8 Rules of Love - Jay Shetty - E-Book
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8 Rules of Love E-Book

Jay Shetty

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Beschreibung

Ein hochmoderner Ratgeber über die Liebe in all ihren Facetten – ein Thema für die Ewigkeit Niemand bringt uns bei, wie die Liebe geht. Romantische Filme, Serien, Bücher und Lieder beeinflussen zwar unser Denken und Fühlen, doch oft genug stellen wir fest: Wir haben eigentlich keine Ahnung. Bis jetzt. Frei von Überhöhung und Klischees zeigt uns Jay Shetty einen Weg auf, wie wir unsere Gefühle besser verstehen und nachhaltiger lieben. Basierend auf alten Weisheiten ebenso wie neuesten psychologischen Studien erläutert er, wie wir Liebe finden und pflegen und auch nach ihrem Ende weitermachen können. In seinem umfassenden Ratgeber widmet sich Jay Shetty der Liebe in all ihren Facetten: von der Selbstliebe über erste Dates, das Zusammenziehen und Gründen einer Familie bis hin zum Beenden einer Beziehung und dem Neuanfang nach gescheiterter Liebe. In seinen 8 Rules of Love finden wir für jeden Beziehungsstatus den richtigen Rat und lernen nach und nach, uns selbst, unsere Partner:innen und die Welt besser zu lieben, als wir je für möglich gehalten haben.

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Seitenzahl: 442

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Jay Shetty

8 Rules of Love

Vom Finden, Bewahren und Loslassen der Liebe

 

 

Aus dem Englischen von Harriet Fricke, Sabine Hohenester, Stefanie Kremer und Ursula C. Sturm

 

Über dieses Buch

Ein hochmoderner Ratgeber über die Liebe in all ihren Facetten – ein Thema für die Ewigkeit

Niemand bringt uns bei, wie die Liebe geht. Romantische Filme, Serien, Bücher und Lieder beeinflussen zwar unser Denken und Fühlen, doch oft genug stellen wir fest: Wir haben eigentlich keine Ahnung. Bis jetzt. Frei von Überhöhung und Klischees zeigt uns Jay Shetty einen Weg auf, wie wir unsere Gefühle besser verstehen und nachhaltiger lieben. Basierend auf alten Weisheiten ebenso wie neuesten psychologischen Studien erläutert er, wie wir Liebe finden und pflegen und auch nach ihrem Ende weitermachen können. In seinem umfassenden Ratgeber widmet sich Jay Shetty der Liebe in all ihren Facetten: von der Selbstliebe über erste Dates, das Zusammenziehen und Gründen einer Familie bis hin zum Beenden einer Beziehung und dem Neuanfang nach gescheiterter Liebe. In seinen 8 Rules of Love finden wir für jeden Beziehungsstatus den richtigen Rat und lernen nach und nach, uns selbst, unsere Partner:innen und die Welt besser zu lieben, als wir je für möglich gehalten haben.

Vita

Jay Shetty, geboren 1987, ist ein ehemaliger hinduistischer Mönch und preisgekrönter Digitalstratege. In den sozialen Medien folgen ihm weltweit 50 Millionen Menschen. Als Keynote Speaker war er u. a. bei Google, Microsoft und Netflix eingeladen. Seine Online-Seminare zu den Themen Gesundheit und Wellness besuchten bereits weit über zwei Millionen Menschen. 2020 erschien sein erstes Buch, das ein internationaler Bestseller wurde. Jay Shetty lebt in Los Angeles.

Impressum

Die amerikanische Originalausgabe erschien 2023 unter dem Titel «8 Rules of Love» bei Simon & Schuster, New York.

 

Veröffentlicht im Rowohlt Verlag, Hamburg, März 2023

Copyright © 2023 by Rowohlt Verlag GmbH, Hamburg

«8 Rules of Love» Copyright © 2023 by Jay R. Shetty

 

Redaktion Bernd Jost

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt, jede Verwertung bedarf der Genehmigung des Verlages.

Covergestaltung HAUPTMANN & KOMPANIE Werbeagentur, Zürich,

nach dem Original von Simon & Schuster

Coverabbildung Rodrigo Corral

Schrift Droid Serif Copyright © 2007 by Google Corporation

Schrift Open Sans Copyright © by Steve Matteson, Ascender Corp

Abhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.

ISBN 978-3-644-01746-7

www.rowohlt.de

 

Alle angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Printausgabe.

Inhaltsübersicht

Widmung

Einleitung

Liebe praktizieren

Der erste Aschram: Liebe vorbereiten

Der zweite Aschram: Liebe praktizieren

Der dritte Aschram: Liebe schützen

Der vierte Aschram: Liebe vervollkommnen

Erster Teil Alleinsein: Sich selbst lieben lernen

Regel 1 Sei mal allein

Regel 2 Achte auf dein Karma

Schreib Dir selbst einen Liebesbrief

Meditation des Alleinseins

Zweiter Teil Vereinbarkeit: andere lieben lernen

Regel 3 Definiere Liebe, bevor du sie fühlst, denkst oder aussprichst

Regel 4 Dein Partner ist dein Guru

Regel 5 Deine Bestimmung gibt den Ton an

Schreib einen Liebesbrief an Deinen Partner/deine Partnerin

Meditation zur Vereinbarkeit

Dritter Teil Heilen: Durch Konflikte lieben lernen

Regel 6 Gemeinsam gewinnen oder verlieren

Regel 7 Das Ende der Beziehung ist nicht dein Ende

Schreib einen Liebesbrief zur Unterstützung Deiner Heilung

Meditation zur Heilung durch Liebe

Vierter Teil Verbindung: Alle lieben lernen

Regel 8 Liebe wieder und wieder

Schreib der Welt einen Liebesbrief

Meditation zur Verbindung

Anhang

Dank

Anmerkung des Autors

Nächste Schritte

Für meine Mutter,

die mich endlos lieben lehrte

Für meine Schwester,

die mich bedingungslos lieben lehrte

Für meine Frau,

die mich im realen Leben lieben lehrte

Einleitung

«Was ist der Unterschied zwischen mögen und lieben?», fragt eine Schülerin.[1] «Wenn du eine Blume magst, pflückst du sie. Wenn du sie liebst, gießt du sie jeden Tag», antwortet die Lehrerin. Dieser Dialog veranschaulicht meine Vorstellung von Liebe. Wir werden von Schönheit angezogen – sehnen uns nach ihr – und wollen sie besitzen. Das ist die Blume, die wir pflücken und in eine Vase stellen. Mit der Lust verhält es sich wie mit dieser Blume, früher oder später verwelkt sie, und wir werfen sie weg. Entwickelt sich aus der Anziehung aber Liebe, braucht sie wesentlich mehr Pflege. Wenn wir eine Blume am Leben erhalten wollen, schneiden wir sie nicht ab. Wir geben ihr Licht, Erde und Wasser. Denn nur wenn du dich über einen längeren Zeitraum um eine Blume kümmerst, kommst du in den vollen Genuss ihrer Schönheit – ihrer Frische, ihrer Farbe, ihres Dufts, ihrer Blüten.

Du nimmst jedes Detail ihrer Blütenblätter wahr. Du beobachtest, wie sie auf die Jahreszeiten reagiert. Und du erfreust dich an jeder neuen Knospe und bist begeistert, wenn sich die Blüten öffnen.

Liebe zieht uns an wie eine Blume – zuerst durch ihre Schönheit und ihren Zauber –, doch am Leben erhalten wir sie nur durch kontinuierliche Pflege und Aufmerksamkeit. Liebe erfordert täglichen Einsatz. Mit diesem Buch möchte ich dir helfen, deine Liebesfähigkeit weiterzuentwickeln. Ich werde dir Übungen, Denkweisen und Werkzeuge vorstellen, die es dir ermöglichen, auf eine Art zu lieben, die dir das ganze Jahr über Freude bringt.

Es heißt, das höchste Ziel des Menschen sei es, zu lieben und geliebt zu werden. Wir glauben an die Liebe – fühlen uns von Liebesgeschichten magisch angezogen, sehnen uns nach einer eigenen und hoffen auf die wahre Liebe. Doch viele von uns haben sich schon wie eine gepflückte Blume gefühlt, die verwelkt und ihre Blüten verliert. Vielleicht kennst du das Gefühl oder hast selbst schon einige Blumen gepflückt und weggeworfen. Oder du hast bisher keine Liebe gefunden und bist noch auf der Suche. Enttäuscht werden kann man auf etliche Arten: Du hast an eine Liebe geglaubt und fühlst dich jetzt an der Nase herumgeführt. Du hast etwas für Liebe gehalten, das dann doch nur Lust war. Du hast fest an eine Liebe geglaubt, die sich als Lüge entpuppte. Du hast ewige Liebe erwartet und musstest mitansehen, wie sie erlosch. Manche haben Angst vor einer Bindung oder suchen sich nur Menschen aus, die sich nicht binden können. Andere haben zu hohe Erwartungen und geben dem anderen keine Chance. Vielleicht hängst du noch an dem oder der Ex oder hattest in der Liebe längere Zeit eine Pechsträhne. Doch statt dich auf falsche Versprechen oder eine nicht erfüllende Beziehung einzulassen, statt dich mutlos zu fühlen oder dir das Herz brechen zu lassen, möchte ich dir helfen, eine umfassende Liebe zu erleben.

 

Romantische Liebe ist ein vielschichtiges Phänomen. Im Verlauf der Jahrtausende ist sie in verschiedenen Kulturen unzählige Male beschrieben worden. Der Psychologe Tim Lomas, der an der Harvard University im Rahmen des Human Flourishing Program forscht, hat fünfzig Sprachen analysiert und ist dabei auf vierzehn Arten von Liebe gestoßen.[2] Die alten Griechen etwa kannten sieben: Eros – die leidenschaftliche, körperliche Liebe, Philia – die freundschaftliche Liebe, Storge – die Liebe zu Familienangehörigen, Agape – die universelle Liebe, Ludus – die spielerische, unverbindliche Liebe, Pragma – die zweckmäßige, zielgerichtete Liebe, und Philantia – die Selbstliebe.[3] Bei der Auswertung von bis zu dreitausend Jahre alter chinesischer Literatur stieß man ebenfalls auf verschiedene Formen von Liebe, von leidenschaftlich und obsessiv über hingebungsvoll bis hin zu unverbindlich.[4] In der tamilischen Sprache gibt es über fünfzig Wörter für Liebe in all ihren Schattierungen, so zum Beispiel Liebe als Barmherzigkeit, Liebe in einer erfüllenden Beziehung oder ein durch Liebe ausgelöstes Wohlgefühl.[5] Im Japanischen beschreibt koi no yokan[6] das Gefühl, einem Menschen zum ersten Mal zu begegnen und sofort zu wissen, dass man sich in ihn verlieben muss, während kokuhaku[7] das Eingeständnis einer Liebe meint. In der indischen Sprache Boro bezeichnet onsra[8] die Gewissheit, dass eine Beziehung zum Scheitern verurteilt ist.

Auch in unserer Kultur wird Liebe auf unzählige Arten beschrieben. Schauen wir uns die Billboard-Charts der fünfzig besten Liebeslieder aller Zeiten an, dann ist Liebe «a second-hand emotion» [ein gebrauchtes Gefühl] (Tina Turner), ein «Rollercoaster» [eine Achterbahnfahrt] (Ohio Players), ein «Hangover» [Kater] (Diana Ross), ein «crazy little thing» [eine verrückte kleine Sache] (Queen).[9] In Filmen wird Liebe idealisiert, nur erfahren wir fast nie, was nach dem «glücklich bis an ihr Lebensende» eigentlich geschieht. Da wir tagtäglich von so vielen Formen und Facetten der Liebe umgeben sind, möchte ich dir mit diesem Buch helfen, eine eigene Definition von Liebe zu entwickeln, und dir außerdem das Rüstzeug an die Hand geben, diese Liebe jeden Tag zu geben und zu empfangen.

 

Mit einundzwanzig ließ ich meine Abschlussfeier am College sausen und ging in einen Aschram in einem Dorf am Rande von Mumbai. Dort lebte ich drei Jahre lang als Mönch, meditierte, studierte alte Schriften und war mit den anderen Mönchen ehrenamtlich in einer gemeinnützigen Organisation aktiv.

Die ältesten Schriften, die wir studierten, heißen Veden. Sie wurden vor über fünftausend Jahren in Sanskrit auf Palmblätter geschrieben. Die meisten dieser Blätter haben die Zeit nicht überdauert, aber die Texte sind erhalten geblieben. Einige kann man sogar im Internet lesen. Dass sie auch in der modernen Welt noch relevant sind, erstaunt und inspiriert mich immer wieder aufs Neue. Inzwischen studiere ich die Veden seit sechzehn Jahren, und in meinen drei Jahren als Mönch habe ich mich intensiv mit ihnen auseinandergesetzt. Als mir klar wurde, wie leicht umsetzbar die in ihnen enthaltenen Weisheiten sind, habe ich angefangen, ihre Botschaften mithilfe von Podcasts, Büchern und Videos mit Menschen auf der ganzen Welt zu teilen. Heute besteht ein Großteil meiner Arbeit darin, Einzelpersonen und Paare zu coachen und andere zu Coaches auszubilden. Inzwischen wenden über zweitausend Coaches die Methoden an, die ich auf Grundlage der Veden entwickelt habe.

Auch dieses Buch beruht auf den Weisheiten der Veden. Ich habe mich in diese uralten Schriften vertieft, weil in ihnen auf eine mir vorher unbekannte Art über Liebe geschrieben wird. Ihre Lehren sind einfach und leicht zugänglich – eine alte Linse, die neue Blickwinkel ermöglicht. Die Veden haben mir die Vorstellung nahegebracht, dass Liebe ein Prozess ist, der verschiedene Phasen durchläuft, und wir alle den Wunsch verspüren, zu lieben und geliebt zu werden. Bei meiner Arbeit mit Einzelpersonen und Paaren, denen ich Hilfestellung bei ihren Beziehungen gebe, wurde mir bewusst, welchen Nutzen die Lehren der Veden auch heute noch im echten Leben haben. Die Kommentare zu meinen Videos und Podcasts zeigten mir, dass viele Menschen in ihren Beziehungen mit wiederkehrenden Mustern zu kämpfen haben und auf Probleme stoßen, die ich mit meinen Klienten erfolgreich angegangen bin. Ich habe dieses Buch geschrieben, damit andere einen leichten Zugang zu den Lehren der Veden finden und sie mit Freunden, Familienangehörigen und Partnern diskutieren können. Neben den Veden dienten mir die Arbeit mit meinen Klienten, meine Reisen und mein Austausch mit anderen Mönchen als Anregungen. Mir gefällt der Ansatz, moderne Wissenschaft und uralte Weisheiten miteinander zu verknüpfen. Die hier vorgestellten Ideen verbinden beides, trotzdem wollen wir die Lehren der Veden auf neue Art anwenden, indem wir spirituelle Konzepte auf weltliche Beziehungen übertragen.

Liebe praktizieren

Niemand bringt uns bei, wie man liebt. Liebe umgibt uns, aber wie sollen wir sie von Freunden oder Familienangehörigen lernen, wenn diese doch selbst bloß improvisieren? Einige sind auf der Suche nach Liebe. Manche sind schwer verliebt und voller Hoffnung. Andere ghosten einen Menschen oder stellen ihn auf die Warmhalteplatte. Oder sie sind mit jemandem zusammen, den sie nicht lieben. Oder machen mit jemandem Schluss, weil sie nicht wissen, wie es zusammen funktionieren soll. Und einige wiederum scheinen tatsächlich eine glückliche Beziehung zu führen. Jeder hat einen guten Tipp: Du brauchst nichts weiter als Liebe. Wenn du deinem Seelenverwandten begegnest, spürst du das. Du kannst den anderen verändern. Eine Beziehung muss leicht sein. Gegensätze ziehen sich an. Woher sollen wir wissen, welches der beste Tipp ist und wie wir überhaupt anfangen sollen? Da uns niemand gezeigt hat, wie man liebt, können wir kaum erwarten, es richtig zu machen. Wie gehen wir mit unseren Gefühlen um, wenn die eines anderen damit verbunden sind? Wie können wir den anderen besser verstehen? Wie können wir eine Beziehung aufbauen und pflegen, in der beide Partner wachsen und blühen?

Die meisten Liebestipps kreisen fast ausschließlich um die Frage, wie man Mr. oder Mrs. Right findet. Wir glauben, da draußen läuft der perfekte Mensch für uns herum, unser Seelenverwandter, der oder die Eine, und Dating-Apps bestärken uns noch in dieser Vorstellung. Wenn du diesen Menschen tatsächlich findest, ist das toll, nur passiert das nicht allen von uns, und oft bleibt es nicht so rundum schön wie am Anfang. Dieses Buch verfolgt einen anderen Ansatz, denn es geht hier nicht darum, wie du den perfekten Partner findest und dann alles Weitere dem Zufall überlässt. Ich möchte dir helfen, Liebe bewusst aufzubauen, statt nur zu hoffen und zu warten, bis sie fix und fertig vor deiner Tür steht. Ich möchte dir helfen, mit den Herausforderungen fertigzuwerden, die dir auf dem Weg zur Liebe begegnen werden. Ich möchte dir helfen, eine Liebe zu erschaffen, die mit jedem Tag wächst und sich weiterentwickelt. Natürlich wissen wir nicht, wo und wann wir Liebe finden, aber wir können uns auf sie vorbereiten und das Gelernte später anwenden.

In den Veden werden vier Lebensphasen beschrieben,[1] die wir als Klassenzimmer benutzen werden, in denen wir die Regeln der Liebe erlernen, damit wir sie erkennen und das Beste aus ihr machen können. Liebe wird in den Veden nicht als schwer fassbares Konzept dargestellt, sondern als eine Aufeinanderfolge von Schritten, Stufen und Erfahrungen. Erst wenn wir die Lektionen einer Stufe gelernt haben, machen wir den nächsten Schritt. Hast du mit der Umsetzung zu kämpfen oder den nächsten Schritt zu früh gemacht, kehrst du einfach zu der Lektion zurück, die du noch vertiefen möchtest. Die vier Klassenzimmer heißen: Brahmacharya-Aschram, Grhastha-Aschram, Vanaprastha-Aschram und Sannyasa-Aschram.

Schlägst du den Begriff Aschram in einem Wörterbuch nach, findest du dort als Erklärung das Wort «Einsiedelei».[2] Wörter aus dem Sanskrit werden in der Übersetzung gern auf eine Bedeutung reduziert, obwohl sie in Wahrheit wesentlich vielschichtiger sind. Für mich ist ein Aschram eine Schule, in der man lernt, wächst und sich gegenseitig unterstützt. Ein Tempel für die Entwicklung des Selbst. So wie der Aschram, in dem ich als Mönch gelebt habe. Wir können und müssen in jeder Phase unseres Lebens dazulernen.

Stell dir das Leben als eine Reihe von Klassenräumen oder Aschrams vor, in denen du unterschiedliche Lektionen lernst.

Mit jedem Aschram erreichst du eine neue Stufe der Liebe.

Der erste Aschram: Liebe vorbereiten

Im ersten Aschram Brahmacharya bereiten wir uns auf die Liebe vor. Denn bevor wir in ein Auto steigen und losfahren, üben wir ja auch erst mal an einem sicheren Ort und machen den Führerschein. Fangen wir einen neuen Job an, bereiten wir uns darauf vor, indem wir ein neues Computerprogramm lernen, mit den neuen Kollegen über unser zukünftiges Aufgabenfeld reden oder bisher erworbene Kenntnisse auffrischen. Auf die Liebe bereiten wir uns vor, indem wir lernen, uns im Alleinsein selbst zu lieben. Alleine lernen wir, uns selbst zu verstehen, unseren Schmerz zu heilen und für uns selbst zu sorgen. Wir eignen uns Fähigkeiten an wie Mitgefühl, Einfühlungsvermögen und Geduld (Regel 1). Diese brauchen wir, wenn wir unsere Liebe mit einem anderen Menschen teilen wollen. Außerdem schauen wir uns frühere Beziehungen noch einmal an, damit wir in Zukunft nicht dieselben Fehler machen (Regel 2).

Der zweite Aschram: Liebe praktizieren

Im zweiten Aschram Grhastha werden wir unsere Liebe auf andere ausweiten. In den drei dazugehörigen Kapiteln zeige ich dir, wie du einen Menschen mit anderen Wertvorstellungen verstehst, respektierst und mit ihm an einem Strang ziehst.

Oft haben wir eine allzu einfache Vorstellung von Liebe, wir glauben, es ginge dabei nur um die Chemie und das Zusammenpassen. Tatsächlich spielt die gegenseitige Anziehungskraft am Anfang eine wesentliche Rolle, doch für mich entsteht tiefe Liebe erst, wenn man den anderen als Menschen mag, seine Werte respektiert und ihm hilft, seine persönlichen Ziele zu erreichen. Vielleicht geht es dir bei deinen Freunden so, das hoffe ich sehr, aber ich rede davon, dir diese Eigenschaften auch dann zu bewahren, wenn du mit diesem Menschen zusammenwohnst, ihn jeden Tag siehst, die Momente seines größten Glücks und seiner furchtbarsten Enttäuschung miterlebst und die Freuden und Sorgen des Alltags mit ihm teilst.

Im Grhastha-Aschram überlegen wir, woran du erkennst, ob du jemanden liebst (Regel 3), wie du mit deiner Partnerin lernst und wächst (Regel 4), wie du Prioritäten setzt und dir in einer Beziehung Zeit und Raum für dich selbst nimmst (Regel 5).

Der dritte Aschram: Liebe schützen

Vanaprastha, der dritte Aschram, ist ein Ort, an dem wir heilen und Frieden suchen können. Dort befinden wir uns nach einer Trennung oder einem Verlust oder in einer Zeit, wenn wir in unserem Familienleben einen Gang runterschalten können. Nachdem wir im Grhastha gelernt haben, anderen Liebe zu schenken, bietet sich uns hier nun die Möglichkeit, über unsere Erfahrungen mit dieser Liebe nachzudenken und herauszufinden, was unsere Liebesfähigkeit eventuell blockiert, und an Vergebung und Heilung zu arbeiten. Im Vanaprastha lernen wir, Konflikte zu lösen, um unsere Liebe zu schützen (Regel 6). Außerdem erfahren wir, wie wir uns und unsere Liebesfähigkeit schützen können, indem wir lernen, wann es besser ist, sich von jemandem zu trennen, und wie wir mit dieser Entscheidung umgehen können (Regel 7).

Der vierte Aschram: Liebe vervollkommnen

Der vierte Aschram, Sannyasa, ist die Verkörperung von Liebe – der Zustand, in dem wir unsere Liebe auf jeden Menschen und jeden Moment unseres Lebens ausdehnen. Auf dieser Stufe empfinden wir grenzenlose Liebe. Wir erkennen, dass wir jeden Menschen jederzeit lieben können. Wir lernen, immer und immer wieder zu lieben (Regel 8). Diesen perfekten Zustand streben wir an, nur erreichen können wir ihn nie.

 

Viele von uns bewegen sich durch die vier Aschrams, ohne ihre Lektionen zu verinnerlichen. Im ersten Aschram sträuben wir uns gegen das Alleinsein und verpassen die Chance, im Alleinsein zu wachsen. Im zweiten ignorieren wir die Lektionen, die uns die Herausforderungen in einer jeden Beziehung liefern. Im dritten übernehmen wir nicht selbst die Verantwortung für unsere Heilung. Und den vierten können wir uns nicht einmal vorstellen, weil wir nicht an die Möglichkeit glauben, jeden Menschen lieben zu können.

Dieses Buch hält sich an die Reihenfolge der Aschrams, die im Grunde der Entwicklung von Beziehungen folgt – Liebe vorbereiten, Liebe praktizieren, Liebe schützen und Liebe vervollkommnen. Anhand der vier Aschrams habe ich acht Regeln aufgestellt, die wir lernen müssen, und die Fähigkeiten benannt, die wir uns aneignen müssen, um von einem Aschram in den nächsten weiterzugehen: zwei Regeln für die Vorbereitung auf Liebe, drei Regeln für das Praktizieren von Liebe, zwei Regeln zum Schutz der Liebe und eine letzte, um die vollkommene Liebe wenigstens anzustreben. Acht zeitlose, universelle Regeln, die aufeinander aufbauen. Die Regeln können dir in jedem Alter und in jeder Phase einer Beziehung weiterhelfen, trotzdem möchte ich, dass du dich an die vorgegebene Reihenfolge hältst. Einige widersprechen deiner Intuition. Bei mir beginnt Liebe mit dem Alleinsein. Ich rate dir, deine Bedürfnisse vor die des Partners zu stellen. Ich erkläre dir, dass dein Partner dein Guru ist. Doch diese neuen Ansätze werden dir vor Augen führen, wie du deine Chancen, Liebe zu finden, erhöhen kannst, worauf du beim ersten Date achten musst, was du tun kannst, wenn du auf einen «Typ» festgelegt bist, wie du dich selbst darstellen kannst, wann du «ich liebe dich» sagen oder dich binden kannst, wie du mit Konflikten umgehst, wie du das Zusammenleben mit deinem Partner oder deiner Partnerin meisterst und wann du besser mit ihm Schluss machst.

Jede dieser Regeln hilft dir, Liebe ganz neu zu denken, ob du nun Single bist, in einer Beziehung lebst oder vor einer Trennung stehst. Auch in einer Beziehung kann man das Alleinsein üben. Unabhängig von deinem Beziehungsstatus kannst du dir einen neuen Umgang mit Konflikten angewöhnen. Die Regeln lassen sich nämlich in allen Lebenssituationen anwenden.

Dieses Buch ist kein Sammelsurium manipulativer Techniken. Ich liefere dir keine Anmachsprüche, mit denen du die Aufmerksamkeit anderer auf dich ziehst. Ich erkläre dir nicht, wie du dich in den Menschen verwandelst, den andere gern hätten, oder andere so hinbiegst, wie du sie gern hättest. Hier geht es darum, deine Wünsche und Schwächen bewusst anzunehmen, damit du keine Zeit mit Menschen verschwendest, die dir nicht guttun. Es geht nicht darum, Werbung für dich selbst zu machen, sondern anderen zu zeigen, was dir wichtig ist. Wut, Gier, Selbstsucht, Selbstzweifel und Unsicherheiten gilt es abzulegen, weil sie dein Herz verdunkeln und deine Liebesfähigkeit beeinflussen. In dem Prozess werde ich dir Techniken vorstellen, die dir helfen werden, Einsamkeit zu überwinden, Erwartungen loszulassen, Vertrautheit zu vertiefen und Liebeskummer zu verschmerzen.

 

Als ich beschloss, Radhi zu fragen, ob sie mich heiraten würde, überlegte ich, wie ich ihr den romantischsten Antrag aller Zeiten machen könnte. Beim Verlobungsring ließ ich mich von einem Freund beraten und kaufte ihr einen klassischen Diamantring. An einem herrlichen Frühlingsabend im Jahr 2014 verabredete ich mich mit ihr in der Nähe der London Bridge zu einem Spaziergang an der Themse (damals wohnten wir in London). Weil ich wusste, dass sie sich dann besonders hübsch anziehen würde, hatte ich ihr vorher gesagt, wir würden in einem schicken Restaurant essen gehen. Als wir auf dem Spaziergang eine Stelle mit besonders schönem Blick auf die Stadt erreichten, kam ein Mann auf uns zu und überreichte Radhi einen riesigen Blumenstrauß. Während sie sich noch über die Blumen wunderte, tauchte aus dem Nichts ein A-cappella-Chor auf und sang zusammen mit dem Blumenboten «Marry You» von Bruno Mars. Ich ging auf ein Knie und machte ihr den Antrag. Sie weinte; ich auch. Nachdem sie Ja gesagt hatte, aßen wir an einem Tisch, den ich am Ufer der Themse aufgebaut hatte, ein veganes Gericht, das ich aus einem Restaurant hatte liefern lassen. Sie dachte, damit wäre das Theater vorbei und wir würden uns jetzt auf den Heimweg machen, doch kaum kamen wir um die nächste Ecke, wartete dort noch eine weiße Pferdekutsche auf uns. Wir stiegen ein und wurden durch die Stadt kutschiert, vorbei an allen möglichen Sehenswürdigkeiten. Sie rief Passanten zu: «Ich bin verlobt!», einige Leute blieben stehen und klatschten. Zu guter Letzt fuhren wir zu ihren Eltern, um ihnen die wunderbare Nachricht zu überbringen.

Unterwegs bildeten sich in Radhis Gesicht bereits rote Flecken. Als wir das Haus ihrer Eltern erreichten, hatte Radhi schlimmen Hautausschlag, und das Erste, was die beiden zu uns sagten, war nicht etwa «Herzlichen Glückwunsch!», sondern: «Was ist denn mit deinem Gesicht passiert?» Es war der Tag, an dem wir erfuhren, dass Radhi gegen Pferdehaar allergisch ist.

Ich hatte geglaubt, den perfekten Heiratsantrag inszeniert zu haben, doch hinterher ging mir auf, dass alle meine Ideen aus Disney-Filmen und Internetvideos stammten. Steht Radhi überhaupt auf A-cappella-Gesang? Klar, aber nicht unbedingt auf pompöses Getue. Hat sie einen besonderen Bezug zur Themse und lässt sich gern durch London kutschieren? Eher nicht. Und zu einem Traumdate gehören für sie mit Sicherheit keine Pferde, von denen sie Hautausschlag bekommt. Außerdem stellte sich heraus, dass sie sich niemals einen Diamantring ausgesucht hätte. Was mag Radhi? Sie liebt gutes Essen, nur kam das vegane Essen aus dem Restaurant leider kalt an. Der Punkt, der ihr am besten gefallen hätte, war also ausgerechnet derjenige, den ich am schlechtesten vorbereitet hatte. Noch dazu hatte ich nicht daran gedacht, welchen Stellenwert ihre Familie für sie hat, denn dann hätte ich es so eingerichtet, dass nicht die Sänger aus dem Gebüsch gesprungen wären, sondern die Mitglieder ihrer Familie. Das hätte ihr sehr gut gefallen.

Trotzdem war es ein lustiger Abend, und ich hatte Glück – Radhi hat Ja gesagt und sich hinterher über nichts beschwert –, nur war mein Antrag eben nicht genau auf sie zugeschnitten. Mein Leben lang wurde mir vermittelt, dass man Liebe nur mit übertrieben romantischen Gesten zeigen kann, und ich habe geglaubt, ich müsste bei Radhi ebenfalls ganz dick auftragen. Der Hautausschlag war ein dezenter Hinweis, dass ich mich vielleicht ein wenig vergaloppiert hatte; dass ich an den Menschen denken muss, der vor mir steht, und nicht an die Märchenbilder, mit denen wir rund um die Uhr bombardiert werden.

Mein Leben lang war ich von Geschichten umgeben, die mir erzählen wollten, wie Liebe zu sein hat. Das geht uns allen so. Und die meisten von uns wählen – bei der Liebe und anderen Dingen – unbewusst den konventionellen Weg. In heterosexuellen Beziehungen macht in der Regel der Mann den Antrag.[1] Auf der Hochzeitsplaner-Website The Knot handeln 97 Prozent der Antragsstorys von Männern, die einer Frau die Frage aller Fragen stellen. 80 Prozent der Bräute bekommen zur Verlobung einen Diamantring.[2] Laut Umfrage der Zeitschrift Brides tragen über 80 Prozent der Frauen bei der Hochzeit Weiß, und 76 Prozent nehmen den Nachnamen ihres Ehemanns an.[3] In den USA ist die Kernfamilie die meistverbreitete Form des familiären Zusammenlebens, während nur ein Fünftel aller Amerikaner mit drei oder mehr Generationen unter einem Dach wohnt – und dieser Prozentsatz ist seit den 1950er Jahren in etwa gleich geblieben.[4] 72 Prozent der Amerikaner wohnen heute in oder nahe der Stadt, in der sie aufgewachsen sind.[5] Und obwohl die Zahl der Menschen, die sich eine offene Beziehung wünschen, gestiegen ist,[6] führen nur vier bis fünf Prozent der Amerikaner eine einvernehmlich polygame Partnerschaft.[7]

Die Bilderbuchversion von Liebe, die ich für Radhi inszeniert habe, hätte als Fundament für unsere Ehe niemals gereicht. Märchen, Filme oder Popsongs zeigen uns nicht, wie wir Liebe im Alltag praktizieren können. Dafür müssen wir nämlich lernen, was Liebe für jeden von uns bedeutet, und vergessen, wie sie in unserer Vorstellung zu sein hat. Deshalb habe ich euch meine von Fehlern nur so strotzende Geschichte erzählt. Ich weiß nicht alles und mache nicht immer alles richtig. Radhi hat mir so viel über Liebe beigebracht, und mit ihr zusammen lerne ich jeden Tag etwas Neues hinzu. Ich teile die Tipps und Übungen in diesem Buch mit euch, weil ich weiß, wie sehr sie mir damals geholfen hätten und in Zukunft weiterhelfen werden. In der Liebe geht es nicht darum, den perfekten Heiratsantrag zu inszenieren oder die perfekte Beziehung zu führen. Es geht darum, mit den Fehlern umzugehen, die wir selbst, unsere Partner und das Leben an sich mit sich bringen. Ich hoffe, dass dieses Buch dir dabei helfen wird.

Erster TeilAlleinsein: Sich selbst lieben lernen

Im ersten Aschram Brahmacharya bereiten wir uns auf die Liebe vor, indem wir üben, allein zu sein, und aus den Fehlern früherer Beziehungen lernen, damit wir es beim nächsten Mal besser machen. Allein lernen wir, uns selbst zu lieben, uns selbst zu verstehen, unseren Schmerz selbst zu heilen und uns selbst Gutes zu tun. Wir erleben atma prema, die Liebe zum Selbst.[1]

Regel 1Sei mal allein

Bist du traurig oder einsam, wünschte ich, ich könnte Dir das erstaunliche Licht Deines eig’nen Wesens zeigen![1]

HAFIZ

Niemand ist gern allein, da sind wir uns wohl alle einig. Tatsächlich würden viele Menschen eine unglückliche Beziehung dem Singledasein vorziehen. Wenn du die Wörter «werde ich jemals …» in eine Suchmaschine eingibst, ergänzt sie mit hoher Wahrscheinlichkeit «die Liebe meines Lebens finden», denn das ist die Zukunftsfrage, die sich die Leute am häufigsten stellen.

In der Frage schwingt unsere Angst vor Einsamkeit mit, und genau diese Angst hindert uns daran, jemanden zu finden, der uns liebt. Wissenschaftler der University of Toronto haben im Rahmen einer Studienreihe herausgefunden, dass die Angst vor dem Single-Dasein häufig dazu führt, sich mit einer weniger erfüllenden Beziehung zufriedenzugeben.[2] Wir werden abhängig von unserem Partner und beenden die Beziehung selbst dann nicht, wenn sie unseren Bedürfnissen nicht genügt.

Eine Beziehung einzugehen, scheint das naheliegende Heilmittel gegen Einsamkeit zu sein. Fühlt sich jemand, der allein ist, nicht automatisch auch einsam? Nur hindert uns die Angst vor Einsamkeit daran, bei Beziehungen die richtigen Entscheidungen zu treffen. Mein Klient Leo war ungefähr ein Jahr lang mit Isla zusammen, als sie aus beruflichen Gründen von Philadelphia nach Austin ziehen musste.

«Du musst tun, was für dich am besten ist», sagte sie zu ihm. «Ganz ehrlich, ich weiß nicht, wie es mit unserer Beziehung weitergeht.» Zuerst hatte Leo Bedenken, doch einen Monat später zog er ebenfalls nach Austin.

«Die meisten meiner Freunde waren mit jemandem zusammen. Ohne Isla fühlte ich mich im Grunde wie ein Single, und weil ich nicht einsam sein wollte, bin ich zu ihr gezogen.» Leo hat nicht das Für und Wider eines Umzugs abgewogen: Würde er in Austin einen Job finden? Was ließ er in Philadelphia alles zurück? Wen kannte er in der neuen Stadt? Gefiel es ihm dort? Würde ein Umzug sich positiv auf seine Beziehung auswirken? Mit diesen Fragen hat Leo sich nicht auseinandergesetzt, ihm ging es vor allem darum, nicht allein zu sein.

Einen Monat nach dem Umzug machte Isla mit ihm Schluss. Leo war zu ihr gezogen, weil er sich vor Einsamkeit fürchtete, und am Ende arbeitete er am Rande einer Stadt, in der er niemanden kannte und sich einsamer fühlte als je zuvor.

Wollen wir eine Beziehung führen, die auf Unsicherheit und Angst aufbaut, oder eine, die auf Zufriedenheit und Sicherheit beruht? Nur aus Einsamkeit gehen wir vorschnell eine Beziehung ein, bleiben beim falschen Partner oder geben uns mit weniger zufrieden, als wir verdienen.

Wir müssen die Zeit als Single nutzen oder uns in einer Beziehung Zeit zum Alleinsein nehmen, um uns selbst und unsere Wünsche und Werte zu verstehen. Wenn wir lernen, uns selbst zu lieben, entwickeln wir Mitgefühl, Einfühlungsvermögen und Geduld. Danach können wir diese Eigenschaften nutzen, um einen anderen Menschen zu lieben. Das Alleinsein – nicht die Einsamkeit, sondern ein selbstgewählter Zustand, in dem wir eigene Entscheidungen treffen, eigene Interessen verfolgen und uns mit unseren Erfahrungen auseinandersetzen – ist der erste Schritt, wenn wir uns auf die Liebe zu einem anderen Menschen vorbereiten wollen.

Angst vor Einsamkeit

Dass wir uns vor dem Alleinsein fürchten, ist nicht verwunderlich. Die Furcht wurde uns unser Leben lang eingeimpft. Das Kind, das auf dem Spielplatz allein spielte? Das war ein Außenseiter. Das Kind, bei dem die coolen Kids nicht zur Geburtstagsfeier kamen? Es fühlte sich unbeliebt. Wer für eine Hochzeit keine Begleitung findet, kommt sich vor wie ein Loser. Und die fürchterliche Vorstellung, mittags allein in der Kantine sitzen zu müssen, wurde schon so oft in Highschool-Filmen thematisiert, dass die Figur Steven Gansberg aus Superbad es sogar ins Urban Dictionary geschafft hat und dort als «Kid, das mittags in der Mensa immer allein seinen Nachtisch isst», definiert wird.[3] Es wurde uns eingetrichtert, dass wir beim Abschlussball mit einem Date erscheinen, unser Jahrbuch mit Unterschriften füllen und immer von einer Horde Freunde umringt sein müssen. Allein zu sein, bedeutete automatisch, einsam zu sein. Alleinsein wurde zum Erzfeind von Freude und Liebe erklärt. Wir stellen uns vor, wir wären auf einer einsamen Insel gestrandet und hätten wie Tom Hanks in Cast Away als Gesprächspartner nur einen Volleyball namens Wilson.[4] Alleinsein ist die abgelegene Insel, wo niemand gern hinreisen, geschweige denn leben möchte.

In meinen drei Jahren als Mönch war ich länger allein als in meinen übrigen Lebensjahren zusammen. Zwar lebten im Aschram noch etliche andere Mönche, doch meistens verbrachten wir unsere Zeit schweigend und allein. Romantische Liebesbeziehungen führten wir natürlich auch nicht. In der emotionalen Isolation konnte ich Kompetenzen entwickeln, die ich mir in einer Beziehung mit ihrem vergnüglichen und stressigen Ablenkungspotenzial niemals hätte aneignen können. Als ich mir zum ersten Mal in einem Aschram eine Auszeit nahm, war ich am Anfang entsetzt, weil ich keinen MP3-Player mitnehmen durfte. Damals war Musik mein Leben, und ich hatte keine Ahnung, was ich ohne sie in den Pausen machen sollte. Doch im Aschram erkannte ich, dass ich Stille liebe. Ich stellte fest, dass ich mich nicht ablenken muss. Es gab keine Gespräche, Flirts oder Erwartungen, keine Musik oder elektronischen Geräte, die mich im Geist beschäftigt hätten. Und dabei war ich so beschäftigt und gegenwärtig wie nie zuvor.

Wer die Lektionen eines Aschrams nicht lernt, wird vom Leben immer wieder auf diese Stufe zurückgeworfen. Viele Schlüssellektionen des Brahmacharya lernen wir allein. Beginnen wir also damit, herauszufinden, wie viel Zeit du allein verbringst und wie du dich dabei fühlst. Eine Zeitbilanz zu erstellen, ist wichtig, ganz gleich, ob du in einer Beziehung oder single bist. Sie zeigt dir nämlich, ob du die Zeit des Alleinseins nutzt, um dich besser zu verstehen und dich auf die Liebe vorzubereiten.

Aufgabe:Selbsteinschätzung

1. Versuch, eine Woche lang aufzuschreiben, wie viel Zeit du allein verbringst. Damit meine ich die Zeit, in der kein anderer Mensch bei dir ist und du weder fernsiehst noch nebenbei auf deinem Handy rumscrollst. Ich möchte, dass du dir die Zeiten notierst, in denen du alleine aktiv bist, also ein Buch liest, spazieren gehst, meditierst, kochst, ein Museum besuchst, dich mit einer Handarbeit beschäftigst, kreativ bist und so weiter. Nein, die Zeit, in der du schläfst, zählt nicht. Für diesen Teil der Übung musst du dir nicht extra vornehmen, allein zu sein. Wir wollen uns nur einen Überblick über deine Gewohnheiten verschaffen.

Leg eine Tabelle an. Neben der Spalte, in der du die allein verbrachte Zeit notierst, schreibst du auf, was du in dem entsprechenden Zeitraum gemacht hast, und daneben, wie du dich dabei gefühlt hast. Vielleicht machst du den Abwasch gern allein, oder du wirst dabei traurig, weil er dich daran erinnert, dass du nur für eine Person gekocht hast. Vielleicht schläfst du allein besser oder fühlst dich einsam dabei. Frage dich, warum du glücklich oder traurig warst. Wann bist du allein glücklich? Diese Übung hilft dir, herauszufinden, wie du die Zeit allein verbringst, damit wir danach gemeinsam überlegen können, wie du dir Zeit zum Alleinsein nimmst.

 

2. Nachdem du die Zeitbilanz erstellt hast, möchte ich nun, dass du dir jede Woche bewusst eine Aktivität aussuchst, die du allein machen willst. Wähle etwas aus, das du nur selten oder noch nie allein gemacht hast.

Geh ins Kino, in eine Aufführung oder zu einer Sportveranstaltung

Besuch ein Museum

Reservier in einem Restaurant einen Tisch für eine Person

Geh essen und schau im Restaurant nicht auf dein Handy

Mach eine Wanderung

Feier deinen Geburtstag allein

Verbring einen Feiertag allein

Geh allein auf eine Party

Sei einen Tag lang ehrenamtlich aktiv

Nimm an einem Workshop teil

Bitte mach das einen Monat lang einmal die Woche. Achte bei der Aktivität darauf, wie du dich in einer ungewohnten Situation verhältst. Beobachte, ob dir Gedanken kommen, die dir das Alleinsein erschweren. Überlege anhand der folgenden Fragen, wie es dir ergangen ist.

Wie lange dauert es, bis du dich allein wohlfühlst?

Was wäre anders, wenn noch jemand dabei wäre?

Fällt es dir leicht, allein Spaß zu haben?

Wünschst du dir, es wäre noch jemand dabei?

Weißt du nicht, was du allein mit dir anfangen sollst?

Würde die Reaktion einer Begleitung deine Meinung über die Aktivität beeinflussen?

Zeit

Aktivität

glücklich/traurig

Grund

Bist du versucht, dich mit deinem Handy, dem Fernseher oder dem Internet abzulenken? (abhängig von der jeweiligen Aktivität)

Was gefällt dir an der neuen Erfahrung?

Was spricht für, was gegen das Alleinsein?

Falls du nicht allein essen gehen magst, weil du dich dabei unwohl fühlst, was würde dir helfen, dich besser zu fühlen? Vielleicht stellst du fest, dass du dir gerne ein Buch oder etwas Arbeit mitnimmst, womit du dich beschäftigen kannst. Dabei musst du für einen guten Start in den Abend möglicherweise nur ein paar freundliche Worte mit dem Kellner wechseln.

Falls du allein ins Kino gehst und es dir fehlt, hinterher mit jemandem über den Film zu reden, such nach neuen Wegen, dich mitzuteilen. Schreibe über den Film einen Blogpost, eine Online-Rezension oder einen Tagebucheintrag. Das könntest du auch machen, wenn du einen Kurs besucht hast. Hast du etwas Neues gelernt? Was hat dir gefallen? Was hättest du anders gemacht? Oder nimm eine Sprachnotiz auf und erzähl dir, wie du dich gefühlt hast. Es ist schön, sich nach einem Film, einem Kurs oder einem Vortrag mit jemandem auszutauschen, aber wenn du allein hingehst, kannst du eigene Ideen und Meinungen entwickeln, ohne dich vom Geschmack einer anderen Person beeinflussen zu lassen.

Falls du noch nie allein gewandert bist, steck dir ein leicht zu erreichendes Ziel, das dich nicht zu sehr unter Druck setzt. Vielleicht möchtest du dich körperlich auspowern, oder du hältst unterwegs nach interessanten Dingen Ausschau, die du als Andenken mit nach Hause nehmen kannst. Oder du nimmst dir vor, ein schönes Foto zu machen (das du dir später anschauen oder auf deinem Social-Media-Account posten kannst).

Diese Übung soll bewirken, dass du dich in deiner eigenen Haut wohler fühlst. Du findest heraus, was dir gefällt, ohne dich von den Wünschen und Zielen eines anderen Menschen beeinflussen zu lassen. Du lernst, mit dir selbst ins Gespräch zu kommen.

Alleinsein ist das Heilmittel gegen Einsamkeit

«Die Sprache hat das Wort ‹einsam› geschaffen, um den Schmerz des Alleinseins, und das Wort ‹abgeschieden›, um seinen Reichtum auszudrücken», schrieb Paul Tillich.[5]

Der Unterschied zwischen Einsamkeit und Abgeschiedenheit ist die Linse, durch die wir die allein verbrachte Zeit sehen. Die Linse der Einsamkeit macht uns unsicher und anfällig für falsche Entscheidungen. Die Linse der Abgeschiedenheit macht uns offen und neugierig. Deshalb bildet das Alleinsein in Abgeschiedenheit das Fundament, auf dem wir unsere Liebe aufbauen wollen.

Alleinsein bedeutet nicht, dass man in der Liebe versagt hat. Es ist der Anfang von Liebe. In der Zeit, die wir ohne andere Menschen verbringen, gehen wir anders durch die Welt, nehmen wir uns und die Welt aufmerksamer wahr. Im Rahmen einer Studie erhielten fünfhundert Besucher eines Museums präparierte Handschuhe, mit denen ihre Bewegungsmuster und physiologischen Werte (unter anderem die Herzfrequenz) aufgezeichnet wurden. Wie man herausfand, reagierten Personen, die nicht durch ein Gespräch mit einer Begleitung abgelenkt waren, emotional stärker auf die Kunstwerke. Wie es in einem dazu veröffentlichten Artikel hieß, waren bei den Menschen, die die Ausstellung allein besuchten, «sämtliche Sinne wesentlich aufnahmefähiger».[6]

Die Teilnehmer der Studie füllten vor und nach dem Ausstellungsbesuch außerdem noch einen Fragebogen aus. Diejenigen, die zu zweit oder in einer Gruppe unterwegs waren, empfanden die Ausstellung als gedanklich und emotional weniger anregend, als es die Einzelbesucher taten. Natürlich spricht nichts dagegen, wenn ein Mensch sich mit seiner Begleitung unterhält und die Kunst an sich vorbeiziehen lässt. Nur entgeht diesem Menschen etwas, weil er die Kunst nicht richtig auf sich einwirken lässt. Das gilt auch für das Leben im Allgemeinen. Wenn wir von anderen umgeben sind, entgehen uns nicht nur die Feinheiten der Kunstwerke. Uns entgeht die Gelegenheit, über uns nachzudenken und uns selbst zu verstehen.

Auch das Lernen fällt uns schwerer, wenn wir nie allein sind. Mihaly Csikszentmihalyi schreibt in Flow. Das Geheimnis des Glücks: «Unsere neueste Forschung mit begabten Jugendlichen zeigt, dass viele ihre Fähigkeiten nicht entwickeln, aber nicht weil es ihnen an kognitiver Intelligenz mangelt, sondern weil sie nicht ertragen können, allein zu sein.»[7] Weitere Untersuchungen haben ergeben, dass Jugendliche Schwierigkeiten bei der Entwicklung kreativer Kompetenzen wie dem Spielen eines Instruments oder dem Schreiben von Geschichten haben, weil diese Fertigkeiten am besten allein eingeübt werden.[8] Wie die Jugendlichen können auch wir unsere Fähigkeiten nur schwer weiterentwickeln, wenn wir das Alleinsein vermeiden.

Der Weg von der Einsamkeit zum Alleinsein

Nur weil wir allein sind, eignen wir uns nicht automatisch die Kompetenzen an, die wir für eine Beziehung brauchen. Man nimmt sich nicht einfach vor, das Alleinsein zu nutzen, um sich selbst zu verstehen, und dann klappt das schon. Doch wenn wir das Alleinsein richtig zu nutzen wissen, kann es uns auch auf die Liebe vorbereiten. In einer gesunden Beziehung gelingt das Miteinander am besten, wenn man sich die eigene Persönlichkeit, die eigenen Werte und Ziele bewusst macht. Auf dem Weg von der Einsamkeit zum produktiven Nutzen des Alleinseins werden wir also unsere Persönlichkeit, Werte und Ziele ergründen. Der Weg von der Einsamkeit zum Alleinsein führt über drei Stufen: Gegenwärtigkeit, Unbehagen und Selbstvertrauen.

Gegenwärtigkeit

Mit sich selbst gegenwärtig zu sein, ist der erste Schritt, wenn wir das Alleinsein nutzen wollen. Auch wenn kein anderer Mensch bei uns ist, sind wir häufig abgelenkt und nehmen unser Leben nicht richtig wahr. Achten wir aber darauf, wie wir uns fühlen und welche Entscheidungen wir treffen, erkennen wir, was uns im Leben wichtig ist – unsere Werte. Diese Wertvorstellungen lenken unsere Entscheidungen. Bist du mit dir selbst gegenwärtig und machst dir deine eigenen Werte bewusst, bekommst du ein Gefühl dafür, wer du bist. Ob du dieser Mensch sein möchtest, kannst du selbst entscheiden. Du verbringst mehr Zeit mit dir als mit jedem anderen. Nutze das Alleinsein, um deine Stärken wertzuschätzen, und überlege, woran du noch arbeiten möchtest. Wenn du dann eine Beziehung eingehst, hast du bereits eine Vorstellung davon, was du zu geben hast und in welchen Bereichen du noch wachsen kannst. Wir denken nicht daran, wie wichtig es für eine Beziehung ist, sich selbst zu kennen. Wenn du dir selbst aber bewusst bist, kannst du deine Schwächen mildern und deine Stärken voll einbringen.

Aufgabe:Werde Dir über Deine Werte klar

Schau dir die Entscheidungen an, die du in verschiedenen Lebensbereichen triffst. Spiegeln sie deine Wertvorstellungen wider oder sind sie abhängig von Gewohnheiten, an denen du gern etwas ändern würdest? Unten habe ich ein paar Bereiche aufgeführt und dir Alternativen vorgegeben, die deiner Einstellung zum jeweiligen Bereich entsprechen könnten. Sollte nichts davon auf dich zutreffen, kannst du gern etwas anderes hinschreiben. Je besser du dich kennst, umso genauer kannst du bestimmen, wo du zufrieden mit dir bist und wo du gern etwas ändern würdest.

 

Zeiteinteilung

Social Media: Ich halte Ereignisse aus meinem Leben gern für meine Freunde fest/Social Media ist nicht mein Ding, ich lebe im Hier und Jetzt

Wochenende/Reisen: Ich möchte die Welt sehen/Wenn ich freihabe, muss oder möchte ich entspannen

Verabredungen: Ich bleibe am liebsten zu Hause und koche etwas/Ich gehe abends gern aus

Fernsehen: Ich schaue mir jeden Abend etwas an/Ich wähle sorgfältig aus, was ich mir anschaue, und sehe mir nur an, was mir wirklich gefällt

Pünktlichkeit: Ich komme immer rechtzeitig/Ich komme oft zu spät

Planung: Ich notiere mir sämtliche Termine in meinem Kalender und sage nie etwas ab/Ich lege mich nur ungern fest

 

Gewohnheiten

Organisation: Ich bin ordentlich, bezahle meine Rechnungen pünktlich/Ich wünschte, ich wäre etwas organisierter

Sport: Ich bin gern aktiv und halte mich fit/Es fällt mir schwer, mich zum Sport zu motivieren

Ernährung: Ich ernähre mich gesund oder versuche es zumindest/Das Leben ist kurz, ich esse, was mir schmeckt

Schlaf: Ich schlafe gern aus/Ich bin Frühaufsteher

 

Geld

Ausgaben: Ich spare für die Zukunft/Wenn ich Geld habe, gebe ich es aus

Urlaub: Ich mag besondere Unterkünfte und ausgefallene Destinationen/Beim Reisen komme ich mit wenig Geld aus

Haus/Wohnung, Kleidung, Auto: Ich mag es schlicht/Ich mag es edel

Käufe: Beim Shoppen handele ich spontan/Ich überlege lange, bevor ich etwas kaufe

 

Sozialverhalten

Freunde: Ich treffe mich gern mit vielen Menschen/Ich treffe mich lieber mit nur einer Person oder bin gern allein (falls Letzteres zutrifft, bist du bei der richtigen Regel gelandet!)

Familie: Ich verbringe möglichst viel Zeit mit meiner Familie/Ich sehe meine Familie nur, wenn es sein muss

Gespräche: Ich unterhalte mich gern intensiv über alle möglichen Themen/Ich bin eher zurückhaltend

Sobald du dir über deine Werte im Klaren bist, kannst du darauf achten, dass dein Partner sie respektiert. Wenn ihr die Werte des anderen nämlich nicht respektiert, versteht ihr vielleicht nicht, warum er oder sie eine Entscheidung trifft, und es kommt zu Missverständnissen und Konflikten. Falls eure Werte nicht übereinstimmen, musst du deine nicht rechtfertigen oder verteidigen; du musst deine Wertvorstellungen und die deines Partners kennen, damit du beide respektieren kannst. Das Gleiche gilt natürlich auch umgekehrt.

Unbehagen

Falls du nicht ans Alleinsein gewöhnt bist, fühlt es sich für dich am Anfang vielleicht etwas komisch und unbehaglich an. Manchmal fällt es einem schwer, mit den eigenen Gedanken allein zu sein. Vielleicht weißt du nichts mit dir anzufangen. Oder du denkst, es würde dir nichts bringen.

Um uns ans Alleinsein zu gewöhnen, müssen wir uns selbst herausfordern und zuerst die oben beschriebenen kleinen Schritte machen, bevor wir uns langsam steigern.

Aufgabe:Nutze die Zeit mit Dir selbst

Gibt es etwas, das du gern einmal ausprobieren würdest? Unten findest du drei Vorschläge, Zeit allein zu verbringen und dich dabei selbst besser kennenzulernen. Such dir das aus, was dich am stärksten anspricht – denn in dieser Übung geht es auch darum, deine Vorlieben zu erkunden –, oder denk dir selbst etwas aus.

 

1. Lern etwas Neues, das Wochen oder Monate in Anspruch nimmt. Melde dich für den Gesangsunterricht an, den du schon immer nehmen wolltest, lern Rollschuhlaufen oder spring auf den Quarantänezug auf und lern endlich, wie man Sauerteig macht. Weshalb möchtest du gerade das erlernen? Warum hast du so lange damit gewartet? Wie wirkt sich die neue Fertigkeit auf dein Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl aus? Passt sie zu dem Bild, das du von dir hast oder gerne hättest? Falls du ein neues Instrument oder Ähnliches erlernen möchtest, darfst du dir gern einen Lehrer nehmen. Hierbei geht es nämlich vor allem darum, allein zu überlegen, was du bei der neuen Aktivität über dich selbst in Erfahrung bringst.

 

2. Geh allein auf Reisen. Lern dich besser kennen, während du nur für dich einen Wochenendausflug planst. Du wirst schnell feststellen, wie unabhängig du bist. Diese Aktivität bietet sich gerade dann an, wenn du dich vor dem Alleinsein fürchtest.

 

Was trifft auf dich zu?

unentschlossen/entscheidungsfreudig

mit leichtem/schwerem Gepäck

ruheliebend/aktiv

zufrieden/gelangweilt

ordentlich/unordentlich

organisiert/spontan

Führst du im Kopf Selbstgespräche oder ist es in dir still?

Entscheidest du dich schnell oder stellst du deine Entscheidungen oft infrage?

Fühlst du dich selbstbewusst oder gehemmt?

Was gefällt dir am Reisen am besten?

Wo würdest du gern als Nächstes hinfahren?

3. Such dir in einem Bereich, in dem du noch nie gearbeitet hast, einen Nebenjob. Falls du eine Vollzeitstelle hast, dürfte das etwas schwierig werden, aber wenn du es einrichten kannst, probier mal eine andere Form des Arbeitens aus. Sei ehrenamtlich in einer Bibliothek aktiv, jobbe als Kellnerin, Babysitter oder Nachhilfelehrerin. Natürlich wirst du bei den meisten Tätigkeiten mit anderen Menschen interagieren, aber hier geht es vor allem darum, dass du dir den Job allein aussuchst, ihn allein in Angriff nimmst und dich allein mit der neuen Erfahrung auseinandersetzt.

Was an dir ändert sich nie, ganz gleich, was du tust?

Welche neuen Seiten entdeckst du an dir?

Hast du dir einen Job ausgesucht, auf den du schon immer neugierig warst, oder spricht dich vor allem der zusätzliche Verdienst an?

Interagierst du gern mit Menschen oder arbeitest du lieber allein?

Bekommst du gern genaue Anweisungen oder findest du dich lieber allein zurecht?

Bist du eher jemand, der vorher um Erlaubnis fragt, oder jemand, der sich hinterher für einen Fehler entschuldigt?

Gibt dir die Arbeit neue Kraft oder bist du danach erschöpft?

Würdest du gern mehr Zeit für den neuen Job haben?

Wenn wir wissen, wer wir sind und welche Vorlieben wir haben, fühlen wir uns allein wesentlich wohler. Wir lernen, uns auch ohne Begleitung sicher zu fühlen, und gewöhnen uns an, allein unseren Interessen nachzugehen. Die von dir gewählten Aktivitäten und das, was du dabei über dich erfährst, helfen dir, neue Seiten an dir kennenzulernen und die Zeit allein in vollen Zügen zu genießen.

Selbstvertrauen

Sobald wir uns allein wohlfühlen, können wir an unserem Selbstvertrauen arbeiten. In einer Beziehung ist Selbstvertrauen wichtig, weil es uns hilft, mit unserem Partner zu reden, ohne dabei nur auf seine Zustimmung zu warten oder unser Selbstwertgefühl von seiner Reaktion abhängig zu machen. Wenn wir nämlich nicht darauf aus sind, dass unser Partner unsere Vorlieben und Entscheidungen absegnet, können wir das Gespräch mit ihm genießen und hören auf, jedes Wort von ihm zu hinterfragen und uns dadurch von unserem Weg abbringen zu lassen.

Mangelt es dir an Selbstvertrauen, kommt dir manchmal vielleicht der Gedanke, du wärst nicht liebenswert. Du bist liebenswert, das kannst du mir glauben. Doch nur weil ich es sage, fühlst du dich nicht automatisch so. Wir bauen Selbstvertrauen auf, indem wir uns Zeit für die Dinge nehmen, die uns wichtig sind. Gibt es etwas, das wir an uns nicht mögen, dann sollten wir daran arbeiten. Wir haben die Wahl: Wir können unsere Gedanken in eine andere Richtung lenken oder an Dingen, die uns nicht gefallen, etwas ändern. Wir müssen uns angewöhnen, uns richtig einzuschätzen, damit wir selbst dafür sorgen können, dass unser Leben besser wird.

Die meisten Menschen setzen sich Ziele, bei denen es vor allem um äußere Erfolge geht. Sie streben nach finanzieller Freiheit oder wollen sich ein eigenes Haus kaufen. Doch die Übungen unten sollen dir dabei helfen, Ziele zu entwickeln, bei denen es um inneres Wachstum geht, nicht um Leistung. Indem wir uns unsere Ziele bewusst machen, bereiten wir uns auf die Liebe vor. Wenn du später mit einem möglichen Partner über deine Ziele redest, kannst du ihm erklären, warum sie dir wichtig sind. Vielleicht bestärkt dein Partner dich oder reagiert abweisend oder verhält sich neutral. Sollte er nicht auf Anhieb merken, wie wichtig dir etwas ist, kannst du ihn darauf aufmerksam machen und ihm erklären, warum es dir so viel bedeutet. Du möchtest schließlich einen Partner haben, der deine Ziele nicht nur respektiert, sondern auch versteht.

Denke in einer Beziehung immer daran, dass dein Partner erst begreift, wie wichtig dir etwas ist, wenn du es aktiv verfolgst. Manchmal musst du etwas in Angriff nehmen, damit er voll auf deiner Seite steht. Aber eins dürfen wir nie vergessen: Wenn wir unsere eigenen Ziele nicht kennen, werden wir nie erfahren, wie gut sie sich mit denen einer anderen Person vereinbaren lassen.

Aufgabe:Identifiziere Deinen größten Wachstumsbereich

Sehen wir uns dein Leben doch einmal von allen Seiten an, indem wir folgende fünf Bereiche unter die Lupe nehmen: Persönlichkeit, seelische Gesundheit, körperliche Gesundheit, Beziehungen, Finanzen. Wähle die Aussagen, die am besten auf dich zutreffen. Wenn du fertig bist, schau dir an, wo du stehst, und überlege, wo du gern stehen würdest. In welchem Bereich möchtest du besonders wachsen?

 

1. Persönlichkeit

a. Ich mag mich nicht.

b. Ich mag mich, wenn andere mich mögen.

c. Ich akzeptiere mich trotz meiner Fehler und arbeite an mir.

☐ Bin zufrieden mit dem jetzigen Zustand

☐ Will mich ändern

 

2. Seelische Gesundheit

a. Ich bin oft ängstlich und nervös.

b. Ich verdränge meine Gefühle, damit ich Dinge erledigen kann.

c. Ich verstehe meine Gefühle und versuche, mich mit ihnen auseinanderzusetzen.

☐ Bin zufrieden mit dem jetzigen Zustand

☐ Will mich ändern

 

3. Körperliche Gesundheit

a. Ich blende meinen Körper aus oder mag ihn nicht.

b. Ich treibe Sport, weil es mir wichtig ist, gut auszusehen.

c. Ich gehe achtsam mit mir um und bin meinem Körper dankbar.

☐ Bin zufrieden mit dem jetzigen Zustand

☐ Will mich ändern

 

4. Beziehungen

a. Bei einigen Beziehungen bin ich mir unsicher.

b. Ohne meine Beziehungen wäre alles nur halb so schön.

c. Ich engagiere mich für meine Beziehungen und möchte erreichen, dass sie weiter wachsen.

☐ Bin zufrieden mit dem jetzigen Zustand

☐ Will mich ändern

 

5. Geld

a. Der Gedanke an Geld bereitet mir Sorgen.

b. Der Gedanke an Geld weckt meinen Ehrgeiz. Ich beneide Menschen, die mehr Geld haben als ich.

c. Der Gedanke an Geld macht mich zufrieden. Ich würde mir nur mehr wünschen, damit ich anderen mehr geben kann.

☐ Bin zufrieden mit dem jetzigen Zustand

☐ Will mich ändern

 

Stellen wir uns einmal vor, du möchtest im letzten Bereich noch wachsen. Dein Problem war schon immer, dass du zu viel ausgibst. In der Zeit, die du allein verbringst, könntest du dich also auf diesen Bereich konzentrieren. Ich könnte ein ganzes Buch darüber schreiben, wie du deine Ziele erkennst und erreichst, aber du solltest damit beginnen, anhand der unten aufgeführten Bs des Wandels einen Wachstumsplan aufzustellen.

Die drei Bs des Wandels

1. Beratung: Wir leben in einer Welt, in der man online jederzeit an Informationen gelangen und Experten befragen kann. Beginne, indem du nach Infoquellen suchst, die dir bei deinem Problem helfen können. Das kann ein Buch sein, ein Podcast, ein Freund, eine Expertin, ein Online-Video. Wie du bald feststellen wirst, raten dir die meisten dazu, dein Ziel in kleinere, einfach zu erreichende Schritte aufzusplitten, sodass die Herausforderung, die dir anfänglich wie ein unüberwindlicher Berg vorkommt, viel leichter zu meistern ist.

 

2. Beharrlichkeit: Erstell anhand der gesammelten Informationen einen Plan, wie du das Problem langfristig angehen kannst. Setz dir bis zum Ende des Jahres ein erstes Ziel. Dabei sollte es nicht gleich um ein endgültiges Resultat gehen, sondern um Aktionspunkte. Nimm dir also nicht vor: «Ich will eine Million verdienen.» Es geht nur darum, dich fortlaufend darum zu bemühen, in diesem Bereich zu wachsen.

 

3. Bezugsgruppe: Such dir Menschen, die dich unterstützen. Heute gibt es im Internet und in deiner Stadt für alles Mögliche Gruppen, die dich in irgendeiner Form unterstützen können. Wähle eine mit unterschiedlichen Teilnehmern, die sich in einer ähnlichen Situation befinden wie du, die etwas in ihrem Leben verändern wollen oder dies schon erfolgreich getan haben. Überleg dir, ob du eine Gruppe brauchst, bei der du dich informieren kannst, oder eine, die dich motiviert. Vielleicht brauchst du auch eine Mischung aus beidem. Und wer weiß? Vielleicht lernst du dort deine neue Partnerin, deinen neuen Partner kennen.

Wie Untersuchungen ergeben haben, kann ein starkes Selbstwertgefühl nicht nur für ein erfüllteres Berufsleben[9] und eine bessere körperliche und seelische Gesundheit sorgen,[10] sondern sich auch positiv auf eine romantische Beziehung auswirken.[11] Vielleicht fragst du dich jetzt: Könnte das nicht andersrum sein? Würde eine gute Beziehung nicht auch mein Selbstwertgefühl stärken?