8 Krimis mit Klasse November 2023 - Alfred Bekker - E-Book

8 Krimis mit Klasse November 2023 E-Book

Alfred Bekker

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Beschreibung

Dieses Buch enthält folgende Krimis: (699) Alfred Bekker: Die Sache mit Caroline Alfred Bekker: Bluternte 1929 - Umgelegt in Chicago Alfred Bekker:Ausgebrenst! Alfred Bekker: Verschwörung der Killer Alfred Bekker: Ein Fall für Tom die Nase Alfred Bekker: Hass, der wie Feuer brennt Alfred Bekker: Commissaire Marquanteur und die geheimnisvolle Frau: Alfred Bekker: Commissaire Marquanteur und vier tote Männer Mörderische Brandanschläge erschüttern die die Stadt. Ganze Gebäude werden von Unbekannten die Luft gesprengt und es gibt Tote. Ermittler Jesse Trevellian und sein Team stehen vor einem Rätsel, während die Opfer der unbekannten Hassverbrecher immer zahlreicher werden... Aber dann stoßen Trevellian und seine Kollegen auf ein altes Unrecht und gnadenlosen Rachedurst. Bald ist klar, dass ihnen nicht viel Zeit bleibt, um weitere Morde zu verhindern...

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Alfred Bekker

8 Krimis mit Klasse November 2023

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Inhaltsverzeichnis

8 Krimis mit Klasse November 2023

Copyright

Die Sache mit Caroline

Bluternte 1929 - Umgelegt in Chicago

Ausgebremst!

VERSCHWÖRUNG DER KILLER

Ein Fall für Tom die Nase

Hass, der wie Feuer brennt

Commissaire Marquanteur und die geheimnisvolle Frau:

​Commissaire Marquanteur und vier tote Männer

8 Krimis mit Klasse November 2023

von Alfred Bekker

Dieses Buch enthält folgende Krimis:

Alfred Bekker: Die Sache mit Caroline

Alfred Bekker: Bluternte 1929 - Umgelegt in Chicago

Alfred Bekker:Ausgebrenst!

Alfred Bekker: Verschwörung der Killer

Alfred Bekker: Ein Fall für Tom die Nase

Alfred Bekker: Hass, der wie Feuer brennt

Alfred Bekker: Commissaire Marquanteur und die geheimnisvolle Frau:

Alfred Bekker: Commissaire Marquanteur und vier tote Männer

Mörderische Brandanschläge erschüttern die die Stadt. Ganze Gebäude werden von Unbekannten die Luft gesprengt und es gibt Tote. Ermittler Jesse Trevellian und sein Team stehen vor einem Rätsel, während die Opfer der unbekannten Hassverbrecher immer zahlreicher werden...

Aber dann stoßen Trevellian und seine Kollegen auf ein altes Unrecht und gnadenlosen Rachedurst. Bald ist klar, dass ihnen nicht viel Zeit bleibt, um weitere Morde zu verhindern...

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker

© Roman by Author

© dieser Ausgabe 2023 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

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Die Sache mit Caroline

von Alfred Bekker

Ich lernte Caroline auf einer Party kennen, zu der ich mir mit einem gefälschten Ausweis und einer gefälschten Einladung Zugang verschafft hatte.

Sie sprach eine ganze Weile nur von sich selbst und ich hörte ihr zu. Manchmal sagte ich: “Ah, ja!” Oder “So, so” oder auch ein interessiertes: “Okay…”

Anscheinend kam das gut an.

Irgendwann fragte sie mich dann: “Und was machen Sie so?”

Das war der Moment, den ich gerne vermieden hätte.

Eigentlich hatte ich gedacht, dass ihre Eitelkeit noch ein bisschen ausgeprägter wäre und ich noch den halben Abend nichts weiter als “Ah, ja!” zu sagen brauchte.

Aber anscheinend war sie doch neugierig.

“Sicherheitsbranche”, sagte ich.

“Ah, ja”, sagte sie jetzt.

Ich konnte mir das Grinsen kaum verkneifen.

“Ja”, sagte ich.

“Und etwas genauer?”

“Ich darf nicht drüber reden.”

“Aber vielleicht doch so…. eher allgemein?”

“Das war schon sehr speziell - für meine Verhältnisse.”

“Ein Mann mit Geheimnissen. Das gefällt mir.”

“Sieh an!”

Ich glaube, sie hatte es sich vielleicht ein bisschen zuviel bei dem Sekt bedient, der hier überall herumstand. Irgendwie wirkte sie auf mich wie eine Frau, die normalerweise alles und jeden und vor allem sich selbst zu kontrollieren versuchte, das aber jetzt im Moment gerade nicht mehr so besonders hinbekam.

Mir sollte es nur recht sein.

“Komisch, eigentlich laufen hier immer dieselben Leute bei denselben Parties herum”, sagte sie.

Ich hob die Augenbrauen.

“Ja, und?”

“Sie habe ich hier bislang nie gesehen.”

“Ich komme nicht viel zum Feiern.”

“Immer richtig busy, was?”

“Von nichts kommt nichts.”

“So kann man es auch ausdrücken.”

“Man muss sehen, dass man den Anschluss hält.”

“Sicher.”

“Und noch besser ist, wenn man allen anderen ein Stück voraus sind.”

Sie sah mich an.

Ihre Augen waren blau.

Blau wie das Meer.

Oder der Himmel.

Auf jeden Fall blau.

“Ist nicht ganz einfach, oder?”

“Was?”

“Das Voraus-sein.”

“Das nennt man Anticipation.”

“Muss man alle Dinge auf Englisch sagen.”

“Nein, aber es klingt professioneller”, lachte ich. “Und es wird einem schneller abgekauft. Selbst wenn noch so hohles Gelaber ist.”

“Ja, das ist leider wahr…”

Ich zuckte mit den Schultern. “Es gibt allerdings keinen Grund, das Spiel nicht mitzuspielen, wenn man begriffen hat, wie es läuft.”

“Auch wieder wahr.”

“Ich sehe das so.”

“Finden Sie es nicht auch furchtbar langweilig hier?”

Ihr Blick war abwartend. Lauernd. Sie war plötzlich sehr aufmerksam.

“Es geht so”, sagte ich.

“Was halten Sie von unverbindlichem Sex?”

“Sie sind sehr direkt.”

“Ist irgendetwas nicht in Ordnung daran, direkt zu sein?”

“Nein, daran ist alles vollkommen in Ordnung.”

“Es beruhigt mich, dass Sie das auch so sehen wie ich.”

Ich sah auf Ihre Brüste.

“Sie haben schöne Titten”, sagte ich.

“Sie sind aber auch direkt.”

“Das bin ich.”

“Dann sind wir uns also einig?”

“Insofern - ja.”

Sie lächelte. Und sie nahm eine Pose ein, bei der die Silhouette ihrer Kurven gut zur Geltung kam. Man musste ihr wirklich eins lassen: Das hatte sie sehr gut drauf. Sie sagte: “Ich finde es süß.”

“Was finden Sie süß?”

“Dass Sie mich noch siezen, wenn Sie mir sagen, dass ich schöne Titten hätte.”

“Ach, ja?”

“Das hat Stil.”

“Wenn Sie meinen.”

“Und es spricht für eine gewisse Galanterie.”

“Nun…”

“Ich bin ja auch durchaus direkt, wie Sie ja schon gemerkt haben.”

“Allerdings!”

“Aber ich bin keineswegs vulgär. Und das schätze ich auch bei anderen nicht.”

“Dann kann ich ja von Glück sagen, dass ich durch Ihr strenges Auswahlraster hindurch gekommen bin!”

Ihr Lächeln wurde breit.

Sehr breit.

“Und was für ein Glück Sie haben! Das wird Ihnen noch aufgehen…”

“Beim Vögeln.”

“Genau.”

“Wie geht es jetzt weiter?”

“Ich suche irgendwo einen Platz, wo ich mein halb leeres Sektglas hinstellen kann und dann verschwinden wir. Geschäftlich wichtige Kontakte mache ich heute sowieso nicht mehr. Und wenn… Dann sollte ich wohl ohnehin besser jedes Treffen mit jemandem vermeiden, der wichtig ist.”

“Weil Sie schon zu viel Sekt getrunken haben.”

“Genau.”

“Dann verschwinden wir doch”, sagte ich.

“Ich heiße übrigens Caroline”, sagte sie.

Aber das wusste ich längst.

*

Wir nahmen ein Taxi. Sie bewohnte ein nobles Penthouse mit fantastischer Aussicht. Die Stadt wirkte wie ein Lichtermeer. Wie eine Galaxie, in der sich raumschiffartige Gebilde bewegten. In Wahrheit waren es nur Autos, Flugzeuge und die S-Bahn. Aber man muss sich nicht jede Fantasie durch die Wahrheit zerstören lassen. Man kann sie manchmal auch einfach genießen.

Wir waren kaum in ihrer Wohnung, als ihr fast wie beiläufig das Kleid von den Schultern rutschte. Sie trug nichts darunter.

Nackt, wie sie war, drehte sie sie sich zu mir um. “Was ist? Plötzlich schüchtern?”

“Nein”, sagte ich.

“Aber irgendetwas ist.”

“Nein.”

“Na, dann ist es ja gut.”

“Ja.”

“Manchmal muss man einfach alles, was mit dem Job zu tun hat, aus dem Kopf kriegen.”

Ich nickte. “Ja, das muss man”, stimmte ich ihr zu.

*

Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, nach dieser Nacht als erster aufzuwachen. Eigentlich wäre es sogar verdammt wichtig gewesen, dass ich als erster aufwachte. Aber manchmal klappen die Dinge eben nicht ganz so, wie sie sollen.

Sie war vor mir wach und stand nackt neben dem Stuhl, auf dem ich meine Sachen abgelegt hatte. Das Licht der Morgensonne fiel durch die Fensterfront und zauberte Schattenmuster auf ihre vollen Brüste.

Unglücklicherweise fingerte sie an meiner Jacke herum und hatte wenig später die Pistole in der Hand, die ich bei mir trug.

“Ich sagte doch, ich bin in der Sicherheitsbranche”, erklärte ich.

“Die Waffe ist echt?”

“Sicher.”

“Du bist ein Leibwächter?”

“Sowas Ähnliches.”

“Ich könnte jemanden brauchen, der mir Leute vom Leib hält, mit denen ich nichts zu tun haben will. Fällt das in dein Gebiet?”

“Unter Umständen ja.”

“Was machst du genau?”

“Ich bin dagegen, Berufliches und Privates zu vermischen.”

“Ach komm, das ist doch Blödsinn.”

Ich war aufgestanden, hatte mir meine Hose übergezogen und trat ihr nun entgegen.

Sie ließ sich die Waffe aus der Hand nehmen.

Zum Glück.

“Ich habe ein paar Schwierigkeiten”, sagte sie. “Mit unangenehmen Leuten. Und ich würde viel Geld dafür bezahlen, wenn das jemand für mich regelt.”

“Schön für dich. Dann wird sich jemand finden, der das für dich macht.”

“Und was ist mit dir?”

Ihre Haltung wirkte provozierend. Sie hatte den Arm in die Hüfte gestemmt. Ich gönnte mir noch einen Blick auf ihre Brüste, die noch in Bewegung waren und leicht zitterten.

“Für mich ist das nichts”, sagte ich.

“Schade.”

"Ist aber so."

“Ich bin wirklich in Schwierigkeiten.”

“Ich weiß.”

Ich langte in die Jackentasche und bekam den Schalldämpfer zu fassen. Dann schraubte ich ihn auch.

Sie sah mich an.

Ich feuerte zweimal kurz hintereinander. Ob sie begriff, was ihr geschah, weiß ich nicht. Allenfalls im allerletzten Moment wurde ihr klar, dass die Leute, mit denen sie Schwierigkeiten hatte, mir den Auftrag gegeben hatten, sie zu beseitigen.

Irgend wer stört immer irgendwen.

Was genau der Grund war, interessierte mich nicht.

Nur eins zählte für mich an allererster Stelle: Die Loyalität zum Auftraggeber.

Ich steckte die Waffe wieder ein, zog mich zu Ende an und sammelte sehr sorgfältig alle meine Sachen zusammen. Allzu vorsichtig brauchte ich nicht sein. Meine DNA war nirgends gespeichert. Meine Fingerabdrücke auch nicht.

Immer mit der Ruhe, dachte ich, als ich fertig war. Ich sah nochmal zurück auf die Tote auf dem Boden.

Erledigt, dachte ich.

ENDE

Bluternte 1929 - Umgelegt in Chicago

von Alfred Bekker

Krimi in der Tradition von Hammett und Chandler, der im Chicago der 20er Jahre spielt.

von Alfred Bekker

Historischer Kriminalroman aus der Zeit von Al Capone Irgendein kalter Tag in Chicago. Man schrieb das Jahr 1929. Ein böses Jahr, ein böser Tag. Aber ich will mich nicht beklagen, schließlich lebe ich noch, sonst könnte ich diese Story auch gar nicht erzählen... Kriminalroman von Alfred Bekker in der Tradition von Hammett und Chandler - angesiedelt im Chicago der 1920er Jahre .

Alfred Bekker ist ein bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Henry Rohmer, Conny Walden, Sidney Gardner, Jonas Herlin, Jack Raymond, Adrian Leschek, John Devlin, Brian Carisi, Robert Gruber und Janet Farell.

Copyright

Ein CassiopeiaPress E-Book

© by Author

© der Digitalausgabe 2015 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

www.AlfredBekker.de

[email protected]

Der Umfang dieses Buchs entspricht 101 Taschenbuchseiten.

1

Irgendein kalter Tag in Chicago. Man schrieb das Jahr 1929. Ein böses Jahr, ein böser Tag.

Aber ich will mich nicht beklagen, schließlich lebe ich noch, sonst könnte ich diese Story auch gar nicht erzählen.

2

Es gibt Tage, an denen geht alles schief. Und genau so einer lag gerade hinter mir, als ich Clunkys „Speakeasy“ aufsuchte, eines jener illegalen Schnapslokale, die in Chicago und anderswo aus dem Boden sprießen wie faulige Pilze.

Ich brauchte jetzt einen Drink, sagte am Eingang das Passwort und wurde eingelassen.

Als ich an die Theke trat stellte Clunky, ohne ein überflüssiges Wort zu verlieren, etwas Hochprozentiges vor mich hin. Der erste Schluck brannte noch etwas in der Kehle, aber um einen Teil meiner Probleme mit hinunter zu spülen, dafür reichte er. Ich stellte das geleerte Glas auf den Tresen und Clunky schenkte nach.

An diesem verfluchten Tag hatte ich einen Mann erschossen, nachdem dieser meinen Klienten erledigt hatte.

Ich fand, dass ich mir ein Recht auf schlechte Laune redlich verdient hatte, nahm meinen Drink und verzog mich damit in die hinterste Ecke. Mir war heute ausnahmsweise nicht nach Theken-Gequatsche.

Falls ich später nicht mehr in der Lage wäre, meinen 1924er Plymouth zu fahren, den ich ganz in der Nähe abgestellt hatte, war das nicht so schlimm. Mein 1-Zimmer-Apartment befand sich nur vier Blocks entfernt und bis dahin schaffte ich es in jedem Fall noch zu Fuß.

Ich schloss für ein paar Momente die Augen und war allein mit mir und meinen Gedanken.

Ein Mann namens Zach Allister hatte mich vor einer Woche angesprochen. Er hatte ein Mitglied des irischen Syndikats um eine Menge Geld geprellt und jetzt fürchtete er um sein Leben. Zur Polizei konnte er nicht gehen, weil die ihm ein paar unangenehme Fragen gestellt hätte. Also wandte er sich an mich, Pat Boulder – Privatermittler und wenn es sein muss auch mal Bodyguard. Eine Woche schaffte ich es, meinen Klienten am Leben zu halten. Ich riet ihm, besser aus der Stadt zu verschwinden. Nach dem, was er verbockt hatte, war die Windy City einfach kein Pflaster mehr für ihn, aber leider hatte er das nicht einsehen wollen.

Wer nicht hören will muss fühlen oder bekommt manchmal auch ein Kugel ab.

Das Gespräch, dass wir in meinem Büro in der Ecke South Franklin/Monroe Street geführt hatten, ging mir in diesem Augenblick durch den Kopf.

„Ich habe hier dringende Geschäfte, Mister Boulder!“

„Kleines Rendezvous mit dem Leibhaftigen – oder was sollen das für Geschäfte sein?“

„Werden Sie nicht zynisch, Boulder!“

„Sie sind so tot wie ein paar eingeschlafene Füße, wenn Sie nicht bald von hier verschwinden. Die Leute, mit denen Sie sich angelegt haben, fackeln nicht lange!“

„Das werden wir ja sehen!“

„Die machen ein Sieb aus Ihnen!“

„Was Sie verhindern werden, Boulder! Ich zahle Ihnen das Doppelte Ihres üblichen Satzes! Hören Sie, ich weiß, dass Sie gut sind. Aber ich weiß auch, dass Sie Geld brauchen.“

Wir hatten beide Recht gehabt und jetzt lag Zach Allister in der städtischen Leichenhalle, voll gepumpt mit Blei. Es war in einem Diner in der Washington Road passiert. Mein Klient war aufgestanden, um sich beim Geschäftsführer über die Qualität des Kaffees zu beschweren, da war ein Kerl mit einer MPi in den Händen herein gestürmt und hatte ihn einfach niedergemäht.

Lange hatte sich dieser Hit-man allerdings nicht darüber freuen können. Ein gezielter Schuss aus meinem 38er war für ihn das Aus gewesen.

Es waren nicht die anschließenden Verhöre bei der Polizei, die mich den letzten Nerv gekostet hatten, sondern die Aussicht, dass sich die Geschichte herumsprach. Ein Mann, den ich hätte schützen sollen, war tot. Eine gute Reklame war das nicht gerade. Welcher Klient sollte da noch Vertrauen fassen?

„Sind Sie Mister Boulder?“, riss mich eine weibliche Stimme aus meinen Gedanken. „Mister Pat Boulder!“, wiederholte sie und betonte dabei meinen Vornamen auf eine Weise, die es in sich hatte.

Ich öffnete die Augen und sah eine Frau von Ende zwanzig. Das Haar war dunkel, ihr feingeschnittenes Gesicht wurde von zwei grünblauen Augen beherrscht und die Silhouette, die man unter dem eng anliegenden Kleid erahnen konnte, war atemberaubend. In der einen Hand hielt sie ein halbleeres Glas, in der anderen eine Zigarette, die allerdings noch nicht brannte.

„Darf ich mich zu Ihnen setzen, Mister Boulder?“

„Sie dürfen. Aber Sie haben sich einen schlechten Tag ausgesucht, um mit mir anzustoßen.“

„Ach, ja?“

„Erwarten Sie besser nicht, dass ich heute vor Witz nur so sprühe oder Sie sich geistreich mit mir unterhalten könnten!“

„Keine Sorge, Mister Boulder! Aber Feuer haben Sie doch bestimmt noch, oder?“

Ich langte in die Seitentasche meines Jacketts und holte die Streichhölzer hervor. Sie beugte sich vor, damit ich ihr Feuer geben konnte. Anschließend setzte sie sich und ich zündete mir auch eine an.

Nachdem ich den ersten Zug genommen hatte, trank ich mein Glas leer und verzog das Gesicht. „Richtiger Bourbon ist was anderes als dieser Fusel…“

„Mister Boulder…“

„Jetzt reden wir mal Tacheles. Wer sind Sie und wer hat Ihnen meinen Namen gesagt?“

Irgendwo lachte jemand sehr schrill und zog damit die Aufmerksamkeit aller auf sich. Für die junge Lady, die an meinem Tisch Platz genommen hatte, bedeutete dies, dass sie ein paar Sekunden länger Zeit hatte, sich eine vernünftige Antwort zu überlegen.

Sie beugte sich etwas über den Tisch und sprach anschließend mit gedämpfter Stimme.

„Mein Name ist Jessica Rampell. Und wer Sie sind weiß ich von Clunky.“

„Sagen Sie bloß, der redet mit Ihnen!“

„Ja, stellen Sie sich vor!“

„Anscheinend haben Sie das gewisse Etwas!“

Sie lächelte etwas spöttisch. „Das wird es wohl sein.“

Ich grinste zurück. „Da stehe ich einmal nicht an der Theke, sondern verzieh mich gegen meine sonstige Gewohnheit an einen Tisch und schon verpasse ich ein historisches Ereignis: Den Augenblick, in dem Clunky Small Talk macht!“

„So würde ich das nicht bezeichnen.“

„So?“

„Ich fragte ihn nach jemandem, der mir bei einer ziemlich delikaten Sache irgendwie weiterhelfen könnte!“

Ich zog an meiner Lucky Strike und war auf einmal wieder so nüchtern wie ein reformierter Prediger.

„Worum geht es?“

„Clunky hat erzählt, Sie seien ein guter Privatdetektiv.“

„Ich nehme 25 Dollar am Tag plus Spesen. Wenn Sie das aufbringen können, mache ich fast alles für Sie.“

„Gut zu wissen.“

„Aber nur fast alles.“

Ich dachte bei ihr an einen untreuen Ehemann, den es zu beschatten galt. Die Tatsache, dass die Kleine keinen Ehering trug, musste nichts heißen. Vielleicht hatte sie ihn vor lauter Wut schon versetzt. Eigentlich ein Job, den ich hasste wie die Pest. Aber nach der Schießerei in dem Diner sehnte ich mich geradezu nach einem langweiligen Job.

Immerhin schreckte sie mein Preis nicht und das hielt ich schon einmal für ein gutes Omen. Aber wenn ich mir das edle Armband und die Perlenkette so ansah, dann war eigentlich auch nichts anderes zu erwarten gewesen.

Doch im Hinblick auf die Art von Jessica Rampells Auftrag sollte ich mich ziemlich gründlich getäuscht haben.

Sie blies mir ihren Rauch entgegen. Vielleicht hatte sie das im Kino gesehen und hielt es für weltläufig.

„Clunky sagt, Sie würden ńe Menge Leute kennen!“

„Wenn Clunky das sagt…“

„Sie kommen doch viel herum, oder!“

„Worauf wollen Sie eigentlich hinaus?“

„Ich brauche jemanden, der einen unauffällig über den See nach Kanada bringen könnte. Die Alkoholschmuggler fahren doch diese Route…“

„Ja, und es werden regelmäßig welche von ihnen geschnappt.“

„Dann wäre es besser, wir hätten neue Papiere?“

„Wir? Sie sind zu mehreren?“, hakte ich nach, bekam aber zunächst keine Antwort. „Wahrscheinlich wäre Ihnen eine Reise ohne Fragen und ohne Papiere am liebsten.“

Sie nickte lächelnd.

„Ja, so ähnlich“, gab sie zu.

„Was haben Sie auf dem Kerbholz?“

„Ja oder nein?“ Ihre Stimme hatte jetzt einen harten, metallischen Klang bekommen. Ihre grünblauen Augen erinnerten mich an die Augen einer Katze.

„Ich kann mich ja mal für Sie umhören“, sagte ich vage.

Sonderlich scharf war ich auf diesen Job nicht. Wenn schon die Klientin nicht genau weiß, was sie eigentlich will, gibt so etwas immer nur Komplikationen.

„Da wäre ich Ihnen sehr dankbar, Mister Boulder.“

„Wie kann ich Sie erreichen?“

„Überhaupt nicht. Ich werde Sie in den nächsten Tagen anrufen.“

Ich war etwas überrascht. Aber die Klientin ist Königin und es gab keinen Grund, sich auf ihre Bedingungen nicht einzulassen.

„In Ordnung“, stimmte ich zu. „Ganz wie Sie wollen!“

Ich langte in meine Brieftasche und gab ihr eine meiner Karten.

Sie nahm sie an sich, warf einen kurzen Blick darauf und steckte sie dann in ihre Handtasche.

„Bis wann wollen Sie denn verschwinden?“, fragte ich noch.

„Spätestens Ende der Woche. Im Übrigen brauche ich zwei Plätze!“

„Verstehe“, log ich. Ich witterte irgendeine Romeo- und Julia-Geschichte, aber davon wollte ich im Moment eigentlich nichts weiter hören.

„Im Erfolgsfall bekommen Sie 100 Dollar zusätzlich!“, versprach sie mir. Dann holte sie ihre Brieftasche hervor und legte mir genau 25 Dollar auf den Tisch. „Und das ist dafür, dass Sie auch sofort damit anfangen, sich um meinen Fall zu kümmern!“

Ich lächelte dünn. „Geld beflügelt meinen Einsatzeifer immer ungemein“, gab ich zu, sammelte die Scheine ein, während ich die Lucky Strike im rechten Mundwinkel aufglimmen ließ und steckte die Beute des heutigen Tages in die Jackettinnentasche.

„Es ist wirklich dringend, Mister Boulder!“

„Es hat mich gefreut, mit Ihnen Geschäfte zu machen, Ma’am!“, sagte ich.

Sie erhob sich und so tat ich es ebenfalls.

„Ich muss jetzt leider gehen“, erklärte sie und rauschte davon. Ich sah ihr noch ein paar Augenblicke nach, ehe sie sich in der Menge von Trinkern, die sich inzwischen in dem Speakeasy eingefunden hatte, verlor.

Ich atmete tief durch und dachte : So endet dieser verdammte Tag ja doch noch einigermaßen erträglich!

Wer hätte das für möglich gehalten?

3

Eine Woche verging, ohne dass sich Jessica Rampell bei mir meldete. Ich tat gerade so viel, wie es mir für 25 Dollar angemessen erschien und erkundigte mich nach Möglichkeiten, ohne Aufsehen über den See zu kommen.

Ansonsten hatte ich in dieser Woche nicht viel zu tun. Die meiste Zeit über saß ich in meinem Büro, legte die Füße auf den Tisch, trank Bourbon und musste mir von meiner Sekretärin Kitty Meyerwitz Vorhaltungen darüber machen lassen, dass bald Ebbe in der Kasse wäre.

„Trösten Sie sich, Kitty! Auf die Ebbe folgt unweigerlich die Flut“, sagte ich.

Sie stemmte ihre schlanken Arme in die Hüften. „Sprechen Sie von einer Bourbon-Flut?“

„Wo bleibt Ihr Optimismus?“

„Den habe ich verloren, seit Joe tot ist und ich darauf angewiesen bin - wir darauf angewiesen sind! -, dass Sie die Fische an Land ziehen.“

Sie spielte damit auf meinen erschossenen Partner Joe Bonadore an, dessen leerer Schreibtisch mich täglich daran erinnerte, dass der Job, den ich machte, nicht ganz ungefährlich war.

Es regnete tagelang Bindfäden. Vielleicht war das der Grund dafür, dass sich einfach niemand in mein Büro verirrte. Nicht einmal die untreuen Ehemänner schienen bei dieser Witterung vor die Tür zu gehen. Es war wie verhext.

Immerhin hatte ich ausführliche Gelegenheit dazu, die Chicago Tribune von der ersten bis zur letzten Seite zu lesen.

Die Sache mit meinem erschossenen Klienten war einmal auf der dritten Seite. Dann gab es in den folgenden Ausgaben noch ein paar Nachberichte auf den Seiten 18 und 19. Hier in Chicago ist eine Schießerei, bei der es nur einen Toten gibt, keine große Sache.

Die verletzten Angestellten des Diners wurden überhaupt nicht erwähnt. Mein Name allerdings leider schon. Na großartig!, dachte ich. Diese Werbung fehlte mir gerade noch.

Es war Sonntag, als der Regen endlich nachließ. Ein kühler Wind fegte jetzt vom Lake Michigan her durch die Straßen.

Ich verschlief den Großteil des Sonntags in meinem Ein- Zimmer-Apartment in der North Side. Die Nacht davor hatte ich in verschiedenen Speakeasys zugebracht. Mein Kopf drohte zu platzen.

Am Nachmittag stand ich auf und versuchte mit Aspirin, einen klaren Kopf zu bekommen. Ich war gerade angezogen, da klopfte es heftig an der Tür.

„Chicago Police Department! Machen Sie auf!“, knurrte eine heisere Stimme dumpf hinter der Tür.

Ich trat seitlich neben die Tür und öffnete einen Spalt.

Die Vorhängekette verhinderte, dass die Tür durch den Fußtritt, der dann folgte, zur Seite flog.

„Hier Lieutenant Quincer! Machen Sie auf, Boulder!“

Ich atmete tief durch. „Konfuzius sagt: Eile mit Weile!“

„Woher haben Sie denn den Schwachsinn, Boulder?“

„Ich hatte mal einen chinesischen Klienten…“

Ich nahm die Kette weg. Lieutenant James Quincer trat mit zwei weiteren Polizisten ein.

Quincer war blond, Ende dreißig und etwa 1,75 m groß. Das breite Grinsen saß so schief wie sein Hut. Leider brachte es mein Job mit sich, dass ich diesem unsympathischen Kerl mit dem Gemüt eines Schlachters immer wieder über den Weg lief. Seiner Meinung nach gehörten Leute wie ich nicht auf die Straße. Ich redete mir immer ein, dass es der pure Neid auf jemanden war, der nicht vor irgendwelchen Vorgesetzten zu katzbuckeln brauchte, was ihn zu einem Arschloch erster Klasse machte.

Aber wahrscheinlich war es etwas Persönliches.

Oder meine roten Haare. Aber das spielte eigentlich keine Rolle.

Ich nahm mir jedes Mal aufs Neue vor, Lieutenant Quincer hinzunehmen wie schlechtes Wetter.

Es gelang mir nie.

„Kommen Sie mit, Boulder und stellen Sie keine unnützen Fragen!“

„Was liegt vor? Geht’s noch mal um die Schießerei im Diner? Ich dachte, dazu wäre alles gesagt.“

„Halten Sie einfach die Klappe und kommen Sie mit.“

„Bin ich verhaftet?“

„Wenn Sie sich nicht beeilen, hole ich das nach. Captain Chesterfield wartet auf Sie in der Morgue.“

In meinem Hirn arbeitete es fieberhaft. Mit Chesterfield, Quincers Dienstvorgesetzten, verstand ich mich wesentlich besser. Wenn sich der Leiter der Mordkommission mit mir in der Leichenhalle treffen wollte, konnte das nur heißen, dass es jemanden erwischt hatte, von dem er annahm, dass ich ihn kannte.

Ich zog also Weste, Jackett und Mantel über und meinte: „Mein Wagen steht eine Straße weiter.“

„Sie kommen mit uns“, bestimmte Quincer und ließ dabei an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig.

„Der Privatdetektiv als natürlicher Feind des Polizisten – wer hat Ihnen nur diesen Floh ins Ohr gesetzt, Quincer?“

„Wenn Typen wie Sie uns nicht dauernd ins Handwerk pfuschen würden, könnten wir unseren Job wenigstens richtig machen!“

Ich lächelte dünn. „Und wenn Typen wie Sie Ihren Job richtig machen würden, würde niemand Leuten wir mir Aufträge geben!“

Quincer lief rot an.

Er ballte die Faust und holte aus. Einer seiner beiden Kollegen hielt ihn mit Mühe zurück. Seine Nasenflügel bebten.

„Nur zu!“, sagte ich. „Gewalt gegen unbescholtene Bürger macht sich immer schlecht in den Personalakten – und Chesterfield würde Sie vierteilen, weil das auf seine Abteilung zurückfällt.“

Quincer atmete tief durch und befreite den Arm, den sein Kollege wie in einem Schraubstock gehalten hatte. „Glück gehabt, Boulder!“

„Wer sich so schlecht beherrschen kann, fliegt früher oder später raus, Quincer! Lassen Sie es sich gesagt sein!“

„Sie müssen es ja wissen, Boulder!“, grunzte er und spielte damit auf die Tatsache an, dass ich auch mal Cop gewesen war.

Ich sah ihn an, verzog ironisch die Mundwinkel und trieb es auf die Spitze, indem ich sagte: „Ich habe seit Joe Bonadores Tod immer noch keinen neuen Partner. Wäre das nichts für Sie?“

Quincer trat gegen einen Stuhl. Dann drehte er sich um und ging durch die Tür.

„Übertreiben Sie es nicht!“, meinte einer der beiden Kerle, die mit ihm gekommen waren.

„Wer sind Sie?“, fragte ich. „Ich habe Sie noch nie gesehen!

„Lieutenant Ray Garnett. Ich bin neu in der Abteilung.“

4

Ich wurde von den Polizisten zu einem Ford eskortiert und musste auf der Rückbank Platz nehmen. Garnett saß neben mir.

Quincer saß vorne rechts und fluchte die ganze Fahrt über leise vor sich hin.

Captain Chesterfield erwartete uns in der Morgue.

Die ganze Zeit über kreisten meiner Gedanken nur um eine Frage: Wen hatte es erwischt? Ich machte mich auf eine schlimme Neuigkeit gefasst.

Man führte mich in einen Raum, der von einem süßlichen Geruch erfüllt war. Ein Geruch, den man nicht vergisst. Selbst ein Blinder hätte gewusst, dass er sich in der städtischen Leichenhalle befand.

Nicht ganz das richtige Ziel für Sonntagsausflüge, aber dafür sehr viel sicherer als die Uferpromenaden, wo man sich in einem freien Schussfeld befand.

Captain Chesterfield erwartete uns an einer Bahre. Ein menschlicher Körper hob sich unter einem weißen Tuch ab.

„Wie geht’s, Boulder?“

„Bescheiden.“

„Ich hoffe, Sie haben was gegessen!“

„Danke der Nachfrage!“

Feinfühligkeit war nicht unbedingt die stärkste Disziplin des Police Captain. Er zog das weiße Tuch zur Seite.

Ich sah eine aufgedunsene Wasserleiche, weiß wie die Wand und von Fischen angefressen. Tang hatte sich in ihren Haaren verfangen.

Sie trug einen braunen Wintermantel, der sich voll Wasser gesogen hatte.

Die blaugrünen Augen starrten mich kalt an.

Es hatte sich noch nicht einmal jemand die Mühe gemacht, ihr die Augenlider herunterzudrücken.

„Kennen Sie die Lady, Boulder?“, fragte Chesterfield.

„Wie kommen Sie darauf?“

„In ihrer Manteltasche steckte eine Visitenkarte von Ihnen.“

„Sie wissen doch, dass ich die massenweise unter das Volk bringe, Captain!“ Ich hatte irgendwie ein Gefühl, dass es besser war, sich aus dieser Sache herauszuhalten. Wenn möglich.

„Boulder, das hier ist kein Spaß mehr. War sie Ihre Klientin?“

„Nein, dazu ist es nicht wirklich gekommen.“

„Was soll das heißen?“

„Sie nannte sich Jessica Rampell und suchte eine unauffällige Mitfahrgelegenheit nach Kanada.“

„Ein Platz auf einem Schmugglerschiff?“

„Ich gebe zu, dass ihr etwas Ähnliches vorschwebte.“

„Und? Haben Sie ihr das besorgt?“

„Natürlich nicht. Sie wissen doch, dass ich mich peinlich genau an die Gesetze halte.“

Chesterfield lachte heiser. „Ach kommen Sie, Boulder. Sie brauchen mir gegenüber doch nicht so ein Theater vorzuführen!“

Ich zuckte die Schultern. „Sie wollte sich noch mal bei mir melden, hat es aber nie getan. Was ist mit ihr passiert?“

„Versuchen wir gerade herauszufinden“, erklärte Chesterfield.

„Wir haben sie am Ufer des Lake Michigan gefunden, etwa zwanzig Meilen außerhalb der Stadt. Die Wellen hatten sie an Land gespült.“

„Ist ziemlich einsam dort…“

„Sie starb durch einen Schuss in die Herzgegend. Das Projektil stammt aus einer Waffe vom Kaliber 22. Jemand hat versucht, die Leiche verschwinden zu lassen und sie mit irgendeinem Gewicht beschwert, wie die Male an den Fußgelenken beweisen. Allerdings wurde das Ganze wohl alles andere als fachmännisch durchgeführt.

Die Leiche ist wieder aufgetaucht und schließlich an Land gespült worden, wo sie von einem Spaziergänger gefunden wurde! Wenn wir das Schiff kennen würden, mit dem sie über den See übersetzen wollte…“

„Tut mir leid. Da kann ich nicht helfen“, sagte ich bedauernd.

„Schade.“

„ Sie kriegen es bestimmt heraus!“

Chesterfield verzog das Gesicht. „Lieutenant Quincer freut sich schon darauf, Sie wieder nach Hause zu bringen.“

„Kein Protokoll?“, wunderte ich mich.

„Die einzige Schreibmaschine unserer Abteilung kommt erst Dienstag aus der Reparatur.“

Ich lachte. „Und Quincers Sauklaue kann niemand entziffern, was?“

Chesterfield bemühte sich redlich, ein Grinsen zu unterdrücken.

„So ist es.“

„Habe ich es mir doch gedacht!“

„Schauen Sie ab Dienstag mal bei uns vorbei, damit wir das nachholen können.“

„In Ordnung.“

5

Ich hatte eigentlich gedacht, dass die Sache damit für mich erledigt sei. Aber da hatte ich mich getäuscht.

Quincer fuhr mich nach Hause und der süßliche Leichengeruch hing mir immer noch in der Nase. Ein Geruch, der mir den Durst auf Bourbon an diesem Abend vergällte.

Am Montag schien die Sonne.

Noch hielt ich das für ein gutes Omen. Als ich um zehn im Büro eintraf, kam mir Kitty Meyerwitz mit einem Dollarzeichen-Blick entgegen.

„Wo waren Sie denn so lange?“, flüsterte sie.

„Ich wusste nicht, dass ich erwartet werde!“

Erst jetzt fiel mir die junge Frau mit den blonden Locken auf. Sie sah aus wie eine der Stummfilm-Göttinnen, die einen von den Kinoplakaten anschmachteten.

Sie stand am Fenster, blickte hinaus auf die Straße und hielt dabei eine Zigarettenspitze in der Hand. Ich schätze, dass der Schmuck, den sie am Leib trug, mehr wert war, als ich in einem Jahr verdiente.

Sie drehte sich um, stemmte dabei eine Hand in die Hüfte und musterte mich von oben bis unten.

Immerhin sah sie zahlungskräftig genug aus, um sich meine Dienste samt Spesen leisten zu können.

Ich ging auf sie zu, um sie zu begrüßen. „Pat Boulder, private Ermittlungen aller Art. Was kann ich für Sie tun?“

„Stehen Sie immer so spät auf?“, fragte sie spitz und hob dabei das Kinn auf eine Weise, die sie arrogant erscheinen ließ.

„Wenn ich die Nacht über auf der Lauer gelegen habe schon“, log ich. Schließlich ist nichts schädlicher für das Image eines Privatdetektivs, wenn er zugeben muss, dass er keine Aufträge hat.

Außerdem animierte das potentielle Klienten nur dazu, den Preis zu drücken. „Mit wem habe ich das Vergnügen?“, fragte ich.

„Ich bin Mrs Cynthia McCormick“, sagte sie und gab mir mit einer so übertriebenen Gestik die Hand, dass ich mich abermals an die Stummfilm-Göttinnen erinnert fühlte. Ich stellte mir einen dazu passenden Untertitel vor. Vielleicht so etwas wie: „Danke, James, Sie können sich entfernen!“

Dass die Lady auf großem Fuß lebte, war nicht zu übersehen. Aber wie es schien, hatte sie auch den nötigen Snobismus, um in der Upper Class nicht aufzufallen.

„Sagen Sie mir einfach, was ich für Sie tun soll, und ich sage Ihnen, ob es machbar ist und wie viel es kosten wird!“, forderte ich.

Sie seufzte. „Die Sache ist ganz einfach – und doch komplizierter, als es auf den ersten Augenblick scheint!“

Ich musste mich sehr zusammenreißen, um nicht die Augen zu verdrehen. Wenn das ein Vorgeschmack darauf war, wie kapriziös sich meine Klientin geben konnte, dann stand mir ein nervenaufreibender Job bevor.

„Bitte, reden Sie frei von der Leber weg. Alles, was Sie mir anvertrauen, verlässt die vier Wände dieses Büros nicht, was immer es auch sein mag…“

Cynthia McCormick wich meinem Blick aus, während es in meinem Schädel zu arbeiten begann.

Ich begann darüber nachzudenken, wo ich den Namen McCormick schon einmal gehört hatte. Irgendwie brachte ich ihn mit der CHICAGO TRIBUNE in Verbindung und lag damit gar nicht mal so schlecht, wie sich wenig später herausstellte.

„Ich war ein paar Tage in New York um meine Eltern zu besuchen“, berichtete sie. Zwischendurch blies sie mir Rauch entgegen. „Als ich zurückkehrte, hatte man in unsere Villa eingebrochen und allerlei Wertsachen gestohlen. Außerdem war mein Mann war verschwunden.“

„Oh“, sagte ich. „Das muss ein Schock für Sie gewesen sein!“

„Allerdings!“

Also doch nicht der Routinefall des untreuen Ehegatten.

Interessant in welcher Reihenfolge sie die erlittenen Verluste vermerkt!, dachte ich.

„Alles Bargeld, wertvoller Schmuck und was sonst noch an Wertgegenständen im Haus vorhanden war, ist verschwunden.“

Ich hob die Augenbrauen. „Um ehrlich zu sein, glaube ich, dass Sie in diesem Fall bei der Polizei an der besseren Adresse wären…“

„Ich war dort, aber diese bornierten Beamten glauben einfach nicht, dass mein Mann das Opfer eines Verbrechens wurde.“

„Wieso nicht?“

Sie musterte mich noch einmal prüfend von Kopf bis Fuß. Ich stellte mir vor, dass sie das mit ihren Zimmerpflanzen genauso machte, bevor sie diejenigen, die schon verwelkt waren, aussortierte und in den Abfall bringen ließ.

„Sie haben noch immer keine Ahnung, wer ich bin, oder?“, fragte sie. Die innere Empörung darüber, dass ich sie offenbar nicht gleich in die Schublade superwichtiger Prominenz gesteckt hatte, schien sie beinahe schon beleidigt zu haben. Jetzt war es wohl besser, in die Charme-Offensive zu gehen, wenn ich die empfindliche Kundin nicht wieder verlieren wollte. Nicht, dass es mir unter normalen Umständen etwas ausgemacht hätte, aber in diesem speziellen Fall war ich auf Grund meiner finanziell angespannten Lage nicht in der Position, mir meine Kundschaft aussuchen zu können.

Leider.

„Sie sind sicher eine bemerkenswerte Erscheinung, Mrs McCormick und Ihren Namen…“

Sie unterbrach mich. „Mein Name ist McCormick! Es wundert mich, dass Sie damit nichts anzufangen wissen. Mein Mann ist George McCormick - der Chef der städtischen Abwasserverwaltung von Chicago!“

Mir fiel es wie Schuppen von den Augen. Daher kannte ich den Namen also. Aber da McCormick nun nicht gerade ein seltener Name ist, hatte ihn nicht mit dieser Lady in Verbindung gebracht, zumal sie altersmäßig eigentlich gar nicht zu George McCormick passte.

„Über Ihren Mann habe ich tatsächlich eine Menge in der Zeitung gelesen“, erklärte ich.

George McCormick war Mitte fünfzig und wurde verdächtigt, in einen gewaltigen Korruptionsskandal verwickelt zu sein. Allerdings nur in einen von vielen und die Zeitung sprach davon, dass es in den letzten Monaten eigentlich schon verdächtig ruhig in Chicago gewesen war.

„Die Affäre um Ihren Mann köchelt doch schon eine ganze Weile auf Sparflamme dahin“, meinte ich. „Soweit ich weiß, soll er Gelder, die eigentlich für die Instandhaltung der Abwasserkanäle gedacht waren, in den Bau von Wohnblocks umgeleitet haben.“

„George hat mich nie in seine Arbeit eingeweiht - und ich habe mich da auch immer völlig heraus gehalten“, behauptete Cynthia McCormick. „Die Polizei glaubt jetzt, dass mein Mann die Wertsachen zusammengesucht hat und untergetaucht ist, bevor die Justiz zuschlagen konnte.“

Ich hob die Augenbrauen „Und Sie halten das für völlig ausgeschlossen?“

Ihr Lächeln wirkte kühl und geschäftsmäßig. „Wenn Sie mir auch nicht glauben, sind Sie vielleicht der falsche Mann für diesen Job, Boulder.“

„So habe ich das nicht gemeint, Mrs McCormick“, versuchte ich sie sofort wieder zu beruhigen.

„Und wie dann?“, fragte sie.

„Ich dachte nur, dass Sie vielleicht dasselbe denken würden, wenn Sie bei der Polizei wären!“

Sie schüttelte den Kopf. „Nein, Mister Boulder, ich bin mir sicher, dass mein Mann einem Verbrechen zum Opfer fiel.“

„Irgendwelche weiteren Anhaltspunkte haben Sie dafür aber nicht, oder?“

„Er hat die besten Anwälte und jede Menge Freunde in der Stadtverwaltung! Ich glaube einfach nicht, dass die Sache mit den –angeblich! – veruntreuten Geldern für die Sanierung der Abwasserrohre ein Grund für ihn gewesen wäre, einfach alles stehen und liegen zu lassen.“

„Wie war Ihr Verhältnis?“, stellte ich jetzt eine heikle Frage, bei der ich bei dieser empfindsamen Mimose damit rechnen musste, dass sie mir den Job gleich wieder entzog. Aber alles hatte seine Grenzen.

Meine Kompromissfähigkeit auch.

Ich halte mich für einen ganz guten Detektiv. Manchmal kann ich sogar Wunder vollbringen – aber immer nur dann, wenn alle Fakten auf dem Tisch liegen.

Und das war ein Stadium, von dem wir in diesem Fall noch weit entfernt waren.

„George liebt mich!“, behauptete sie. „Er weiß, was er an mir hat. Regelrecht auf Rosen gebettet hat er mich…“

„Und was empfinden Sie ihm gegenüber?“, unterbrach ich sie.

„Nun, er…“ Sie zögerte, dann trat sie etwas näher an mich heran.

Ich konnte ihr Parfum riechen. Wahrscheinlich kostete ein Flakon davon mehr, als ich in einer Woche durchschnittlich verdiente. Sie spreizte den Arm mit der Zigarettenspitze etwas ab und sah mich mit ihren dunkelbraunen Rehaugen an.

Eins musste man ihr lassen – den Augenaufschlag hatte sie gut drauf. Wahrscheinlich hatte sie in ihrem langweiligen Luxusleben kaum etwas anderes gemacht, als vor dem Spiegel zu posieren und dabei ihre Wirkung genau zu kalkulieren.

Ein paar Jahre früher und sie hätte es beim Film versuchen können.

Aber sie hatte auf eine andere Option gesetzt und die hieß George McCormick. Ein sorgenfreies Leben an der Seite eines reichen Mannes.

Vielleicht war ihre Entscheidung ganz richtig gewesen, denn für die neumodischen Tonfilme war ihre Stimme einfach entschieden zu schrill.

„Es gibt niemand, der mit George vergleichbar wäre“, sagte sie.

„Und ich weiß genau, dass er mir so etwas nicht angetan hätte!“

„Okay, ich bekomme normalerweise 25 Dollar am Tag plus Spesen. Aber in Ihrem Fall sind die Ermittlungen aufwändiger, da muss ich 40 nehmen.“

Das schien sie nicht weiter zu stören. „Kein Problem. Ich bezahle Sie für eine Woche im Voraus, da ich annehme, dass es eine Weile dauert, bis Sie etwas herausgefunden haben.“

„Gut.“

„Außerdem bekommen Sie zehn Prozent des Wertes für jedes wiederbeschaffte Stück aus der Beute des Einbruchs.“

„Wie viel ist da insgesamt abhanden gekommen?“, fragte ich.

Sie ließ die Zigarette noch einmal aufglimmen und machte eine Pause, um ihren Worten eine größere Wirkung zu verleihen.

Außerdem versuchte sie ihrer Stimme einen betont dunklen Klang zu geben, was in ihrem Fall einfach gegen die Natur war. „Ich denke insgesamt hatte der Schmuck einen Wert von 50 000 Dollar. Mindestens!“

Ich pfiff durch die Zähne und dachte: Vielleicht hätte ich noch mehr verlangen sollen!

Andererseits stiegen mit dem Honorar wahrscheinlich auch Mrs McCormicks Erwartungen ins Unermessliche und da es voraussehbar war, dass ich die am Ende nicht erfüllen konnte, bedeutete das im Endeffekt nur Ärger für mich.

„Machen Sie mir bitte eine möglichst vollständige Liste aller verschwundenen Gegenstände. Je genauer die Beschreibung ist, desto größer die Chance für mich, die Klunker ich irgendwo aufzutreiben.“

„Das habe ich bereits erledigt!“, sagte sie, griff in ihre Handtasche und holte ein Kuvert daraus hervor, das sie mir anschließend übergab. Es enthielt tatsächlich eine beeindruckende Liste von Schmuckstücken. Der Gesamtwert von 50 000 Dollar war dabei eher niedrig angesetzt, wie ich feststellte. Ihre Handschrift beeindruckte mich. Sie war sehr klein und wirkte gestochen scharf. Da war kein überflüssiger Tintenklecks und die Striche ließen nicht einmal den Hauch von Unsicherheit erkennen.

Eine Frau, die genau wusste, was sie tat und sehr penibel war, so sagte mir mein Wissen als Amateurgraphologe.

„Ich denke, damit kann ich etwas anfangen“, sagte ich und drückte damit aber in erster Linie wohl eine Hoffnung aus.

Cynthia McCormick atmete tief durch. Sie trat ans Fenster, blickte hinaus in die Stadt und glaubte sich wohl einen Moment lang unbeobachtet. Aber ich sah von der Seite, wie sich ihre Gesichtszüge entspannten.

Irgendetwas stimmte mit diesem Gesicht nicht. Ich vermochte nicht zu sagen, was genau es war. Ich fand nur, dass eine besorgte Witwe anders aussah.

Aber die Aussicht, zehn Prozent vom Wert des verschwundenen Schmucks meinem Konto gutschreiben zu können, verscheuchte diese Bedenken sehr schnell.

Was den Kopf betraf, ging das ganz schnell.

In der Magengegend hielt sich das ungute Gefühl etwas länger und eigentlich war es besser, seiner Instinkte nicht einfach zu ignorieren.

Sie drehte sich wieder herum und schluckte. Ihre Stimme klang Tränen erstickt und im Ganzen machte ihr Auftritt einen ziemlich theatralischen Eindruck auf mich. Breitwand-Kino für ein Ein-Mann-Publikum.

„Sie verständigen mich doch sofort, wenn Sie etwas herausgefunden haben, oder?“

„Natürlich.“

„Ich wusste gleich, dass der Fall bei Ihnen in guten Händen ist, Mister Boulder.“

„So?“

„Ja, Sie haben… das gewisse Etwas eben, das einen sofort erkennen lässt, es mit jemandem zu tun zu haben, der es ehrlich meint.“

Nach vollkommener Ehrlichkeit war mir an diesem Tag einfach nicht, darum unterließ ich es, ihr zu widersprechen.

„Wie gesagt, ich werde tun, was ich kann!“

„Das ist gut!“

Nachdem Cynthia McCormick gegangen war, beobachtete ich noch durch das Fenster, wie sie in einen grauenhaft geparkten Cadillac einstieg und sich mit einigen Schwierigkeiten schließlich in den Verkehr einfädelte.

6

Ich machte mich gleich an die Arbeit und ließ mich mit der Chicago Tribune verbinden und hatte schließlich Braden Naismith, mit dem ich des Öfteren Informationen austauschte. Wir hatten beide etwas davon.

Ich erwischte ihn im Redaktionsbüro.

„Hallo, Braden! Hier Pat Boulder. Wie geht’s?“

„Willst du mich wieder von der Arbeit abhalten?“

Braden Naismith’ Gebiet war der Sport, aber das hieß ja nicht, dass er sich die Ohren zuhielt, wenn die Kollegen miteinander sprachen.

„Ich dachte, wir könnten uns vielleicht treffen. Ich stecke da in der Klemme.“

Braden seufzte hörbar. „Wie üblich. Was wäre bloß aus dir geworden, wenn dein Dad mich nicht gebeten hätte, auf dich aufzupassen? Steckst du nicht in der Sache mit der Frauenleiche drin, die man aus dem Lake Michigan gefischt hat?“

Ich horchte auf. „Woher weißt du das denn?“

„Mein Kollege Doug Nolan hat mit der Polizei gesprochen. Wir teilen uns zurzeit einen Schreibtisch.“

Ich unterdrückte ein Gähnen. „Als Sportreporter hättest du doch die Chance, dich ausschließlich den schönen Dingen des Lebens zu widmen.“

„Du sagst es. Und stattdessen muss ich dir aus der Klemme helfen! Worum geht’s denn?“

„Nicht hier am Telefon, Braden.“

„So brisant?“

„Ja.“

„Dann am üblichen Ort. In einer Stunde. Dann mache ich sowieso Mittag. Aber sei pünktlich, Pat!“

„Worauf die dich verlassen kannst!“

7

Der übliche Ort war Henry’s Steak Diner in der North Dearborn Street, nicht weit vom Redaktionsgebäude der Chicago Tribune entfernt.

Braden Naismith wartete bereits vor einer Tasse Kaffee auf mich.

Ich wusste, dass die Flüssigkeit in der Tasse zwar braun war, es sich aber um etwas ganz anderes als Kaffee handelte.

Ein Kellner brachte auch mir unaufgefordert eine Tasse und schenkte uns beiden aus einer silbernen Kanne nach.

Mit einem Laut des Wohlbehagens leerte Braden Naismith den Inhalt in einem Zug und ließ sie sich gleich wieder auffüllen.

„Es lebe die Prohibition!“, grinste er.

Vor dem massigen Mann lagen ein Block und ein gespitzter Bleistift.

Braden wartete, bis der Kellner verschwunden war.

„Erzähl mir, was du mit der Kleinen aus dem Lake Michigan zu tun hast! Drohen da Schwierigkeiten? Die Tote hatte eine Visitenkarte von dir bei sich, oder?“

„Gut recherchiert!“, gab ich zu. „Bist du Hellseher geworden oder hat dich dein Kollege soweit erzogen, dass du ihm im Ressort Mord und Totschlag aushilfst?“

„Nein, ich war nur dabei, als er mit Captain Chesterfield telefonierte. Außerdem hat er jemanden bei der Leichenhalle, der ihm ab und zu ein paar Tipps gibt, wenn sich was Interessantes tut.“

„Ich kann dir nicht viel sagen, außer die Kleine aus dem See maximal fünf Minuten mit mir gesprochen hat. Und das liegt auch schon eine Weile zurück.“

„Am Telefon hast du gesagt, du wärst in einer Klemme!“

„Man kann es auch anders ausdrücken. Ich habe einen Riesenfisch an der Angel, aber die Sache ist so heiß, dass man sich daran leicht die Finger verbrennen kann!“

„Dann schieß mal los!“

Ich führte die Tasse zum Mund und grinste. „Ich dachte wirklich, das wäre Kaffee…“

Ich beugte mich etwas vor und sprach in gedämpftem Tonfall. Ein anderer Gast war bereits auf uns aufmerksam geworden. Ein wieselartiger, kleiner, gedrungen wirkender Man mit spitzer, leicht nach oben zeigender Nase und einem Mantel, der aussah, als müsste er ihn für seinen großen Bruder auftragen.

Das Wiesel blickte zu uns hinüber.

Seine Vorderzähne standen etwas vor, wie bei einem Nagetier, was den wieselartigen Eindruck ebenso verstärkte wie die ruckartigen, gehetzten Bewegungen und der unruhige Blick.

Als ich in seine Richtung sah, blickte er sofort zur Seite.

Braden Naismith begriff sofort was los war.

„Der Bursche ist harmlos, Pat.“

„Ach, ja?“

„Du kannst dich auf mich verlassen!“

„Für jemanden, der harmlos ist, glotzt er mich aber ziemlich intensiv an und irgendwie habe ich das Gefühl, dass seine Ohren dabei immer länger werden!“

Braden Naismith lachte leise in sich hinein und trank seine Tasse

„Kaffee“ aus. „Gut beobachtet. Wir warten alle schon darauf, dass ihm die Ohren irgendwann bis auf den Boden fallen. Aber Neugier ist nun einmal eine Voraussetzung für unseren Job, Pat…“

„Dann ist er einer von euch?“

„Ja, er arbeitet seit zwei Wochen bei der Chicago Tribune. Ich würde in seiner Gegenwart nicht gerade über meine dunkelsten Familiengeheimnisse quatschen, aber eigentlich ist gegen ihn nichts zu sagen.“

„Wie heißt er?“

„Dave Mobury. Der kriegt alles mit und wenn man nicht aufpasst, hat er einem die Story wegstibitzt, hinter der man selbst her war!“

„Ach, so einer…“

„Der Chef mag ihn.“

„Verstehe.“

„Glücklicherweise überzieht er immer maßlos seine Mittagspausen, so wird es nicht gar zu innig zwischen den beiden!“

Mobury schob seine Tasse und einen Teller, der aussah wie glatt geleckt zur Seite, legte ein paar Münzen auf den Tisch, dass es klapperte und nahm den Hut vom Haken. Dann ging er hinaus. Kurz bevor er die Tür passierte, blickte er noch mal kurz zu uns herüber und verzog das Gesicht zu einem verlegenen Grinsen, das seine Nagetierzähne freilegte.

Braden nickte ihm zu.

Das Wiesel verschwand.

„Und jetzt pack aus, Pat!“, forderte Braden Naismith. „Worum geht es?“

„Der Name McCormick sagt dir was?“

Braden Naismith musste schlucken.

„ Der McCormick? McCormick, der Herr der Kanalratten?“

„Fast. Seine Frau war bei mir und hat mich beauftragt ihren verschwundenen Mann zu suchen.“

„Das ist nicht dein Ernst!“

„Sie glaubt, dass da ein Zusammenhang mit einem Wohnungseinbruch besteht, bei dem Schmuck im Wert von 50 000 Dollar abhanden gekommen ist.“

Braden Naismith lachte so laut und schallend, dass der Kellner auf ihn aufmerksam wurde. Er nutzte die Gelegenheit, um sich noch etwas „Kaffee“ nachfüllen zu lassen. Ich nahm auch noch eine Tasse.

So eine Gelegenheit ließ ich mir nicht entgehen. Es geht schließlich nichts über echtes Kaffee-Aroma.

Als der Kellner sich wieder zurückgezogen hatte, beugte sich Braden über den Tisch. Seine Stimme wurde zu einem leisen Wispern.

„Die Kollegen sind an der Sache dran.“

„Und ich nehme an, dass du so einiges mitbekommen hast, Braden!“

„Na ja, ich will nicht übertreiben.“

„Meine Chancen stünden jedenfalls besser, wenn du mich auf die richtige Fährte setzen würdest! Ich weiß nämlich ehrlich gesagt nicht so recht, was ich von Mrs McCormick halten soll. Die Polizei glaubt, dass McCormick den Einbruch selbst in Auftrag gegeben hat, um sich mit dem Schmuck absetzen zu können – offenbar ohne seine Frau in seine Pläne mit einzubeziehen.“

Braden zuckte die Schultern. „Ich sage es ungern, aber ich glaube, die Polizei könnte durchaus Recht haben.“

„Das habe ich befürchtet.“

„McCormick steht das Wasser bis zum Hals. Was mich an der Sache wundert, ist eigentlich nicht, dass McCormick ein korrupter Hund ist, der allerlei krumme Dinger am Laufen hat…“

„Sondern?“

„Verwunderlich ist der Zeitpunkt, da dies alles an die Öffentlichkeit gekommen ist. Dass George McCormick sich illegal bereichert hat, pfiffen doch die Spatzen von den Dächern. Du brauchst nur mal einen Blick in einen x-beliebigen Abwasserkanal zu werfen und dir dann die Summen ansehen, die angeblich für dessen Renovierung ausgegeben worden sind. Dann weißt du, dass da was faul ist!“

„Du meinst, man hat McCormick absichtlich über die Klinge springen lassen?“

„Natürlich!“

„Lass ich raten: Er hat vorher Wind davon bekommen und gerade noch rechtzeitig die Kurve gekratzt, bevor man ihn ins Loch stecken konnte.“

Braden nickte. „Du hast es erfasst, Pat.“

„Und wer steckt deiner Meinung nach dahinter?“

„Ich weiß aus ziemlich zuverlässiger Quelle, was da im Hintergrund abgelaufen ist.“

Ich grinste. „Raus damit! Ich hänge an deinen Lippen wie an einer Flasche Bourbon!“

„O’Donovan – das Fass – hat bisher wohlwollend seine schützenden fetten Patschhändchen über McCormick gehalten. Aber aus irgendeinem Grund ist damit jetzt Schluss…“

Ich pfiff durch die Zähne. Seamus O’Donovan, aufgrund seiner nicht gerade besonders grazilen Erscheinung „The Jar“ – „das Fass“ genannt – war der Boss der irischen Mafia. Sein Einfluss reichte bis in die Spitzen der Stadtverwaltung. Dass McCormick auf der Liste von O’Donovans Günstlingen gestanden hatte, war nicht weiter verwunderlich. Interessanter war der Grund, den „das Fass“ gehabt hatte, ihn ausgerechnet jetzt fallen zu lassen.

Ich hakte bei Braden Naismith noch mal deswegen nach.

Aber der Mann von der Chicagio Tribune hob nur bedauernd die Hände. „Tut mir leid, Pat! Mehr weiß ich auch nicht. Aber ich habe es aus erster Quelle und wenn ich etwas hören sollte, dann lass ich es dich wissen.“

„Wozu hat man Freunde!“

„Eben!“

„Verrätst du mir auch noch, wer die Quelle dieser Story ist?“

„Von dem solltest du die Finger lassen, Pat – sonst bricht er sie dir!“

„Dann nehme ich mal an, dass es sich nicht um einen hoch anständigen Kollegen von der Tribune handelt!“

Braden Naismith seufzte. Er schien zu ahnen, dass jedwede Warnungen an meine Adresse in den Wind gesprochen waren.

„Der Bursche, von dem ich das weiß, heißt Jed Flaherty. Er ist ein Unterführer von O’Donovan.“

„Ich wundere mich über deinen schlechten Umgang, Braden!“

Braden machte eine wegwerfende Handbewegung. „Ich traf ihn neulich bei einem Boxkampf und da habe mich mit ihm so über dies und das unterhalten. Flaherty investiert nämlich gerne sein überschüssiges Geld in hoffnungsvolle Boxtalente, verstehst du?“

„Vollkommen. Wo finde ich diesen Flaherty?“

„Im Cyprus Grove Club.“

„Ist das nicht dieser neue Nachtclub in der South Side?“

„Richtig. Der Laden gehört einem gewissen Peter Stephens, auch ein Ire. Aber das ist nur ein Strohmann. In Wahrheit landet jeder Lincoln, der da umgesetzt wird, irgendwann über ein paar Ecken auf Jed Flahertys dickem Bankkonto.“ Braden Naismith hob die Tasse.

„Leg dich besser nicht mit dem Kerl an.“

„Nicht, wenn es sich vermeiden lässt“, versprach ich.

„Er hat immer einen fiesen Schläger bei sich, vor dem ich mich in Acht nehmen würde.“

„Ich werde mich in Acht nehmen“, versprach ich. „Ach, noch etwas! Wie sieht Flaherty eigentlich aus?“

„Hager, rothaarig, trägt einen Bowler-Hut und die Farbe seiner Einstecktücher beißt sich mit der seiner Krawatten. Er hat einen miserablen Geschmack, was das angeht.“

8

Am Abend zwängte ich mich erst in meinen Smoking und anschließend hinter das Steuerrad meines 24er Plymouth um in die South Side zu fahren.

Von der Cyprus Grove Bar hatte ich schon gehört, aber den Besuch in derartigen Luxus-Läden kann ich mir nur erlauben, wenn ich dafür einem Klienten die Spesen aufs Auge drücken kann.

Den Plymouth stellte ich in einer Nebenstraße ab.

Ich begab mich zum Eingang. Ein großer bulliger Kerl, dessen gewaltige Oberarmmuskeln beinahe die Ärmel seines Jacketts sprengten, ließ mich herein. Vorher musterte er mich von oben bis unten. Kleider machen eben doch keine Leute. Er schien genau zu spüren, dass ich nicht der typischen Klientel des Cyprus Grove Club entsprach. Ich zückte einen Zehndollarschein und verhinderte damit gerade noch wirkungsvoll, dass er weiter darüber nachdachte.

Wenig später gab ich meinen Mantel an der Garderobe ab.

Im Inneren der Bar herrschte dichtes Gedränge.

Eine Jazz-Band spielte.

Der Geruch nach Alkohol hing in der Luft. Er wurde hier ganz offen ausgeschenkt. Der Besitzer und seine Freunde, von denen Seamus O’Donovan sicherlich der Einflussreichste war, hatten gute Kontakte bis nach ganz oben. Über seinen Gönner O’Donovan hatten diese Verbindungen bis in die höchsten Spitzen der Stadtverwaltung gereicht. Zum Büro des Bürgermeisters ebenso wie zur Residenz der Gouverneure von Illinois.

Ich ließ mir einen Bourbon mit Eis geben. Ein guter Tropfen.

Ich kippte ihn hinunter und sah mich um. Niemand richtete sich hier nach den Gesetzen der Prohibition. Ganz im Gegenteil. Hier wurden in so kurzer Zeit so große Mengen vertrunken, dass man auf die Idee kommen konnte, dass da etwas nicht mit rechten Dingen zuging.

Solange Seamus O’Donovan seine mächtige Pranke über dieser Bar hielt, würde nichts passieren und die Chicago Police zufälligerweise immer nur dann auftauchen, wenn es nichts zu ermitteln gab. Weder an Drogen noch an Hochprozentigem.

Ich hielt mich eine Weile am Schanktisch auf und hörte den Gesprächen der anderen zu. Eine der Ladies, die man dazu angestellt hatte, den Umsatz zu steigern, musterte mich von oben bis unten und paffte dabei mit ihrer Zigarette herum, die sie auf eine Spitze gesteckt hatte.

Sie war dunkelhaarig, trug einen Bubikopf mit irgendeinem Federzeug und ein eng anliegendes, fließendes Kleid, das die Vorzüge ihrer Figur deutlich zur Geltung brachte.

„Sie habe ich hier noch nie gesehen“, stellte sie fest.

Ich grinste.

„Ich Sie auch noch nicht.“

Sie kam etwas näher. Ihre Augen waren grün wie Absinth.

„Geben Sie mir einen Drink aus?“

„Das wird meine Brieftasche gerade noch verkraften.“

„Kommt darauf an, was ich bestelle.“

„Legen Sie es etwa darauf an, mich ruinieren?“

„Was glauben Sie, wofür ich hier bezahlt werde!“

„Reizender Job, den Sie haben.“

Sie bestellte einen Drink, der sich im preislichen Rahmen hielt.

Dafür kippte sie ihn hinunter, als wäre es ein Fruchtsaft. Sie musste eine bemerkenswerte Alkoholresistenz entwickelt haben.

Sie begann, am Revers meines Jacketts herum zu nesteln, aber das ging mir dann doch etwas zu schnell und zu weit. Erstens war ich nicht zum Vergnügen hier und zweitens konnte ich es mir nicht leisten, den Vorschuss, den mir Mrs McCormick gegeben hatte, gleich in eine Nacht mit diesem gefiederten Vögelchen umzusetzen.

„Ich heiße Madeleine“, behauptete sie.

„Aus Kanada, was?“

„Mais oui!“

Wahrscheinlich kam sie aus South Dakota oder Nebraska und war in der Nähe irgendeiner Kuhweide groß geworden, so malte ich mir aus. Aber das klang irgendwie nicht so nach dem, was ein Mann sich vorstellen wollte, der den Cyprus Grove Club besuchte.

„Sind Sie öfter hier?“

„Ich gehöre gewissermaßen zum Inventar des Hauses, wenn Sie verstehen, was ich meine, Mister…“

„Nur zu gut!“

Sie hob das Glas. „Kriege ich noch einen Drink?“

Ich antwortete mit einer Gegenfrage. „Wo finde ich Jed Flaherty?“

Sie wirkte etwas überrascht. „Keine Ahnung.“

„Ich wette, Sie haben sehr wohl eine Ahnung, Madeleine. Wenn Sie hier zum Inventar gehören…“ Ich langte in meine Jackett-Innentasche und holte einen Lincoln aus der Brieftasche.

Den schob ich ihr hin.

Vielleicht liegt es an dem Kinnbart, aber Abraham Lincoln schien einen immer ziemlich missmutig von den Fünf-Dollar-Noten entgegen zu blicken. Wahrscheinlich war es der pure Neid.

Schließlich hatten seine viel unbedeutenderen Amtskollegen Hamilton und Jackson die Zehn- und Zwanzig-Dollarnote bekommen, obwohl heute kaum noch jemand wusste, dass sie mal Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika gewesen waren.

„Sie unterschätzen mich!“, sagte sie, nahm die Zigarettenspitze mit zwei Fingern und blies mir den Rauch ins Gesicht.

„Sagen Sie Flaherty - wo immer er hier auch stecken mag! -, dass jemand wegen der McCormick-Sache mit ihm reden will!“

Sie steckte jetzt den Lincoln doch ein. So groß war ihr Stolz dann offenbar doch nicht ausgeprägt.

„Was soll ich ihm sagen, wer ihn sprechen will?“

„Tun Sie einfach, was ich gesagt habe.“

„Für einen zweiten Lincoln mache ich das glatt!“

Mir blieb nichts anders übrig, als noch einmal in die Brieftasche zu langen.

Sie nahm den zweiten Lincoln und strich mir damit provozierend über das Revers meines Jacketts. „Sie sollten Ihren Anzug mal bügeln lassen, dann fallen Sie in einem Laden wie diesem auch nicht gleich so auf!“

Ich warf einen Blick auf das Federzeug, das sie am Kopf trug. „Es ist halt nicht jeder mit modischem Feinsinn geboren worden!“

„Sie sagen es!“

Sie rauschte davon. Ich bestellte noch einen Drink und kippte ihn hinunter. Madeleine verschwand durch einen Nebenausgang.

Ich war gespannt, ob ich Flaherty genügend aufgescheucht hatte, sodass er bereit war, sich auch mit mir zu unterhalten.

Wenig später kehrte Madeleine an der Seite eines Mannes zurück, der nun wirklich überhaupt nicht auf die Beschreibung passte, die mir Braden von Flaherty gegeben hatte. Er war ein Hüne, hatte von der Figur her wohl eher Ähnlichkeit mit den zukünftigen Schwergewichtschamps, die Flaherty sponserte. Vielleicht hatte der Kerl mal auf Flahertys Alimentationsliste gestanden, aber die ganz große Karriere trotzdem verpasst. Aber um als Schläger für einen Unterboss für einen irischen Syndikatsboss aufzutreten, reichten seine Künste vielleicht noch.

Ich wettete zehn zu eins, dass dieser Mann jener miese Schläger war, vor dem mich Braden Naismith gewarnt hatte.

Er trat neben mich. Das Feder-Vögelchen hielt sich bewusst abseits, sie winkte mir nur einmal kurz zu. Irgendwie wirkte sie auf einmal ziemlich blass um die Nase und ich fragte mich, ob das wirklich an einem übermäßigen Gebrauch von Puder und Make-up lag oder weil sie genau wusste, was hier gespielt wurde und ich anscheinend der einzige Dumme bei der Sache war.

Aber ich hatte keineswegs vor, diese Rolle anzunehmen.

Der Hüne legte mir eine seiner Pranken auf die Schulter.

Es war die Linke.

Unter seiner Achsel beulte sich das Jackett. Er trug also ein Schulterholster.

„Sie wollen Flaherty sprechen?“

„Ja.“

„Dann - ab die Post.“

„Einen Moment mal. Mit wem habe ich denn das Vergnügen?“

Er verzog das Gesicht. Die obere Reihe seiner Schneidezähne bestand aus Metall, was mir sagte, dass dieser Kerl offenbar doch nicht unüberwindbar war. Irgendwann musste es wohl mal jemand geschafft haben, mitten in seinem grobschlächtigen Gesicht einen Volltreffer zu landen, der es in sich gehabt hatte.

„Ich mag’s nicht, wenn Männer mich anfassen“, sagte ich.

„Ach, was!“

„Und selbst bei Frauen bestimme ich gerne mit.“

„Halten Sie den Rand und kommen Sie einfach mit. Mister Flaherty erwartet Sie nämlich schon sehnsüchtig, Sie Kanalratte!“

Ich fragte mich, ob der Begriff Kanalratte bereits eine Anspielung darauf war, dass ich den Namen McCormick erwähnt hatte. Nach kurzem Überlegen und einem tiefen Blick in die blutunterlaufenen und nicht besonders helle wirkenden Augen des Hünen kam ich allerdings zu dem Schluss, dass das so etwas bei dem Kerl wohl mit Sicherheit auszuschließen war.

Er nahm tatsächlich seine Pranke von meiner Schulter.

„Nach Ihnen!“

„Zu gütig!“

Die Feder besetzte Bubikopf-Schönheit wandte den Kopf und wich meinem Blick aus. Sie hatte sich bereits einem anderen Gast zugewandt und ich war überzeugt davon, dass sie dessen Drink mit derselben Todesverachtung in sich hineinschütten würde, wie ich es bereits bei ihr gesehen hatte.

Der Hüne führte mich zum Nebenausgang.

Ein flaues Gefühl meldete sich in meiner Magengegend. Vielleicht hatte ich bereits zu viel Wind gemacht und der Brecher, der sich für meinen Geschmack einfach zu dicht hinter mir aufhielt, hatte den Auftrag, für eine Stillung des Sturms zu sorgen.

Auf seine Weise natürlich. Mit ein paar Schlägen seiner Eisenpranken, die wie eine Dampframme wirken mussten, wenn er sie einsetzte.

Die Tür fiel hinter dem Hünen ins Schloss. Er hatte mit dem Absatz dabei nachgeholfen. Ein langer, enger Korridor befand sich vor uns.

„Wo ist Mister Flaherty?“

„In einem Separee.“

„Ich dachte, die Separees sind im Obergeschoss?“

„Nein, hier sind auch welche.“

Was er sagte, machte sogar Sinn. Im Obergeschoss hatten die Gäste vermutlich die Gelegenheit sich, mit den Animiermädchen zurückzuziehen, während es im Erdgeschoss wohl hauptsächlich um illegales Glücksspiel ging. Eine ebenerdige Fluchtmöglichkeit war dabei immer von Vorteil.

Mister Flaherty war also ein Spieler. Ich war ihm noch nicht begegnet und wusste schon mehr über ihn, als es dem Iren wahrscheinlich lieb war.

Wir erreichten eine Tür am Ende des Korridors.

Ich blieb stehen.

„Öffnen Sie!“, verlangte der Hüne.

Als ich mit der Rechten zu Klinke griff, erkannte ich aus den Augenwinkeln heraus eine Bewegung. Der Kerl hatte nur sichergehen wollen, dass meine rechte beschäftigt war und ich ihm nicht seine künstliche Zahnreihe einschlagen konnte. Er packte mich von hinten am Kragen und schleuderte mich gegen die Tür. Ich war benommen. Blut lief mir die Stirn herunter. Ehe ich an der Tür hinunterrutschen konnte, ergriff er mich, zog mich zurück. Er stieß die Tür mit dem Fuß auf und schleuderte mich nach vorn. Ich taumelte ins Freie. Es ging ein paar Stufen hinunter. Ich landete auf dem Pflaster. Der Kopf dröhnte. Alles drehte sich vor meinen Augen.

Ich schmeckte Blut und nahm gerade noch wahr, dass mich der Hüne in einen Hinterhof geführt hatte, wo er mich offenbar in aller Seelenruhe verprügeln wollte.

Ich bekam einen Tritt in die Seite und krümmte mich zusammen wie ein Embryo.

Dann packte mich der Kerl am Kragen und wollte mich offenbar noch mal auf die Füße stellen um mir anschließend noch mal seine Rechte gerade zu geben.

Ich ließ mich erst hängen, erkannte aber ziemlich schnell, dass ich wahrscheinlich nur noch ein paar Sekunden Zeit hatte, wenn ich verhindern wollte, den Rest des Jahres in einer Klinik zu verbringen.

Mit zwei Fingern meiner Rechten stieß ich blitzschnell zu. Ich erwischte seine Augen. Er ließ mich los. Alles, was ich noch an Kraft in mir hatte, konzentrierte ich auf die Kombination aus mehreren Faustschlägen, mit denen ich anschließend auf den Kerl einhämmerte.

Benommen sackte er zu Boden.

Er stöhnte auf und ehe er sich wieder aufzurappeln vermochte, griff ich zu meiner Waffe und riss sie aus dem Schulterholster.

Ich spannte den Hahn des 38ers.

Das Klicken ließ ihn erstarren.

„Keine Dummheiten!“, sagte ich.

Mit der Linken bedeckte er die Augen. Ich hatte ihn offenbar voll erwischt.

Dann nahm er die Hand weg, blinzelte mich an.

Es war relativ hell in dem Hinterhof. Das lag weniger an der spärlichen Laternenbeleuchtung, als vielmehr an den erleuchteten Fenstern in den umliegenden Gebäuden. Eine Mixtur verschiedener Jazzbands erfüllte leise die Luft. In der South Side war abends eben immer was los.

„Nichts für ungut!“, knurrte er.

„Aufstehen!“

„Hey, Mann…“

„Ich sagte aufstehen!“

Er gehorchte. Ich durchsuchte ihn nach Waffen, zog ihm den Revolver heraus. Einhändig öffnete ich die Trommel und ließ die Patronen auf das Kopfsteinpflaster fallen. Es gab jedes Mal ein metallisch klingendes Geräusch dabei. Dann warf ich die Waffe ein paar Yards in Richtung von ein paar überquellenden Mülltonnen.

Etwas Dunkles huschte dahinter hervor. Erst dachte ich, es wäre eine Ratte, aber es war eine Katze, die schwarz wie die Nacht war.

Ich setzte dem Hünen den kurzen Lauf des 38er an den Bauch, der bereits erste Anzeichen eines Fettansatzes zeigte und durchsuchte auch die Taschen. Einen Schlagring und ein Klappmesser fand ich noch. In der rechten Innentasche war außerdem noch ein sehr zierlicher Revolver vom Kaliber 22, den er offenbar als Zweitwaffe verwendete.

Ich nahm an, dass ich den Schlagring wohl noch zu spüren bekommen hätte – vorausgesetzt, ich wäre lange genug bei Bewusstsein geblieben, um davon überhaupt noch etwas mitzubekommen.

In einer seiner Jackett-Taschen fand ich noch ein paar goldene Armreifen, eine Kette, in deren Anhänger Rubin und Bernsteine verarbeitet waren sowie eine Schatulle mit einigen Diamant-Ringen.

Ich brauchte nicht erst in die Kiste zu sehen, die Cynthia McCormick angefertigt hatte, um zu sehen, dass diese Stücke zur Beute aus der McCormick-Villa gehörten.

Ich ließ den Schmuck in die Seitentaschen meines Jacketts rutschen.

„Scheint so, als würde eine schwarze Katze doch kein Pech bedeuten!“, meinte ich.

„Kommt immer darauf an, aus welchem Blickwinkel man das sieht!“, knurrte mein Gegenüber zwischen den Zähnen hindurch.

„Woher haben Sie die Stücke?“, fragte ich und drückte ihm den Lauf etwas kräftiger in den Wanst, um ihn daran zu erinnern, wer im Moment von uns beide das bessere Argument auf seiner Seite hatte.

„Mann, das ist doch bekannt, dass ich mit so etwas hin und wieder hausieren gehe…“

„Mit so heißer Ware? Wem wollen Sie das erzählen?“

„Wieso soll das heiße Ware sein?“

„Stellen Sie sich nicht dümmer als Sie sind! Die Brocken kommen von dem Einbruch in die McCormick Villa und…“

„Ich habe damit nichts zu tun!“, zeterte der Hüne.

„Wo ist Flaherty?“

„Den Korridor zurück, die dritte links und dann wieder links.“

„Danke.“

Ich schlug ihn mit dem Lauf des 38ers nieder. Er sackte wie ein gefällter Baum zu Boden und blieb betäubt liegen. Dass dieser Muskel bepackte Lakai mir noch irgendeine wertvolle Information hätte geben können, glaubte ich nicht. Schließlich wollte der Kerl vermeiden, dass ihm in nächster Zeit unangenehmer Besuch abgestattet wurde. Die Angst vor den höheren Rängen im irischen Syndikat war offenbar größer, als der Respekt, den ich ihm innerhalb der letzten fünf Minuten beigebracht hatte.

Ich ging zurück durch den Korridor, dann kam links eine Tür. Ich öffnete sie, was problemlos möglich war. Dahinter war ein weiterer Korridor zu finden. Er endete nach kaum mehr als zehn Yards.