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Dieser Band enthält folgende Romane: Hammer und Colt: Western (Ray Forrester) Eine Stadt voll Abschaum (Thomas West) McQuade und der Apachenjäger (Pete Hackett) Marshal Logan und die Hassvollen (Pete Hackett) McQuade und die Revolver-Lady (Pete Hackett) McQuade - gejagt von der Armee (Pete Hackett) Das harte Dutzend (Alfred Bekker) Steven Souders hatte sich zwischen zerklüfteten Felsen auf dem Hügel verschanzt. McQuade befand sich um Fuß der Anhöhe im Schutz eines hüfthohen Felsbrockens und sicherte nach oben, die Henry Rifle mit beiden Händen schräg vor der Brust haltend, angespannt bis in die letzte Faser seines Körpers. Hier in der Wildnis, in der es nichts anderes gab als nackten Fels, wirbelnden Staub, dorniges Strauchwerk, niedrige Kakteen und glühende Hitze hatte der Kopfgeldjäger den Banditen gestellt. Souders war es gelungen, auf den Hügel zu fliehen, sein Pferd war – erschreckt vom Donnern der Schüsse, die McQuade und der Bandit aufeinander abfeuerten - voll Panik durchgegangen. Gray Wolf war spurlos verschwunden. Das Pferd des Kopfgeldjägers stand ein ganzes Stück entfernt zwischen dornigem Gestrüpp. Heiß brannte die Sonne auf den Rücken McQuades hernieder, Schweiß lief über sein Gesicht, zog helle Spuren in die feine Schicht aus Staub auf seiner Haut und brannte in seinen Augen. Die Lungen füllten sich beim Atmen wie mit Feuer. Es war Mittagszeit und die heißeste Zeit des Tages. "Gib auf, Souders!", rief McQuade mit heiserer, verstaubter Stimme. "Du hast keine Chance. Ohne Pferd bist du aufgeschmissen."
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Seitenzahl: 587
Veröffentlichungsjahr: 2025
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7 Goldene Western Dezember 2025
Copyright
Hammer und Colt: Western
Eine Stadt voll Abschaum
McQuade und die Apachenjäger
Marshal Logan und die Hassvollen
McQuade und die Revolverlady
McQuade – gejagt von der Armee
Das harte Dutzend
Titelseite
Cover
Inhaltsverzeichnis
Buchanfang
Dieser Band enthält folgende Romane:
Hammer und Colt: Western (Ray Forrester)
Eine Stadt voll Abschaum (Thomas West)
McQuade und der Apachenjäger (Pete Hackett)
Marshal Logan und die Hassvollen (Pete Hackett)
McQuade und die Revolver-Lady (Pete Hackett)
McQuade - gejagt von der Armee (Pete Hackett)
Das harte Dutzend (Alfred Bekker)
Steven Souders hatte sich zwischen zerklüfteten Felsen auf dem Hügel verschanzt. McQuade befand sich um Fuß der Anhöhe im Schutz eines hüfthohen Felsbrockens und sicherte nach oben, die Henry Rifle mit beiden Händen schräg vor der Brust haltend, angespannt bis in die letzte Faser seines Körpers. Hier in der Wildnis, in der es nichts anderes gab als nackten Fels, wirbelnden Staub, dorniges Strauchwerk, niedrige Kakteen und glühende Hitze hatte der Kopfgeldjäger den Banditen gestellt. Souders war es gelungen, auf den Hügel zu fliehen, sein Pferd war – erschreckt vom Donnern der Schüsse, die McQuade und der Bandit aufeinander abfeuerten - voll Panik durchgegangen.
Gray Wolf war spurlos verschwunden. Das Pferd des Kopfgeldjägers stand ein ganzes Stück entfernt zwischen dornigem Gestrüpp.
Heiß brannte die Sonne auf den Rücken McQuades hernieder, Schweiß lief über sein Gesicht, zog helle Spuren in die feine Schicht aus Staub auf seiner Haut und brannte in seinen Augen. Die Lungen füllten sich beim Atmen wie mit Feuer. Es war Mittagszeit und die heißeste Zeit des Tages. „Gib auf, Souders!“, rief McQuade mit heiserer, verstaubter Stimme. „Du hast keine Chance. Ohne Pferd bist du aufgeschmissen.“
Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Bathranor Books, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von
Alfred Bekker
© Roman by Author
© dieser Ausgabe 2025 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen
Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.
Alle Rechte vorbehalten.
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von RAY FORRESTER
Thompson Gulch wird von Marcus Thorpe beherrscht, der glaubt, dass die Menschen ihm genauso gehören wie das Land. Als Cole Garrett eintrifft, muss er feststellen, dass sein Freund von Thorpes Leuten umgebracht wurde. Eigentlich will Cole einen Verbrecher jagen, aber nun wird die Sache für ihn persönlich. Genau wie sein Gegner Blackwood.
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Alles rund um Belletristik!
Der Wind, der durch die Hauptstraße von Thompson Gulch fegte, trug den Geruch von Angst und kaltem Staub mit sich. Cole Garrett spürte es, sobald er die ersten schiefen Holzhäuser der Stadt erreichte. Es war eine Stille, die nicht friedlich, sondern erzwungen war. Eine Stille, wie sie vor einem Gewitter oder nach einem Todesurteil herrscht.
Cole zügelte seinen Rappen und ließ den Blick unter der Krempe seines verwitterten Hutes umherschweifen. Er war ein Mann, der in den Sattel gehörte. Groß, mit breiten Schultern, die von unzähligen Meilen unter der unbarmherzigen texanischen Sonne geformt worden waren. Seine Kleidung war praktisch und abgetragen – eine Lederweste über einem grauen Hemd, robuste Hosen und Stiefel, die mehr Geschichten erzählen konnten als mancher alte Goldsucher. An seiner Hüfte hing tief ein einzelner Colt Peacemaker in einem abgenutzten Holster. Das Leder war an der Stelle, wo seine Hand ruhte, glatt poliert. Es war eine Waffe, die kein Schmuckstück war, sondern ein Werkzeug. Und Cole wusste, wie man es benutzte.
Er war auf der Suche nach einem Mann namens Jonas Blackwood. Ein Name, der auf einem Steckbrief stand, der in seiner Satteltasche steckte und ein Kopfgeld von fünfhundert Dollar versprach. Blackwood war ein Schatten, ein Killer, der so leise zuschlug wie eine Klapperschlange im hohen Gras. Die Spur hatte Cole hierher geführt, in dieses gottverlassene Nest am Rande der Zivilisation.
Er ritt langsam die Straße entlang. Gesichter spähten hinter schmutzigen Fensterscheiben hervor und verschwanden sofort wieder. Die Türen des Saloons schwangen auf, und ein Mann stolperte heraus, nur um sich hastig umzusehen und in einer Seitengasse zu verschwinden. Niemand war grundlos hier. Jeder schien auf der Flucht zu sein – entweder vor dem Gesetz oder vor etwas Schlimmerem.
Cole hielt vor der Schmiede an. Das Feuer in der Esse war kalt. Der Amboss war stumm. Ein schlechtes Zeichen. Er kannte den Schmied, John Miller, ein Hüne von einem Mann mit Händen wie Bratpfannen und einem Herzen aus Gold. Sie hatten vor Jahren zusammen bei den Texas Rangers gedient. Wenn jemand in dieser Stadt wusste, was vor sich ging, dann John.
Cole stieg ab, band sein Pferd an der Querstange fest und trat in den Schatten der Schmiede. „John?“, rief er. Seine Stimme war tief und rau wie der Kies in einem Flussbett.
Nur das Heulen des Windes antwortete ihm.
Eine Gestalt huschte aus dem Krämerladen gegenüber. Ein kleiner, untersetzter Mann mit einer Schürze und einem Gesicht, das von Sorgen zerfurcht war.
„Suchen Sie jemanden, Mister?“, fragte der Mann und vermied es, Cole direkt in die Augen zu sehen.
„Den Schmied. John Miller.“
Der Mann schluckte. Er zitterte, obwohl die Sonne warm war. „John … John Miller ist tot, Mister.“
Coles Körper spannte sich an. Seine blauen Augen, die eben noch das weite Land musterten, verengten sich zu eiskalten Schlitzen. „Tot? Wie?“
„Sie … sie haben ihn gehängt“, flüsterte der Krämer. „Heute Morgen. Mitten auf dem Stadtplatz. Zur Warnung.“
„Wer sind sie?“
Der Mann zuckte zusammen, als hätte ihn ein Peitschenhieb getroffen. „Thorpes Männer, Mister. Marcus Thorpe. Ihm gehört das ganze Land hier. Und er denkt, ihm gehören auch die Leute.“
Cole spürte, wie eine kalte Wut in ihm aufstieg. John Miller. Gehängt. Ein Mann, der mit bloßen Händen einen Bären hätte erwürgen können. „Warum?“
„John hat sich gewehrt. Thorpe wollte sein Land, die Schmiede. Hat ihm ein lächerliches Angebot gemacht. John hat ihn zum Teufel geschickt. Gestern Abend haben sie ihn aus seinem Haus gezerrt … der Sheriff hat nur zugesehen.“ Der Krämer machte einen Schritt zurück. „Sie sollten weiterreiten, Mister. Diese Stadt ist verflucht. Thorpe duldet keine Fremden.“
Damit huschte der Mann zurück in seinen Laden und schob den Riegel vor. Cole stand allein in der stillen Straße. Der Wind pfiff um die Ecken der Schmiede, und es klang wie das Wehklagen eines Geistes. Sein Kopfgeld war gerade zur Nebensache geworden. Dies war nun persönlich.
*
Der „Durstige Kojote“ war der einzige Saloon in Thompson Gulch und der einzige Ort, an dem sich das Leben zu regen schien. Als Cole durch die Schwingtüren trat, verstummten die Gespräche. Das Klimpern des Pianos erstarb mit einem falschen Ton. Alle Augen richteten sich auf ihn.
Der Raum war erfüllt von Rauch und dem säuerlichen Geruch von verschüttetem Whiskey. An der Bar lehnten ein halbes Dutzend rauer Gestalten in Cowboy-Kluft. Ihre Gesichter waren sonnenverbrannt und ihre Augen wachsam. An einem der Tische saß der Sheriff – ein Mann mit einem aufgedunsenen Gesicht und einem Blechstern, der an seiner Weste so deplatziert wirkte wie eine Rose auf einem Misthaufen. Er trank mit einem weiteren von Thorpes Männern.
Und dann sah Cole ihn.
An einem runden Tisch in der hintersten Ecke des Raumes saß ein Mann, der so unauffällig war, dass er geradezu hervorstach. Er trug schwarze Kleidung, sein Gesicht war schmal und blass, und seine Augen waren dunkel und leer. Er bewegte sich kaum, beobachtete den Raum mit der regungslosen Geduld eines Raubtiers. Jonas Blackwood. Der Schatten.
Neben ihm saß ein Mann, der das genaue Gegenteil war. Groß, stattlich, mit einem teuren Anzug und einem gestärkten weißen Hemd. Sein graumeliertes Haar war perfekt gescheitelt und auf seinen Lippen lag ein arrogantes Lächeln. An seinem Finger funkelte ein Goldring. Das musste Marcus Thorpe sein.
Cole ging langsam auf die Bar zu, seine Sporen hinterließen leise Kratzer auf dem schmutzigen Holzboden. Er stellte sich neben die Gruppe von Cowboys, die sofort ihre Haltung veränderten und ihn misstrauisch musterten.
„Whiskey“, sagte Cole zum Barkeeper, einem nervösen Mann, der aussah, als würde er lieber Gräber ausheben.
Der Barkeeper schob ihm ein Glas hin. Cole nahm es, ohne den Blick von dem Spiegel hinter der Bar zu nehmen, in dem er den ganzen Raum überblicken konnte. Er sah, wie Blackwoods Augen seine eigenen im Spiegel trafen. Ein kaum wahrnehmbares Nicken. Blackwood hatte ihn erkannt.
Cole trank den Whiskey in einem Zug aus. Das Brennen in seiner Kehle war nichts gegen das Feuer in seiner Brust. Er stellte das Glas hart auf den Tresen.
„Sheriff“, sagte Cole laut und deutlich, sodass jeder es hören konnte.
Der Sheriff, dessen Name Brody war, wie Cole später erfuhr, zuckte zusammen. Er drehte sich langsam um. „Was willst du, Fremder?“
„Ich habe gehört, es gab heute Morgen einen Toten in Ihrer Stadt.“
Brody wurde blass. „Das geht dich nichts an.“
„Ein Mann wurde ohne Prozess gehängt. Das geht jeden an, der an das Gesetz glaubt. Oder gilt das hier nicht?“
Einer von Thorpes Männern an der Bar lachte rau. „Das Gesetz in Thompson Gulch ist das, was Mister Thorpe dafür hält.“
In diesem Moment stand Marcus Thorpe von seinem Tisch auf. Er bewegte sich mit der anmutigen Selbstsicherheit eines Mannes, der es gewohnt war, dass die Welt ihm zu Füßen liegt. Blackwood blieb sitzen, aber seine Hand lag nun flach auf dem Tisch, nur wenige Zentimeter von seinem Revolver entfernt.
„Sie haben ein Problem, Mister …?“, fragte Thorpe mit einer Stimme, die so glatt und kalt war wie polierter Marmor.
„Garrett. Cole Garrett. Und ja, ich habe ein Problem damit, wenn Mörder einen Sheriff-Stern tragen und Feiglinge ihn beschützen.“
Die Atmosphäre im Raum knisterte. Die Luft war so dick, dass man sie mit einem Messer hätte schneiden können. Thorpes Lächeln erstarrte.
„Mister Garrett“, sagte Thorpe langsam, „ich bewundere Ihren Mut, auch wenn er an Dummheit grenzt. Sie sind neu hier. Sie verstehen die Dinge nicht. Ich würde Ihnen raten, Ihr Pferd zu satteln und weiterzureiten, bevor Sie ein tieferes Verständnis für die hiesigen Sitten erlangen. Ein Verständnis, das meist von kurzer Dauer ist.“
„Ich reite, wann es mir passt“, erwiderte Cole. „Und im Moment gefällt es mir hier ganz gut. Die Luft ist zwar schlecht, aber das kann sich ändern.“
Thorpes Augen verengten sich. „Blackwood“, sagte er leise, ohne den Blick von Cole abzuwenden. „Ist das der Mann, von dem du gesprochen hast?“
Blackwood nickte langsam. „Der Ranger. Ja.“
Thorpe lachte leise. „Ein Ranger. Wie passend. Nun, Mister Garrett, Ihre Zeit als Gesetzeshüter ist vorbei. Dies ist mein Land. Mein Gesetz. Vergessen Sie das nicht.“ Er drehte sich um und ging zurück zu seinem Tisch, als wäre die Sache erledigt. „Brody, sorg dafür, dass unser Gast die Stadt verlässt.“
Der Sheriff stand unsicher auf. „Hör zu, Garrett. Mach keinen Ärger. Geh einfach.“
Cole sah ihn mit Verachtung an. Dann wanderte sein Blick zu Blackwood, der ihn immer noch mit diesen toten Augen anstarrte. Das Kopfgeld war das eine. Aber die Tatsache, dass dieser Mörder nun für den Mann arbeitete, der seinen Freund umgebracht hatte, machte die Sache zu einem Duell auf Leben und Tod.
Cole drehte sich um und ging zur Tür. Er spürte die Blicke von fünfzehn Männern in seinem Rücken. Jeder von ihnen war ein Feind. Jeder von ihnen war ein Grund, zu bleiben.
*
Kaum war er auf die staubige Straße getreten, sprach ihn eine Stimme an. „Mister Garrett?“
Er drehte sich um. Eine junge Frau stand vor ihm. Sie war vielleicht zwanzig, trug ein einfaches, aber sauberes Kleid und hielt einen Korb in der Hand. Ihr Gesicht war blass, und ihre Augen waren rot vom Weinen, aber in ihnen loderte ein Feuer, das Thorpe mit all seinem Geld nicht würde kaufen können. Ihr braunes Haar war zu einem einfachen Zopf geflochten.
„Ich bin Sarah Miller“, sagte sie. Ihre Stimme zitterte, aber sie war fest. „John Miller war mein Vater.“
Cole nahm seinen Hut ab. „Es tut mir leid, Ma’am. Er war ein guter Mann. Einer der besten.“
Tränen traten ihr in die Augen, aber sie wischte sie zornig weg. „Sie haben ihn ermordet. Kaltblütig. Und dieser feige Sheriff hat es zugelassen. Die ganze Stadt hat zugesehen und nichts getan.“ Sie blickte ihn direkt an, ihr Blick war flehend und fordernd zugleich. „Der Krämer sagte, Sie seien ein Gesetzeshüter. Ein Ranger.“
„Das war ich mal“, sagte Cole. „Jetzt bin ich nur noch ein Mann, der sein Geld verdient.“
„Dann helfen Sie uns! Bitte! Thorpe kauft alles auf. Wer nicht verkauft, wird vertrieben oder schlimmer. Mein Vater war der Letzte, der sich ihm widersetzt hat. Jetzt hat niemand mehr den Mut dazu.“ Sie trat einen Schritt näher.
„Ich habe kein Geld. Aber ich habe Informationen.“
Coles Blick verhärtete sich nicht, aber eine neue Art von Aufmerksamkeit trat in seine Augen. Er wartete.
„Mein Vater hat nicht nur aus Sturheit Widerstand geleistet“, fuhr Sarah fort, und ihre Stimme wurde leiser, eindringlicher. „Vor ein paar Monaten, als er einen neuen, tieferen Brunnen graben wollte, ist er auf etwas gestoßen. Eine Silberader. Keine kleine. Eine reiche, fette Ader, die direkt unter der Schmiede verläuft. Er hat es niemandem erzählt, nur mir. Er wusste, was passieren würde. Thorpe hat Wind davon bekommen. Ich weiß nicht, wie, vielleicht hat einer der Arbeiter geredet. Deshalb wollte er das Land. Es ging ihm nie um die Schmiede. Es geht ihm um das Silber.“
Jetzt ergab alles einen Sinn. Thorpes unerbittliche Gier, der Mord an einem unbescholtenen Mann. Es ging nicht um ein kleines Stück Land in einer sterbenden Stadt. Es ging um Reichtum. Um die Art von Reichtum, für die Männer Königreiche errichten und Seelen verkaufen.
„Danke, Ma’am“, sagte Cole leise. „Das ist mehr wert als Gold.“
„Was werden Sie tun?“, fragte sie, und ein Funke Hoffnung glomm in ihren Augen.
Bevor Cole antworten konnte, knarrten die Stiefel von zwei Männern auf den Dielen hinter ihnen. Es waren Sheriff Brody und einer der Schläger aus dem Saloon, ein stämmiger Kerl mit einem Gesicht wie eine Bulldogge.
„Ich dachte, wir hätten dir gesagt, du sollst verschwinden, Garrett“, knurrte Brody. Sein Mut war zurückgekehrt, jetzt, da er Verstärkung und den offenen Himmel über sich hatte.
„Und ich dachte, ich hätte Ihnen gesagt, dass ich gehe, wann es mir passt“, erwiderte Cole, ohne sich umzudrehen. Er sprach zu Sarah, aber seine Worte waren für die Männer hinter ihm bestimmt. „Gehen Sie jetzt nach Hause, Miss Miller. Schließen Sie die Tür ab.“
„Aber …“
„Gehen Sie“, wiederholte er mit einer Sanftheit, die im Kontrast zu der angespannten Situation stand.
Sarah zögerte, dann nickte sie und huschte davon, wobei sie sich fest an ihren Korb klammerte.
Sobald sie außer Hörweite war, trat der stämmige Kerl neben Cole. Er war einen Kopf kleiner, aber doppelt so breit. „Mister Thorpe mag es nicht, wenn man seine Befehle ignoriert. Er hat uns gebeten, dich hinauszubegleiten.“
„Ich kann den Weg allein finden.“
„Ich glaube nicht.“ Der Mann griff nach Coles Arm.
Es passierte so schnell, dass Brodys Augen kaum folgen konnten. Cole drehte sich nicht einfach um. Er bewegte sich mit der fließenden Effizienz einer Maschine, die für einen einzigen Zweck gebaut wurde. Sein linker Ellbogen schnellte nach hinten und traf den Mann hart unter die Rippen. Der Schläger keuchte, die Luft wurde ihm aus den Lungen gepresst. Im selben Moment drehte sich Cole auf dem Absatz, seine rechte Hand schoss vor und packte das Handgelenk des Mannes, das immer noch nach seinem Arm griff. Mit einer brutalen Drehung hebelte er den Arm nach oben. Ein hässliches Knacken war zu hören. Der Mann schrie auf, ein gellender Schrei aus Schmerz und Überraschung.
Cole ließ ihn los. Der Schläger sank auf die Knie, sein Gesicht war eine Maske des Leidens, und er umklammerte seinen gebrochenen Arm.
Sheriff Brody stand wie erstarrt da, seine Hand schwebte unsicher über seinem Revolver. Er hatte noch nie jemanden sich so bewegen sehen. Es war kein Saloon-Prügeln. Es war kalt, präzise und tödlich.
Coles Blick traf den des Sheriffs. Es lag kein Zorn darin, nur eine kalte, unerbittliche Warnung. „Das nächste Mal, wenn Sie eine Waffe ziehen wollen, tun Sie es. Zögern Sie nicht. Sonst stirbt man nur langsamer.“
Cole wandte Brody den Rücken zu und ging zu seinem Pferd. Er schwang sich in den Sattel, sein Blick wanderte noch einmal zu der Schmiede. Zu dem Ort, an dem sein Freund gelebt und gearbeitet hatte. Er würde nicht gehen. Nicht, bevor diese Stadt von dem Geschwür namens Thorpe befreit war.
*
Statt die Stadt zu verlassen, lenkte Cole sein Pferd in die Gasse neben der Schmiede und stieg im Hinterhof ab. Die Hintertür war nur angelehnt. Er trat ein, und der Geruch von kalter Asche, Metall und Schweiß schlugen ihm entgegen. Es war der Geruch von ehrlicher Arbeit. Ein Geruch, der in Thompson Gulch selten geworden war.
Die Schmiede war dunkel und still. Die riesigen Blasebälge hingen schlaff wie leere Lungen. Die Werkzeuge hingen ordentlich an den Wänden, jedes an seinem Platz. Auf dem Amboss lag ein unfertiges Hufeisen, als hätte John nur für eine kurze Pause die Arbeit niedergelegt.
Cole strich mit der Hand über die kalte Oberfläche des Ambosses. Eine Welle der Erinnerung überkam ihn. Er sah John vor sich, das Gesicht rußgeschwärzt, die Arme wie Baumstämme, das Lachen so laut und dröhnend wie die Hammerschläge. Sie hatten zusammen gegen Comanchen gekämpft, hatten sich den Rücken freigehalten und ihren letzten Schluck Wasser geteilt. Und nun war er tot, gehängt von einem gierigen Tyrannen und seinen feigen Hunden.
Ein Geräusch an der Tür ließ ihn herumfahren, die Hand am Colt.
Es war Sarah. Sie schlüpfte herein und schloss die Tür leise hinter sich. „Ich wusste, dass Sie nicht gehen würden“, flüsterte sie.
„Dieses Gebäude gehört jetzt Ihnen, Ma’am. Sie sollten nicht hier sein. Es ist nicht sicher.“
„Nirgendwo in dieser Stadt ist es sicher“, erwiderte sie. „Nicht, solange Thorpe hier ist. Sie brauchen Hilfe. Sie können es nicht mit all diesen Männern allein aufnehmen.“
„Ich habe nicht vor, es mit allen auf einmal aufzunehmen.“ Cole wandte sich ihr zu. Sein Gesicht war im Halbdunkel kaum zu erkennen, aber seine Stimme war fest. „Erzählen Sie mir alles. Wie viele Männer hat Thorpe? Wo sind sie stationiert? Wann kommen Lieferungen? Jede Kleinigkeit.“
Sie setzten sich auf eine alte Holzkiste, und während die Schatten länger wurden, begann Sarah zu erzählen. Sie sprach von den etwa zwanzig Schlägern, die Thorpe auf seiner Gehaltsliste hatte, die meisten davon Taugenichtse und gesuchte Männer, die in Thorpes Schatten Schutz suchten. Sie beschrieb, wie Thorpe die Ranch am Rande der Stadt übernommen hatte und sie zu seiner Festung ausbaute. Und sie erwähnte den wöchentlichen Versorgungswagen, der immer am Freitagabend aus der nächsten Stadt kam, beladen mit Whiskey, Lebensmitteln und Munition. Es war die Lebensader für Thorpes kleine Armee.
Cole hörte schweigend zu, sein Gehirn arbeitete, fügte die Teile des Puzzles zusammen. Er war ein Jäger. Und jede Operation, egal wie groß, hatte eine Schwachstelle. Der Versorgungswagen war eine davon.
„Morgen ist Freitag“, sagte er schließlich, mehr zu sich selbst als zu ihr.
„Was haben Sie vor?“, fragte Sarah.
„Ich werde ihnen den Whiskey wegnehmen“, sagte Cole. „Ein durstiger Revolverheld ist ein unzuverlässiger Revolverheld.“
Ein Plan begann sich in seinem Kopf zu formen. Ein Plan, der riskant war und bei dem er allein sein würde. Aber es war ein Anfang. Ein Weg, um Thorpe zu zeigen, dass ein neuer Wind durch Thompson Gulch wehte. Ein Sturm namens Garrett.
*
Die Nacht legte sich wie ein dunkles Tuch über die Stadt. Cole blieb in der Schmiede. Er fand eine alte Decke und etwas Trockenfleisch in den Sachen seines Freundes. Es war nicht viel, aber es war genug. Er saß lange in der Dunkelheit, reinigte seinen Peacemaker im Schein des Mondes, der durch die schmutzigen Fenster fiel. Jede Bewegung war einstudiert, jede Schraube, jede Feder war ihm vertraut.
Er dachte an Blackwood. Der Steckbrief beschrieb ihn als einen Mann, der für Geld tötete, ohne Fragen zu stellen. Schnell, leise, effizient. Cole hatte schon früher Männer wie ihn gejagt. Sie waren gefährlich, nicht, weil sie tapfer waren, sondern weil sie keine Moral hatten. Sie waren Werkzeuge. Und jetzt war Blackwood Thorpes Werkzeug. Um ihn zu bekommen, musste Cole zuerst den Mann zerstören, der ihn hielt.
Spät in der Nacht klopfte es leise an die Hintertür. Es war Sarah. Sie brachte ihm eine Kanne mit frischem Wasser und ein Stück Brot.
„Sie können nicht hier bleiben“, sagte sie leise. „Wenn sie die Schmiede durchsuchen …“
„Sie werden es nicht tun. Sie denken, ich bin weg. Vorerst bin ich hier sicherer als irgendwo sonst.“ Er nahm das Brot. „Danke.“
Sie stand in der Tür, unsicher, was sie als Nächstes tun sollte. „Mein Vater … er hat immer gesagt, ein Mann muss für das einstehen, woran er glaubt, egal, was es kostet.“
„Er war ein weiser Mann“, sagte Cole.
„Werden Sie sie alle töten?“ Die Frage kam abrupt, ein leises Flüstern in der Dunkelheit.
Cole sah sie an. Ihr Gesicht war eine blasse, ovale Form im Schatten. „Ich werde tun, was getan werden muss.“
Es war keine Antwort, aber es war die einzige, die er geben konnte. Er war kein Henker. Aber er war auch kein Priester. Er war ein Mann, der in einer Welt lebte, in der das Recht oft aus dem Lauf einer Waffe kam.
„Seien Sie vorsichtig, Mister Garrett“, sagte sie und verschwand so leise, wie sie gekommen war.
Cole aß das Brot und trank das Wasser. Dann legte er sich auf die Decke, den Colt neben sich. Er schlief nicht tief. Ein Teil von ihm war immer wach, lauschte auf das Knarren einer Diele, das Wiehern eines Pferdes, das ferne Heulen eines Kojoten. Es war die Art zu schlafen, die einen Mann am Leben erhielt, wenn viele andere ihn tot sehen wollten.
Morgen würde der Kampf beginnen. Morgen würde Marcus Thorpe lernen, dass er sich mit dem falschen Mann angelegt hatte. Er hatte einen Freund von Cole Garrett getötet. Und dafür würde er einen Preis zahlen, der weit höher war als alles Silber unter der Erde von Thompson Gulch.
Der erste blasse Streifen des Freitagmorgens schlich sich über die östlichen Hügel und tauchte die Welt in ein kaltes, graues Licht. Cole Garrett war bereits wach. Er hatte kaum geschlafen, sein Körper war auf einer alten Pferdedecke ausgestreckt, aber sein Geist war in den Canyons und Schluchten der umliegenden Landschaft unterwegs gewesen, hatte Fallen gestellt und Fluchtwege geplant. Er stand auf, die Bewegung war geschmeidig und lautlos, eine Gewohnheit aus Jahren, in denen ein Geräusch zur falschen Zeit den Tod bedeuten konnte. Die Kühle der Schmiede war eine willkommene Abwechslung zur aufkommenden Hitze des Tages.
Er bewegte sich zum vorderen Teil der Schmiede und spähte durch einen Spalt im staubigen Fenster. Thompson Gulch schlief noch, ein unruhiger, fiebriger Schlaf. Die Straße war leer, bis auf einen einsamen Tumblewheet, der vom Morgenwind über den Staub getrieben wurde. In der Ferne, auf dem kleinen Platz vor dem Sheriff’s Office, stand das Gerüst des Galgens. Ein dunkles, knochiges Skelett, das sich gegen den aufhellenden Himmel abzeichnete. Cole blickte lange dorthin. Er stellte sich John vor, seinen Freund, wie er dort stand, allein, umgeben von den feigen Gesichtern der Männer, die er einst als Nachbarn bezeichnet hatte. Die Wut, die Cole gestern gespürt hatte, war einer kalten, harten Entschlossenheit gewichen. Es war kein heißes Feuer mehr, sondern ein Block aus Eis in seiner Magengrube.
Er zog sich in die Schatten der Schmiede zurück und bereitete sich vor. Er überprüfte die Ladung seines Peacemakers, zählte die zusätzlichen Patronen in seinem Gürtel. Es waren nicht genug. Nicht für einen Krieg. Aber er plante keinen Krieg. Er plante eine Operation. Präzise, schnell und schmerzhaft.
Wie erwartet, klopfte es kurz nach Sonnenaufgang leise an die Hintertür. Sarah Miller schlüpfte herein, in ihren Händen eine gerollte Karte und ein kleines Bündel, aus dem der Duft von Kaffee und warmem Gebäck aufstieg. Ihre Augen waren immer noch von Trauer überschattet, aber die Angst von gestern war einer nervösen Energie gewichen.
„Guten Morgen, Mister Garrett“, flüsterte sie.
„Cole“, korrigierte er sie sanft. „Und danke.“ Er nahm das Bündel entgegen. Der Kaffee war heiß und stark. Er trank ihn langsam, die Wärme durchströmte ihn und vertrieb die letzte Kühle der Nacht.
„Ich habe nachgedacht“, sagte Sarah und breitete die Karte auf einem alten Fass aus. Es war eine grobe, handgezeichnete Karte des Umlandes, die ihr Vater über die Jahre angefertigt hatte. „Der Versorgungswagen kommt immer über den Old Ridge Pass. Es ist der einzige Weg, der breit genug ist. Etwa fünf Meilen östlich von hier.“ Sie tippte mit dem Finger auf eine Stelle. „Hier wird der Pass eng. Die Felsen ragen auf beiden Seiten steil auf. Es ist wie eine Schlucht. Wenn man ihn aufhalten will, dann dort.“
Cole beugte sich über die Karte. Sein Blick erfasste das Terrain sofort. Engpässe, Felsvorsprünge, mögliche Deckungen. Sarah hatte recht. Der Ort war perfekt. „Wie viele Männer begleiten den Wagen normalerweise?“
„Drei oder vier. Einer fährt, die anderen reiten als Eskorte. Sie sind meistens betrunken, bevor sie überhaupt die Stadt erreichen.“
„Gut.“ Cole nickte. Er faltete die Karte sorgfältig zusammen und steckte sie in seine Westentasche. „Miss Miller … Sarah. Sie haben genug getan. Mehr als genug. Halten Sie sich von jetzt an von mir fern. Wenn Thorpe herausfindet, dass Sie mir helfen, wird er …“
„Er wird mich nicht einschüchtern“, unterbrach sie ihn mit einer Festigkeit, die er bewunderte. „Diese Stadt war mein Zuhause. Mein Vater hat sie mit aufgebaut. Ich werde nicht zusehen, wie ein Tyrann sie in den Staub tritt.“ Ihre Augen funkelten. „Ich kann nicht schießen wie Sie, Cole. Aber ich kann sehen und hören. Ich werde Ihre Augen und Ohren in dieser Stadt sein.“
Cole sah sie einen Moment lang an. Er sah die Tochter seines Freundes, aber er sah auch eine Stärke, die ihn an John erinnerte. Er nickte langsam. „In Ordnung. Aber seien Sie vorsichtig. Unendlich vorsichtig. Berichten Sie nur, wenn es absolut sicher ist. Gehen Sie nie denselben Weg zweimal. Sprechen Sie mit niemandem.“
„Verstanden.“
Sie verließ die Schmiede so leise, wie sie gekommen war. Cole trank den letzten Schluck Kaffee. Er hatte nun eine Verbündete. Eine gefährliche Sache für sie beide, aber eine notwendige. Allein konnte er Thorpe vielleicht verletzen, aber um ihn zu besiegen, brauchte er mehr als nur Kugeln. Er brauchte Wissen. Er musste die Angst, die Thorpe wie eine Waffe benutzte, gegen ihn wenden.
Er verließ die Schmiede durch den Hinterausgang, bewegte sich von Schatten zu Schatten und erreichte ungesehen den Rand der Stadt. Dann machte er sich auf den Weg zum Old Ridge Pass, die Morgensonne im Rücken. Er bewegte sich nicht auf der Straße, sondern parallel dazu, nutzte die Deckung von Felsen und Mesquite-Büschen. Er war wieder in seinem Element. Ein Jäger auf der Pirsch.
*
Der Old Ridge Pass war genau so, wie Sarah ihn beschrieben hatte. Eine tiefe Kerbe, die von Wind und Wasser über Jahrtausende in den roten Sandstein gefressen worden war. Die Felswände stiegen zu beiden Seiten fast senkrecht an und ließen nur einen schmalen Weg frei, der kaum breit genug für einen einzelnen Wagen war. Die Mittagssonne brannte erbarmungslos vom Himmel und verwandelte die Felsen in glühende Backöfen.
Cole erreichte den Pass Stunden vor dem Wagen. Zeit war ein Luxus, den er sich nahm. Er erkundete die Umgebung, kletterte die Felsen hinauf, um sich einen Überblick zu verschaffen. Er fand die perfekte Position: ein Felsvorsprung etwa zwanzig Fuß über dem Weg, der ihm eine klare Sicht auf die Engstelle bot und ihm gleichzeitig Deckung und einen Fluchtweg nach hinten bot. Von hier aus konnte er den Wagenführer und die Eskorte sehen, lange bevor sie ihn bemerken würden.
Er bereitete seine Falle vor. Es war keine komplizierte Vorrichtung. Er nutzte das, was die Natur ihm bot. Oberhalb des Weges, auf der gegenüberliegenden Seite seines Postens, befand sich ein Geröllfeld mit losen Steinen, die nur von ein paar größeren Felsbrocken gehalten wurden. Mit einem langen, trockenen Ast, den er in der Nähe fand, arbeitete er vorsichtig an einem der Schlüsselsteine, lockerte ihn, bis er bei der geringsten Erschütterung nachgeben würde. Er wollte keinen massiven Erdrutsch auslösen, der den Wagen zerstören könnte. Nur genug, um Chaos zu stiften und die Pferde zum Scheuen zu bringen.
Dann zog er sich auf seinen Beobachtungsposten zurück und wartete. Das Warten war ein Teil seines Handwerks. Er wurde eins mit den Felsen, seine Atmung verlangsamte sich, seine Sinne waren geschärft. Er hörte das Summen einer Fliege, spürte die leichte Brise auf seiner Haut, sah das Flackern der Hitze über dem fernen Horizont. Er dachte nicht an Rache oder an das Kopfgeld für Blackwood. Er dachte nur an die Aufgabe, die vor ihm lag. An die Bewegungen, die Schüsse, das Timing. Es war ein kaltes, präzises Kalkül.
Stunden vergingen. Die Sonne begann langsam nach Westen zu sinken. Und dann hörte er es. Das ferne Knirschen von Rädern und das Schnauben von Pferden.
Er spähte über den Felsrand. Der Versorgungswagen kam in Sicht, gezogen von vier schweren Zugpferden. Auf dem Kutschbock saß ein Mann, ein zweiter neben ihm. Zwei weitere Reiter folgten dem Wagen in kurzem Abstand. Vier Männer. Genau wie Sarah gesagt hatte. Sie lachten, und einer der Reiter reichte dem Mann auf dem Bock eine Flasche. Sie waren unvorsichtig. Selbstgefällig. Perfekt.
Cole ließ sie näher kommen. Er wartete, bis der Wagen genau in der Engstelle war, direkt unter dem vorbereiteten Geröllfeld. Er hob seinen Peacemaker. Die Entfernung war nicht groß, aber der Winkel war steil. Er atmete langsam aus, hielt die Luft an.
Sein erstes Ziel war nicht einer der Männer. Es war der Schlüsselstein auf der anderen Seite.
Der Schuss peitschte durch die Stille des Passes. Der Knall hallte von den Felswänden wider und klang lauter als eine Kanone. Die Kugel traf den Felsbrocken mit einem lauten Pling und schlug Funken. Das war alles, was es brauchte.
Der Stein kippte und setzte eine kleine Lawine aus Geröll und Staub in Bewegung. Es war kein Erdrutsch, sondern eher ein lauter, erschreckender Schauer aus Steinen, der auf den Weg direkt vor den Zugpferden prasselte.
Die Pferde bäumten sich schreiend auf, ihre Augen waren weit vor Schreck. Sie rissen an dem Geschirr, versuchten, dem Steinschlag zu entkommen. Der Wagenführer fluchte und zog an den Zügeln, verlor aber die Kontrolle. Der Wagen geriet ins Schlingern und verkeilte sich schräg im Pass.
Chaos war der erste Teil des Plans. Nun kam die Präzision.
Noch bevor der Staub sich legte, feuerte Cole ein zweites Mal. Sein Ziel war der Reiter, der am weitesten hinten war. Die Kugel traf ihn in die Schulter. Er schrie auf und fiel vom Pferd, sein Revolver landete ungenutzt im Staub. Er war außer Gefecht, nicht tot.
Die anderen drei waren nun in heller Panik. Der Mann neben dem Kutscher sprang vom Bock und zog seinen Revolver, feuerte blind in Richtung der Felsen. Der verbliebene Reiter versuchte, sein scheuendes Pferd unter Kontrolle zu bringen und gleichzeitig seine Winchester aus dem Sattelholster zu zerren.
Coles dritter Schuss war für ihn bestimmt. Die Kugel traf nicht ihn, sondern den hölzernen Schaft seiner Winchester und riss ihm die Waffe aus den Händen. Der Mann starrte ungläubig auf seine leeren, von Splittern geröteten Hände.
„Werft die Waffen weg!“, rief Coles Stimme von oben, verstärkt durch das Echo der Schlucht. „Jetzt!“
Der Mann auf dem Kutschbock ließ die Zügel fallen und hob die Hände. Der Reiter, dem die Winchester aus der Hand geschossen worden war, tat es ihm nach. Der Mann, der blind gefeuert hatte, zögerte einen Moment zu lange.
Coles vierter Schuss schlug in den Staub direkt vor seinen Stiefeln ein. Der Mann ließ seinen Revolver fallen, als wäre er eine glühende Schlange.
Drei Männer, entwaffnet und verängstigt. Einer lag verletzt am Boden. Die Operation war ein Erfolg.
Cole kletterte von seinem Felsvorsprung herunter, seinen Revolver immer noch fest in der Hand. Er bewegte sich schnell und sicher über das unwegsame Gelände. Als er den Weg erreichte, standen die drei Männer mit erhobenen Händen da, ihre Gesichter waren blass vor Schreck.
„Wer zum Teufel sind Sie?“, stammelte der Wagenführer.
„Ich bin der Mann, der euch den Whiskey wegnimmt“, sagte Cole. Er trat zu dem verletzten Reiter. Die Schulter blutete, aber die Wunde war nicht lebensgefährlich. „Du wirst leben.“
Er wandte sich an die anderen. „Ladet ihn auf den Wagen. Dann macht die Pferde los.“
Die Männer gehorchten zitternd. Sie hievten ihren verletzten Kameraden auf die Ladefläche, zwischen die Kisten und Fässer.
„Und jetzt der Whiskey“, sagte Cole. Sein Ton war eiskalt.
„Der Whiskey?“, fragte der Reiter. „Thorpe wird uns umbringen!“
„Thorpe wird Schlimmeres tun, wenn seine Männer auf dem Trockenen sitzen“, sagte Cole. Er deutete mit seinem Revolver auf die Fässer. „Rollt sie vom Wagen. Alle.“
Widerstrebend begannen die Männer, die schweren Whiskeyfässer von der Ladefläche zu rollen. Sie krachten auf den steinigen Boden, eines nach dem anderen. Es waren zehn Fässer. Genug, um eine kleine Armee für Wochen bei Laune zu halten.
Als das letzte Fass am Boden lag, trat Cole näher. Er hob seinen Revolver und feuerte in die Seite des ersten Fasses. Ein dunkler Strahl der bernsteinfarbenen Flüssigkeit schoss heraus, und der stechende Geruch von Alkohol erfüllte die Luft. Er schoss in das zweite Fass. Und das dritte.
Die Männer starrten ihn mit einer Mischung aus Entsetzen und ungläubigem Respekt an. Er zerstörte nicht nur die Fracht. Er zerstörte ein Symbol von Thorpes Macht.
Als alle zehn Fässer leckten und der Whiskey in den durstigen Staub sickerte, lud Cole seinen Peacemaker langsam nach. Er steckte ihn zurück ins Holster und wandte sich an den Reiter, dem er die Winchester zerschossen hatte.
„Du“, sagte er. „Du gehst zurück nach Thompson Gulch. Zu Fuß.“
Der Mann starrte ihn an. „Zu Fuß? Das sind fünf Meilen!“
„Dann solltest du dich beeilen. Die Kojoten werden bald hungrig sein.“ Cole trat näher, seine Stimme wurde zu einem leisen, bedrohlichen Zischen. „Du richtest Marcus Thorpe eine Nachricht von mir aus. Sag ihm, Cole Garrett schickt Grüße. Sag ihm, das war der erste Tropfen. Der Sturm kommt erst noch. Sag ihm, seine Zeit in dieser Stadt ist abgelaufen.“
Der Mann nickte hastig, sein Gesicht war eine Maske der Angst.
„Und noch etwas“, fügte Cole hinzu. „Sag Jonas Blackwood, ich warte auf ihn.“
Er drehte sich um, ohne auf eine Antwort zu warten. Er nahm die Zügel von zwei der Zugpferde und eines der Reitpferde. Die anderen ließ er zurück. Er schwang sich in den Sattel des Reitpferdes.
„Was ist mit uns?“, rief der Wagenführer.
„Betet, dass Thorpe euch nicht die Schuld gibt“, sagte Cole über die Schulter. „Und überlegt euch, auf welcher Seite ihr stehen wollt, wenn der Sturm losbricht.“
Damit ritt er davon, die beiden Zugpferde im Schlepptau. Er ließ drei verängstigte Männer, einen kaputten Wagen und den Geruch von verschüttetem Whiskey im Staub des Old Ridge Pass zurück. Die erste Schlacht war geschlagen. Und er hatte sie gewonnen, ohne einen einzigen Mann zu töten.
*
Die Nachricht von dem Überfall verbreitete sich in Thompson Gulch wie ein Lauffeuer. Der Reiter, den Cole zurückgeschickt hatte, stolperte Stunden später in die Stadt, staubig, durstig und voller Angst. Seine Geschichte, ausgeschmückt mit jedem Schritt, den er durch die Wüste gemacht hatte, malte das Bild eines geisterhaften Schützen, eines Dämons aus den Felsen, der Kugeln wie Blitze schleuderte und Whiskeyfässer mit einem einzigen Blick zum Bersten brachte.
Die Wirkung war unmittelbar. In Thorpes kleiner Armee aus Schlägern und Taugenichtsen machte sich Unruhe breit. Whiskey war mehr als nur ein Getränk; er war Lohn, Mut und die einzige Flucht vor der erdrückenden Langeweile und der eigenen Wertlosigkeit. Die Vorstellung, auf dem Trockenen zu sitzen, war für viele schlimmer als die Drohung eines einzelnen Mannes.
Cole hatte dies vorausgesehen. Er führte die drei erbeuteten Pferde auf einem Umweg zu einer versteckten Quelle, die auf Johns Karte verzeichnet war, ließ sie trinken und band sie in einem kleinen, von Felsen umschlossenen Tal an, wo sie vorerst sicher waren. Dann kehrte er, unter dem Schutz der einbrechenden Dunkelheit, zur Schmiede zurück.
Er war kaum eine Stunde dort, als Sarah an die Hintertür klopfte. Ihr Gesicht glühte vor Aufregung.
„Die ganze Stadt redet davon!“, flüsterte sie, als sie eintrat. „Thorpes Männer sind wütend. Einige sind sogar in den Saloon gegangen und haben Sheriff Brody angeschrien, weil er Sie hat gehen lassen. Thorpe ist außer sich.“
„Gut“, sagte Cole. Er saß auf einem alten Schemel und ölte das Schloss einer alten Winchester, die er in Johns Werkstatt gefunden hatte. Sie war alt, aber gut gepflegt. Eine zuverlässige Waffe. „Angst ist ein guter Anfang. Aber Angst allein gewinnt keinen Krieg.“
„Was ist Ihr nächster Schritt?“
„Thorpe hat Männer und Waffen. Aber er braucht auch Geld, um sie zu bezahlen. Und er braucht einen Ort, an dem er sich sicher fühlt.“ Cole sah von der Waffe auf. „Erzählen Sie mir von seiner Ranch. Wie ist sie gesichert?“
Sarah beschrieb die Ranch, die Thorpe in eine Festung verwandelt hatte. Eine hohe Palisadenwand, Wachposten auf den Dächern, nur ein einziges, schwer bewachtes Tor. Ein direkter Angriff wäre Selbstmord.
„Aber es gibt etwas anderes“, sagte Sarah zögernd. „Das Geld. Er bewahrt es nicht auf der Ranch auf. Nicht alles. Er benutzt das Büro im hinteren Teil des Krämerladens als seine Bank. Mister Henderson, der Krämer, wird gezwungen, als sein Buchhalter zu fungieren. Jeden Samstagmorgen holt Thorpe die Einnahmen der Woche ab – Schutzgelder, Pacht, alles.“
Cole hielt in seiner Bewegung inne. „Morgen ist Samstag.“
„Ja“, sagte Sarah. „Er kommt immer allein. Er vertraut niemandem, wenn es um sein Geld geht. Nicht einmal Blackwood.“
Ein Lächeln, so flüchtig, dass es kaum eines war, huschte über Coles Lippen. „Ein Mann, der allein zu seinem Geld geht. Das ist keine Arroganz. Das ist eine Schwäche.“
*
Im Hauptquartier auf der Thorpe-Ranch war die Stimmung eisig. Marcus Thorpe stand am Fenster seines aufwendig eingerichteten Büros und starrte in die Dunkelheit. Das Glas in seiner Hand zitterte leicht. Es war das letzte Glas seines besten Whiskeys.
Jonas Blackwood saß ihm gegenüber, regungslos wie immer. Er hatte sich Thorpes wütenden Ausbruch angehört, ohne mit der Wimper zu zucken. Er hatte die Berichte der zurückgekehrten Männer analysiert, hatte die Angst und die Übertreibung herausgefiltert und war zu einem klaren Schluss gekommen.
„Er ist kein gewöhnlicher Revolverheld“, sagte Blackwood schließlich. Seine Stimme war leise, fast ein Flüstern, aber sie schnitt durch die angespannte Stille. „Er hat einen von Ihnen gezielt verletzt, die anderen entwaffnet. Er hat die Pferde und den Wagen intakt gelassen, aber die Fracht zerstört. Jede seiner Handlungen hatte einen Zweck.“
„Zweck?“, höhnte Thorpe und wirbelte herum. „Sein Zweck ist es, mich zu provozieren! Mich lächerlich zu machen!“
„Nein“, sagte Blackwood. „Sein Zweck ist es, Ihre Operation zu stören. Er zielt auf Ihre Logistik und die Moral Ihrer Männer. Er kämpft nicht wie ein Cowboy. Er kämpft wie ein Soldat. Ein Ranger.“
Thorpe starrte ihn an, sein Zorn wich langsam einem widerwilligen Verständnis. „Er hat dich herausgefordert. Er hat deinen Namen genannt.“
„Das hat er“, bestätigte Blackwood. „Er will, dass ich zu ihm komme. Er will den Kampf zu seinen Bedingungen, in dem von ihm gewählten Terrain. Ein Fehler, den ich nicht machen werde.“
„Was schlagen Sie also vor?“, fragte Thorpe, der Respekt in seiner Stimme war unüberhörbar. Er mochte der König dieses kleinen Reiches sein, aber er wusste, dass Blackwood der Scharfrichter war.
„Wir lassen ihn zu uns kommen“, sagte Blackwood. „Er wird wieder zuschlagen. Er muss. Er ist allein, er kann sich nicht verstecken. Er wird einen Fehler machen. Und wenn er das tut, werde ich da sein.“
„Und was ist mit morgen?“, fragte Thorpe. „Ich muss in die Stadt. Das Geld …“
„Gehen Sie wie immer“, sagte Blackwood. „Aber Sie werden nicht allein sein. Ich werde in der Nähe sein. Unsichtbar. Wenn Garrett so schlau ist, wie ich vermute, wird er wissen, dass das Geld Ihre Schwachstelle ist. Er wird versuchen, es Ihnen zu nehmen. Und er wird direkt in unsere Falle tappen.“
Ein langsames, kaltes Lächeln breitete sich auf Thorpes Gesicht aus. „Eine Falle. Ja. Das gefällt mir. Er hat meinen Whiskey verschüttet. Morgen werden wir sein Blut vergießen.“
Blackwood sagte nichts. Er stand auf, eine stille, schwarze Gestalt. „Ich werde meine Vorbereitungen treffen.“
Er verließ das Büro und ließ Thorpe allein mit seinen Gedanken und dem letzten Rest seines Whiskeys. Draußen im Hof hörte Thorpe das unzufriedene Murren seiner Männer. Er wusste, dass Blackwood recht hatte. Es ging um mehr als nur um einen Mann. Es ging um die Kontrolle. Und er würde sie nicht verlieren. Nicht wegen eines einzelnen, dahergelaufenen Rangers.
*
Cole wusste, dass der Angriff auf das Geld riskant war. Thorpe würde nach dem Überfall auf den Wagen auf der Hut sein. Er würde eine Falle erwarten. Aber genau das war der Punkt. Cole plante nicht, in eine Falle zu tappen. Er plante, die Falle selbst zu sein.
Er verbrachte den Rest der Nacht damit, die alte Winchester zu zerlegen und wieder zusammenzusetzen, bis jede Bewegung im Schlaf funktionierte. Er brauchte eine Waffe mit größerer Reichweite als sein Colt.
Am frühen Samstagmorgen, lange bevor die Stadt erwachte, schlich er sich aus der Schmiede. Er bewegte sich nicht in Richtung des Krämerladens. Stattdessen kletterte er auf das Dach des gegenüberliegenden Gebäudes, des verlassenen Büros des Minenaufsehers. Das Dach war flach und bot eine perfekte, wenn auch exponierte, Sicht auf den Eingang des Krämerladens und die gesamte Hauptstraße. Er legte sich auf den Bauch, die Winchester vor sich, und wurde wieder zu einem Teil der Architektur, ein weiterer Schatten in einer Stadt aus Schatten.
Die Sonne stieg höher. Die Stadt erwachte langsam zum Leben. Leute huschten über die Straße, ihre Blicke waren auf den Boden gerichtet. Die Spannung war greifbar. Jeder wusste, dass etwas in der Luft lag.
Gegen neun Uhr ritt Thorpe in die Stadt. Er ritt allein, genau wie Sarah es gesagt hatte. Aber Cole war nicht dumm. Er musterte die Dächer, die Gassen, die Fenster. Allein, aber nicht unbewacht. Er konnte Blackwood nicht sehen, aber er spürte seine Anwesenheit. Ein Jäger erkennt den anderen. Blackwood war da draußen, irgendwo, und wartete.
Thorpe stieg vor dem Krämerladen ab und ging hinein. Cole rührte sich nicht. Das war der Köder. Thorpe im Laden. Das Geld. Eine Einladung, zuzuschlagen.
Cole wartete. Fünf Minuten. Zehn.
Und dann sah er ihn. Eine Bewegung auf dem Dach des Saloons, am anderen Ende der Straße. Ein kurzer Blitz, als Sonnenlicht auf Metall traf. Ein Zielfernrohr. Blackwood. Er hatte die offensichtlichste Position gewählt, genau wie Cole, aber mit einer besseren Schusslinie auf den Eingang des Ladens. Er erwartete, dass Cole versuchen würde, Thorpe auf dem Weg nach draußen zu überfallen.
Cole lächelte innerlich. Blackwood war gut. Aber er war auch berechenbar. Er spielte Schach, aber Cole spielte ein anderes Spiel.
Cole richtete seine Winchester nicht auf Thorpe oder den Laden. Er richtete sie auf Blackwood. Die Entfernung war groß, an der äußersten Grenze der Reichweite der alten Waffe. Ein tödlicher Schuss war fast unmöglich. Aber er wollte ihn nicht töten. Er wollte ihn nur beschäftigen.
Thorpe trat aus dem Laden, eine schwere Ledertasche in der Hand. Er sah sich um, sein Gesicht war angespannt. Er erwartete den Angriff.
In diesem Moment pfiff ein Schuss durch die Morgenluft. Es war nicht Coles Schuss.
Ein Fenster im oberen Stockwerk des Saloons, direkt unter Blackwoods Position, zerbarst. Ein zweiter Schuss folgte und schlug in die Holzwand neben dem Fenster ein.
Panik brach auf der Straße aus. Leute schrien und rannten in Deckung. Thorpe erstarrte, ließ die Geldtasche fallen und zog seinen Revolver, sein Blick schoss nach oben zu dem zerbrochenen Fenster.
Cole war genauso überrascht. Wer schoss da? Er schwenkte seine Winchester in die Richtung, aus der die Schüsse kamen – eine schmale Gasse zwischen der Post und dem Hotel. Er konnte niemanden sehen.
Auf dem Dach des Saloons reagierte Blackwood sofort. Er feuerte nicht zurück auf den unsichtbaren Schützen. Er verstand. Es war eine Ablenkung. Sein Blick schnellte über die Dächer, suchte nach der wahren Bedrohung.
Ihre Blicke trafen sich für den Bruchteil einer Sekunde über die staubige Hauptstraße hinweg. Zwei Jäger, die sich gegenseitig erkannten.
Cole wusste, dass er nur diesen einen Moment hatte. Er ignorierte Thorpe, das Geld, den unbekannten Schützen. Sein einziges Ziel war Blackwood. Er drückte ab.
Die Kugel der alten Winchester flog über die Straße. Sie traf nicht Blackwood, aber sie schlug in die Ziegel des Kamins ein, hinter dem er in Deckung gegangen war, und ließ Splitter fliegen. Es war genug. Blackwood war gezwungen, den Kopf unten zu halten.
Und in diesem Chaos schlug der wahre Plan zu. Ein Junge, nicht älter als zwölf, schoss aus der Gasse neben dem Krämerladen, schnappte sich die fallengelassene Geldtasche vom Boden und rannte los wie ein gejagtes Kaninchen, verschwand in dem Labyrinth aus Hinterhöfen und Gassen.
Thorpe brüllte vor Wut und feuerte ein paar wilde Schüsse in die Richtung, in die der Junge verschwunden war, traf aber nichts.
Cole grinste. Er hatte nicht geschossen. Sarah hatte nicht geschossen. Jemand anderes in dieser Stadt hatte sich entschieden, dass es genug war. Der Funke, den er gelegt hatte, hatte begonnen, ein Feuer zu entfachen.
Er zog sich vom Dachrand zurück. Blackwood wusste nun, wo er war. Es war Zeit, zu verschwinden. Er kletterte vom Dach, landete lautlos in der Gasse und löste sich in den Schatten auf.
Er hatte das Geld nicht. Aber Thorpe hatte es auch nicht mehr. Und was noch wichtiger war: Die Angst in Thompson Gulch hatte einen Riss bekommen. Und durch diesen Riss begann die Hoffnung zu sickern. Der Sturm, den er angekündigt hatte, war nicht mehr nur er allein. Er hatte nun die ganze Stadt als unberechenbaren, unsichtbaren Verbündeten. Der Kampf war gerade erst richtig losgegangen.
Die Schatten waren lang geworden, als Cole Garrett lautlos wieder in die Dunkelheit der Schmiede glitt. Sein Herz schlug einen ruhigen, gleichmäßigen Rhythmus, aber sein Geist raste. Der Plan hatte funktioniert, aber nicht so, wie er es erwartet hatte. Die Einmischung des unbekannten Schützen und des Jungen hatte die Gleichung verändert. Er war nicht mehr allein. Diese Erkenntnis war sowohl ein Trost als auch eine Komplikation. Verbündete waren Ziele.
Er lehnte die alte Winchester an die Wand und bewegte sich zum Wassertrog im hinteren Teil der Schmiede. Er tauchte seine Hände in das kühle Wasser und spritzte es sich ins Gesicht. Der Staub und die Anspannung des Tages rannen in kleinen, schmutzigen Bächen von seiner Haut. Er war ein Mann, der es gewohnt war, sich nur auf sich selbst zu verlassen. Die Anwesenheit von Unbekannten in seinem Kampf war eine Variable, die er nicht kontrollieren konnte, und das gefiel ihm nicht.
Er trocknete sein Gesicht mit seinem Halstuch ab und lauschte der Stille. Es war eine andere Art von Stille als am Tag zuvor. Damals war es die Stille der Angst gewesen. Jetzt lag etwas anderes in der Luft. Eine atemlose Erwartung.
Das leise Klopfen an der Hintertür kam früher als erwartet. Sarah schlüpfte herein, ihr Gesicht war im schwachen Licht, das durch die Ritzen der Bretter fiel, kaum zu erkennen. Sie war außer Atem, ihre Aufregung war fast greifbar.
„Sie haben es gesehen! Die ganze Stadt hat es gesehen!“, flüsterte sie heiser. „Thorpe stand da wie ein begossener Pudel! Und Blackwood auf dem Dach … Sie haben auf ihn geschossen!“
„Ich habe es gesehen“, sagte Cole ruhig. „Wer war es?“
„Der Junge, der das Geld genommen hat, war Timmy. Timmy Henderson.“
Cole runzelte die Stirn. „Der Sohn des Krämers?“
„Ja. Vor einem Monat haben Thorpes Männer seinen Vater verprügelt, weil er sich über eine verspätete Lieferung beschwert hat. Timmy hat es mit angesehen. Er hasst sie. Er ist ein guter Junge, aber voller Zorn.“
Ein Junge, der seinen Vater verteidigte. Cole verstand diesen Impuls nur zu gut. „Und der Schütze?“
„Das weiß ich nicht sicher“, gab Sarah zu. „Aber die Schüsse kamen aus der Gasse beim Hotel. Dort hat One-Eyed Jack sein Zimmer. Ein alter Prospektor. Er hat sein Auge vor Jahren bei einem Minenunfall verloren, und Thorpe hat ihn um seinen Claim betrogen. Er redet nicht viel, aber sein Hass auf Thorpe ist so tief wie ein Minenschacht.“
Ein Junge voller Zorn und ein alter, verbitterter Prospektor. Keine Armee. Aber es war ein Anfang. Es war ein Beweis dafür, dass der Geist dieser Stadt noch nicht völlig gebrochen war.
„Wo sind sie jetzt?“, fragte Cole. „Wo ist das Geld?“
„In der Kirche“, sagte Sarah. „Es ist der einzige Ort, von dem sie glauben, dass Thorpe ihn nicht sofort stürmen würde. Pater Michael … er ist nicht mutig, aber er ist ein guter Mann. Er gibt ihnen Zuflucht.“
Die Kirche. Ein cleverer Schachzug. Ein Ort des Friedens, der nun zum Hauptquartier einer kleinen Rebellion wurde.
„Cole“, sagte Sarah, ihre Stimme war nun ernster. „Thorpe wird das nicht auf sich beruhen lassen. Er hat sein Gesicht verloren. Und sein Geld. Er wird die Stadt bluten lassen, bis er beides zurückhat.“
„Ich weiß“, sagte Cole. Er nahm die Winchester wieder in die Hand. Das geölte Holz fühlte sich kühl und solide an. „Deshalb müssen wir schneller sein als er. Führen Sie mich zur Kirche. Nehmen Sie den Weg durch die Hinterhöfe. Niemand darf uns sehen.“
Sarah nickte, ihre Augen leuchteten im Dunkeln. Die Angst war immer noch da, aber sie wurde von einer neuen, harten Entschlossenheit überlagert. Sie war nicht mehr nur das trauernde Opfer. Sie war eine Mitverschwörerin.
*
Der „Durstige Kojote“ war erfüllt von einer giftigen Stille. Die Männer, die normalerweise lautstark prahlten und tranken, saßen an ihren Tischen und starrten in ihre leeren Gläser. Es gab keinen Whiskey. Und es gab einen wütenden Marcus Thorpe.
Er schritt vor der Bar auf und ab wie ein eingesperrter Puma. Sein teurer Anzug war mit Staub bedeckt, sein Gesicht war eine purpurrote Maske des Zorns. Sheriff Brody stand zitternd in einer Ecke und versuchte, unsichtbar zu werden.
„Ein Mann!“, brüllte Thorpe und schlug mit der Faust so hart auf den Tresen, dass die leeren Gläser klirrten. „Ein einziger Mann macht uns zum Gespött! Er stiehlt meinen Whiskey, er stiehlt mein Geld, und was tut ihr? Ihr lasst einen Jungen mit meiner Tasche davonlaufen!“
Seine Augen blitzten zu Jonas Blackwood, der ungerührt an seinem üblichen Tisch in der Ecke saß und ein Glas Wasser trank. „Und Sie! Sie sollten der beste Schütze westlich des Mississippi sein! Sie haben sich von ihm auf dem Dach festnageln lassen!“
Blackwood hob langsam den Blick. Seine Augen waren so kalt und leer wie immer. „Er hat mich nicht festgenagelt. Er hat mich gezwungen, eine Entscheidung zu treffen: ihn zu verfolgen oder Sie zu schützen. Meine Priorität war klar. Außerdem war er nicht allein. Es gab einen zweiten Schützen.“
„Einen zweiten Schützen? Ein alter Mann und ein Kind haben meine gesamte Organisation lahmgelegt!“, schrie Thorpe. Er packte eine leere Flasche und schleuderte sie gegen die Wand, wo sie in tausend Scherben zerbarst. Die Männer zuckten zusammen.
„Wut wird ihn nicht fangen, Marcus“, sagte Blackwood mit seiner leisen Stimme. „Garrett ist klug. Er hat nicht nur Ihre Männer angegriffen. Er hat die Stadt angegriffen. Er hat den Leuten gezeigt, dass Sie verwundbar sind. Er hat ihnen Hoffnung gegeben. Und Hoffnung ist gefährlicher als eine Kugel.“
„Dann müssen wir ihnen diese Hoffnung nehmen“, knirschte Thorpe. Er wandte sich an Brody, sein Gesicht war eine Fratze. „Sheriff! Sie werden jeden Mann in dieser Stadt auf die Straße zerren. Jeden einzelnen. Wir stellen sie an die Wand, bis jemand redet. Bis sie uns den Jungen und diesen einäugigen Bastard ausliefern. Und das Geld!“
„Aber, Mister Thorpe …“, stammelte Brody. „Die Leute … sie sind schon aufgebracht …“
Thorpe überbrückte die Distanz zwischen ihnen mit zwei schnellen Schritten und packte Brody am Kragen. Er zerrte den schweren Mann auf die Zehenspitzen, bis ihre Gesichter nur noch Zentimeter voneinander entfernt waren. „Wenn du noch einmal aber sagst, Brody, schmücke ich den Galgen mit deinem Stern. Hast du verstanden? Du arbeitest für mich. Die Stadt arbeitet für mich. Und ich will mein Geld zurück. Und ich will Garretts Kopf auf einem Silbertablett.“
Er stieß Brody von sich, der hustend und nach Luft ringend zurücktaumelte.
Thorpe wandte sich an seine Männer. „Ihr geht von Haus zu Haus. Reißt die Türen ein, wenn es sein muss. Findet den Jungen. Findet das Geld. Der erste, der mir etwas Brauchbares bringt, bekommt hundert Dollar in Gold.“ Er machte eine Pause, sein Blick wanderte über die verängstigten und gierigen Gesichter. „Und wer sich uns in den Weg stellt … der lernt, warum diese Stadt Thompson Gulch heißt. Weil es hier keine Erlösung gibt. Nur mich.“
Seine Männer standen auf, das Versprechen von Geld und die Erlaubnis zur Gewalt trieb die Angst aus ihren Augen. Sie griffen nach ihren Waffen und strömten aus dem Saloon, eine Meute hungriger Wölfe, die auf die wehrlose Herde losgelassen wurde.
Blackwood rührte sich nicht. Er beobachtete, wie Thorpe sich ein Glas Wasser einschenkte, seine Hand zitterte immer noch vor Wut.
„Das ist ein Fehler“, sagte Blackwood leise.
„Was ist ein Fehler?“, schnauzte Thorpe.
„Terror ohne ein klares Ziel. Sie machen die Stadt zu seinem Verbündeten. Sie treiben jeden unentschlossenen Mann in seine Arme.“
„Ich brauche keine Lektion in Psychologie, Blackwood. Ich brauche Ergebnisse.“
„Sie werden Ergebnisse bekommen“, sagte Blackwood und stand auf. „Sie werden eine Rebellion bekommen. Und während Ihre Männer unschuldige Leute verprügeln, werde ich jagen gehen.“ Er bewegte sich zur Tür. „Garrett wird sich zeigen müssen. Er hat sich zu sehr um diese Leute gekümmert. Das ist seine Schwäche. Und ich werde sie nutzen.“
Er trat hinaus in die aufkommende Dämmerung und ließ Thorpe allein mit dem Chaos, das er gerade entfesselt hatte. Blackwood war kein Mann des Terrors. Er war ein Mann der Präzision. Und sein einziges Ziel war Cole Garrett.
*
Die Kirche von Thompson Gulch war ein kleines, bescheidenes Gebäude aus Lehm und Holz, dessen Glockenturm sich wie ein knochiger Finger in den Nachthimmel streckte. Im Inneren roch es nach altem Holz, Weihrauch und der unterdrückten Angst einer kleinen Gemeinde.
Als Cole und Sarah durch die Sakristei eintraten, wurden sie von einem Mann in einer schwarzen Soutane empfangen. Pater Michael war dünn und hatte ein Gesicht, das von mehr Sorgen als Jahren gezeichnet war. Seine Augen waren die eines Mannes, der lieber beten als kämpfen würde, aber gezwungen war, beides zu tun.
„Er ist hier“, sagte Sarah leise.
Pater Michael nickte und führte sie in den Hauptraum. Im flackernden Schein einiger weniger Kerzen saßen zwei Gestalten in den vorderen Bänken. Der Junge, Timmy, sprang auf, als er Cole sah. Seine Augen waren groß und trotzig. Neben ihm erhob sich langsam ein älterer Mann. Er hatte eine schwarze Augenklappe über dem rechten Auge, sein Gesicht war eine Landkarte aus Falten und Narben, und sein weißes Haar war wild und ungezähmt. Er stützte sich auf eine alte Büchse, die eher wie eine Antiquität als eine Waffe aussah.
„One-Eyed Jack, nehme ich an“, sagte Cole.
Der alte Mann spuckte auf den staubigen Boden. „Manche nennen mich so. Und du bist der Ranger, der Thorpe in die Suppe gespuckt hat.“ Seine Stimme war rau wie Schmirgelpapier.
„Ich bin nur ein Mann, der seine Rechnungen bezahlt“, sagte Cole. Er wandte sich an den Jungen. „Das war mutig, was du getan hast, Timmy. Und dumm.“
„Er hat meinen Pa geschlagen!“, sagte der Junge trotzig. „Jemand musste etwas tun!“
„Und jetzt jagen sie dich“, sagte Cole. „Und sie werden nicht aufhören.“ Er blickte zu Pater Michael. „Und sie werden Ihre Kirche nicht verschonen, Pater. Nicht, wenn es um Geld geht.“
„Gott schützt sein Haus“, sagte der Priester, aber seine Stimme klang nicht überzeugt.
„Gott hilft denen, die sich selbst helfen“, knurrte Jack. Er deutete mit dem Daumen auf einen schweren Eichentisch neben dem Altar. Darauf lag die Ledertasche. „Da ist es. Thorpes Blutgeld. Fast zweitausend Dollar.“
„Was sollen wir damit machen?“, fragte Sarah. „Wir können es nicht behalten.“
„Wir könnten uns Pferde kaufen und verschwinden“, sagte Timmy.
„Weglaufen ist keine Option“, sagte Jack. „Ich habe mein ganzes Leben lang gegraben. Das ist mein Land. Ich lasse mich nicht von einem dahergelaufenen Schnösel in einem feinen Anzug vertreiben.“
Cole trat an den Tisch und öffnete die Tasche. Die Bündel aus Dollarnoten lagen ordentlich gestapelt darin. Es war die Machtquelle von Thorpe. Seine Fähigkeit, Loyalität zu kaufen und Angst zu verbreiten.
„Wir werden es nicht zum Weglaufen benutzen“, sagte Cole langsam, während sich ein Plan in seinem Kopf formte. „Wir werden es als Waffe benutzen.“
Die anderen sahen ihn fragend an.
„Thorpes Männer sind keine loyalen Soldaten“, erklärte Cole. „Sie sind Söldner. Sie sind hier für das Geld und den Whiskey. Der Whiskey ist weg. Und das Geld ist hier.“ Er sah in die Runde. „Was, wenn wir ihnen ein besseres Angebot machen?“
Pater Michael runzelte die Stirn. „Sie wollen sie bestechen?“
„Nicht bestechen. Kaufen“, korrigierte Cole. „Wir bieten jedem von Thorpes Männern, der seine Waffen niederlegt und die Stadt verlässt, hundert Dollar in bar. Mehr, als Thorpe ihnen in einem halben Jahr zahlt.“
One-Eyed Jack lachte heiser. „Du bist verrückt, Ranger. Sie werden das Geld nehmen und uns trotzdem in den Rücken schießen.“
„Einige vielleicht“, gab Cole zu. „Aber die meisten sind Feiglinge und Faulpelze. Das Angebot, reich zu sein, ohne kämpfen zu müssen, ist für diese Art von Mann unwiderstehlich. Es wird Misstrauen säen. Thorpe wird nicht mehr wissen, wem er trauen kann. Seine Armee wird von innen heraus zerfallen. Diejenigen, die bleiben, werden die harten, die loyalen sein. Und die werden wir dann bekämpfen. Auf einem ebenen Spielfeld.“
Der Plan war kühn. Er war gefährlich. Aber er war auch brillant. Er nutzte die eigene Gier des Feindes gegen ihn.
„Wie sollen wir ihnen das Angebot unterbreiten?“, fragte Sarah.
„Wir brauchen einen Boten“, sagte Cole. „Jemanden, den sie nicht sofort erschießen.“ Sein Blick fiel auf Pater Michael.
Der Priester wurde blass. „Ich? Ich bin ein Mann Gottes, kein Diplomat!“
„Genau deshalb“, sagte Cole. „Sie sind der einzige in dieser Stadt, der als neutral angesehen werden könnte. Sie werden ihnen die Nachricht überbringen. Nicht als Drohung, sondern als ein Angebot des Friedens. Eine Chance, mit vollen Taschen zu gehen, bevor noch mehr Blut vergossen wird.“
Pater Michael zitterte, aber er sah den Jungen an, er sah den alten Mann, und er sah die Entschlossenheit in Coles Augen. Er richtete sich langsam auf, seine Schultern strafften sich. „Gott sei uns gnädig“, flüsterte er. „Ich werde es tun.“
In diesem Moment hörten sie es. Schreie von der Straße. Das Geräusch von splitterndem Holz. Das dumpfe Geräusch eines Schlages. Thorpes Vergeltung hatte begonnen.
*
Cole war der Erste an der Tür. Er spähte vorsichtig hinaus. Die Szene auf der Hauptstraße war wie ein Albtraum. Thorpes Männer zerrten die Menschen aus ihren Häusern. Fackeln wurden entzündet und warfen lange, tanzende Schatten, die die Gewalt noch grotesker erscheinen ließen.
Sie hatten Mr. Henderson, den Krämer, in die Mitte der Straße geschleift. Zwei von Thorpes Schlägern hielten ihn fest, während ein dritter, der bulldoggenähnliche Kerl, dessen Arm Cole gebrochen hatte, nun mit der gesunden Hand zuschlug. Henderson war ein kleiner, friedlicher Mann. Er wimmerte bei jedem Schlag.
„Wo ist mein Geld, Henderson?“, brüllte Thorpe, der die Szene vom Balkon des Saloons aus wie ein römischer Kaiser beobachtete. „Dein Junge hat es gestohlen! Wo ist er?“
„Ich weiß es nicht!“, keuchte Henderson. „Ich schwöre es, ich weiß es nicht!“
Ein weiterer Schlag traf ihn ins Gesicht. Blut spritzte auf den Staub.
In der Kirche sahen die anderen Cole an. Ihre Gesichter waren blass im Kerzenlicht.
„Wir müssen etwas tun!“, stieß Timmy hervor, und Tränen des Zorns und der Hilflosigkeit liefen ihm über die Wangen. Er wollte losstürmen, aber One-Eyed Jack hielt ihn mit einer knochigen Hand zurück.
„Ruhig, Junge. Hineinzustürmen ist Selbstmord.“
Cole beobachtete die Szene, sein Gesicht war eine undurchdringliche Maske. Er zählte die Männer. Zehn, vielleicht zwölf auf der Straße. Thorpe auf dem Balkon. Und irgendwo da draußen, unsichtbar, war Blackwood.
„Er will mich herauslocken“, sagte Cole leise. „Die ganze Show ist für mich.“
„Sie bringen ihn um!“, schluchzte Sarah.
Cole wandte sich an sie. Sein Blick war intensiv. „Sarah, geh nach oben in den Glockenturm. Beobachte die Dächer. Vor allem das des Saloons und des Krämerladens. Wenn du etwas siehst, das sich bewegt, eine Reflexion, irgendetwas … läute die Glocke. Einmal. Nicht mehr.“
Sarah nickte, wischte sich die Tränen weg und eilte die knarrende Treppe zum Turm hinauf.
Cole wandte sich an Jack. „Ihre alte Büchse. Wie präzise ist sie auf hundert Yards?“
Jack tätschelte die Waffe. „Präzise genug, um einer Fliege das linke Auge auszuschießen.“
„Gut“, sagte Cole. „Bleiben Sie hier. Wenn die Glocke läutet, schießen Sie auf das Dach des Saloons. Nicht, um zu töten. Nur um ihn zu beschäftigen.“ Er blickte zu Pater Michael. „Pater, machen Sie sich bereit. Ihr Auftritt kommt bald.“
Er lud seine Winchester, die Bewegung war schnell und sicher. „Timmy, du bleibst hier, egal, was passiert. Beschütze den Pater.“
Er trat zur Tür der Sakristei. „Ich werde ihre Aufmerksamkeit auf mich lenken. Wenn sie abgelenkt sind, Jack, geben Sie Henderson Feuerschutz, damit er entkommen kann.“
„Und du, Ranger?“, knurrte Jack. „Was ist dein Plan?“
„Überleben“, sagte Cole und glitt hinaus in die Nacht.
*
Die Gassen hinter der Hauptstraße waren ein Labyrinth aus Dunkelheit und Müll. Cole bewegte sich wie ein Geist, seine Stiefel machten kaum ein Geräusch auf dem festgetretenen Boden. Die Schreie von der Hauptstraße waren sein Kompass. Er musste näher herankommen, ohne gesehen zu werden.
Er erreichte die Rückseite des Hotels. Von hier aus hatte er einen schmalen Blickwinkel auf die Szene. Er sah, wie Henderson zu Boden ging. Er sah, wie Thorpe lachte. Die kalte Wut in seiner Magengrube wurde zu einem gefrierenden Block.
Er wusste, dass Blackwood ihn erwartete. Der professionelle Jäger würde die offensichtlichen Positionen abdecken. Die Dächer, die Fenster mit direktem Blick. Cole musste unberechenbar sein.
