackte Haut entgeht.  

»Ich bezweifle, dass unsere Pläne sich kreuzen«, fährt die Blonde fort. »Wir sind auf der Suche.«

»Und ihr sucht …?«, will der Barkeeper wissen. Seine Stimme klingt rau und räudig.

»Gewiss nicht dich und deinen mickrigen Schwanz, also lass stecken, Wichser. Ich bin nicht hungrig«, erwidert die Blonde.

»Wir suchen eine neue Schwester …«, lenkt die Schwarzhaarige ein und schaut sich in der Bar um. Als ihr Blick an der zusammengesunkenen Frau in der hintersten Ecke des Raumes hängenbleibt, zaubert sich ein zufriedenes Grinsen auf ihr ebenmäßiges Gesicht. Dieses Grinsen offenbart auffällig weiße Zähne.

Auffällig weiße und spitze Eckzähne.

Sich die Lippen leckend, stößt sie sich vom Tresen ab und schlendert, von ihrer blonden Schwester verfolgt, lasziv auf den Tisch zu, an dem die Frau sitzt, die nach neun Wochen und einem Tag ebenso zur defekten Einrichtung gehört wie der Fernseher.

»He, ihr scheiß Schlampen!«, ruft ihnen der Barkeeper erbost hinterher. »Wenn ihr nur meinen Whiskey wollt, dann müsst ihr ihn bezahlen!«

»Wir bezahlen niemals! Es trifft doch keinen Armen! Du hast es doch … dick«, antwortet die Blonde, und beide Schwestern kichern übermütig.

»Was heißt hier: Es trifft keinen Armen?«, brüllt sich der sexuell frustrierte Barkeeper in Rage. »Ihr raubt mich aus! Ihr seid gottverdammte Blutsauger!«

Die beiden Frauen erstarren inmitten ihrer Bewegung, verharren wie aus Marmor gehauene Statuen. Nicht wie Abbildungen antiker Göttinnen, sondern viel mehr wie vollbusige und langbeinige Skulpturen von Porno-Starletts. Steinharte Sexpuppen.

Doch den beiden Männern vergeht die Lust, noch bevor ihre Schwänze vom Schaft bis zur Spitze durchgehend hart sind, derart kalt wird es in der schummrigen Bar. Schlagartig, als hätte jemand die Wärme von Jahrzehnten aus dem baufälligen Gebäude gesaugt. Die Wärme aller Hochsommertage und aller feuchtfröhlichen Feiern. Die Wärme jedes einzelnen menschlichen Wortes, sei es auch keineswegs wohlwollend gesprochen worden. Denn das letzte Wort hat das Unmenschliche, das sich quälend langsam zu den beiden Männern umdreht:

»Blutsauger? Niemals. Wir trinken Sperma. Aber Mama müsste jeden Augenblick eintreffen. Und Mama liebt Blut … und sie liebt Fleisch.«

 

Kimberly und Chantal.

Still cock-sucking Porno Vampires from Hell.

 

 

 

 

Jean Rises - The forests have eyes