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Dieser Band enthält folgende SF-Romane: Die Exodus-Flotte (Alfred Bekker) Arena im All (Mara Laue) Der Planet in der Dunkelwolke (Malcolm Jameson) Fairoglan der Galaxienwanderer (Alfred Bekker) Captain Rena Sunfrost stemmte sich einen großen Behälter mit Trepran auf die Schulter und reihte sich in den Strom der Leute ein, die den Vorratsraum verließen und den Zuschauerrängen der Großen Arena zustrebten. Ich bekomme langsam Übung in der Handhabung dieser Dinger, dachte sie missmutig. Und wenn ich wieder zu Hause bin, habe ich Muskeln wie ein Ringer. Allerdings sahen die Chance, je wieder nach Hause zu kommen, nicht sehr gut aus. Genau genommen, gab es im Moment gar keine. Seit Rena beim Überfall der Morrhm auf die STERNENKRIEGER von diesen Wesen, die sie nur als Barbaren bezeichnen konnte, entführt worden war, lebte sie gezwungenermaßen das Leben einer Arbeitsbiene, deren Tage nur aus Frondiensten bestanden. Von morgens bis abends mussten sie und ihre Leidensgenossen – in der Mehrheit K'aradan, aber auch einige Rena bisher unbekannte Spezies – Arbeiten verrichten, die auf den Humanen Welten teilweise schon seit zweihundert Jahren von Maschinen übernommen wurden. Dabei hatte Rena noch Glück. Sie war Koggru zugeteilt, dem obersten Schamanen an Bord des Morrhm-Mutterschiffs LASHGRA. Damit war dieser Leitender Ingenieur und Chefarzt in Personalunion. So wurden Sunfrost wenigstens die gefährlichsten und schmutzigsten Arbeiten erspart. Außerdem genoss sie Koggrus Schutz, was ihr innerhalb der Sklavengesellschaft einiges an Auftrieb verschafft hatte. Zurzeit war Rena zusammen mit anderen für die Zubereitung der Nahrungsmittel zuständig. An Kampftagen wie diesem, bei dem sich die Morrhm gegenseitig in oft tödlich verlaufenden Kampfspielen die breiten Schädel einschlugen, musste sie die fertigen Snacks unter den Zuschauern verteilen. Und die Morrhm waren ausgesprochen gefräßig. Trepran waren sehr fetthaltige Pasteten aus einem herbsüßen Teig mit einer Art Pilzfüllung. Und die Sklaven konnten den Nachschub nicht schnell genug heranschaffen.
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Seitenzahl: 450
Veröffentlichungsjahr: 2025
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4 Science Fiction Abenteuer Sonderband 1051
Copyright
Die Mission
Die Exodus-Flotte
Mission Space Army Corps 16: Arena im All: Chronik der Sternenkrieger
Übersicht Chronik der Sternenkrieger
Der Planet in der Dunkelwolke: Science Fiction
Fairoglan der Galaxienwanderer
Titelseite
Cover
Inhaltsverzeichnis
Buchanfang
Dieser Band enthält folgende SF-Romane:
Die Exodus-Flotte (Alfred Bekker)
Arena im All (Mara Laue)
Der Planet in der Dunkelwolke (Malcolm Jameson)
Fairoglan der Galaxienwanderer (Alfred Bekker)
Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von
Alfred Bekker
© Roman by Author
COVER A.PANADERO
© dieser Ausgabe 2025 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen
Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.
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Vier Science Fiction Romanserien - ein Kosmos!
CHRONIK DER STERNENKRIEGER - die kontinuierlich fortlaufende SF-Serie über die Abenteuer des Raumschiffs Sternenkrieger. Bislang 47 Romane.
CHRONIK DER STERNENKRIEGER EXTRA - Extra-Romane und Stories aus dem Sternenkrieger-Universum. Bislang 4 Titel.
COMMANDER REILLY - das kontinuierlich fortlaufende Prequel über die Abenteuer des Raumschiffs Sternenkrieger unter seinem ersten Kommandanten. Bislang 22 Romane.
MISSION SPACE ARMY CORPS - Romane aus dem Sternenkrieger Kosmos über die Abenteuer des Raumschiffs Sternenkrieger und anderer Schiffe des Space Army Corps der Humanen Welten in den Weiten der Galaxis. Mehr als 30 Titel in Vorbereitung.
Im Verlauf des 23.Jahrhunderts wird die Menschheit durch Angriffe aggressiver Alien-Zivilisationen bedroht. Die Raumschiffe des Space Army Corps stellen sich diesen Bedrohungen entgegen und erforschen die Weite des Alls.
Roman von Alfred Bekker
Originalausgabe
Ein CassiopeiaPress E-Book
© 2014 by Alfred Bekker
© der Digitalausgabe 2014 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich (Westf.)
www.AlfredBekker.de
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Mitte des 23.Jahrhunderts brach die Crew des Raumschiffs STERNENKRIEGER in bis dahin unbekannte Regionen des Weltalls auf und begab sich auf die Spur einer uralten Zivilisation, die vor Äonen die Galaxis beherrschte.
Feindliche Aliens bedrohen die Menschheit ebenso wie die eigene Hybris - und das uralte Erbe könnte Segen und Fluch zugleich sein.
Cover: Steve Mayer
Alfred Bekker schrieb die fesselnden Space Operas der Serie CHRONIK DER STERNENKRIEGER. Seine Romane um DAS REICH DER ELBEN, die GORIAN-Trilogie und die DRACHENERDE-SAGA machten ihn einem großen Publikum bekannt. Er schrieb für junge Leser die Fantasy-Zyklen ELBENKINDER, DIE WILDEN ORKS, ZWERGENKINDER und ELVANY sowie historische Abenteuer wie DER GEHEIMNISVOLLE MÖNCH, LEONARDOS DRACHEN, TUTENCHAMUN UND DIE FALSCHE MUMIE und andere. In seinem Kriminalroman DER TEUFEL VON MÜNSTER machte er mit dem Elbenkrieger Branagorn eine Hauptfigur seiner Fantasy-Romane zum Ermittler in einem höchst irdischen Mordfall. Zuletzt erschien DER BEFREIER DER HALBLINGE bei Blanvalet.
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Die Hauptpersonen des Romans:
Captain Rena Sunfrost - Kommandantin der STERNENKRIEGER.
Commander Van Doren - Erster Offizier der STERNENKRIEGER
Lieutenant Commander Robert Ukasi - Taktikoffizier und Zweiter Offizier.
Lieutenant Wiley Riggs - Ortungsoffizier
Lieutenant Erixon - Chefingenieur der STERNENKRIEGER
Corporal Raggie S. Terrifor - kommandiert die Space Marines Truppe an Bord.
Lieutenant Jamalkerim - Kommunikationsoffizierin.
Lieutenant John Taranos - Rudergänger.
Fähnrich Lin Al-Katibi - Zweiter Rudergänger.
Bruder Guillermo - eigentlich Guillermo Benford, gehört dem Wissenschaftlerorden der Olvanorer an.
Dr. Ash Trent - Schiffsarzt.
Captain Barus - Kommandant des Schwesterschiffs der STERNENKRIEGER.
Commander McKee - Erste Offizierin unter Captain Barus.
Lieutenant Commander Webber J. Davidson - Taktikoffizier.
Lieutenant James Teluvion - Ortungsoffizier
Lieutenant Guofeng Smith - Kommunikationsoffizier.
Die Canyaj - eine anorganische Spezies.
Die Yyroa - humanoide, PSI-begabte Spezies.
Fairoglan und Shafor - Die Sucher und Kundschafter der Yyroa-Koalition.
Admiral Ned Nainovel - Kommandant der LEVIATHAN und derzeit Wächter an der Wurmloch-Porta.
Raphael Wong - gerade zum Captain des Zerstörers ODYSSEUS ernannter Ex-I.O. der STERNENKRIEGER.
Commander David Kronstein - Erster Offizier der ODYSSEUS.
Dr. Patricia Mangoli - gehört zum medizinischen Team an Bord des Zerstörers ODYSSEUS.
Master Sergeant J. L. Gerard - Space Marine an Bord der ODYSSEUS.
Lieutenant Messina - Shuttle-Pilotin der ODYSSEUS LANDER 5
Commander Jorian Kelly - Taktikoffizier des Zerstörers ODYSSEUS, umweltangepasster Supererden-Zwerg von dem irdischen Kolonialplaneten Maldena 22b
Aus dem Logbuch des Raumschiffs STERNENKRIEGER:
Die STERNENKRIEGER befindet sich zusammen mit ihrem Schwesterschiff noch immer auf einer Expedition in den Machtbereich der Etnord. Unser Auftrag ist es, den Ursprung der geheimnisvollen Lichtsonden zu ergründen, die sowohl unerklärlicherweise zeitgleich an weit auseinanderliegenden Orten auftauchten und deren Ursprung unbekannt ist.
Gleichzeitig brechen überall Schiffe von den Etnord-Welten mit unbekanntem Ziel auf. Die Etnord scheinen einem geheimnisvollen Ruf zu einem Exodus mit unbekanntem Ziel zu folgen. Und es könnte sein, dass beide Phänomene miteinander in Zusammenhang stehen…
Eintrag vom 5.2.2256, Bordzeit 11.45: Commander Van Doren, Erster Offizier in Stellvertretung des Captains.
*
"Normaler Sandström-Flug", meldete Fähnrich Al-Katibi, der gerade die Position des diensthabenden Rudergängers an Bord der STERNENKRIEGER innehatte. "Keinerlei Anomalie erkennbar. Erreichen geplanten Austrittspunkt in cirka zwei Stunden und gehen dann planmäßig auf Unterlichtflug."
"Gut", sagte Rena Sunfrost. Die Kommandantin der STERNENKRIEGER hatte gerade im Sitz des Captains Platz genommen. Sie wandte sich an ihren Ersten Offizier. "Sie können sich diese zwei Stunden zu Ihrer persönlichen Verfügung freinehmen, Commander Van Doren."
"Danke, Captain."
Sunfrost lächelte. "Bis zum Austritt aus dem Zwischenraum werde ich es hier schon ohne Sie schaffen - aber danach hätte ich Sie gerne wieder hier."
"Das möchte ich mir auch ungern entgehen lassen, Captain." Van Doren wandte sich an Al-Katibi. "Ich glaube, Ihre Schicht ist auch vorbei, Mister Al-Katabi."
"Ich habe mit Lieutenant Taranos vereinbart, dass er zehn Minuten später kommen kann und…"
In diesem Augenblick betrat Lieutenant John Taranos die Brücke und meldete sich zum Dienst.
Al-Katibi erhob sich von seinem Platz.
Es wirkt fast so, als wäre er enttäuscht darüber, nicht noch länger am Ruder zu sitzen, ging es Sunfrost durch den Kopf. Kein Zweifel, er macht den Job als Rudergänger wirklich sehr gerne. Fast so, als wäre er mit der Konsole schon symbiotisch verwachsen.
John Taranos nahm seinen Posten ein, während Van Doren und Al-Katibi die Brücke der STERNENKRIEGER verließen.
"Ein Funkspruch von der SONNENWIND", meldete unterdessen Fähnrich Dunston, der im Augenblick Lieutenant Susan Jamalkerim an der Konsole des Kommunikationsoffiziers vertrat.
"Dann schalten Sie den Kom-Kanal frei, Fähnrich", sagt Sunfrost.
"Aye, Captain."
Auf einem Nebenbildschirm erschien das Gesicht von Captain Barus. Der Kommandant der SONNENWIND, die ein vollkommen baugleiches Schwesterschiff der STERNENKRIEGER war, hob die Augenbrauen. "Guten Tag, Captain Sunfrost. Ich hoffe, bei Ihnen ist alles in Ordnung."
"Im Moment haben wir keinen Grund zur Klage, Captain Barus", gab Rena zurück.
"Lieutenant Guofeng Smith, mein überaus begabter Kommunikationsoffizier, hat einen schwachen Kommunikationsimpuls im Sandström-Funkspektrum aufgefangen."
Daran, dass Captain Barus seinen Kommunikationsoffizier zumeist mit Vor- und Nachnamen bezeichnete, hatte sich Rena Sunfrost inzwischen schon gewöhnt. Es hatte wohl damit zu tun, dass Smith innerhalb der Humanen Welten ein ziemlich häufiger Name war und es selbst an Bord der SONNENWIND auch noch einen Geschützoffizier mit gleichem Rang und gleichem Namen gab, machte diese Klarstellung wohl notwendig.
Captain Barus fuhr fort: "Es handelt sich der Kennung nach um eine Botschaft von Taralon."
"Vielleicht eine Nachricht des Herrn der Etnord?", vermutete Sunfrost.
"Die verwendete Signalart und die Kennung machen das sehr wahrscheinlich. Aber leider können wir den Inhalt bisher nicht entschlüsseln. Auch wenn mein Kommunikationsoffizier das nur ungern zugeben würde - er braucht Hilfe! Und Sie haben doch schließlich dieses Olvanorer-Genie an Bord."
"Bruder Guillermo wird Ihnen gerne helfen. Ich schlage vor, Sie übertragen die Daten an die STERNENKRIEGER. Und Lieutenant Guofeng Smith sollte sich dann direkt mit Bruder Guillermo in Verbindung setzen. Da wir uns zurzeit in einem ganz regulären Sandström-Flug befinden, dürfte es keine Schwierigkeiten geben, was die Qualität der Datenverbindung angeht."
"Die Etnord verlassen im Moment in Scharen die von ihnen eroberten Welten", stellte Captain Barus fest. "Es müssen inzwischen Millionen Raumschiffe sein, die sich mit bisher unbekanntem Ziel auf den Weg gemacht haben, so als würden sie einem geheimen Ruf folgen… Wenn man nun von Taralon aus eine Nachricht über eine so weite Distanz aussendet, dann muss das eine besondere Bedeutung haben."
"Ich werde der Sache die entsprechende Priorität einräumen, Captain Barus", versprach Sunfrost.
Er hat eine sehr subtile Art, mir deutlich zu machen, dass wir zwar denselben Rang bekleiden, aber er auf Grund seines höheren Dienstalters die Leitung dieser Mission innehat, ging es ihr dabei durch den Kopf.
"Danke, Sunfrost. Falls nicht irgend etwas Unvorhergesehenes eintritt, sprechen wir nach Austritt aus dem Zwischenraum wieder miteinander."
"In Ordnung, Sir."
"Barus, Ende!"
Das Bild des Captains der SONNENWIND verschwand vom Schirm.
"Wir bekommen eine Datentransmission von der SONNENWIND", meldete indessen Fähnrich Dunston.
"Das ging ja schnell", murmelte Rena Sunfrost. "Stellen Sie eine Verbindung zu Bruder Guillermo her und sagen Sie ihm, dass es Arbeit für einen Wissenschaftler gibt, Fähnrich Dunston."
"Aye, aye, Captain."
*
"Um ehrlich zu sein, ich bedaure es, dass an dieser Expedition keine qualifizierten Wissenschaftler teilnehmen", sagte Bruder Guillermo, während er gerade seinen Salat zu Ende gegessen und sein Glas mit klarem Wasser ausgetrunken hatte. Er saß zusammen mit Chefingenieur Lieutenant Erixon und Schiffsarzt Dr. Ash Trent zusammen in einem der Aufenthaltsräume der STERNENKRIEGER.
"Nicht gerade schmeichelhaft, was Sie da sagen", meinte Trent.
"Äh, ich wollte nicht…"
"...damit sagen, dass ich als Arzt und Biologe kein Wissenschaftler bin, der das Attribut qualifiziert beanspruchen könnte?"
"Wie gesagt, das hatte ich damit keinesfalls ausdrücken wollen, Dr. Trent."
"Mir ist jede Eitelkeit fremd, Bruder Guillermo. Aber ich bin auch niemand, der mit seiner Meinung hinter dem Berg hält. Und ich halte diesen Professor von Schlichten, dessen Anwesenheit wir alle für einige Zeit an Bord der STERNENKRIEGER ertragen mussten, für einen arroganten Sack. Jemand, der den Rest der Menschheit für geistig unterentwickelt hält und das auch jeden spüren lässt, mit dem er redet."
"Nun, vielleicht sind wir das ja auch alle in gewisser Weise", meinte Erixon dazu, ehe Bruder Guillermo etwa sagen konnte. "Geistig unterentwickelt, meine ich. Zumindest, wenn man die Sache aus von Schlichtens Perspektive betrachtet."
"Und das sagt jemand, der sogar genetisch optimiert wurde", höhnte Trent.
Erixon wandte Trent das Gesicht zu und und sah ihn mit seinen infrarotsichtigen Facettenaugen an. "Mein Respekt vor von Schlichten war immer extrem hoch, zumindest was die wissenschaftliche Seite angeht. Ansonsten halte ich ihn für einen Sklaven des Far Galaxy Konzerns und daher war ich mir nie so ganz sicher, ob wir und er wirklich dieselben Ziele verfolgen."
"Nun, es gab da sicher eine ausreichend große Schnittmenge", griff jetzt Bruder Guillermo wieder in das Gespräch ein. "Aber es dürfte eins unstrittig ein: Es gibt kaum jemanden, der so viel über die Technik der Alten Götter weiß wie von Schlichten. Und es könnte sehr gut sein, dass wir auf unserer Expedition ins Etnord-Gebiet auf Rätsel stoßen, die mit diesem Themenkomplex zu tun haben. Man stelle sich das nur vor: Wir haben vielleicht plötzlich den Schlüssel in der Hand, um das Rätsel dieser uralten, verschollenen Spezies endgültig zu lüften, aber es ist niemand an Bord, der das richtig zu interpretieren weiß."
"Soweit ich weiß, war es von Schlichtens Wunsch, nicht an dieser Expedition teilzunehmen", meinte Trent.
"Wurde er denn angefragt?", erkundigt sich Bruder Guillermo.
"Das nehme ich an."
"Das nehmen Sie an. Aber ich glaube, man hat ihn gar nicht erst gefragt", meinte Bruder Guillermo.
"Und wie kommen Sie darauf?", fragte Trent.
Bruder Guillermo hob die Augenbrauen.
"Anders als unsere Expedition ins Morrhm-Gebiet ist diese Reise von vornherein als militärische Aktion geplant gewesen. Die geheimnisvollen Lichtsonden, die plötzlich überall auftauchten, stellten ein Sicherheitsproblem da. Man sah darin im Space Army Corp und im Humanen Rat in erster Linie den Angriff einer unbekannten Macht, die versucht, uns auszuforschen. Und ich könnte mir denken, dass Admiral Raimondo dafür gesorgt hat, dass man unseren Vorstoß durch Wurmloch Alpha ins Etnord-Gebiet nicht noch mit so etwas wie Forschung belastet."
"Das klingt jetzt für Ihre Verhältnisse ungewöhnlich bitter, Bruder Guillermo.
"Ich bin auch ungewöhnlich wütend darüber."
"Könnte es nicht sein, dass Sie sich da nur eine Art Verschwörungstheorie zurechtgezimmert haben? Könnte es nicht auch sein, dass von Schlichten einfach Besseres zu tun hatte oder zumindest daran glaubte und deswegen tatsächlich keine Lust hatte, sich auf eine gefährliche Mission in eine fast fünfzigtausend Lichtjahre entfernte, auf der anderen Seite der Galaxis gelegene Weltraumregion zu begeben, die wir ohne Hilfe der Wurmlochstraßen, die uns die Alten Götter hinterließen, wahrscheinlich selbst in tausend Jahre noch nicht erreichen könnten?"
Ein Ton, so scharf wie ein Rasiermesser, dachte Bruder Guillermo. Und wahrscheinlich ist das auch der Grund dafür, weshalb Sie manche an Bord einfach nicht ausstehen können, Dr. Trent. Laut sagte der Olvanorer-Mönch: "Vielleicht haben Sie Recht, Doktor. Aber wissen Sie, das Thema der Alten Götter und alles was mit dieser geheimnisvollen Spezies zusammenhängt, fasziniert mich seit wir im Tardelli-System zum ersten Mal auf ihre Hinterlassenschaften stießen. Und was immer man über von Schlichtens menschliche Qualitäten auch sagen mag, er hat immerhin dazu beigetragen, dass wir wenigstens ein bisschen von dem verstehen, was es mit dieser Rasse auf sich hatte, als jeder andere. Und ganz ehrlich: Ich habe immer gerne mit ihm zusammengearbeitet."
"Da sind Sie vermutlich der Einzige", sagte Dr. Trent. "Oder sind Sie auch ein Fan dieses Kotzbrockens, Lieutenant Erixon?"
"Nun, um ehrlich zu sein… Es geht mir wie Ihnen, Trent. Ich mag ihn nicht."
"Sehen Sie!"
"Aber ich mag Sie auch nicht. Trotzdem würde ich mich von Ihnen behandeln lassen, wenn im Umkreis von 50 000 Lichtjahren kein anderer menschlicher Arzt in der Nähe ist, der nicht zum Wirtskörper eines Etnord geworden ist. Natürlich könnte ich den Schiffsarzt der SONNENWIND über eine Sandström-Funkverbindung um eine Ferndiagnose bitten. Aber das überlege ich mir, wenn es soweit sein sollte."
"Was Sie nicht sagen, Erixon." Trent wandte sich Bruder Guillermo zu, während er den Rest seines Getränks leerte. "Als nächstes werden Sie mir vermutlich sagen, dass Sie es bedauern, dass dieser Vogel nicht mehr an Bord ist."
Mit ‘diesem Vogel’ meinte Trent offenkundig Austauschoffizier Nirat-Son. Aber nachdem das Austauschprogramm mit der Raumflotte der Qriid noch einmal eher halbherzig fortgesetzt worden war, hatte sich Nirat-Son inzwischen daraus abberufen lassen. Das lag wohl auch daran, dass er immer dann, wenn es um Missionen ging, deren Sicherheitsstatus als heikel eingestuft wurde, damit rechnen musste, von Bord beordert zu werden. Dies war wiederholt geschehen. Bruder Guillermo konnte gut verstehen, dass dies auf Dauer für Nirat-Son untragbar gewesen war.
Aber die Abwesenheit des Qriid bedauerte Bruder Guillermo in der Tat, auch wenn es kaum eine Ansicht gab, die der pazifistisch eingestellte Olvanorer-Mönch und der Gotteskrieger des Heiligen Imperiums der Qriid miteinander geteilt hatten. Keine, außer vielleicht der Ansicht, dass es im Universum so etwa wie eine göttliche Ordnung gab. Allerdings waren die Konsequenzen aus dieser Erkenntnis höchst unterschiedlich.
Bruder Guillermo hatte es allerdings stets sehr wichtig gefunden, immer auch gegenteilige Perspektiven zu berücksichtigen und in seine Überlegungen miteinzubeziehen. Und so vermisste er die Streitgespräche mit dem Qriid tatsächlich - genau wie Trent es vermutet hatte.
Ein Signal seines Kommunikators hielt Bruder Guillermo davon ab, dazu noch etwas zu sagen, obwohl ihm eigentlich so vieles auf der Zunge lag.
Bruder Guillermo sah auf die Anzeige.
"Eine Nachricht von der Brücke", stellte er fest. "Es scheint Arbeit für mich zu geben."
*
"Kann ich Ihnen behilflich sein?"
Bruder Guillermo hatte sich gerade in Kontrollraum C im Maschinentrakt zurückgezogen - in der Annahme, sich der Entschlüsselung der Sandström-Funknachricht widmen zu können, die das Schiff von Captain Barus an die STERNENKRIEGER übersandt hatte. Dass die Daten beschädigungsfrei überspielt worden waren, hatte der Olvanorer-Mönch bereits kontrolliert. Im Sandström-Flug war das noch immer keine Selbstverständlichkeit, auch wenn sich die Schiff-zu-Schiff-Kommunikation in den letzten Jahren außerordentlich stark verbessert hatte.
Bruder Guillermo drehte sich um und sah in das vollkommen behaarte Gesicht von Fähnrich Clayton Morales.
"Ich habe gehört, dass da soeben ein interessantes Datenpaket herübergeschickt worden ist", meinte Morales. "Gestatten Sie, dass ich…"
"Lassen Ihnen Ihre Pflichten im Triebwerkstrakt denn Zeit für solche Dinge?", erkundigte sich Bruder Guillermo.
"Lieutenant Erixon weiß Bescheid, Bruder Guillermo."
"Nun, ich kann Hilfe immer gut gebrauchen - und Ihren technischen Sachverstand sowieso."
Morales nahm einen der Sitze ein, die sich in dem Kontrollraum befanden, der ansonsten mit Terminals und Konsolen gefüllt war. Vor allem Rechnerzugänge befanden sich hier. Und genau das brauchte Bruder Guillermo im Moment für das, was er sich vorgenommen hatte.
"Worum geht es genau?"
"Um eine verschlüsselte Nachricht von Taralon. Sie ist vermutlich an all die verstreuten Flotten der Etnord gerichtet, die sich jetzt an verschiedenen Sammelpunkten einfinden…"
"...vermutlich um sich zu noch größeren Verbänden zu sammeln."
"Ja."
"Ich frage mich, wohin dieser gigantische Exodus führen soll, Bruder Guillermo."
"Das ist die Frage, die uns alle beschäftigt."
"Ich meine, man muss sich das nur mal richtig vorstellen! Da erobern diese Parasiten zuerst in Jahrzehnten oder vermutlich Jahrhunderten ein riesiges Reich. Sie übernehmen eine Spezies nach der anderen, benutzen sie als Wirtskörper und integrieren ihre Heimatwelten in einen großen Verbund, dessen Zentrum dieser Sogenannte Herr auf Taralon zu sein scheint."
"Exakt, so ist es", stimmte Bruder Guillermo zu.
"Und jetzt verlassen sie anscheinend diese Welten wieder. Sie ziehen einfach davon und hinterlassen - leere, unbesiedelte Planeten. Darauf läuft es doch hinaus, denn ihre Wirtskörper behalten sie natürlich. Mit denen sind sie schließlich so sehr verschmolzen, dass…"
"Sie haben recht, es muss einen sehr wichtigen Grund dafür geben. Eine Art Ruf, der sie alle ereilt hat. Und im Gegensatz zu uns scheinen sie das Ziel auch genau zu kennen."
"Wir haben bisher immer gedacht, dass diese Lichtsonden, die so plötzlich wie aus dem Nichts selbst noch im irdischen Sektor auftauchten, uns auskundschaften wollten."
"Sie haben die Wurmlochstraßen der Alten Götter benutzt. Es ist nicht so verwunderlich, dass sie solche Entfernungen überbrücken konnten. Und davon abgesehen bin ich nicht der einzige, der glaubt, dass es sich um ein Phänomen oder eine Technologie handelt, die auf der Verschränkung von Quantenzuständen basiert. Und da spielen Entfernungen keine Rolle."
"Sie zweifeln an, dass sich um ein Auskundschaften handelt?", hakte Morales noch einmal nach, denn er hatte das Gefühl, dass Bruder Guillermo von allein diesen Gesprächsfaden nicht noch einmal aufnehmen würde.
"Ich glaube inzwischen eher, dass es Wegweiser sind. Botschaften, die sich nicht an uns gerichtet haben."
"Und warum tauchten die Sonden dann auch im irdischen Sektor auf?"
"Sie werden an sehr viele Orten zugleich aufgetreten sein. Überall dort, wo diejenigen, die sie ausgesandt haben, glauben, dass es jemanden geben könnte, der sie versteht. Das können meiner Ansicht nach nur die Alten Götter sein - oder ein von ihnen erschaffener Mechanismus, der noch davon ausgeht, dass der Großteil der Galaxis unter der Herrschaft der Erhabenen steht."
"Eine gewagte Theorie, Bruder Guillermo."
"Ich weiß, dass mir dafür noch viele Beweise fehlen, aber…"
"Man sagt Ihnen ja eine große Empathie nach."
Bruder Guillermo lächelte. "Wie jedem Olvanorer", schränkte er ein.
"Es könnte ja sein, dass Sie die Absicht der…" Morales suchte nach dem richtigen Wort und fand es schließlich. "...der Anderen intuitiv erfasst haben."
"Wussten Sie, dass man gemeinhin unter dem Begriff PSI zusammengefasste Phänomene ebenfalls auf quantenmechanische Verschränkung und Quantenteleportation zurückführen könnte? Alles, was man früher über morphologische Felder und dergleichen geschrieben hat… Gedanken, die plötzlich in der Luft liegen und Individuen, die durch weite Distanzen getrennt sind, trotzdem an denselben Erfindungen arbeiten lassen. So etwas hat es in der Menschheitsgeschichte immer wieder gegeben."
Die Augen des Olvanorer-Mönchs begannen regelrecht zu leuchten, so sehr schien er von seiner Idee fasziniert zu sein.
Clayton Morales hingegen wirkte etwas hilflos.
Und irritiert.
"Und was hat das mit den Leuchtsonden und den Etnord und all diesen Dingen zu tun?"
Bruder Guillermo wandte sich ihm zu. Sein Blick hatte jetzt etwas Hypnotisches, Durchdringendes. Ein Ausdruck, dessen Intensität Morales fast ein wenig erschreckte. Denn auch wenn er schon häufig mit Bruder Guillermo zusammengearbeitet hatte und ihn gut zu kennen glaubte - so hatte er ihn noch nicht erlebt. Zumindest nicht, dass es ihm aufgefallen wäre.
"Was ich gerade gesagt habe, könnte die Erklärung für die Sonden und die Tatsache sein, dass plötzlich Abermilliarden von Individuen auf ungezählten Etnord-Welten plötzlich das nächste raumtaugliche Vehikel besteigen und sich auf eine Reise aufmachen, deren Ziel…"
"...vollkommen ungewiss ist!"
"Nein, nicht für sie! Sie wissen genau, wo es hingeht. Es wurde ihnen offenbart…"
"Das klingt aber sehr…"
Bruder Guillermos Gesicht entspannte sich.
Er lächelte.
"Wollten Sie religiös sagen?"
"Das lag mir in der Tat auf der Zunge, Bruder Guillermo."
"Warum auch nicht? Wir nennen diese geheimnisvolle Spezies, die vor eine Million Jahren die Galaxis beherrschte, ja schließlich nicht umsonst die Alten Götter. Und offenbaren erschien mir einfach der passende Ausdruck." Der Olvanorer- Mönch atmete tief durch. Es klang fast wie ein Seufzen. Dann fuhr er fort: "Eigentlich sind wir hier, um uns um die Entschlüsselung dieser Botschaft zu kümmern, von der Lieutenant Guofeng Smith glaubt, dass es sich um ein Signal von Taralon handelt."
"Nun, wir haben jede Menge Vergleichscodes in unseren Speichern", stellte Morales fest. "Der Etnord-Krieg hat ja schließlich lange genug gedauert. Da hat sich einiges an Datenmaterial angesammelt. Also haben wir gute Chancen, bei dieser Nachricht wenigstens einen Punkt zu finden, wo wir ansetzen können."
Aber Bruder Guillermo schien mit seinen Gedanken im Augenblick ganz woanders zu ein.
Zumindest hatte Morales diesen Eindruck.
Und als der Fähnrich das versonnene, abwesend wirkende Gesicht des Olvanorers sah, verfestigte sich dieser Eindruck noch.
"Haben Sie mal über die Konsequenzen meiner Theorie eine Sekunde lang nachgedacht?", fragte Bruder Guillermo dann.
"Nun…"
"Vielleicht war das, was wir als Lichtsonden wahrgenommen haben, in Wahrheit die erste Botschaft der Alten Götter, die wir empfangen haben…"
"Ich war auch sehr optimistisch, was die DNA-Speicher der Wurzelbücher auf dem Wyyryy-Planeten anging, Bruder Guillermo."
Guillermo zuckte mit den Schultern. "Jetzt haben Sie den typischen Tagtraum eines Olvanorers kennengelernt, Fähnrich: Die letzten Rätsel des Universums zu enträtseln, und das nach Möglichkeit allein durch einen einzigen, genialen Gedanken."
"Ich werde schon einmal das Entschlüsselungsprogramm aufrufen", sagte Morales nüchtern. "Schade, dass wir im Moment niemanden wie MacKenzie an Bord haben. Dann hätten wir es leichter!"
*
"Austritt aus dem Sandström-Raum", meldete Lieutenant John Taranos. "Geschwindigkeit beträgt exakt 40 Prozent LG. Alle Parameter im Toleranzbereich."
"Danke, Ruder", sagte Rena Sunfrost. Genau in diesem Augenblick betrat Van Doren die Brücke. Sunfrost drehte sich kurz zu ihm um. Niemand kommt mit einer vergleichbaren Selbstverständlichkeit zu spät zum Dienst - und das als Erster Offizier, ging es Sunfrost durch den Kopf. Sie beneidete Van Doren manchmal für diese Gelassenheit. Aber die kam nicht von ungefähr. Es war die Gelassenheit eines Mannes, der wusste, dass ihm nichts mehr geschehen konnte, weil das Schlimmste schon geschehen war. Man hatte ihn des Kommandos seines Schiffes enthoben und degradiert, weil er sich gegenüber einem unmenschlichen Feind während des zweiten Qriid-Krieges menschlich verhalten hatte. Und auch wenn er inzwischen einen Teil der Karriereleiter, die man ihn hinuntergestoßen hatte, mühsam wieder hinaufgeklettert war, schien er seitdem die Einstellung zu haben, unangreifbar zu sein. Anfangs hatte Sunfrost das an ihm irritiert - genauso, wie es durchaus gewöhnungsbedürftig gewesen war, dass jemand, der früher einmal einen Zerstörer (und damit ein wesentlich größeres Schiff als die STERNENKRIEGER) kommandiert hatte, nun der Erste Offizier einer verhältnismäßig jungen und im Vergleich mit ihm selbst unerfahrenen Kommandantin geworden war.
Eine Situation, mit der wir uns beide erst arrangieren mussten, ging es Sunfrost durch den Kopf.
Van Doren ging zu seiner Konsole.
"Ortungsbericht?", wandte sich der Erste Offizier an Lieutenant Wiley Riggs.
"Wir befinden uns in einem Abstand von 5 AE von dem als Zielpunkt angepeilten Roten Zwerg TASO-99987. Fünf Planeten und etliche kleinere Trabanten sind bereits bei der Fernortung registriert worden. Sieben weitere Objekte könnten ebenfalls Planeten sein, darunter mehrere Gesteinsplaneten. Der Stern gehört zu den sogenannten Flare-Sternen. Er bläht sich in relativ kurzen Abständen auf und gewinnt dann mehr als fünfzig Prozent an Helligkeit und Strahlungsemission."
Genau aus diesem Grund war die Nähe des Roten Zwergs als Austrittspunkt für die beiden Sondereinsatzkreuzer des Space Army Corps gewählt worden. Die Partikel- und Strahlenausbrüche im Gamma- und Röntgenbereich sowie die Veränderungen in der Leuchtkraft waren für die STERNENKRIEGER und ihr Schwesterschiff, die SONNENWIND eine hervorragende Tarnung gegen jedwede Fernortung. Nicht, dass es auf Grund der Besonderheiten dieses Flare-Sterns nicht möglich gewesen wäre, die beiden Raumschiffe anhand ihrer Signaturen ortungstechnisch eindeutig zu identifizieren, und das auch aus großer Distanz. Aber es war selbst für das empfindlichste System sehr schwer, so etwas an einem Ort zu entdecken, wo ohnehin schon sehr viel los war. Und dann musste jemand auch noch die richtigen Filter setzen und die richtigen Schlüsse aus den Messungen ziehen.
Kurz gesagt, wer nicht schon ohnehin wusste, wo er die beiden Schiffe suchen musste, hatte es jetzt sehr schwer sie zu finden.
Und je näher sie dem Flare-Stern kamen, desto schwerer würde man es eventuellen Jägern machen. Mehr als die Etnord, die im Moment offenkundig überwiegend mit sich selbst beschäftigt waren, galt das für die aggressiven Wsssarrr des sogenannten Imperiums der Goldenen Häuser, mit denen die beiden Space Army Corps Schiffe jüngst Bekanntschaft gemacht hatten. ß’Wsssarrr - die Söhne der Königin ß’ - so nannte sich dieser Zweig der Arachnoiden, auf die man hier in Trans-Alpha so unerwartet gestoßen war. Alte Feinde der Etnord. Aber deshalb keinesfalls Verbündete der Menschheit.
Nein, ganz sicher nicht...
Die ß’Wsssarrr würden die Verfolgung sofort aufnehmen, falls sie die STERNENKRIEGER oder ihr Schwesterschiff SONNENWIND entdeckten oder auch nur irgend ein Objekt, dessen Ortungssignatur auch nur eine vage Ähnlichkeit damit besaß.
Das Imperium der Goldenen Häuser würde vielleicht noch ein Problem für den ganzen Sektor werden.
Und über die Wurmlochstraßen der Alten Götter sogar für das eigentlich unerreichbar weit entfernte Gebiet der Humanen Welten. Eine latente Bedrohung für die Erde und ihre Kolonien. Gegen diesen Feind, so war es Sunfrost inzwischen klar, war der galaktische Feuersturm, den die Etnord vor kurzem noch entfacht hatten, vielleicht nicht mehr als ein laues Lüftchen.
Die Etnord wollte uns benutzen, dachte Sunfrost. Die Wsssarrr wollen uns vernichten - und unsere Hirne essen, wie es ihrer verfluchten Tradition entspricht…
In diesem Moment meldete Lieutenant Riggs das Austreten der SONNENWIND aus dem Zwischenraum. Das Schiff von Captain Barus raste ebenfalls mit ungefähr vierzig Prozent Lichtgeschwindigkeit auf den Flare-Stern zu.
Innerhalb von drei Stunden hätten es die Mesonentriebwerke geschafft, das Schiff auf den Wert von Null abzubremsen. Aber niemand dachte daran, ein Bremsmanöver einzuleiten. Wozu die wertvolle Energie des Zwischenraum-Austritts verschwenden?
Stattdessen war geplant, in eine Umlaufbahn um den Flare-Stern einzuschwenken, die weit genug entfernt war, um nicht in den Einflussbereich der Partikel- und Strahlenausbrüche zu kommen.
Den auch wenn dieser Rote Zwerg verhältnismäßig klein war und nicht einmal ein Drittel der Masse der irdischen Sonne aufwies, so wurde er doch regelmäßig für seine nähere Umgebung zu einem Monster.
Einem Strahlenmonster.
TASO-99987a, der innerste Planet des Roten Zwergs, ähnelte dem Merkur. Nur hatte er ungefähr den Durchmesser der Erde, doch dabei allerdings die dreifache Masse, da er so gut wie ausschließlich aus Eisen bestand. Eine sogenannte Supererde, der die Flares des Roten Zwergs allerdings die Atmosphäre und den Ozean nach und nach mit seinem hochenergetischen Strahlenfeuer buchstäblich weggebrannt hatte.
Ausgerechnet dort machte Lieutenant Wiley Riggs eine Entdeckung, auch wenn er sie zunächst nicht als solche erkannte. Da waren einfach nur ein paar Ortungsdaten, die da nicht hingehörten. Abweichungen in der Temperatur, Anomalien im Lichtspektrum, die angesichts des Materials, aus dem TASO-99987a bestand, eigentlich nicht zu erwarten gewesen wäre.
Aber Riggs erkannte die Tragweite noch nicht.
Das konnte er zu diesem Zeitpunkt wohl auch nicht.
Zu fremdartig war das, was sich da in den Daten abbildete, ohne dass Riggs seine wahre Natur schon zu erkennen vermochte.
Zu anders.
Zudem gab es genug andere Daten, deren Aufbereitung im Moment Riggs’ volle Aufmerksamkeit benötigten. Er ließ auf einem Teil des Hauptschirms eine Übersicht erscheinen. Sie veranschaulichte dreidimensional die Positionen der Etnord-Schiffe, deren 5-D-Emissionen sowie ihre Abstrahlungen, die im Sandström-Spektrum geortet werden konnten.
Signale und Signaturen, die sich überlichtschnell durch den Zwischenraum verbreiteten wurden registriert und ausgewertet. Alle normalen, unterlichtschnellen Emissionen jener Schiffe, die sich an markanten Punkten des Sektors sammelten, um dann weitere Sammelpunkte anzusteuern, wo sich dann noch viel größere Flotten zusammenfanden, wären ja erst in vielen Jahren beim gegenwärtigen Standort der STERNENKRIEGER angekommen.
"Man kann deutlich sehen, dass die Etnord riesige Raumschiff-Cluster bilden", stellte Lieutenant Riggs fest.
Und Susan Jamalkerim ergänzte: "Ich zeichne einen regen Funkverkehr im Zwischenraumspektrum auf. Möglicherweise ergibt eine breite Analyse des Schiff-zu-Schiff-Verkehrs der Exodus-Flotten näheren Aufschluss über Ziele und Absichten."
"Dieser Schiff-zu-Schiff-Funkverkehr scheint weitgehend unverschlüsselt stattzufinden", stellte Commander Van Doren fest, der sich die Daten auch auf seiner Konsole anzeigen ließ. "Im Gegensatz zu der Nachricht, die Captain Barus uns überspielen ließ."
"Dann scheint man unter den Exodus-Schiffen der Geheimhaltung keine Priorität einzuräumen", stellte Rena Sunfrost nachdenklich fest. "Dafür muss es einen Grund geben."
"Vielleicht liegt der Grund einfach darin, dass eine flächendeckend, breite Verschlüsselung die Kommunikation zu sehr behindern würde", glaubte Van Doren.
"Klingt logisch", fand Lieutenant Commander Robert Ukasi. "Davon abgesehen muss man ja auch bedenken, dass hier buchstäblich jedes raumtüchtige Fahrzeug in Bewegung gesetzt wurde!"
"Ja, es werden offensichtlich ganze Welten komplett aufgegeben", stimmte Van Doren zu. "Bei dünn besiedelten Planeten ist das sicher keine Schwierigkeit. Aber den Daten nach betrifft das mit Sicherheit auch Planeten, auf denen mehr als eine Milliarde Individuen lebt."
"Fragt sich nur, wie Sie jetzt gezählt haben", meinte John Taranos etwas vorwitzig.
Van Doren runzelte die Stirn.
"In wie fern?"
"Wenn Sie Individuen sagen - zählen Sie dann nur den Etnord oder auch seinen Wirtskörper, Sir? War ja nur ein Gedanke…"
"Da wir wissen, dass die Individualität eines Wirtkörpers, der von einem Etnord-Parasiten besetzt wird, so gut wie ausgelöscht ist, habe ich nur die Etnord gezählt. Aber angesichts der Zahlen, um die es hier geht, macht das wohl kaum einen Unterschied, Lieutenant."
Wieder diese absolute Ruhe bei Van Doren, dachte Sunfrost mit Bewunderung. Selbst dann, wenn ihn ein Rangniederer mit einer unbedachten Äußerung, wie sie für Taranos so typisch ist, quasi anpinkelt, reagiert er souverän. Davon kannst du selbst noch was lernen, Rena!
"Ich frage mich, was zurzeit auf Taralon los ist…", meinte Sunfrost dann laut.
"Leider ist uns Funkkontakt zur Flotte untersagt", stellte Robert Ukasi fest.
An der Porta von Wurmloch Alpha patrouillierten nach wie vor ständig einzelne Schiffe des Space Army Corps der Humanen Welten. Denn dieses Wurmloch war ja schließlich immer in der Gefahr, ein Einfallstor für Invasoren zu sein. Zumindest, so lange es stabil und offen war. Überlichtfunksignale im Sandström-Spektrum konnten so ein Patrouillenschiff erreichen. Sie mussten dann von dort mit Richtstrahl durch das Wurmloch geschickt und auf der Seite des irdischen Sektors von einem weiteren Schiff oder einer Relaisstation aufgefangen und ins Sol-System weitergeleitet werden. Auf diese Weise war ein Funkverkehr möglich, der die 50 000 Lichtjahre überbrückte, die zwischen dem Etnord-Gebiet und dem irdischen Sektor lagen - inklusive dem Zentrum der Galaxis mit seinem ultramassiven Schwarzen Loch und der Zusammenballung unzähliger Sonnen, deren Licht es unmöglich machte, das entsprechende Raumgebiet ortungstechnisch vom Gebiet der Humanen Welten aus zu erfassen. (Wobei diese Daten ohnehin ein Alter von 50.000 Jahren gehabt hätten…)
Selbst ein Überlichtsignal im Sandström-Spektrum, das durch den Zwischenraum geschickt wurde, wäre jahrelang unterwegs gewesen, hätte es die Abkürzung über Wurmloch Alpha nicht gegeben.
Aber die STERNENKRIEGER und ihr Schwesterschiff hatten strenge Anweisung, möglichst Funkstille zur Flotte zu halten.
Das hatte einen einfachen Grund.
Man fürchtete, dass ein derartiges, notwendigerweise entsprechend starkes Zwischenraum-Signal nicht unentdeckt bleiben konnte und die beiden Schiffe (und damit den Erfolg der ganzen Mission) akut gefährdete.
Schließlich befand man sich weit im Einflussbereich der Etnord. Und auch wenn sich diese Machtballung im Moment aus noch unerklärlichem Grund in Auflösung zu befinden schien, so hatten die beiden Space Army Corps-Schiffe der Übermacht der Etnord natürlich nicht das Geringste entgegenzusetzen. Die Devise konnte also nur lauten, jede Konfrontation nach Möglichkeit zu vermeiden. Alles andere wäre reiner Selbstmord gewesen. Konfrontation vermeiden und so viel Wissen über die mysteriösen Vorgänge im Gebiet der Etnord zu sammeln, wie es nur irgend möglich war - darauf lief das Ziel dieser Expedition letztlich hinaus.
Denn was immer sich da draußen in der Unendlichkeit dieses fernen Raumgebiets auch an Gefahren für die Menschheit zusammenballen sollten - es war besser, wenn die Humanen Welten und ihre Verbündeten darauf vorbereitet waren.
Und einer dieser möglichen Gefahren waren die beiden Schiffe ja schließlich auch schon begegnet.
Den arachnoiden ß’Wsssarrr und ihrem Imperium der Goldenen Häuser.
"Captain, eine Nachricht der SONNENWIND", meldete unterdessen Susan Jamalkerim.
"Dann schalten Sie den Kanal frei, Lieutenant.
"Captain Barus möchte Sie unter vier Augen sprechen."
Dann muss es etwas von besonderer Brisanz ein, ging es Rena Sunfrost durch den Kopf.
"Legen Sie das Gespräch in den Captain’s Room", wies die Kommandantin der STERNENKRIEGER daraufhin Lieutenant Jamalkerim an. Sie erhob sich aus dem Sitz des Captains und wandte sich kurz an Van Doren. "Sie haben die Brücke, I.O.."
"Aye, Captain."
Anschließend verschwand Rena Sunfrost durch die Schiebetür im an die Brücke angrenzenden Raum des Captains.
*
Das Gesicht von Captain Barus erschien in einem Fenster der Bildwand.
"Sunfrost, ich möchte eine Sache mit Ihnen besprechen, die etwas heikel ist."
"In wie fern, Sir?"
"Wir werden vielleicht die Direktive der Funkstille brechen müssen. Das beinhaltet ein erhöhtes Risiko für uns und unsere Crews. Wenn wir dadurch entdeckt und angegriffen werden, könnte es sogar sein, dass der Ziel der ganzen Mission in Frage gestellt wird."
Rena Sunfrost hob die Augenbrauen.
"Weswegen wollen Sie die Funkstille brechen?", fragte sie. "Wegen diesem Imperium der Goldenen Häuser?"
"Exakt. Das Space Army Corps muss vor diesem Feind gewarnt werden. Wir wissen nicht, wann und wie massiv die ß'Wsssarrr angreifen werden. Aber nach unseren bisherigen Informationen scheint mir das nur noch eine Frage der Zeit zu sein."
Rena Sunfrost nickte.
"Genau über diesen Punkt habe ich auch schon nachgedacht", gab sie zu. "Gerade wenn wir davon ausgehen, dass die Etnord tatsächlich ihren Herrschaftsbereich mehr oder minder komplett räumen, werden wir damit rechnen müssen, dass die ß'Wsssarrr dieses Machtvakuum sofort ausfüllen werden, sobald es ihre alten Feinde militärisch zulassen."
"Was nicht mehr lange auf sich warten lassen wird, wenn die Entwicklung so weitergeht", war Captain Barus überzeugt. "Wir wissen nicht so genau, was sich derzeit im Taralon-System tut, aber früher oder später werden die Arachnoiden auch an der Wurmlochporta von Alpha auftauchen. Dann müssen genügend Verteidigungskräfte zur Verfügung stehen, sonst werden die Humanen Welten kalt erwischt."
"Ja, das sehe ich ganz genauso", gestand Rena Sunfrost.
Captain Barus' Haltung straffte sich. "Dann sind wir uns also einig, was diesen Punkt angeht?"
"Vollkommen."
"Das ist gut zu wissen, denn obschon ich die letzte Entscheidungsgewalt hätte, würde ich ungern eine Direktive zur absoluten Funkstille brechen, ohne dass der zweite an dieser Operation beteiligte Kommandant in dieser Frage mit mir übereinstimmt."
"Das kann ich gut nachvollziehen", sagte Sunfrost.
"Die Folgen, die das für uns alle und für das Gelingen dieser Mission haben kann, brauche ich Ihnen wohl nicht weiter erläutern, Captain Sunfrost."
"Ich bin mir darüber vollkommen im Klaren."
"Ich werde den Funkspruch absenden lassen, sobald unser Gespräch beendet ist."
"Gut."
"Von da an werden wir sehr vorsichtig sein müssen."
"Ich weiß", sagte Sunfrost. "Ich würde es außerdem für vernünftig halten, die Mannschaften beider Schiffe über das von nun an erhöhte Risiko für die Crews beider Schiffe zu informieren."
"Einverstanden. Dann lassen Sie uns keine weitere Zeit verschwenden."
"Natürlich nicht."
"Ach, ehe ich es vergesse - hat Bruder Guillermo bereits etwas über den Inhalt der aufgefangenen Transmission herausbekommen?"
"Nein. Aber ich werde es sie sofort wissen lassen, sobald sich das geändert hat."
"Danke."
Captain Barus nickte Sunfrost zu und beendete daraufhin die Verbindung.
Auf der Bildwand im Captain's Room war im nächsten Moment nur noch das Emblem des Star Army Corps zu sehen.
Rena Sunfrost hielt inne und schloss dabei kurz die Augen. Sie atmete durch, um sich zu konzentrieren und Kraft zu schöpfen. Dann schaltete sie einen Audiokanal frei, mit dem sie sich an die gesamte Besatzung der STERNENKRIEGER wandte und die Männer und Frauen an Bord darüber informierte, dass man nun damit rechnen musste, bald unfreundlichen Besuch zu bekommen.
Kaum hatte Sunfrost ihre kurze Ansprache beendet, meldete sich Van Doren bei ihr.
"Captain, Lieutenant Riggs ist hier auf ein paar sehr seltsame Ortungsdaten gestoßen."
"Können Sie das etwas spezifizieren, I.O.?"
"Es könnte sein, dass wir in diesem System nicht allein sind, Captain."
*
An Bord des Zerstörers ODYSSEUS viele Lichtjahre entfernt, an der Porta von Wurmloch Alpha, Trans-Alpha-Seite...
"Sie haben es geschafft, Raphael."
"Wovon sprechen Sie, I.O..?"
"Von Sunfrost, Ihrem alten Captain. Sie haben sie auf der Karriereleiter überholt, Raphael."
Raphael Wong, gerade vom Commander zum Captain befördert, runzelte die Stirn und sah David Kronstein fragend an. Beide Männer kannten sich gut. Sie hatten auf der STERNENKRIEGER unter dem Kommando von Rena Sunfrost gedient, Wong als Erster Offizier und Kronstein als Offizier für Kommunikation und Ortung im Rang eines Lieutenant. Inzwischen war Wong Captain und Kronstein Commander. Und hier, an Bord des neuen, ultramodernen Zerstörers ODYSSEUS führten ihre Wege wieder zusammen. Natürlich nicht ganz zufällig. Raphael Wong, bis dahin Kommandant des Leichten Kreuzers NEPTUN und danach kurzzeitig Kommandant des Sondereinsatzkreuzers AMSTERDAM, hatte sich nachhaltig dafür eingesetzt, dass Kronstein als Erster Offizier auf sein neues Schiff wechseln konnte. Schließlich wusste Wong, was er an Kronstein hatte.
Dass Kronstein ihn mit dem Vornamen anredete, wie es seit ihrer gemeinsamen Zeit auf der STERNENKRIEGER zwischen ihnen üblich gewesen war, beantwortete Wong mit einem fast trotzigen Beharren auf der förmlichen Anrede mit dem Rang. Zumindest im dienstlichen Zusammenhang achtete er darauf peinlich genau. Und es schien für Kronstein eine Art Spiel zu sein, seinen neuen Captain, der auch schonmal als Erster Offizier sein Vorgesetzter gewesen war, damit zu provozieren.
"Wieso überholt?", fragte Wong. "Sunfrost ist Captain, ich bin es inzwischen auch. Ich glaube, eingeholt trifft es besser als überholt."
"Das sehe ich anders, Raphael."
"Ach, ja?"
"Was den Rang betrifft, haben Sie natürlich Recht. Aber Sie kommandieren eindeutig das größere Schiff."
"Nun..."
"...und das bedeutendere Schiff, aus der Perspektive der Stabsführung des Space Army Corps gesehen. Schließlich ist die ODYSSEUS das erste Schiff in der Flotte, das neben Gauss-Kanonen auch über k'aradanische Ionengeschütze verfügt - wobei sich natürlich erst noch herausstellen muss, in wie weit unsere Geschützoffiziere an Bord mit den Dingern überhaupt umgehen können. Aber ich fürchte, das wird sich schneller herausstellen, als uns allen lieb sein kann."
Seitdem die Humanen Welten und das Reich der K'aradan miteinander verbündet waren, tauschte man nach und nach auch technische Errungenschaften untereinander aus. Auf den Schiffen der K'aradan kam seit einiger Zeit immer häufiger die Antigrav-Technik zur Erzeugung künstlicher Schwerkraft in Gebrauch und würde vermutlich irgendwann die bis dahin auf den Tellerschiffen der K'aradan angewandte Methode ersetzen, die darin bestand, Schwerkraft durch Rotation des Schiffskörpers zu erzeugen. Umgekehrt hatten die Menschen schon von Beginn dieser Kooperation an ein großes Interesse an der Technologie der k'aradanischen Ionenengeschütze gehabt, in der die Verantwortlichen des Space Army Corps eine sinnvolle Ergänzung zu den bisher bevorzugten Wuchtgeschossen sahen.
An Bord der ODYSSEUS waren beide Technologien erstmalig zugleich verfügbar. In wie fern sich das in der Praxis bewähren würde, musste sich allerdings erst noch herausstellen.
Jedenfalls war sich Captain Wong sehr wohl bewusst, welche Bedeutung man der ODYSSEUS zumaß. Bei Wongs Ernennung zum Captain dieses Zerstörers hatte Admiral Raimondo genau auf diesen Punkt wiederholt hingewiesen. Als ob ich das vergessen könnte, erinnerte sich Wong. Aber vielleicht hatte man genau aus diesem Grund für die Position des Captains der ODYSSEUS jemanden ausgewählt, der über die Maßen ehrgeizig war.
Jemand wie Raphael Wong eben.
"Ich gebe zu, dass ich damals, nach dem Tod von Commander Reilly, eigentlich gehofft hatte, sein Nachfolger auf der STERNENKRIEGER zu werden..."
"...und stattdessen hat man Ihnen Sunfrost vor die Nase gesetzt."
"Nun, sie war Dienstälter. In so einer Situation nimmt man wohl auch lieber jemanden, der von außen kommt. Zumindest hat mir das Commodore Jackson damals unter vier Augen so gesagt."
"Sie waren einfach noch zu jung, Raphael", hielt Kronstein ihm entgegen. "Vorzeitig zum jüngsten Lieutenant aller Zeiten befördert, jüngster Erster Offizier des Space Army Corps auf der STERNENKRIEGER unter Commander Reilly... "
"Ja, ich dachte, es geht immer so weiter - im Überlichtflug."
"Andere würden Sie um ihre bisherige Karriere beneiden, Raphael. Aber jemand wie Sie kann nie genug bekommen, was?"
Eine ziemlich respektlose Bemerkung von einem Ersten Offizier gegenüber seinem Captain, dachte Wong. Er wirkte entspannt. Vielleicht wollte ich ihn genau deswegen an Bord haben, dachte er. Laut sagte er allerdings: "Sie sind mein I.O., nicht mein Psychiater, David."
Habe ich mich verhört oder war das wirklich mein Vorname?, dachte Kronstein.
"Ich habe das als Ihr Freund gesagt, Raphael. Nicht als Ihr I.O.. Und abgesehen davon, ist gegen einen gesunden Ehrgeiz nichts zu sagen - vorausgesetzt, man sieht auch mal die Hälfte des Glases, die voll ist, nicht nur die Leere."
"Captain, eine Meldung von der LEVIATHAN", drang jetzt die Stimme des diensthabenden Kommunikationsoffiziers dazwischen.
"Auf den Schirm", befahl Captain Wong.
Im nächsten Moment erschien auf dem Hauptschirm auf der Brücke der ODYSSEUS zunächst das Emblem des Space Army Corps und anschließend ein Bildausschnitt von der Zentrale der LEVIATHAN. Der anderthalb Kilometer große Carrier mit seiner Jägerflotte war eine der stärksten Waffen des Space Army Corps. Und gegenwärtig bestand dessen Aufgabe darin, auf der Etnord-Seite die Porta von Wurmloch Alpha zu sichern. Seit dem Auftauchen der Lichtsonden und dem Beginn des mysteriösen Exodus von den Etnord-Welten machte man sich im Humanen Rat große Sorgen. Und das bedeutete unter anderem eben auch, dass die Wurmloch-Porta stärker gesichert werden musste, um ein eventuelles Einfallen von Feinden zu verhindern. Zumindest musste man beobachten, was vor sich ging…
Aber zu diesem Zweck waren ja auch schon die beiden Sondereinsatzkreuzer vom STERNENKRIEGER II-Typ in die Tiefen des Etnord-Reichs eingedrungen.
Der Bildausschnitt zeigte Admiral Ned Nainovel, den Kommandanten der LEVIATHAN.
"Guten Tag, Captain Wong - und Glückwunsch zu Ihrer Beförderung."
"Danke, Admiral", sagte Wong.
"Ein hochmodernes Schiff fliegen Sie da! Betrachten Sie dieses Kommando als Privileg von jemandem, den die entscheidenden Leute im Space Army Corps offenbar für hochbegabt halten."
"Ja, Sir."
"Soweit ich weiß ist der Leichte Kreuzer TRITON auf dem Weg hier her."
"Das ist gut möglich, Admiral. Mein ehemaliger Erster Offizier Brian Mayer führt dort jetzt das Kommando."
"Sie sind spät dran, Captain Wong. Ihr Durchgang durch Wurmloch Alpha hat ungewöhnlich lange gedauert. Ich bekam die Sandström-Funkmeldung von Ihrer Ankunft an der Porta im irdischen Sektor von der LIBERTY und hatte eigentlich erwartet, Ihr Schiff danach empfangen zu können. Aber Ihr Durchgang hat fast drei Stunden gedauert. Gab es Schwierigkeiten?"
"Wir sind bei unserem Durchgang in eine Art Raumzeitfalte geraten. Zumindest hat mir mein L.I. dieses Phänomen so erklärt. Für uns ist fast eine Woche vergangen, seit wir auf der Seite des irdischen Sektors in die Porta eingeflogen sind."
Admiral Ned Nainovel trat etwas vor, sodass er nun größer auf dem Schirm der ODYSSEUS zu sehen war. "Das klingt besorgniserregend, Captain Wong."
"Das ist es auch. Sie bekommen alle Daten des Vorfalls überspielt. Mein I.O., Commander Kronstein, ist der Auffassung, dass es sich um einen beginnenden Stabilitätsverlust des Wurmlochs handeln könnte, wie wir ihn in der Vergangenheit schon erlebt haben."
"Dann wollen wir hoffen, dass uns nicht in Kürze der Rückweg abgeschnitten ist und wir 50 000 Lichtjahre vom heimischen Sektor entfernt festsitzen."
"Ich habe eine Nachricht an die LIBERTY auf der irdischen Seite der Porta geschickt. Man wird zunächst einige unbemannte Sonden testweise durch die Porta schicken, bevor man den Transfer weiterer Schiffe wagt."
"Das klingt nicht gut."
"Ich fürchte, Sie werden auf weitere Verstärkung erst noch etwas warten müssen, Admiral, bis diese Tests abgeschlossen sind und ein Wurmloch-Transfer zusätzlicher Einheiten verantwortet werden kann."
"Das ist kein günstiger Augenblick für Komplikationen beim Wurmlochtransfer", stellte Nainovel fest. "Wir haben nämlich soeben eine Nachricht von Captain Barus bekommen."
"Haben die beiden Sondereinsatzkreuzer nicht Funkstille zu wahren?", wunderte sich Wong. Er kannte zwar nicht die Einzelheiten der Befehle, die Sunfrost und Barus erhalten hatten - aber ein anderes Vorgehen erschien dem frischgebackenen Captain der ODYSSEUS einfach undenkbar. Es wäre schlicht unverantwortlich gewesen.
"Die Tatsache, dass Captain Barus die Funkstille gebrochen hat, können Sie als Zeichen der Dringlichkeit interpretieren. Um es kurz zu machen: Die Etnord räumen anscheinend tatsächlich auf breiter Front ihre Welten, um irgendein bisher unbekanntes Ziel anzufliegen. Das klingt erfreulich und deckt sich mit den Beobachtungen, die wir bisher hier in der näheren Umgebung der Wurmloch-Porta machen konnten."
"Wo ist der Haken?", fragte Wong.
"Es gibt jemanden, der das gerade in der Entstehung begriffene Machtvakuum innerhalb kürzester Zeit ausfüllen könnte: Und zwar ein Staat von aggressiven Wsssarrr."
"Wsssarrr? So weit entfernt vom irdischen Sektor?"
"Sie sind vermutlich viel weiter verbreitet, als wir je geahnt haben, Wong. Jedenfalls werden wir früher oder später mit erheblichen Schwierigkeiten rechnen müssen."
"Verstehe, Sir."
"Ich muss im übrigen schleunigst genauer wissen, was im Taralon-System genau passiert und ob die Etnord tatsächlich bereits den gesamten Planeten geräumt haben. Eigentlich hatte ich ein kleineres Schiff für diese Erkundungsmission vorgesehen, aber da im Moment mit der versprochenen Verstärkung nicht zu rechnen ist und ich unter den gegenwärtigen Bedingungen den Porta-Bereich von Alpha mit der LEVIATHAN nicht verlassen kann, wird das Ihr Job sein, Captain Wong."
"In Ordnung, Sir", sagte Wong.
"Haben Sie in Ihrem neuen Superschiff etwas Platz im Hangar, Wong?"
"Wie soll ich das verstehen?"
"Dann würde ich drei unserer Jäger abstellen. Neben den drei Jägern, die ein Zerstörer normalerweise im Hangar hat, hätten Sie dann sechs davon, um Ihr Schiff zu sichern."
Die drei Jäger der ODYSSEUS fielen wie die Geschütze und anderen Waffensysteme unter die Zuständigkeit des Taktikoffiziers der ODYSSEUS. Und das war ein kleiner, sehr stämmiger breiter Mann namens Jorian Kelly. Ein Nachkomme von umweltangepassten Adaptionisten-Siedlern auf der überschweren Supererde Maldena 22b, auf der fünffache Erdschwere herrschte. Umgangssprachlich nannte man diese Supererden-Siedler, die bereits vor Erfindung des Antigrav auf zahlreichen Planeten des Supererde-Typus gelandet waren und sich dort durch gezielte genetische Manipulation innerhalb von einer Generation anpassten, auch Zwerge - manchmal mit mehr oder weniger schmeichelhaften Zusätzen und Attributen.
Commander Jorian Kelly - im übrigen auch Zweiter Offizier der ODYSSEUS - nickte. In seinem bärtigen Gesicht blitzten die Augen auf eine ganz charakteristische Weise. "Wenn wir etwas aufräumen, haben wir sogar Platz für vier zusätzliche Jäger!", stellte Kelly klar.
"Ich habe es mitbekommen", sagte Ned Nainovel. "Dann bekommen Sie vier."
"Mit den Kabinen für die Piloten dürfte es etwas eng werden", fügte Kelly noch hinzu.
"Ich denke, das kriegen wir hin", sagte Wong.
Wenig später meldete die diensthabende Ortungsoffizierin der ODYSSEUS, dass soeben vier Jäger ihre Hangars auf der LEVIATHAN verlassen und Kurs auf die ODYSSEUS genommen hatten.
*
Von der Porta des Wurmlochs flogen sie zum Taralon-System. Für die ODYSSEUS ein kurzer Flug. Die meiste Zeit davon nahmen ohnehin die Beschleunigungs- und Abbremsphasen ein. Aber da die ODYSSEUS nach ihrer Wurmloch-Passage noch nicht einmal das Bremsmanöver eingeleitet hatte und kaum auf unter 39 Prozent der Lichtgeschwindigkeit gefallen war, dauerte die Beschleunigungsphase nicht sehr lang. Die nur mit unterlichtschnellen Mesonentriebwerken ausgestatteten Jäger von der LEVIATHAN gingen dabei auf einen Parallelkurs, bevor sie schließlich problemlos in den Hangar der ODYSSEUS einflogen.
Die ersten eintreffenden Ortungsdaten nach dem Zwischenraum-Austritt waren dann durchaus befremdlich.
"Keine messbare Raumfahrt in einem Umkreis von einem Lichtjahr", stellte die Ortungsoffizierin fest. "Keine typischen Signaturen von Etnord-Raumschiffen, gar nichts. Nichtmal Unterlichtraumverkehr. Und auch funktechnisch scheint da quasi ein Vakuum zu bestehen, wenn Sie mir den Vergleich gestatten, Captain."
Eine Übersichtsansicht wurde auf dem Hauptschirm aktiviert. Sie zeigte Taralon III und das goldene Kubus-Artefakt der Alten Götter.
"Mister Kelly, lassen Sie die Jäger ausschwärmen", ordnete Captain Wong an.
"Aye, aye", gab der Maldena-Zwerg zurück und gab die entsprechenden Befehle weiter. "Alle sieben Jäger sind gestartet", meldete Kelly dann einen Moment später. "Position und Kurs werden von der schematischen Übersicht des Hauptschirms markiert."
"Captain, die Energie-Signaturen von Taralon III sind nahezu auf Null-Niveau", meldete sich jetzt Kronstein zu Wort. "Wenn Sie mich fragen, dann hat man dort so gut wie jegliche Energieversorgung abgeschaltet und es dürfte auch keine Industrieanlage noch in Betrieb sein."
"Der Letzte scheint auf Taralon das Licht ausgemacht zu haben", murmelte Wong. "Was ist mit dem Kubus?"
"Normalwerte. Keine Auffälligkeiten. Schwache fünfdimensionale Emissionen, aber das kann ja niemanden wirklich verwundern." Commander Kronstein hob den Blick von den Anzeigen seiner Konsole und wandte sich Captain Wong zu. "Es handelt sich ja schließlich um ein Artefakt der Alten Götter."
"Ich bin schon froh, wenn wenigstens dort nichts Ungewöhnliches zu verzeichnen ist", meinte Wong. "Rudergänger, leiten Sie ein Bremsmanöver ein und sorgen Sie dafür, dass wir irgendwann in eine stabile Umlaufbahn um Taralon einschwenken."
"Wenn die Etnord diesen Sektor tatsächlich komplett und auf Dauer geräumt haben, werden früher oder später neue Siedler hier auftauchen, um zumindest Taralon wieder in Besitz zu nehmen", glaubte David Kronstein.
Wong hob die Augenbrauen.
"Glauben Sie wirklich?"
"Der Planet ist ein Paradies für Kolonisten."
"Ja, aber wie wir von Admiral Nainovel gerade noch einmal erläutert bekommen haben, liegt dieses Paradies an einem ziemlich ungemütlichen Ort im Universum. Dazu noch mit ungewisser Rückkehr-Möglichkeit, denn niemand kann ihnen garantieren, dass Wurmloch-Passagen weiterhin möglich bleibt. Wir hatten da ja schonmal eine jahrelange Unterbrechung..."
"Aber die ersten Siedler auf Taralon hat das auch nicht abgehalten, sich auf dem Planeten und in der Umgebung niederzulassen", hielt Kronstein dem entgegen. "Genauso wenig wie die Tatsache, dass das Space Army Corps sie vielleicht nicht verteidigen kann - gegen all die Mächte, die da draußen nur darauf warten, sich auszubreiten."
Früher oder später, das war auch Wong klar, würde es Bestrebungen geben, Taralon wieder zu besiedeln. Mit neuen Siedlern, zumindest aber mit militärischem Personal.
Die Lage in der Nähe des Wurmlochs Alpha machte den Planeten zusätzlich zu einem strategischen Kleinod. Und dazu war sämtliche Infrastruktur bereits vorhanden und musste nicht erst mühsam errichtet werden. Zumindest ließen die bisher vorhandenen Daten nicht darauf schließen, dass die Etnord irgendwelche Zerstörungen hinterlassen hatten.
Die Infrastruktur entsprach weitgehend immer noch dem Stand, der dort vor dem Beginn des mysteriösen Exodus vorzufinden gewesen war.
Und dieser Stand war eher höher anzusetzen, als zu der Zeit, als die Menschen von Taralon noch nicht von den Etnord-Parasiten befallen gewesen waren und sich selbst regiert hatten.
*
Ungefähr zwei Stunden später hatten zwei der eingesetzten Jäger den Planeten Taralon III erreicht. Die anderen fünf Einheiten waren ausgeschwärmt, um Sicherungsaufgaben zu erfüllen. Sicherungsaufgaben gegen einen nicht vorhandenen Feind. Aber dass sich das im Handumdrehen ändern konnte, hatte Captain Wong in der Vergangenheit schon mehr als einmal erfahren müssen.
Außerdem wurde ein Beiboot der ODYSSEUS ausgeschleust. Es sollten genauere Messungen in der Nähe des Goldenen Kubus durchgeführt werden.
Wenn das alles - die Lichtsonden, der mysteriöse Ruf an die Etnord und deren Exodus - auf eine Macht zurückging, die entweder etwas mit den Alten Göttern zu tun hatte, dann war es ja nicht ausgeschlossen, das sich auch dort etwas tat.
Ein Betreten des Kubus war allerdings nicht geplant.
"Jäger 1 und 2 haben Verbindung. Sie übersenden uns Daten-Streams der Bordkameras", meldete Taktikoffizier Kelly.
"Ich will die Bilder sehen", erklärte Raphael Wong. "Und zwar jetzt und hier."
"Ich veranlasse das", kündigte der diensthabende Kommunikationsoffizier an.
Wenige Augenblicke später waren auf dem großen Hauptschirm zwei abgeteilte Bildfenster zu sehen. Jeweils eines von ihnen zeigte den Video-Stream eines Jägers. Die Bilder waren von beeindruckender Qualität.
Die Jäger überflogen unterschiedliche Regionen des Planeten. Aber die Bilder ähnelten sich stark. Eine Welt wie nach einer Apokalypse, dachte Wong sichtlich beeindruckt.
Der neue Kommandant der ODYSSEUS erhob sich vom Sitz des Captains und trat etwas näher. Leere Städte, verlassene Industrieanlagen und Gebäude… Keine Zerstörungen und doch ein Planet der Ruinen…
Gespenstisch.
Das war der Begriff mit dem Raphael Wong das bezeichnete, was er da vor sich sah. Und einen gewissen Eindruck machten diese Bilder auch auf alle anderen, die sich im Moment auf der Brücke des Zerstörers befanden.
"Welche Macht befiehlt so etwas?", fragte Kronstein kopfschüttelnd.
"Sie werden den Etnord doch nicht etwa nachtrauern?", meinte Wong.
"Nein. Aber wenn man das Ganze mal aus ihrer Perspektive betrachtet, dann ist das schon sehr eigenartig."
"Ich weiß nicht, ob ich richtig verstehe, was Sie meinen, I.O.."
Kronstein hob die Augenbrauen. "Erst unterwandern diese Parasiten die Individuen unterschiedlichster Spezies in einem ungeheuer großen Raumgebiet. Sie errichten nach und nach ein riesiges Reich und sie hätten die vereinigten Kräfte der Humanen Welten, der Qriid, der Fulirr und der K’aradan um ein Haar in die Knie gezwungen. Und dann geben sie all das plötzlich auf, um zu einem unbekannten Ziel aufzubrechen. Und all das…"
"...sagen Sie nicht ‘ohne Grund’, I.O..", unterbrach ihn Wong. "Es gibt einen Grund. Wir haben ihn nur noch nicht erkannt."
Wong verfolgte eine Weile jeweils einen der beiden Video-Streams. Es scheint so, als könnte man Taralon III tatsächlich bald wieder zur Besiedlung frei geben, dachte er. Ein Planet wie ein gemachtes Nest. Man wird die Siedler nicht aufhalten können, es sei denn man verweigert ihnen schon die Passage durch das Wurmloch… Aber eigentlich reicht es, dass wir Alpha gegen Etnord Wsssarrr und was weiß ich noch wen verteidigen müssen. Wir sollten das nicht auch noch gegen unsere eigenen Leute tun müssen. Und dazu würde es früher oder später kommen, falls wir das versuchen sollten und es sich herumgesprochen hat, wie es auf Taralon aussieht…
"Wir haben eine Ortung von Jäger 2", meldete plötzlich Kelly. Seine Stirn legte sich auf eine Weise in Falten, wie Wong es zuvor noch nicht bei jemand anderem gesehen hatte. Aber angeblich war das eine typische Eigenart der Supererden-Zwerge von Maldena 22b. Ihre Stirnfalten glichen einem spitzen, sehr markant gezeichneten V. "Der Computer sagt, dass es sich um menschliche Biozeichen handelt."
"Spezifizieren", verlangte Wong.
"Spezifizierung noch nicht möglich", schaltete sich Kronstein ein, der sich die Daten auf die Konsole geholt hatte. Die Bio-Signatur kommt aus der Nähe des ehemaligen Regierungskomplexes."
"Jäger 1 soll das Gebiet noch einmal überfliegen und zusehen, ob er Bildmaterial bekommt", meinte Wong.
Kelly gab den Befehl an Jäger 1 weiter.
Der auf dem Hauptschirm der ODYSSEUS sichtbare Ausschnitt veränderte sich drastisch. Ein Schwenk der Bordkamera, der es in sich hatte und dazu geeignet war, jeden Betrachter schwindelig zu machen - zumal es sich um hochauflösendes Videomaterial in Drei-D-Qualität handelte.
Raphael Wong wandte unwillkürlich für einen Moment den Blick zur Seite.
Auf einem Nebenschirm erschien das Gesicht von Dr. Patricia Mangoli, die zum medizinischen Team an Bord des Zerstörers ODYSSEUS gehörte. Der Erste Offizier hatte ihr die eingegangenen Daten der Biozeichen von seiner Konsole aus übermittelt und wollte offenbar eine Stellungnahme dazu.
"Commander Kronstein, hier Mangoli. Die eingegangenen Daten sind sehr merkwürdig. Am Anfang der Sequenz sind Schwankungen vorhanden, die bei keinem menschlichen Wesen erklärlich wären."
"Auch nicht bei einem Etnord-Menschen?"
"Das weiß ich nicht, aber die Werte zeigen keine Abweichungen, wie sie für von Etnord übernommene menschliche Wirtskörper typisch wären. Was ich gerade über die Signale gesagt habe, bezieht sich auf den Anfang der Aufzeichnung. Möglicherweise handelt es sich um Übertragungsfehler oder Interferenzen. Die letzte Teil der Aufzeichnungen und auch die Daten des eingehenden Streams sind vollkommen normal…"
"Normal? Wofür normal, Dr. Mangoli?"
"Für ein menschliches Kind. Nicht älter als zehn Jahre."
*
Zehn Minuten später fanden sich Kronstein, Dr. Mangoli sowie zehn Space Marines in schweren Kampfanzügen unter dem Kommando von Master Sergeant J.L.Gerard im Hangar der ODYSSEUS ein und bestiegen die Landefähre ODYSSEUS LANDER 5.
Die Pilotin hieß Lieutenant Messina. Sie war bereits an Bord, als sie anderen eintrafen.
"Alle an Bord. Sie können starten, Lieutenant Messina", befahl Commander Kronstein.
"Aye, Aye, Sir!"
Kronstein nahm einen Platz ein und schnallte sich fest. Währenddessen öffnete sich der Hauptschott des Hangars weit genug, um die ODYSSEUS LANDER 5 hinausfliegen zu lassen.
Es gab zwar auch eine Luftschleusenfunktion für den Austausch der Atemluft im Hangar gegen ein veritables Vakuum und umgekehrt. Aber diese Funktion wurde an Bord der ODYSSEUS so gut wie nie benutzt. Stattdessen sorgten Antigrav-Aggregate durch die Projektion eines künstlichen Schwerkraftfeldes dafür, dass die Luft nicht explosionsartig ins All hinausschoss, sobald sich der Schott öffnet.
Wenig später schwebte die ODYSSEUS LANDER 5 im freien Weltraum. In den Sichtfenstern war der dritte Planet des Taralon-Systems zu sehen: Zunächst eine wichtige Siedlerwelt der Menschheit und später der Hauptplanet der Etnord, von dem aus der sogenannte Herr residiert hatte.
Ein Etnord in einem Menschenkörper, beseelt von der Idee, die Neue Ordnung der Etnord auszudehnen und einen möglichst großen Teil der Galaxis zu erobern. Aber all das schien nun der Vergangenheit anzugehören. Die Pläne der anderen Seite hatten sich geändert. Und die Frage war auch, wen es da wohl noch im Hintergrund gab. Welche Macht war stark genug, um selbst dem Herrn der Etnord Befehle geben zu können. Ihn zu rufen und dafür zu sorgen, dass er tatsächlich einen Exodus in einen fernen Raum einleitete, wie es ihn noch nicht gegeben hatte. Zumindest nicht in der Geschichte der Menschheit.
Und obwohl die Menschen von Taralon ja durch die Übernahme durch Etnord-Parasiten nicht mehr dieselben Individuen sind, muss man ihre Geschichte ja wohl trotzdem zur Geschichte der Menschheit irgendwie dazurechnen, ging es Commander Kronstein durch den den Kopf.
Auf dem Ortungsschirm der ODYSSEUS LANDER 5 war jener Punkt markiert, an dem die Biozeichen des Kindes aufgezeichnet worden waren. Der Stream war seitdem nicht abgerissen. Jäger 1 sandte noch immer Daten zur ODYSSEUS, die diese dann wie eine Relaisstation an ihren LANDER weitersandte.
"Warum glauben Sie, lassen die Etnord ein Kind zurück?", fragte Commander Kronstein an Dr. Mangoli gewandt.
"Die Frage kann ich Ihnen nicht beantworten. Mir fällt kein plausibler Grund dafür ein. Aber vielleicht wissen wir mehr, wenn wir das Kind gesehen und untersucht haben. Zum Beispiel müssen wir genau wissen, ob sein Körper nicht doch einen Etnord-Parasiten enthält."
"Ich dachte, Sie interpretieren die aufgezeichneten Biozeichen so, dass dies ausgeschlossen werden kann?"
"Ausschließen kann man das nicht. Ich erachte es nur nicht als sehr wahrscheinlich. Schon die Computeranalyse der Daten hat das ja ergeben und ich kann das nur bestätigen. Die in diesem Fall eigentlich charakteristischen Abweichungen sind nicht auszumachen."
"Ein Kinderkörper bleibt zurück… Das ist nicht logisch, Doktor."
"Wir wissen noch immer nicht alles über die Etnord. Zum Beispiel ist uns nicht klar, nach welchen Kriterien sie letztlich ihre Wirtkörper auswählen. Sie werden wohl auf spezies-gemäße Weise gezeugt, aber wird wirklich jeder potenzielle Wirtskörper auch benutzt?"
"Tut mir leid, da komme ich nicht ganz mit, Dr. Mangoli."