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Dieses Buch enthält folgende Western: Ray Forrester: Rache am Fluss Alfred Bekker: Entscheidung am Salt Lake Alfred Bekker: Dunkler Prediger Alfred Bekker: Die Wahl des Bürgermeisters Alfred Bekker: Der Goldgräber Alfred Bekker: Der Regenmacher Alfred Bekker: Der späte Sieg des roten Mannes Alfred Bekker: Das heiße Spiel von Dorothy Ernest Haycox: Wild genug Ernest Haycox: Wenn du den Stern trägst Ernest Haycox: Nachricht an den General George Owen Baxter: Sein Kampf um Gnade Frank Maddox: Grainger und die Apachenrache Alfred Bekker: Das heiße Spiel von Dorothy G.A.Henty: Rothaut und Cowboy Jack Raymond: Der Goldsucher von Santamira Frank Maddox: Grainger und die schöne Indianerin Frank Maddox: Grainger und das Duell im Saloon Frank Maddox: Grainger und der dunkle Revolverheld Frank Maddox: Grainger und der Samurai Frank Maddox: Marshal McKee kommt nach Dead End Frank Maddox: Der Mann mit der Pistole Jack Raymond: Giant Kid Neal Chadwick: Rache in Dodge City: Western "Du spielst falsch, Hombre!" Der Blick des Einäugigen war eisig. Noch hatte er die Rechte auf dem Tisch und nicht am tiefgeschnallten Revolverholster. Rechts und links von ihm saßen zwei seiner Kumpane, mit denen zusammen er am Mittag aus der Postkutsche gestiegen war. Sie trugen - ebenso wie der Einäugige - dunkle, etwas abgeschabte Anzüge. Und Revolver. Gunslinger waren sie, Männer die sich für ein paar Dollars von jedem anheuern ließen, der bereit war, für ihre Dienste zu bezahlen. Der Einäugige warf die Karten auf den Tisch. Er spuckte geräuschvoll aus. Der vierte Mann in der Spielrunde erbleichte. Es handelte sich um Saul Jackson, einen einfachen Cowboy aus der Gegend. Jackson kniff die Augen zusammen. "Ich habe nicht falsch gespielt!", behauptete er. "Doch, du hast!", widersprach der Einäugige. Seine Stimme klirrte wie Eis. Am Schanktisch von Eddie Camerons Saloon stand ein weiterer Mann, der mit dem Einäugigen aus der Postkutsche gestiegen war. Er trug einen mehrfach geflickten Anzug. Unter der Jacke sah man die Griffe seiner beiden Colts, die nach vorn zeigten. Seine Shotgun hatte er auf den Schanktisch gelegt. Jetzt nahm er sie an sich, lud sie demonstrativ durch.
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Seitenzahl: 1554
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Copyright
Rache am Fluss
Entscheidung am Salt Lake
Dunkler Prediger
Die Wahl des Bürgermeisters
Der Goldgräber
Der Regenmacher
Der späte Sieg des Roten Mannes
Das heiße Spiel von Dorothy
Wild genug
Wenn du den Stern trägst
Nachricht an den General
Sein Kampf um Gnade
Grainger und die Apachenrache: Western
Das heiße Spiel von Dorothy
Rothaut und Cowboy
Der Goldsucher von Santamira: Western
Grainger und die schöne Indianerin
Grainger und das Duell im Saloon
Grainger und der dunkle Revolverheld
Grainger und der Samurai: Western
Marshal McKee kommt nach Dead End
Der Mann mit der Pistole
Giant Kid
Rache in Dodge City: Western
Titelseite
Cover
Inhaltsverzeichnis
Buchanfang
Dieses Buch enthält folgende Western:
Ray Forrester: Rache am Fluss
Alfred Bekker: Entscheidung am Salt Lake
Alfred Bekker: Dunkler Prediger
Alfred Bekker: Die Wahl des Bürgermeisters
Alfred Bekker: Der Goldgräber
Alfred Bekker: Der Regenmacher
Alfred Bekker: Der späte Sieg des roten Mannes
Alfred Bekker: Das heiße Spiel von Dorothy
Ernest Haycox: Wild genug
Ernest Haycox: Wenn du den Stern trägst
Ernest Haycox: Nachricht an den General
George Owen Baxter: Sein Kampf um Gnade
Frank Maddox: Grainger und die Apachenrache
Alfred Bekker: Das heiße Spiel von Dorothy
G.A.Henty: Rothaut und Cowboy
Jack Raymond: Der Goldsucher von Santamira
Frank Maddox: Grainger und die schöne Indianerin
Frank Maddox: Grainger und das Duell im Saloon
Frank Maddox: Grainger und der dunkle Revolverheld
Frank Maddox: Grainger und der Samurai
Frank Maddox: Marshal McKee kommt nach Dead End
Frank Maddox: Der Mann mit der Pistole
Jack Raymond: Giant Kid
Neal Chadwick: Rache in Dodge City: Western
"Du spielst falsch, Hombre!"
Der Blick des Einäugigen war eisig. Noch hatte er die Rechte auf dem Tisch und nicht am tiefgeschnallten Revolverholster.
Rechts und links von ihm saßen zwei seiner Kumpane, mit denen zusammen er am Mittag aus der Postkutsche gestiegen war. Sie trugen - ebenso wie der Einäugige - dunkle, etwas abgeschabte Anzüge. Und Revolver. Gunslinger waren sie, Männer die sich für ein paar Dollars von jedem anheuern ließen, der bereit war, für ihre Dienste zu bezahlen.
Der Einäugige warf die Karten auf den Tisch.
Er spuckte geräuschvoll aus.
Der vierte Mann in der Spielrunde erbleichte.
Es handelte sich um Saul Jackson, einen einfachen Cowboy aus der Gegend. Jackson kniff die Augen zusammen.
"Ich habe nicht falsch gespielt!", behauptete er.
"Doch, du hast!", widersprach der Einäugige.
Seine Stimme klirrte wie Eis.
Am Schanktisch von Eddie Camerons Saloon stand ein weiterer Mann, der mit dem Einäugigen aus der Postkutsche gestiegen war. Er trug einen mehrfach geflickten Anzug. Unter der Jacke sah man die Griffe seiner beiden Colts, die nach vorn zeigten. Seine Shotgun hatte er auf den Schanktisch gelegt.
Jetzt nahm er sie an sich, lud sie demonstrativ durch.
Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von
Alfred Bekker
© Roman by Author
COVER A.PANADERO
© dieser Ausgabe 2025 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen
Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.
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von RAY FORRESTER
RACHE AM FLUSS – Ein packender Westernroman von Ray Forrester
Als Cole Brennan alles verliert – seine Familie, sein Zuhause, sein Wasser –, bleibt ihm nur eines: Rache. Im heißen Staub der Prärie kämpft er gegen Horace Pike, den mächtigen Wasserbaron, und dessen skrupellose Handlanger. Doch Cole ist nicht allein. Mit Mut, Verbündeten und dem Willen, für Gerechtigkeit zu kämpfen, stellt er sich der Übermacht.
„Rache am Fluss“ ist ein fesselnder Western über Verlust, Hoffnung und den Kampf um das Kostbarste: Wasser. Authentische Charaktere, starke Frauen, dramatische Schießereien und die raue Schönheit des Wilden Westens machen diesen Roman zu einem unvergesslichen Leseerlebnis.
Für Fans von klassischen Western, spannenden Konflikten und bewegenden Geschichten über Gemeinschaft und Widerstand.
Es begann in einer Stunde, in der der Himmel wie flüssiges Metall über den Hügeln hing und die Hitze der Prärie selbst den Atem schwer machte. Für Cole Brennan gab es danach kein Vorher mehr und kein Nachher – nur den Schnitt in seiner Zeit, der die Welt für immer in ein Davor und ein Danach riss. Er hörte die Schüsse, roch den Rauch, schmeckte den Staub und die Bitterkeit. Er hörte das Kreischen eines Mannes, das Lachen anderer, eine Stimme, die jemanden “Halt!” schreien ließ – und er hörte Noras Ruf, hell und Angst erfüllt. In dieser Stunde verlor Cole Brennan alles, was ihn zu einem guten Menschen gemacht hatte, und etwas Kaltes, Hartes trat an diese Stelle.
1
Erik Caldwell saß im Sattel, als hätte man ihn an den Lederriemen festgenagelt. Sein Mund sah aus, als läge darin immerzu ein Stück Eisen. Neben ihm hielten acht Männer ihre Pferde in der flirrenden Hitze unter Kontrolle; sie trugen die Gesichter von Männern, die sich an Gewalt gewöhnt hatten wie andere an Brot. Caldwell hob die Hand, und die Reiter stoppten wie an einem unsichtbaren Zügel.
Er blickte hinunter auf das kleine Tal. Ein Haus aus grob behauenen Stämmen, ein Schuppen, ein paar Bäume, die es dank des Quellwassers hier überhaupt wagten zu wachsen – und ein Streifen grüner Alfalfa zwischen dem strohgelben Gras. Auf der Weide stand eine kleine Herde von Schafen, und ein zierliches Mädchen in einem blauen Kleid lief hinter einem Hund her, der freudig bellte. Eine Frau beugte sich über einen Bottich, aus dem Dampf aufstieg; sie hob den Kopf und schirmte die Augen mit der Hand.
Caldwell grinste, ohne dass Wärme in diesem Grinsen lag. Sein blasses Narbe-über-der-Wange-Gesicht spannte sich, die hellen Augen hatten den kalten Glanz geschliffenen Glases.
„Jetzt ist Schluss mit der Freundlichkeit“, sagte er leise, so dass nur die Männer um ihn herum es hören konnten. „Wir haben ihm dreimal gesagt, er soll die Leitungen von der Quelle wieder aufmachen. Pike will fließendes Wasser in die Stadt runter, nicht in den Napf von einem dahergelaufenen Schafmann.“
„Er ist ein Rechthaber“, knurrte einer der Männer, der eine Schrotflinte über dem Sattelknauf liegen hatte. „So einer versteht keine Worte.“
„Dann lasst ihn Schüsse verstehen“, sagte Caldwell.
Er trug ein sauberes Hemd und darüber eine Weste, an deren Kante man die Mitte eines goldenen Uhrenkettchens sah. Es passte nicht in diese Szene, und vielleicht war es das, was ihn so verächtlich wirken ließ.
„Erik“, sagte ein anderer Mann zögerlich. „Seine Frau – das …“
Caldwell drehte den Kopf nur ein wenig, doch das genügte. „Wir machen, wozu wir gekommen sind. Pike hat sein Wort gegeben. Wer sich ihm in den Weg stellt, sowieso, wer Wasser stiehlt, noch mehr, der wird … korrigiert.“
Er hob erneut die Hand. „Ihr wisst, was zu tun ist.“
2
Nora Brennan rieb die Hände im heißen Wasser ab, bis sie rot wurden, wischte sich die kupferroten Haare aus der Stirn und blickte über den Hof. Sie sah Lila, ihre Tochter, die mit dem Hund an den Ziegen vorbeilief, und ihr Herz machte einen schnellen Schlag. Es war eines dieser Tage, an denen das Licht so hart vom Himmel kam, dass man glaubte, es könnte Dinge zerschneiden.
Sie hörte zuerst das dumpfe Dröhnen. Dann sah sie die Reiter, die sich wie eine schwarze Perlenkette über die Hügelkante schoben. Ihr Atem stockte. Cole war nicht da. Er war in die Stadt geritten, um Nägel zu kaufen, Salz, etwas Kaffee. Er hatte gesagt: „Ich bin vor Mittag zurück.“
Nora wusste, wer der Mann war, der vorne ritt. Sie hatte ihn einmal gesehen, auf der anderen Seite der Straße, als ein Karren stecken geblieben war und die Männer von Pike das Seil genommen und den Wagen weggezogen hatten, als gehöre er ihnen. Erik Caldwell, Vorarbeiter von Horace Pike, der den halben County besaß, die Bahnstation, den Sägeplatz und das Wasser.
„Lila!“, rief Nora. „Ins Haus!“ Ihre Stimme war scharf und hoch vor Angst, und Lila hielt inne, sah zu ihr und dann zu den Reitern. „Ma?“
„Ins Haus, Liebling. Schnell!“
Lila rannte los, der Hund neben ihr, bleckende Zähne, die Ohren angelegt. Nora warf das Tuch beiseite und packte die Winchester, die an zwei Nägeln über der Tür hing. Ihre Hände waren nass, und sie wischte sie an der Schürze ab, während ihr Herz wie ein aufgescheuchtes Tier in ihrer Brust sprang.
Die Klinke gab nach, sie stieß Lila ins Innere, schob den Riegel vor und presste den Rücken gegen die Tür. Ihre Finger fanden ohne hinzusehen die Patronen, schoben sie in das Magazin, eine nach der anderen, eingerastet im routinierten Bewegungsablauf. Cole hatte ihr gezeigt, wie man die Waffe hält, wie man atmet.
Draußen bremsten die Pferde. Hufe scharrten im Staub. Eine Stimme, ruhig, fast gelangweilt: „Brennan!“
Nora trat ans Fenster, der Lauf der Winchester war eine dunkle Linie im Sonnenlicht. „Mein Mann ist nicht da“, rief sie.
Caldwell verzog den Mund zu einem Ausdruck, der vielleicht ein Lächeln sein sollte. „Dann dürfen Sie ihm was ausrichten: Das Wasser, das oben aus der Quelle zu Ihnen rüberläuft – die Zuleitungen werden heute geöffnet. Für die Stadt. Für die Bahn. Sie bekommen Ihren Anteil, wenn Pike ihn für richtig hält.“
„Die Quelle gehört niemandem“, rief Nora zurück. „Sie entspringt hinter unserem Zaun. Es ist unser Wasser.“
Ein leises Murmeln ging durch die Männer. Caldwell hob die Hand. „Das ist eine Ansicht. Pikes Ansicht ist eine andere. Und seine Ansicht hat Männer wie uns. Also … öffnen.“
„Nein.“
Die Stille war eine gespannte Saite. Irgendwo zirpte eine Grille, hartnäckig, als wüsste sie nicht, was Menschen sich antaten.
„Ich hab’ ihm das gesagt“, murmelte der Mann mit der Schrotflinte. „Sie ist genauso.“
„Letzte Chance“, sagte Caldwell.
Nora spürte, wie ihr die Kehle trocken wurde. In ihrer Brust war eine Angst, die nach oben drängte, doch sie drückte sie hinunter wie etwas Heißes. „Verschwindet.“
Caldwell seufzte. „Gut.“ Er nickte kaum merklich.
3
Schüsse brachen wie Peitschenhiebe durch den Nachmittag. Holz splitterte. Das dünne Glas im Fenster sprang, ein Stern, dann fiel es in kleinen Scherben. Nora duckte sich instinktiv, zog Lila in die Ecke hinter den schweren Schrank, dessen Rückwand kalt und rau war. „Leg dich hin“, flüsterte sie. „Nicht bewegen. Nicht, solange ich es nicht sage.“
„Ma …“
„Psst.“
Sisaltau knirschte, als die Männer draußen die Pforte aufrissen. Ein Pferd wieherte, und jemand fluchte. Nora legte die Wange an das kühle Holz des Fensterrahmens. Ihr Blick fand die Schulter eines Mannes, dann den schwarzen Hals eines Pferdes. Sie drückte ab. Er fiel aus dem Sattel, als wäre ihm die Luft aus dem Körper geschnitten worden. Ein zweiter schrie, sank auf die Knie. Nora bewegte die Waffe, suchte, atmete, spürte die Wärme des Holzes unter der Hand, das metallische Gewicht. Sie drückte erneut. Das Klicken sagte ihr, dass das Magazin leer war. Sie schob nach, Hände schnell, beinahe ruhig.
Dann prasselte Blei gegen die Wände. Holz saugte die Kugeln, als wäre es Wasser. Nora fühlte das Brennen in der Seite, wo etwas Heißes sie getroffen hatte. Sie schnappte nach Luft. Ein zweiter Schmerz, irgendwo in der Oberarmmuskulatur, ließ sie taumeln. Sie biss die Zähne zusammen, spürte die Wärme ihres eigenen Blutes an der Hüfte.
„Ma!“, Lila schrie es, und der Ton schnitt durch Nora wie ein Messer.
„Nicht bewegen“, keuchte Nora. „Nicht.“ Ihre Hände suchten die Winchester. Ein dritter Schlag traf sie, irgendwo im Rücken, und die Welt glitt in eine dunkle Suppe. Sie hörte Schritte, polternd auf dem Bretterboden. Eine Stimme, nah, mit einem scharfkantigen Ton: „Hol sie raus. Löscht das Haus nicht. Sie sollen sehen, was eine Entscheidung wert ist.“
Es roch jetzt nach Rauch. Irgendjemand lachte, kurz, hart.
Nora versuchte, sich aufzurichten. Die Welt war ein schief stehender Raum, über dem die Hitze schwankte. Sie sah Lila nicht mehr. „Kind …“, murmelte sie. Dann war da nur noch Schwarz.
4
Cole Brennan hatte die Schüsse gehört, noch bevor der erste Rauchfaden über dem Hügel auftauchte. Er ließ die Zügel des Packpferdes fallen, gab seinem Fuchs die Sporen und flog förmlich über das silbrig gelbe Gras. Der Wind peitschte ihm die Augen, und er sah kaum etwas, nur noch den dünnen, dunklen Strich vor sich, der anschwoll, dichter wurde.
Das Tor stand offen, schief. Der Hund lag tot am Brunnenrand, der Hals in einem seltsamen Winkel. Der Schuppen … Flammen leckten an den Brettern, an den Sparren. Das Wohnhaus war noch nicht in Vollbrand, doch Rauch kroch bereits aus den Fenstern, als wäre er lebendig.
Cole sprang aus dem Sattel, fühlte die Erde unter seinen Stiefeln, heiß und trocken. „Nora!“ Seine Stimme brach. „Lila!“ Er rannte zur Tür, stieß sie auf. Etwas Hartes schlug gegen seine Rippen; die Wucht ließ ihm den Atem aussetzen. Ein zweiter Schlag traf ihn in die Schulter, und er spürte, wie ihm die Beine nachgaben. Er sah die Gesichter, zum Teil verhüllt vom Rauch, der eine mit einer Narbe, helle Augen – Caldwell – und andere, verschwommen.
„Zu spät“, sagte Caldwell. „Er hat Mut. Leg ihn um.“
Cole griff nach seiner Waffe, aber seine Hand gehorchte ihm nicht schnell genug. Er spürte nur, wie ihn der Boden aufnahm wie kaltes Wasser. Gesichter. Ein Schuss. Ein brennender Schmerz in der Seite. Dann lag er auf dem Rücken und sah in den blassen Streifen Himmel zwischen den Balken. Ein Gesicht beugte sich über ihn, Haarsträhnen, helle Augen, die ihn aus der Entfernung ansahen.
„Er spart uns die Mühe“, sagte jemand. „Er verblutet.“
„Los“, sagte Caldwell. „Wir haben zu tun.“
Ihre Schritte entfernten sich. Ein heiseres Gelächter verlor sich, then war da nur noch das Knistern. Cole hob die Hand, legte sie auf die Wunde, drückte, spürte die Wärme. Der Geruch von Rauch kroch in seine Kehle, und er hustete trocken. Die Welt zog sich zusammen, wurde ein Loch, in dem er fiel. Dann hörte er die Stimme wieder. Sie kam von innen, aus der Erinnerung, und war die Art Stimme, die in einem Mann bleibt.
„Cole …“
Nora.
5
Er kam zu sich, weil Hitze ihn umarmte. Der Qualm war wie eine Decke. Hölzerne Stimmen knackten, und etwas Schweres krachte hinter ihm in sich zusammen. Cole kroch. Er wusste nicht, wohin, nur weg von der Hitze. „Lila …“, murmelte er, und das Wort schmeckte wie Blut.
Die Tür war offen. Er sah die Wiese, die sich drehte. Ein Balken fiel, die Luft brüllte, und er rollte zur Seite, spürte das Brennen über den Rücken fahren. Die Welt war voll von Licht und Schatten, und er dachte, dass er sehr weit zu gehen habe, obwohl es nur ein paar Schritte waren.
Er nahm die Klinke der Tür. Sie war heiß; seine Finger brannten. Er trat hinaus. Die Sonne stand ohne Erbarmen. Er sank auf die Knie. Er wollte aufstehen, aber seine Beine waren aus Blei. Er sah die Holzstapel, den Brunnen. Den Hund. Eine kleine Hand lag dort, halb unter einem Stück Holz verborgen. Er kroch hin.
Seine Finger zitterten, als er das Holz hob. Er wusste, was er finden würde. Er wusste es und trotzdem … Er sah das Gesicht. Es war nicht mehr ganz das Gesicht seiner Tochter. Der Rauch hatte es grau gemacht. Er nahm Lila in die Arme, und irgendetwas in ihm riss dabei ein zweites Mal.
Er hielt sie, bis sein Körper nicht mehr wusste, ob er noch atmete. Er legte sie hin, ganz ruhig, als hätte er Angst, sie zu wecken. Dann stand er auf, weil man stehen muss, wenn man die Welt nicht in sich hineinfallen lassen will.
Er sah Nora im inneren Türrahmen. Sie lag auf der Seite, das Haar hatte sich gelöst und war voll von Staub. In ihrem Rücken war ein dunkler Fleck, der größer geworden war und nun in der Hitze beinahe schwarz wirkte. Ihre Augen waren offen, und er kniete sich hin und legte die Finger auf ihre Lider. Er wollte die Welt so nicht sehen. Nicht mit diesen Augen. Er schloss sie. Seine Hände waren rußig und blutig, und der Abdruck blieb auf ihrer Stirn wie ein Zeichen.
Er blieb eine Weile so, und niemand hätte sagen können, wie lange. Dann hob er den Blick, sah das Wasser im Trog glitzern wie blankes Metall und dachte an Pikes Männer, an Caldwell. Der Schmerz war da, noch immer, aber er machte Platz für etwas, das tiefer ging. Etwas Kaltes. Etwas, das nicht brannte, sondern schnitt.
6
Er band das Hemd über der Wunde fest, so gut es ging. Der Stoff war dunkel vor Blut. Er sah sein Pferd, das noch immer angebunden stand, das weiße Auge, das die Lidkante säumte, wie Schaum. Er streichelte ihm den Schopf, fühlte das Zittern unter der Haut. „Gut so, alter Junge“, murmelte er. Seine Stimme klang fremd.
Er musste weg. Nicht, weil er fliehen wollte, sondern weil er, wenn er blieb, in den Boden einging und dort zu Staub wurde, wie all das andere. Er hob Lila, legte sie neben den Brunnen unter den Schatten des letzten lebenden Baums. Er deckte sie zu, so gut er konnte, mit der Pferdedecke, die er aus dem Schuppen gerissen hatte. Für Nora machte er ein Kreuz aus zwei Latten. Er hatte keine Kraft mehr, aber er tat, was getan werden musste, denn das gibt einem Mann Halt.
Dann stieg er in den Sattel. Ein brennender Riss fuhr ihm durch die Seite. Er hielt sich fest, bis der erste Schmerz abgeebbt war. Er ritt. Er wusste nicht, wohin zunächst, nur weg von hier, hinaus in die trockene Luft, die ihm wie Glas in der Kehle schnitt.
7
Jenseits der Kuppe, wo der Boden sich senkte und eine kleine Senke ein paar Schatten bot, stand ein Mädchen, kaum zehn Jahre alt, mit einem Bündel dürrem Holz im Arm. Daneben eine Frau, die einen Eimer Wasser trug, den sie anhob, als sie das Blut an Coles Hemd sah.
„Halt!“, rief die Frau, ihre Stimme war kurz, knapp. „Wer sind Sie?“
„Cole Brennan“, sagte er und blieb gerade noch im Sattel, bevor er langsam zur Seite glitt. Er fiel halb, halb stieg er ab, und die Erde kam ihm ein wenig entgegen. Die Frau war bei ihm, kniete neben ihm, stellte den Eimer ab. Ihre Hände waren kräftig, rissig. Sie rochen nach Seife und Holz.
„Ich kenne den Namen“, sagte sie leise. „Ich bin Mae Randle. Das hier ist meine Tochter Hattie. Was ist passiert?“
„Caldwell“, sagte er. Er spürte, wie die Luft schwer wurde. „Erik Caldwell. Für Pike. Wasser …“ Seine Worte erloschen, als wären sie Funken.
„Hattie, hilf mir“, sagte die Frau. Gemeinsam zogen sie ihn in den Schatten, in das flache, niedrige Haus, dessen Tür offenstand. Sie warfen seine Stiefel ab, schnitten das Hemd mit der Schere auf, und Cole stöhnte auf, als die kühle Luft die Wunde traf.
„Er hat Glück“, murmelte Mae. „Die Schulter ist durch. Die Seite …“ Sie beugte sich näher, roch nach Thymian und Schweiß. „Wenn das nicht entzündet ist, lebt er. Hattie, hol den Schnaps. Und das saubere Leinen.“
Das Mädchen lief, barfuß, und kehrte mit einer Flasche zurück, die nach Apfel roch. Mae tränkte einen Lappen und presste ihn gegen die Wunde. Cole sog die Luft scharf ein. Er griff nach der Kante der Pritsche, an die sie ihn gelegt hatten. Er sah die Decke, rau und mit einem gestickten Rand. Jemand hatte sich Mühe gegeben. Menschen gaben sich Mühe, selbst wenn die Welt draussen ihnen alles nahm.
„Wer ist Caldwell?“, fragte Mae, ohne aufzusehen.
„Pikes Mann.“
„Pike ist das Gesetz in Ashe County“, sagte sie, und das klang, als schmecke ihr das Wort schlecht. „Er macht die Regeln. Er bricht sie, wenn er es will. Er kauft den Sheriff, den Richter, die Bahn. Alles Wasser läuft durch seine Hände.“
„Nicht alles“, murmelte Cole. „Nicht mehr.“
Er schloss die Augen.
8
Die Nacht kam schwer und früh. Cole glitt darin ein und aus. Er sah manchmal den Schatten eines Baums, einen Hut, der an einem Nagel hing, einen Zinnbecher, der auf einem Brett stand. Er hörte Mae flüstern, hörte Hattie atmen, regelmäßig, wie das Schnauben eines kleinen Pferds. Einmal wachte er von einem Schrei in ihm auf, und er wusste, dass er selbst es gewesen war. Er presste die Fäuste gegen die Augen, bis er Sterne sah, und dann rollte er sich auf die Seite, so weit er konnte.
„Trinken“, sagte Mae. Sie hielt ihm einen Becher an die Lippen, und der Schnaps brannte. „Sie haben Fieber, Mr. Brennan. Aber Sie sind zäh.“
„Ich habe alles verloren“, sagte er. „Das macht einen Mann zäh.“
„Oder bricht ihn“, sagte Mae einfach.
9
Am Morgen war die Luft kühler. Cole richtete sich auf, langsam, und spürte, dass der Schmerz nicht mehr das einzige war, was in ihm war. Etwas anderes war da, leise, unermüdlich. Mae saß am Tisch und schnitt Brot. Sie sah auf, sah sein Gesicht, und legte das Messer hin.
„Sie bleiben, bis Sie stehen können“, sagte sie, bevor er etwas sagen konnte.
„Ich habe keine Zeit“, erwiderte er, und seine Stimme sah hörte härter an, als er beabsichtigt hatte.
„Zeit wohin, Mr. Brennan?“, fragte sie ruhig. „Caldwell läuft Ihnen nicht davon. Pike sitzt in seinem Backsteinhaus in der Stadt. Sie laufen ihm in die Arme, wenn Sie aufstehen, bevor Sie laufen können.“
Cole schwieg. Hattie kam herein, trug Wasser, und bunte Fetzen hingen an ihrem Arm wie Federn. Sie blieb stehen und sah ihn an. Ihre Augen waren offen, blau, und Cole senkte die seinen. Er spürte etwas in sich, das er nicht haben wollte. Er schluckte. „Danke“, sagte er.
„Der Doc kommt mittags vorbei“, sagte Mae. „Er ist ein anständiger Mann, solange Pike nicht hinschaut.“
10
Der Doc hieß Ezra Holt. Er war mager, sein Haar grau, und seine Hände zitterten nicht. Er musterte Cole, hob die Lappen an, die Mae festgebunden hatte, nickte, brummte etwas in seinen Bart.
„Wie fühlen Sie sich?“, fragte er.
„Als ob mich ein Wagen überfahren hätte und dann noch mal zurückgekommen wäre, um zu sehen, ob ich’s bin“, sagte Cole.
Holt lächelte schwach. „Ein gesundes Gefühl. Sie haben Blut verloren, aber ich denke, Sie leben. Die Schulter ist sauber durch, die Seitenwunde war unsauber, aber Mae hat sie ordentlich gereinigt. Sie sollten ihr dafür ein halbes Rind geben.“
„Ich habe keine Rinder mehr“, sagte Cole. „Ich habe gar nichts mehr.“
„Dann geben Sie ihr das, was Sie haben: Zeit, Arbeit. Und …“ Holt sah ihm in die Augen. „Rechnen Sie damit, dass Pike nicht aufgibt. Das Wasser ist alles, Mr. Brennan. Wer das Wasser hat, hat die Macht. Sie haben ihm gezeigt, dass man ihm etwas nehmen kann. Er wird sich das nicht merken wollen. Er wird Sie vernichten wollen. Sie sollten sich überlegen, ob Sie …“
„Weggehen?“, fragte Cole. „Nein.“
Holt nickte, als hätte er nichts anderes erwartet. „Dann leben Sie lang genug, um es zu versuchen.“
11
Nachmittags, als die Sonne wieder brannte und die Luft stand, setzte sich Cole auf und ließ die Beine über die Bettkante hängen. Mae stand in der Tür und stützte die Hände in die Hüften. „Sie bleiben liegen“, sagte sie.
Er hielt ihrem Blick stand. „Ich kann still liegen, wenn die Arbeit getan ist. Aber es gibt Dinge, die nicht warten. Caldwell hat nicht nur mein Haus verbrannt. Er hat piesacken wollen, uns – mich – in die Knie zwingen, damit ich Pike das Wasser gebe. Das Wasser entspringt in meinem Boden, Mae.“
„In Pikes Welt gibt es kein ‚mein‘, wenn er es anders will.“
„Ich will es anders.“
Sie nickte langsam. „Dann lernen Sie, zu schießen, wenn Sie liegen. Trainieren Sie die linke Hand. Ihre rechte ist die Schulter. Nutzen Sie die Zeit. Und wenn Sie gehen, gehen Sie nicht allein. Die Männer, die Pike verfolgt haben, leben nicht lange, wenn sie es allein tun.“
„Woher wissen Sie …?“
„Ich war verheiratet mit einem Mann, der dachte, die Welt sei eine Rechnung, die man mit der Faust bezahlt“, sagte sie. „Er gibt sie nicht mehr aus.“
Hattie stickte still an einem Stück Stoff, der an der Wand hing: Ein Haus, ein Baum, ein Bach. Ihre Nadel ging ein und aus, und ihr Gesicht war ernst.
12
Cole trainierte. Er hob den Revolver mit der linken Hand an und ließ ihn fallen, hob ihn wieder an, bis der Muskel brannte. Er stand auf, fiel hin, stand wieder auf. Er füllte das Magazin der Winchester und leerte es in eine Reihe von Holzklötzen, die Hattie in den Staub gestellt hatte: eine Flasche, ein alter Zinnbecher, eine Schachtel, auf der „Hirschhorn“ stand. Der Schweiß lief ihm in die Augen, und die Sonne machte Punkte auf seinem Sehfeld. Er machte weiter.
Mae sah ihm zu, sagte nichts. Manchmal reichte sie ihm Wasser, manchmal nur einen Blick. Der Blick sagte so viel wie Worte.
Am dritten Tag kam ein Reiter auf die Hütte zu. Er trug keinen Hut, und seine Haare klebten ihm am Kopf. Mae trat hinaus, die Hände an der Schürze. „Was willst du, Will?“
„Ich …“, der Mann schluckte. „Caldwell war in der Stadt. Er hat im Saloon geredet. Er hat gesagt, dass man Brennan gesehen hat. Dass er lebt. Er hat gesagt, Pike will ihm zeigen, was es heißt, stur zu sein.“
„Das heißt?“, fragte Mae.
„Dass sie ihn jagen. Und jeden, der ihm hilft.“
Mae nickte knapp. „Danke, Will.“
„Ich habe nichts gesagt“, murmelte er und ritt davon, als würde ihn etwas von hinten stoßen.
Cole stand in der Tür und sah ihm nach. Er spürte, wie etwas in ihm wie ein Seil gespannt wurde. “Sie sollten gehen“, sagte Mae ruhig.
„Ich werde gehen“, sagte Cole. „Aber nicht, um zu fliehen.“
13
Die Stadt hieß Ashford, aber die Leute nannten sie einfach die Station. Die Bahn schnitt sie in zwei Hälften, wie eine Wunde. Pikes Backsteinbau stand am Ende der Hauptstraße, und darüber prangte in goldenen Buchstaben: Pike Supply & Water Works. Das Wort Wasser stand größer da als alle anderen.
Sheriff Anthony Hobb schob sich den Bauch hoch über den Gürtel und wischte sich mit einem Tuch den Schweiß von der Stirn, als Cole durch die Schwingtüren des “Silver Star” trat. Es war kühl hereing, im Vergleich. Ein dünner Mann polierte Gläser, und jemand spielte etwas Langsames auf einem verstimmten Klavier.
Ein paar Köpfe drehten sich. Manche blieben an ihm hängen, manche glitten weiter, als hätten sie ihn nicht gesehen. Cole ging an der Theke vorbei. Das Holz hatte Rillen von den Händen, die darüber gefahren waren. „Whiskey“, sagte er.
„Einfach?“, fragte der Barkeeper.
„Einfach.“
Er trank, und das Feuer tat ihm gut. Dann stellte er das Glas ab, drehte sich um und sah, wie Erik Caldwell durch die Tür kam. Er sah ihn zuerst im Spiegel.
Caldwell blieb stehen und lächelte, aber das Lächeln war wie eine Narbe. „Na, na“, sagte er. „Da ist der Mann aus dem Tal. Ich dachte, du wärst tot, Brennan.“
Cole sagte nichts. Er nahm das Glas in die Hand und stellte es wieder hin.
„Du solltest tot sein“, sagte Caldwell.
„Vielleicht dachte ich das auch“, sagte Cole.
Hinter Caldwell fächerte sich eine Handvoll Männer auf. Sie taten, als würden sie nur so herumstehen, doch ihre Hände hingen zu nah an ihren Hüften.
„Es ist nicht klug, hierherzukommen“, meinte Caldwell, als würde er ihm einen Rat geben. „Pike mag es nicht, wenn Geister in seiner Stadt spazieren.“
„Ich will kein Geist sein“, sagte Cole. „Ich will, dass man sich an meinen Namen erinnert.“
„Du bist vermessen für einen Schafmann“, sagte Caldwell. „Du und dein Wasser. Du hast nicht verstanden, wie Dinge funktionieren. Pike gibt, Pike nimmt.“
„Er nimmt“, sagte Cole leise. „Das gebe ich zu. Jetzt nehme ich etwas zurück.“
Sheriff Hobb räusperte sich. „Jungs“, sagte er. „Kein Streit im Saloon. Ich will keinen Ärger mit Mr. Pike.“
„Du bist der Sheriff“, sagte Cole.
„Ich bin der Mann zwischen den Dingen“, erwiderte Hobb müde. „Und ich will, dass die Dinge leise bleiben.“
Caldwell trat einen halben Schritt vor. „Draußen“, sagte er. „An den alten Corrals, außerhalb der Stadt. Das Licht ist gut. Dort kann niemand sagen … du weißt schon.“ Er schob die Zunge gegen die Wange und sah Cole an. „Du bekommst deine Chance.“
Cole sah ihn an und dachte an Nora, an Lila, an die kleinen, rußigen Hände. „Ich nehme sie“, sagte er.
14
Er stand draußen, die Sonne niedrig, die Luft glühend. Jenseits der letzten Häuser lag der staubige Boden wie eine erwartende Haut. Die alten Corrals standen grau und schief, und dahinter fiel das Land in ein glitzerndes Gewirr aus Salbei und Disteln.
Caldwell wartete dort bereits, so wie er gesagt hatte. Aber Cole brauchte nicht hinzusehen, um zu wissen, dass nicht nur Caldwell dort war. Im Schatten eines umgestürzten Wagens hockten Männer, und in dem alten Mietstall konnte man eine Bewegung sehen, wenn man ganz bestimmte Augen hatte. Cole hatte jetzt solche Augen.
Eine Gestalt löste sich aus einem Schatten neben ihm. Es war Mae. Sie war leise gekommen, und sie trug keine Schürze mehr. Sie trug ein graues Kleid, schlicht, aber sauber, und in ihrer Hand lag eine Winchester, als hätte es immer so sein müssen.
„Geh weg“, sagte Cole leise.
„Nein“, sagte sie ebenso leise. „Ich habe keine Männer mehr, auf die ich warten muss. Du bist nicht meiner. Aber du bist einer, und das reicht.“
„Hattie …“
„Hattie ist bei Ellen Lane. Sie ist sicherer da als bei mir. Ich habe ihr gesagt, ich werde Brot holen. Das ist nicht gelogen. Ich hole Brot für morgen.“
Cole sah sie an, und seine Brust wurde enger. Er nickte, nur ein Hauch. Dann ging er, und sie ging mit.
„Ich dachte, du kommst allein“, sagte Caldwell, als sie auf den Platz traten. Er stand da, die Hände locker, die Finger nah am Eisen. Er war gut, das sah man. Er war schneller als die meisten. Er war der Einzige, den Pike so weit nach vorne schickte.
„Ich dachte, du wärst ein Mann“, sagte Cole. „Aber du hast die Schatten nötig.“
Caldwell lächelte. „Selbst ein Mann verlässt sich gern auf Glück. Und auf Vorsicht.“
„Caldwell!“, eine Stimme rief aus der Stadt. Sheriff Hobb kam langsam den Weg entlang, als wolle er es nicht tun und tue es dennoch. Er blieb ein gutes Stück entfernt stehen, hob die Hände. „Ich will keine Leichen, die mir vor die Tür getragen werden.“
„Dann schau weg“, sagte Caldwell.
„Dann nimm ihn fest“, sagte Cole und sah Hobb an. „Für Mord.“
Hobb blinzelte. „Ich sehe nichts“, sagte er schließlich. „Ich bin müde.“
„Er wird müder sein“, murmelte Caldwell.
Cole stellte sich hin. Er stand so, dass die Sonne Caldwell in die Augen stach, wenn die Wolke zog. Er stand so, dass der Wind ihm den Staub nicht ins Gesicht trieb. Er wusste, dass es nichts half, wenn jemand im Stall auf ihn zielte. Aber er stand so.
„Auf drei?“, fragte Caldwell. Sein Mund verzog sich.
„Nein“, sagte Cole. „Wenn du blinzelst.“
Caldwell blinzelte nicht. Er war zu klug dafür. Er bewegte den Mund, als wolle er etwas sagen. In diesem Augenblick fiel irgendwo ein Ziegel vom Stall. Es klang wie ein Schuss. Caldwell zuckte nicht. Er war wirklich gut.
Cole war nicht schneller als Caldwell. Aber er war schneller als sein Schmerz. Er hob die linke Hand, und sie war nicht so sicher, wie die rechte einmal gewesen war, aber sie war fest genug. Er sah Caldwell nicht als einen Mann, sondern als das, was er war: die Kante einer Entscheidung. Er zog.
Die Schüsse fielen fast gleichzeitig. Caldwell warf den Kopf zurück, und sein Gesicht wurde leer, überrascht. Er starrte auf seine Brust, als sehe er dort eine unbekannte Schrift. Dann knickten ihm die Knie ein.
Jemand schrie. Aus dem Stall blitzte Mündungsfeuer. Mae schoss zurück, ruhiger als die meisten Männer. Cole fiel zur Seite, rollte, und der Staub klebte an seinem Gesicht. Er hörte den Sheriff fluchen, hörte Pferde, Hufe, das Schnauben, hörte einen Mann rufen: „Zurück!“
Es war ein kurzer, schmutziger Kampf. Kein Duell, keine saubere Geschichte. Männer, die von Schatten aus schossen, Männer, die keinen Mut hatten für das Licht. Cole feuerte, nach Gefühl, und traf. Ein Mann fiel aus dem Fensterrahmen, in dem er gelegen hatte. Einer rannte weg und ließ sein Gewehr fallen. Mae stand an einem Pfosten, atmete hart, schoss und schoss nicht, wenn die Linie falsch war.
Der Staub setzte sich.
Am Ende lag Caldwell auf dem Rücken. Sein Gesicht war bleich geworden, und der Staub klebte an seinen Lippen. Er bewegte sie, als wolle er etwas sagen. Cole trat zu ihm, langsam. Er kniete sich hin und beugte sich tiefer.
„Pike …“, flüsterte Caldwell. „Du … weißt nicht …“
„Ich weiß genug“, sagte Cole leise. „Genug, um zu verstehen, wer du bist.“
Caldwells Blick flackerte. Für einen Moment sah er aus wie ein Mann, nicht wie ein Zahnrad. Er hob die Hand, als wolle er sich an Cole festhalten. Cole stand auf und trat zurück. Er sah zu, wie das Leben Caldwell verließ, und er fühlte dabei – nichts. Das war die Wahrheit. Hätte er etwas anderes gefühlt, wäre er ein anderer Mann gewesen.
15
„Das ist nicht das Ende“, sagte Mae später. Sie standen am Rande der Corrals, und die Luft wurde bereits milchig von der sinkenden Sonne. „Pike wird dich nicht vergessen.“
„Ich ihn auch nicht“, sagte Cole.
„Du brauchst Freunde“, sagte sie. „Nicht nur Kugeln.“
„Ich weiß.“
„Es gibt Männer in den Hügeln, die keine Schafe haben, keine Rinder, sondern nur Ärger. Manche sind nur Banditen. Mancher ist ein Mann, dem etwas geschehen ist, das ihn an jemanden bindet. Du musst die richtigen finden.“
„Ich habe dich“, sagte Cole.
Sie sah ihn an, ein wenig überrascht. Dann lächelte sie kurz. „Ich bin eine Frau. Ich wasche Wunden und backe Brot. Ich kann schießen, wenn einer dumm genug ist, in mein Fenster zu schauen. Aber ich bin nicht ein Mann fürs Sattel.“
„Vielleicht bist du genau das“, sagte Cole leise. „Und die Stadt braucht mehr davon.“
Sheriff Hobb trat zu ihnen, den Hut in der Hand. Er sah müde aus. Er sah aus, als hätten ihm die letzten Minuten Jahre abgezogen. „Mr. Brennan“, sagte er. „Ich habe nichts gesehen.“
„Ich weiß“, sagte Cole. „Das ist Ihr Talent.“
Hobb zuckte. „Pike …“
„Pike ist ein Mann“, sagte Cole. „Nur ein Mann. Er hat Geld und Männer und das Wasser. Aber ich habe etwas, was er nicht hat.“
„Was?“, fragte Hobb, fast neugierig.
„Gründe“, sagte Cole.
16
Mae ging zurück. Hattie wartete, und das Brot musste gebacken werden. Cole blieb noch eine Weile stehen. Die Corrals warfen lange Schatten. Ein Rabe flog darüber hinweg, sein Flügel schnitt das Licht in zwei Teile.
Er dachte an Nora, an Lila. Er dachte an den Brunnen, an den Baum, an das leise Plätschern der Quelle, die er geleitet hatte, mit seinen Händen, mit seinem Schweiß. Er dachte an Wasser, das den Rücken eines Mannes kühlte. Er dachte an Pikes Backsteinbau und an den Goldbuchstaben, die das Wort Wasser schwer machen wollten, als wäre es Geld.
Er setzte den Hut auf, langsam, als wäre es eine Geste, die etwas bedeutete. Dann stieg er in den Sattel. Seine Wunde brannte, aber sie war nur noch ein Teil von ihm, nicht mehr das Ganze.
Er drehte den Fuchs herum, und die Stadt lag vor ihm, staubig und warm. Dahinter die Hügel, der Ort, wo die Quelle aus dem Fels trat. Er würde zurückkehren. Er würde den Brunnen reinigen, den Baum schützen, ein neues Dach bauen, vielleicht. Oder er würde alles brennen lassen, bis der Boden schwarz war, und etwas anderes daraus wachsen lassen.
Er ritt los, langsam, als hätte er alle Zeit der Welt, und schnell, als hätte er keine.
17
Horace Pike stand am Fenster seines Büros und sah hinaus. Er spielte mit der goldenen Kette, die an seiner Weste hing, und sein Gesicht war ein glattes Feld, in dem die Augen dunkle Seen bildeten.
„Caldwell ist tot“, sagte der Mann, der in der Tür stand. Er war einer von den stillen. Er sprach, wenn er etwas zu sagen hatte, und das war selten.
Pike zwinkerte nicht. Sein Finger hörte auf, die Kette zu ziehen. „So“, sagte er.
„Der Mann aus dem Tal. Brennan. Er hat ihn gelegt. Und zwei von unseren Leuten.“
„Wie?“
„Am alten Corral. Es war … schnell. Und dreckig.“
Pike nickte langsam. „Das Wasser“, sagte er. Er drehte sich um, sah an der Wand die Karte, auf der rote Linien liefen. Eine davon begann am Rand eines krakeligen X: die Quelle. „Er hat beschlossen, dass es nicht mehr unser Wasser ist. Er hat beschlossen, dass er Gründe hat.“
„Ja.“
Pike trat näher an die Karte heran. „Dann werden wir ihm eine andere Art Gründe geben“, sagte er leise. „Gründe, nicht mehr schlafen zu können. Gründe, die ihn finden, wenn er denkt, er sei allein. Gründe, die ein Mann versteht, der alles verloren hat.“
Er drehte sich um, und sein Lächeln war so schmal, dass es wie eine Schnittwunde aussah. „Fangt an“, sagte er.
18
Cole ritt in die Dämmerung, und seine Silhouette wurde bald eine von vielen auf der blassen Haut des Landes. Er trug die Wunden des Tages und die von früher, und die kommenden würden ihre Plätze finden.
Er hörte in der Ferne einen Kojoten, hörte, wie die Welt mit der Nacht den Ton änderte. Er dachte an das, was vor ihm lag. Nicht wie an eine Straße, die man messen kann, sondern wie an eine Verpflichtung, die man trägt.
Er dachte an Mae, an Hattie. Er dachte an den Sheriff, der müde war, und an den Doc, der Größe in seinen Händen hatte, obwohl sie klein waren. Er dachte an Männer in den Hügeln, deren Namen er noch nicht kannte und die doch auf ihn warten würden, ohne es zu wissen.
Und er dachte an Pike.
Er legte die Hand an den Colt, nicht wie einer, der ziehen will, sondern wie einer, der einem alten Freund sagt: „Wir werden Arbeit haben.“ Die Nacht nahm ihn, und ein dünner Streifen Mond hing über den Hügeln wie ein Messer, das man noch nicht benutzt hat.
Das war der Anfang. Und es gab kein Zurück.
19
Am Morgen lag die Welt grau und dünn wie Papier über den Hügeln. Cole hielt sein Pferd an und stieg ab, als der erste schmale Rauchfaden aus dem Boden seines Tals stieg. Nicht von einem Feuer, das brannte – von nasser Erde, die die Kühle der Nacht abgab, als die Sonne sie berührte.
Der Brunnen stand da, als wäre nichts geschehen. Nur das Seil war verrußt, und das Rad hatte schwarze Finger bekommen. Der Baum rauschte leise, ein bisschen trotzig, als wolle er sagen: Ich bin noch da. Cole nahm den Hut ab. Er sagte nichts. Worte waren zu klein.
Er holte Wasser, goss es über den schwarzen Fleck auf den Brettern. Er räumte verbranntes Holz zur Seite, bis seine Schulter brannte. Er fing an, ein neues Kreuz zu zimmern, besser als das erste. Er schnitt die Buchstaben vorsichtig in das Holz, bis sie tief und deutlich waren: Nora. Lila.
Später, als der Schatten des Baums wanderte, stand er am Kopf der beiden Kreuze. Er legte die Hand auf das Holz. „Ich komm’ zurück“, sagte er. „Aber zuerst muss ich etwas holen, was man mir genommen hat.“
Er drehte sich um. Er ging die Quelle hinauf, die aus dem Granit trat. Das Wasser war klar. Es lief nicht mehr durch die Rinne zu seinem Trog. Die hölzerne Leite war zerschlagen, und jemand hatte eine zweite, neuere Rinne eingezogen, die das Wasser über die Kante in Richtung Stadt führte, ein glattes Brettwerk, mit Pech abgedichtet, sauber gearbeitet.
Cole kniete nieder. Er legte die Finger an das Holz. Er spürte noch die Feuchtigkeit, die es kalt machte. Er stand auf, griff nach dem Beil, das neben der Quelle steckte wie ein Spruch. Einer von Pikes Männern hatte es liegen lassen. Er holte aus.
Das erste Beil fiel schwer. Das Holz nahm es, und Wasser spritzte ihm ins Gesicht. Er hieb weiter. Er hieb, bis die Rinne brach und in sich zusammensackte. Das Wasser, das sie getragen hatte, plätscherte jetzt wieder in den alten schmalen Graben, der zu seinem Hof hinunterlief. Es klang wie ein leises Lachen.
„So“, sagte Cole. „So fängt es an.“
20
Zwei Männer sahen ihn von der Kuppe aus. Der eine kaute auf einem Strohhalm, der andere hielt die Hand über die Augen. „Er hat’s wieder zugemacht“, sagte der mit dem Strohhalm.
„Pike wird toben“, sagte der andere.
„Er tobt immer“, erwiderte der erste. „Los, hol die anderen. Caldwell ist tot. Jetzt muss jemand denken.“
Sie ritten davon, den Rücken hinter den Hügel gebogen, als würden sie nicht gesehen werden wollen. Cole sah sie nicht. Aber er fühlte, wie die Luft sich veränderte. Das Land hatte Ohren. Es flüsterte.
Er machte die Rinne zum Trog wieder frei, räumte kleinere Äste weg, strich mit dem Fuß die Kante glatt. Das Wasser lief. Er wusch sich die Hände. Das Blut ging ab. Nicht alles.
Dann sattelte er den Fuchs und ritt den Hang hinauf, nicht in Richtung Stadt, sondern hinüber in die niedrigen, bröckeligen Berge, die die County-Grenze markierten, ein Strich, den nur Leute übersahen, die nicht lesen wollten. Er ritt in die Schatten hinein, die dort selbst am Vormittag kühl blieben, und er suchte nach Rauch. Nicht den aus Küchenrohren, sondern den derer, die sich nicht gern sehen ließen.
Er brauchte Männer. Nicht die Art Männer, die an einem Tresen auf Protz machten. Männer, die einen Grund hatten, zu schweigen und zu schießen.
Er fand sie am dritten Tag.
Sie sahen ihn zuerst.
21
Es waren vier. Einer war groß und schwer, mit einem Gesicht, das aussah, als hätte es jemand mit einem Schleifstein behandelt. Einer war ein Junge, kaum Bart im Gesicht, dafür wilde Augen. Einer war ein Mann mit einem Bart wie eine Bürste, der seine Winchester so hielt, als könne er sie nicht loslassen. Der vierte war ein Mann, der aussah, als wäre er einmal jemand anderes gewesen – sauber geschnittene Wangen, ein Mantel, der besser gewesen war als dieser Ort.
„Halt“, sagte der mit der Winchester.
Cole hielt.
„Wer bist du?“
„Cole Brennan.“
Der große Mann verzog den Mund. „Schafmann.“
„Nicht mehr“, sagte Cole.
„Was willst du?“
„Arbeit“, sagte Cole. „Nicht die, die man bezahlt. Die, die man macht, weil man sonst nicht schlafen kann.“
Sie sahen ihn an, ohne dass etwas zu lesen gewesen wäre.
„Pike?“, fragte der mit dem Mantel, und auf einmal sah man, dass in seinen Augen noch etwas war, das nicht ganz tot war.
„Pike“, sagte Cole.
Der Junge lachte kurz, ohne dass Freude drin lag. „Ich hab’ mal für ihn gearbeitet“, sagte er. „Ich hab’ mal mit angesehen, wie er einer Frau den Brunnen zugemacht hat. Weil ihr Mann ihn geärgert hatte. Sie hat drei Kinder gehabt. Das Kleinste ist krank geworden. Der Doc hat gesagt …“ Er brach ab. Er sah Cole an. „Wie willst du das machen?“
„Stück für Stück“, sagte Cole. „Ohne Theater. Ohne große Worte. Hier. Dort. So, dass er merkt, dass er nicht mehr alles in der Hand hat.“
Der große Mann spuckte auf den Boden. „Ich bin Harlan Fitch“, sagte er. „Ich mag keine Männer, die sprechen, als wären sie Prediger. Du sprichst nicht so. Also … vielleicht.“
Der mit dem Mantel nickte knapp. „Beau Lattimer“, sagte er, und das war ein Name, der in anderen Gegenden mit anderen Geschichten verbunden war. „Ich hab’ mal gespielt.“ Er sah auf seine Hände, die ruhig waren. „Jetzt spiel’ ich nicht mehr.“
„Jax“, sagte der Junge.
„Curt Boyle“, brummte der mit der Winchester. „Ich hab’ Vieh getrieben. Ich hab’ Vieh verloren. Ich hab’ mehr verloren als das Vieh.“
„Gut“, sagte Cole.
„Wofür gut?“, fragte Fitch.
„Für das, was wir tun müssen. Einer von jedem. Einer, der schiebt. Einer, der denkt. Einer, der schnell ist. Einer, der lange wartet.“
„Und du?“, fragte Beau Lattimer.
„Ich“, sagte Cole, „hab’ Gründe.“
Sie nickten, als verstünden sie das besser als jedes lange Reden.
22
Die erste Nacht am Feuer war still. Keiner fragte, wer wie alt war. Keiner fragte, wo das letzte Grab lag, das einer geschaufelt hatte. Man trank ein wenig, man redete wenig. Beau Lattimer schnitt eine Karte aus dünnem Holz und warf sie dann in die Glut. Jax lachte, wenn Fitch ihn anfuhr, weil er das Pferd falsch angebunden hatte. Curt Boyle putzte seine Winchester, als wäre es eine Frau, die er nicht verlieren wollte.
Cole saß da und sah in die Glut. Die Gesichter der Toten kamen aus dem Feuer, wenn er blinzelte. Nora. Lila. Caldwell. Er ließ sie kommen. Er ließ sie gehen.
„Morgen?“, fragte Fitch schließlich.
Cole sah auf. „Morgen“, sagte er, „gehen wir zu der kleinen Pumpstation an der North-Fork. Pikes Leute haben da eine Umleitungsbühne gebaut. Sie nehmen dem alten Bach das Wasser, um es in die Rohre zu drücken. Bauern flussabwärts haben trockene Rinnen in ihrem Land. Wir drehen es auf.“
„Bewacht?“, fragte Boyle.
„Sicher“, sagte Cole. „Sie haben nicht genug Männer, um alles zu bewachen. Aber genug, um uns die Arbeit schwer zu machen.“
„Gute Arbeit“, meinte Jax leise.
„Junge“, sagte Fitch. „Gute Arbeit ist eine, nach der man noch essen kann.“
„Er hat recht“, murmelte Beau.
Cole nickte. „Wir werden essen. Aber wir werden uns nicht die Mägen vollschlagen. Noch nicht.“
23
Die Pumpstation lag in einer Senke, in die der Wind selten hineinkam. Zwei flache, hölzerne Gebäude, ein Rahmen, der einen Kolben nahm, der vom Fluss her angetrieben wurde. Ein Rad aus Eisen, neu. Der Rest war Holz, das nach Pech roch. Drei Reiter standen im Schatten eines niedrigen Hausbaums, die Zügel über den Armen. Zwei hockten auf den Stufen, die zum Maschinenhaus führten. Einer ging umher und trat Kies.
„Sechs“, flüsterte Boyle.
„Sieben“, korrigierte Beau Lattimer. „Im Turmfenster. Bewegungsverrat. Der Mann blinzelt zu langsam.“
„Wie?“, fragte Jax und hielt sich den Staub vom Mund fern.
„Er tut’s einfach“, sagte Beau.
„Wir gehen rum“, murmelte Fitch. „Zwei auf die Pferde. Zwei auf die Männer. Einer auf den da im Fenster.“
„Ich nehm’ den im Fenster“, sagte Beau, ohne jede Geste.
Cole sah zu ihm. Beau lächelte nicht. „Gut.“
Sie gingen nicht schnell. Sie gingen nicht langsam. Sie krochen ein Stück, als die Distanz kurz wurde. Das Gras knisterte leise. Ein Vogel flog auf, und Jax hielt den Atem an, als hätte er Angst, der Vogel würde ihn verraten.
Dann brach es los. Es war kein langer Kampf. Es war Lärm, Schläge, Staub und plötzliches Schweigen. Der Mann im Fenster fehlte an einem Stück, wo er eben noch gewesen war. Beau blinzelte. Jax verfehlte seinen ersten Schuss knapp und traf den zweiten. Fitch schlug einem Mann die Waffe aus der Hand, fing sie auf, als sie fiel, und hielt sie ihm an die Brust. Boyle stand da, als sei er angewachsen, und schickte Blei dorthin, wo Hände an Metall griffen.
Als die Luft klar wurde, lag einer ganz still, einer hielt sich schreiend den Oberschenkel, einer weinte. Cole trat vor. „Geht“, sagte er zu denen, die noch gehen konnten. „Sagt Pike, er soll seine Rohre woanders hinlegen. Das hier ist nicht seines.“
„Er wird dich hängen“, spuckte der mit der blutigen Hose.
„Er muss mich erst bekommen“, sagte Cole.
Sie zersägten die Antriebsstange, zogen den Bolzen aus dem Rad und schleiften ihn in den Fluss. Sie lösten den Schieber, der den alten Bach blockierte, und das Wasser riss, als ob es gejubelt hätte, die Holzsplitter mit sich in das Wiesland, das seit Wochen auf seinen Hauch gewartet hatte.
Jax stand und sah. Er lächelte. Fitch schnaubte. „Heut’ Nacht schläft du gut, Junge. Und morgen fragst du dich, warum.“
„Weil ich was richtiges getan habe“, sagte Jax.
Fitch schüttelte den Kopf. „Weil du noch lebst“, sagte er.
24
In der Stadt stand Pike am Fenster, als der Mann mit der blutigen Hose hereingetragen wurde. Er blickte nicht hin. Er blickte auf die Straße, die Sonnenglut, die die Staubkörner zu Gold machte.
„Sie haben die Pumpstation geöffnet“, sagte jemand.
„Wer?“, fragte Pike.
„Der Schafmann“, sagte der jemand, und das Wort war giftig.
„Brennan“, sagte Pike ohne Regung.
„Er hat Männer bei sich.“
„Jeder Mann hat Männer“, sagte Pike. „Auch wenn er es nicht weiß.“
Er wandte den Blick vom Fenster ab und ging zum Schreibtisch. Er öffnete eine Schublade, holte eine Liste hervor. Darauf standen Namen. Manche waren durchgestrichen. Die Schrift war sauber, runde Buchstaben, keine Hast.
„Schick Croker“, sagte Pike. „Sag ihm, er soll sich nicht an den Saloon setzen. Er soll arbeiten. Und sag dem Sheriff, er soll die Straßen sauber halten. Und sag dem Doc, er soll sich bereithalten. Ich will keine Leichen auf meiner Treppe.“
„Und wenn der Sheriff …?“
Pike sah den Mann ruhig an. „Der Sheriff tut, was ich ihm sage. Er weiß nur nicht immer, dass er es tut.“
25
Sheriff Hobb tat tatsächlich Dinge, von denen er hinterher nicht hätte sagen können, warum. Er stand vor dem “Silver Star”, als Croker – groß, schwarz gekleidet, der Blick wie der Schatten einer Axt – die Straße hinunterkam. Croker hatte keine Eile. Männer, die sich ihrer Sache sicher waren, hatten selten Eile.
„Croker“, sagte Hobb.
„Sheriff“, sagte Croker und blieb stehen, als würde er anständig sein wollen. „Schönes Wetter.“
„Ja.“
„Wo ist Brennan?“
„Das ist die falsche Frage“, sagte Hobb müde. „Die richtige ist: Wo ist er nicht?“
Croker lächelte nicht. „Ich weiß, wo er sein wird“, sagte er. „Er ist wie Wasser. Er geht dahin, wo er will. Und wenn man ihn blockiert, sucht er sich eine Rinne. Man muss die Rinne finden. Oder das Wasser vergiften.“
„Bleib bei der Rinne“, sagte Hobb. „Die andere Arbeit hab’ ich satt.“
Croker nickte. Er war einer, der nicken konnte, ohne zuzustimmen. „Gib ihm einen guten Rat, Sheriff“, sagte er. „Sag ihm, er soll gehen, solange er noch kann.“
„Er wird nicht gehen“, sagte Hobb.
„Dann stirbt er“, sagte Croker, als sagte er: Dann geht die Sonne unter. Er ging weiter.
26
Mae stand hinter dem Tresen des kleinen Ladens, der keine Schilder hatte. Es gab Mehl, Salz, Bohnen, Stricknadel, zwei Sensenblätter, die jemand in einem Frühjahr nicht bezahlt hatte. Ellen Lane saß hinten auf einem Hocker, Hattie neben ihr. Sie erinnerten an zwei Vögel, die man in eine Scheune gesperrt hatte.
Die Tür ging auf, und Croker stand da, ein Schatten in der Helligkeit. Er roch nicht nach Pferd und nicht nach Schweiß. Er roch nach nichts. Mae mochte das nicht.
„Mrs. Randle“, sagte er höflich. Männer wie er waren oft höflich. „Ich suche einen Mann.“
„Sie haben viele gefunden“, sagte Mae. „Die meisten haben Ihnen nicht gefallen.“
Croker neigte den Kopf. „Sie haben Zunge“, sagte er. „Aber keine Angst.“
„Ich spare mir beides auf, wenn ich kann“, sagte Mae. „Was wollen Sie? Kaufen? Es ist alles teurer geworden. Fragen Sie Mr. Pike.“
„Ich frage nicht“, sagte Croker und ließ den Blick langsam durch den Laden gehen. Hattie rutschte näher an Ellen. Mae hielt seinem Blick stand. Croker nickte wieder. „Sagen Sie Brennan, dass er heute Nacht erwidert wird. An dem Ort, den er am meisten liebt.“
Mae spürte etwas in ihrem Bauch zusammenfahren. Sie hob das Kinn. „Wenn Sie meinen Laden meinen, dann ist er nicht der Ort, den er liebt.“
„Ich meine sein Wasser“, sagte Croker. „Ich meine sein Brunnenlied. Heute Nacht wird es verstummen.“
Er drehte sich um und ging, so still, als wäre er nie dagewesen.
Ellen atmete aus. „Mae …“
„Ich weiß“, sagte Mae. Sie ging um den Tresen herum, nahm eine Leinwandtasche und stopfte Brot hinein, einen Sack Bohnen, zwei Stücke Speck. „Ich bring das ins Tal.“
„Das ist verrückt“, sagte Ellen. „Mae, du hast ein Kind.“
„Ich hatte einen Mann“, sagte Mae ruhig. „Jetzt hab’ ich Gründe.“
Sie drehte das Schild an der Tür um, so dass man “Zu” lesen konnte. Hattie stand da und hob das Kinn. „Ich komme mit.“
„Nein“, sagte Mae.
„Doch“, sagte Hattie. Ihre Stimme war leise, aber sie brach nicht.
27
Der Abend kam mit einem Wind, der aus dem Westen kam und trocken war. Das Gras lag flach. Das Geräusch, das es machte, erinnerte an die Worte von Männern, die lügen. Cole stand hinter dem Rest seines Schuppens und sah hinauf zur Quelle. Auf dem Kamm sah er Silhouetten. Nicht viele. Genug.
„Sie kommen“, sagte Fitch neben ihm.
„Sie denken, sie sind klüger als Caldwell“, murmelte Beau Lattimer. Er hatte die Winchester hoch, locker, die Finger lagen darauf, als wären sie dort zu Hause.
„Sie sind vielleicht klüger“, sagte Cole. „Aber das Wasser ist auf meiner Seite.“
„Und wir“, sagte Jax, und man hörte, dass er noch Junge war.
„Bleib tief“, sagte Boyle.
Der erste Schuss kam von weit oben. Er war eine Probe. Er ließ ein Stück Holz vom Schuppen wegplatzen, und der Staub sprang auf. Cole wartete. Er ließ sie kommen. Er ließ sie glauben, dass sie überlegen waren.
Croker bewegte sich anders als Caldwell. Er bewegte sich, als höre er Musik, die die anderen nicht hörten. Er wechselte Deckungen, ohne zu hetzen. Er hielt sich nicht lange an einem Ort auf. Er war geduldig. Er schoss nicht oft. Wenn er schoss, traf er.
Der Wind trug die Stimmen. Das Krachen der Waffen schob die Dunkelheit ein Stück zurück. Das Wasser sang, leise. Jax lag hinter einem Holzstapel und hielt den Atem an, als Fitch ihm das Handgelenk hinunterdrückte. Ein Blei ging dicht über seinen Kopf. „Nicht raus“, zischte Fitch. „Die warten nur darauf.“
„Ich sehe ihn“, flüsterte Jax. „Da oben. Ein Schatten.“
„Croker ist kein Schatten“, murmelte Beau. „Er ist die Hand hinter dem Schatten.“
Ein gellender Schrei. Boyle brummte tief. „Einer weniger.“
„Nicht zählen“, sagte Cole. „Denkt an die Rinne.“
„Welche?“, fragte Jax.
„Die zwischen ihren Gedanken“, sagte Cole. „Wenn sie glauben, wir halten den Hof, dann gehen zwei hinter die Quelle. Wir gehen ihnen hinterher.“
Er deutete nach links, wo eine alte Viehtrift den Hang hinaufführte, schmal, von Erosion ausgehöhlt. „Boyle, du bleibst. Fitch, Jax, mit mir. Beau – du hältst Croker beschäftigt.“
„Ich warte darauf“, sagte Beau ruhig.
28
Die Viehtrift war enger, als sie in Erinnerung gewesen war. Cole fühlte die Wände an den Schultern. Der Sand rutschte unter seinen Stiefeln, leise. Oben, kurz vor dem Kamm, blieb er stehen und hob die Hand. Fitch kroch an ihm vorbei, leicht wie ein Mann, der größer ist, als man denkt. Jax atmete laut, und Fitch fuhr ihn an. Jax hielt den Atem an, bis ihm schwindelig wurde.
Sie kamen hoch, unter die Kante, wo der Himmel plötzlich nahe war. Ein Schatten glitt daran entlang. Cole hob die pistole und wartete einen Herzschlag lang zu lange – und das rettete ihm das Leben. Der Schuss, der für seinen Kopf bestimmt gewesen war, fauchte an der Kante entlang. Cole rollte zur Seite, fühlte die Wärme des Gesteins an der Wange.
Fitch sprang hoch, riss den Mann am Schopf nach unten und schlug ihm den Kopf gegen den Stein. Es klang dumpf. Der Mann rutschte weg und blieb hängen. Jax hob den Colt, zuckend, und Cole legte die Hand auf seinen Arm. „Nicht“, flüsterte er. „Nicht, wenn er schon fällt.“
Weiter rechts, näher an der Quelle, hörten sie Schritte. Zwei. Sie gingen leise, zu leise für Schafe. Fitch nickte. Cole zog, kroch, und plötzlich sah er den Rücken eines Mannes, der etwas in der Hand hielt, das wie ein Flaschenbauch aussah.
„Pech“, flüsterte Jax. „Sie wollen’s anstecken.“
Cole atmete ein. Er hielt den Atem, schoss, und der Mann taumelte. Das Pech gluckerte und floss. Der zweite Mann fuhr herum, fiel halb in den Graben, riss das Streichholz an der Hose und bekam es nicht zu fassen, weil Fitchs Hand seinen Arm schon hielt. Das Streichholz fiel und glomm aus. Fitch stieß den Mann den Hang hinunter. Er rollte, erhielt unten die letzte Lektion von Boyles Kolben.
„Croker“, murmelte Beau irgendwo unten. „Komm schon.“
Croker kam. Er war nicht da, wo man ihn erwartet hätte. Er kam rechts, wo der Hügel eine Mulde hatte. Er schoss einmal, zweimal. Beau bewegte sich. Der zweite Schuss riss ihm die Kante vom Hut. Er lächelte. „Na schön“, sagte Beau. „Endlich einer, der tanzen kann.“
Sie tanzten. Es war kein schöner Tanz. Es war Schritte, Atem, Blei. Es war das Summen einer Mücke, die man nicht sieht. Einmal glaubte Beau, ihn zu haben. Er hatte ihn nicht. Einmal glaubte Croker, ihn zu haben. Er hatte ihn nicht. Dann kam Wind. Ein schmaler, kühler Streifen Wind glitt über das Gras. Er trug Staub. Er trug eine Stimme.
„Cole!“
Es war Mae. Sie kam den Hang herunter, die Tasche über der Schulter, Hattie hinter ihr. „Nicht!“, brüllte Cole, und der Ton war roh, als wäre er aus Stein geschnitten.
Croker drehte nur den Kopf, nicht genug, um dumm zu sein. Aber genug, so dass Beau sah, wie sein Blick sich einen Moment löste. Beau schoss. Der Schuss nahm Croker die Luft. Er fiel auf ein Knie, stand wieder, machte zwei Schritte. Beau schoss ein zweites Mal. Croker ging auf die Seite und blieb dann liegen, als hätte ihm jemand den Faden abgeschnitten.
Die anderen Männer sahen das und rannten. Manche ließen ihre Waffen fallen. Manche trugen andere. Fitch schnaubte. Boyle stieß die Luft aus, als hätte er eine Last abgesetzt. Jax stand da und zitterte.
Cole lief Mae entgegen. „Ich hab’ dir gesagt …“, fing er an.
„Ich habe dir nichts gesagt“, fiel sie ihm ins Wort. „Ich habe dir Brot gebracht. Und einen Grund, nicht zu sterben.“
Hattie stand neben ihr, die Augen weit. Sie sah auf den Mann, der da lag, und man sah, wie sie versuchte, das Bild an einen Ort in sich zu schieben, an dem es sie nicht jede Nacht finden würde.
„Ist es vorbei?“, fragte sie.
„Für heute“, sagte Cole. Er atmete tief. „Für heute.“
29
Sie begruben Croker nicht. Sie warfen ihn nicht in den Graben. Cole betrachtete ihn einen Moment. Er war überrascht, wie jung er aussah, ohne den Schatten in seinen Augen. Er nahm seinen Hut ab. „Er war ein Mann“, sagte er leise. „Er hat getan, was er konnte. Es war das Falsche.“
„Pike wird einen anderen schicken“, warnte Beau.
„Ja“, sagte Cole. „Und wieder einen.“
„Und was machst du?“, fragte Fitch.
Cole sah zur Quelle. Sie plätscherte. Das Wasser war noch klar. „Ich mach’ das hier.“ Er deutete auf das Land. „Und ich geh’ zu dem Mann, der den Sheriff hat und die Rohre und die Liste mit den Namen, die er streicht.“
„Heute?“, fragte Boyle.
„Nein“, sagte Cole. „Nicht heute. Heute Nacht geh’ ich an sein Wasser.“
„Das haben wir doch gemacht“, murmelte Jax.
„Nicht genug“, sagte Cole. „Er hat noch die große Linie. Die, die von der Kessellacke zur Stadt läuft. Er denkt, die läuft, weil er es will. Ich will, dass sie einmal nicht läuft, weil ich es will.“
„Das ist eine Menge Schieber“, sagte Beau.
„Und eine Menge Pech“, sagte Fitch.
„Und eine Menge Männer, die darauf aufpassen“, sagte Boyle.
„Dann müssen wir mehr sein als sie“, sagte Cole ruhig.
Er blickte zu Mae. „Du gehst mit Hattie in den Laden zurück“, sagte er. „Heute Nacht wird es zu viele Männer geben, die in der Stadt wach sind.“
„Ich hab’ keine Angst“, sagte Hattie. Es war so leise, dass man es kaum hörte.
„Ich schon“, sagte Cole. „Und das ist neu für mich. Also tu mir den Gefallen.“
Hattie nickte. Mae sah ihn an, als sähe sie mehr als das, was da stand. Sie legte ihm die Hand auf den Arm, und ihre Finger waren warm. „Lass dir helfen“, sagte sie. „Wenn der Sheriff kommt – rede mit ihm. Er ist müde. Man kann müde Männer bewegen, wenn man ihnen sagt, dass sie damit eine Stunde länger schlafen.“
„Ich weiß“, sagte Cole. „Er weiß es noch nicht.“
30
Die Nacht roch nach Pech. Pike stand erneut am Fenster, die Hände hinter dem Rücken. Er sah die Schattengestalten, die sich in den Gassen bewegten. Er hörte die Musik im Saloon. Er hörte das Klacken eines Hammers irgendwo in der Nähe seiner Pumpen. Es war ein leises, geduldiges Klacken. Es war das Geräusch eines Mannes, der nicht schläft.
Er drehte sich nicht um, als die Tür aufging. „Sheriff“, sagte er.
„Mr. Pike“, sagte Hobb. Er ließ den Hut in der Hand. Er sah müde aus. Müder als am Morgen. Er sah aus, als hätte er zwei Tage lang nicht geatmet.
„Sie verlieren den Griff“, stellte Pike fest. „Es gleitet. Das Wasser. Der Mann. Die Stadt.“
„Ich verliere … keine Bürgerkriege“, sagte Hobb langsam. „Nicht wenn ich nicht will.“
„Sie wollen nicht“, sagte Pike. „Also tun Sie etwas.“
„Ich tue, was ich kann“, sagte Hobb. „Und ich hoffe, dass ich damit immer noch schlafen kann. Gute Nacht, Mr. Pike.“
Er drehte sich um, bevor Pike antwortete. Er ging die Stufen hinunter auf die Straße. Die Luft war schwer und dunkel, und der Mond hing wie eine Münze über der City Hall. Hobb blieb stehen. Er sah die Schatten an der Pumpstation. Er sah die Männer dort. Er sah einen Mann, der nicht da war, und er wusste, wo er war.
Er wusste, dass er bald irgendwo stehen würde, wo Staub und Blut die gleiche Farbe hatten. Er wusste, dass er dann etwas tun würde, von dem er heute noch nicht wusste, dass er es tun konnte.
Er setzte den Hut auf. Er ging in die Nacht. In der Ferne, hinter der Stadt, sang Wasser.
Und Cole, versteckt im Schatten der großen Leitung, die sich durch die Nacht wand wie eine helle, harte Schlange, hob vorsichtig den Schieber aus der Klammer. Seine Finger waren ruhig. Er sah, wie der erste Strahl an der Seite heraussprang und in den Staub spritzte. Es klang wie eine Antwort.
„Jetzt“, flüsterte er. „Jetzt fangen wir an, Mr. Pike.“
Er setzte den zweiten Bolzen an.
31
Das Wasser schoss, erst ein Strahl, dann mehrere, und innerhalb von Sekunden sprudelte es aus den Seitenventilen der großen Leitung, als hätten sie Lachen in den Bauch bekommen. Cole zog den zweiten Bolzen ganz heraus, und ein dumpfes Grollen ging durch den Metallkörper, als wäre er nicht dafür gemacht, sich verändern zu lassen. Der Druck suchte sich Wege, die Pike nicht vorgesehen hatte.
„Boyle“, flüsterte Cole. Boyle lag zehn Yards weiter und hielt die Lampe mit der Hand zu, so dass nur ein schmaler Schlitz Licht auf die Schraube fiel, an der er arbeitete. „Noch zwei“, murmelte er. „Die da hinten sind festgegammelt.“
„Hau sie los“, sagte Cole. „Und wenn’s Krach macht, macht’s Krach.“
Es machte Krach. Metall gab nach, und die Leitung stöhnte. Wasser spritzte nun in Bögen über den Hartboden, lief in Rinnen, die der Wagenverkehr gezogen hatte. Es lief nicht mehr nur in Richtung Stadt.
Ein Ruf. Einer von Pikes Männern hatte die glitzernde Feuchtigkeit gesehen, wo sie nicht sein sollte. „Hey!“, brüllte er und rannte, die Stiefel schwer. Ein zweiter sprang von der Plattform, auf der der große Schieber saß.
„Jetzt“, sagte Cole. Er sprang aus dem Schatten, nicht zum Angriff, sondern um die Schraube zu lösen, die das Rad für den Hauptfluss blockierte. Er griff, drehte, schob, und das Rad ruckte. „Hilf mir!“, zischte er. Fitch war da, ohne dass man ihn hatte kommen hören, legte die Hand ans Rad, und gemeinsam drehten sie.
Der Schieber gab nach – einen Finger breit, dann drei. Der Strahl in den Stadtausgang der Leitung schwächte sich. Gleichzeitig schossen die Notauslässe auf und ließen das Wasser wie weiße Bänder in den Sand schlagen.
Schüsse. Funken stoben vom Metall, als eine Kugel über den Flansch jaulte. Beau Lattimer schoss zurück, zwei saubere, trockene Schläge. Der erste Mann fiel, der zweite duckte sich hinter den Kasten, der das Manometer schützte. „Jax!“, rief Beau. „Links!“
