Predigten zum Lesejahr B - Michael Pflaum - E-Book

Predigten zum Lesejahr B E-Book

Michael Pflaum

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Beschreibung

Die Predigten in diesem Band widmen sich ganz verschiedenen Themen: Spirituelles, Lebensalltägliches, biblische Themen (wie z. B. der Prozess Jesu, Einführung ins Markus- und Johannes-Evangelium), gesellschaftspolitische Themen (wie z. B. Postwachstumsgesellschaft oder Wirtschaftskrisen), grundsätzliche dogmatische Themen (wie z. B. Grundaufgaben der Kirche, Idiomenkommunikation). Drei Predigten widmen sich Dokumenten des Konzils (Kirchenkonstitution und Liturgiekonstitution) und der Ökumene im Konzil. Gedanken großer Theologen wie Karl Rahner oder Jon Sobrino werden genauso aufgegriffen wie bekannte Erzählungen (z. B. Herr der Ringe) und moderne Philosophen (was sagt Alain Badiou über Paulus). Dabei ist dem Autor wichtig, verständlich, anschaulich, mit lebensnahen Bezügen die Themen darzulegen.

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Das Reich Gottes ist nahe! Kehrt um und glaubt an das Evangelium! Mk 1,15

Inhalt

1. Adventssonntag: Utopie und Prophetie.

2. Adventssonntag: Ein Wissenschaftler sucht Gott. Eine Erzählung

3. Adventssonntag: Postwachstumsgesellschaft

4. Adventssonntag: Mit Kindern die Weihnachtsgeschichten von Lukas und Matthäus vergleichen

Christmette

1. Weihnachtsfeiertag: Die frohe Botschaft, dass Jesus der Logos ist.

Stephanus, unschuldige Kinder und die Erklärung zur Religionsfreiheit

Heilige Familie: Alle glücklichen Familien sind auf ihre besondere Weise glücklich.

2. Sonntag nach Weihnachten: Wie nach Weihnachten über Gott und Welt reden? Die Idiomenkommunikation

Erscheinung des Herrn: Platons Höhlengleichnis und die Epiphanie Gottes

Taufe Jesu: Vergiss es nie. Alle Menschen sind Kinder Gottes

Aschermittwoch: Kurzfilm „Am seidenen Faden“ - Was sind meine Sicherungen?

1. Fastensonntag: Die Versuchung Jesu und „Der Herr der Ringe“

2. Fastensonntag: Jenseits von mehr und weniger

3. Fastensonntag: Mensch und Gott unverzweckt

4. Fastensonntag: Das innere Licht

5. Fastensonntag: Gedanken zum Opferbegriff

Palmsonntag: Warum wurde Jesus verurteilt? Der Prozess gegen Jesus

Gründonnerstag: Trotz Angst vor dem Tod

Osternacht: Was die Auferstehung über Gott offenbart

Ostern: Auferstehung damals - Ostererfahrungen heute

Ostermontag: Was die Auferstehung über Jesus Neues offenbart

2 Ostersonntag: Thomas Wundmale müssen sein

3. Ostersonntag: Der Friede, der alles Denken übersteigt

4. Ostersonntag: Ranieros Lichtflamme

5. Ostersonntag: Lumen gentium – Die Kirchenkonstitution

6. Ostersonntag: Die drei Ebenen der Gegenwart Gottes

Christi Himmelfahrt: Die 4 Grundaufgaben der Kirche

7. Ostersonntag: Heilige deinen Namen, im Namen ist alles

Pfingsten: Drei Pfingstwunder in unserer Zeit

Dreifaltigkeitssonntag: Spiritueller Zugang zur Trinität

2. Sonntag im Jahreskreis: Christologie von unten und von oben nach Karl Rahner

3. Sonntag im Jahreskreis: Paulus nach Alain Badiou

4. Sonntag im Jahreskreis: Dämonen und die anonyme Alkoholiker

5. Sonntag im Jahreskreis: Der Mensch ist Geist und Körper

6. Sonntag im Jahreskreis: Orte und Zeiten im Markusevangelium

7. Sonntag im Jahreskreis: Das Reich Gottes im Zwischenmenschlichen, im Werden und in der Minorität

8. Sonntag im Jahreskreis: Sacrosanctum Concilium – die Liturgiekonstitution

9. Sonntag im Jahreskreis: Parrhesia – freie Rede

10. Sonntag im Jahreskreis: Gewaltlogik nach Wink Ziel von GfK

11. Sonntag im Jahreskreis: Von der Langeweile zur Gnade

12. Sonntag im Jahreskreis: Wirtschaftskrisen

13 Sonntag im Jahreskreis: Heilung geschieht in Begegnung

14. Sonntag im Jahreskreis: Ignatius´ Gesprächsregeln

15. Sonntag im Jahreskreis: Die Narrheit der Armut

16. Sonntag im Jahreskreis: Aus der Einheit leben

17. Sonntag im Jahreskreis: Das Denken der Fülle

18. Sonntag im Jahreskreis: Ich bin das Brot des Lebens – Jesus als Symbol der Liebe Gottes

19. Sonntag im Jahreskreis: Einführung in das Johannesevangelium

20. Sonntag im Jahreskreis: Realpräsenz

21. Sonntag im Jahreskreis: Der Geist ist es, der lebendig macht – Freiheit nach Viktor Frankl

22. Sonntag im Jahreskreis: Umdeuten

23. Sonntag im Jahreskreis: Konsument versus Mitbeter

24. Sonntag im Jahreskreis: Die Jüngerregel

25. Sonntag im Jahreskreis: 10 Mal dienend leiten

26. Sonntag im Jahreskreis: Die Entwicklung der Ökumene im II. Vatikanum

27. Sonntag im Jahreskreis: Anfängergeist

28. Sonntag im Jahreskreis: Der heilige Franziskus

29. Sonntag im Jahreskreis: Der Weg Jesu angesichts der Ungerechtigkeit

30. Sonntag im Jahreskreis: Die kleinen Helden im Markusevangelium

31. Sonntag im Jahreskreis: Gottesliebe und Nächstenliebe

32. Sonntag im Jahreskreis: Die Frage nach Hobbes Urzustand und das Paradox der armen Witwe

33. Sonntag im Jahreskreis: Rahners Gedanken zu Mariä Himmelfahrt

Christkönig: Hoffnung auf mehr Frieden?

Allerheiligen: Wer ist Ihr Lieblingsheiliger?

1. Adventssonntag: Utopie und Prophetie.

Mk 13,24-37

Für die meisten Menschen ist Advent nur eine Vorbereitungszeit auf Weihnachten, Vorfreude auf das große Familienfest. Unser heutiges Evangelium aber verweist uns auf eine ganz andere, viel größere Dimension: Advent ist Erwartung, dass der Herr kommt, dass sein Reich anbricht, dass er die Zukunft gestaltet und vollendet!

Ja, der normale bürgerliche Christ in Europa oder Amerika hat diese Dimension von Advent überhaupt nicht in seinem Bewusstsein. Ebenso wenig kann er mit Prophetie oder Utopie etwas anfangen. Wenn vielen normalen bürgerlichen Christen die adventliche Haltung, Prophetie und Utopie fremd sind, dann entgeht ihnen wohl eine wesentliche Dimension des Christlichen! Denken wir an den Propheten Amos im Alten Testament, der die soziale Ungerechtigkeit der Gesellschaft und die Herzenskälte der Reichen und Mächtigen anprangert – heute noch passend und lesenswert. Oder denken wir an Jesaja, dessen Texte wir im Advent besonders häufig lesen, - ein früher Meister der Utopie: „Dann wohnt der Wolf beim Lamm, der Panther liegt beim Böcklein.“ Jes 11,6.

Und die erste moderne Utopie schrieb nicht irgendein ein Schwärmer sondern der Heilige und Märtyrer Thomas Morus im Jahr 1515. Er beschrieb eine angebliche Insel, die der Reisegefährte Amerigo Vespucci besucht habe: Auf dieser Insel gab es all das nicht, was in der englischen Gesellschaft unmenschlich, ungerecht und unvernünftig war.

Zuletzt Jesus selbst. Er verkündet: Das Reich Gottes bricht an, besonders für die Armen und Ausgestoßenen. Kehrt um und glaubt an das Evangelium! – das ist prophetisch, utopisch und adventlich zugleich!

Wie können wir heute wieder neu das Prophetische, Utopische, Adventliche des christlichen Glaubens entdecken?

Karl Rahner z. B. hat zu Recht darauf hingewiesen, dass der Christ nicht einer rein innerweltlichen, unreligiösen Utopie folgen kann. Denn letztlich vollendet sich die menschliche Geschichte in der ewigen Zukunft Gottes, in seiner neuen Welt, in der Ewigkeit. Die Gewissheit, dass alle menschliche Geschichte von Gott zum Guten letztlich geführt wird, lässt den Christ nicht verzagen oder in Egoismus oder Zynismus oder verzweifelten Aktivismus verfallen.1

Aber das Reich Gottes bricht hier und jetzt schon an, es klagt die jetzigen ungerechten Strukturen an und treibt unsere Sehnsucht zu mehr Gerechtigkeit, Frieden, Heilung und Versöhnung an und lässt uns immer neu erleben, dass die verändernde Macht des Geistes Gottes wirkt.

Die Befreiungstheologie betont deswegen ebenso zu Recht, dass es zwei Gefahren gibt:

1. Das Reich Gottes wird zu sehr verinnerlicht gedacht und seine gesellschaftsverändernde Kraft geht dann verloren. 2. Das Reich Gottes wird allein als ewiges jenseitiges Reich nach dem Tod verstanden. Dadurch verliert die Botschaft vom Reich Gottes ebenso seine gesellschaftsverändernde Kraft.

Die Kirche hat das Prophetisch-Utopische in drei Schritten neu entdeckt:

Provoziert durch das Elend und Ausbeutung in der Zeit der Frühindustrialisierung entwickelte die Kirche ihre kritische Soziallehre.

Im II. Vatikanum griffen die Väter den Begriff „Zeichen der Zeit“ auf, den Johannes XXIII. schon in seiner Friedensenzyklika verwendet hat, und machten ihn zum zentralen Begriff in der Pastoralkonstitution. „Zeichen der Zeit“ sind zentrale Herausforderungen, wo die Kirche prophetisch Missstände ansprechen muss und konkrete Utopien anbieten oder aufgreifen muss, damit die Benachteiligten und die Opfer Hoffnung schöpfen können und echte Veränderungen angestoßen werden.

Und zuletzt hat insbesondere die Befreiungstheologie in Lateinamerika das Prophetische und Utopische im christlichen Glauben neu entdeckt. Für diese Theologen ist folgendes wichtig: Eine allgemeine christliche Utopie muss konkret werden, in einer bestimmten Zeit, in einem bestimmten gesellschaftlichen Zusammenhang. In dieser Konkretisierung wird die Predigt Jesu vom anbrechenden Reich Gottes lebendig und entwickelt seine verändernde Kraft. Prophetie verdeutlicht auf klare Weise, dass das, was jetzt passiert, eben nicht das ist, was wir als Fülle des Reiches Gottes ersehnen. Prophetie klagt an und weckt auf. Prophetie spricht Zeichen der Zeit an.

Die zerstörerischen und ausbeuterischen Seiten eines weltweit immer stärker sich ausbreitenden Kapitalismus erlebten und erleben die meisten Menschen in Lateinamerika. Deswegen konnte auch die lateinamerikanische Befreiungstheologie Utopie und Prophetie, Advent und Reich Gottes ganz neu und lebendig auf ihre gesellschaftliche Situation anwenden.

Aber wir leben hier in Europa. Was könnte hier eine christliche Utopie sein? Welche Zeichen der Zeit müssten wir hier prophetisch ansprechen?

Die Finanzkrise, der Klimawandel, die wachsende Zahl von Migranten, die aufgehalten werden, die steigende Zahl von Unwetterkatastrophen, die immer schneller werdende Arbeitswelt, die ansteigende Zahl von psychosomatischen Krankheiten – genügend Zeichen der Zeit, die wir als Christen in Europa aufgreifen müssen, um heute glaubwürdig Christsein zu leben.

Es gibt außerdem heute bei uns auch genügend Utopien und Propheten, die wir Christen aufgreifen und unterstützen sollten. Ich denke da z. B. an Harald Welzer und sein Buch „Selbstdenken“. Er stellt sich wie viele andere die Frage, wie wir eine Gesellschaft gestalten können, die nicht immer weiter wachsen muss, die sich nicht immer weiter dem kapitalistischen Motor der modernen Wirtschaft hingibt.

Für ihn sind Utopien ein großartiges Mittel, um anders denken und wünschen zu üben. Utopisches Denken fördert den sogenannten Möglichkeitssinn. Wir sind zu sehr im Wirklichkeitssein verhaftet, wie Robert Musil schon erkannt hat: Der Hamster im Rad kann nur noch vorlaufen. Ihm kommt nicht in den Sinn, dass er die Möglichkeit hat, seitlich hinauszuspringen oder das Tempo zu verlangsamen und dann inne zu halten.

Welzer betont: Utopien werden gefährlich, wenn sich jemand daran macht, einen Masterplan zu entwickeln, um direkt umzusetzen, was wünschbar erscheinen mag. Soziale Masterpläne haben immer den Nachteil, dass es Individuen und Gruppen gibt, die sich den aus der Utopie gefolgerten Beglückungsvorstellungen nicht fügen mögen oder können. Man denke nur an die große Masterplanutopie Kommunismus. Deshalb ist eine Ökodiktatur auch weder wünschenswert noch funktionsfähig.

Die konkrete Utopie für Europa heißt: Zivilisierung durch weniger. Weniger Material, weniger Energie, weniger Dreck. Aber: Wir wissen heute noch nicht, wie eine nachhaltige moderne Welt genau aussieht, die frei, demokratisch, sicher, gerecht ist und einen Ressourcenbedarf hat, der gegenüber heute um den Faktor fünf bis 10 verringert ist.

Also entwirft man den nächsten oder allenfalls den übernächsten Schritt auf Probe und prüft, wie das Ergebnis jeweils ausfällt: ob man so weiterkommt oder nicht. Kein Masterplan sondern probieren, abbrechen, aufhören, innehalten und pausieren usw. - ein Patchwork aus unterschiedlichen Experimenten.

Dabei betont Welzer, dass die entscheidenden Impulse nicht von den großen Institutionen kamen und kommen. Diese verharren im Wirklichkeitssinn, im faustischen „Weiter so“. Sie sind nur von außen zu Kurskorrekturen zu bewegen:

„Der Siegeszug der erneuerbaren Energien ist weder der Energiewirtschaft noch der Universitäten zu verdanken. Vielmehr war sie die Fortsetzung des Kampfes gegen die Atomenergie mit anderen Mitteln und wurde von praktischen Träumen wie Rolf Dirsch oder Ursula und Michael Sladek vorangetrieben. Sie haben mit Plus-Energiehäusern, Energiegenossenschaften und steter Penetration des kulturellen Klimas vor Ort eine Energiewende vorausgeträumt, Jahrzehnte, bevor die hoch subventionierte Energiewirtschaft die Erneuerbaren als Zukunftstechnologie entdeckte. […] So wenig Bioenergiedörfer, Mehrgenerationenhäuser oder Bürgersolaranlagen die Erfindung von Verwaltungen oder Ministerien waren, so wenig wurden Gemeinschaftsgärten oder der ökologische Landbau von Agrarwirtschaft oder der Wissenschaft ins Leben gerufen. […] Tatsächlich ist die Geschichte des gesellschaftlichen Fortschritts der letzten Jahrzehnte eine, die von unten geschrieben wurde. […] Desertec, Elektroautos, Smart meters – das sind alles Konzepte, die aus der Welt von gestern kommen und hochskaliert werden zur Gegenwart plus. Sie ergeben keine neue Geschichte, schon gar keine Gegengeschichte zur expansiven Moderne.“2

Solche Denker, Aktivisten und gesellschaftliche Bewegungen sollten wir als Christen aufgreifen und unterstützen und mit unserem christlichen Glauben verknüpfen: Ein Glaube an Jesus Christus, der in einem von Römern besetzten Land so utopisch war, das anbrechende Reich Gottes zu predigen. Und dessen Kreuz und Auferstehung uns Hoffnung wider aller Hoffnung geben kann.

2. Adventssonntag: Ein Wissenschaftler sucht Gott. Eine Erzählung

Mk 1,1-8

Ein Biologe in Aktion

Ein Biologe hört von Berichten, dass im afrikanischen Urwald ein Säugetier entdeckt worden ist, das bis vor kurzem völlig unbekannt war. Der Eifer, das Tier zu finden, packt ihn. Er macht sich mit einer Expedition auf. Tatsächlich findet er einige Exemplare dieser neuen Art. Zuerst beobachtet er sie. Genau notiert er die Verhaltensformen. Dann bekommen einige Tiere Betäubungsspritzen ins Fell geschossen. Der Wissenschaftler nähert sich den ohnmächtigen Tieren. Ein Gefühl des Erfolges und des Sieges kommt in ihm auf. Er überlegt schon, in welcher Zeitschrift er seine Entdeckungen veröffentlicht und welche Auszeichnungen er dafür bekommen kann. Er hat nun genug Wissen über diese Tiere gesammelt; jetzt hat er sogar einige in seiner Hand. Er kann sie an Tierparks verkaufen oder sie an Institute für Gentechnologie schicken.

Ein neues Forschungsgebiet: Gott suchen Als der Wissenschaftler daheim war und seinen Artikel veröffentlicht hatte, überlegte er, welchen Forschungszielen er sich nun widmen sollte. Auf einmal kam er auf die ungewöhnliche Idee, nach Gott zu forschen. Er hatte plötzlich Lust, sein Forschungsgebiet komplett zu ändern. Er war nicht religiös aufgewachsen. Er hatte sich nie viel Gedanken über die Existenz oder Nichtexistenz Gottes gemacht. Aber in diesem Augenblick fand er, dass nun die Zeit für diese Suche wäre.

Ihm war klar, dass er Gott nicht wie ein Tier oder einen Gegenstand auf der Erde suchen und untersuchen konnte. Also kaufte er sich einen ansehnlichen Haufen von theologischen Werken. In einem Buch fand er vier Wege aufgelistet, um Gott finden zu können:

Intellektuelles Nachdenken über Gott. Philosophen und Theologen konnten dabei helfen.

Training der Achtsamkeit: Menschen gut zuhören, bei einem Spaziergang die Natur bewusst wahrnehmen, seinem eigenen Körper hellhörig gegenüber sein, mit einem inneren Lächeln mit sich selbst umgehen.

Das Gebet, besonders die stille Meditation.

Sich für andere Menschen, sich für eine gute Sache einsetzen.

Gleich am nächsten Tag begann er, alle vier Wege gleichzeitig in seinem Leben umsetzen zu wollen. Er las täglich zwei Stunden in philosophischen und theologischen Büchern. Er versuchte Menschen gut zuzuhören, er besuchte Menschen im Altenheim, er betete eine Stunde am Tag usw. Er schrieb seine Beobachtungen auf. Er überlegte auch, in welcher Zeitschrift er seine Forschungsergebnisse veröffentlichen sollte, wenn er Gott gefunden habe. Er hatte den Drang, auch dieses „Lebewesen“ in den Griff zu kriegen.

Ein Jahr lang hielt er diese Suche durch. Aber „es passiert nichts“ – so schrieb er in sein Tagebuch. Zufällig hörte er von einem Kloster in der Nähe seiner Stadt. Er suchte es auf, um mit einem der Brüder über sein Problem und seine Suche zu reden.

Ein aufschlussreiches Gespräch In dem Gespräch erzählt er ausführlich über seine Suche und seine Überlegungen. Er erzählte auch von seinem früheren Leben und seinen wissenschaftlichen Ergebnissen. Als er geendet hatte, sagte der Bruder zu ihm: „Die vier Wege zu Gott, von denen du gelesen hast und die du versuchst zu begehen, sind wahrlich gute und richtige Wege zu Gott. Aber auch wenn du äußerlich versuchst, sie zu begehen, wirst du bei keinem der Wege einen Schritt vorankommen, wenn du nicht deine innere Einstellung, deine innere Haltung veränderst.“ Der Wissenschaftler schaut den Bruder fragend an. „Als Wissenschaftler bist du es gewohnt, zu beobachten, um neues Wissen zu erreichen. Du möchtest etwas Neues besitzen, sei es neues Wissen oder ein neues Lebewesen oder etwas anderes. Du möchtest die Dinge in Griff bekommen. Reden wir Klartext: Du möchtest Macht erreichen, zum Beispiel durch Wissen. Und mit deinen Veröffentlichungen möchtest du Ansehen erreichen. Diese Ziele heben dein Selbstbewusstsein! Für naturwissenschaftliche Forschungen ist diese Haltung günstig. Aber für die Suche nach Gott ist sie komplett falsch. Wenn du an Gott glauben willst, wenn du Gott suchen willst, dann musst du eine andere innere Haltung einnehmen. Intellektuelles Nachdenken, beten, anderen Menschen helfen, achtsam sein - all das darfst du nicht für dich tun, damit du mehr weißt, damit du die Dinge mehr in den Griff bekommst, damit du von anderen Menschen gelobt wirst. Du musst es für Gott tun wollen. Wende deinen Blick weg von dir auf Gott und versuche die Haltung einzunehmen, ihn zu loben, ihm zu dienen und ihm letztlich dein ganzes Leben hinzugeben.“

Dann folgte eine Stille; der Wissenschaftler grübelte. „Wie kann man diese Haltung einnehmen?“ „Eigentlich kann diese Haltung nur von Gott selbst geschenkt werden. Ein Mensch, der wirklich ganz auf Gott ausgerichtet ist, würde nie sagen, dass er diese Haltung selbst erreicht hätte. Aber wir können diese Haltung einüben und uns regelmäßig umwenden. Zum Beispiel kannst du am Anfang eines Gebetes, einer Meditationszeit zu Gott sprechen: Diese Zeit möchte ich dir schenken. Oder wenn du jemanden im Altenheim besuchst, kannst du innerlich zu dir sagen: Diese Besuche möchte ich zur größeren Ehre Gottes machen. Du kannst auf deine Gedanken achten und überlegen, wann kreise ich in Gedanken um mich selber und wann bin ich mit meiner Aufmerksamkeit genau bei der Sache, die ich gerade tue. Und wenn du merkst, dass du zu viel in Gedanken bist, dann wende dich dem zu, was gerade ist: Der Natur, die du gerade siehst; dem Menschen, dem du gerade zuhörst; dem Namen Jesu, den du gerade meditierst.“

„Als ich 14 Jahre alt war, besuchte ich einmal meine Oma im Krankenhaus. Eigentlich passierte nichts Besonderes. Es war kein Abenteuerausflug mit ihr, kein Einkauf, bei dem ich mir etwas wünschen konnte. Viel reden konnten wir auch nicht, sie war schwach. Ich ging mit meinen Eltern hin, weil ich sie gern hatte. Ich glaube, da habe ich einfach ihr Zeit geschenkt. Und es war sinnvoll, wertvoll, ich war danach ganz erfüllt auf besondere Weise.“ „Ja genauso kannst Du es beim Jesusgebet erleben. Du schenkst Gott Zeit, du erlebst nichts Besonderes, aber du spürst: Es ist sinnvoll, weil du dir Zeit für deine Beziehung zu Gott gegönnt hast. Das ist Gott selbst suchen, statt seine Gaben haben wollen.“

Langsamer Wandel Ein weiteres Jahr setzte der Wissenschaftler sein „Lebensexperiment“ fort. Er merkte zuerst nicht deutlich, wie sich etwas veränderte. Aber plötzlich bemerkte er, dass sich seine innere Betrachtungsweise gewandelt hatte. Es konnte passieren, dass er mit großer Achtsamkeit durch die Natur ging und innerlich eine Ausrichtung auf ein Du spürte. Er konnte diesem Du keinen anderen Namen geben als Jesus Christus oder Gott. Außerdem hatte er das Gefühl, dass er dieses Du als tragende und lebendige Kraft in der Natur erspüren könne. Einmal fragte er sich, ob dies Einbildung sei. Aber dann fiel ihm ein, dass vor kurzem einige Mitarbeiter und eine gute Freundin ihm gesagt haben: „Irgendwie bist du seit ein oder zwei Monaten gelassener, freundlicher und etwas weniger von dir eingebildet.“ Da musste er lachen und sagte zu sich selbst: „Die Wahrheit oder die Einbildung, dass es Gott gibt und bei mir ist, hat mich eingebildeten Menschen verändert?! Ich scheine, ihn ein wenig gefunden zu haben…“

3. Adventssonntag: Postwachstumsgesellschaft

1 Thess 5,16-24

Löscht den Geist nicht aus! Verachtet prophetisches Reden nicht! Prüft alles, und behaltet das Gute! Meidet das Böse in jeder Gestalt! – Johannes der Täufer, er war ein solcher Prophet, der den Geist nicht ausgelöscht hat, der das böse in jeder Gestalt gemieden hat. Er wollte in einer schwierigen Zeit des Wandels seine Zuhörer wachrütteln. Sein prophetischer Geist zerstörte falsche Sicherheiten: Gott kann aus diesen Steinen Kinder Israels machen! Der Illusion eines „Immer weiter so“ machte er den Garaus!

Was sind heute unsere falschen Sicherheiten und wer traut sich heute, dem prophetischen Geist zu folgen? Ich glaube eines der wichtigsten prophetischen Diskussionen ist zurzeit die Frage, ob und wie eine Postwachstumsgesellschaft möglich sei:

Diese Diskussion verdeutlicht, dass ein „Immer weiter so“ eine Illusion ist. Die fossilen Brennstoffe werden weniger, die Ökosysteme werden immer stärker belastet und zerstört, das Klima wandelt sich.

Ebenso verdeutlicht die Diskussion, dass die Gesellschaften nach dem Zweiten Weltkrieg süchtig nach Wirtschaftswachstum geworden sind, aber sich auf Dauer diese Sucht nicht leisten können. Wie kann nun eine moderne Gesellschaft ohne Wirtschaftswachstum ausschauen? Wie kann der Übergang zu einer solchen Postwachstumsgesellschaft gestaltet werden?

Wenn Johannes der Täufer heute leben würde, ich glaube, er würde sich auch mit diesen Fragen in seinen Predigten beschäftigen. Ähnliches möchte ich von alttestamentlichen Propheten wie Amos oder Jeremias behaupten. Wenn ich also heute über die Frage nach einer Postwachstumsgesellschaft predige, dann – glaube ich – entdecke ich den prophetischen Geist von damals in der heutigen Zeit in neuem Gewande wieder. Und die katholische Soziallehre täte gut daran, diese Diskussionen mit Elan aufzugreifen. Papst Franziskus hat dafür mit seiner Enzyklika „Laudato si“ einen entscheidenden Schritt getan!

In sechs Punkten kann ich die wesentlichen Aspekte dieser prophetischen Diskussion darlegen:

Was wollen wir? Wir wollen Wohlstand und ein glückliches Leben. Klar! Das ist schnell gesagt aber schwer beschrieben. Ein glückliches Leben schaut für jeden anders aus. So kamen die Ökonomen auf eine einfache Lösung: Das Bruttoinlandsprodukt ist ein ungefährer Maßstab für den Wohlstand einer Nation. Also ein Wachstum der Wirtschaft, des Bruttoinlandsprodukts bringt mehr Wohlstand und Glück.

Nun haben aber Forschungen über Wohlstand und Glück herausgefunden, dass diese einfache Gleichung nicht stimmt. Nachdem die Forscher viele Länder verglichen haben und Analysen und Umfragen über Wohlstand und Glück in diesen Ländern angestellt haben, kamen zwei bemerkenswerte Ergebnisse heraus:

Wenn ein Land arm ist, dann bringt jede Steigerung der Wirtschaftskraft des Landes auch eine Steigerung des Wohlstands und Glücks mit sich. Hat aber das Land einen gewissen Reichtum in seiner Mittelschicht erreicht, wenn ca. 15.000$ pro Jahr pro Person im Mittel verdient wird, steigert sich die Zufriedenheit der Menschen nicht durch ein wachsendes BIP! (Bsp: Großbritannien 1957 bezeichneten sich 57 % als sehr glücklich, heute nur 36 %.) Ebenso hat sich auch nicht immer in den letzten Jahrzehnten erwiesen, dass sich der Wohlstand im weiten Sinne immer durch ein wachsendes BIP in den Industrienationen vergrößert.

Größere soziale Unterschiede in einer Nation machen unglücklicher und vermindert den allgemeinen Wohlstand, auch bei den Reicheren! Im Ländervergleich fühlen sich die Menschen zufriedener und glücklicher in den Ländern, in denen die Schere zwischen arm und reich wenig auseinandergeht.

Wenn Wirtschaftswachstum uns in den Industrienationen nicht glücklicher macht, warum halten dann trotzdem (fast) alle Politiker und Wirtschaftsbosse Wachstum für not-wendig, Not wendend? Wie sind wir süchtig geworden nach Wirtschaftswachstum?

Auf der Seite der Unternehmen haben wir eine Dynamik, die Schumpeter den Reiz des Neuen und die schöpferische Zerstörung genannt hat. Immer wieder entstehen neue Technologien und Produkte und verdrängen die bestehenden. Ein Unternehmen, das sich nicht anpasst und neues erfindet, setzt ihr Überleben aufs Spiel. Die Kreisläufe der schöpferischen Zerstörung werden immer schneller. Die Lebensdauer der Produkte nimmt rapide ab. Die Wegwerfgesellschaft ist weniger eine Folge der Gier der Verbraucher als eine strukturelle Voraussetzung fürs Überleben der Unternehmen in diesem Wirtschaftssystem. Gleichzeitig wird man immer effizienter, man kann mit immer weniger Arbeitsstunden gewisse Produkte herstellen und das treibt weiterhin das Wachstum an. Man kann immer mehr produzieren mit der gleichen Anzahl an Arbeitern.

Auf der Verbraucherseite: Selbstverständlich brauchen wir materielle Güter für unsere Bedürfnisse wie Ernährung, Obdach, Schutz, Gesundheit, Lebenserwartung, Vitalität usw. Aber was passiert, wenn wir shoppen gehen?

Wir kaufen zum Beispiel Klamotten, CDs usw. ein, die wir nicht unbedingt bräuchten. Aber nach dem Kauf fühlen wir uns besser. Wir stärken unser Selbstwertgefühl durch neue Dinge, die wir neu besitzen. Dass die Postwachstumsdiskussion nicht nur rein ökologisch und ökonomisch analysiert, sondern auch diese – ich möchte sagen – spirituelle Dimension miteinbezieht, halte ich für sehr wertvoll. Ja, es ist auch wichtig zu erkennen, dass wir auch in unserem alltäglichen Verhalten tief in der Illusion der Konsumgesellschaft stecken.

Die symbolische Funktion dieser Güter wird sogar zur Klärung existenzieller Fragen verwendet, etwa, wer wir sind und worum es im Leben geht. Materielle Güter sind zwar mangelhafte, aber trotzdem irgendwie überzeugende Stellvertreter unserer Träume und Sehnsüchte. Konsumgüter, meint der Anthropologe Grant McCracken, stellen uns eine reale Brücke zu unseren höchsten Idealen zur Verfügung. Natürlich können sie keinen echten Zugang zu diesen Idealen schaffen, aber gerade dadurch bleibt das Bedürfnis nach weiteren Brücken bestehen, wird die Lust auf weitere Güter geweckt. Die Konsumkultur erhält sich also eben dadurch am Leben, dass sie so erfolgreich versagt!

Das rastlose Begehren des leeren Selbst, das sich mit immer neuen Konsumgütern stärken möchte, ergänzt perfekt die rastlosen Innovationen des Unternehmens. Beides zusammen schaukelt sich ständig hoch, so wird Wachstum am Laufen gehalten!

Die negative Folgen sind einerseits die bekannten: Die Ökosysteme sind immer gefährdeter. Die Ressourcen an fossilen Brennstoffen, aber auch an Metallen, seltenen Erden, frischem Wasser, fruchtbarem Boden usw. sind begrenzt. Aber andererseits gefährdet das „Immer schneller“, „Immer effizienter“ auch unsere Sozialsysteme. Die Hektik wächst!Soziale Netze, wie zum Beispiel Vereine, Nachbarschaften, Kirchengemeinden usw., die auf ihre Weise Wohlstand und glückliches Leben ermöglichen, sind ebenso durch den Wachstumswahn gefährdet. Staatssysteme sind überfordert, die demokratischen Prozesse werden durch die immer schnelllebigere Finanzwelt überrollt.

Mit einer Illusion räumt diese Diskussion gnadenlos auf: Es reicht nicht auf neue Technik zu hoffen. Neue Technik kann zwar relativ den Verbrauch von Rohstoffen vermindern. Aber wenn die Wirtschaft weiter wächst, wird absolut gesehen auch der Rohstoffverbrauch steigen. Neue Techniken mildern das nur relativ ab.

Also gilt es das Unmögliche zu denken: Wie kann eine Wirtschaft und Gesellschaft jenseits der Wachstumslogik ausschauen? Immer mehr Wissenschaftler aber auch Politiker denken darüber nach: Wie kann eine Volkswirtschaft jenseits von Wachstum heutzutage funktionieren? Wie können Übergänge gestaltet werden? Wie verändert sich dann das Arbeitsleben, die Rentensysteme, die Gesundheitssysteme usw.?

Fazit: Es geht auf Dauer nicht weiter mit dem „Immer mehr!“ Das führt uns ökologisch aber auch gesellschaftlich in immer größere Krisen, das zeigen auch die Finanzkrisen der letzten Jahre. Die Diskussion um eine Postwachstumsgesellschaft möchte den Wandel nicht nur auf einer Ebene erreichen. Wie die großen Propheten der Bibel deckt sie Zusammenhänge zwischen sozialer Gerechtigkeit und persönlicher Lebenseinstellung, Achtung vor der Schöpfung und Veränderungen auf den verschiedensten Ebenen sozialen Lebens auf.

Sie belebt und aktualisiert einen alten, vielleicht verstaubten Begriff biblischer Predigt: Kehrt um! – Ja Umkehr tut Not: Abkehr vom Wachstumswahn!

Wir können das Paradies auf Erden nicht errichten, aber wir sollten alles Mögliche mit der Gnade Gottes tun, damit wir unser Glück nicht in der Droge Wachstum suchen, denn diese führt uns auf Dauer in die Zerstörung.

So ist die Postwachstumsdiskussion auch ein Zeichen dafür, dass das Reich Gottes auch heute immer wieder neu zu wachsen beginnt.

4. Adventssonntag: Mit Kindern die Weihnachtsgeschichten von Lukas und Matthäus vergleichen

Lk 1,26-38

Als ich vor Jahren eine 3. Klasse unterrichtete und der Advent nahte, stand ich vor der Frage: Wie vermittele ich den Kindern die Geschichten von der Geburt Jesu im Lukas- und Matthäusevangelium? Das Ergebnis möchte ich Ihnen nun vorstellen:

In einem ersten Schritt bekamen die Schülerinnen und Schüler acht Zettel mit acht Ereignissen aus den Geburtsgeschichten:

1. Ein Engel bringt Josef die Botschaft von der Geburt Jesu im Traum. 2. Ein Engel bringt Maria die Botschaft von der Geburt Jesu. 3. Volkszählung. 4. Jesus wird geboren. 5. Die Weisen bei Herodes. 6. Der Engel verkündet den Hirten die frohe Botschaft. 7. Die Weisen ehren Jesus. 8. Die Hirten gehen zur Krippe. Die eine Hälfte der Kinder bekam die Geburtsgeschichte nach Matthäus, die andere Hälfte der Kinder die nach Lukas. Wenn sie den Text aufmerksam lasen, merkten sie: Fünf Zettel passen zu meinem Text. Bei Lukas bringt ein Engel Maria die Botschaft von der Geburt Jesu. Die Volkszählung berichtet Lukas. Jesus wird geboren. Der Engel verkündet den Hirten die frohe Botschaft. Die Hirten gehen zur Krippe. Die anderen Zettel passen zu Matthäus: Ein Engel bringt Josef die Botschaft von der Geburt Jesu im Traum. Jesus wird geboren. Die Weisen sind bei Herodes. Die Weisen ehren Jesus.

Auf einem Plakat konnten sie die Zettel kleben und sahen zwei Erzählstränge, die sich an einer Stelle berührten: Jesus wird geboren. Ansonsten sind die Erzählungen unterschiedlich: Bei Matthäus geht der Engel zu Josef und die Weisen besuchen das Kind. Bei Lukas geht der Engel zu Maria und die Hirten besuchen das Kind.

Ich fragte dann die Schüler: Wo war nun der Engel? Manche sagten: Bei beiden. Manche meinten: Bei Maria. Diese Geschichte war ihnen bekannter. Manche kamen ins Nachdenken: Das können wir gar nicht genau wissen, weil Lukas und Matthäus verschiedenes berichten.

Dann sagte ich ihnen: Matthäus und Lukas erzählen die Geburt unterschiedlich und deswegen wissen wir nicht genau, was damals wirklich passiert ist. Aber der Sinn beider Geschichten ist gleich! Und auf den Sinn der Geschichte kommt es an. Und das möchte ich Euch nun zeigen.

Im zweiten Schritt teilte ich ihnen wieder acht Zettel aus. Diesmal waren es acht wörtliche Zitate aus den Geburtsgeschichten: Vier aus Lukas, vier aus Matthäus. Sie sollten erst einmal herausfinden: Welche der Zettel finde ich bei Lukas, welche bei Matthäus. Folgende vier Sätze fanden sie bei Lukas: Der Engel sagte zu Maria: „Fürchte dich nicht Maria, denn du hast Gnade gefunden bei Gott. Dein Sohn wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden.“ „Siehe, du wirst empfangen und einen Sohn gebären und du sollst ihm den Namen Jesus geben.“Und den Hirten sagt der Engel: „Denn heute ist euch in der Stadt Davids ein Heiland geboren, nämlich der Messias, der Herr.“ „Dies soll euch das Zeichen sein: ihr werdet ein Kind findet in Windeln eingewickelt und in einer Krippe liegend.“

Im Matthäusevangelium fanden sie: „Sie wird einen Sohn gebären, und du sollst ihm den Namen Jesus geben.“ „Man wird ihm den Namen Immanuel geben, das heißt übersetzt: Gott mit uns.“ „Und du Bethlehem, Land Judas, bist keineswegs die geringste unter den Fürstenstädten Judas, denn aus dir wird der Herrscher hervorgehen, der mein Volk Israel weiden wird.“ „Sie traten in das Haus ein und schauten das Kind mit seiner Mutter Maria.“

Dann bekamen sie folgende Aufgabe: Unterstreiche mit rot alle Sätze, die irgendwie ausdrücken, dass Jesus Christus göttlich ist.

Und unterstreiche mit grün alle Sätze, die irgendwie ausdrücken, dass Jesus Christus menschlich ist.

Schnell war das Ergebnis da! Vier Sätze konnten sie grün unterstreichen: Vier Sätze waren rot unterstrichen.

Was ist nun der Sinn beider Geschichten? Die Kinder konnten es am Ender der Stunde formulieren: Beide Evangelisten wollen ausdrücken: Jesus Christus ist sowohl göttlich als auch menschlich. Matthäus und Lukas erzählen verschieden und beide auf wunderbare Weise eine Wahrheit, die das Konzil von Chalcedon ganz kurz und mit philosophischen Begriffen so ausdrückt: Jesus Christus ist wahrer Mensch und wahrer Gott, Einheit von zwei Naturen, unvermischt und ungetrennt.

Schöner haben es die beiden Evangelisten mit ihren beiden Geburtsgeschichten formuliert. Wir sollten es Maria gleich machen, die den Engel fragte, wie das geschehen soll. Wir dürfen kritische Fragen stellen. Die Vernunft soll nicht ausgeschaltet werden. Erst dann können Herz und Verstand vereint das Wesentliche, den eigentlichen Sinn der Glaubenswahrheit erkennen und ihr zustimmen. So wie Maria Ja sagte zum Willen und zur Gnade Gottes!

Christmette

Was gehört zu einem schönen Weihnachtsabend, zu einem schönen Adventsabend? Draußen fällt der Schnee vom Himmel auf den Boden. Wir sitzen am Fenster, sehen den Schnee, diese wunderbare Art des Wassers, leicht, hell, glänzend zu Boden schweben. Und vor uns steht vielleicht eine Kerze oder wie hier eine Schale mit Kohle und Weihrauch. Ein Duft, ein Rauch steigt empor und erfüllt den Raum.

Der Schnee geht zu Boden, der Rauch steigt in den Himmel auf. Der Schnee ist kühl, der Rauch ist warm.

In dieser Szene ist geheimnisvoll die Botschaft von Weihnachten schon enthalten. Jesus Christus, der Sohn Gottes, der zur Samariterin sagte: Ich bin das Lebendige Wasser. Wer davon trinkt, hat das ewige Leben. Jesus Christus, das Lebendige Wasser kommt vom Himmel auf die Erde, um alles, alle Menschen mit neuem Leben zu beleben. Und dieses Lebendige Wasser hat seltsamerweise die Wirkung, dass es das Feuer in unserem Herzen neu entbrennt, damit unsere Liebe zu Gott neu entflamme und sich nach oben wende. Hier geschieht eine heilige Doppelbewegung: Gott kommt auf die Erde, damit wir uns zum Himmel erheben können.

Aber ist die Sache nicht noch komplizierter? Ist der Himmel wirklich oben? Es ist vielmehr so: Die Erhebung nach oben in den Himmel geschieht für uns mit Leichtigkeit, sozusagen von selbst, wenn wir vorher eine andere Bewegung vollziehen: Wir selbst müssen wie Gott erst einmal hinabsteigen.

Die Weihnachtsgeschichten von Lukas und von Matthäus sind dafür uns eine Richtschnur, wie wir das Geheimnis von Weihnachten in uns selbst erleben können. Also legen wir diese Richtschnur aus:

Die Hirten auf dem Feld schauen nach oben in den Himmel und sehen einen Engel, der ihnen verkündet, dass der Heiland der Welt geboren ist. Der Himmel selbst, die himmlischen Boten verweisen nach unten: Euer Heil, euer Heiland ist nicht hier oben im Himmel zu finden sondern ganz unten auf der tiefsten Stufe der Erde. Aber diese frohe Botschaft wird euch von hier oben vom Himmel aus verkündet.

Genauso ergeht es den drei Königen, den drei Weisen aus dem Morgenland. Sie sehen einem Stern am Himmel. Aber der Stern verweist auf einen Stall, der im Abseits steht. Wieder das Oben, der Himmel zeigt auf, dass unser Heil im Unten, auf der Erde, ja im dunklen Winkel zu finden ist.

Und was sehen die Hirten und die drei Weisen! Drei Menschen, die in der menschlichen Hierarchie an unterster Stelle stehen. Von der Herberge abgewiesen, abgeschoben in einen Stall, bei Ochs und Esel kommt der Heiland als ärmliches Kind auf die Welt. Später werden diese drei Menschen sogar verfolgt, sie müssen flüchten in ein anderes Land.

Johannes Tauler, ein großer Prediger im Mittelalter, spricht in seiner Weihnachtspredigt von den drei Geburten Jesu Christi.

Erstens der himmlische Vater gebiert seinen einzig geborenen Sohn. Aus dieser Beziehung entsteht der Heilige Geist. Das ist das Geheimnis der Dreifaltigkeit.

Zweitens Maria gebiert Jesus in Bethlehem.

Drittens "Die dritte Geburt besteht darin, dass Gott alle Tage und alle Stunden wahrhaft geistig in Gnade und Liebe geboren wird in jeder guten Seele..." Gott wird zu aller Zeit, zu jedem Augenblick neu und immer wieder neu lebendig, geboren in jedem Menschen, in meiner Seele und deiner Seele - ob wir das bewusst erspüren oder nicht. Wenn wir aber das - und sei es auch nur ganz leise - wahrnehmen, dass Gott in uns immer neu geboren wird, dann finden wir den wahren Frieden.

Wenn die Weihnachtsgeschichte von Lukas und Matthias eine Richtschnur ist auch für diese Geburt Jesu Christi in unserer Seele, dann stellt sich die Frage: Wie und wo geschieht diese Geburt Jesu Christi in uns?

Im Dunklen geboren Jesus ist nicht in einem großen Palast geboren worden. Er wurde nicht von allen Großen der Welt freudig begrüßt, als er geboren wurde. Sondern er wurde in einem Stall geboren, aus der Herberge abgewiesen und später verfolgt. Das Göttliche, Jesus Christus, der Gottessohn wird also nicht geboren in unseren großartigen Gedanken, Plänen und Wünschen; nicht in unseren großen Reden und in unseren Annehmlichkeiten. Sondern vielmehr wird er geboren in unseren dunklen Seiten, in den Bereichen unserer Person, die wir am liebsten abschieben möchten. Vielleicht ist das eine Eigenschaft, die wir gern an uns ändern würden; wo wir aber immer wieder neu erleben, dass wir versagen. Der eine kann seine Wut nicht bändigen, der andere kann sich selbst nicht organisieren, der dritte versinkt in melancholische Löcher, der vierte wird regelmäßig von Angst überwältigt, sein Leben nicht meistern zu können.

Liebe Schwestern und Brüder, glauben wir wirklich, dass Jesus Christus gerade in diesen dunklen Seiten von uns geboren wird? Wenn wir ehrlich sind, dann können wir das fast gar nicht glauben! Wir glauben doch vielmehr, dass Gott in unseren tollen Seiten geboren wird. Und dass dies nicht so ist, das gehört wirklich zum großen Geheimnis von Weihnachten. Lassen wir dieses Geheimnis tief in uns wirken und es wird uns sehr viel Trost und Freude schenken. Dann können wir mit Paulus sagen: "Viel lieber also will ich mich meiner Schwachheit rühmen, damit die Kraft Christi auf mich herabkommt; denn wenn ich schwach bin, dann bin ich stark." 1 Kor 12,9f.

Charles Dickens hat in seinem Weihnachtslied in Prosa all dies auf wunderbare Weise ausgedrückt. Somit möchte ich meine Predigt abschließen, indem ich Ihnen diese bekannte Weihnachtsgeschichte in Kurzform erzähle.

Im Mittelpunkt der Geschichte steht ein Geschäftsmann namens Scrooge. Er hat wahrlich ein Herz aus Stein. Er hat nur die Ansammlung seines eigenen Reichtums im Sinn und ist für seine Umgebung äußerst unangenehm und unfreundlich. Die Straßenjungen laufen vor ihm weg und kein Bettler wagt es, ihn um Geld zu bitten. Ein erpresserischer, blutsaugerischer, schäbiger Filz, ein raffgieriger zupackender alter Sünder war er.

Die Geschichte beginnt am 24. Dezember spät nachmittags. Wir lernen den Neffen von Scrooge kennen. Ein froher und angenehmer Mensch, der sogar seinen unsympathischen Onkel mag. Was Scrooge an diesem Tag überhaupt nicht hören kann, ist der Gruß „Fröhliche Weihnachten“! Am 25. Dezember muss er sein Geschäft schließen und kann keinen Gewinn machen! Seinen Angestellten muss er für diesen Tag bezahlen, obwohl dieser nicht für ihn arbeitet. Ja so denkt dieser harte Mann.

Da erscheint ihm einige Stunden später der Geist seines ehemaligen Partners im Geschäft Marley. Dieser war wie Scrooge ein brutaler und egoistischer Mensch. Jetzt als Geist merkt er, wie viel er in seinem Leben falsch gemacht hat. Er möchte Scrooge warnen: Beende dein Leben nicht so wie ich, sondern lass dein Herz aus Stein weich werden, damit du Wohlwollen und Erbarmen als deine Aufgabe im Leben siehst. Und er kündigt drei Geister an.

Um 12 vor Mitternacht erscheint der erste Geist: Der Geist der vergangenen Weihnachten. Dieser Geist führt den alten Scrooge zurück in seine Kindheit. Er sieht, wie er als Junge Weihnachten erleben musste. Seine Eltern feierten mit ihm kein fröhliches Weihnachten. Er fühlte sich allein und verlassen. Jahre später erlebte er ein wunderschönes fröhliches Weihnachten bei seinem Meister, bei dem er in die Lehre ging. Er war sogar in seinem Leben mit einer wundervollen Frau verlobt. Aber sie trennte sich von ihm, weil er mit der Zeit immer mehr auf sein Geschäft und seinen Reichtum fixiert war. Durch diesen Rückblick wird Scrooge die Möglichkeit gegeben, sich selber ins Gesicht zu schauen. Ja vielmehr er sieht seine Fehler, seine Enttäuschungen, seine innere Armut, sein Herz aus Stein. Auf jeweils andere Weise geschieht ihm das auch bei den zwei folgenden Geistern: der Geist der jetzigen Weihnacht und der Geist der zukünftigen Weihnachten. Er sieht auf seine Schattenseiten, auf seine dunklen Seiten, auf sein trauriges Bethlehem, auf seinen armseligen Stall. Tränen kommen ihm und Reue. Und da geschieht das Geheimnis von Weihnachten: Das Herz von Stein wird zu einem Herz aus Fleisch (um die Worte von Jesaja zu benutzen). Am Ende der Geschichte hat sich Scrooge verwandelt. Er grüßt die Menschen herzlich mit „Fröhliche Weihnachten“. Er gibt dem Bettler Geld, ist freundlich zu seinem Angestellten und freut sich mit seinem Neffen.

Wenn wir nun Gottesdienst feiern, dann lasst uns darum beten, dass dieses Geheimnis von Weihnachten uns bewusst werde und uns verwandle!

1. Weihnachtsfeiertag: Die frohe Botschaft, dass Jesus der Logos ist.

Joh 1,1-18

„Und das Wort, der Logos, ist Fleisch geworden.“ In Jesus offenbart sich das göttliche Wort, der Logos! Nur im Johannesprolog wird so direkt Jesus Christus als Logos bezeichnet. Aber trotzdem wurde „das Wort“ ein äußerst wichtiger Begriff, um das Geheimnis der Menschwerdung Gottes zu verstehen.

Wir können vielleicht nicht so viel mit dem Begriff „Wort“, „Logos“ anfangen. Damals zur Zeit der Evangelisten war das anders. Denn unter „Logos“ konnten sich sowohl die Griechen als auch die Juden etwas vorstellen.

Logos bei den Griechen und Juden

Bei den Griechen war der Logos das universale Gesetz der Welt. Der Begriff „Logos“ drückt aus: Die Welt ist sinnvoll, weil in allem der Logos, sozusagen eine gewisse göttliche Weltvernunft herrscht.

Im Judentum dachte man bei dem Begriff „Logos“ an die Schöpfung und an die Weisheit. Gott sprach und es wurde. Gottes Wort ist schöpferisch! In der weiteren Entwicklung wurden die göttliche Weisheit und der Logos gleichgesetzt und quasi als göttliche Person verstanden. Gottes Wort kann gehört werden oder auch abgelehnt werden. Mose hat Gottes Wort gehört und weiter gegeben. Die Propheten müssen anklagen, weil viele das Wort Gottes ablehnen.

Die frohe Botschaft, dass Jesus der Logos ist!

Mit diesem Vorwissen verkündet nun der Hymnus am Anfang des Johannesevangeliums auf seine Weise die frohe Botschaft von Weihnachten: Jesus Christus ist der Logos, die göttliche Weisheit, die Weltvernunft. Jesus ist in allem, was er tut und ist, Offenbarer des Vaters.

Diese frohe Botschaft des Johannesprologs möchte ich nun in acht Aussagen entfalten:

Das Wort ist vor der Schöpfung. Das Wort ist göttlich, nicht geschaffen, und kommt vom Vater! So verstand das Judentum auch die göttliche Weisheit.

Durch das Wort wurde die Schöpfung. Damit ist alles in der Schöpfung vom Logos durchdrungen. Die Griechen waren gleichermaßen wie die Christen überzeugt: in der Welt herrscht der Logos.

„Das Licht leuchtet in der Finsternis“. Das ist der Samen des Logos in jedem Menschen, der zum Logos Jesus Christus treibt. Alles, was im Keim beim Menschen an Gutem angelegt ist, kommt vom Logos, der in jedem Menschen ist. Der gute Keim in jedem Menschen ist Christus-Ähnlich und strebt letztlich zu ihm.

„Das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gezeltet“: Gott geht völlig ein in die Welt. Wie ein Nomade, der sein Zelt aufschlägt: so ist Gott mit uns, bei uns und geht mit uns durch die Geschichte. Er lässt sich auf unser Auf und Ab, auf unsere Schwachheit und Zerrissenheit ein.

Erlösung geschieht, weil uns Gott seine Liebe zeigt: In einer Übersetzung heißt es: „Aus seiner Fülle haben wir alle empfangen, vor allem Liebe, die auf seine Liebe antwortet.“ Ja das kennen wir: Wer erlebt, dass er wirklich geliebt wird, der fühlt sich angenommen. Das gilt zwischen Menschen und noch mehr für Gottes Liebe. Wer Gottes Liebe wirklich merkt, der spürt: Ich bin nicht mehr getrennt. In der göttlichen Liebe können Wunden heilen, geschieht Erlösung, kann ich Liebe weiter geben.

Herrlichkeit meint: Jesus offenbart den Vater und seine Liebe.

Gnade bedeutet: Gott nähert sich von selbst aus den Menschen. Er macht aus freien Stücken den ersten Schritt auf die Menschen zu und wird Mensch.