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Fünftausend Meter unter uns die salzige Tiefe, vom Cockpit aus sehen wir nichts als die unendliche Weite des Atlantiks. Nur die Avionik und unser Piloten-Know-how trennen uns von den eiskalten Wogen. Hochkonzentriert überwachen wir die Instrumente, während wir auf unser erstes Ziel zusteuern. Tausende Kilometer Ozean liegen noch vor uns. Im Sommer 2019 erfüllt sich Maximilian Hollerbach einen langersehnten Traum: In acht Tagen fliegen er und sein Co-Pilot Yura 12 000 Kilometer in einer 45 Jahre alten Cessna 340 von Medford, Oregon nach Walldürn in Deutschland. Seinen Weg vom Flugzeugkauf über die Planung der Route bis zur abenteuerlichen Überführung beschreibt der Autor detailreich und gibt dabei wertvolle Tipps. Ein Buch für Flugzeugliebhaber und Abenteurer oder solche, die es werden wollen!
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Seitenzahl: 184
Veröffentlichungsjahr: 2020
PROLOG
EIN LANGGEHEGTER TRAUM
THE JOURNEY BEGINS …
JEFF UND BOB
CESSNA 340, WIR KOMMEN!
MEIN FREUND YURA
»GUESS WHAT, YOU BOUGHT AN AIRPLANE!«
JUNGGESELLENABSCHIED IN LAS VEGAS
BACK IN GERMANY
DIE VORBEREITUNG BEGINNT
DAS ÜBERLEBENSTRAINING
ABENTEUER MIT YURA
BACK IN GERMANY
DER TESTFLUG
DEBRIEFING UND SERIOUS TALK MIT DAVID
DIE FLUGSCHEINUMSCHREIBUNG
DIE JÄHRLICHE INSPEKTION
USA: WEST TO EAST AND BACK
5000 METER ÜBER DEM ATLANTIK
DAS ABENTEUER BEGINNT
UNTERBRECHUNG IN GOOSE BAY
ÜBER DEN GLETSCHERN GRÖNLANDS
POINT OF NO RETURN
ANFLUG AUF ISLAND
WELCOME HOME
ABSCHLUSSGEDANKEN
DANKSAGUNG
Fünftausend Meter Luft zwischen uns und der salzigen Tiefe. Das Einzige, was uns von der unendlichen Weite des Ozeans trennt: die Flugzeugmechanik und unser Piloten-Know-how. Bei einem vierstündigen Flug über den Atlantik meint man, dass man sich viele Gedanken über das Leben machen kann, plötzlich eine Erkenntnis oder eine Erleuchtung hat. Man alles auf einmal aus einer neuen Perspektive betrachtet.
Doch die Wirklichkeit ist eine ganz andere: Zwischen Wind und Eis, tausende Meter über dem Ozean bleibt für große Gefühle keine Zeit. Ganz im Gegenteil: Als ich mich im Cockpit meiner Cessna 340 über dem Atlantik befand, registrierte ich die Welt um mich herum kaum. Die Überwachung der Instrumente nahm enorm viel Zeit in Anspruch. Nie zuvor war ich fokussierter und konzentrierter auf die technischen Vorgänge um mich herum, als bei diesem Abenteuer.
Die unendliche Weite des Ozeans, Eisbergschluchten, die um einiges tiefer sein können, als Wolkenkratzer in New York hoch, machen es sehr unwahrscheinlich nach einem Absturz gefunden zu werden. Besonders die gigantischen Eisberge Grönlands sind atemberaubend und ließen mir Schauer über den Rücken laufen.
Doch zu wissen, dass auf den Mann neben mir Verlass war – der Beste, den ich mir nur wünschen konnte – und ich es endlich gewagt hatte meinen langgehegten Traum in die Tat umzusetzen, das lässt sich mit keinem anderen Gefühl vergleichen.
Davon, und von meinem Weg dorthin soll dieses Buch erzählen. Von meinem Freund Yura, der dieses Abenteuer mit mir gewagt hat. Von Bob und Jeff, den Flugzeugliebhabern, die ich in mein Herz geschlossen habe. Den vielen Menschen, denen ich während der Vorbereitung meiner Reise begegnet bin, den verlassenen Flughäfen, die wir passierten, der Weite der Landschaft, über die wir geflogen sind und von den Menschen, die mich bei meinem Traum immer unterstützt haben, möchte ich erzählen.
Dieses Buch richtet sich an Flugzeugkenner und -liebhaber und solche, die es werden wollen. Aber auch an alle Abenteurer und Träumer, die mich auf meiner Reise durch die Lüfte begleiten wollen und vielleicht selbst einmal ein ähnliches Vorhaben wagen wollen. Den langen Weg bis zur eigentlichen Überquerung erkläre ich detailreich. Von den Anfängen, über die aufwendige Suche nach dem richtigen Flugzeug, dem Vorbereitungstraining und unseren Abenteuern in der Luft. So kann der Eine oder Andere vielleicht ein paar hilfreiche Tipps für sich mitnehmen.
Alles fing im Dezember 2017 an. Mit meiner Freundin Iris verbrachte ich den gemeinsamen Urlaub in den USA. Genauer gesagt, im wunderschönen San Diego, wo ich vor vielen Jahren meine Liebe zum Fliegen entdeckte. Wie jeder amerikanische Pilot muss man, um seine Lizenz zu behalten, alle 24 Monate einen Checkflug absolvieren. Ich wollte unseren Urlaub damit verbinden. Aus dem geplanten Checkflug wurden mehrere Flüge und meine alte Leidenschaft loderte wieder auf. Ich entschied mich, eine zweimotorige Beechcraft Dutches zu fliegen. In der Fachsprache eine BE76. Selbstverständlich war Iris mit an Bord und so flogen wir über Los Angeles nach Camarillo zum Mittagessen. Nachdem wir wieder im Hotel waren, kamen alle alten Träume wieder hoch, die schon lange in mir schlummerten. Ich hatte seit mehreren Jahren den Traum, einmal den Atlantik mit einem eigenen Flugzeug zu überqueren. Nachdem ich die letzten Jahre ein wenig gespart hatte, dachte ich mir, wenn ich jetzt nicht versuche, mir diesen Traum zu erfüllen, dann wird das niemals passieren. So verbrachte ich in diesem Urlaub viel Zeit damit, Flugzeugzeitungen und das Internet zu durchforsten. Ich erkundigte mich nach verschiedenen Flugzeugtypen. Aber dazu später mehr.
Ich bin überzeugt davon, dass jeder Mensch einen Traum hat. Nur wenige haben die Chance, ihren Traum zu leben. Traurig finde ich aber, wenn man grundsätzlich die Möglichkeit hat, seinen Träumen zu folgen, aber immer wieder Gründe findet, es nicht zu tun. In meinem Fall hatte ich die Möglichkeiten, meinen Wunsch zu erfüllen und ich wollte ihn um jeden Preis in die Tat umsetzen. Ausreden gab es jedoch viele: die Verpflichtung den Mitarbeitern gegenüber und meiner Familie. Insbesondere meine Tochter und meine Freundin mussten für eine Weile kürzertreten. Meine Freundin Iris war zu dieser Zeit mit unserem Sohn Maximus schwanger, der am 9. November 2019 auf die Welt kam.
Dass mein Vorhaben nicht einfach werden würde, war auch klar. Doch was im Endeffekt alles auf mich zukommen würde, war mir zu dem Zeitpunkt nicht bewusst.
Fast blauäugig ging ich an das ganze Thema heran. Dafür mit voller Begeisterung und Leidenschaft für die Sache. Wieder zuhause in Deutschland verbrachte ich viel Zeit damit, das richtige Flugzeug für mein Vorhaben zu finden. Ich habe alle möglichen Optionen und Modelle geprüft: von Piper über Cessna bis hin zur Mooney.
Nachdem ich das Internet fast leer gelesen, mich über Reichweiten der Flugzeuge und alle möglichen Zusatztanks informiert hatte, entschied ich mich vorerst für eine Mooney. Also sprich ein einmotoriges Flugzeug ohne Turbomotor. Nachdem meine Entscheidung feststand, erzählte ich meiner Familie von meinem Vorhaben und zeigte ihnen das Flugzeug, mit dem ich fliegen wollte. In den Augen meiner Mutter und auch Schwester konnte ich das blanke Entsetzen erkennen. Natürlich wurde angesprochen, dass es unverantwortlich sei, diesen Traum zu leben und ob ich Selbstmordgedanken hätte. Aber ich hatte meinen Entschluss gefasst und war nicht mehr bereit, mich umstimmen zu lassen. Mein Vater hat das ganze Vorhaben nicht weiter kommentiert. Er nahm mich eines Abends beiseite und sagte mir unter vier Augen, dass er sehr gut versteht, warum ich diesen Traum in die Tat umsetzen möchte. Er empfahl mir jedoch, ein zweimotoriges Flugzeug zu kaufen. Seiner Einschätzung nach seien die zweimotorigen sicherer und ich hätte doch ein paar Verpflichtungen, an die ich denken sollte. Diese Empfehlung nahm ich sehr ernst. Mein Vater war selbst Pilot und kannte sehr wohl den Unterschied. Leider ist er in der Zwischenzeit verstorben. Auch meine Freundin Iris stand von Anfang an voll und ganz hinter mir. Wenn das wirklich mein Traum sei, dann solle ich ihn leben, waren ihre Worte.
Eines Abends, als ich im Büro saß, kam mein Vater unerwartet vorbei. Er war sehr interessiert an dem Flugzeug, das ich ausgewählt hatte, und wollte die Mooney sehen. Nachdem ich ihm meine Auserwählte im Internet gezeigt hatte – wohl wissend, dass ein zweimotoriges Flugzeug wohl das bessere wäre – fragte er mich nochmals, ob ich mich nicht doch umentscheiden wolle. Er erklärte mir weitere Vorteile eines zweimotorigen Flugzeugs: Zum Beispiel könnte ich es auch in Deutschland nutzen, um Kunden zu besuchen. Bis zu diesem Abend war ich mir fast sicher, dass ich eine Mooney kaufen werde. Doch nach diesem sehr intensiven Gespräch sah ich mich auch auf dem Markt für zweimotorige Flugzeuge um. Nachdem ich viele Abende im Bett mit meinem iPad verbrachte, um mich einzulesen, fiel mir eine Cessna 340 aus Auburn, California auf. Als auch der Preis für mich passte, begann ich mich in das Thema Cessna 340 einzulesen. Ich las alle Unfallstatistiken sowie Erfahrungsberichte und Pros und Kontras. Mir wurde klar, dass ich noch einiges an Training absolvieren musste, bevor ich das Flugzeug beherrschen und fliegen konnte.
Ich schritt zur Tat und schrieb dem Verkäufer der Cessna eine E-Mail. Es stellte sich heraus, dass Andy in New York City ein deutsches Restaurant betrieb und zur Hälfte Deutscher war. Ein sehr netter Kerl. Über einen Zeitraum von zwei Monaten schrieben wir immer wieder hin und her. Ich fragte alle Fragen, die mir einfielen, selbst wenn sie mir dumm vorkamen. Doch Andy nahm sich die Zeit und beantwortete alles geduldig. Ich hatte ein gutes Gefühl mit ihm und wollte mir das Flugzeug unbedingt anschauen. Doch ein Problem gab es: Ich hatte keine Ahnung, wie man ein Flugzeug in den USA kauft und das Ganze abwickelt. Aber ich war voller Zuversicht! In einem nächsten Schritt musste ich einen Mechaniker beauftragen, der das Flugzeug genauer unter die Lupe nehmen sollte. Leider lief nicht alles so glatt, wie erhofft.
Ich beauftragte einen Mechaniker, eine Pre-Buy-Inspektion an dem Flugzeug vorzunehmen. Der Mechaniker kannte das Flugzeug und hatte die Jahresinspektion bereits einige Male am selben Flugzeug durchgeführt. Normalerweise sollte man jemanden kommen lassen, der weder das Flugzeug noch den Verkäufer kennt.
Erst im Nachhinein erfuhr ich, dass der Mechaniker und der Verkäufer gute Freunde waren. Aber man kann leider nicht alles im Vorfeld wissen. Bei der Pre-Buy-Inspektion war so weit alles okay, bis auf ein paar kleine Sachen. Diese wollte ich mit dem Verkäufer Face-to-Face klären. Der Pre-Buy-Mechaniker verzweifelte bald an mir. Ich stellte ihm die gleichen Fragen wie dem Verkäufer und quetschte ihn stundenlang über die Technik aus. Nachdem er die Flugzeugpapiere und Bücher geprüft und alles abgestempelt hatte, war es Zeit, den Verkäufer zu treffen.
Wie sieht die Kaufabwicklung aus, wenn das Flugzeug okay ist? Und wer wird Eigentümer? Das sind Fragen, mit denen man sich dringend beschäftigen sollte. Man kann als Deutscher nämlich kein amerikanisches Flugzeug besitzen. Das ist gesetzlich so geregelt. Also braucht man einen Mittelsmann, einen Trust oder einen amerikanischen Freund. Da ich lange Zeit in den USA gelebt habe, hatte ich genug Freunde, die ich fragen konnte. Nachdem ich mich in das Thema abends mal wieder nur ganz »kurz« eingelesen hatte – meine Freundin würde sagen: Monate eingelesen hatte – kam allerdings nur ein Trust für mich infrage. Der Trust wurde auch von der amerikanischen Luftfahrtbehörde FAA, der Federal Aviation Administration geprüft.
Nachdem diese Entscheidung gefallen war, machte ich das Internet erneut unsicher und las alle möglichen Bewertungen über den Trust. Nach einer intensiven abendlichen, natürlich nur »kurzen« Recherche, bei der manche wichtigen Menschen in meinem Leben zu kurz gekommen waren, hatte ich Detlef gefunden. Detlef betreibt einen Trust und ist Deutscher. Ich durchlöcherte auch ihn mit meinen Fragen und nervte ihn Tag und Nacht. Bald darauf stand dann auch der Trust fest.
Okay, so weit so gut, aber wie funktioniert denn jetzt die Abwicklung im Detail?
In Deutschland erfolgen solche Abwicklungen über einen Treuhänder. Selbstverständlich wird das auch in den USA so gehandhabt. Durch die AOPA USA – Aircraft Owners and Pilots Association – fand ich einen Treuhänder, der sich ausschließlich auf Flugzeuge konzentriert. Endlich war dieses Problem gelöst und ich konnte die nächsten Schritte angehen. Da ich die Cessna 340 lediglich aus dem rechten Sitz gesehen habe, und das auch nur kaum, wollte und musste ich ein Training absolvieren. In den USA gibt es die besten Simulatoren, die Auswahl ist wirklich enorm. Nachdem ich die bekannten Trainingsanbieter abgeklappert hatte, las ich in einem Artikel über einen ehemaligen Delta-Airline-Kapitän namens Jeff, der über eine eigene Trainingsstätte verfügte, inklusive eines Simulators. Nachdem diverse andere Trainingsstätten meine E-Mails mit einem Standardtext beantwortete hatten, schrieb der ehemalige Delta-Kapitän auf meine detaillierten Fragen mit präzisen Antworten zurück.
Nach ungefähr sechs E-Mails hin und her nahm ich den Hörer in die Hand und rief ihn schließlich an. Nach diesem Telefonat war mir klar, dass ich mein Training mit Jeff absolvieren möchte.
Im Februar 2018 ging die Reise endlich los. Ich wollte vorher mein Simulatortraining in Los Angeles absolvieren und mir dann das Flugzeug anschauen. Danach war geplant, den Verkäufer und den Mechaniker, der die Pre-Buy-Inspektion durchgeführt hatte zu treffen. Nach meiner Landung in Los Angeles fuhr ich sofort nach El Monte im östlichen Teil der Stadt. Der Stadtteil wird auch Klein-Asien genannt. Bei meiner Ankunft im Trainingszentrum empfing mich Jeff schon sehr herzlich. Er war mir auf der Stelle sympathisch. Ein 70-Jähriger, mit lichtem grauem Haar und einem etwas größeren Bäuchlein. Er lächelte viel und strahlte eine unglaubliche Gelassenheit aus. Die erste Stunde redeten wir über Gott und die Welt. Jeff erzählte mir, dass er als Kapitän lange mit einer 767 geflogen war, bis er sich zur Ruhe gesetzt hatte. Da er seinen Lebensabend nicht einfach zuhause verbringen wollte, gründete er ein Trainingszentrum, das sich auf Cessnas der 300er- und 400er-Serien spezialisierte.
Als ich ihm von meinem Vorhaben erzählte, hörte er mir angeregt zu. Nachdem wir uns festgequatscht hatten, machte sich auch mein Jetlag bemerkbar. Wir verabschiedeten uns und ich ging ins Hotel. Ich musste ja am nächsten Tag fit sein für unseren ersten von drei Trainingstagen. Um acht Uhr morgens empfing mich Jeff schon mit duftendem Kaffee und leckeren Donuts. Ich war froh, dass Jeff Donuts dabeihatte. Von den fünf mitgebrachten verdrückte er ganze vier Stück. Aber auch mit einem Donut war ich überglücklich und voller Vorfreude auf die nächsten drei Tage. In der Einleitung wurde das gesamte Programm vorgestellt. Die drei Tage waren minutiös geplant. Beendet wurde das Programm mit einem schriftlichen Test und einem Simulatorflug. Aber an diesem Morgen wurden wir erst einmal in die verschiedenen Flugzeugsysteme eingeführt. Den Kopf voller Informationen freute ich mich bald auf eine Pause. Zum Mittagessen lud Jeff mich, wie nicht anders zu erwarten in die Flugzeuggaststätte ein und wir kamen mit einigen Leuten ins Gespräch. Jeff kannte hier wirklich jeden und jeder kannte den lachenden, stets gut gelaunten Jeff. Wie selbstverständlich stellte Jeff mich jedem am Flughafen vor und erzählte allen von meinem Vorhaben. Ich fühlte mich herzlich aufgenommen. Nach dem unterhaltsamen Mittagessen stand der erste Simulatorflug an. An diesem ersten Tag übten wir alle möglichen Flugausfälle vom Motorfeuer bis zum Reifenplatzer. Wohlgemerkt bei gutem Sichtwetter!
Schon da bin ich schon ganz schön ins Schwitzen gekommen. Gegen 19 Uhr hatten wir das Simulatortraining für den ersten Tag abgeschlossen. Aber Jeff war noch nicht fertig. Er wollte mir unbedingt sein eigenes Flugzeug zeigen, eine Cessna 206 Centurion. Ich war begeistert von der Idee, obwohl sich schon die erste Müdigkeit bei mir bemerkbar machte. Jeff erklärte mir jeden einzelnen Knopf in seinem Flugzeug. Danach alberten wir noch ein wenig herum. Nach diesem Tag fiel ich abends erschöpft aber glücklich ins Bett und schlief wie ein Murmeltier!
Der zweite Tag in El Monte oder KEMT, wie der ICAO-Code des Flugplatzes lautet, startete früh. Diesmal brachte ich die Donuts mit. Ein paar mehr: Sicher ist sicher. Trotz der frühen Morgenstunden war Jeff wieder super gelaunt und brachte mich mehrmals zum Lachen. Seine Lebensfreude hat mich mehr als beeindruckt. Nachdem wir eine Weile herumgealbert hatten, wurde es wieder ernst: Flugzeugsysteme Teil zwei war an der Reihe. Nachdem wir sämtliche Fahrwerksprobleme diskutiert hatten, freuten wir uns auf die Mittagspause. Im Flughafenrestaurant trafen wir auf Bob. Einen guten Freund von Jeff. Bob ist 80 Jahre alt, Physiker, der in seinem Leben ein paar Firmen gegründet hat. Doch in seinem Herzen war er der geborene Erfinder. Bob tüftelte an allem, was die Luftfahrt berührt. Umso mehr freute ich mich, als er mir anbot mit in seinen Hangar zu kommen. Sofort war ich von seiner neuesten Erfindung begeistert. Bob hatte eine iPad-Halterung für das Steuerhorn entwickelt. Man könnte meinen, das ist ganz einfach und nichts Besonderes. Doch Bobs Halterung war nicht nur höhenverstellbar, sondern auch mit einer integrierten iPad-Kühlung ausgestattet. Eine bahnbrechende Erfindung, da der Pilot Flugsoftware auf das iPad spielen und so zur Navigation nutzen kann. Da das iPad dadurch nie in den Ruhemodus versetzt wird, überhitzt die Batterie schnell und das Gerät läuft Gefahr, abzustürzen. Ein wahres Genie, dieser Bob!
Bob und Jeff waren wie zwei kleine Kinder. Von ihrer unbändigen Lebensfreude ließ ich mich sofort anstecken. Immer gut gelaunt machten sie die drei Tage Training zu einem unvergesslichen Erlebnis. Ich hatte zwei gute Freunde gewonnen! Nach der spannenden Erfinderstunde im Hangar übten wir alle Notfälle IMC im Simulator. Also sprich: in den Wolken. Das war weitaus anstrengender als bei gutem Sichtwetter. Der Simulator hat mich richtig in die Mangel genommen: Es dauerte Stunden, bis das Prozedere einigermaßen saß. Das abendliche Bier danach hatten Jeff und ich uns mehr als verdient. Jeff war mir so sympathisch, dass ich ihn kurzerhand fragte, ob er mit nach Auburn kommen und mit mir die 340er anschauen wolle. Jeff sagte sofort zu und nahm mich in den Arm. Ich hatte das Gefühl, dass er darüber noch ein bisschen glücklicher war als ich. Am dritten Tag der Ausbildung stand Theorie Teil drei mit anschließendem Test auf dem Programm. Der theoretische Test war schwer, aber ich bestand ihn. Nicht gut, aber Hauptsache bestanden!
Glücklich nach bestandener Prüfung!
Wie zur Belohnung wartete ein kleines Abenteuer auf mich: Nach dem Mittagessen, bei dem auch Bob vorbeischaute, fragte mich Jeff, ob ich seine 421 sehen wolle, die er momentan für einen Kunden flog. Selbstverständlich wollte ich sie sehen! Doch sie stand nicht auf dem Flugplatz. Das war mir auch egal. Ich hatte ja Zeit.
Also dachte ich, wir würden zum Flughafen fahren. Doch Jeff hatte eine andere Idee. Wir fuhren zu Bobs Hangar und dann mit Bobs Flugzeug zu einem 30 Kilometer entfernten Flughafen. Auf der Fahrt zum Hangar erzählte mir Jeff, dass Bob früher sehr oft mit dem Flugzeug zur Arbeit und wieder zurückgeflogen war. Aufgrund seines hohen Alters hat er jedoch mittlerweile gesundheitliche Probleme: Herz und Kreislauf. Das überraschte mich sehr. Bob sah in meinen Augen ausgesprochen fit aus.
Da das Flugzeug von Bob bewegt werden musste, war klar, dass wir mit seiner Maschine fliegen würden.
Wir flogen von El Monte nach Bracket Airport. Angekommen in Bracket stellt mir Jeff wieder jeden einzelnen Flughafenmitarbeiter vor. Im Anschluss besuchten wir eine Flugzeugwerft. Nachdem ich den Senior-Chef der Werft kennengelernt hatte, stellte er mir auch seine Tochter vor. Jeff nennt sie die »Dragon Lady«. Warum, das würde ich später auch noch erfahren. Nach der Vorstellungsrunde verriet mir Jeff endlich, warum wir eigentlich hier waren. Wir liefen auf einen Hangar zu, der schon von außen alle anderen Hangars in den Schatten stellte. Doch was ich im Inneren erblickte, verschlug mir regelrecht die Sprache. Der Hangar war komplett zu einer Luxus-Halle ausgebaut worden: edelste Fußböden, antike Möbel und unzählige tolle und auch sehr teure Autos. Daneben stand die Cessna 421. Poliert und wie aus dem Ei gepellt. Ich kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Jeff öffnete die Türe und ließ mich auf dem Pilotensitz Platz nehmen. Er erklärt mir wieder mal jeden einzelnen Kopf und ich bin im Himmel. Ein sehr angenehmer Ausflug im wahrsten Sinne des Wortes.
Nachdem ich gefühlt jeden Knopf im Flugzeug begutachtet hatte, flogen wir mit Bobs Flugzeug zurück nach El Monte. In El Monte angekommen ließen wir beide diesen wunderbaren Tag bei einem gemütlichen Bier ausklingen. Nachdem ich anschließend im Hotel noch ein paar Vorbereitungen für den morgigen Checkflug getroffen hatte, fiel ich überglücklich ins Bett. Den Jetlag spürte ich leider immer noch ein wenig.
Am nächsten Tag stand der letzte Teil im Simulator an. Der Checkflug. Die Route hatte ich abends im Hotel vorbereitet inklusive Treibstoffplanung und Weight und Balance. Schon beim Start ging es anspruchsvoll los. IFR Departure Procedere, also sprich: Start bei absolut schlechtem Wetter. Danach auch noch »Engine out«. Ich wurde nervös. Die Geschwindigkeit war schon zu hoch, um den Start abzubrechen. Das sagten mir meine Berechnungen, also musste ich mit dem Single-Engine rein in die Schlechtwetter-Suppe. Für Jeff war das okay. Dann startete ich noch einmal. Diesmal lässt er mir beide Motoren. Dafür jagt er jetzt ein Reh über die Startbahn und ich muss den Start abbrechen. Auch alles gut. Jeff meinte nur, dass er das schon mal besser gesehen hätte, aber nicht von mir. Ich bin zu angespannt, um zu lächeln. Okay. Es geht an Start Nummer drei. Was kann jetzt noch passieren? Na klar, »Engine out« beim Start, aber noch genug Bahn da, um nicht abheben zu müssen. Ich bin erleichtert. Bei Start Nummer vier gibt es ein Reifenplatzer und ich kann das Flugzeug nicht auf der Bahn halten. Jeff meinte danach, dass es fast unmöglich ist, auf solch einer kleinen Bahn zu bleiben. Würden ihm so viele Dinge bei einem Versuch zu starten passieren, würde er sich wahrscheinlich fragen, ob es überhaupt ein guter Tag zum Fliegen wäre, meinte er. Das beruhigte mich ein wenig. Die Startübungen waren immerhin geschafft. Die Startverfahren waren okay. Dann brachte Jeff mich auf 25 000 Fuß. Das Schöne an dem Simulator ist, dass man alle möglichen Notfälle nachstellen kann. Das wirkt enorm real, man bekommt Schweißperlen auf der Stirn und hat das Gefühl wirklich zu fliegen. Die Töne und die Vibrationen des Simulators machen das Trainingserlebnis komplett.
Ich war wieder auf 25 000 Fuß, also circa in 7600 Metern Höhe. Doch diesmal fiel das Triebwerk aus: »Dead foot, dead Engine.« Danach folgte die Emergency-Checkliste. Alles okay. Darauf folgten ein paar In-Flight-Not- fälle wie ein Druckverlust und ein kranker Passagier. Sehr aufregend das Ganze. Ich stand noch unter Strom von den vorherigen Übungen, doch im Anschluss gingen wir gleich zu den Instrumentenanflügen über. Allerdings nur mit einem Motor. Das Ganze wurde bis ins kleinste Detail durchexerziert. Langsam wurde mir richtig übel und mein T-Shirt war nassgeschwitzt. Erschöpft, aber glücklich kroch ich aus dem Simulator heraus. Bestanden hatte ich, aber eine 340er alleine fliegen – das war wirklich noch zu viel des Guten. Das war mir bei diesem Checkflug klar geworden. Abends wieder ein, na gut vielleicht auch zwei Bierchen mit Jeff. Er bot mir an, mitzukommen, wenn ich tatsächlich nach Auburn wolle, um das Flugzeug zu bewerten und zu fliegen. Das freute mich sehr, da ich kaum Ahnung hatte und seine Meinung sehr schätzte. Er schlug sogar vor, mit seinem Flugzeug hochzufliegen und mit mir dortzubleiben. So eine Einladung konnte ich auf keinen Fall ausschlagen! Den Ursprungsplan mit einem Mietauto nach Auburn zu fahren, ließ ich getrost hinter mir. Nach den mittlerweile zum Standard gewordenen drei Bier ging es ab ins Bett. Nach dem aufreibenden Training hatte ich vor, am nächsten Tag gemütlich im Hotel zu entspannen und einfach mal gar nichts zu machen. Eine kleine Pause zum Durchatmen hatte ich mir redlich verdient.