15 Predigten zum Enneagramm und 40 weitere Predigten - Michael Pflaum - E-Book

15 Predigten zum Enneagramm und 40 weitere Predigten E-Book

Michael Pflaum

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Beschreibung

15 Predigten zum Enneagramm, 40 Predigten zu weiteren Themen: Clare Graves Entwicklungsstufen und ihre Bedeutung für Glaube und Kirche, wirtschaftsethische Themen, biblische Themen ( z. B. Ich-bin-Worte), Spirituelles und Lebensalltägliches, philosophische Predigten.

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Inhalt

Vorwort

Enneagramm 3 x 3 (3. So B)

Typ Eins: Der Perfektionist – Zorn (9. So B)

Typ Zwei: Der Helfer – Stolz (22. So C)

Typ Drei: Der Erfolgreiche – Lüge (5. So A)

Typ Vier: Der melancholische Andere – Neid (5. OsSo B)

Typ Fünf: Der Wissende – Geiz (18. So A)

Typ Sechs: Der Skeptische – Angst (12. So B)

Typ Sieben: Der Glückliche – Maßlosigkeit (24. So C)

Typ Acht: Der Kämpfer – Schamlosigkeit (7. OsSo C)

Typ Neun: Der Friedfertige - Trägheit (28. So A)

Die drei Schritte des Egos und die Rückkehr zur heilenden Gegenwart Gottes (1. FaSo, 3. So A)

Sechs Variationen von tragischen Lösungsversuchen. (1. FaSo B)

Enneagramm und GfK (5. OsSo C)

9 Variationen der Verblendung, nicht geliebt zu werden (5. OsSo A)

Pfingsten: Ideale schlecht imitieren oder vom Heiligen Geist beschenkt werden!

Jede Religionsgemeinschaft muss sich prüfen (2. Adv A)

Der Newman Test (3. Adv C)

Stephanus als Wahrheitskämpfer und Vernunftverteidiger

Heilige Familie: Die drei ersten Stufen der Entwicklung nach Clare Graves

Kampf, Gesetz, Aufklärung, Kooperation - Die nächsten drei Stufen der Entwicklung nach Clare Grave (2.WeihSo)

Taufe Jesu: Drei Fragen zum Taufgespräch

Aschermittwoch: Der Marshmallow Test

Im Knast ein Kloster (3. FaSo A)

Palmsonntag: Christus erlöst von unseren Sünden – was heißt das?

Christi Himmelfahrt – Weltbilder nach Walter Wink

Die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche (7. OsSo B)

Pfingsten: Musik be-geist-ert!

Pfingsten: Buber der Weg des Menschen

Trinität im Alltag

Frauenordination (2. So C)

Über als ob, als ob nicht (3. So B)

Tetralemma in Jesu Begegnungen (3. So C)

Große Themen brauchen Komplexität und Paradoxien. (5. So C)

Innere verletzte gelähmte Kinder retten (7. So B)

Bitte heile meine aus Angst kommenden Gedanken (8. So A)

Naturwissenschaft lehrt uns romantisches Staunen (11. So B)

Leibniz' Infinitesimalrechnung und Theodizee (12.So B)

Gescheiterte Unkrautbeseitigung: Von der Prohibition und Sozialdarwinismus (16. So A)

Wie die Polarität Aktiv – Kontemplativ gestalten? (16. So C)

Kants „Zum ewigen Frieden“, Demokratie und die Europäische Union (17. So B)

Johannesevangelium Ich bin Worte (18. So B)

Über theologische Kräftefelder (23. So B)

Vergeben und meine 10 000 Talente (24. So A)

Hegels 8 Spaltungen und die dialektischen Umwege bei „Stolz und Vorurteil“ (24. So C, 4. FaSo C)

Die Theologie der Märkte (25. So C)

Erlassjahr 2000 (25. So C)

Über die Weltwirtschaft und soziale Gerechtigkeit (26. So C)

Widersprüche als Motoren der Geschichte, Widersprüche und Chancen in Religionen (29. So A)

Fünf Lehren aus dem I. Weltkrieg (29.So B)

Frank Richter wagt das Gespräch (31. So C)

Die Weltsicht der US-Republikaner: Das „strenge Vater“ Modell (33. So A)

Klagegebete als Verständnisspur für das Endgericht Gottes (33. So C)

Christkönig: Der Mond ermöglicht Leben auf Erde

Das Ehepaar Josef und Maria mit Martin Buber betrachtet (19. März)

Petrus und Paulus: Diskrepanz zwischen Wort und Tat und tiefste Wunden (29. Juni)

Zum Schluss: Zwei Einsichten in meiner Jugend

Vorwort

15 Predigten zum Enneagramm:

Die ersten 15 Predigten widmen sich dem Enneagramm. Das Enneagramm ist eine gute Landkarte, um zu verstehen, wie wir in Mustern gefangen sein können. Ich habe versucht zu zeigen, dass jeder Enneagrammtyp uns allen etwas zu sagen. Jeder mag besonders von einem Enneagrammmuster geprägt sein. Jedoch auch die anderen Muster kann ich ansatzweise in mir entdecken. Auf kompakte Weise wollte ich auch die Lehre von den Heiligen Ideen, den Tugenden und Gleichnisse Jesu als Hilfe zur Reifung einbauen.

3 Predigten zu Clare Graves Entwicklungsstufen:

Drei Predigten widmen sich den Entwicklungsstufen von Clare Graves und die Bedeutung für Glauben, Spiritualität, Seelsorge und Kirche. (Heilige Familie: Die drei ersten Stufen der Entwicklung nach Clare Graves. Kampf, Gesetz, Aufklärung, Kooperation - Die nächsten drei Stufen der Entwicklung nach Clare Grave (2.WeihSo). Widersprüche als Motoren der Geschichte, Widersprüche und Chancen in Religionen (29. So A))

Weitere Predigten:

Wie in den anderen Predigtbüchern (Predigten zum Lesejahr A, B, C) eine große Palette von verschiedenen Themen: Spirituelles, Wirtschaftspolitisches, biblische Themen, philosophisch geprägte Predigten.

Enneagramm 3 x 3 (3. So B)

Jona 3,1-5.10

Jona und Jesus rufen die Menschen auf umzukehren. Verlasst Eure alten Lebenswege, das führt nicht weiter. Kehrt um! Was kann das für mich, für dich heute sein?

Einfach fasten wie damals die Bürger von Ninive wird heute nicht immer passend sein. Wer heute umkehrt, muss erst mal überlegen und erkennen: Wo sind meine Schlagseiten? Bin ich zu perfektionistisch oder zu ängstlich, zu zurückgezogen oder zu manipulativ, oder will ich zu sehr der Besondere sein, oder bin ich zu träge oder gehe ich zu sehr mit dem Kopf durch die Wand? Erst wenn ich meine Schlagseiten ein wenig erkenne, kann ich besser mit Gottes Kraft umkehren. Deswegen präsentiere ich Ihnen heute eine Landkarte von verschiedenen Menschentypen, die uns hilft, die eigenen Schlagseiten zu entdecken.

Phantasiereise Stellen Sie sich in einer Phantasiereise vor, Sie sind ein Königskind. Sie hören, dass es irgendwo die Quellen des Lebens geben soll. So entwickeln Sie eine große Sehnsucht, diese Quellen des Lebens zu finden. Sie entschließen sich, als junger Erwachsener aufzubrechen, um diesen Ort zu finden. Bevor Sie losreiten, bekommen Sie drei wertvolle Geschenke: von Ihrem Vater das Schwert der Gerechtigkeit, von Ihrer Mutter den Ring der Freundschaft und von Ihrem Lehrer das große Buch des Wissens.

Die Reise zu den Quellen des Lebens beginnen und führen Sie durch verschiedene Länder und immer wieder finden Sie Hinweise, die Sie weiterführen. Die drei Geschenke helfen Ihnen immer wieder bei Schwierigkeiten und Herausforderungen: das Schwert der Gerechtigkeit, der Ring der Freundschaft und das große Buch des Wissens.

Kurz vor dem Ziel stellt sich Ihnen ein Zauberer mit seinen Kriegen entgegen. Sie müssen schnell überlegen! Wie reagieren Sie? Überlegen Sie, wie würden Sie handeln? Was ist Ihr erster spontaner Gedanke?

Vielleicht ist Ihr erster Impuls, das Schwert zu ziehen und sich den Weg frei zu kämpfen. Oder würden Sie es eher mit dem Ring der Freundschaft probieren? Wenn man den Zauberer für seine Zwecke gewinnen kann… Oder ziehen Sie sich vielleicht erst mal zurück und analysieren die Lage und ziehen das große Buch des Wissens zu Rate?

Drei Verhaltensweisen Menschen handeln unterschiedlich, weil sie unterschiedlich ticken und verschiedene spontane Beziehungsstile haben. Man kann z. B. grob als ersten Schritt der Differenzierung drei Menschentypen, drei Verhaltensmuster der Kontaktaufnahme unterscheiden:

Die erste Gruppe, ich nenne sie Bauchtypen, setzen gerne das Schwert ein. Sie tendieren zum Kampf und Verteidigung des eigenen Territoriums. Ihr Grundverhaltensmuster ist: Gegen den anderen.

Die zweite Gruppe, die Herztypen, setzen den Ring der Freundschaft ein. Sie sind darauf fokussiert, eine Beziehung aufzubauen. Ihr Grundverhaltensmuster ist: Hin zum anderen.

Die dritte Gruppe, die Kopftypen, studieren gerne das Buch des großen Wissens. Sie bevorzugen den Rückzug, den sicheren Abstand, die Orientierung und das Analysieren. Ihr Grundverhaltensmuster ist: Vom anderen weg.

Diese drei Menschengruppen entsprechen den drei wesentlichen Grundbedürfnissen aller Menschen: Wir haben alle das Bedürfnis nach Beziehung, Freundschaft, Kontakt. Wir haben aber auch alle das Bedürfnis nach Autonomie, nach eigenem Raum und Territorium. Und wir haben alle das Bedürfnis nach Orientierung, Klarheit und Sicherheit. Etwas philosophischer ausgedrückt ist es die Sehnsucht nach Gemeinschaft, Freiheit und Wahrheit. (Vgl Forster Hegel)

Wenn nun bei einem Menschen ein existentieller Bedürfnisbereich zu wenig genährt und erfüllt wird, entwickelt dieser eine Schlagseite: Ich muss mich besonders um mein Bedürfnis nach Beziehung oder um mein Bedürfnis nach Autonomie oder um mein Bedürfnis nach Orientierung kümmern. Oft unbewusst entwickelt diese Person dann einen entsprechenden Persönlichkeitstyp, der dieser Schlagseite entspricht.

Gehen wir noch mal alle drei Typen genauer durch:

Der Kämpfer geht davon aus, meine Autonomie ist hier nicht selbstverständlich garantiert. Er wird gerne das Schwert auspacken: Ich erkämpfe mir mein Terrain selber. Angriff ist die beste Verteidigung. Ich nenne ihn den Kämpfer. Sie können starke Führungspersönlichkeiten sein. Ein beschützender Boss! Aber die Härte schafft auch Distanz. Mehr Milde wäre Umkehr.

Der Helfer geht davon aus, ich fühle mich hier nicht gut emotional versorgt und geliebt. Er wird gerne den Ring der Freundschaft einsetzen: Ich sorge mich selbst um gute Freundschaften und Beziehungen, indem ich hilfsbereit, fürsorglich bin und mich um das Wohlergehen anderer kümmere. Kurz: Helfertypen. Sie stehen in Gefahr, sich zu sehr zu verausgaben. Sie wollen unabhängig sein und eigen Bedürftigkeit nicht aufkommen lassen. Umkehr beginnt bei ihnen, wenn sie ihre eigene Bedürftigkeit demütig zulassen.

Beobachter und Denker geht davon aus, es ist hier irgendwie nicht sicher für mich. Er wird gerne das Buch des Wissens studieren: Ich sammle erst einmal selbst Wissen, beobachte scharf und analysiere mit meinem Verstand. Das sind Denker- und Beobachtertypen. Wenn sie aber zu viel Abstand pflegen, verpassen sie das Leben. Wenn sie aufhören, mit sich zu geizen und sich wirklich mitteilen und öffnen, kehren sie um.

Alle drei Persönlichkeitstypen versuchen ihr fehlendes Bedürfnis durch ein Mehr, durch ein Übermäßig auszugleichen.

Man kann aber auch noch auf zwei andere Weisen auf die Schlagseite reagieren: durch Blockieren und durch Umlenken.

Der Friedliebende und Gemütliche sagt sich (wohl mehr unbewusst als bewusst): Wenn ich meine Bedürfnisse zurückstelle, dann komme ich mit allen gut klar, habe keinen Streit und Stress, dann bin ich zufrieden. Er blockiert seine eigene Aggression, anstatt sie übermäßig sie auszufechten wie der Kämpfer. Aber dann verpasst er aus lauter Anpassung seinen eigenen Weg. Er ist der harmoniesüchtige Vermittler. Den Impuls „gegen den anderen“, den der Kämpfer auslebt, unterdrückt der Friedliebende. Er kehrt um, wenn er seine Trägheit verlässt und aus seinem Eigenen heraus zur Tat schreitet.

Der Perfektionist hat seine Wut, dass sein Terrain missachtet wird, auf sich umgelenkt und ist sich selbst der strengste Kritiker. Denn er hofft: Wenn ich Recht habe, wenn ich alles perfekt mache, bin ich unangreifbar. Das „Gegen den anderen“ des Kämpfers richtet er auf sich und wird sein strengster Richter. Mehr Gelassenheit wäre eine Umkehr für ihn.

Der zögerliche Skeptiker und Beamte erlebt seine fehlende Orientierung und Sicherheit so stark, dass er sogar sich mit seiner übermäßigen Angst seinen Zugang zu seinen natürlichen Sicherheitsintuitionen verbaut hat. Er hat kein Bauchgefühl, dass etwas passt oder passt nicht. In dieser Unsicherheit grübelt er, ist misstrauisch und sucht Halt in Pflichterfüllung und festen Strukturen. Eine Suche nach echtem Glauben und Gottvertrauen wäre seine Umkehr.

Der vielseitige Optimist und Idealist hat seine fehlende Orientierung in eine Flucht nach vorne umgelenkt. Wenn ich viele Pläne mache, dann kann ich mir das Leben schon schön machen – das ist seine Devise! Sie fühlen sich auch unsicher und ängstlich und möchten sich vielleicht wie die Denker im ersten Impuls zurückziehen. Aber gleich im zweiten Impuls lenken sie um in gesellige Freundlichkeit. Umkehr hieße für sie, dass sie auch das Schmerzhafte tragen.

Der blendende Macher Wenn die Erfahrung, dass ich nicht so geliebt werde, wie ich bin, dann präsentiere ich mich eben mit der Fassade, die der andere für toll findet. Ich präsentiere mich als werde ein Leistungs- und Erfolgsmensch. Ich blockiere damit meine eigenen wahrhaften Impulse. Ich errichte einen schönen Schein und belüge mich und die anderen. Ich kehre um, wenn ich meine Fassade durchschaue und nach meinen eigenen blockierten Gefühle, Bedürfnisse und tiefsten Sehnsüchte suche.

Zuletzt der Künstlertyp, der dramatische Romantiker und Individualist. Im ersten Impuls möchten sie auf die anderen zugehen wie alle Herztypen, aber das erscheint ihnen nicht erstrebenswert, denn sie fühlen sich als etwas Besonderes. Im Innersten fühlen sie sich unzulänglich. So zeigen sie sich lieber distanzierter, um durch ihre Andersartigkeit aufzufallen. Aber der Neid auf noch größere Künstler zerfrisst sie. Sie kehren um, wenn sie ihrer Achterbahn der Gefühle mit Gleichmut begegnen.

Enneagramm Vielleicht hat der eine oder die andere schon gemerkt, dass ich Ihnen nun in Grundzügen das Enneagramm, eine alte spirituelle Typenlehre, vorgestellt habe. Sie ist in Deutschland besonders durch das Buch des amerikanischen Franziskaners Richard Rohr bekannt geworden. Die neun Typen entsprechen den bekannten sieben Wurzelsünden Stolz, Neid, Habsucht, Gier, Schamlosigkeit, Trägheit und Zorn und dazu noch den Sünden Lüge und Angst.

Eine solche Landkarte kann jedem persönlich helfen zu reifen, umzukehren.

Schule des Lebens Wir werden von Gott in unserem Leben, ja durch das Leben in eine Schule der Reifung geschickt. Wir haben die Chancen, unsere unbewussten Schlagseiten zu entdecken und dadurch freier und offener für uns selbst und unsere Mitmenschen zu werden. Das Leben selbst ruft uns durch die Herausforderungen und Schwierigkeiten zu: Kehre um, schau genauer hin. Welche Schlagseiten hast Du? Wo musst Du sensibler werden? Wo kannst Du um Hilfe und Gnade bitten, damit du reifen kannst?

Denn wir suchen ja alle nach den Wassern des Lebens. Wenn wir wie die Frau am Jakobsbrunnen mit Jesus über unser Leben ins Gespräch kommen, wird er uns helfen umzukehren. Dann entdecken wir in ihm die Quelle zu den Wassern des Lebens.

Typ Eins: Der Perfektionist – Zorn (9. So B)

Mk 2,23-3,6

Gerichtsverhandlung im Kopf Stellen Sie sich eine Gerichtsverhandlung vor: Richter, Angeklagter, Staatsanwalt und Verteidiger. Sie sitzen sich gegenüber. Der Staatsanwalt sagt, was sein soll! Der Verteidiger versucht verständlich zu machen, was passiert ist. Und Recht spricht der Richter, wie es mit dem Angeklagten weitergehen soll.

Und nun stellen Sie sich diese Gerichtsverhandlung in einer Person vor: So ähnlich wie in der Schachnovelle von Stefan Zweig ein Mann in Gefangenschaft beginnt, gegen sich selbst Schach zu spielen. Eine Gerichtsverhandlung im Kopf: Du hättest tun sollen! Sagt die Person zu sich selbst, sagt der innere Ankläger. Die verteidigende Stimme antwortet: Aber aus den Gründen war es doch sinnvoll… Der innere Richter spricht das Urteil: Du musst dich mehr anstrengen, du musst perfekter werden. Du bist nicht vollkommen genug! – Kennen Sie das vielleicht?

Nicht zufrieden, was ist In einem Perfektionisten findet genauso ein strenges Gerichtsverfahren im Kopf statt. Er möchte es richtig machen, er möchte gerecht sein, er möchte Recht haben. Wir alle unterscheiden das, was ist, von dem, wie es sein sollte. Wir haben alle unsere Vorstellungen einer korrekten Welt und messen daran die Wirklichkeit. Aber bei Perfektionisten können wir diese Unterscheidung sehr ausgeprägt feststellen.

Kindheit Solche Menschen haben oft strenge Eltern erlebt: Sie wurden gerecht und konsequent bestraft, wenn sie die Ideale der Eltern nicht erfüllten. Und sie wurden belohnt, wenn sie etwas gut gemacht hatten. Also machten sie es sich zum Ziel, brave, fleißige, korrekte Mädchen und Jungen zu werden. Das äußere "Gericht" haben sie internalisiert.

Vollkommenheit Daraus entsteht ein verzerrtes Weltbild, Selbstbild und Menschenbild: Dem Perfektionisten ist das Vertrauen abhandengekommen, dass auf einer tiefen Ebene alles vollkommen ist. Eigentlich will uns das der Glaube vermitteln: Gott sah seine Welt an und sie war sehr gut. In Gottes Liebe dürfen wir so sein wie wir sind.

Zwei Vergleiche können vielleicht verdeutlichen, dass auf einer tieferen Ebene alles vollkommen ist. Aus reinem Gold kann man verschiedene Dinge herstellen: Ringe, Figuren, Ketten, Goldkronen für die Zähne. Wir schauen, ob der Ring passt, ob er uns gefällt, ob der Goldzahn feste sitzt. Das ist die Ebene der Form, der relativen Vollkommenheit. Das Ego schaut auf die Form. Die gelassene Sicht schaut auf die Vollkommenheit auf tieferer Ebene, auf das Gold selbst, nicht auf die Form. Die Realität ist, wie sie ist. Einfach so. In dieser Hinsicht ist sie vollkommen. Gott hat in seiner Vollkommenheit die Welt erschaffen.

Ein Perfektionist wird in seinem Garten oder Haus immer wieder etwas finden, was er verbessern kann, was vollkommener sein könnte. Aber wenn er z. B. in einem Gebirge das erste Mal eine Wandertour unternimmt, wird er vielleicht über die Schönheit eines Bergsees oder eines Gipfels staunen. Er wird nicht auf die Idee kommen, einen Stein zu versetzen, weil das „vollkommener“ sei. Im Gebirge muss er nicht „aufräumen“. Er kann das einfache So-Sein ohne Filter bestaunen.

Er und seine Mitmenschen sind ebenso auf tiefer Ebene vollkommen. Alle seine Bedürfnisse wie die der anderen dürfen da sein. Unabhängig davon, dass man in einem zweiten Schritt schauen muss, wie am besten auf welchen Wegen die Bedürfnisse im fairen Miteinander erfüllt werden können.

Eigenes „Paradies“ schaffen Wenn aber einem dieses Urvertrauen in sich selbst fehlt? Was passiert dann? Der Perfekte versucht durch aktives Perfekt-Sein seine Maßstäbe zu erfüllen. Er schafft sich seine eigene perfekte Welt. Und in begrenztem Maße gelingt ihm das. Ordnung, Sauberkeit, Pünktlichkeit, Korrektheit – darum kümmert er sich!

Wenn ihm das nicht gelingt, wird er sich immer kritischer hinterfragen und er sieht sich immer mehr als falsch und unvollkommen und schlecht an. Der Groll auf sich selbst wächst!

Die zweite Verzerrung: Der Korrekte hat seine Prinzipien und Maßstäbe letztlich von außen internalisiert. Aber sind es wirklich seine Prinzipien? Kommen sie wirklich aus seinem Erfahrungshorizont und passen sie zu ihm und seiner inneren Berufung?

Ja der Perfekte möchte die tiefe Intelligenz, die wahre Intuition erreichen. Und mit seiner Intelligenz hat er ja auch oft Recht. Aber seine Besserwisserei kommt nicht aus tiefer Intelligenz, sie imitiert sie höchstens.

Was kann für den Perfektionisten heilend sein? Was kann den Zornigen gelassener machen?

Jesus hat solche Perfektionisten mit den Pharisäern vor sich gehabt. Jesus führte viele Konfliktgespräche mit ihnen, in denen er sie zur heilenden Umkehr einlädt. Am Sabbat soll man nicht Ähren raufen und keinen Kranken heilen? Das ist Euer Maßstab von gut und falsch?! Ihr habt ihn übernommen, ohne den lebensförderlichen Sinn dahinter zu verstehen: Der Sabbat ist für den Menschen da. Nicht ist der Mensch da für die exakte Erfüllung von Regeln.

Die Frage Jesu "Ist es erlaubt, am Sabbat Gutes zu tun?" bringt die innere Gerichtsverhandlung der Perfektionisten durcheinander. Er lässt zwischen dem Guten und dem Gesetz wählen, er spielt die beiden Werte gegeneinander aus. Und so muss sich der Perfekte nach einer tieferen Sicherheit umsehen als sein gedankliches Gericht. Dies kann nur durch Hingabe und Gelassenheit gefunden werden.

Wenn wir diese Automatismus, dass wir alles sofort in richtig und falsch nach internalisierten Maßstäben einteilen, etwas loslassen, dann wächst die Gelassenheit und der Zorn wird schwächer. Gelassenheit meint ja auch: Lassen. Es darf da sein. Ich richte nicht!

Humor Gelassenheit erlebt man und wird gefördert zum Beispiel durch Humor. Wie bei der folgenden Episode: "Ich bin mitten in einer hitzigen Diskussion mit meiner Freundin. Es geht - unglaublich, aber wahr - um die richtige Verwendung der Bürste beim Gläserspülen. Ich beobachte, wie mein rechthaberischer Zorn sich immer mehr auflädt, und muss plötzlich, indem ich mich beobachte, ganz furchtbar lachen. Wir lachen beide, bis uns die Tränen kommen. In diesem Moment fühle ich, wie ich meine Freundin wirklich lassen kann.“1 Er hat Abstand bekommen zu seinem Glaubenssatz „Ich muss Recht haben“ und zu seinem Zorn. Er findet mit Humor zur Tugend Gelassenheit.

Von Gott geliebt Gelassenheit können wir auch mit Paulus lernen: Er lehrt uns, dass wir nicht durch Regelerfüllung Gott näher kommen, sondern von Gott bedingungslos geliebt sind. Gott hat uns schon geliebt, als wir noch Sünder waren. Also auch wenn wir uns unvollkommen vorkommen, Gott schenkt uns gerade in dieser Schwachheit seine Gnade.

Wenn Du also merkst, dass der innere Richter, der Zorn in Dir überhandnimmt, dann nimm dich selbst liebevoll in die Arme und sage Dir: Gott liebt Dich, wie Du bist! Richte Dich auf ihn aus. Er schenkt Dir Vollkommenheit, die Du selbst nicht machen brauchst!

Typ Zwei: Der Helfer – Stolz (22. So C)

Lk 14,1.7-14

Die Chefsekretärin Stellen Sie sich eine Chefsekretärin vor. Sie ist freundlich, fleißig und loyal. Sie kennt ihren Chef, hält ihm den Rücken frei, organisiert souverän das Büro, macht ohne Extrabitten Überstunden, wenn es viel zu tun gibt, denkt an alle nötigen Details und liest die Wünsche ihres Chefs von seinen Lippen ab. Sie scheint freigiebig, hingebungsvoll und selbstlos sich einzusetzen für ihren Chef, für die Firma.

Als aber nach der Scheidung der Chef ihr von seiner neuen Freundin erzählt, ist sie den Tränen nahe. Hat sie doch irgendwie insgeheim gehofft, dass er sich in sie verliebt! Sie muss in sich zerrissen hinauslaufen. Ihr Über-Ich macht sie fertig: Hättest Du Dich noch mehr bemüht, ein liebevoller und begehrenswerter Mensch zu sein.

Der Helfertyp Das mag eine kitschige Geschichte aus einer Daily-Soap sein. Doch zeigt sie eine Spielart egoistischen Verhaltens und eine Illusion. Ein solcher Menschentyp geht im Tiefsten davon aus, dass man nicht bedingungslos geliebt wird. Man muss etwas tun, um geliebt zu werden. So entwickeln sie die Strategie: Wenn ich dem anderen helfe, wenn ich dem anderen seine Bedürfnisse erfülle und ihn liebevoll behandle und umschmeichle, dann werde ich mich wohlfühlen!

Sie entwickeln ein Ideal, dem sie nachstreben: Ich bin frei gebend! Sie sind im Innersten stolz darauf, angeblich freigiebig geben zu können. Und gleichzeitig sind sie total abhängig von der Reaktion der anderen. Wenn der Chef z. B. missmutig ist, ist die Chefsekretärin verstört. Was hat sie falsch gemacht? Wenn ihr Einsatz überhaupt nicht wertgeschätzt wird, wenn alles selbstverständlich ist, dann ist ihr Stolz verletzt!

Sie pflegt das Image, freigiebig und selbstlos zu geben – und gleichzeitig ist sie abhängig von der Zuwendung der anderen. Um dieses Paradox nicht zu merken, versuchen sie, eine kleine Welt zu beherrschen, in der sie sich durch Einsatz, Helfen, Ratschlägen und Schmeicheleien bei anderen absolut unentbehrlich machen. Auch Gluckenmütter oder Sozialengagierte verfallen dieser paradoxen Strategie. Oft haben solche Helfertypen in ihrer Kindheit erfahren, dass ihre Bedürfnisse nicht einfach anerkannt und wertgeschätzt werden, sondern dass sie beachtet werden, wenn sie das hilfsbereite, liebe Kind sind.

Je weniger ein solcher Helfertyp sich wertvoll fühlt, desto mehr versucht sie, sich durch Manipulation Wertschätzung zu ergattern. Dabei verliert sie immer mehr ihren Zugang zu ihren eigenen Bedürfnissen. Denn selber Bedürfnisse zu haben und zu äußern passt nicht zu ihrem Ideal, bis sie sich schamlos ausgenutzt fühlt oder ausgepowert ist.

Separate Person Dieser stolze Helfertyp zeigt etwas Grundlegendes eines jeden Egoisten, eine grundlegende verzerrte Sichtweise: Ich bin eine separate Person. Ich werde nicht einfach so geliebt. Also muss ich die Dinge selbst in die Hand nehmen und in Gang bringen. So entsteht die Illusion eines überzogenen freien Willens: „Ich mache es auf meine Weise. Ich werde erreichen, dass die Dinge so werden, wie ich sie haben will.“ Wir doktern ständig herum! „Das zeigt sich äußerlich als Manipulation anderer, damit sie so werden, wie sie unserer Ansicht nach für uns sein sollten, und innerlich als ständige Auswertung der eigenen Erfahrung, um zu sehen, ob sie „richtig“ ist oder nicht, und als Versuch, sie zu verändern, wenn sie den eigenen Vorstellungen, wie sie sein sollte, nicht entspricht“2 Und wenn man den eigenen Willen nicht durchsetzen kann, fühlt man sich gedemütigt.

Welches Paradies möchte ein solcher Helfertyp herstellen? Ist es nicht Hingabe und Einheit? So wie verschmelzendes Gold zusammenfließt? Ein glückseliger Kokon zweier vereinter Liebenden? Die Symbiose zwischen Kind und Mutter? Ein solcher stolzer Helfertyp imitiert die Vereinigung, weil sie sich eigentlich abgetrennt und einzeln fühlt!

Fragen für uns alle Aber wir können uns alle fragen:

Sehe ich mich als unabhängige Person?

Schätze ich mich nicht oft freier ein als ich bin und übersehe dabei, wie sehr ich auch abhängig von anderen bin?

Fällt es mir nicht auch oft leicht, anderen großzügig zu geben, weil ich mich dann toll und edel fühle, aber jemanden anderes um etwas einfach bitten – das fällt mir schwer?

Weil ich mich dann bedürftig fühle?

Weil ich irgendwie nicht richtig glauben kann, dass es dem anderen eine Freude bereitet, wenn er mir in aller Freiheit helfen kann?

Und fühle ich mich nicht auch irgendwie manchmal zu sehr verantwortlich für die Gefühle und Bedürfnisse und Wohlergehen meiner Liebsten?

„Wenn es Dir gut geht, dann geht es mir auch gut.“ Und am besten negative Impulse, eigene enttäuschte Gefühle unterdrücken. Man muss ja lieb sein! Man will ja nicht abgelehnt werden! „Was ist los mit dir? Nichts! Alles ok!“

Wie kann Umkehr stattfinden? Wie kann ich diese falsche Sicht überwinden?

Jesus provoziert mit seinem Wort auf heilende Weise: Lädst Du nur die VIPs und die High Society ein? Mit diesem Wort Jesu erkennt die Chefsekretärin vielleicht: Sie weiß genau, wer oben und unten ist. Sie schenkt den Oberen mehr Aufmerksamkeit, auch wenn sie nach außen natürlich zu allen freundlich ist. Also einmal wirklich geben, ohne dass das stolze Ego etwas zurückbekommen kann? Das ist eine heilende Provokation

Vielleicht entdeckt unsere Chefsekretärin dann in sich Schuldgefühle, die ihre innere Illusion offenbaren: Einerseits fühlt sie sich schuldig, weil sie dieses engelgleiche Image des ständig Schenkenden nicht ganz erfüllen kann. Andererseits wenn jemand sie als selbstlos gebend und helfend wertschätzt, fühlt sie sich schuldig, weil sie im Inneren weiß, dass sie das nicht ist!

Wenn sie diese Schuldgefühle bewusst wahrnehmen kann, entdeckt sie dahinter ihren Stolz, ihr aufgeblähtes Selbstgefühl. Sie erkennt, dass ihr stolzes Image, das sie sich geschaffen hat, ihr inneres Gefühl ausgleichen soll, von sich aus keinen Wert zu besitzen und nicht liebenswert zu sein!

Demut Dann ist für sie die Tugend der Demut ein Heilungsweg: Demut beginnt mit der bitteren Erkenntnis ihrer Illusion: Ich habe mich oft genug abhängig gemacht von Anerkennung anderer und habe mich unabhängig präsentiert. Und noch weiter: Die Ablehnung anderer ließ mich eigentlich erahnen, dass ich mich in der Tiefe selbst ablehnte. Sie erkennt ehrlich ihre eigene Ablehnung sich selbst gegenüber.

Sie erkennt auch demütig, dass sie sich übermäßig für andere verausgabt hat. Demut heißt dann auch: Ich habe auch Bedürfnisse und die darf ich mir eingestehen. Ich und mein Körper haben Grenzen der Belastbarkeit. Auch das darf ich mir eingestehen. Um all das wirklich spüren zu können, muss der Helfertyp lernen, allein sein zu können. Mit sich sein zu können.

Demut wird dann ein Weg der Umkehr! Ich darf meine Aufmerksamkeit auch nach innen richten, statt immer für andere da sein. Jenseits des Auf und Ab und der Gefühlsachterbahn entdecke ich die eigenen Bedürfnisse und stehe zu ihnen. Ich lerne wieder, den Körper zu spüren und seine Fähigkeiten und Grenzen wertzuschätzen. Ich lerne in Demut und aller Freiheit andere um etwas zu bitten anstatt durch Manipulation hinten herum ihn dazu zu bewegen.

Demut ist auch das Wissen, dass man – wie Paulus sagt – Teil des Leibes Christi ist. Wir sind nicht in einem Universum, das nur aus unbelebten Objekten besteht, in dem wir absolut, losgelöst von allem bestimmen und handeln können. Wenn ich in Verbindung mit dem Willen Gottes bin, d. h. mit dem Heiligen Geist, den ich im Hier und Jetzt erfahren kann, dann bin ich „ein Mitschöpfer, ein Teilhaber am Ausdruck des Heiligen Willens.“3 Das geschieht in der Hingabe an die Gegenwart Gottes im Hier und Jetzt.

Wenn wir uns in der Stille in Demut Gott zuwenden, wächst mit der Zeit die Gewissheit: Ich bin einfach so von ihm geliebt.

Und: Ich bin eigentlich frei, wenn ich mich immer neu in seinen Willen hineinschwinge. "So soll es auch bei euch sein: Wenn ihr alles getan habt, was euch befohlen wurde, sollt ihr sagen: Wir sind unnütze Sklaven; wir haben nur unsere Schuldigkeit getan." Lk 17,10. Die Liebe des göttlichen Vaters ist letztlich das Fundament eines echten Selbstwertgefühls, das unabhängig ist von Anerkennung der anderen. Dann kann ich Liebe geben in Freude und demütiger Freiheit.

Typ Drei: Der Erfolgreiche – Lüge (5. So A)

Mt 20,1-16

Der Name „Michael“ bedeutet: Wer ist wie Gott? Auf diese rhetorische Frage kann man nur antworten: Keiner! Aber so offensichtlich die richtige Antwort ist, sooft verhalten sich Menschen als kleine Götter, die als allwissend, allmächtig und allerlösend erscheinen mögen. Es ist die Ursünde aus der Paradiesgeschichte:

Gott sein zu wollen. Die Schlange verspricht: Ihr werdet wie Gott. Aber dieser Satz ist zu abstrakt, zu allgemein, als dass er uns etwas sagen könnte. Wir brauchen Beispiele, Erfahrungen, um erahnen zu können, dass diese Ursünde auch in uns wirksam sein kann.

Stellen wir uns einen Träumer vor. Vielleicht stellt er sich vor, wie er seinen Chef die Leviten liest, seine Absetzung bewirkt und mit seiner Führung in der Abteilung endlich alles zum Besten wird. In dieser Traumwelt ist der Träumer allwissend: Er weiß, was in seinem fabulierten Traum, in seinem inneren Kinofilm passiert. Er ist allmächtig: Es passiert genau das, was er will. Und er ist Schöpfer und Erlöser: Er hat diese Traumwelt erschaffen und er kann alles zum guten Ende führen. Er ist in dieser Traumwelt Gott. Sehen wir genau hin: Es gibt ein Zuviel und ein eine falsche Einstellung darin. Es ist ja nichts dagegen einzuwenden, wenn ein Mensch nach einem Streit mit seinem Verstand abwägt, wie er mit seinem Chef beim nächsten Gespräch reden könnte. Aber in diesen Traumreisen ist das Gedankenkarussell überdreht! Und die Einstellung ist überheblich, ich erhebe mich über den anderen!

Erfolgreiche Nun gibt es natürlich auch Menschen, die sich das in einer Traumreise nicht nur ausdenken, sondern auch umsetzen! Sie können dann zum Beispiel erfolgreiche Managertypen werden, die durch Charme, Leistung und Ellenbogen viel erreichen. Sie können sich wirklich als strahlende Retter von z. B. Firmen präsentieren! – Kleine Götter, die bewundert werden!

Ich bin ein self-made-man! Ich mache es selbst! Ich muss alles alleine schaffen!

Das ist die grundlegende Verzerrung, der diese kleinen Götter verfallen sind, die aber auch bei allen egoistischen Verwirrungen zu finden sind. Schauen wir uns diese Statusmenschen, Leistungsmenschen, Erfolgsmenschen, kleinen Götter genauer an. Dann können wir vielleicht auch unserer eigenen Selbstlüge gegenüber sensibler sein.

Oft wurden solche Leistungsmenschen in der Kindheit mit hohen, zu hohen Erwartungen von den Eltern konfrontiert. (Sie mussten sich z. B. besonders früh um sich selbst und ihre Geschwister kümmern. Oder sie stammen aus mittellosen Verhältnissen und haben sich mit eigener Kraft aus dem Dreck gezogen.) Erschreckend erlebt das Kind bzw. meint das Kind: Ich bin nicht einfach so geliebt, wie ich bin. Ich bin nur wertvoll, wenn ich Gutes vorzuweisen habe, wenn ich erfolgreich bin, wenn ich Leistung bringe. Also entwickelt es die Strategie: Liebe mich für das, was ich geleistet habe! Denn versagen will es nicht mehr, nichts mehr wert sein will das Kind nicht mehr. Daraus entsteht die Lebensstrategie, genau das Image dem anderen zu präsentieren, das bei dem anderen gut ankommt. Irgendwann ist diese Strategie so tief, dass der Leistungsmensch wirklich sich für das hält, was er vorgibt zu sein. Das ist die Sünde der Lüge, der Selbsttäuschung. Alle Gefühle, die nicht diesem Image nicht entsprechen, werden blockiert, nicht gefühlt.

Der Leistungsmensch setzt mit seinem unbändigen Aktivismus sein Pseudoparadies um! Darin ist er erfolgreich, der perfekte Arzt, der perfekte Manager oder der perfekte Ehemann.

Dahinter stecken tiefe Verzerrungen und Verwirrungen.

Erstens: Ich bin wie ein unabhängiger Unternehmer. Ich bin autonom, ich kann autonom handeln und mich autonom verhalten. Jedoch es fehlt ein Verständnis dafür, dass wir Teil einer Dynamik sind. Wir sind immer eingebettet und verbunden: Eingebettet in die Familie, in die Natur, in die Gesellschaft. Wir profitieren von anderen und wir wirken auf andere.

Zweitens: Der Self-made-Mann ist blind für die Auswirkungen, die seine Handlungen auf andere oder seine Umwelt haben. Es geht darum, selber zu siegen und erfolgreich zu sein. Er ist blind dafür, dass er sich auf Kosten anderer in die obersten Ränge drängt. Wenn andere Menschen Förderer sind, präsentiert man seine Schokoladenseite. Wenn sie Gegner sind, fährt man seine Ellenbogen aus. Wenn sie nichts zum Erfolg beitragen können, übersieht man sie. Er ist blind dafür, dass sein Streben nach Besser, Größer, Schöner, Erfolgreicher auch Ökosysteme belastet. Er ist insgesamt blind für sein Eingebettetsein!

Drittens: Ich muss es alleine schaffen. Auf sich allein gestellt und mit nichts und niemanden verbunden, müssen Erfolgsmenschen ihre eigene Welt aufrechterhalten und auch alles alleine schaffen. Es gibt keine Aktivität, keine Entfaltung und keine Entwicklung, die man nicht selbst in Gang setzt. Deswegen der ständige Aktivismus der Erfolgsmenschen, immer auf Effizienz getrimmt, bis zur Erschöpfung. So simuliert der Erfolgsmensch eigentlich das prozesshafte Sein, den immer ständigen schöpferischen Gott. Der heilige Ignatius gibt uns auf: „Tu so mit, dass eben dieses Mitarbeiten erfüllt bleibe vom Wissen um die alleinige Gewalt Gottes.“ Erfolgsmenschen sehen sich nicht als bescheidene Mitarbeiter, die von der Macht Gottes getragen sind, sondern als Selbstverwirklicher ihres irdischen Glücks!

Fragen an uns alle Und das bringt uns zu der allgemeinen selbstkritischen Frage:

Wo versuche ich durch krampfhaften Aktivismus, mein Pseudoparadies zu erschaffen?

Wo vergesse ich, Mitarbeiter Gottes zu sein? Wo vergesse ich die Macht Gottes?

Die Satelliten des Ich Wir können die Verwirrung noch anders beschreiben. Stellen Sie sich das Ich wie einen Himmelskörper vor, um den Satelliten kreisen. Der Himmelskörper sei einfach das „Ich bin“. Die Satelliten sind: „Mein Auto“, „mein Haus“, „meine Familie“, „meine Firma“, „mein Erfolg“, „meine Ausstrahlung“ usw. Sprachlich erkennen wir sie am Possessivpronomen: mein!

Erfolgsmenschen haben überhaupt kein Sensus dafür, dass das „Ich bin“ in sich wertvoll ist. Deswegen müssen sie Satelliten um den Himmelskörper „Ich“ kreisen lassen, damit es wertvoll und erfolgreich erscheint. Das ist Egoaktivität: Die passenden Satelliten ums Ich kreisen lassen, um das Ich aufzuwerten!

Das ist aber typisch für alle egoistischen Tendenzen: Schon ein kleine Shoppingtour lässt uns das erleben. Wir kaufen etwas ein. Dann ist es mein neues Handy, Hemd oder CD. Das Ich bekommt wieder einen neuen Kick. Der neue Satellit stärkt das Ich!

Satelliten sind nicht nur Dinge. Satelliten des Ich sind auch Bilder von uns selbst. Wie wir uns selbst sehen wollen: Ich bin erfolgreich! Ich habe Recht! Ich helfe! Ich bin anders! Ich blicke durch! Ich tue meine Pflicht! Ich bin glücklich! Ich bin stark! Oder: Ich bin zufrieden! Natürlich wir wollen Idealen nachfolgen, wir wollen Schmerzen vermeiden und glücklich sein. Und deswegen suchen wir nach neuen Satelliten, die unser Ich stärken. Aber brauchen wir das immer? Was sind unsere wirklich wichtigen Bedürfnisse und was sind Ersatzbefriedigungen und falsche Strategien?

Was sind wir jenseits unserer Satelliten? Jenseits unserer Bilder von uns selbst, jenseits unseres Reichtums, unseres Ansehens und unserer Macht über andere? Jenseits unserer Leistungen? –

Denken wir nur an Jesu Gleichnis von den Tagelöhnern: Jeder bekommt ein Denar, ob er nun eine Stunde, fünf oder zwölf Stunden gearbeitet hat! Zählt Leistung nicht vor Gott?!

Wenn wir uns dieser Frage stellen, beruhigt sich die Egoaktivität, erleben wir unser Wesen auf ursprüngliche unberührte Art, ohne verzerrende Filter aus der Vergangenheit, und erleben uns selbst als einfaches Hier-Dasein: Ich bin!

Weiterhin erahnen wir dann: Wir kommen oft auch durchaus zurecht, wenn wir uns kein inneres Bild von uns selbst machen! Einen Baum genießen, im Klavierspielen versunken sein, mit Freunden Fußball spielen. Unsere Egoaktivität brauchen wir für solche Tätigkeiten überhaupt nicht.

Wenn ein Erfolgsmensch sich so auf die Suche nach dem „Ich bin“ jenseits der Satelliten macht, wird er erkennen, dass er kein getrennt Handelnder ist. Wenn ein Erfolgsmensch z. B. eine Doktorarbeit geschrieben hat, wird er nach dieser Erkenntnis im Rückblick vielleicht erkennen: Diese Arbeit habe ich nicht allein geschrieben, wie ich früher behauptet habe. Ich habe viele Unterstützer gehabt. Meine Eltern, die mir mein Studium ermöglicht haben. Meine Freundin, die Korrektur gelesen hat und mir immer wieder erfrischenden Kaffee serviert hat. Die vielen Wissenschaftler vor mir, deren Bücher ich gelesen habe und die mich inspiriert haben.

Wahrhaftigkeit Heilend ist es ebenso, das Gefühl, ein Versager zu sein und sich selbst wertlos vorzukommen, zu spüren anstatt es zu verdrängen. Das Über-Ich in sich bewusst mit Abstand wahrzunehmen: Wie es ermahnt, immer noch mehr zu tun, immer noch schneller und effizienter zu sein. Denn hilflos oder erfolglos darfst Du nicht sein, selbst wenn man sich oder andere deshalb belügen muss. Das Über-Ich besteht darauf, einem Image gerecht zu werden! Wer das mit Abstand in sich wahrnehmen kann, verwirklicht schon die Tugend der Wahrhaftigkeit: Ich bin nicht mein Image! Ich brauche mich nicht selbst zu belügen! Ich brauche dann auch vor anderen nicht Notlügen, Schein und Image einsetzen. Ich kann wahrhaftig sein.

Ich erkenne: Der Versuch, ein kleiner Gott zu sein, war eine Verteidigungsmaßnahme, die mich als Erfolgsmenschen davon abhält, nicht mit dem Versagen und der inneren Hilflosigkeit konfrontiert zu sein. Die zahllosen Aktivitäten sind eine Flucht vor jenem riesigen leeren Ort. In dieser Wahrhaftigkeit wandelt sich die innere Leere in innere Stille und friedliche Weite. Einfachheit, Natürlichkeit und Echtheit können sich entfalten!

In der menschlichen Seele entfaltet sich ein Sog, eine Sehnsucht nach Gott. Sich dieser Sehnsucht und Sog hinzugeben ist heilige Hoffnung. Gott selbst handelt an mir, ich muss nicht alles alleine machen! „Kommt alle zu mir, die ihr euch plagt und schwere Lasten zu tragen hat.... Meine Last ist leicht.“ Mt??

Typ Vier: Der melancholische Andere – Neid (5. OsSo B)

Joh 15, 1-8

Franz Schuberts Winterreise Wer melancholische Musik kennenlernen möchte, der höre sich Franz Schuberts beeindruckender Liederzyklus „Die Winterreise“ an. Ein Wanderer streift ziellos durch die Winterlandschaft und verarbeitet, dass „sein Liebchen“ ihn verlassen hat. Franz Schubert hat über 600 Lieder geschrieben. Kleine Mädchen singen sich selbst ein Lied vor, wenn sie allein und verlassen im Winterwald stehen. Mit dem Vor-Sich-Her-Singen möchte das Mädchen sich selbst Halt geben. Das einfache Liedsingen ist für das Kind die Sicherheit, die es sich selbst in der Verlassenheit geben kann. Schuberts wunderbar traurige Musik, die Themen seiner Lieder und die immense Anzahl der Lieder legen nahe, dass Schubert mit dem Lieder komponieren sich selbst Halt geben wollte. Auch er fühlte sich verlassen, allein, wie ein Boot ohne Anker auf dem Meer, keine Verbindung zum tragenden und haltenden Grund und den Wellen ausgeliefert ist. Von den eigenen Tiefen abgeschnitten und von den anderen Menschen entfremdet.

So fühlten und fühlen sich viele melancholische Künstlertypen. Ihr Drama – ist es nur ihr spezielles Drama? Oder kann es lehrreich für uns alle sein? Weil ihr Drama eine Herausforderung offenbart, der wir uns alle stellen müssen? Ja sie offenbaren uns ein allgemeines menschliches Drama, das sie nur in besonders intensiver Weise durchleben.

Das Drama heißt: Was mache ich, wenn ich vom Weinstock getrennt bin? Bin ich dann nicht hoffnungslos verloren? Jesus offenbart uns in seinen Abschiedsreden: Wir sind alle Rebzweige, die mit dem Weinstock verbunden sind. Von ihm her bekommen wir Kraft, Leben und Halt!

Allgemein spiritueller und philosophischer kann man auch sagen: Wir sind alle mit dem göttlichen Sein verbunden. Wir kommen alle aus göttlichem Ursprung, so wie alles Wasser einer Fontäne aus einer Quelle kommt. Alles ist Entfaltung und Rückkehr zum göttlichen Sein und ist immer mit dem Ursprung verbunden.

Wenn ich diese Verbindung zum Ursprung nicht mehr spüre, wenn ich mich wie ein Boot ohne Anker allein auf dem Meer fühle, dann muss ich selbst das schwankende Boot ständig kontrollieren, damit es nicht abdriftet oder kentert.

Wer aber so allein und verlassen auf dem Meer ist, kann sich jedoch den Mitmenschen als etwas Besonderes präsentieren:

Ich bin anders als ihr! Ich bin besonders, einmalig! Liebt mich dafür!

Aber was passiert, wenn die anderen, wenn sie mir näher kommen, merken, dass ich keinen Anker habe, dass ich nicht mit dem Ursprung verbunden bin, dass ich verlassen bin, dass ich vielleicht schuldhaft aus dem Paradies ausgestoßen bin? Das darf nicht passieren! Lieber distanziere ich mich wieder. Außerdem habe ich schon gemerkt, dass die anderen meiner Genialität nicht würdig sind…

Erkennen Sie schon das tragische Hin und Her Schwanken melancholischer Künstlertypen in meinen Ausführungen? Liebesbeziehungen haben oft folgenden Verlauf: Stürmisches Begehren, nach erfolgter Verbindung folgen intensive Auseinandersetzungen, plötzliche Trennung und wieder wächst die Sehnsucht. Versöhnung folgt und der Kreislauf beginnt von neuem.

Das Selbstwertgefühl solcher melancholischer Künstlertypen ist äußerst ambivalent: Einerseits „Ich bin ganz besonders und einmalig, anders als Otto Normalverbraucher!“ Andererseits „Ich bin verlassen, ich bin unwürdig, ich muss doch schuld sein, dass ich den Kontakt mit dem Göttlichen verloren habe!“ – Gerade dieser zweite Glaubenssatz ist ihnen oft nicht bewusst. Er wirkt eher wie ein unerkannter Virus im Computer – und ist deswegen umso mächtiger.

Aber aus diesem Dilemma kann man eine Beziehungsaufbaustrategie entwickeln: Ich lamentiere, präsentiere mich als anders, einmalig und als besonders bemitleidenswert. Das soll mich liebenswert machen. Aber ja nicht zu nahe, ansonsten würden sie meinen Makel erkennen.

Und wenn es nicht klappt, dann gibt es wieder zwei Strategien, um seinen Selbstwert zu heben: Entweder der andere war es nicht wert. Oder ich halte die Verbindung durch meine tragische Liebe aufrecht. So wie Tristan und Isolde nur durch den gemeinsamen Tod verbunden sein können, so opfere ich mein Leiden, um mit dem Geliebten verbunden zu sein.

Wenn das nicht klappt, schlägt das Über-Ich zerstörerisch zu: Du hast Dich nicht genug angestrengt und kontrolliert, du bist unwürdig. Du hast dein Ideal nicht erreicht!

Wir erahnen: Wer insgeheim denkt, ich bin verlassen worden, wird auch immer wieder neu Beziehungen so deuten, dass sie einen Verlauf nehmen, so dass sie Verlassenwerden wieder neu erleben! Neid Tragische Personen haben das Gefühl, etwas wert zu sein und geliebt zu werden, aufgegeben. Nachdem sie dieses Gefühl einmal aufgegeben haben, setzen sie alle Hebel in Bewegung, um es wieder zurück zu bekommen. Sie erklären immer wieder, dass sie es verdienen, geliebt zu werden, weil sie bedürftig sind, weil man ihnen etwas weggenommen hat. Die anderen haben mehr, sind erfolgreicher usw. Das ist die Wurzelsünde Neid, die hier zum Vorschein kommt. Der Neid wird als Mittel eingesetzt, um Liebe und Zuwendung zu bekommen. Sie sind neidisch auf alle, die genialer sind, oder auch auf alle, die es anscheinend einfacher haben, „normaler“ sind.

Fragen an uns alle Wie stark lamentieren wir, um Aufmerksamkeit zu ergattern? Wie stark vergleichen wir uns mit anderen, sind neidisch und versuchen uns als besonders herauszustellen, um so andere an uns zu binden?

Übung Naikan: Eine Übung mit drei Fragen kann uns allen helfen, die Versuchung des Neids und der Melancholie zu