7 Glorreiche Western Juni 2023 - Alfred Bekker - E-Book

7 Glorreiche Western Juni 2023 E-Book

Alfred Bekker

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Beschreibung

Dieser Band enthält folgende Western: Alfred Bekker: Der Prediger kommt nach Lincoln Alfred Bekker: Grainger und das blutige Dutzend Alfred Bekker: Der Spieler Alfred Bekker: Ein Reiter aus dem Nirgendwo Alfred Bekker: Im Schatten der Outlaws Alfred Bekker: Zieh, Pistolero Charles Alden Seltzer: Trail in die Vergangenheit In letzter Sekunde rettet Clay Lawrence das Leben der schönen Ines, die vor den Häschern der Mitchell-Ranch flüchtet. Ines erzählt Clay, dass ihr Bruder Juan Lopez eine Fehde gegen Colin Mitchell führt. Kurze Zeit später ist Clay in Lohn und Brot bei Colin Mitchell und erfährt den anderen Teil der Geschichte. Welcher Wahrheit kann er Glauben schenken und auf wessen Seite wird sich Clay Lawrence schlagen?

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Alfred Bekker, Charles Alden Seltzer

7 Glorreiche Western Juni 2023

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Inhaltsverzeichnis

7 Glorreiche Western Juni 2023

Copyright

Der Prediger kommt nach Lincoln

Grainger und das blutige Dutzend

Der Spieler

Ein Reiter aus dem Nirgendwo

IM SCHATTEN DER OUTLAWS

Zieh, Pistolero!

Der Trail in die Vergangenheit

7 Glorreiche Western Juni 2023

Alfred Bekker, Charles Alden Seltzer

Dieser Band enthält folgende Western:

Alfred Bekker: Der Prediger kommt nach Lincoln

Alfred Bekker: Grainger und das blutige Dutzend

Alfred Bekker: Der Spieler

Alfred Bekker: Ein Reiter aus dem Nirgendwo

Alfred Bekker: Im Schatten der Outlaws

Alfred Bekker: Zieh, Pistolero

Charles Alden Seltzer: Trail in die Vergangenheit

In letzter Sekunde rettet Clay Lawrence das Leben der schönen Ines, die vor den Häschern der Mitchell-Ranch flüchtet. Ines erzählt Clay, dass ihr Bruder Juan Lopez eine Fehde gegen Colin Mitchell führt. Kurze Zeit später ist Clay in Lohn und Brot bei Colin Mitchell und erfährt den anderen Teil der Geschichte. Welcher Wahrheit kann er Glauben schenken und auf wessen Seite wird sich Clay Lawrence schlagen?

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker

© Roman by Author / COVER EDWARD MARTIN

© dieser Ausgabe 2023 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Alle Rechte vorbehalten.

www.AlfredBekker.de

[email protected]

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Der Prediger kommt nach Lincoln

von Alfred Bekker

von Alfred Bekker

Der Dunkle Prediger kommt nach Lincoln – doch nicht, um das Wort Gottes zu verkünden. Stattdessen will er eine alte Rechnung begleichen und seine Mauser-Pistolen sprechen lassen.

Doch auch zwischen dem Town-Marshal und dem Saloonbesizer gibt es offene Rechnungen.

Es kommt der Tag, an dem die Colts sprechen...

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker

© by Author /Cover Tony Masero

© dieser Ausgabe 2018 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

www.AlfredBekker.de

[email protected]

Der Prediger war auf dem Weg in die Stadt.

Er war den ganzen Tag geritten und und vermutlich hatte er noch ein paar Stunden vor sich, ehe er Lincoln erreichen würde.

Der dunkle Hut war tief ins Gesicht gezogen. Die Krempe warf einen Schatten auf die obere Hälfte seines Gesichts.

Er hatte sein Pferd geschunden.

Rücksicht war ihm fremd.

Sowohl was Menschen betraf, als auch in Bezug auf Tiere.

Nachsicht kannte er nicht.

Mit niemandem.

Der Schoß seines Knielangen Rocks wehte für einen Moment zur Seite.

Ein imaginärer Beobachter hätte jetzt das Futteral mit der zwanzigschüssigen Mauser-Pistole sehen können.

Er hatte noch eine zweite auf der anderen Seite stecken.

Teufelswaffen waren das.

Waffen einer neuen Zeit.

Aber das Jahrhundert war jung.

Es hatte gerade erst begonnen. Und es war durstig nach Blut. Viel Blut.

Mehr als selbst eine so unbarmherzige Seele wie die des Predigers sich vorzustellen vermochte.

Man schrieb das Jahr 1901.

Und der Prediger war nicht gekommen, um Gottes Barmherzigkeit zu verkünden.

Er war gekommen, um zu töten.

*

Jenny stützte sich mit den Händen auf der Fensterbank ihres Geschäftszimmers auf der Bordell Ranch vor der Stadt ab. Das blonde Girl atmete schwer. Sie war vollkommen nackt. Hinter ihr stand Marshal Jim Dolan, der ebenfalls keinen Faden am Leib trug. Er umfasste ihr Gesäß und presste seine Lenden gegen sie. In regelmäßigen Stößen drang er in sie ein. Ihre Brüste wippten im gleichen Rhythmus. "Ja, gut so", flüsterte sie. Aber Jim hörte kaum zu. Viel zu sehr war er auf den aufregenden Körper dieser Klasse-Frau konzentriert.

Immer heftiger wurden die Bewegungen.

"Oh, Jim! Keiner besorgt's mir so wie du!", stöhnte sie.

"Schön, dass du das zu schätzen weißt, Jenny!"

"Und du willst wohl behaupten, dass du überhaupt nichts davon hast, was?"

Jim grinste. "Dumme Angewohnheit von euch Frauen..."

"Was?", keuchte Jenny.

"Die Quatscherei beim Sex!"

"Ich weiß dein Opfer zu schätzen, Jim!"

Jims Hände wanderten höher, strichen über ihre Taille, ihren Bauch, umfassten dann ihre festen Brüste und kneteten sie. Dann riss der Sturm der Leidenschaft sie beide fort.

Schweiß perlte von Jennys Haut. Das Girl schloss die Augen, presste die Lippen aufeinander. Ihr Becken drückte sie Jim entgegen, der immer wieder tief in sie hineinstieß.

Dann endlich kam der erlösende Höhepunkt.

Jenny konnte sich nicht mehr abstützen. Aber Jim hielt sie von hinten mit seinen kräftigen Armen. Sie atmeten beide schwer. Seine Hände hielten ihre Brüste, spürten ihren rasenden Herzschlag.

"Bleib so!", flüsterte sie. "Nicht weggehen... noch nicht..."

Ein Reiter preschte in diesem Augenblick auf den Vorplatz der Redlight Ranch. Er kam von der Brücke her, die über den Rio Bonito führte. Auf der anderen Seite des Flusses befand sich die Stadt Lincoln. Eine wahre Staubfontäne zog der Reiter hinter sich her, so dass man zunächst kaum etwas von ihm sehen konnte.

Vor dem Ranchhaus zügelte er seinen Gaul.

"Das ist Doug Payne!", stellte Jim verwundert fest. "Mein Gott, der ist geritten wie der Teufel! So habe ich ihn noch nie daherpreschen sehen. Höchstens seinen Gaul, nachdem er ihn abgeworfen hatte..."

Jennys Arme wanderten nach hinten, hielten seine Hüften fest und zogen sie wieder näher zu sich heran. Sie schmiegte sich dabei an ihn. Ihre Augen waren geschlossen. Ein versonnenes Lächeln spielte um ihre Lippen. "Hierbleiben, Jim..."

"Wenn Doug so daherreitet ist in der Stadt irgend etwas los", meinte Jim, dessen Blut sich langsam wieder aus anderen Körperregionen zurückzog, um in den Kopf zurückzukehren.

"Ach, Jim... gönn den armen Bankräubern und Banditen doch auch mal einen guten Tag... und mir ebenfalls!"

Jim glitt aus ihr heraus. Sie drehte sich um, schlang die Arme um seinen kräftigen Hals. Jim hob sie hoch, trug sie zum Bett und legte sie dann behutsam nieder.

Als er sich erheben wollte, zog sie ihn zu sich, küsste ihn.

"Komm", sagte sie.

Es klopfte an der Tür. "Jim! Hörst du mich Jim?"

"Ich höre dich, Doug", rief Jim Dolan zurück. Jenny verzog in gespieltem Zorn das Gesicht. Jim zuckte grinsend die Achseln.

"Jim, in der Stadt ist der Teufel los! Ich störe dich ja höchst ungern, aber Mary-Jane sagte mir unten in der Bar, dass du hier oben wärst und... du kannst mir glauben, dass ich nicht so einen Aufstand machen würde, wenn es nicht nötig wäre."

"Schon klar", meinte Jim, der bereits damit begonnen hatte sich anzuziehen.

"Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie sehr du hier störst!", rief Jenny ihm zu. "Glaub mir, wenn du so etwas noch einmal machst, werde ich Rufus dahingehend beeinflussen, dass du auf der Redlight Ranch keinen Drink mehr bekommst!"

"Lass ihn", unterbrach Jim sie. "Du merkst doch, wie konfus er ist. Da muss wirklich was passiert sein!"

Rasend schnell knöpfte er sich das Hemd zu und schnallte sich dann den Colt um.

Anschließend öffnete er die Tür.

Jenny verkroch sich unter die Decke.

Wenn dieser verdammte Assistant Marshal ihr schon den Geliebten entführen musste, dann sollte er nicht auch noch mit dem Anblick ihres wunderschönen Körpers belohnt werden.

Doug stierte sie trotzdem an.

"Nichts für ungut, Jenny!"

Das Girl machte eine wegwerfende Handbewegung. "Scheint so, als ginge es abwärts mit mir! Wenn deine Anziehungskraft auf Jim schon stärker ist als meine..."

Jim setzte den Hut auf, zwinkerte Jenny noch einmal zu.

"Mach dir ein paar schöne Gedanken, bis ich wieder zurückkomme", meinte er.

Sie warf ihm ein Kissen hinterher.

Jim duckte sich, so dass Doug es mitten ins Gesicht bekam.

Der Marshal schloss die Tür, so dass das nächste Kissen gegen das Holz prallte.

Zusammen gingen Jim und Doug dann die große Freitreppe hinunter, die in die Eingangshalle der Redlight Ranch führte.

"Meinst du das mit den Drinks in der Bar meint sie ernst?", fragte Doug.

"Einstweilen bin ich der Besitzer der Ranch", erklärte Jim. "Und Rufus ist mein Angestellter. Er wird also tun, was ich ihm sage - gleichgültig, was Jenny meint."

"Na, wenigstens eine gute Nachricht."

"Nun mal raus damit, was ist los?"

"Da warten ein paar Kerle im DRUNKEN SINNER auf mich und wollen sich mit mir schießen."

"Mit dir, Doug?"

Jetzt verstand Jim natürlich, was den Assistant Marshal bis ins Mark erschüttert und zu einem Nervenbündel hatte werden lassen. Der alte Doug erzählte zwar bei jeder Gelegenheit Geschichten aus seiner angeblich so wilden Vergangenheit als Fährtensucher der Army oder Hilfssheriff in den wilden Rinderstädten, aber das meiste davon war vermutlich schlicht und einfach erfunden. Doug war im Umgang mit Waffen ein ziemlicher Trottel. Mit einem Revolver konnte er so gut wie nichts anfangen. Er war einfach zu ungeschickt dazu. Wenn er an Jims Seite ritt und die beiden ihres Amtes walteten, dann hatte der Alte eine Schrotflinte dabei. Eine Waffe also, mit der es beinahe unmöglich war, ein Ziel, das in ihrer Reichweite lag, nicht zu treffen. Seine Freunde taten gut daran, sich genauso vor dem Schießprügel in acht zu nehmen wie seine Feinde.

"Das musst du mir erklären, Doug", meinte Jim, als sie die Tür ins Freie passierten. "Wieso wollen die sich mit dir schießen?"

"Angeblich hat jemand dreitausend Dollar auf meinen Kopf ausgesetzt..."

Jim stoppte abrupt.

"Du erzählst mir jetzt keine deiner wilden Stories, oder?"

"Jim, die Kerle wollen mich umbringen, und ich kann von Glück sagen, dass sie es noch nicht getan haben!"

*

Der Prediger erreichte Lincoln. Die Stadt bestand zu dieser Zeit aus einer einzigen Straße, der Main Street und zwei lange Reihen von Häusern an jeder Seite. Eine Rinderstadt. Von hier aus wurde das Lincoln County regiert.

Angeblich.

In Wahrheit galt das Gesetz schon hundert Yards hinter dem letzten Haus nicht mehr.

Vielleicht galt es nicht einmal wirklich innerhalb der Stadt.

Der Prediger stand ohnehin außerhalb des Gesetzes.

Er stand in dem Sinne außerhalb des Gesetzes, dass es für ihn nicht zählte.

Er scherte sich einfach nicht darum, mochte irgend ein Marshal auch der Meinung sein, dass er das tun müsste.

Aber der Prediger hatte ein anderes Gesetz, das für ihn zählte und dem er bis zur letzten Konsequenz folgte.

Es war das Gesetz Gottes.

Und zwar in seiner ursprünglichen, rachsüchtigen Form, wie im alten Testament aufgeschrieben worden war.

Mit der Bergpredigt, der Barmherzigkeit und der Nächstenliebe konnte er wenig anfangen.

Und anstatt irgend jemandem die andere Wange hinzuhalten, ließ er lieber seine beiden Mauser-Pistolen sprechen.

Zusammen hatten die vierzig Schuss.

Dagegen war ein sechsschüssiger Colt geradezu chancenlos.

Mein ist die Rache, spricht der Herr!

Das war die Devise, der der Prediger folgte.

Zumindest versuchte er das.

Manchmal aber schien er zu vergessen, dass mit dem Wort ‘mein’ keineswegs er selbst, sondern vielmehr Gott gemeint war.

Mein ist die Rache!

Ein kurzes, verhaltenes Lächeln erschien auf dem Gesicht des Prediges.

Ein Lächeln, dass schon einen Augenaufschlag später wieder verschwunden war und nun sein Gesicht noch sehr viel härter erscheinen ließ.

Züge, wie aus Stein gemeißelt.

Ein Antlitz, dass erschauern ließ…

*

Der Prediger erreichte das erste Haus.

Es war der Mietstall, gleich am Eingang der Stadt.

Der Prediger zügelte sein Pferd.

Vor dem Mietstall saß ein Mann auf einer Bank.

Er war eingenickt.

“Wer bist du?”, fragte der Prediger.

Der Mann antwortete nicht.

“Hat Gott dir keine Ohren gegeben, um zu hören?

Der Mann schreckte hoch.

“Sorry, Sir.”

“Bist du der Mietstall-Besitzer?”

“Bin ich.”

“Wie heißt du, mein Sohn?”

“Gordon.”

“Gorden... “, murmelte der Prediger. “Der Herr sei deiner armen Seele gnädig.” “Wollen Sie Pferd unterstellen?”, beeilte Gordon sich zu sagen, während er den Prediger mit großen Augen anstarrte. Der Schauder stand dem Mann ins Gesicht geschrieben. Und er hatte einen bestimmten Grund…

“Kennst einen Mann namens Corcoran, mein Sohn?”, fragte der Prediger.

“Den kennt hier jeder.”

“Wo finde ich ihn?”

“Ihm gehört der DRUNKEN SINNER SALOON - am Ende der Straße.” “Danke.”

“Hey, Sie erinnern mich an jemanden.”

“Ach, ja?”

“An jemanden, den ich mal gekannt habe… Scheiße Mann, diese Ähnlichkeit…” Der Mann wurde blass.

Bleich wie die Wand.

Der Prediger stieg von seinem Gaul.

Er reichte dem Mann die Zügel.

“Pass gut darauf auf.”

“Wieso kommt mir Ihr Gesicht so bekannt vor? Waren Sie schonmal hier?” “Nein.”

“Ihr Bruder?”

“Der Herr sagt: Alle Menschen sind Brüder. Du müsstest mir schon sagen, welchen davon du meinst.” Der Mann runzelte die Stirn.

“Naja, so kann man das natürlich auch sehen.” “Das kann man.”

Gordon waren die beiden Mauser-Pistolen in den Spezialholstern aufgefallen. “Warum sind Sie hier?” “Um eine alte Rechnung zu begleichen.”

“Mit Corcoran?”

Der Prediger gab darauf keine Antwort.

Er ging einfach weiter.

Die Main Street entlang. Seine Schritte waren weit. Und er drehte sich nicht noch einmal um.

Wie ein dunkler Schatten hob er sich gegen das Licht der Sonne ab.

*

Die Schwingtüren des DRUNKEN SINNER Saloons flogen auseinander, als Jim Dolan und Doug Payne eintraten. Doug trug seine Schrotflinte unter dem Arm. Jim hatte die Hand in der Nähe des tiefgeschnallten Revolvers. Er ließ den Blick schweifen. Der DRUNKEN SINNER Saloon gehörte Rex Corcoran, Jim Dolans Widersacher in Lincoln. Corcoran hatte sein Ziel noch längst nicht aufgegeben, den Marshal aus dem Weg zu räumen und durch einen Mann zu ersetzen, der leichter zu beeinflussen war. Es gab zwar einige Bürger in Lincoln, denen es nicht gefiel, dass ihr Gesetzeshüter gleichzeitig ein Bordellbesitzer war, aber die Mehrheit war nach wie vor mit Jim Dolan zufrieden. Schließlich hielt er das Gesindel in Schach. Und das war genau das, was man von ihm erwartete.

"Da vorne, die beiden an der Bar - das sind sie, Jim!", raunte Doug dem Marshal zu.

Jim und Doug gingen auf die beiden zu.

Die Gespräche verstummten.

Zwei Girls mit aufgeknöpftem Mieder und herrlichen vollen Brüsten hatten die beiden Gunslinger mit mäßigem Erfolg umgarnt. Jetzt merkten sie, dass ein Gewitter im Anmarsch war, rafften ihre Kleider zusammen und rauschten davon. Die beiden Kerle drehten sich um. Der Bärtige hatte gerade ein Bier geleert und wischte sich jetzt den Schaum aus dem Bart.

Der Mann im Saddle Coat hatte die Hand schon am Revolver.

Sie musterten zunächst Doug Payne, anschließend Jim Dolan.

"Ich habe gehört, Sie suchen hier Streit in der Stadt", stellte Jim ruhig fest.

"Sie müssen dieser Jim Dolan sein", knurrte der Bärtige.

"Ich habe schon von Ihnen gehört."

"Ich hoffe nur gutes."

"Naja, wie man's nimmt."

"Hören Sie zu, ich mache Ihnen beiden einen Vorschlag."

Jim klemmte die Daumen hinter den Revolvergurt.

Der Kerl im Saddle Coat schob sich den Stetson in den Nacken. "Da bin ich aber mal gespannt!"

Jims Augen wurden schmal. Sein Blick drückte Entschlossenheit aus. "Nach dem nächsten Glas Whiskey setzen Sie sich auf Ihre Gäule und reiten aus der Stadt."

Der Bärtige stützte die linke Hand auf dem nach vorne zeigenden Griff des zweiten Colts. "Wir haben hier niemandem etwas getan, Mister..."

"Sie haben einen Assistant Marshal bedroht, das genügt für mich, um Sie der Stadt zu verweisen..."

"Hombre, es ging um ein faires Revolverduell! Dagegen können Sie doch nichts einwenden!"

"Solange es nicht hier in Lincoln stattfindet habe ich nichts dagegen. Aber hier werde ich das nicht dulden."

Die Gesichter der beiden Männer erstarrten zu Masken.

Der Kerl im Saddle Coat ging ein Stück zur Seite. Er wandte Jim und Doug die linke Schulter zu, so dass nicht erkennbar war, was er mit dem Revolver an seiner rechten Seite machte.

"Hören Sie zu, Dolan", knurrte der Saddle Coat-Mann, "wir haben eine Rechnung mit dem Zwerg da neben Ihnen auszufechten. Am Besten Sie gehen jetzt zur Seite Marshal, sonst kriegen Sie auch noch etwas ab..."

Aber Jim Dolan dachte gar nicht daran, auch nur einen einzigen Zentimeter zurückzuweichen.

"Jedenfalls gehen wir hier nicht weg, ehe die Sache nicht beendet ist", kündigte der Bärtige an. Er musterte Doug abschätzig. "Ohne deinen Aufpasser hast du wohl nicht genug Mumm in den Knochen, du Zwerg, was?" Er lachte heiser.

"Er hat keinen Revolver", erinnerte ihn sein Komplize.

"Ja, richtig..."

"Aber wir werden doch fair bleiben..."

Der Bärtige holte den zweiten Colt aus dem Leder. Er hielt ihn umgedreht, mit dem Griff nach oben. Er streckte ihn in Dougs Richtung. "Nimm dieses Eisen hier, alter Mann!"

"Das tust du nicht, Doug", wies Jim ihn an.

Doug begann zu schwitzen.

Es herrschte jetzt Totenstille im DRUNKEN SINNER Saloon.

Alle starrten auf die Kontrahenten.

Oben, an der Balustrade tauchte das von einer hässlichen Messernarbe entstellte Gesicht des Saloonbesitzers auf.

Rex Corcoran stand kalt lächelnd da und blickte hinab.

Zwischen den Zähnen steckte ein Zigarillo, sein Arm war um die Taille eines seiner Saloon-Girls gelegt, das nichts weiter als eine knappe Corsage trug.

"Was verschafft mir die Ehre Ihres Besuches, Marshal?"

fragte er in die Stille hinein. Jim blickte hinauf.

Er registrierte, dass Corcorans rechte Hand, der Revolvermann Reilly sich einige Yards weiter, auf der anderen Seite der Balustrade postiert hatte. Auch ihn musste Jim im Auge behalten.

Nicht zum ersten Mal hatte Corcoran bezahlte Gunslinger auf den Marshal von Lincoln angesetzt.

Das allerdings der harmlose Doug Payne ins Visier dieser Revolverschwinger geraten war, passte irgendwie nicht ins Bild.

"Ihr Laden scheint übles Publikum anzuziehen, Corcoran", rief Jim zu ihm hinauf.

"Was Sie nicht sagen... Ich sehe das eher umgekehrt: Überall, wo Sie auftauchen gibt es kurze Zeit später Ärger, Dolan!"

In diesem Moment warf der bärtige Doug den zweiten Colt zu.

Doug war völlig unschlüssig. Er griff nach der Waffe, fing sie mit Mühe. Dabei rutschte ihm die Schrotflinte weg.

Hart fiel sie auf den Bretterboden. Ein Schuss löste sich.

Der Bärtige schrie auf, als ihm das Schrot in die Unterschenkel sengte.

Im selben Moment riss der Mann im Saddle Coat seinen Colt heraus.

Jim war um den Bruchteil einer Sekunde schneller.

Seine Kugel traf den Mann im Saddle Coat mitten in der Brust und nagelte ihn förmlich an den Schanktisch. Mit einem ungläubigen Staunen in den Gesichtszügen rutschte er am Holz entlang zu Boden, presste dabei die Linke auf die stark blutende Wunde.

Nur einen Augenaufschlag später feuerte der Bärtige auf Jim. Aber der Schuss traf nicht. Nahezu gleichzeitig riss Jim seinen Colt herum und feuerte erneut. Sein Schuss traf den Bärtigen an der rechten Schulter. Sein Waffenarm wurde herumgerissen, die Kugel zertrümmerte einen der neuen Kronleuchter, die Rex Corcoran aus Europa hatte importieren lassen.

Der Bärtige zielte erneut auf Jim.

Er ließ dem Marshal keine Wahl.

Jim feuerte noch einmal. Und dieser Schuss war tödlich.

Der Bärtige klappte zusammen wie ein Taschenmesser. Schwer fiel er zu Boden und blieb regungslos liegen.

Jim steckte den Revolver ein.

"Hier sieh mal", meinte Doug. "Ich habe den Revolver abgedrückt, aber irgendetwas hat damit nicht funktioniert."

Jim nahm den Revolver an sich, den der Bärtige Doug zugeworfen hatte. Der Marshal öffnete die Revolvertrommel.

"Wie ich mir gedacht habe", knurrte er. "Das Eisen ist nicht geladen!"

Dougs Gesicht verlor jetzt den letzten Rest an Farbe.

"Dieser Hund hätte..." Er stockte.

"Ja, Doug. Bei eurem Duell hättest du verdammt schlechte Karten gehabt!"

"Früher hat es so viel Niedertracht nicht gegeben, Jim"!

Nicht mal in den wildesten Zeiten von Abilene..."

Rex Corcoran kam jetzt die Freitreppe herab. Seine Augen waren schmal. Etwas unterhalb der hässlichen Narbe, die sein Gesicht verunzierte, zuckte unruhig ein Muskel. Er bleckte die Zähne. "Gratuliere, Dolan! Eine weitere Kerbe an Ihrem Revolver! Ich schätze, dort dürfte kaum noch Platz sein..."

"Ich bin nicht stolz drauf, Mr. Corcoran."

"Ehe Sie wieder irgendwelchen üblen Gerüchten Glauben schenken, dass ich diese Männer angeheuert hätte..."

"...wollen Sie mir sagen, dass Sie damit nichts zu tun haben?", unterbrach Jim ihn. "Ihr üblicher Spruch. Ich habe schon verstanden, Corcoran."

"Sie tragen Ihr Kinn reichlich hoch, Dolan! Aber eines Tages wird ein Kreuz auf dem Boothill alles sein, was Ihnen bleibt!"

"Ihre Drohungen erschrecken mich schon lange nicht mehr!"

Aus den Augenwinkeln heraus bemerkte Jim, wie Reilly, der Leibwächter und ständige Schatten des Saloonbesitzers oben an der Balustrade stand und provozierend mit dem Revolver herumspielte. Jim zog den Colt blitzschnell und feuerte. Die Kugel riss Reilly den Hut vom Kopf. Reilly erstarrte. "Für Ihren Wachhund gilt das im übrigen auch", setzte Jim noch an Corcoran gewandt hinzu. Dann verließ er zusammen mit Doug den den DRUNKEN SINNER SALOON.

Die Schwingtüren schwangen noch eine Weile nach.

“Dieser scheinheilige Bastard!”, knurrte Corcoran.

*

“Das wird Ärger geben”, meinte Doug Payne, als sie draußen waren.

“Sicher”, mente Jim Dolan.

“Das riecht förmlich nach Ärger, wenn du mich fragst, Jim!” “Doug!”

“Wie damals in Abelene! Da lag derselbe Geruch in der Luft, bevor es dann ganz gewaltig knallte.” Jim Dolans Augen wurden schmal, als er den dunklen Prediger sah.

Doug hatte ihn zunächst gar nicht bemerkt. Dann begriff er, worauf Jims Aufmerksamkeit im Moment konzentriert war.

“Halleluja”, sagte Doug. “Ist schon lange kein Reverend mehr hier in Lincoln gewesen. “Das ist wie damals in Abelene…” ”Was war denn damals mit dem Reverend?”

“Der hat sich einfach bei Nacht und Nebel davongemacht. Zu viele Beerdigungen. Dem war er nicht gewachsen.” “Laienprediger haben auch was für sich.” Jim drehte sich um und beobachtete, wie der Prediger geradewegs auf die Schwingtüren vom DRUNKEN SINNER SAlOON zuging. “Bei dem schwarzen Vogel da vorne bin ich mir allerdings nicht ganz so sicher, was ich von ihm halten soll…”

*

Corcoran wandte sich an den Barkeeper.

Er stieß dabei mit dem Fuß gegen eine der Leichen auf dem Boden.

"Die beiden taugten nicht viel, was Clem?"

"Hat nichts genützt, dass Sie Ihnen noch ein paar Dollar mehr angeboten haben, wenn sie den Marshal auch erschießen, Boss!", stellte Clem breit grinsend fest. "Aber wenn das stimmt, was die beiden hier erzählt haben und jemand auf Doug Paynes Kopf ein Preisgeld ausgesetzt hat, dann werden noch mehr Gunslinger kommen..."

Corcoran lachte rauh. "Ja, und da Jim Dolan den alten Sack nicht im Stich lassen wird, besteht die reelle Chance, dass unser Sternträger sich eine Kugel einfängt!" Rex Corcoran deute auf die Reihe der Flaschen. "Darauf trink ich einen! Gib mir die mit dem Whisky! Whisky ohne e vor dem y.

Das ist nämlich der echte aus Schottland - nicht der nachgemachte >Whiskey> mit e, der aus Kentucky kommt."

"Ich kann sowieso nicht lesen, Boss! Die

Flaschen erkenne ich immer an den Bildern auf den Etiketten..."

*

Die Schwingtüren flogen auseinander. Der Prediger trat ein.

Corcoran wirbelte herum.

“Deine Stunde hat geschlagen, Corcoran”, sagte er. “Mein ist die Rache, spricht der Herr. Das Böse soll getilgt werden vom Antlitz der Erde. Und niemand kann dem Fluch seiner Tat entkommen.” Es herrschte augenblicklich Schweigen.

“Was ist das denn für ein schräger Vogel?”, meinte Clem an Corcoran gerichtet.

“Eine Alte Rechnung”, sagte Corcoran. “Nichts, was der Erwähnung wert wäre.” “Soll ich ihn gleich umlegen, Boss?”, fragte unterdessen Reilly, Corcorans Leibwächter.

“Einen Moment…” Corcoran wandte sich an den Prediger. “Komm, nimm erstmal einen Drink, Prediger. Dann sieht die Welt schon wieder anders anders aus.” “Ich bin nicht durstig”, sagte der Prediger.

Er schlug den knielangen Rock auf beiden Seiten zurück.

Die Futterale mit den Mauser-Pistolen waren jetzt unübersehbar.

“Hey, was soll das werden?”, fragte Corcoran. “Ein Duell vielleicht? Ich habe hier genug Leute, die für mich schießen und aus dir ein Sieb machen, wenn sich deine Finger an die falsche Stelle verirren. Kapiert?” “Du hast noch die Gelegenheit, zu beten, bevor du stirbst”, sagte der Prediger.

“Zu gnädig”, ätzte Corcoran und verzog das Gesicht.

Reilly hatte schon die Hand am Colt. Und er machte Zeichen in Richtung von ein paar anderen Männern, die in Corcorans Diensten standen. Die verstanden das sofort.

“Du solltest die Gelegenheit dazu nutzen”, sagte der Prediger. “Aber ganz , wie du willst. Es soll mir gleichgültig sein, ob du auf direktem Weg in die Hölle fährst.” “Hört, hört…”

“Die ewige Verdammnis ist dir gewiss.”

Im nächsten Moment griffen ein halbes Dutzend Mann zu den Waffen.

Und der Prediger ließ die Mauser-Pistolen sprechen.

Vierzig Schuss in zwei Magazinen.

Das war eine Menge Blei.

*

Jim Dolan und Doug Payne rannten zurück zum DRUNKEN SINNER Saloon, als sie die Schüsse hörten.

“Teufel, der ist wohl wirklich nicht gekommen, um Rex Corcoran geistlichen Beistand zu geben!”, meinte Doug.

Jim hatte seinen Colt in der Faust.

Als er durch die Schwingtüren stieß, sah er Corcorans blutige Leiche. Ein halbes Dutzend Kugeln hatte den Besitzer des DRUNKEN SINNER SALOON geradezu an den Tresen genagelt. Corcoran hielt selbst auch den Colt in der Hand.

Neben ihm lag Reilly.

Und außerdem hatte es noch ein paar weitere Typen aus der Schießergarde des Saloonbesitzers erwischt.

“War Notwehr, Marshal”, sagte einer der anderen Gäste. “Verdammt, ich habe noch nie jemanden so schießen sehen. nicht einmal Sie, Marshal!” “Corcoran hat zuerst gezogen?”, wunderte sich Doug Payne. “Er muss verrückt gewesen sein…” “Wie heißen Sie?”, fragte Jim Dolan.

Der Prediger antwortete nicht.

In aller Ruhe steckte er die Mauser-Pistolen in die Futterale.

Jim Dolan wurde ärgerlich.

“Prediger, ich spreche mit Ihnen!”

Der Prediger drehte sich um.

Ganz langsam.

“Was ist dein Anliegen, mein Sohn?”

“Ich bin nicht Ihr Sohn”, sagte Jim Dolan. “Und abgesehen davon, will ich Ihnen wissen, was hier geschehen ist.” “Ein Mann zieht den Colt, ein anderer wehrt sich. Ist das so ungewöhnlich, Marshal?” “Nein, das nicht.”

“Warum fragen Sie dann?” Er schwieg einen Moment. Sein Blick fixierte Jim Dolan dabei.

“Teufel, irgendwo hab ich dich schonmal gesehen”, mischte sich Doug Payne ein. “Ich glaube in… Abelene. Ist das möglich, Prediger?” “Alles ist möglich, wenn der Herr es möglich macht”, sagte der Prediger.

Doug Paynes Augen wurden schmal. “Da waren eine Menge Halunken damals in Abelene…” “Der Herr erbarme sich ihrer Seelen”, sagte der Prediger. “Mögen sie in der Hölle braten.” “Bleiben Sie länger in der Stadt?”, fragte Jim Dolan.

Der Prediger verzog das Gesicht. “Keine Sorge, ich reite morgen früh weiter.” “Der Marshal hat es nicht gerne, wenn Unruhestifter in der Stadt sind”, sagte Doug Payne.

“Was du nicht sagst, mein Sohn”, murmelte der Prediger. “Gibt es ein Hotel in der Stadt?” “Die Straße ein Stück weiter”, sagte Jim.

Wortlos ging der Prediger hinaus. Die Schwingtüren bewegten sich noch eine ganze Weile.

“Jemand sollte endlich dem Totengräber bescheid sagen, dass es Arbeit gibt”, meinte jemand.

*

Am nächsten Morgen ritt der Prediger bei Sonnenaufgang aus der Stadt. Ein dunkler, sich schnell entfernender Schatten, der sich als schwarze Silhouette gegen die tiefstehende Morgensonne abhob.

ENDE

Grainger und das blutige Dutzend

von Alfred Bekker

Western

Grainger begegnet einer Bande von Halunken. Die Banditen haben es auf seinen Kopf abgesehen - nachdem er sich weigerte für sie zu arbeiten. Und dann ist da diese rothaarige, sündhaft schöne Frau, die es aus ganz anderen Gründen auf Grainger abgesehen hat...

Alfred Bekker ist ein bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Henry Rohmer, Conny Walden, Sidney Gardner, Jonas Herlin, Adrian Leschek, John Devlin, Brian Carisi, Robert Gruber und Janet Farell.

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker

© by Author /Cover TONY MASERO

© dieser Ausgabe 2018 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Alle Rechte vorbehalten.

www.AlfredBekker.de

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1

Grainger lenkte sein Pferd auf den Hügelkamm und ließ es dort anhalten.

Das Tier schnaubte.

Der große Mann mit den dunklen Augen blinzelte gegen die Sonne.

Die Hand stützte sich auf den Colt an seiner Seite.

Er trug zwei Revolver mit Perlmut besetzten Griffen. Im Sattel steckten ein Winchester-Karabiner und eine lange Sharps Rifle.

Grainger war ein Gunslinger.

Ein Revolvermann, den man anheuerte, wenn es Ärger gab. Mal für die Regierung und die geheime U.S. Government Squad.

Mal gegen die Regierung.

Mal für das Gesetz.

Mal auf der anderen Seite dieser Grenze oder in dem zwielichtigen Land dazwischen.

Grainger folgte letztlich nur einem einzigen Gesetz.

Und das schrieb er selbst.

Es war sein Weg.

Auf sich gestellt und einsam.

Da war es besser, gut bewaffnet zu sein. Denn meistens hatte er es mit einer großen Übermacht zu tun.

Grainger hingegen kämpfte meistens allein. Er war ein Einzelgänger.

Sein Hut war so dunkel wie seine Augen.

Die schwarze Lederweste war staubbedeckt.

Grainger nahm sein Fernglas und blickte zu der Farm, die mitten in dem freien Land dastand wie ein Fremdkörper.

Es gab dort einen Brunnen. Und an diesem Brunnen war eine Frau.

Rot wie Feuer war ihr Haar.

Sie war dabei, sich zu waschen.

Die Rothaarige legte nach und noch die Männerkleidung ab, die sie bei der Arbeit auf der Farm getragen hatte. Grainger sah ihr zu. Sie schien ihn aus dieser Entfernung noch nicht bemerkt zu haben.

Große, schwere, aber trotzdem feste Brüste hatte sie und geschwungene Hüften, die Grainger daran erinnerten, dass es schon eine ganze Weile her war, dass er eine Frau gehabt hatte. Schließlich war er wochenlang in der Prärie unterwegs gewesen.

Und so ließ dieser Anblick in ihm Wünsche aufkommen, für die in den letzten Wochen kaum Raum in seinen Gedanken geblieben war.

Zu erbarmungslos war das Land, durch das er geritten war. Zu viel verlangte es jedem ab, der sich in diese Wildnis wagte. Und zu sehr musste man darauf achten, nicht die Beute irgendwelcher Halsabschneider zu werden - oder der Indianer, die jeden Weißen in der Gegend als ihren Feind ansahen.

Letzteres konnte Grainger ihnen nicht einmal verdenken.

Schließlich war das Oklahoma-Territorium eigentlich das Land der Roten.

Und streng genommen hatten die Weißen hier nichts zu suchen.

Aber das hinderte sie nicht daran, wie die Heuschrecken in dieses Gebiet einzufallen.

Oklahoma war ein Land ohne Gesetz.

Und genau das nutzten viele aus, die anderswo für ihre Taten gejagt wurden und nun hofften, jenseits der Territoriumsgrenze ihre Ruhe vor den Sternträgern zu haben.

Wahrscheinlich ging für die meisten dieser Wölfe die Rechnung sogar auf.

Jetzt hatte die Rothaarige ihn bemerkt. Sie raffte schnell ihre Sachen zusammen und hielt sie sich vor den makellosen Körper.

Schade, dachte Grainger.

Grainger hielt auf die Farm zu.

Sein Pferd roch das Wasser und mobilisierte die letzten Reserven, so schien es Grainger.

“Kommen Sie nicht näher!”, rief die Rothaarige.

“Ich will nur mein Pferd tränken”, sagte Grainger.

“Ich habe einen Derringer unter den Sachen!”

“Ma’am, ich habe nicht vor, Ihnen was zu tun”, versicherte Grainger.

“Sie wollen mir doch nicht erzählen, Sie seien ein vollendeter Gentleman!”

“Genau das! Und davon abgesehen habe ich alles von dem, was Sie im Moment verbergen ohnehin schon gesehen - wenn auch leider nur aus der Ferne, wie ich gestehen muss.”

Grainger lenkte das Pferd auf den Brunnen zu.

Er stieg ab.

Das Fernglas baumelte an einem Lederband um seinen Hals.

Mit dem Schöpfeimer holte er Wasser, um das Pferd zu tränken.

Und er selbst nahm auch etwas.

Sie streifte sich ihre Sachen über so schnell sie konnte und hatte dann plötzlich doch einen Derringer in der Hand, den sie wohl wirklich zwischen den Sachen irgendwie verborgen hatte. Der Lauf war auf Grainger richtet, während das hastig zusammengeknotete Hemd immer noch atemberaubende Einblicke gewährte.

Es machte klick, als sie de Hahn spannte.

Grainger erstarrte.

Instinktiv waren seine Hände zur Hüfte gegangen, zu den perlmutbesetzten Griffen der Revolver. Aber er zog es vor, die Eisen stecken zu lassen.

“Machen Sie das öfter, Mister?”

“Was?”

“Frauen beobachten, die sich ausziehen!”

“Wenn sich die Gelegenheit ergibt. “ Grainger grinste. “Kommt in der menschenleeren Wildnis leider viel seltener vor, als ich es mir wünschen würde.”

“Was Sie nicht sagen.”

“Ist leider eine Tatsache,”

“Jedenfalls sind Sie dafür ja hervorragend ausgerüstet.”

“Wie soll ich das denn verstehen?”

“Ich meine Ihr Fernglas.”

“Normalereise habe ich das, um Indianer und Banditen frühzeitig zu sehen und ihnen aus dem Weg gehen zu können.”

“Ach, wirklich?”

“So wie die Bande da hinten am Horizont.”

“Wie?”

“Na sehen Sie doch mal hin!”

Völlig ungerührt von dem Derringer der Rothaarigen Schönheit nahm Grainger sein Fernglas und blickte zu dem in ihrem Rücken gelegenen Horizont. Eine Posse aus einem halben Dutzend Reitern näherte sich von dort, war aber noch zu weit weg, um den Hufschlag schon hören zu können.

Das kommt gleich erst, wusste Grainger.

Er kannte sich aus.

Die Rothaarige war versucht, sich ebenfalls umzudrehen.

Aber sie traute sich nicht.

Sie musterte Grainger. In ihren Augen blitzte es.

“Das ist doch ein verdammter Trick.”

“Wenn Sie meinen…”

“Hören Sie…”

“Vielleicht sind diese Gunslinger da am Horizont ja tatsächlich Ihre Freunde und Sie haben nichts zu befürchten.”

Jetzt drehte sie sich doch um.

“Oh Gott!”, flüsterte sie, als die die herannahende Posse sah. jetzt konnte man auch langsam den dumpfen Hufschlag auf dem weichen, grasbewachsenen Grund hören.

“Scheint, als müssten Sie sich entscheiden, ob Sie den zwei Kugeln Ihres Derringer immer noch für mich reservieren wollen oder lieber für die Dreckskerle da!”

Die Entscheidung fiel ihr offenbar nicht schwer.

Sie ließ den Derringer in den Taschen ihrer viel zu weiten Männerhose verschwinden.

Grainger sah unterdessen der herannahenden Bande ruhig entgegen.

Sein Pferd schnaubte etwas.

Grainger strich ihm beruhigend über den Hals.

“Kein Grund zur Aufregung, mein Guter”, flüsterte er dem Tier zu.

Grainger hatte sich angewöhnt, mit den Pferden zu reden, die er ritt. Zumindest, wenn er lange und allein unterwegs war. Und genau das war in letzter Zeit der Fall gewesen.

2

Der Reitertrupp kam heran. Die Männer zügelten ihre Pferde. Der Anführer war ein hochgewachsener, grauer Wolf. Alles an ihm war grau wie Asche.

Seine Kleidung, die zum Teil wohl noch aus ausgebleichten Uniformteilen der Konföderierten-Armee bestand, sein struppiger Bart, das Haar, dass ihm bis zu den Schultern herabfiel.

Selbst seine Augen waren grau.

Grau, wie die Augen eines Falken.

Und genau so wurde er auch von allen genannt.

Hawk.

Falke.

Ein Name, der in diesem wilden, ungezähmten Land einen gewissen Klang hatte.

Auch Grainger hatte schon von Hawk gehört. Und er wusste vor allem, dass mit Hawk nicht zu spaßen war.

Während des Bürgerkriegs war Hawk ein berüchtigter Guerilla-Anführer in Missouri gewesen. Im Dienst des Südens hatten sie gekämpft, geplündert und gemordet.

Zwei Dinge hatten dazu geführt, dass damit auch nach dem Krieg nicht aufgehört hatten.

Erstens konnten sie es nicht verwinden, dass nicht die Konföderierten Staaten von Amerika den Krieg gewonnen hatten, sondern der Norden.

Die vermaledeiten Yankees, die sie hassten wie die Pest.

Und zweitens?

Der zweite Grund war sehr einfach.

Der simpelste Grund, den man sich überhaupt denken konnte.

Das Plündern und rauben war einfach ein zu einträgliches Geschäft.

Und vor allem war es viel leichter, jemand anderem etwas wegzunehmen, als es sich selbst zu erarbeiten. Und so hatten Hawk und seine Gunslinger einfach immer weitergemacht.

Die Reitergruppe formierte sich zu einer Reihe. Wie eine Phalanx kamen die Revolverschützen näher. Sie zogen diese Phalanx etwas auseinander, bildeten schließlich einen Halbkreis und verharrten.

Grainger registrierte, dass die Rothaarige vollkommen blass geworden war.

Der letzte Rest an Farbe war aus ihrem Gesicht verschwunden.

Und Grainger war nun es klar: Sie kennt diese Bastarde. Vielleicht hat sie nur von ihnen gehört, aber wahrscheinlicher ist, dass sie ihnen schon begegnet ist.

Laut fragte er: “Wie heißen Sie eigentlich?”

“Ich glaube, dass ist nicht der geeignete Zeitpunkt, um sich vorzustellen”, fand sie.

“Finden Sie?”

“Allerdings.”

“Und was haben sie diesen Schweinehunden getan, dass die hinter Ihnen her sind?”, hakte Grainger nach, dessen Hände inzwischen herabgeglitten waren.

Zu den Colts.

Er zählte insgesamt dreizehn Mann.

Und zwölf Patronen steckten in den Drehtrommeln der beiden 45er Colts, deren Perlmutgriffe aus den Holstern herausragten.

Das bedeutete erstens, er konnte sich keinen Fehlschuss leisten.

Und es bedeutete noch etwas anderes.

Eine Kugel zu wenig!

Er war entweder auf die beiden Kugeln angewiesen, die im Derringer der rothaarigen Lady steckten - oder auf gut Glück und darauf, dass es ihm gelang, schnell genug die Winchester aus dem Futteral an seinem Sattel herauszureißen.

Und das eine behagte ihm so wenig, wie das andere.

Und dann griff der Erste von ihnen zum Colt. Grainger war schneller. Seine Bewegung war gleitend und geschmeidig. Die Hand riss die Waffe heraus und feuerte. Ein makelloser Bewegungsablauf, ohne Ansatz, ohne Unterbrechung. Wie viele Male musste er das schon getan haben, um es in dieser Vollendung ausführen zu können!

Er traf den Kerl an der Schulter.

Das Pferd des Mannes stellte sich wiehernd auf die Hinterhand.

Grainger wirbelte blitzschnell in Hawks Richtung. Der hatte seinen Colt noch noch nicht einmal richtig aus dem Leder herausbekommen.

So schnell war Grainger gewesen.

“Lass es!”, rief Grainger.

Hawk verzog das Gesicht zu einer Grimasse. Er hatte gesehen, wie schnell Grainger mit dem Revolver war. So schnell, dass keiner seiner Männer gegen ihn eine Chance hatte. Nicht einmal den Hauch einer Chance.

Einen Augenblick lang hing alles der Schwebe.

“Immerhin bist du kein Dummkopf”, sagte Grainger. “Du weißt, dass du ein Loch im Kopf hättest, bevor du das Eisen auch nur richtig angefasst hast. Und deine Männer sind offenbar auch nicht so dämlich wie der Eine da, der gezogen hat und jetzt den Preis für euch alle zahlt.”

Der Kerl, der zuerst gezogen hatte, hing angeschossen im Sattel. “Worauf wartet ihr!”, keuchte er. Seinen Colt hatte er verloren. Der lag im Gras. Sein Gesicht war schmerzverzerrt. “Ballert ihn doch nieder!”, rief er.

“Halt’s Maul”, sagte Hawk.

“Hey Mann, wir sind ein Dutzend und der Kerl ist nur einer!”

“Ich sagte: Halt’s Maul!”

“Bin ich euer Kugelfänger oder was? Verdammt, tut das weh!”

“Und der nächste Arzt ist 500 Meilen entfernt”, mischte sich Grainger ruhig ein. “Du solltest schonmal losreiten, damit dort noch lebend ankommst”, fügte er noch hinzu.

“Ich habe noch nie jemanden so schnell ziehen sehen wie dich”, sagte Hawk. “Wo hast du das gelernt?”

“Bin eben in Übung”, sagte Grainger.

“Hast du Lust, für mich zu arbeiten?”

“Nein.”

“Das kommt ein bisschen übereilt, würde ich sagen.”

“Das finde ich nicht.”

“Du weißt doch gar nicht, mit wem du es zu tun hast!”

Jetzt mischte sich der Angeschossene ein. Dessen Hemd hatte sich inzwischen am Ärmel deutlich dunkelrot verfärbt. “Knall ihn ab, Boss! Knall ihn ab, diesen verfluchten Hund!”

“Sei still”, knurrte Hawk. “Dieser Gunslinger hat Recht. “Du solltest losreiten, damit man deine Wunde noch rechtzeitig versorgen kann!”

“Verdammt, ich lass mich nicht für dumm verkaufen!”

Hawk griff jetzt seinerseits zum Eisen, drehte sich herum und schoss. Er traf den Verletzten mit einem Kopfschuss. Einen Augenblick lang saß der Kerl noch im Sattel. Sein Gesicht war eine erstarrte Maske der Empörung.

Dann rutschte er zu Boden. Er fiel weich auf das Gras. Wie ein nasser Sack Mehl.

Es gab ein dumpfes Geräusch dabei und sein Pferd machte einen Schritt nach vorn. Das Tier schnaubte.

“Nehmt das Pferd mit”, sagte Hawk und steckte den Revolver wieder ein.

“Ein guter Schuss”, sagte Grainger.

“Danke. Wie gesagt, mein Angebot steht noch immer. Du kannst für mich arbeiten, Fremder.”

Grainger schob sich den Hut in den Nacken.

Er spürte die Blicke der Männer auf sich.

Abwartetende Blicke.

Blicke von Männern, die ihn auf ein Zeichen ihres Anführers hin sofort töten würden.

Vorausgesetzt, sie waren dazu schnell genug. Und an letzterem zweifelten sie vermutlich inzwischen. Gut so, dachte Grainger.

Es war besser, wenn das so blieb. Sehr viel besser. Ihre Furcht ist mein Verbündeter, dachte Grainger.

Einen anderen hatte er im Moment nicht, also konnte er in dieser Hinsicht nicht wählerisch sein.

“Ein guter Schuss - aber ein mieser Charakter”, nahm Grainger den Faden noch einmal auf. “Ich arbeite nicht für Schweinehunde”, fügte er hinzu.

“Grundsätze sollte man sich leisten können”, sagte Hawk.

“Ich kann es”, sagte Grainger.

“Na gut. Man sieht sich immer zweimal im Leben.”

“In Ihrem Fall hoffe ich auf eine Ausnahme von dieser Regel - falls es denn eine sein sollte.”

“Jedenfalls werde ich Ihnen so ein Angebot nicht nicht noch einmal machen.”

“Ich würde es auch beim zweiten Versuch nicht annehmen.”

“Na gut. Hör zu, dies ist unser Gebiet. Treib dich hier nicht herum. Du bist hier nicht willkommen, wenn du nicht für mich arbeiten willst.”

“Gut zu wissen. Ich werde darüber nachdenken, weiter zu ziehen.”

Hawk deutete auf die Rothaarige. “Und nimm dich vor der da in Acht!”

“Ich werde schon auf mich aufpassen”, sagte Grainger.

“Sie ist nicht die, für die Sie sie vielleicht halten.”

“Wer ist das schon?”

“Ich weiß nicht, was sie auf dieser Farm zu suchen hat. Vermutlich hat ihr niemand gestattet hier zu kampieren. Ihr gehört sie jedenfalls nicht.”

“Wem dann?”

“Einem Kerl, der in diese Gegend kam und es bereut hat. Die Indianer hatten etwas gegen ihn, wir mochten ihn auch nicht.” Hawk zuckte die Schultern. “Ich nehme an, dass ihn nichtmal jemand begraben hat, bevor ihn die Geier gefressen haben.”

Graingers Augen wurden schmal. “Was Sie nicht sagen”, zischte er zwischen den Zähnen hindurch.

“Aber zurück zu der da!”, fuhr Hawk indessen fort. Und dabei deutete er noch einmal auf die Rothaarige. “Ich habe sie schon einmal gesehen.”

“Ach, ja?” Grainger hiob die Augenbrauen.

“In einem Bordell. In Wichita.”

“Sie sind sich sicher mit dem, was Sie da sagen?”

“Ihr Gesicht ist es nicht, was den den größten Eindruck auf mich gemacht hat.”

“Es sollen schon Leute wegen derartig respektloser Bemerkungen erschossen worden sein”, sagte Grainger.

“Ich meine es gut mit dir, Fremder. Auch, wenn du das vielleicht nicht glaubst.”

“Ist es wirklich wahr?”

“Frag Sie doch einfach. Sie hat doch einen Mund. Und der kann sogar reden - obwohl er sicher auch für was anderes taugt.”

“Für was denn?”, fragte Grainger trocken.

Hawk grinste. “Bist du ein Mönch, oder was?”

Grainger ließ sich nicht provozieren. “Ich habe gehört, was du gesagt hast”, erklärte er ruhig.

“Ich wünsche dir viel Glück mit der Hure”, sagte Hawk. “und falls du es dir vielleicht doch nochmal überlegen solltest und du dir ein paar Dollar verdienen willst: Ich habe dir ja schon einmal gesagt, dass ich Männer gebrauchen kann, die mit dem Eisen umgehen können.”

“Ich habe es gehört”, sagte Grainger.

“Nichts für ungut”, murmelte Hawk.

Grainger und Hawk sagen sich dann in die Augen.

Zwei Männer, die vielleicht ahnten, dass sie sich irgendwann nochmal über den Weg laufen würden.

Zwei Männer, von denen jeder wusste, dass sein Gegenüber ein harter Knochen war, den man nicht so einfach aus dem Weg räumen konnte.

Zwei Männer, die Respekt voreinander hatten.

In gewisser Weise zumindest.

“Adios, Amigo”, sage Hawk schließlich.

“Das Oklahoma-Territorium ist groß genug für uns alle”, meinte Grainger.

Hawk hob die Augenbrauen.

“Denkst du?”

“Denke ich.”

Hawk grinste schief. Aber er erwiderte nichts darauf. Stattdessen gab er seinen Männern ein Zeichen und wenige Augenblicke später war die ganze Horde von Revolverschwingern wieder in Richtung Horizont unterwegs. Sie ritten in jene Richtung, aus der sie gekommen waren.

“Schweinehunde”, knurrte Grainger zwischen den Zähnen hindurch. “Verdammte Schweinehunde.”

“Aber ich glaube, Sie haben denen mehr Angst eingejagt, als umgekehrt die Ihnen”, sagte die Rothaarige.

Grainger wandte den Kopf in ihre Richtung. Das herausfordernde Lächeln in ihrem Gesicht gefiel ihm. Die geschwungenen Kurven sowieso.

“Sie sehen auch nicht gerade ängstlich aus.”

Sie kam näher. Ihre Bewegungen waren geschmeidig wie die Bewegungen einer Katze. “Na, dann tun wir zwei uns doch zusammen. Wie wäre das? Zwei Furchtlose…”

Grainger sagte nichts.

Sie drängte sich gegen ihn. Er spürte den Druck ihrer großen Brüste an seinem Arm. Voll und üppig waren sie.

“Ich höre keinen Widerspruch”, sagte sie.

“Es gibt auch keinen Grund für Widerspruch”, sagte Grainger.

Die Rothaarige öffnete ihr Hemd.

Provozierend langsam tat sie das.

Als sie es dann über ihre Schultern zurückgleiten ließ, reckten sich zwei große, schwere, aber dennoch feste Brüste Grainger entgegen. “Du willst es doch auch”, murmelte sie, “und zwar hier und jetzt! Oder ist das vielleicht nur ein hartes Eisen, was deine Hose spannt?”

“Vor allem ein heißes Eisen”, grinste Grainger.

“Das will ich wissen”, meinte sie.

“Wirklich?”

“Natürlich…”

Einen Augenblick später sanken sie zusammen ins Gras. Graingers Pferd musste ein paar Schritt zur Seite weichen, als sie sich übereinander wälzten.

Grainger konnte es kaum erwarten, ihr auch die letzten Kleider vom Leib zu reißen.

Dann nahm er sie mit heftigen Stößen von hinten.

Ihre Brüste schwangen im immer schneller werdenden Takt ihrer Lust. Als sie laut zu stöhnen anfing, hielt er ihr den Mund zu.

“Du willst doch nicht, dass Coyoten angelockt werden”, raunte er ihr ins Ohr.

“Ehrlich gesagt..”, hauchte sie, nachdem er die Hand wieder fortgenommen hatte, weil er lieber ihre Brüste umfassen wollte, “...ist...mir… das vollkommen egal!”

“Mir aber nicht!”

“Ich fürchte mich nicht vor Coyoten!”

“Und wenn sie auf zwei Beinen laufen?”

“Ach, komm!”

“Das lass ich mir nicht zweimal sagen!”

“Na los, gib’s mir!”

3

Später betrachtete er ihren vollendeten Körper, als sie dahingegossen im Gras lag und ein Lächeln um ihren Mund spielte. Ihre Augen waren geschlossen, die Brüste hoben und senkten sich mit jedem Atemzug.

Eine außergewöhnliche Frau, dachte Grainger. Und sehr geschickt… Eine Frau mit viel Erfahrung in jungen Jahren, ging es Grainger dann durch den Kopf.

Und sehr geschickt.

Es hatte ihm gefallen, mit ihr zu schlafen.

Aber jetzt kam Grainger ins Grübeln. Es war nichts Fassbares. Nur ein eigenartiges Gefühl.

Ein Gefühl, dass vielleicht bisher von der Tatsache überlagert worden war, dass sie einfach eine außergewöhnlich anziehende Erscheinung war.

Ihre Brüste, ihr dahingegossenes Haar, die geschwungene Linie ihrer Hüften…

Allein sie jetzt so zu sehen, reichte schon aus, damit seine Männlichkeit sich wieder aufzurichten begann.

Sie räkelte sich und blinzelte. Dann sah sie an ihm empor.

“Bleib so”, sagte sie.

Dann stand sie auf. Ihre Brüste schwangen im Takt ihrerer Schritte. Sie kniete vor ihm nieder. Dann rieb sie sein Glied an ihren Brüsten. Es dauerte nur Augenblicke, bis er sich ergoss.

“Da ist anscheinend noch viel zu holen”, sagte sie.

“Darauf kommt es dir an, nicht wahr?”

“Was dagegen?”

“Nein.”

Sein Schwanz zuckte noch, als sie ihn erneut umfasste.

“Ich glaube nicht, dass du eine lange Pause brauchst.”

Er beugte sich zu ihr herab und strich über ihre steil aufgerichteten Brustwarzen.

“Das hast du richtig erkannt”, sagte Grainger.

4

In den frühen Morgenstunden brachen sie auf. Grainger bemerkte, dass sie Schwierigkeiten dabei hatte, ihr Pferd zu satteln.

Eine schwache Frau eben, dachte er.

Er wollte ihr helfen.

“Ich kann das schon”, sagte sie. “Lass mich!”

“Einem Gentleman macht es nichts aus…”

“Lass es”, wies sie ihn ab und nahm all ihre Kräfte zusammen um den Sattel dorthin zu bekommen, wo er hingehörte.

Sie atmete tief durch, keuchte. Fast so, wie Grainger es schon in anderer Situation bei ihr gesehen hatte. Ihre großen Brüste drängten gegen das grobe Männerhemd, dass sie wieder nur mit einem Knoten geschlossen hatte.

Einem lockeren Knoten.

Du legst es auch wirklich darauf an, einen Mann um den Verstand zu bringen!, dachte Grainger.

5

“Wohin willst du eigentlich?”, fragte Grainger die Rothaarige, nachdem sie schon eine ganze Weile geritten waren.

“Hauptsache weg”, sagte sie und lachte. “Und Hauptsache nach Süden.”

“Weg von Wichita?”, fragte Grainger.

“Wie kommst du auf Wichita?”

“Der Kerl, der uns mit seiner Meute unangenehm in die Quere gekommen ist, erwähnte diesen Ort im Zusammenhang mit dir”, sagte Grainger.

“Hawk?”

“Du erinnerst dich an seinen Namen.”

“Du solltest dir nicht zuviele Gedanken machen”, meinte sie.

“Ach, nein?”

Sie reckte sich im Sattel.

Und der Knoten, mit dem sie das Männerhemd verschlossen hatte, wurde dabei durch ihre üppigen Brüste auf eine harte Belastungsprobe gestellt.

Aber genau das wollte sie offenbar auch.

Sie schien den Blick, mit dem Grainger sie bedachte, regelrecht herauszufordern.

Und zu genießen.

Was für eine Frau, dachte Grainger nicht zum erstenmal. Aber man muss aufpassen! Die weiß genau, was sie tut. Und sie spielt ihr eigenes Spiel!

*

Später machten sie ein Feuer und kampierten. Sie war gut ausgestattet. Auch was den Proviant anging.

“Was ist mit Wichita?”, fragte Grainger.

“Was soll damit sein?”, fragte sie.

Aber ihr Lachen dabei wirkte gezwungen. Sie strich sich das Haar zurück.

“Hawk sagte, dass er dich dort gesehen hat.”

“Vielleicht hat er nicht so genau hingesehen.”

“Das glaube ich nicht.”

“Ist das jetzt so wichtig?”

“Es ist eine Frage.”

“Und du erwartest ernsthaft eine Antwort?”

“So bin ich nunmal.”

“Du bist hartnäckig.”

“Das stimmt.”

“Und du gibst nie auf, was?”

“Worauf du dich verlassen kannst.”

Sie drückte sich an ihn. Ihre Hand wanderte seine Schulter entlang, dann tiefer.

“Das wird ganz schön eng in deiner Hose”, stellte sie fest.

“Ja, das stimmt.”

“Dann nimm mich jetzt nochmal.”

“Das lasse ich mir nicht zweimal sagen”, lächelte Grainger.

Sie lächelte auch, während sich ihre Brüste beim Atmen hoben und senkten. “Das dachte ich mir!”

“Aber wenn du glaubst, dass ich deswegen meine Frage vergesse, dann irrst du dich!”

“Das werden wir sehen!”, lachte sie. “Ich kann dir eins versprechen: Du wirst alles vergessen. Alles!”

6

In der nächsten Nacht kampierten sie an einem Flusslauf. Es war verhältnismäßig kühl. Aber sie legten sich unter die Decken, die sie dabei hatten und davon abgesehen sorgte die Hitze ihrer erregten Körper dafür,dass sie nicht froren.

“Du kannst nicht genug bekommen, was?”, meinte sie.

“Da haben wir was gemeinsam, schätze ich”, sagte Grainger.

“Wenn du das sagst…”

“Ich sage es.”

“Dann wird es sicher stimmen.”

“Ich frage mich, was mit dir nicht stimmt”, sagte Grainger.

Die Rothaarige schien verwundert zu sein. Sie sah Grainger an. Ihre großen Augen musterten ihn fragend.

“Was soll denn mit mir nicht stimmen?”

“Sag du es mir!”

“Du bildest dir etwas ein!”

“Nein, das glaube ich nicht.”

“So?”

“Ich habe einen Instinkt für so etwas.”

“Was du nicht sagst.”

*

In der Nacht stand Grainger auf. Er ging zu ihrem Sattel, was nicht so ganz einfach war, denn sie hatte ihn in die Nähe ihres Kopfes gelegt, sodass sie eigentlich merken musste, wenn jemand sich daran zu schaffen machte.

Der Sattel und diesen Taschen waren ihr anscheinend verdammt wichtig.

Das hatte Grainger schon kapiert.

Und er hatte auch kapiert, dass er herausfinden musste, was damit los war.

Es hatte mit Sicherheit mit dem zu tun, was mit ihr nicht stimmte.

Und Grainger hatte da auch schon eine Vermutung.

Er nahm die Taschen an sich. Sie hatte sich im Schlaf zur Seite gedreht. Normalerweise berühre immer ein Körperteil von ihr die Tasche, wenn sie schlief. Entweder die Hand, oder der Kopf… Was auch immer.

Jetzt nicht.

Sie schlief zu tief.

Zu tief, um ihren Schatz zu bewachen.

Gut so, dachte Grainger.

Schon als er die Satteltaschen anhob, begriff er, was damit nicht stimmte. Sie waren viel zu schwer. Viel zu schwer für Proviant oder irgend etwas von den anderen Sachen, die man normalerweise in einer Satteltasche so mit sich führte. Es waren Beutel darin. Grainger nahm einen davon heraus. Er öffnete ihn.

Gold-Nuggets!, erkannte Grainger sofort. Dicke, fette Gold-Nuggets, wie man sie nur an sehr wenigen Orten fand.

“Jetzt weißt du es also”, sagte sie. Denn sie war inzwischen wach geworden.

Grainger sah in die Mündung ihres Derringers, der auf ihn gerichtet war.

Der Schein des Feuers ließ Schatten auf ihrem Gesicht tanzen. Auf ihrem Gesicht und ihren Brüsten, denn das Hemd, dass sie trug, war offen.

“Jetzt weiß ich es”, sagte Grainger.

“Und was wolltest du jetzt tun? Mir die Nuggets wegnehmen?”

“Kein Gedanke.”

“Ach, wirklich?”

“Mir bedeutet so etwas nichts.”

“Alle, die das sagen, sind Lügner.”

“Ich nicht”, sagte Grainger. Er tat die Nuggets zurück in die Satteltasche. DAnn warf er sie ihr zu.

Er sagte: “Selbst wenn du mich mit dem Derringer treffen würdest, hätte ich in jedem Fall noch Zeit genug, meine Eisen zu zu ziehen und dich voll Blei zu pumpen”, sagte er. “Also tu das nicht noch einmal.”

“Was?”

“Eine Waffe auf mich richten.”

“Tut mir Leid, ich dachte, du wolltest mich beklauen”, sagte sie.

Er lächelte kühl.

“So, wie du jemand anderen beklaut hast.”

“Was geht dich das an?”

“War das in dem Bordell in Wichita? Sind deshalb all diese Coyoten hinter dir her?”

“Grainger!”

“Ich würde gerne die volle Wahrheit wissen.”

“Grainger, lass uns das Gold teilen. Und dann gehen wir damit irgendwohin, wo uns keiner kennt.”

“Ich glaube, die Meute, die hinter dir her ist, wird dich überall finden.”

“Hör mir zu…”

“Der Geruch des Goldes ist einfach zu stark.”

“Grainger!”

“Er wirkt ungefähr so, wie der Geruch von frischem Blut auf Wölfe.”

Sie schluckte. Dann setzte sie sich auf, kniete auf schlanken Beinen und sorgte dafür, dass das Gold zurück in die Satteltaschen wanderte. Den DErringer hatte sie weggelegt. Dann sah sie ihn an. “Das ist so viel Gold, davon kann man eine endlos lange, schöne Zeit haben, Grainger!”

“Hast du den Typen umgebracht, dem es gehörte?”

“Nein, so war das nicht?”

“Hast du mit Typen zusammengearbeitet, die ihn umgebracht haben?”

“Nein, nein…”

“Du warst der schöne Lockvogel und bist dann mit der Beute durchgebrannt. Und jetzt wunderst du dich, dass die Geier über dir kreisen.”

“Nein, nein…”

“Wie war es denn dann?”

“Ganz anders!”

“Aber lüg mich nicht an!”

“Grainger, ich…”

“Ich mag Lügnerinnen nicht. Ich habe kein Problem mit Huren. Ich habe auch kein Problem mit ehrlichen Arschlöchern. Aber ich hätte ein Problem mit einer Lügnerin. Also überleg dir, was du sagst.”

“Grainger, ich würde dich niemals anlügen!”

“Das hast du schon. Und wenn du es das nächste Mal tust, dann sollte deine Lüge wenigstens so plausibel sein, dass ich wenigstens so tun kann, als würde ich sie glauben, ohne wie ein kompletter Idiot dazustehen.”

Sie holte tief Luft.

Vielleicht deshalb, weil sie viel zu sagen hatte.

Vielleicht auch deshalb, weil sie Zeit brauchte, um sich etwas auszudenken.

Grainger sah sie an.

Durchdringend.

Ein Blick wie aus messerscharfem Stahl.

“Er ist gestorben, als ich auf ihm geritten bin.”

“Es gibt wahrscheinlich schlimmere Todesarten.”

“Sein Gold brauchte er nicht mehr, da habe ich es behalten. Er sagte, er hätte es in den Black Mountains geschürft.”

“Und hast dir gedacht: Das ist deine Chance!”

“Unglücklicherweise hat der Kerl wohl nicht nur bei mir über sein Gold geredet…”

“Ich verstehe.”

“Lass uns zusammen bleiben, Grainger. Wir sind ein unschlagbares Paar, findest du nicht?”

“Wenn du das sagst…”

“Und das Gold reicht für uns beide!”

“Ich will nichts davon”, sagte Grainger.

“Was?”

Sie sah ihn ungläubig an. Sie kniete da neben dem Sattel. Die kühle Briese sorgte dafür, dass ihre Brustwarzen hart wurden. Ihr Gesichtsausdruck glich einer einzigen Frage. Sie schien einfach nicht glauben zu können, was sie gehört hatte.

Graingers Gesicht blieb unbewegt.

“Du hast richtig gehört, ich will nichts von dem Gold.”

“Aber…”

“Du kannst alles behalten - so lange die Geier es dir lassen, die hinter dir her sind.”

“Ich verstehe dich nicht!”

“Was ist so schwer daran, es zu begreifen? Ich will das Gold einfach nicht.”

“Warum nicht?”

“Weil Blut daran klebt.”

“Das macht dir wirklich was aus? Du tötest Leute für nichts! Du schießt dich mit diesen Schweinehunden und legst sie reihenweise um und jetzt bist so sensibel?” Sie schüttelte den Kopf. Ihre Brüste wackelten dabei. Sie warf das dichte, rote Haar nach hinten. “Du bist ein Spinner!”, fand sie.

“Sowas nennt man Ehre”, sagte Grainger. “Ist schon klar: Für manche Leute ist das ein Fremdwort.”

“Du meinst, jemand wie ich hat so etwas nicht!”

“Das hast du gesagt.”

“Aber du hast es gemeint.”

“Gesagt hast du es”, beharrte Grainger. “Jeder trifft seine eigenen Entscheidungen, Lady. Und niemand sollte sich hinter wundern, wenn er dafür zur Rechenschaft gezogen wird.”

“So?”

“Du auch nicht!”

“Du willst mir also erzählen, wie das Leben ist, Grainger!”

“Ich will dir nur erzählen, was richtig ist”, gab Grainger zurück. “Und was falsch ist.”

Sie stand auf.

Dann ließ sie ihr Hemd zurückgleiten.

Das Mondlicht schmeichelte ihrem formvollendeten Körper.

“Du bist so verdammt ernst”, sagte sie.

“So bin ich nunmal.”

“Ich hoffe, all das Gold verdirbt uns jetzt nicht die gute Laune”, sagte sie. Sie näherte sich ihm. Ihr Busen drückte gegen sein Hemd. Sie begann mit der Hand seinen Arm empor zu fahren. Das Mondlicht glitzerte in ihren Augen.

“Wir sollten früh aufbrechen”, sagte Grainger. “Sehr früh…”

7

Mit dem ersten Sonnenlicht zogen sie weiter. Die Nacht war kurz gewesen.

Sie kamen über grasbewachsene Ebenen, dann folgte hügeliges Land - ebenfalls grasbewachsen. Man sagte, dass die Siedler, die mit den ersten Planwagen diesen Weg gezogen waren, seekrank geworden waren, weil die Hügellandschaft, in der das Gras durch den Wind ständig in Bewegung war, eine ähnliche Wirkung hatte wie der Anblick hoher Wellen auf einem Schiff.

Sie erreichten schließlich einen Wasserlauf.

Da konnten sie die Pferde saufen lassen.

Die Rothaarige stieg aus dem Sattel. Sie benetzte sich das Gesicht und die Hände.

Grainger hingegen blieb im Sattel, während sein Gaul soff. Er ließ den Blick schweifen. Seine Augen wurden zu schmalen Schlitzen, als er gegen die tiefstehende Morgensonne blinzelte.

“Du würdest mich doch nicht allein lassen, oder?”, fragte sie.

Grainger schwieg. Er blickte angestrengt in die Ferne.

Dann sagte er, ohne sie dabei anzusehen: “Alle Wege trennen sich irgendwann mal.”

“Mein Angebot steht immer noch.”

“Angebot?”

“Du kannst die Hälfte des Goldes haben. Und dafür bringst du mich in die nächste größere Stadt.”

“Und du denkst, dass du da sicher bist?”

“Sicherer als hier.”

“Du wirst sicher überall durchkommen, wie ich dich so einschätze.”

“Ich meine es ernst, Grainger!”

“Ich auch.”

“Was heißt das?”

“Mein Weg führt nach Süden. Und deiner sollte dorthin führen.” Grainger deutete mit der Hand zum Horizont. “Wenn du die Richtung einigermaßen hältst, kommst du irgendwann in das nächste Rindernest.”

“Das tust du nicht wirklich!”

“Weißt du, ich hätte kein Problem mit der Sache, wenn es wirklich so gewesen wäre, dass der Kerl, den du geritten hast, dabei über den Jordan gegangen wäre.”

“Sowas passiert, Grainger!”

“Ja, aber in deinem Fall glaube ich das nicht.”

“Ach, nein?”

“Ich denke, es war anders.”

“Du warst nicht dabei, Grainger!”

“Aber ich habe Verstand und kann eins und eins zusammenzählen.”

“Da bin ich mir nicht so sicher…”

“Ich denke, jemand hat dir gesagt, dass du den Kerl gezielt ansprechen sollst. Und ich denke, es war auch nicht dein Ritt, der ihn über den Jordan geschickt hat, jedenfalls nicht allein. Ich schätze, da hat jemand nachgeholfen. Vielleicht mit einer Flasche auf den Kopf. Oder einer Kugel. Oder es war was im Whisky.”

Ihr Gesicht veränderte sich.

“Du hältst dich wohl für ganz schlau, was?”

“Ich denke, du hattest hinterher keine Lust, mit deinem Komplizen zu teilen. Und der ist jetzt hinter dir her. So wird es sein.”

“Du weißt gar nichts!”

“Das Einzige, was ich nicht weiß ist die Antwort auf die

Frage, ob du einen oder mehrere Komplizen hattest. Ich tippe auf mehrere, denn mit einem Hättest du ja wahrscheinlich notfalls genauso geteilt, wie du es mit mir vorhattest.”

“Das ist alles… ein Missverständnis!”, behauptete sie.

Der Knoten, mit dem sie ihr Hemd zusammenhielt, saß ja ohnehin immer recht locker. Jetzt konnte man fast den Eindruck haben, dass er sich von selbst zu lösen begann.

Aber Grainger ließ sich davon nicht weiter beeindrucken.

Er sah sie an.

“Eine Hure, die auch noch einen Klumpen Gold drauflegen muss, damit der Preis stimmt.” Er schüttelte den Kopf. “Ich habe schon eine Menge erlebt - aber sowas noch nicht.”

“Das hast du nicht gesagt, Grainger!”, zischte sie.

“Doch, das habe ich gesagt.”

Sie lief rot an.

Die Farbe ihres Gesichts passte jetzt zu der ihrerer Farbe.

Es war keine Röte der Scham - sondern des Zorns.

Grainger sagte: “Mach’s gut!” Und dann lenkte er sein Pferd nach Süden.

“Du verdammter Schweinehund!”, rief sie ihm hinterher. “Du gottverdammter Hurensohn!”

Sie nahm ihren Derringer und feuerte auf Grainger.

Zweimal.

Denn zwei Schüsse hatte die kleine Pistole.

Grainger drehte sich nichtmal um.

Er war längst viel zu weit weg, als dass ihn die Kugel des Derringers hätte treffen können.

ENDE

Der Spieler

von Alfred Bekker

Er sah aus wie ein Spieler.

Und er war ein Spieler.

Er trug einen tiefgeschnallten Colt, aber er hatte noch einen weiteren, der unter seiner Jacke verborgen war. Und in der Tasche seiner Glitzerweste steckte auch noch ein Derringer - dort wo andere vielleicht ihre Taschenuhr trugen.

Seine Hände waren dünn und feingliedrig.

Und ausgesprochen geschickt.

So geschickt, dass er immer gewann.

Es schien einfach keine Möglichkeit zu geben, gegen ihn auch nur nur einen Stich zu bekommen.

Und sein Gesicht war kalt wie Stein. Sein Lächeln wirkte asig. Wenn er sich über den Schnauzbart strich, dann hatte das etwas Katzenhaftes. Eine Katze, die gerade einen Vogel vertilgt hatte und sich die Barthaare glattstrich. Daran erinnerte dieser Anblick.

“Hey, das war Betrug!”, meinte der Rancher, der mit am Pokertisch saß. “So viel Glück kann niemand haben.

“Sei vorsichtig, was du sagst”, sagte der Spieler.

Zornesröte erfasste das Gesicht des Ranchers.

“Sei du vorsichtig, was du tust!”

Der Spieler strich das Geld ein. Er zählte die Scheine nicht mal. Er steckte sie einfach in die Seitentaschen seines Rocks. So, als würden sie ihm nichts bedeuten. Wie Gras, das man vom Boden aufgehoben hat, um das Pferd zu füttern.

“So ist das Leben, Hombre”, sagte der Spieler. “Mal verlierst du und mal gewinnst du.”

“Ja, nur, dass du immer gewinnst!”

“Das Spiel ist eine Kunst.”

“Ach, ja?”

“Und ich beherrsche diese Kunst etwas besser, als die meisten anderen.”

“Ich würde einfach sagen: Du betrügst!”

Der Spieler blieb gelassen. Sein Lächeln wirkte kalt und zynisch.

“Immer mit der Ruhe”, sagte er.

Ein rothaariges Saloon-Girl mit vollen Brüsten, die aus ihrem Dekolleté herausquollen, rauschte herbei. Die Rothaarige hatte wohl mitgekriegt, dass der Spieler (mal wieder) gewonnen hatte.

Und das diesmal so total, dass den anderen Mitspielern kein Cent geblieben war. Damit war das Spiel zu Ende.

Die Rothaarige drückte sich an den Spieler, strich mit der Hand über das Revers seiner Jacke.

“Vielleicht hast du nachher noch Zeit für mich. Wie wär’s?”

“Nichts dagegen”, sagte der Spieler.

“Du wirst die Nacht nicht vergessen.”

Der Spieler sah ihr in den Ausschnitt und grinste.

“Das glaube ich auch”, sagte er.

“Na, dann…”

Der Spieler steckte ihr einen der Scheine in den prallen Ausschnitt.

“Zieh dich aus.”

“Was?”

“Hier und jetzt!”

“Aber…”

“Die anderen hier am Tisch sollen auch was von meinem Gewinn haben.”

“Okay…”

“Ich bin ein großzügiger Mann.”

“Das glaube ich gern.”

“Ist ein ein Charakterzug von mir.”

“Ich weiß…”

“Und nun zieh dich aus. Die anderen hier sollen sehen, was sie nicht kriegen!”

Das Lachen des Spielers klang gehässig.

Die Rothaarige begann damit, sich auszuziehen. Sie ließ das Kleid zu Boden gleiten. Und dann das Unterkleid. Wenig später stand sie ohne einen Faden am Leib da. Das Licht der Petroleumlampen im Saloon schimmerte auf ihren großen, vollen Brüsten. Die Brustwarzen hatten sich aufgerichtet. Es zog etwas kühl von der Tür her.

Der Blick des Spielers glitt nur kurz an dem verführerischen Körper der Rothaarigen entlang. Ihm war etwas anderes wichtiger. Er beobachtete die Gesichter der anderen Männer am Tisch. Jener Männer, denen er bis auf den letzten Cent das ganze Geld abgenommen hatte.

Er schien es zu genießen, dass ihre Münder offen standen.

Dass sie sahen, was ihnen entging. Denn keiner von ihnen würde in nächster Zeit auch nur annähernd genug Dollars in der Tasche haben, um sich die Dienste der Rothaarigen leisten zu können.

“So gefällt mir das”, sagte er.

Und lachte.

Lachte immer wieder.

Die Rothaarige Lachte auch.

Ihre Brüste wippten dabei.

Die Stimmung war jetzt unheilschwanger. Denn abgesehen von dem Spieler und der Rothaarigen hatte offenbar niemand im Raum einen Grund, um mitzulachen.

Abgesehen von dem Gelächter der beiden war es nämlich jetzt absolut still im Raum.

Selbst der Saloonkeeper wirkte wie mitten in der Bewegung erstarrt. Die Männer an der Bar auch. Sie drehten sich halb um. Selbst die Huren, die um sie herumstrichen wie hungrige Katzen, schienen sie im Moment nicht zu interessieren. Alle Blicke waren auf den Spieltisch gerichtet. Und jeder schien das Gefühl zu haben, dass gleich etwas geschehen musste. Und geschehen würde.

Es war, als hätte sich die Luft in den letzten Augenblicken förmlich mit Dynamit aufgeladen.

Irgendwann musste es zum großen Knall kommen.

Und der hatte sich ja auch schon angekündigt.

“Ich will mein Geld zurück”, sagte der Rancher.

“Morgen bekommst du eine neue Chance und ein neues Spiel”, sagte der Spieler gönnerhaft. Sein Lächeln wirkte noch aasiger als sonst. “Ich verspreche es dir.”

“Pah!”