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Dieser Band enthält folgende SF-Romane: Planet der Kristallbäume (Brian Carisi) Der Tod kommt aus dem All (Jo Zybell) Galaxienwanderer - Die kosmischen Läufer (Alfred Bekker) Zerstörer der Weltraumpatrouille (Malcolm Jameson) Das Fernraumschiff CAESAR II/ALGO-DATA steckt fest in einem Fesselfeld von Schwarzen Sonnen. Es gibt keinen Ausweg und auch kein Lebewesen in den zahlreichen Schiffen, die als Wracks hier liegen. Doch dann kommt ein fremdes Volk ohne Schwierigkeiten durch den Schutzschirm des Raumschiffs und erweist sich als äußerst friedfertig. Aber kann man den Rimdenern in trauen?
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Seitenzahl: 626
Veröffentlichungsjahr: 2025
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4 Science Fiction Abenteuer Sonderband 1052
Copyright
Planet der Kristallbäume
Der Tod kommt aus dem All: Das Zeitalter des Kometen #16
Prolog
Erstes Kapitel
Zweites Kapitel
Drittes Kapitel
Viertes Kapitel
Fünftes Kapitel
Sechstes Kapitel
Siebtes Kapitel
Achtes Kapitel
Galaxienwanderer – Die kosmischen Läufer
Zerstörer der Weltraumpatrouille: Science Fiction
Titelseite
Cover
Inhaltsverzeichnis
Buchanfang
Dieser Band enthält folgende SF-Romane:
Planet der Kristallbäume (Brian Carisi)
Der Tod kommt aus dem All (Jo Zybell)
Galaxienwanderer - Die kosmischen Läufer (Alfred Bekker)
Zerstörer der Weltraumpatrouille (Malcolm Jameson)
Das Fernraumschiff CAESAR II/ALGO-DATA steckt fest in einem Fesselfeld von Schwarzen Sonnen. Es gibt keinen Ausweg und auch kein Lebewesen in den zahlreichen Schiffen, die als Wracks hier liegen. Doch dann kommt ein fremdes Volk ohne Schwierigkeiten durch den Schutzschirm des Raumschiffs und erweist sich als äußerst friedfertig. Aber kann man den Rimdenern in trauen?
Ein CassiopeiaPress Buch CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von
Alfred Bekker
© Roman by Author /COVER A.PANADERO
© dieser Ausgabe 2025 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen
Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.
Alle Rechte vorbehalten.
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von BRIAN CARISI
Planet der Kristallbäume Ein Science-Fiction-Abenteuer von Brian Carisi
Nach einem Absturz auf einem unbekannten Planeten kämpft der Raumfahrer Graydon ums Überleben – und entdeckt eine atemberaubende Welt voller leuchtender Kristallwälder, fremdartiger Kreaturen und einer geheimnisvollen Zivilisation. Doch unter der schimmernden Oberfläche lauert eine uralte Bedrohung: Die Schatten, die das Gleichgewicht der Welt zu zerstören drohen.
Gefangen zwischen Licht und Dunkelheit wird Graydon zum Schlüssel im Kampf um das Schicksal des Planeten. Gemeinsam mit den Bewohnern der Kristallstadt und der Macht der Hüter stellt er sich seinen größten Prüfungen – und muss entscheiden, wo er wirklich hingehört: zu den Sternen oder zu einer neuen Heimat.
Für alle Fans von fesselnder Science Fiction, faszinierenden Welten und der Suche nach Hoffnung und Identität.
Fantastisches Worldbuilding und spannende CharaktereEin Abenteuer zwischen Hightech und MagieJetzt entdecken und in eine neue Galaxis eintauchen!
Graydon Ein erfahrener terranischer Raumfahrer, der nach einem Absturz auf einem unbekannten Planeten ums Überleben kämpft und dabei in das Schicksal einer fremden Welt verwickelt wird.
Die Älteste Weise Anführerin der Kristallstadt, die Graydon mit Rat und spiritueller Führung zur Seite steht.
Der Herrscher der Türme Mächtige Führungspersönlichkeit der Schattenstadt, deren Motive und Absichten zunächst undurchsichtig erscheinen.
Captain Ilias Voss Kommandant der Terranischen Raumflotte, der mit seinem Team auf der Suche nach Graydon auf den Planeten kommt.
Der Kristallplanet Ein abgelegener, unerforschter Planet, geprägt von leuchtenden Kristallwäldern, fremdartigen Landschaften und einer einzigartigen Flora und Fauna.
Die Kristallstadt Hauptsiedlung der einheimischen Zivilisation, erbaut aus funkelnden Kristallen und voller geheimnisvoller Technologie und Tradition.
Die Türme der Schatten Eine monumentale, düstere Stadt aus schwarzem Kristall, die von einer anderen Fraktion der Einheimischen bewohnt wird.
Der Kristallwald Ein magischer, weitläufiger Wald aus leuchtenden Kristallbäumen, in dem viele Geheimnisse des Planeten verborgen liegen.
Hüter Mysteriöse Lichtwesen, die über das Gleichgewicht des Planeten wachen und eine besondere Verbindung zu den Kristallen und den Bewohnern haben.
Schatten Bedrohliche, dunkle Kräfte, die das Gleichgewicht der Welt bedrohen und im Zentrum vieler Legenden stehen.
Das Gleichgewicht Ein zentrales Prinzip der einheimischen Kultur, das das harmonische Zusammenleben von Licht und Schatten beschreibt.
Terranische Raumflotte Die interstellare Organisation der Menschheit, die für Forschung, Schutz und Erkundung des Universums zuständig ist.
Kompaktlaser Ein vielseitiges Werkzeug und Waffe, das Graydon bei seiner Erkundung und im Überlebenskampf unterstützt.
Kristallbäume Leuchtende, majestätische Bäume, die den Planeten prägen und eine wichtige Rolle in der Kultur und dem Alltag der Bewohner spielen.
Die Stille nach dem Aufprall war ohrenbetäubend.
Graydon lag reglos in den Trümmern seines Cockpits, während der metallische Geschmack von Blut seinen Mund füllte. Der Bordcomputer hatte noch bis zur letzten Sekunde gewarnt, geblinkt, geschrien – und dann war alles in ein blendendes Weiß getaucht worden, gefolgt von Schwärze. Jetzt war da nur noch das dumpfe Dröhnen in seinem Schädel und das Knirschen von Schutt unter seinen Handschuhen, als er sich langsam aufrichtete.
Sein Anzug war noch intakt, die Anzeigen an seinem Handgelenk leuchteten grün. Sauerstoffversorgung: stabil. Außentemperatur: 14 Grad Celsius. Strahlungswerte: erhöht, aber nicht akut gefährlich. Graydon atmete tief durch, zwang sich zur Ruhe. Panik half jetzt niemandem, schon gar nicht ihm selbst.
Er blickte durch die zersplitterte Kanzel. Das Raumschiff, die Vigilant, war kaum mehr als ein Haufen verbogener Platten und herausgerissener Kabel. Die Notfallkapsel hatte versagt, die Steuerdüsen waren in der Atmosphäre explodiert. Der Absturz war unvermeidlich gewesen, und Graydon wusste, dass er Glück gehabt hatte, überhaupt noch am Leben zu sein.
Er löste die Gurte, die ihn in den Sitz gepresst hatten, und kroch aus dem Cockpit. Die Außenhülle war aufgerissen, ein Flügel fehlte ganz, und der Rest des Schiffes lag halb in einem sumpfigen Tümpel, halb auf festem Boden. Über ihm spannte sich ein violett getönter Himmel, von Wolken durchzogen, die in der Ferne zuckten und blitzen. Die Luft roch nach feuchtem Moos und etwas, das entfernt an verbranntes Metall erinnerte.
Graydon aktivierte das Holodisplay an seinem Arm. Die Datenbank erkannte den Planeten nicht. Kein Name, keine bekannten Lebensformen, keine Zivilisationen. Ein Hinterwäldlerplanet, am äußersten Rand der Galaxis, fernab jeder bekannten Route. Er war allein.
Er griff nach dem Notfallrucksack, der an seinem Sitz befestigt war, und überprüfte den Inhalt: Wasserfilter, Kompaktlaser, Multitool, Medikit, ein paar Riegel synthetischer Nahrung, Notfunkbake. Letztere war nutzlos – ohne intaktes Relaisnetzwerk würde niemand sein Signal auffangen. Graydon fluchte leise, dann schulterte er den Rucksack und machte sich daran, das Wrack zu durchsuchen.
Die ersten Schritte waren schwer. Sein rechtes Bein schmerzte, vermutlich eine Prellung, aber nichts war gebrochen. Er sammelte, was noch brauchbar war: ein Ersatzakku, ein paar Energiekapseln, die Notfallkarte. Alles andere war verschmort, zerquetscht oder in den Sumpf gerutscht. Die Hoffnung, die Kommunikationsanlage reparieren zu können, gab er nach wenigen Minuten auf.
Er trat aus dem Schatten des Wracks und blickte sich um. Der Sumpf erstreckte sich in alle Richtungen, durchzogen von knorrigen Bäumen mit blauen Blättern und leuchtenden Pilzen, die in der Dämmerung glimmten. In der Ferne erhob sich eine Hügelkette, dahinter ragten seltsame, nadelartige Felsen in den Himmel. Es gab keine Spuren von Zivilisation, keine Lichter, keine Straßen. Nur das leise Summen von Insekten und das entfernte Grollen eines Gewitters.
Graydon zwang sich, einen Schritt nach dem anderen zu machen. Er musste einen sicheren Ort finden, einen Überblick gewinnen, vielleicht einen Weg zu einer Siedlung – falls es hier überhaupt intelligente Lebensformen gab. Der Gedanke, auf einem unkartierten Planeten zu stranden, war für einen terranischen Raumfahrer der Stoff aus Albträumen. Doch Graydon hatte gelernt, dass es in der Leere des Alls nur eine Regel gab: Wer aufgibt, stirbt.
Er folgte einem schmalen Pfad, der sich durch das Unterholz schlängelte. Die Vegetation war dicht, aber nicht undurchdringlich. Immer wieder hörte er Geräusche – das Platschen von Wasser, das Rascheln von Blättern, ein entferntes, kehliges Brüllen, das ihm die Nackenhaare aufstellte. Er hielt den Kompaktlaser griffbereit und achtete auf jede Bewegung.
Nach einer halben Stunde erreichte er eine kleine Anhöhe. Von hier aus konnte er das Wrack sehen, das wie ein gestrandetes Tier im Sumpf lag. Dahinter erstreckte sich die fremde Landschaft, von Nebelschwaden durchzogen, die in der untergehenden Sonne golden leuchteten. Graydon setzte sich, trank einen Schluck Wasser und versuchte, seine Gedanken zu ordnen.
Er musste Prioritäten setzen. Überleben. Einen Unterschlupf finden. Nahrung und Wasser sichern. Dann nach Hilfe suchen – oder nach einem Weg, selbstständig zu entkommen. Er wusste, dass seine Chancen gering waren, doch Aufgeben war keine Option.
Ein Rascheln ließ ihn aufschrecken. Graydon fuhr herum, den Laser im Anschlag. Zwischen den Bäumen bewegte sich etwas – ein Schatten, kaum mehr als eine Silhouette. Er hielt den Atem an, versuchte, das Wesen auszumachen. Es war etwa einen Meter groß, mit langen, dünnen Gliedmaßen und einem schimmernden, bläulichen Fell. Die Augen leuchteten im Zwielicht, groß und neugierig.
Das Wesen bewegte sich vorsichtig, immer darauf bedacht, Abstand zu halten. Graydon senkte die Waffe langsam, zeigte die leeren Hände. „Ich tue dir nichts“, sagte er leise, obwohl er wusste, dass es ihn vermutlich nicht verstand. „Ich bin nur gestrandet.“
Das Geschöpf neigte den Kopf, als würde es ihn mustern. Dann gab es ein leises, trillerndes Geräusch von sich und verschwand zwischen den Bäumen. Graydon atmete auf, doch sein Herz schlug noch immer wild. Es gab also Leben auf diesem Planeten – und vielleicht mehr als nur Tiere.
Er beschloss, die Anhöhe für die Nacht zu nutzen. Der Boden war trocken, von Moos bedeckt, und die Bäume boten Schutz vor Wind und Regen. Mit dem Multitool schnitt er einige Äste ab, baute eine provisorische Hütte und legte eine Isomatte aus dem Rucksack aus. Das Licht schwand schnell, und bald war es stockdunkel.
Graydon aß einen der Riegel, trank noch einmal und überprüfte die Anzeigen seines Anzugs. Die Energie würde für ein paar Tage reichen, dann musste er eine neue Quelle finden. Er stellte den Bewegungsmelder auf und lehnte sich zurück, den Laser griffbereit.
Die Nacht war voller Geräusche. Irgendwo in der Ferne schrie ein Tier, gefolgt von einem dumpfen Poltern. Kleine Lichter schwebten zwischen den Bäumen, wie Glühwürmchen, doch als Graydon genauer hinsah, erkannte er, dass es winzige, schwebende Quallen waren, die in der Luft trieben und leise summten. Der Planet war fremd, aber nicht feindselig – zumindest noch nicht.
Graydon schloss die Augen und versuchte zu schlafen. Doch immer wieder tauchten Bilder vor seinem inneren Auge auf: das Wrack, das seltsame Wesen, die endlose Wildnis. Er wusste, dass der nächste Tag neue Herausforderungen bringen würde. Doch er war bereit.
Der Morgen kam mit einem violetten Dämmerlicht, das durch das Blätterdach sickerte. Graydon erwachte, steif und müde, doch lebendig. Der Bewegungsmelder hatte in der Nacht mehrmals angeschlagen, doch nichts hatte sich seiner Hütte genähert. Er streckte sich, packte seine Sachen und machte sich auf den Weg.
Er folgte dem Pfad weiter, immer in Richtung der Hügel. Das Terrain wurde trockener, die Vegetation lichter. Immer wieder begegnete er seltsamen Pflanzen – eine Art Farn, dessen Blätter bei Berührung zusammenklappten, und Pilzen, die auf Druck hin leuchteten. Die Luft war feucht, aber nicht unangenehm, und das Summen der Insekten wurde von Stunde zu Stunde lauter.
Gegen Mittag erreichte er einen kleinen Bach. Das Wasser war klar, und der Filter im Rucksack zeigte keine gefährlichen Substanzen an. Graydon füllte seine Flasche, wusch sich das Gesicht und betrachtete sein Spiegelbild im Wasser. Die Augen gerötet, die Haut von Schrammen übersät, das Haar zerzaust – aber er war am Leben.
*
Graydon hatte die Nacht im Schutz einer alten Baumwurzel verbracht, das Summen der fremdartigen Insekten im Ohr und den Kompaktlaser stets griffbereit. Als der Morgen in einem blassen, fast perlmuttfarbenen Licht erwachte, machte er sich wieder auf den Weg. Die Hoffnung, irgendwo Spuren von Intelligenz zu finden, trieb ihn an – denn so seltsam die Kreaturen und Pflanzen dieses Planeten auch waren, sie wirkten wild, aber nicht organisiert.
Er marschierte stundenlang durch das sumpfige Gelände, immer wieder innehaltend, um die Umgebung zu beobachten. Die Pflanzenwelt wurde lichter, der Boden trockener, und bald stieß er auf einen schmalen, ausgetretenen Pfad. Er folgte ihm vorsichtig, die Sinne geschärft. Irgendetwas an der Regelmäßigkeit der Spuren ließ ihn hoffen: Hier war vielleicht jemand gegangen, der mehr war als ein Tier.
Nach einer Biegung öffnete sich der Wald abrupt in eine weite Ebene. Graydon blieb stehen und sog scharf die Luft ein. In der Ferne erhoben sich seltsame, geometrische Strukturen aus dem Boden – zu regelmäßig, um natürlichen Ursprungs zu sein. Sie wirkten wie Türme, gebaut aus einem Material, das im Sonnenlicht schimmerte, und waren von Mauern und Gräben umgeben. Zwischen den Bauten bewegten sich kleine Gestalten, zu weit entfernt, um Details zu erkennen.
Graydon duckte sich ins hohe Gras und beobachtete das Treiben. Die Wesen waren etwa so groß wie Menschen, aber schlanker, mit langen Armen und Beinen. Ihre Haut schien in verschiedenen Tönen zu schimmern – von bläulich bis grünlich – und sie trugen Gewänder aus gewebten Pflanzenfasern. Einige trugen große, ovale Masken, andere bewegten sich frei, aber alle wirkten zielgerichtet, beschäftigt.
Er wagte sich näher heran, immer darauf bedacht, nicht entdeckt zu werden. Aus der Nähe konnte er erkennen, dass die Gebäude aus einer Art kristallinem Stein bestanden, der in der Sonne funkelte. Die Mauern waren mit Mustern bedeckt, eingeritzt oder vielleicht gemalt – Spiralen, Linien, seltsame Symbole, die Graydon an uralte terranische Petroglyphen erinnerten.
Plötzlich erklang ein Laut – ein tiefer, vibrierender Ton, der aus einem der Türme drang. Die Gestalten hielten inne, drehten sich in die Richtung des Geräuschs und begannen, sich zu versammeln. Offenbar war dies ein Signal, vielleicht der Beginn eines Rituals oder einer Versammlung.
Graydon schlich näher, bis er einen guten Blick auf den zentralen Platz hatte. Dort stand eine größere Gestalt, gehüllt in ein besonders prächtiges Gewand, das mit leuchtenden Steinen besetzt war. Sie hob die Arme, und die Menge verstummte. Dann begann sie zu sprechen – die Sprache war fremd, voller Klicklaute und kehliger Töne, aber ihre Wirkung war eindeutig: Die Anwesenden lauschten gebannt.
Während der Zeremonie bemerkte Graydon, dass einige der Wesen Geräte bedienten, die an primitive Werkzeuge erinnerten, aber mit einer seltsamen Energie zu vibrieren schienen. Andere trugen Körbe mit leuchtenden Früchten herbei, die sie auf dem Platz abstellten. Es wirkte wie ein Markt oder eine Opfergabe.
Fasziniert beobachtete Graydon, wie zwei der Wesen ein großes, durchscheinendes Tuch entfalteten, das sie zwischen zwei Pfosten spannten. Darauf projizierten sie mit Hilfe eines kleinen, handlichen Apparats bewegte Bilder – Szenen aus ihrem Alltag, Jagden, Tänze, Sternbilder. Die ganze Gemeinschaft versammelte sich davor, lachte, rief, zeigte auf bestimmte Bilder. Es war eine Art Geschichtenerzählen, vielleicht sogar Unterricht.
Graydon wurde klar: Er hatte eine Zivilisation entdeckt, die weit mehr war als eine primitive Stammesgesellschaft. Sie hatten Kunst, Technologie, Rituale – und offenbar ein starkes Gemeinschaftsgefühl.
Er zog sich vorsichtig zurück, das Herz klopfend vor Aufregung. Er wusste, dass der Kontakt mit einer fremden Kultur gefährlich sein konnte, doch die Neugier war stärker als die Angst. Er musste einen Weg finden, mit ihnen zu kommunizieren – vielleicht würden sie ihm helfen, vielleicht konnten sie ihm sogar einen Weg nach Hause zeigen.
Doch vorerst beobachtete er weiter, sog jedes Detail auf: die Sprache, die Gesten, die Werkzeuge. Er wusste, dass er vorsichtig sein musste. Doch in diesem Moment, als die fremden Wesen ihre Geschichten erzählten und die Sonne über ihrer Stadt aufging, fühlte sich Graydon zum ersten Mal seit dem Absturz nicht mehr ganz so verloren.
*
Graydon hatte sich tagelang in der Nähe der fremden Siedlung verborgen gehalten, immer darauf bedacht, nicht entdeckt zu werden. Er beobachtete die Bewohner aus sicherer Entfernung, versuchte, Muster in ihrem Alltag zu erkennen, ihre Rituale zu verstehen, ihre Sprache zu erahnen. Doch irgendwann musste er näher heran, musste herausfinden, ob sie ihm helfen konnten – oder ob er sich vor ihnen in Acht nehmen musste.
An diesem Morgen schlich er sich, noch vor Sonnenaufgang, an den Rand des Dorfes. Der Nebel hing schwer zwischen den schimmernden Türmen, und die meisten Bewohner schliefen noch. Graydon bewegte sich vorsichtig, trat von Schatten zu Schatten, das Herz pochte wild in seiner Brust. Er wollte einen Blick auf das große, zentrale Gebäude werfen, das von den anderen wie ein Heiligtum behandelt wurde. Vielleicht fand er dort Hinweise auf ihre Kultur – oder auf eine Möglichkeit, Kontakt aufzunehmen.
Er duckte sich unter ein Fenster aus durchscheinendem Stein, als plötzlich ein leises Knacken hinter ihm ertönte. Graydon erstarrte. Zu spät drehte er sich um – eine kleine Gruppe der fremden Wesen stand nur wenige Meter entfernt. Sie waren schlank, größer als er, mit schimmernder, blaugrüner Haut und großen, schwarzen Augen. In ihren Händen hielten sie lange Stäbe, die an erinnerten, aber an den Spitzen leise summten.
Einen Moment lang starrten sie sich gegenseitig an, wie eingefroren. Dann rief einer der Fremden einen scharfen, klickenden Laut. Sofort zuckten aus mehreren Richtungen weitere Gestalten heran, umstellten Graydon in einem engen Halbkreis. Ihre Gesichter waren ausdruckslos, doch ihre Körperhaltung verriet Anspannung.
Graydon hob langsam die Hände, ließ den Kompaktlaser am Gürtel. „Ich komme in Frieden“, sagte er, obwohl er wusste, dass sie ihn nicht verstehen würden. Er zeigte mit beiden Händen auf sich, dann auf den Himmel, versuchte mit Gesten zu erklären, dass er ein Reisender war, gestrandet, hilflos.
Die Fremden beobachteten ihn aufmerksam. Einer trat vor, sein Gewand war mit bunten Steinen besetzt, offenbar ein Anführer. Er sprach mit tiefer, kehliger Stimme, die Worte rollten wie Wellen durch die Luft. Graydon schüttelte den Kopf, hob hilflos die Schultern. Er wusste nicht, wie er ihnen klarmachen sollte, dass er keine Bedrohung war.
Plötzlich trat einer der Fremden näher, bewegte sich mit einer geschmeidigen Eleganz, die an Raubtiere erinnerte. Er streckte eine lange, viergliedrige Hand aus und berührte vorsichtig Graydons Ärmel. Das Material seines Raumanzugs schimmerte im Morgenlicht, und ein leises Raunen ging durch die Gruppe. Der Anführer gab einen Befehl, und zwei der Fremden packten Graydon an den Armen – nicht grob, aber bestimmt.
Sie führten ihn durch das Dorf. Die Bewohner kamen aus ihren Häusern, starrten neugierig, einige wichen erschrocken zurück. Kinder liefen herbei, ihre Augen groß vor Staunen. Graydon spürte die Blicke, hörte das aufgeregte Murmeln, das sich wie ein Lauffeuer ausbreitete.
Vor dem zentralen Gebäude blieb die Gruppe stehen. Der Anführer hob einen Arm, und die Menge verstummte. Dann wandte er sich an Graydon, sprach langsam, mit vielen Gesten. Er zeigte auf Graydon, dann auf den Himmel, dann auf sich selbst. Es war offensichtlich: Sie versuchten, ihn zu verstehen.
Graydon nickte, zeigte wieder auf sich, dann auf den Himmel. „Graydon“, sagte er, und wiederholte es, bis der Anführer das Wort nachsprach – oder zumindest etwas Ähnliches. Die Menge raunte erneut, einige lachten, andere wirkten skeptisch.
Plötzlich trat eine ältere Fremde vor, ihr Gesicht von tiefen Linien durchzogen, ihre Augen funkelten intelligent. Sie hielt ein seltsames Gerät in der Hand, eine Art Kristall, der in ihrer Berührung zu leuchten begann. Sie berührte Graydon damit an der Stirn, und für einen Moment spürte er ein seltsames Kribbeln, als würde ein schwacher Strom durch ihn fließen.
Die Frau sprach, langsam, fast singend. Graydon verstand kein Wort, doch in seinem Kopf formten sich Bilder – Sterne, ein Schiff, das vom Himmel fällt, ein einsamer Wanderer im fremden Land. Er begriff: Sie versuchte, mit ihm zu kommunizieren, nicht über Worte, sondern über Gedanken, über Bilder.
Graydon schloss die Augen, konzentrierte sich. In seinem Geist stellte er sich vor, wie sein Schiff abstürzt, wie er überlebt, wie er Hilfe sucht. Er öffnete die Augen – und sah, dass die Fremden ihn gespannt musterten. Die ältere Frau lächelte, nickte langsam.
Der Bann war gebrochen. Die Anspannung wich, die Menge trat näher, einige berührten vorsichtig seinen Anzug, andere zeigten auf seine Ausrüstung, stellten Fragen, die er nicht verstand. Der Anführer hob erneut die Hand, sprach ein paar Worte, und die Gruppe löste sich auf.
Graydon wurde ins zentrale Gebäude geführt, wo man ihm einen Platz am Feuer anbot und ihm eine Schale mit einer dampfenden, süßlich duftenden Flüssigkeit reichte. Er nahm dankbar einen Schluck und spürte zum ersten Mal seit Tagen, wie die Angst von ihm abfiel.
Er war entdeckt worden – und angenommen. Die erste Begegnung war überstanden. Und während draußen die Sonne über der fremden Stadt aufging, wusste Graydon, dass sein Abenteuer jetzt erst richtig begann.
*
Graydon hatte gerade begonnen, sich in der Gesellschaft der Fremden etwas sicherer zu fühlen. Die Neugier der Bewohner war groß, und auch wenn sie seine Sprache nicht verstanden, schienen sie seine Gesten und Zeichen zu deuten. Die Älteste, die ihn mit dem Kristall berührt hatte, saß oft an seiner Seite und versuchte, ihm einfache Worte beizubringen. Die Stimmung im Dorf war gespannt, aber nicht feindselig – bis zu jenem Moment, als alles kippte.
Es begann mit einem lauten, schrillen Ton, der wie ein Alarm durch die Siedlung schnitt. Sofort rannten die Bewohner aus ihren Häusern, einige griffen nach den summenden Stäben, andere sammelten die Kinder ein und zogen sie in Sicherheit. Graydon stand auf, sein Herz pochte wild. Er wusste nicht, was los war, aber die Angst der Fremden war ansteckend.
Plötzlich stürmte ein Trupp bewaffneter Krieger auf den Platz. Ihre Gewänder waren dunkler, ihre Masken bedrohlicher als die der Dorfbewohner. Sie umringten Graydon, ihre Stäbe auf ihn gerichtet, und schrien Worte, die wie Befehle klangen. Die Älteste stellte sich schützend vor ihn, doch einer der Krieger stieß sie grob zur Seite.
Der Anführer der Krieger, ein massiger, hochgewachsener Fremder mit einer Maske aus schwarzem Stein, trat an Graydon heran. Er sprach in scharfem, drohendem Ton und zeigte auf Graydon, dann auf den Himmel, dann wieder auf Graydon. Seine Geste war eindeutig: Du bist nicht willkommen.
Graydon hob die Hände, versuchte zu erklären, dass er keine Gefahr war, doch die Krieger rückten näher. Einer entriss ihm den Kompaktlaser, ein anderer riss seinen Rucksack an sich. Die Menge wich zurück, einige schrien, andere warfen Steine nach ihm.
Plötzlich begann der Kristall in der Hand der Ältesten grell zu leuchten. Sie rief etwas, das wie eine Warnung klang, doch der Krieger schlug ihr das Gerät aus der Hand. Es prallte auf den Boden, zerbarst – und in diesem Moment zuckte ein greller Lichtblitz durch die Luft. Für einen Wimpernschlag war alles in gleißendes Weiß getaucht, dann krachte ein Donnerschlag durch das Dorf.
Als Graydon wieder sehen konnte, herrschte Chaos. Die Krieger schrien, einige hielten sich den Kopf, andere taumelten zurück. Die Dorfbewohner nutzten die Verwirrung, um sich in die Häuser zu flüchten. Der Anführer der Krieger packte Graydon am Arm und zerrte ihn brutal mit sich. Zwei weitere hielten ihn fest, banden ihm die Hände mit einer Art Faserstrick.
Graydon wurde über den Platz geschleift, vorbei an den zerstörten Resten des Kristalls, vorbei an den verängstigten Blicken der Dorfbewohner. Die Älteste lag am Boden, reglos, während sich zwei Frauen um sie kümmerten.
Die Krieger schleiften Graydon aus dem Dorf hinaus, in Richtung der fernen Türme, die er schon bei seiner ersten Erkundung gesehen hatte. Der Anführer sprach mit schneidender Stimme zu seinen Männern, und immer wieder fiel das Wort „Himmel“ – das einzige, das Graydon inzwischen kannte.
Er verstand: Sie hielten ihn für einen Eindringling, vielleicht sogar für einen Feind. Was als vorsichtige Begegnung begonnen hatte, war in eine Geiselnahme umgeschlagen. Graydon wusste nicht, was ihn in den Türmen erwartete – aber er spürte, dass er jetzt um sein Leben kämpfen musste.
Die erste Begegnung mit der fremden Zivilisation war nicht nur zu einer Entdeckung geworden, sondern zu einem gefährlichen Spiel um Vertrauen, Angst und Macht. Und Graydon war mittendrin – allein, gefesselt und völlig ausgeliefert.
Die Fesseln an Graydons Handgelenken schnitten schmerzhaft in seine Haut, während die Krieger ihn durch das dichte Unterholz zerrten. Die fremden Fasern, aus denen die Stricke bestanden, waren widerstandsfähig, aber zugleich seltsam elastisch – wie lebendige Sehnen, die sich mit jeder Bewegung enger zogen. Graydon stolperte, fiel, wurde wieder auf die Beine gezerrt. Die Krieger sprachen kaum, nur gelegentlich wechselten sie knappe, kehlige Worte. Ihr Griff war unerbittlich.
Der Weg führte sie fort vom Dorf, hinein in eine Landschaft, die immer unwirklicher wurde. Die Vegetation veränderte sich: Aus den sumpfigen Wäldern wurden dichte Haine aus riesigen, pilzartigen Gewächsen, deren Kappen in allen Farben des Spektrums leuchteten. Zwischen den Stämmen waberte ein phosphoreszierender Nebel, der bei jeder Bewegung der Gruppe in zarten Wirbeln aufstieg. Von irgendwoher klang das Echo fremdartiger Gesänge, als würde der Wald selbst atmen und summen.
Graydon versuchte, sich zu orientieren, doch die fremde Geographie verwirrte ihn. Der Himmel war von dunklen, violetten Wolken verhangen, aus denen gelegentlich Blitze zuckten – nicht weiß, sondern grünlich, als würde der Planet selbst eine andere Physik besitzen. Die Luft war schwer, voller süßlicher Düfte, die ihm schwindelig machten.
Nach Stunden des Marsches tauchten sie aus dem Nebel auf eine weite, offene Ebene hinaus. Dort erhoben sich die Türme, die Graydon schon aus der Ferne gesehen hatte: Gigantische, nadelartige Gebilde aus schwarzem Kristall, die in den Himmel stachen. Sie waren von einer Mauer aus dem gleichen Material umgeben, durchzogen von leuchtenden Linien, die wie Adern aus Licht wirkten. Um die Türme herum schwebten seltsame, schmetterlingsartige Wesen, deren Flügel in der Dämmerung funkelten.
Die Krieger trieben Graydon durch ein Tor, das sich lautlos öffnete, als sie sich näherten. Dahinter lag eine Stadt, die so fremdartig war, dass Graydon unwillkürlich den Atem anhielt: Die Straßen waren keine Straßen, sondern schwebende Stege, die sich in Spiralen um die Türme wanden. Überall waren Plattformen, auf denen sich die Bewohner der Stadt versammelten – Wesen, die den Kriegern ähnelten, aber in noch prächtigeren Gewändern, mit Masken aus funkelnden Edelsteinen oder poliertem Metall.
Graydon wurde durch die Straßen geführt, vorbei an Märkten, auf denen exotische Waren feilgeboten wurden: leuchtende Kristalle, schwebende Kugeln, die Musik erzeugten, Pflanzen mit beweglichen Ranken, die nach den Passanten griffen. Die Luft war voller Gerüche – scharf, süß, beißend. Überall summte und vibrierte es, als wäre die Stadt ein einziger, lebendiger Organismus.
Die Bewohner wichen zurück, als sie Graydon sahen. Einige warfen ihm neugierige, andere feindselige Blicke zu. Kinder versteckten sich hinter den Beinen ihrer Eltern, während Händler ihre Stände schlossen. Ein Raunen ging durch die Menge, als die Krieger ihren Gefangenen zum zentralen Turm brachten – dem höchsten, finstersten aller Türme, dessen Spitze in den Wolken verschwand.
Das Tor öffnete sich mit einem tiefen, vibrierenden Ton. Drinnen war es kühl und dunkel, nur von den leuchtenden Linien im Kristall erhellt. Die Krieger stießen Graydon eine spiralförmige Rampe hinauf, vorbei an Nischen, in denen seltsame Statuen standen – Darstellungen von Kreaturen, die halb Pflanze, halb Tier waren, mit vielen Augen und Armen.
Schließlich erreichten sie eine große Halle. In der Mitte stand ein Thron aus schwarzem Stein, auf dem eine Gestalt saß, die selbst unter den Fremden herausragte: Der Herrscher der Türme, wie Graydon vermutete. Seine Maske war aus purem Silber, mit eingesetzten Edelsteinen, die in allen Farben glühten. Sein Gewand bestand aus Schichten schimmernder Stoffe, die bei jeder Bewegung wie Flüssigkeit flossen.
Die Krieger warfen Graydon zu Boden, knieten selbst nieder und senkten die Köpfe. Der Herrscher erhob sich langsam, trat vor, und seine Stimme hallte durch die Halle wie ein ferner Donner. Er sprach in der fremden Sprache, doch seine Worte waren von einer Autorität, die keinen Widerspruch duldete.
Graydon zwang sich, aufzusehen. „Ich bin nicht euer Feind“, sagte er, so ruhig wie möglich. „Ich bin gestrandet. Ich brauche Hilfe.“
Der Herrscher musterte ihn, dann winkte er einen der Krieger herbei. Dieser brachte ein Gerät, das wie eine Mischung aus Spiegel und Kristallkugel aussah. Der Herrscher hielt es Graydon vors Gesicht, und plötzlich spürte er einen Sog – als würde etwas in seinem Geist nach Erinnerungen suchen.
Bilder zuckten vor Graydons innerem Auge auf: Der Absturz, das Wrack, das Dorf, die Begegnung mit der Ältesten, der Angriff der Krieger. Er spürte Angst, Wut, Verzweiflung – und dann, ganz kurz, ein Funken Hoffnung. Der Herrscher zog das Gerät zurück, betrachtete es, als könne er darin lesen.
Dann sprach er erneut, diesmal langsamer. Graydon verstand kein Wort, doch die Bedeutung war klar: Du bist ein Fremder. Ein Risiko. Vielleicht ein Feind.
Mit einer Geste befahl der Herrscher den Kriegern, Graydon fortzubringen. Sie zerrten ihn aus der Halle, durch einen Korridor, der in ein tiefes, rundes Gefängnis führte. Die Zelle war aus schwarzem Kristall, von innen glatt wie Glas, von außen undurchdringlich. Ein einziges, rundes Fenster bot einen Blick auf die Stadt – und auf den Himmel, in dem die Blitze tanzten.
Die Tür schloss sich mit einem dumpfen Schlag. Graydon war allein.
Die Stunden vergingen. Graydon saß auf dem kalten Boden, starrte durch das Fenster. Er dachte an das Dorf, an die Älteste, an die Kinder, die ihn neugierig betrachtet hatten. Was war aus ihnen geworden? Hatten die Krieger sie bestraft, weil sie ihm geholfen hatten? Die Schuld nagte an ihm.
Er untersuchte die Zelle. Keine Ritzen, keine Fugen. Der Kristall war makellos, als wäre er aus einem Guss. Die Tür war verschlossen, keine sichtbaren Schlösser oder Griffe. Graydon tastete nach seinem Gürtel – leer. Sie hatten ihm alles abgenommen.
Plötzlich hörte er ein leises Klopfen. Er drehte sich um – am Fenster schwebte eine kleine, schmetterlingsartige Kreatur, wie die, die er draußen gesehen hatte. Ihre Flügel leuchteten in einem sanften Blau, und sie schien ihn zu mustern. Dann berührte sie das Fenster mit ihren Fühlern, und für einen Moment flackerte das Licht im Kristall.
Graydon trat näher. „Kannst du mich hören?“ flüsterte er, obwohl er wusste, wie absurd das war.
Die Kreatur neigte den Kopf, als würde sie ihn verstehen. Dann flog sie davon – und kehrte wenige Minuten später zurück, diesmal mit einer zweiten, größeren Kreatur. Diese hatte einen länglichen Körper, fast wie eine Libelle, und trug an den Beinen kleine, leuchtende Kugeln. Sie berührte das Fenster, und plötzlich erschien auf der Innenseite ein Muster aus Licht – Spiralen, Kreise, Linien, die sich zu einer Art Schrift formten.
Graydon starrte auf die Zeichen. Sie waren fremd, aber irgendwie vertraut – als hätte er sie schon einmal gesehen, vielleicht in den Mustern der Dorfhäuser, in den Tätowierungen der Ältesten. Er fuhr mit dem Finger über das Licht, und es begann zu pulsieren.
Plötzlich hörte er eine Stimme – nicht laut, sondern in seinem Kopf, klar und ruhig: Du bist nicht allein.
Graydon zuckte zusammen. „Wer…?“
Wir sind die Hüter, kam die Antwort, die Beobachter. Du bist ein Gast, kein Feind. Doch du bist in Gefahr. Die Schattenfürsten fürchten, was sie nicht verstehen.
Graydon schluckte. „Was wollen sie von mir?“
Sie glauben, du bringst Unheil. Sie kennen nur Angst und Macht. Doch es gibt andere, die dir helfen können. Folge dem Licht, wenn die Zeit kommt.
Die Projektion erlosch, die Kreaturen verschwanden. Graydon blieb zurück, verwirrt, aber auch hoffnungsvoll. Er wusste nicht, ob er halluzinierte – oder ob er gerade mit einer anderen Intelligenz gesprochen hatte.
Die Tür öffnete sich mit einem Mal. Zwei Krieger traten ein, packten Graydon und führten ihn durch einen anderen Korridor, tiefer in den Turm hinein. Die Wände waren hier von seltsamen Mustern bedeckt, die im Vorübergehen zu pulsieren schienen. Sie brachten ihn in einen runden Saal, in dessen Mitte ein Becken aus schwarzem Stein lag. Darin schwamm eine Flüssigkeit, die wie flüssiges Licht wirkte – silbrig und ständig in Bewegung.
Am Rand des Beckens standen mehrere Gestalten in prächtigen Gewändern. Eine davon war die Älteste aus dem Dorf, blass, aber lebendig. Ihre Augen trafen Graydons, und in ihnen lag eine stumme Warnung.
Der Herrscher der Türme trat an das Becken, sprach einige Worte. Zwei Priesterinnen tauchten ihre Hände in die Flüssigkeit und begannen, leise zu singen. Das Licht im Saal veränderte sich, wurde dunkler, die Muster an den Wänden begannen zu rotieren.
Graydon wurde an den Rand des Beckens gezerrt. Der Herrscher sprach ihn direkt an, seine Stimme war jetzt schneidend, voller Misstrauen. Er zeigte auf das Becken, dann auf Graydon, dann auf die Älteste. Offenbar sollte hier ein Ritual stattfinden – vielleicht ein Test, vielleicht ein Urteil.
Die Priesterinnen winkten Graydon, sich zu nähern. Er zögerte, doch die Krieger stießen ihn vorwärts. Die Flüssigkeit im Becken begann zu brodeln, als spürte sie seine Anwesenheit. Die Älteste trat an seine Seite, flüsterte ihm ein einziges Wort zu – ein Wort, das er nicht verstand, das aber in seinem Geist nachhallte wie ein entferntes Echo.
Graydon kniete am Beckenrand, tauchte zögernd die Fingerspitzen in die Flüssigkeit. Ein Schock durchfuhr ihn – Bilder, Erinnerungen, fremde Welten, fremde Sterne. Er sah das Dorf, die Türme, den Absturz seines Schiffes, aber auch Dinge, die er nie erlebt hatte: Kriege, Fluchten, Bündnisse zwischen Völkern, die nicht von dieser Welt waren.
Die Priesterinnen sangen lauter, der Herrscher trat näher, seine Maske funkelte im Licht. Plötzlich zuckte ein Schatten durch den Saal – eine dunkle Gestalt, halb real, halb aus Rauch. Die Flüssigkeit im Becken wurde schwarz, wirbelte auf, und Graydon spürte, wie etwas in ihn eindrang, eine fremde Präsenz, kalt und hungrig.
Die Älteste schrie auf, versuchte, Graydon zurückzuziehen, doch die Krieger hielten sie fest. Graydon kämpfte gegen die Dunkelheit, die ihn zu verschlingen drohte. In seinem Geist hörte er wieder die Stimme der Hüter: Widerstehe. Folge dem Licht.
Mit letzter Kraft konzentrierte er sich auf das Bild der schmetterlingsartigen Kreatur, auf das blaue Leuchten ihrer Flügel. Plötzlich schoss ein Lichtstrahl aus dem Fenster, traf das Becken, und die Dunkelheit wich zurück. Die Schattenfigur schrie, löste sich auf, und die Flüssigkeit wurde wieder silbrig.
Graydon sackte zusammen, keuchend, schweißgebadet. Die Priesterinnen wichen zurück, der Herrscher starrte ihn an – zum ersten Mal war in seiner Haltung Unsicherheit zu spüren.
Die Älteste kniete neben Graydon, legte ihm die Hand auf die Stirn. „Du bist stärker, als sie dachten“, flüsterte sie in gebrochenem Terranisch. „Aber sie werden dich nicht gehen lassen. Noch nicht.“
Graydon blickte sie an, erschöpft, aber entschlossen. Er wusste jetzt, dass er nicht nur um sein eigenes Leben kämpfte – sondern um das Schicksal eines ganzen Volkes, vielleicht sogar um mehr.
Draußen zuckten die Blitze, und irgendwo in der Stadt erklang das Echo der Gesänge der Hüter. Das Abenteuer war noch lange nicht vorbei.
Graydons Bewusstsein trieb wie ein loses Blatt im Wind. Stimmen hallten in seinem Kopf, Erinnerungsfetzen und fremde Bilder wirbelten durcheinander. Er sah das Dorf, die leuchtenden Pilzwälder, das Gesicht der Ältesten, dann wieder die Türme aus schwarzem Kristall, die sich wie Dornen in den Himmel bohrten. Ein Lichtblitz – das Bild der schmetterlingshaften Kreatur – und dann Dunkelheit. xxx
Als er zu sich kam, lag er auf einer schwebenden Liege, die langsam durch einen endlosen Korridor glitt. Über ihm flackerten Muster aus Licht und Schatten, die sich in geometrischen Spiralen an der Kristalldecke entlangschlängelten. Die Luft war kühl und roch nach Ozon und fremdartigen Blüten. Zwei der Priesterinnen, ihre Gewänder jetzt mit leuchtenden Symbolen bestickt, schoben die Liege wortlos voran. Ihre Gesichter waren hinter Masken verborgen, die wie aus lebendigem Metall wirkten – sie pulsierten im Takt der Lichter an den Wänden.
Graydon versuchte, sich aufzurichten, doch ein unsichtbares Kraftfeld hielt ihn sanft, aber bestimmt fest. Er war nicht mehr gefesselt, aber auch nicht frei. Die Priesterinnen beachteten ihn kaum, sie summten eine Melodie, die wie ein uraltes Wiegenlied klang und in seinen Knochen vibrierte.
Der Korridor öffnete sich zu einer Halle, die so groß war, dass Graydon die Decke kaum erkennen konnte. Überall wuchsen Kristallbäume, deren Äste in der Luft schwebten und von innen heraus glühten. Zwischen den Bäumen schwebten winzige Lichtwesen, die in Schwärmen tanzten und Funken wie Sternenstaub versprühten. Am Rand der Halle standen weitere Bewohner der Schattenstadt – Krieger, Priesterinnen, Kinder, Alte – alle in aufwändigen Gewändern, alle mit Masken, die ihre Gesichter verbargen.
Im Zentrum der Halle befand sich eine Plattform, auf der ein Kreis aus silbrigen Stelen stand. Jede Stele war mit Symbolen bedeckt, die in wechselnden Farben leuchteten und sich zu bewegen schienen, als hätten sie ein Eigenleben. Die Priesterinnen schoben Graydons Liege in die Mitte des Kreises und traten zurück.
Ein Gong ertönte, tief und durchdringend. Die Menge verstummte. Aus dem Schatten trat der Herrscher, seine Silbermaske funkelte im Licht der Kristallbäume. Neben ihm schritt die Älteste aus dem Dorf, gestützt von zwei jüngeren Frauen. Ihr Blick war fest auf Graydon gerichtet, ihre Augen voller Sorge – und Hoffnung.
Der Herrscher hob die Hand, und die Stelen begannen, in einer fremdartigen Sprache zu singen. Es war kein Gesang im herkömmlichen Sinn, sondern eine Mischung aus Tönen, Farben und Vibrationen, die direkt in Graydons Geist drangen. Er spürte, wie die Muster an den Wänden und auf den Masken der Versammelten zu tanzen begannen, als würden sie auf die Musik antworten.
Plötzlich löste sich eine der Stelen aus dem Kreis, schwebte auf Graydon zu und stoppte wenige Zentimeter über seiner Brust. Ein Lichtstrahl tastete ihn ab, und in seinem Kopf formte sich ein Bild: Er selbst, wie er durch die Wälder streifte, das Dorf fand, die ersten Begegnungen mit den Fremden, den Absturz. Dann – ein Schnitt – und er sah die Schattenstadt aus der Vogelperspektive, die Türme, die Mauern, die schwebenden Stege, das brodelnde Becken aus flüssigem Licht.
Die Stele sprach zu ihm – nicht in Worten, sondern in Bildern und Gefühlen. Fremder. Warum bist du hier? Was suchst du?
Graydon konzentrierte sich, dachte an sein Schiff, an die Mission, an den Absturz. Er sandte Bilder zurück: das Wrack, den Sumpf, die verzweifelte Suche nach Hilfe. Dann, vorsichtig, die Begegnung mit den Hütern, das Licht, das ihn gerettet hatte.
Die Stele antwortete mit einer Welle aus Wärme. Du bist nicht wie die Schattenfürsten. Du bist ein Wanderer. Ein Suchender.
Der Herrscher trat näher, seine Stimme war jetzt in Graydons Kopf, klar und schneidend. Du hast das Licht der Hüter gesehen. Das ist verboten. Nur die Erwählten dürfen das Licht berühren. Du bist eine Gefahr.
Die Menge raunte, einige traten ängstlich zurück, andere blickten neugierig. Die Älteste hob die Hand, sprach mit fester Stimme. Graydon verstand die Worte nicht, aber er spürte ihre Bedeutung: Sie bat um Gnade, um Verständnis.
Der Herrscher zögerte, dann wandte er sich an die Priesterinnen. Sie traten vor, jede mit einer kleinen Schale aus Kristall in der Hand. Die Flüssigkeit darin schimmerte wie Quecksilber. Sie reichten die Schalen herum, jeder im Kreis trank einen Schluck, dann reichten sie Graydon eine Schale.
Er zögerte, doch die Älteste nickte ihm zu. Graydon nahm einen Schluck. Die Flüssigkeit war kalt, prickelnd, sie schmeckte nach nichts, aber in seinem Kopf explodierten Farben. Plötzlich verstand er – nicht die Worte, aber die Gedanken, die Gefühle der Versammelten. Er spürte ihre Angst, ihre Neugier, ihren Zweifel.
Der Herrscher sprach erneut, diesmal direkt in Graydons Geist. Du hast das Licht berührt. Was hast du gesehen?
Graydon konzentrierte sich, sandte das Bild der schmetterlingshaften Kreatur, das blaue Leuchten, die Stimme der Hüter. Die Stele vibrierte, die Muster auf den Masken der Priesterinnen begannen zu flackern.
Plötzlich durchzuckte ein Schatten die Halle. Ein kalter Windstoß fegte durch den Raum, die Kristallbäume flackerten, einige der Lichtwesen zerplatzten wie Seifenblasen. Aus den Ecken krochen Gestalten, die noch fremdartiger waren als alles, was Graydon bisher gesehen hatte: Körper aus Rauch und Schatten, mit glühenden Augen und Klauen aus schwarzem Kristall. Die Menge wich zurück, einige schrien, andere fielen auf die Knie.
Der Herrscher hob die Hand, doch die Schattenwesen ignorierten ihn. Sie glitten auf Graydon zu, ihre Stimmen waren wie das Kratzen von Metall auf Stein. Fremder. Du bist der Schlüssel. Öffne das Tor.
Graydon spürte, wie eine Kälte in ihn kroch, als wollten die Schatten ihn verschlingen. Die Stele vor ihm begann zu flackern, das Licht wurde schwächer. Die Älteste trat vor, stellte sich zwischen Graydon und die Schatten. Sie sprach ein Wort – das gleiche, das sie ihm am Becken zugeflüstert hatte. Ein Lichtstrahl schoss aus ihrer Hand, traf die Schatten und ließ sie zurückweichen.
Die Priesterinnen begannen zu singen, diesmal lauter, verzweifelter. Die Muster an den Wänden begannen, sich schneller zu drehen, die Kristallbäume leuchteten grell. Die Schatten wichen zurück, aber sie waren nicht besiegt – sie lauerten am Rand der Halle, bereit, wieder zuzuschlagen.
Der Herrscher trat an Graydon heran, seine Maske nur Zentimeter von Graydons Gesicht entfernt. Du hast das Gleichgewicht gestört. Die Schatten werden nicht ruhen, bis sie bekommen, was sie wollen. Du musst das Tor schließen – oder alles ist verloren.
Graydon rang nach Atem. „Wie? Was ist das Tor?“
Die Stele antwortete: Das Tor ist in dir. Du hast es geöffnet, als du das Licht der Hüter berührt hast. Nur du kannst es schließen.
Die Älteste legte ihm die Hand auf die Schulter. „Du bist nicht allein, Graydon. Die Hüter werden dir helfen. Aber du musst dich ihnen öffnen.“
Plötzlich brach Chaos aus. Die Schatten stürmten erneut vor, diesmal mit geballter Wucht. Die Priesterinnen warfen sich ihnen entgegen, ihre Stimmen wurden zu einem einzigen, gellenden Schrei. Der Herrscher riss Graydon von der Liege, zog ihn aus dem Kreis der Stelen. Die Älteste folgte ihnen, während die Menge auseinanderstob.
Sie rannten durch einen Seitengang, die Schatten dicht hinter ihnen. Die Korridore der Schattenstadt waren jetzt ein Labyrinth aus Licht und Dunkelheit – überall explodierten Kristalle, Lichtwesen flohen in Panik, die Muster an den Wänden wurden zu wirbelnden Strudeln.
Der Herrscher führte sie zu einer Kammer am Rand des Turms. In der Mitte schwebte eine Kugel aus reinem Licht, umgeben von Ringen aus Kristall. „Das ist das Herz der Stadt“, sagte der Herrscher, und diesmal verstand Graydon jedes Wort – als hätte die Flüssigkeit aus der Schale ihm die Sprache geschenkt. „Hier ist das Tor. Die Schatten wollen es öffnen, um unsere Welt zu verschlingen. Nur du kannst sie aufhalten.“
Die Älteste trat an die Kugel, legte ihre Hände darauf. „Die Hüter sind hier, Graydon. Spüre sie.“
Graydon schloss die Augen, konzentrierte sich. Er dachte an das Licht, an die schmetterlingshaften Wesen, an die Stimmen in seinem Kopf. Plötzlich war er nicht mehr in der Kammer – er schwebte in einem endlosen Raum aus Licht und Schatten. Vor ihm tauchten die Hüter auf, ihre Flügel leuchteten in allen Farben, ihre Stimmen waren Musik.
Du bist der Schlüssel, Graydon, sagten sie. Du kannst das Gleichgewicht wiederherstellen. Aber du musst dich erinnern, wer du bist.
Graydon spürte, wie die Schatten näher kamen, ihre kalte Präsenz drohte, ihn zu verschlingen. Er konzentrierte sich auf seine Erinnerungen: an die Erde, an seine Familie, an seine Mission. Er dachte an das Dorf, an die Älteste, an das Licht der Hüter.
Plötzlich explodierte ein Licht in seinem Inneren. Die Schatten wichen zurück, schrien, versuchten, ihn zu erreichen, doch das Licht war stärker. Graydon streckte die Hand aus, berührte das Tor – und spürte, wie es sich schloss, langsam, aber unaufhaltsam.
Die Schatten schrien ein letztes Mal, dann wurden sie fortgespült, wie Rauch im Wind. Die Hüter umkreisten Graydon, ihre Stimmen waren jetzt sanft, beruhigend. Du hast es geschafft, Graydon. Das Gleichgewicht ist wiederhergestellt. Aber deine Reise ist noch nicht zu Ende.
Graydon öffnete die Augen. Er lag auf dem Boden der Kammer, die Älteste kniete neben ihm, der Herrscher stand schweigend am Rand. Die Kugel aus Licht war kleiner geworden, aber sie leuchtete klar und rein.
Draußen war es still. Die Schatten waren verschwunden, die Stadt atmete auf. Die Muster an den Wänden beruhigten sich, die Kristallbäume leuchteten wieder sanft. Die Bewohner der Stadt kamen vorsichtig aus ihren Verstecken, blickten Graydon an – nicht mehr mit Angst, sondern mit Respekt.
Der Herrscher trat vor, nahm die Maske ab. Darunter war ein Gesicht, das zugleich fremd und vertraut war – die Züge weich, die Augen voller Weisheit. „Du bist willkommen, Graydon. Du bist einer von uns.“
Die Älteste lächelte, ihre Augen glänzten. „Die Hüter haben dich erwählt. Deine Reise ist noch nicht vorbei. Aber du bist nicht mehr allein.“
Graydon atmete tief durch, spürte das Licht in sich. Er wusste, dass noch viele Fragen offen waren – über die Schatten, die Hüter, das Gleichgewicht dieser fremden Welt. Aber zum ersten Mal seit seinem Absturz fühlte er Hoffnung.
Und irgendwo, in den Tiefen der Stadt, begannen die Kristallbäume ein neues Lied zu singen – ein Lied von Licht, von Mut und von einem Fremden, der zum Retter wurde.
Das Licht der Kugel im Herzen der Schattenstadt war noch nicht ganz verklungen, da spürte Graydon, wie die Atmosphäre sich erneut wandelte. Die Kristallbäume, eben noch in sanftes Leuchten getaucht, begannen, ihre Farben zu verändern. Sie pulsierten in rhythmischen Wellen, als würden sie einen stummen Ruf aussenden. Die Luft vibrierte, und ein feiner, süßlicher Duft legte sich über die Stadt. Es war, als hätte die ganze Schattenstadt den Atem angehalten.
Die Bewohner, die sich nach dem Sieg über die Schatten vorsichtig aus ihren Verstecken gewagt hatten, schauten nun auf die Kristallbäume, ihre Masken glänzten im bunten Licht. Einige knieten nieder, andere verharrten reglos, als lauschten sie einer unsichtbaren Stimme. Der Herrscher, noch immer ohne Maske, blickte Graydon an. In seinen Augen lag eine Mischung aus Erleichterung, Ehrfurcht und Sorge.
„Die Hüter rufen dich“, sagte der Herrscher leise. „Sie haben dich erwählt, Graydon. Aber ihr Ruf ist auch eine Warnung. Das Gleichgewicht ist wiederhergestellt, doch es bleibt zerbrechlich. Die Schatten sind nicht vernichtet – sie sind nur gebannt. Und du bist der Schlüssel, der das Tor bewacht.“
Graydon spürte, wie die Worte in ihm nachhallten. Er fühlte sich erschöpft, ausgebrannt, aber auch seltsam leicht. Die Berührung der Hüter hatte etwas in ihm geweckt – eine Verbindung, die über Worte hinausging. Er wusste, dass er ihre Botschaft verstehen musste.
Die Älteste trat an seine Seite. Ihre Augen waren von feinen Linien durchzogen, aber sie wirkten klar und wach. „Du musst gehen, Graydon“, sagte sie sanft. „Die Hüter warten auf dich. Sie sind nicht nur Wächter, sondern auch Lehrer. Sie werden dir zeigen, was du wissen musst, um das Gleichgewicht zu schützen.“
„Wohin soll ich gehen?“ fragte Graydon. „Wie finde ich sie?“
Die Älteste lächelte. „Folge dem Lied der Kristalle. Sie werden dich führen.“
Graydon verließ die Kammer des Herzens, begleitet von der Ältesten und dem Herrscher. Die Bewohner der Stadt bildeten einen Korridor, als er durch die Straßen ging. Einige verneigten sich, andere streckten ihm die Hände entgegen, als wollten sie ihn berühren. Die Kinder warfen ihm leuchtende Blüten zu, die in der Luft schwebten und sich wie kleine Sonnen um ihn drehten.
Am Rand der Stadt wartete bereits eine Gruppe von Begleitern: die Älteste, zwei Priesterinnen mit Masken aus grünem Kristall und ein Krieger, dessen Rüstung in allen Farben schimmerte. Sie trugen keine Waffen, sondern Stäbe, an deren Spitzen kleine Kristallkugeln befestigt waren. Die Kugeln pulsierten im Takt der Kristallbäume.
„Wir werden dich begleiten, solange es uns erlaubt ist“, sagte die Älteste. „Aber der Weg zu den Hütern ist deiner allein.“
Sie verließen die Schattenstadt durch ein Tor, das sich lautlos öffnete, als sie sich näherten. Dahinter lag eine Landschaft, wie Graydon sie noch nie gesehen hatte: Weite Ebenen, durchzogen von leuchtenden Ranken, aus denen immer wieder Kristallformationen wuchsen. Der Himmel war von schillernden Wolken bedeckt, in denen sich Blitze in allen Farben entluden, ohne einen Laut zu verursachen. Am Horizont erhoben sich Berge, deren Spitzen von fremdartigen Lichtern umtanzt wurden.
Die Gruppe bewegte sich auf einem schwebenden Pfad, der aus miteinander verbundenen Kristallplatten bestand. Mit jedem Schritt veränderten die Platten ihre Farbe, und ein leises Summen erfüllte die Luft. Graydon spürte, wie die Energie der Kristalle durch seinen Körper floss, ihn stärkte und zugleich beruhigte.
Nach einiger Zeit erreichten sie einen Wald aus riesigen, spiralförmigen Pflanzen, deren Blätter wie Spiegel funkelten. Zwischen den Stämmen schwebten die schmetterlingshaften Lichtwesen, die Graydon schon im Dorf und in der Stadt gesehen hatte. Sie umkreisten die Gruppe, berührten sanft Graydons Schultern und ließen Funken auf seine Haut regnen. Es fühlte sich an wie eine Begrüßung.
Die Älteste blieb stehen. „Hier endet unser Weg“, sagte sie. „Von nun an musst du allein weitergehen. Die Hüter werden dich finden.“
Die Priesterinnen und der Krieger verneigten sich, dann verschwanden sie lautlos zwischen den Bäumen. Die Älteste legte Graydon die Hand auf die Stirn. „Hab keine Angst, Graydon. Die Hüter sind Freunde. Aber sie fordern Mut und Wahrheit. Geh – und vergiss nicht, wer du bist.“
Graydon nickte, atmete tief durch und trat in den Wald.
Der Wald war ein Ort der Wunder. Die Pflanzen wuchsen in bizarren Formen, ihre Blätter reflektierten nicht nur das Licht, sondern auch Graydons Gedanken. Wenn er an seine Heimat dachte, sah er für einen Moment die Erde, die Ozeane, die Städte, eingebettet in das Grün der Blätter. Wenn er an Angst oder Zweifel dachte, färbten sich die Pflanzen dunkel, und Schatten krochen über den Boden.
Zwischen den Stämmen öffneten sich immer wieder kleine Lichtungen, auf denen seltsame Tiere weideten: durchscheinende, vierbeinige Wesen mit leuchtenden Augen und langen, schwebenden Fühlern. Sie beachteten Graydon kaum, einige kamen neugierig näher, schnupperten an seiner Hand und verschwanden dann wieder im Unterholz.
Je tiefer Graydon in den Wald vordrang, desto stärker wurde das Lied der Kristalle. Es war kein Geräusch im eigentlichen Sinn, sondern ein Vibrieren, das in seinen Knochen widerhallte. Manchmal glaubte er, Stimmen zu hören – ein Chor aus Licht und Farben, der ihn rief, lockte, prüfte.
Nach einer Weile – Graydon wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, denn die Sonne stand immer im gleichen Winkel am Himmel – erreichte er eine Lichtung, die von einem riesigen Kristallbaum dominiert wurde. Sein Stamm war so dick wie ein Haus, und seine Äste breiteten sich wie ein Baldachin über die ganze Lichtung aus. In seinem Inneren glühte ein Licht, das in Wellen nach außen pulsierte.
Graydon trat näher. Die schmetterlingshaften Lichtwesen sammelten sich um ihn, bildeten einen Kreis und begannen, in der Luft zu tanzen. Ihre Flügel erzeugten Muster, die sich ineinander verschlangen und immer wieder das gleiche Symbol formten: eine Spirale, die sich ins Unendliche drehte.
Plötzlich öffnete sich der Stamm des Kristallbaums, und eine Gestalt trat hervor. Sie war größer als Graydon, schlank und von einer durchscheinenden Schönheit. Ihr Körper bestand aus Licht und Kristall, ihre Augen waren tief und voller Sterne. Sie sprach nicht, aber ihre Gedanken füllten Graydons Geist.
Willkommen, Graydon. Du hast den Ruf der Hüter vernommen. Du bist gekommen, um zu lernen, zu verstehen – und zu entscheiden.
Graydon verbeugte sich, spürte Ehrfurcht und ein seltsames Gefühl von Zugehörigkeit. „Was soll ich tun?“ fragte er leise.
Die Hüterin – denn Graydon spürte, dass es eine weibliche Präsenz war – lächelte. Du hast das Gleichgewicht wiederhergestellt, aber das Band zwischen den Welten ist schwach. Die Schatten warten, sie suchen nach Rissen, durch die sie zurückkehren können. Du musst lernen, das Licht zu lenken – nicht nur für dich, sondern für alle.
Sie streckte die Hand aus, und ein kleiner Kristall löste sich aus ihrem Körper, schwebte auf Graydon zu und schmolz in seine Brust. Ein Strom aus Licht durchflutete ihn, und für einen Augenblick sah er die Welt mit anderen Augen: Er sah die Schatten, wie sie sich am Rand der Realität sammelten, sah die Hüter, wie sie das Gleichgewicht bewahrten, sah die Bewohner der Stadt, das Dorf, die Tiere, die Pflanzen – alles war verbunden, alles war Teil eines großen Ganzen.
Du bist jetzt ein Teil des Lichts, sagte die Hüterin. Aber das Licht ist keine Waffe – es ist eine Brücke. Du musst lernen, es zu formen, zu teilen, zu schützen. Nur so kannst du die Schatten fernhalten.
Graydon nickte, spürte, wie sich der Kristall in ihm drehte, pulsierte, lebte. „Wie kann ich lernen?“
Die Hüterin hob die Hand, und der Kristallbaum begann, sich zu verändern. Seine Äste senkten sich, bildeten eine Treppe aus Licht, die in den Himmel führte. Folge dem Pfad. Jeder Schritt wird dich lehren, was du wissen musst. Aber sei gewarnt: Der Weg ist voller Prüfungen. Die Schatten werden versuchen, dich zu verführen, zu täuschen. Du musst auf dein Herz hören – und auf das Licht in dir.
Graydon atmete tief durch und setzte den Fuß auf die erste Stufe.
Die Treppe aus Licht führte ihn höher und höher, durch Schichten aus Farben, Klängen und Erinnerungen. Mit jedem Schritt spürte Graydon, wie sich seine Wahrnehmung veränderte. Er sah Szenen aus seinem Leben, aber auch aus Leben, die nicht seine waren: Er war ein Kind, das im Dorf spielte; ein Krieger, der gegen die Schatten kämpfte; eine Priesterin, die das Lied der Kristalle sang.
Manchmal versuchte eine dunkle Gestalt, ihn von der Treppe zu stoßen. Sie flüsterte Zweifel, Angst, Wut. Doch jedes Mal, wenn Graydon sich auf das Licht in seiner Brust konzentrierte, wurden die Schatten schwächer, bis sie ganz verschwanden.
Nach einer Ewigkeit – oder einem Augenblick, Graydon konnte es nicht sagen – erreichte er eine Plattform aus reinem Licht. Über ihm spannte sich ein Himmel, der von Millionen von Sternen erleuchtet wurde. In der Mitte der Plattform stand ein Spiegel, so klar, dass er nicht nur Graydons Gesicht zeigte, sondern auch sein Innerstes.
Die Hüterin trat neben ihn. Dies ist die letzte Prüfung, Graydon. Sieh in den Spiegel – und erkenne dich selbst.
Graydon trat vor den Spiegel. Zuerst sah er nur sich selbst: erschöpft, aber entschlossen. Dann veränderte sich das Bild. Er sah sich als Teil der Schatten, sah, wie seine Angst und sein Zorn die Dunkelheit nährten. Er sah, wie er das Licht zurückwies, als er sich verloren fühlte. Doch dann sah er auch, wie er sich öffnete, wie er das Licht annahm, wie er anderen half.
Er verstand: Das Gleichgewicht war nicht nur ein Kampf zwischen Licht und Schatten, sondern auch in ihm selbst. Er musste lernen, beides zu akzeptieren, um wirklich frei zu sein.
Er legte die Hand auf den Spiegel, und das Licht explodierte. Er spürte, wie die Schatten in ihm schwanden, wie das Licht ihn durchdrang, ihn heilte, ihn veränderte.
Als das Licht verblasste, stand er wieder auf der Lichtung, vor dem Kristallbaum. Die Hüterin lächelte. Du bist bereit, Graydon. Das Licht ist jetzt Teil von dir – und du bist Teil des Lichts. Geh zurück in die Welt. Es wird noch Prüfungen geben, aber du bist nicht mehr allein.
Die schmetterlingshaften Lichtwesen umkreisten ihn, und Graydon spürte, wie sie ihm Kraft gaben. Er wusste, dass er zurückkehren musste – zur Schattenstadt, zum Dorf, zu den Menschen und Wesen, die auf ihn zählten.
Er verneigte sich vor der Hüterin, drehte sich um und trat den Rückweg an. Der Wald öffnete sich vor ihm, die Kristalle sangen ihr Lied, und das Licht in seiner Brust leuchtete hell.
Graydon wusste, dass seine Reise noch lange nicht zu Ende war. Aber jetzt war er bereit, ihr zu begegnen – mit Mut, mit Hoffnung und mit dem Licht der Hüter in seinem Herzen.
Graydon trat aus dem Kristallwald, das Licht der Hüter noch in seiner Brust, die Erinnerungen an die Prüfungen wie ein leuchtender Strom in seinen Gedanken. Die Welt jenseits des Waldes schien verwandelt: Die Luft war klarer, die Farben intensiver, und selbst der Himmel, durchzogen von irisierenden Wolken und tanzenden Blitzen, wirkte weniger bedrohlich als zuvor. Er spürte, dass er nicht mehr derselbe war, der einst aus dem Wrack seines Schiffes gekrochen war – das Licht der Hüter war nun ein Teil von ihm, und mit jedem Schritt, den er machte, spürte er, wie es in ihm pulsierte.
Doch das Gleichgewicht war fragil. Schon als Graydon die ersten Kristallplatten des schwebenden Pfades betrat, bemerkte er die Veränderung. Die Farben der Kristalle waren dunkler, das Summen in der Luft tiefer, fast drohend. Schatten huschten am Rand seines Blickfeldes, und das Lied der Kristalle, das ihn einst geführt hatte, war nun von einer Dissonanz durchzogen, als würde ein dunkler Chor gegen die Harmonie ansingen.
Er beschleunigte seinen Schritt. Die Schattenstadt lag in der Ferne, ihre Türme wie schwarze Nadeln gegen den flammenden Horizont. Über den Mauern zogen dunkle Schwaden, und immer wieder zuckten Blitze – nicht mehr in Farben, sondern in kaltem Weiß – durch die Wolken. Graydon spürte, wie das Licht in seiner Brust auf die Dunkelheit reagierte, als würde es sich wappnen.
Plötzlich tauchte am Rand des Pfades eine Gestalt auf. Es war die Älteste, ihre Gestalt gebeugt, doch ihre Augen brannten vor Entschlossenheit. „Graydon! Die Schatten… sie sind zurück. Sie haben das Dorf angegriffen, viele sind geflohen. Die Stadt steht kurz vor dem Fall.“
Graydon spürte einen Stich der Angst, doch das Licht in ihm antwortete mit einer Welle aus Mut. „Was ist mit den Hütern?“
Die Älteste schüttelte den Kopf. „Die Hüter können nicht eingreifen, solange das Gleichgewicht gestört ist. Sie haben dir ihre Kraft gegeben – jetzt liegt es an dir, sie zu nutzen.“
Ein Beben ging durch den Boden, und aus der Ferne drang das dumpfe Grollen von Explosionen. Rauch stieg über der Schattenstadt auf, und Graydon sah, wie sich ein Heer aus Schattenwesen durch die Straßen wälzte – Rauchgestalten mit glühenden Augen, begleitet von Kriegern in dunkler Rüstung, deren Masken zu Fratzen verzerrt waren.
„Komm“, sagte die Älteste, „wir müssen die Stadt erreichen, bevor das Tor fällt.“
Sie eilten den Pfad entlang, das Licht der Kristalle unter ihren Füßen wurde schwächer, je näher sie der Stadt kamen. Am Stadttor erwartete sie der Herrscher, seine Silbermaske war zerkratzt, sein Gewand zerrissen. „Graydon!“, rief er, als er ihn sah. „Die Schatten haben das Herz der Stadt erreicht. Sie versuchen, das Tor zu öffnen – diesmal für immer.“
Graydon spürte, wie das Licht in ihm zu brennen begann. „Führt mich zum Tor. Ich weiß, was zu tun ist.“
Die Straßen der Schattenstadt waren ein Schlachtfeld. Überall lagen Trümmer, Kristallsplitter und bewusstlose oder verletzte Bewohner. Die Luft war erfüllt von Rauch und dem unheilvollen Wispern der Schatten. Immer wieder tauchten Rauchgestalten auf, griffen nach den Überlebenden, zogen sie in die Dunkelheit. Doch das Licht in Graydons Brust leuchtete wie ein Leuchtfeuer, und wo immer er ging, wichen die Schatten zurück, zischten und verzogen sich in die Ritzen der Mauern.
Der Weg zum Herzen der Stadt war versperrt. Eine Gruppe von Kriegern, angeführt von einer Priesterin mit einer Maske aus zerbrochenem Kristall, kämpfte verzweifelt gegen die Schatten. Graydon trat vor, hob die Hand, und das Licht in ihm explodierte in einer Welle aus Helligkeit. Die Schatten wichen zurück, schrien und lösten sich auf, als hätten sie Angst vor seiner Berührung.
Die Priesterin sank erschöpft zu Boden. „Graydon… du bist zurück. Das Licht… es ist stärker als je zuvor.“
„Wir müssen das Tor erreichen“, sagte Graydon. „Haltet die Schatten zurück, solange ihr könnt.“
Die Priesterin nickte und gab den Befehl weiter. Die Krieger bildeten eine Linie, ihre Stäbe leuchteten schwach, als sie sich dem Licht Graydons anschlossen. Gemeinsam drangen sie tiefer in die Stadt vor, immer dem Zentrum entgegen, wo das Herz der Stadt – die Lichtkugel und das Tor – lag.
Das Herz der Stadt war ein Ort des Chaos. Die Kugel aus Licht war von Schatten umzingelt, die wie ein Schwarm aus Rauch und Dunkelheit darum kreisten. In der Mitte stand eine Gestalt, größer als alle anderen, gehüllt in einen Mantel aus schwarzem Nebel. Ihre Augen glühten blutrot, und aus ihren Händen zuckten dunkle Blitze, die das Licht der Kugel schwächten.
Graydon erkannte die Gestalt sofort: Es war der Schattenfürst, der Anführer der Dunkelheit, der schon im Ritualsaal versucht hatte, ihn zu verschlingen.
„Graydon!“, rief der Schattenfürst, seine Stimme war ein Echo aus tausend Kehlen. „Du bist der Schlüssel. Gib dich mir hin, und ich verschone diese Welt. Weigere dich – und alles wird im Nichts versinken.“
Graydon spürte die Versuchung, die in den Worten lag – das Versprechen von Frieden, von Ruhe, von Vergessen. Doch das Licht in seiner Brust antwortete mit einer Klarheit, die alle Zweifel hinwegfegte. „Ich bin nicht allein“, sagte er. „Und ich werde das Gleichgewicht schützen.“
Der Schattenfürst lachte, ein Laut, der die Mauern erzittern ließ. „Du bist allein, Graydon. Die Hüter haben dich verlassen. Deine Freunde sind schwach. Du kannst das Tor nicht schließen.“
Doch in diesem Moment traten die Älteste, der Herrscher und die Priesterin an Graydons Seite. Sie legten ihm die Hände auf die Schultern, und das Licht in ihm verband sich mit ihren Kräften. Die Kristallbäume in der Stadt begannen zu leuchten, einer nach dem anderen, und ein Chor aus Stimmen erhob sich – das Lied der Kristalle, stärker und klarer als je zuvor.
Graydon trat auf die Kugel zu, die Schatten wichen zurück, doch der Schattenfürst stellte sich ihm in den Weg. „Du kannst mich nicht besiegen“, zischte er.
„Ich muss dich nicht besiegen“, erwiderte Graydon. „Ich muss dich nur akzeptieren.“
Er streckte die Hand aus, und das Licht in ihm verband sich mit der Dunkelheit des Schattenfürsten. Für einen Moment spürte Graydon alles – die Angst, die Wut, den Schmerz, die Sehnsucht nach Licht, die in der Dunkelheit verborgen war. Er erkannte, dass der Schattenfürst einst selbst ein Hüter gewesen war, gefallen aus Stolz und Verzweiflung.
„Du bist Teil von mir“, sagte Graydon leise. „Und ich bin Teil von dir. Aber ich wähle das Gleichgewicht.“
Das Licht und die Dunkelheit verschmolzen, und ein gleißender Blitz erfüllte die Halle. Die Schatten schrien, wurden zurückgedrängt, und die Kugel aus Licht wurde heller, größer, bis sie die ganze Stadt in ihr Strahlen tauchte.
Als das Licht verblasste, war der Schattenfürst verschwunden. Die Stadt war still, die Schatten waren fort. Die Bewohner kamen aus ihren Verstecken, blickten sich verwundert um. Die Älteste, der Herrscher und die Priesterin standen an Graydons Seite, ihre Augen voller Tränen.
„Du hast es geschafft“, flüsterte die Älteste. „Das Gleichgewicht ist wiederhergestellt.“
Graydon sank erschöpft zu Boden. Das Licht in ihm war noch da, aber es war ruhiger, sanfter. Er wusste, dass der Kampf nie ganz vorbei sein würde – dass die Schatten immer wieder versuchen würden, durch das Tor zu dringen. Aber jetzt wusste er, dass er nicht allein war. Die Stadt, das Dorf, die Hüter – sie alle waren Teil des Gleichgewichts.
Die Tage nach dem Kampf waren eine Zeit des Wiederaufbaus. Die Kristallbäume begannen, neue Äste zu treiben, die Straßen wurden von Trümmern befreit, und die Bewohner der Stadt und des Dorfes kamen zusammen, um ihre Wunden zu heilen. Graydon half, wo er konnte, und überall, wo er ging, folgten ihm die schmetterlingshaften Lichtwesen, ein Zeichen der Hüter, dass das Gleichgewicht gewahrt war.
Eines Abends, als die Sonne hinter den Bergen versank und der Himmel in allen Farben leuchtete, trat die Älteste zu Graydon. „Du hast uns gerettet, Graydon. Aber deine Reise ist noch nicht zu Ende. Die Hüter haben dir ihre Kraft gegeben, aber sie haben dich auch geprüft. Was wirst du jetzt tun?“
Graydon blickte in den Himmel, sah die Sterne, die wie Hoffnung in der Dunkelheit funkelten. „Ich weiß es nicht“, sagte er ehrlich. „Aber ich werde das Licht bewahren – in mir und in dieser Welt. Und wenn die Schatten zurückkehren, werde ich bereit sein.“
Die Älteste lächelte. „Das ist alles, was wir tun können. Das Gleichgewicht ist kein Zustand – es ist ein Weg.“
Graydon nickte und spürte, wie das Licht in seiner Brust im Einklang mit dem Lied der Kristalle pulsierte. Er wusste, dass er noch viele Prüfungen bestehen musste – aber er war nicht mehr allein. Die Schattenstadt, das Dorf, die Hüter und das Licht – sie alle waren jetzt Teil seiner Geschichte.
Und irgendwo, in den Tiefen des Waldes, begannen die Hüter ein neues Lied zu singen – ein Lied von Hoffnung, von Mut und von einem Fremden, der zu einem Teil dieser wundersamen, gefährlichen, leuchtenden Welt geworden war.
Im Orbit des Planeten, dessen Name auf keiner terranischen Sternenkarte stand, schwebte ein Schiff wie ein Schatten zwischen den Sternen. Die TSF Resolute war ein Wunderwerk terranischer Ingenieurskunst: ein kilometerlanger Rumpf aus Titan und Karbon, von blauen Impulsstrahlen durchzogen, die wie Adern leuchteten. Ihre Hülle war von den Narben vergangener Schlachten gezeichnet, doch sie strahlte unerschütterliche Autorität aus. Auf der Brücke, umgeben von Hologrammen und summenden Instrumenten, stand Captain Ilias Voss, der Blick fest auf die planetare Oberfläche gerichtet.
„Orbitale Sondierung abgeschlossen, Sir“, meldete die Navigationsoffizierin. „Atmosphäre atembar, geringe Strahlung. Keine bekannten Zivilisationssignaturen, aber…“ Sie zögerte, tippte auf ihr Display. „Ungewöhnliche Energieemissionen im Infrarot- und UV-Bereich, südliche Hemisphäre.“
Voss runzelte die Stirn. „Zeigen Sie mir die Daten.“
Ein Hologramm des Planeten erschien über dem Kommandotisch. Über den Südkontinenten pulsierte ein Netzwerk aus Licht, das sich wie ein lebendiger Strom durch Wälder, Ebenen und kristalline Gebirge zog. Inmitten dieses Netzes leuchtete ein Knotenpunkt – intensiver als alles andere auf dem Planeten.
„Das ist kein natürliches Phänomen“, murmelte Voss. „Irgendetwas ist dort unten… und es ist mächtig.“
Ein leises Piepen unterbrach seine Gedanken. Der Kommunikationsoffizier drehte sich um. „Sir, wir empfangen ein Notsignal. Terranischer Standard, Notfrequenz Gamma-7. Es ist schwach, aber eindeutig – und es stammt von der Oberfläche.“
Voss’ Herzschlag beschleunigte sich. „Verstärken Sie das Signal.“
Ein Rauschen, dann eine verzerrte Stimme: „…Name… Graydon… Absturz… fremde… brauche Hilfe…“ Die Übertragung brach ab, dann wiederholte sie sich, immer schwächer.
„Das ist unser Mann“, sagte Voss. „Bereiten Sie ein Landeteam vor. Ich will in zwanzig Minuten im Shuttle sitzen.“
Das Landungsshuttle der Resolute durchbrach die Atmosphäre wie ein Komet. Die Hitzeschilde glühten, als das Schiff durch die dichten Wolken stieß. Blitze zuckten um die Hülle, und das Shuttle wurde von Luftströmungen geschüttelt, doch die terranischen Piloten blieben ruhig. Im Inneren standen Voss und sein Team bereit: vier Marines in glänzenden Exorüstungen, ein Wissenschaftsoffizier mit tragbarem Sensorarray, und Voss selbst, die Hand fest um den Griff seines Laserpistolenholsters.
Die Landschaft, die sich unter ihnen entfaltete, war atemberaubend. Wälder aus leuchtenden Kristallbäumen, Flüsse aus flüssigem Licht, Berge, deren Spitzen von tanzenden Energien umwoben waren. Doch zwischen all dem lag Zerstörung: Rauchschwaden stiegen aus einer Stadt aus schwarzen Türmen, und auf den Ebenen bewegten sich seltsame Schatten, die in der Dämmerung verschwammen.
„Setzen Sie uns am Rand der Stadt ab“, befahl Voss. „Wir gehen zu Fuß weiter.“
Das Shuttle landete mit einem sanften Ruck. Die Rampe fuhr aus, und das Team trat hinaus in die fremde Welt. Die Luft war kühl, voller unbekannter Düfte, und das Licht der untergehenden Sonne brach sich in den Kristallen wie in einem Prisma.
Voss atmete tief durch und aktivierte die Helmfunkverbindung. „Hier spricht Captain Voss von der Terranischen Raumflotte. Wir suchen einen vermissten Raumfahrer. Bleiben Sie wachsam – wir wissen nicht, was uns erwartet.“
Sie bewegten sich vorsichtig durch die Ruinen am Rand der Stadt. Überall lagen Trümmer, zerbrochene Kristalle, Spuren eines Kampfes. Doch das Merkwürdigste waren die Bewohner: schlanke, maskierte Gestalten, einige verletzt, andere mit seltsamen Stäben bewaffnet, die Voss’ Team mit einer Mischung aus Furcht und Neugier beobachteten.
„Sir“, flüsterte der Wissenschaftsoffizier, „diese Wesen… sie sind eindeutig intelligent. Und sie haben Technologie, die wir nicht kennen.“