9 Top Thriller im Krimi Paket September 2025 - Alfred Bekker - E-Book

9 Top Thriller im Krimi Paket September 2025 E-Book

Alfred Bekker

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Beschreibung

Dieser Band enthält folgende Krimis: Trevellian und der Cyber-Krieg in Manhattan (Frank Maddox) Wir fanden Knochen (Alfred Bekker) Central Park Killer (Alfred Bekker) Trevellian und die Pforte des Todes (Franklin Donovan) Bount Reiniger und die Schönheitskönigin der Unterwelt (Earl Warren) Bount Reiniger und die Saat der Gewalt (Earl Warren) Bount Reiniger und der Mord beim Wintersport (Earl Warren) Bount Reiniger und Liebesgrüße aus Amsterdam (Earl Warren) Alain Boulanger und der Heilige von Paris: Frankreich Krimi (Henry Rohmer) Zwei Menschen werden kurz hintereinander im New Yorker Central Park ermordet. Die Opfer scheinen zunächst nichts gemeinsam zu haben. Als es weitere Tote gibt, kommen die Ermittler schließlich einer krakenhaften Organisation auf die Spur, die von Amerikanern muslimischen Glaubens Schutzgelder erpresst, um damit den heiligen Krieg islamistischer Terror-Kommandos zu finanzieren...

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Veröffentlichungsjahr: 2025

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von Frank Maddox, Henry Rohmer, Alfred Bekker, Earl Warren, Franklin Donovan

9 Top Thriller im Krimi Paket September 2025

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Inhaltsverzeichnis

9 Top Thriller im Krimi Paket September 2025

Copyright

Trevellian und der Cyber-Krieg in Manhattan

Wir fanden Knochen

Central Park Killer

Trevellian und ​die Pforte des Todes: Kriminalroman

Bount Reiniger und die Schönheitskönigin der Unterwelt

1.

2.

3.

4.

5.

6.

Bount Reiniger und die Saat der Gewalt

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

Bount Reiniger und der Mord beim Wintersport

1.

2.

3.

4.

5.

Bount Reiniger und Liebesgrüße aus Amsterdam

1

2.

3.

4.

5.

6.

Alain Boulanger und der Heilige von Paris: Frankreich Krimi

landmarks

Titelseite

Cover

Inhaltsverzeichnis

Buchanfang

9 Top Thriller im Krimi Paket September 2025

von Alfred Bekker, Frank Maddox, Earl Warren, Franklin Donovan, Henry Rohmer

Dieser Band enthält folgende Krimis:

Trevellian und der Cyber-Krieg in Manhattan (Frank Maddox)

Wir fanden Knochen (Alfred Bekker)

Central Park Killer (Alfred Bekker)

Trevellian und die Pforte des Todes (Franklin Donovan)

Bount Reiniger und die Schönheitskönigin der Unterwelt (Earl Warren)

Bount Reiniger und die Saat der Gewalt (Earl Warren)

Bount Reiniger und der Mord beim Wintersport (Earl Warren)

Bount Reiniger und Liebesgrüße aus Amsterdam (Earl Warren)

Alain Boulanger und der Heilige von Paris: Frankreich Krimi (Henry Rohmer)

Zwei Menschen werden kurz hintereinander im New Yorker Central Park ermordet. Die Opfer scheinen zunächst nichts gemeinsam zu haben. Als es weitere Tote gibt, kommen die Ermittler schließlich einer krakenhaften Organisation auf die Spur, die von Amerikanern muslimischen Glaubens Schutzgelder erpresst, um damit den heiligen Krieg islamistischer Terror-Kommandos zu finanzieren...

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker

© Roman by Author

COVER A.PANADERO

© dieser Ausgabe 2025 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

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Trevellian und der Cyber-Krieg in Manhattan

Frank Maddox

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Alles rund um Belletristik!

Trevellian und der Cyber-Krieg in Manhattan: Thriller

von FRANK MADDOX

1. Kapitel

Mein Name ist Jesse Trevellian. FBI Special Agent, New York Field Office. Ich habe schon viele Fälle gesehen, zu viele, um sie zu zählen, und noch mehr, um ruhig zu schlafen. Aber an diesem Morgen, als ich meinen Dienstwagen auf dem Parkplatz der Federal Plaza abstellte und den Blick über das graue, verregnete Manhattan schweifen ließ, wusste ich: Irgendetwas lag in der Luft. Es war nicht der übliche Dunst aus Abgasen und Kaffeedampf, sondern eine Ahnung, ein Kribbeln im Nacken, wie ich es nur spüre, wenn ein Sturm aufzieht – und der war diesmal nicht meteorologischer Natur.

Ich warf einen Blick in den Rückspiegel. Mein Gesicht war müde, die Bartstoppeln zu lang, die Augen gerötet. Die Nacht war kurz gewesen. Milo Tucker, mein Partner, wartete schon am Eingang, ein Pappbecher mit Kaffee in der Hand, das Jackett schief über die Schulter geworfen. Er grinste, als er mich sah.

„Du siehst aus, als hättest du die Nacht mit den Akten verbracht, Jesse.“

„Besser als mit meiner Ex-Frau“, brummte ich und nahm ihm den Kaffee ab. „Was gibt’s Neues?“

„McKee will uns sehen. Sofort. Und er klingt nicht nach Smalltalk.“

Mr. McKee, unser Chef – Special Agent in Charge, ein Mann, der selbst im Schlafanzug noch wie ein Bundesrichter wirkte. Wenn er einen rief, war das selten ein Grund zur Freude.

Wir schoben uns durch die Sicherheitsschleuse, vorbei an den üblichen Kollegen, die schon zu dieser frühen Stunde aussahen, als hätten sie die Nacht im Verhörraum verbracht. Im Fahrstuhl herrschte Schweigen. Milo tippte nervös mit dem Daumen auf dem Kaffeebecher. Ich spürte, wie sich meine Nackenhaare aufstellten.

McKee wartete in seinem Büro. Das Fenster hinter ihm zeigte den grauen Himmel über Manhattan, als wäre es ein Gemälde von Hopper. Auf dem Tisch lag eine Mappe, daneben ein Stapel Fotos. Er winkte uns ohne Umschweife herein.

„Setzen Sie sich, Trevellian, Tucker. Wir haben einen Toten in Queens. Und ich will, dass Sie sich das ansehen.“

Ich nahm die Mappe. Die Fotos zeigten einen Mann mittleren Alters, elegant gekleidet, aber mit dem toten Ausdruck eines Menschen, der nicht damit gerechnet hatte, dass sein letzter Tag gekommen war. Die Leiche lag in einem sterilen Labor, umgeben von blinkenden Konsolen und Monitoren.

„Wer ist das?“, fragte Milo.

„Dr. Alan S. Hargrove. Entwicklungschef der Firma Quantadyne Systems. Tot aufgefunden heute Nacht, in seinem Labor. Offiziell ein Unfall – Stromschlag. Aber die Kollegen vom NYPD haben Zweifel. Und ich auch.“

Ich blätterte durch die Unterlagen. Quantadyne Systems – einer der großen Namen im Bereich Mikrotechnologie, Zulieferer für das Pentagon, die NASA, und, wie ich wusste, für ein paar Kunden, über die man lieber nicht zu viel nachdachte. Hargrove war ein Name, der mir schon mal begegnet war – in einem anderen Zusammenhang, in einer anderen Stadt.

„Was hat Quantadyne mit uns zu tun?“, fragte ich.

McKee verschränkte die Finger. „Gestern Nacht hat jemand versucht, in die Systeme der Firma einzubrechen. Die interne Security hat Alarm geschlagen, aber der Eindringling war weg, bevor sie ihn fassen konnten. Wenige Stunden später ist Hargrove tot.“

“Oh”, sagte ich.

McKee nickte. „Sie fahren nach Queens. Sprechen Sie mit der Security, mit Hargroves Kollegen. Und halten Sie die Augen offen. Ich habe das Gefühl, dass das hier größer ist als ein einfacher Mord.“

Wir standen auf. Milo warf mir einen Blick zu, der alles sagte. Wir waren wieder mitten drin.

Draußen vor dem Büro wartete schon der nächste Kollege. Clive Caravaggio, unser Mann für alles, was mit Technik zu tun hatte, kam uns entgegen.

„Ich habe mir die Daten aus dem Labor schon angeschaut“, sagte er. „Da stimmt was nicht, Jesse. Die Überwachungskameras haben einen Schatten eingefangen, kurz nach Mitternacht. Kein Gesicht, keine Details. Aber jemand war da.“

„Und der Stromausfall?“, fragte Milo.

Clive schüttelte den Kopf. „Kein Zufall. Jemand hat das System von innen manipuliert. Das war ein Profi.“

Ich nickte. „Dann sehen wir uns das mal an.“

Wir fuhren nach Queens. Das Gelände von Quantadyne Systems war eine Festung – hohe Zäune, Kameras, Wachleute mit ernsten Gesichtern. Der Regen hatte aufgehört, aber die Luft war noch schwer, als wir durch das Tor fuhren. Ein Mann wartete schon auf uns – groß, schlank, mit dem Gesicht eines ehemaligen Marines.

„Special Agent Trevellian? Ich bin John Kessler, Sicherheitschef.“

Wir gaben uns die Hand. Sein Griff war fest, der Blick prüfend.

„Sie wollen den Tatort sehen?“

Ich nickte. „Und mit den Leuten sprechen, die letzte Nacht hier waren.“

Kessler führte uns durch einen Korridor, der nach Desinfektionsmittel roch. Überall blinkten Lichter, piepten Geräte. Das Labor, in dem Hargrove gefunden worden war, lag am Ende des Flurs. Die Tür war versiegelt, aber Kessler öffnete sie mit einer Karte.

Drinnen war alles so, wie ich es erwartet hatte – sauber, steril, aber mit einer Kälte, die nichts mit der Klimaanlage zu tun hatte. Auf dem Boden lag noch der Kreideschatten, wo die Leiche gelegen hatte.

Milo ging in die Hocke, betrachtete die Steckdosen, die Kabel, die Konsole, an der Hargrove gearbeitet hatte.

„Sieht nach einem Unfall aus“, murmelte er. „Aber warum war er allein hier?“

Kessler zuckte die Schultern. „Dr. Hargrove war ein Einzelgänger. Er hat oft bis spät in die Nacht gearbeitet.“

Ich trat ans Fenster. Draußen war nichts zu sehen außer dem Parkplatz und einer Reihe Bäume, die im Wind schwankten.

„Wer hatte Zugang zu diesem Raum?“, fragte ich.

Kessler reichte mir eine Liste. Fünf Namen. Hargrove, zwei Assistenten, ein Techniker, und – ich runzelte die Stirn – ein externer Berater.

„Wer ist das?“, fragte ich und zeigte auf den Namen.

Kessler zögerte. „Dr. Samuel Yates. Er arbeitet für eine Firma, die uns bei der Entwicklung neuer Steuerungssysteme unterstützt.“

„Wo ist er jetzt?“

„Nicht auffindbar. Seine Wohnung ist leer, das Handy abgeschaltet.“

Milo und ich wechselten einen Blick. Das roch nach Ärger.

Wir sprachen mit den Assistenten. Beide waren jung, nervös, mit dem Blick von Leuten, die zu viel gesehen hatten und zu wenig verstanden. Sie sagten, Hargrove sei in letzter Zeit angespannt gewesen, habe kaum noch geschlafen, ständig von „Druck von oben“ gesprochen.

Der Techniker, ein stämmiger Mann mit schmutzigen Fingernägeln, zuckte nur die Schultern. „Ich hab von dem Kram keine Ahnung. Ich sorge nur dafür, dass die Maschinen laufen.“

Zurück im Flur wartete Kessler auf uns. „Sie sollten sich das hier ansehen.“

Er führte uns in einen Nebenraum. Auf dem Monitor lief ein Video. Es zeigte den Korridor vor dem Labor, aufgenommen um 23:57 Uhr. Ein Schatten huschte vorbei, zu schnell, um Details zu erkennen. Dann, ein paar Minuten später, eine Gestalt – groß, schlank, mit einer Kapuze über dem Kopf. Sie öffnete die Tür mit einer Karte, verschwand im Labor.

„Das ist nicht Hargrove“, sagte ich.

Kessler nickte. „Nein. Hargrove kam erst später. Um 0:15 Uhr.“

„Und dann?“

„Dann gibt es einen Stromausfall. Die Kameras sind für zwölf Minuten tot. Als sie wieder anspringen, ist der Raum leer. Hargrove liegt tot am Boden.“

Milo fluchte leise. „Wer wusste von der Überwachung?“

Kessler zuckte die Schultern. „Jeder, der hier arbeitet. Aber das System ist eigentlich nicht zu knacken.“

Ich lehnte mich zurück. „Jemand wollte, dass Hargrove stirbt. Und er wollte, dass es wie ein Unfall aussieht.“

Kessler sah mich an. „Was glauben Sie, worum es hier geht, Agent Trevellian?“

Ich sah ihn an. „Um etwas, das mehr wert ist als ein Menschenleben. Und das ist in dieser Stadt immer ein Grund zu töten.“

Wir verließen das Labor. Draußen war der Regen wieder stärker geworden. Ich zog mir den Mantel enger um die Schultern.

„Was denkst du?“, fragte Milo.

„Ich denke, wir haben ein Problem. Und ich denke, es wird nicht bei einem Toten bleiben.“

Wir fuhren zurück ins Büro. McKee wartete schon auf uns. Neben ihm stand ein Mann, den ich noch nie gesehen hatte – groß, kräftig, mit dem Blick eines Mannes, der an mehr Türen geklopft hat, als ihm lieb war.

McKee setzte sich. „Was haben Sie?“

Ich berichtete, was wir gesehen hatten. Die Leiche, die Überwachung, den verschwundenen Berater. McKee hörte aufmerksam zu, trommelte mit den Fingern auf den Tisch.

„Ich will, dass Sie Yates finden“, sagte er schließlich. „Und ich will wissen, was Hargrove in den letzten Tagen gemacht hat. Jemand spielt hier ein Spiel, und ich will wissen, nach welchen Regeln.“

Wir standen auf. Milo warf mir einen Blick zu. „Was jetzt?“

Ich sah ihn an. „Jetzt gehen wir auf die Jagd.“

Draußen hatte der Regen aufgehört. Die Stadt lag grau und schwer unter den Wolken. Ich spürte, wie sich das alte Kribbeln in meinem Nacken verstärkte. Ein neuer Fall, neue Schatten, neue Leichen. Aber eines war sicher: Ich würde nicht ruhen, bis ich die Wahrheit gefunden hatte.

Und ich wusste, dass ich dabei nicht allein war.

2. Kapitel

Der Regen hatte nachgelassen, als Milo und ich Quantadyne wieder verließen. Die Straßen glänzten nass, die Stadt atmete schwer unter dem grauen Himmel. Ich lehnte mich im Wagen zurück, während Milo fuhr, und ließ die letzten Stunden Revue passieren. Dr. Alan Hargrove war tot, ein Schatten huschte durch die Überwachungsvideos, ein Berater namens Samuel Yates war spurlos verschwunden. Und irgendwo da draußen lauerte ein Motiv, das mehr wert war als ein Menschenleben.

Milo bog auf die Van Dam Street ein. „Was meinst du, Jesse? War’s Yates?“

Ich schüttelte den Kopf. „Zu einfach. Wer immer das war, wusste, wie man ein System lahmlegt, ohne Spuren zu hinterlassen. Und er hatte Zugang. Aber warum Hargrove? Was war in diesem Labor, das einen Mord wert war?“

„Vielleicht sollten wir uns Yates’ Wohnung ansehen, bevor es jemand anderes tut.“

Ich nickte. „Und dann will ich mit Hargroves Familie sprechen. Vielleicht hat er in den letzten Tagen etwas gesagt, das uns weiterhilft.“

Milo grinste. „Du bist heute richtig gesprächig.“

„Ich hab das Gefühl, dass wir uns beeilen müssen.“

Yates’ Adresse lag in einem renovierten Altbau in Astoria, Queens. Das Treppenhaus roch nach Bohnerwachs und altem Zigarettenrauch. Wir stiegen in den dritten Stock. Die Tür zu Yates’ Apartment war verschlossen, aber das Schloss zeigte Kratzspuren.

Ich zog die SIG, während Milo anklopfte. Keine Antwort. Ich nickte ihm zu, er trat die Tür auf.

Drinnen herrschte Chaos. Bücher und Papiere lagen verstreut, Schubladen standen offen, der Computer war verschwunden. Jemand hatte es eilig gehabt – oder wollte, dass es so aussah.

Milo pfiff leise. „Sieht aus, als hätte jemand gesucht. Aber nach was?“

Ich durchstöberte die Papiere auf dem Boden. Rechnungen, wissenschaftliche Artikel, ein paar Briefe. Nichts, was auf den ersten Blick auffiel. Dann entdeckte ich einen Notizblock, auf dem mit Bleistift eine Telefonnummer und ein Name gekritzelt waren: „M. Tucker – 917-555-0134“.

Ich hielt Milo den Block hin. „Du hast einen neuen Verehrer.“

Er grinste schief. „Vielleicht hat er mich verwechselt.“

Ich notierte die Nummer. „Wir lassen sie von der Zentrale überprüfen.“

Im Schlafzimmer lag ein Koffer, halb gepackt, als hätte Yates vorgehabt, zu verschwinden. Ein Stapel Reisepässe lag daneben, alle auf verschiedene Namen, aber das Foto immer dasselbe: Yates, mal mit Bart, mal ohne.

Milo hob einen der Pässe hoch. „Der Mann war vorbereitet.“

„Oder er wusste, dass er beobachtet wird.“

Ich trat ans Fenster. Von hier aus hatte man einen guten Blick auf die Straße. Ein schwarzer Van parkte gegenüber, die Scheiben getönt. Ich griff zum Handy, wählte McKees Nummer.

„McKee.“

„Jesse. Wir sind in Yates’ Wohnung. Jemand war vor uns hier. Alles durchwühlt, Computer weg, mehrere falsche Pässe. Und da ist ein Van auf der Straße, der mir nicht gefällt.“

„Nummernschild?“

Ich spähte hinaus, notierte die Nummer. „NY 8FZ-1123.“

„Ich lasse sie überprüfen. Bleiben Sie dran, aber seien Sie vorsichtig.“

Ich legte auf. Milo musterte mich. „Was jetzt?“

„Wir sehen uns den Van an.“

Wir verließen das Apartment, gingen die Treppe hinunter. Auf der Straße schien alles ruhig, aber ich spürte die Blicke aus dem Van. Ich deutete Milo, sich links zu halten, während ich rechts herumging. Wir näherten uns dem Wagen von beiden Seiten.

Plötzlich startete der Motor. Der Van schoss vor, bog in die nächste Straße und verschwand im Verkehr.

Milo fluchte. „Die hatten es eilig.“

Ich zog das Handy, rief Clive Caravaggio an. „Clive, hier ist Jesse. Wir brauchen eine Fahndung nach einem schwarzen Van, Nummer NY 8FZ-1123. Gerade aus Astoria verschwunden.“

„Kommt sofort in die Datenbank. Was habt ihr gefunden?“

„Falsche Pässe, Chaos, und eine Telefonnummer, die ich dir gleich schicke. Check sie durch.“

„Wird gemacht.“

Ich steckte das Handy weg. „Jemand ist Yates auf den Fersen. Und derjenige weiß, dass wir ihm dicht auf den Fersen sind.“

Milo sah mich an. „Was jetzt?“

„Wir fahren zu Hargroves Familie. Vielleicht hat er was gesagt, das uns weiterbringt.“

Das Haus der Hargroves lag in einem ruhigen Viertel von Forest Hills. Der Rasen war akkurat gestutzt, die Blumenbeete gepflegt. Mrs. Hargrove öffnete uns die Tür. Sie war eine Frau Mitte fünfzig, mit müden Augen und einem festen Händedruck.

„Special Agent Trevellian, FBI. Das ist mein Kollege Tucker. Es tut uns leid, dass wir Sie in dieser schweren Zeit belästigen.“

Sie nickte, ließ uns eintreten. Das Wohnzimmer war voller Blumen, die Luft roch nach Lilien und Trauer.

„Ich weiß, Sie müssen Ihre Arbeit tun“, sagte sie leise. „Aber ich weiß wirklich nicht, was Alan passiert ist.“

Wir setzten uns. Milo übernahm das Reden, sein Ton sanft, fast einfühlsam. „Hatte Ihr Mann in letzter Zeit Probleme? Hat er sich verändert?“

Sie schüttelte den Kopf. „Er war angespannt, ja. Aber das war er immer, wenn ein neues Projekt kurz vor dem Abschluss stand. Er hat nie über seine Arbeit gesprochen. Alles war geheim.“

Ich nickte. „Hat er in den letzten Tagen ungewöhnliche Anrufe bekommen? Oder Besuch?“

Sie dachte nach. „Da war ein Mann, der zweimal angerufen hat. Alan hat mit ihm im Arbeitszimmer gesprochen. Er war danach immer sehr aufgewühlt.“

„Wissen Sie, wie der Mann hieß?“

Sie schüttelte den Kopf. „Nein. Aber Alan hat einmal den Namen ‚Yates‘ erwähnt.“

Ich notierte das. „Gab es sonst etwas Ungewöhnliches?“

Sie zögerte. „Gestern Abend, kurz bevor er ins Labor fuhr, hat er mir einen Umschlag gegeben. Er sagte, ich solle ihn nur öffnen, falls ihm etwas zustoße.“

Ich spürte, wie mein Puls schneller wurde. „Darf ich den Umschlag sehen?“

Sie stand auf, ging ins Nebenzimmer und kam mit einem dicken, braunen Umschlag zurück. Ich öffnete ihn vorsichtig. Drinnen waren mehrere Blätter, dicht beschrieben, und ein USB-Stick.

Ich überflog die ersten Zeilen. Hargrove hatte alles aufgeschrieben: Die letzten Wochen, seine Sorgen, seine Zweifel. Er erwähnte das Projekt „Nightingale“, eine neue Generation von Steuerungschips für autonome Drohnen – klein, leistungsstark, mit einer KI, die sich selbst weiterentwickeln konnte.

Ich steckte den USB-Stick ein. „Das ist sehr wichtig, Mrs. Hargrove. Wir werden alles tun, um die Wahrheit herauszufinden.“

Sie nickte. „Bitte. Finden Sie denjenigen, der das getan hat.“

Zurück im Wagen, steckte ich den Stick in meinen Laptop. Die Dateien waren verschlüsselt, aber Clive würde sie knacken können. Ich rief ihn an, schilderte die Lage.

„Schick mir die Daten durch, Jesse. Ich setze mich sofort dran.“

Ich lehnte mich zurück. „Das ist größer, als wir dachten, Milo. Autonome Drohnen, KI, militärische Anwendungen. Kein Wunder, dass jemand bereit ist, dafür zu töten.“

Milo nickte. „Und Yates?“

„Entweder ist er auf der Flucht, oder er ist das nächste Opfer.“

Mein Handy vibrierte. Eine Nachricht von Clive: „Nummer gehört zu einer Prepaid-Karte. Letzter Anruf gestern, 23:14 Uhr, von einer Zelle in der Nähe von Quantadyne.“

Ich rief Clive zurück. „Kannst du die Bewegungen der Karte nachverfolgen?“

„Ich versuch’s, aber der Typ ist vorsichtig. Die Karte war nur kurz aktiv, dann wieder aus.“

Ich seufzte. „Wir brauchen mehr.“

Milo sah mich an. „Vielleicht sollten wir mit Mr. McKee sprechen. Wenn Nightingale wirklich das ist, was ich denke, dann brauchen wir mehr Leute.“

Ich nickte. „Und ich will wissen, ob es in letzter Zeit ähnliche Vorfälle gab – bei anderen Firmen, anderen Projekten.“

Zurück im Büro, wartete McKee schon auf uns. Er stand am Fenster, die Hände auf dem Rücken verschränkt, als wir eintraten.

„Was haben Sie?“

Ich schilderte die Lage, übergab ihm den Umschlag und den USB-Stick. McKee las die ersten Seiten, seine Stirn legte sich in Falten.

„Projekt Nightingale. Das Pentagon hat davon gesprochen. Autonome Systeme, die sich selbst optimieren. Wenn das in falsche Hände gerät...“

Er ließ den Satz offen. Ich wusste, was er meinte.

„Clive arbeitet an der Entschlüsselung. Aber wir brauchen mehr. Yates ist verschwunden, jemand hat seine Wohnung durchsucht. Und der schwarze Van ist immer noch unterwegs.“

McKee nickte. „Ich setze ein Team auf Yates an. Und ich will, dass Sie mit Milo die Konkurrenz von Quantadyne überprüfen. Wer hätte ein Interesse daran, Hargrove auszuschalten?“

Ich dachte nach. „Es gibt ein paar Namen. Synapse Dynamics, Helix Systems, und dann gibt es noch die Gerüchte über einen ausländischen Investor, der sich in letzter Zeit für Quantadyne interessiert hat.“

McKee nickte. „Kümmern Sie sich darum. Und halten Sie mich auf dem Laufenden.“

Wir verließen das Büro. Milo sah mich an. „Was meinst du, Jesse?“

„Ich meine, dass wir uns Synapse Dynamics ansehen sollten. Die haben in letzter Zeit einige Leute von Quantadyne abgeworben.“

„Und wenn Yates für sie arbeitet?“

Ich zuckte die Schultern. „Dann ist er vielleicht nicht das Opfer, sondern der Täter.“

Wir fuhren nach Midtown, wo Synapse Dynamics residierte – ein gläserner Turm, der in den Himmel ragte wie ein Monolith. Die Empfangsdame musterte uns misstrauisch, als wir unsere Ausweise zeigten.

„Wir möchten mit Dr. Karen Li sprechen“, sagte ich. „Sie ist die Leiterin der Forschungsabteilung.“

Sie nickte, telefonierte kurz, dann führte sie uns in einen Konferenzraum. Dr. Li war eine kleine Frau mit scharfen Zügen und wachen Augen. Sie begrüßte uns höflich, aber distanziert.

„Wie kann ich Ihnen helfen, Agent Trevellian?“

Ich zeigte ihr ein Foto von Yates. „Kennen Sie diesen Mann?“

Sie sah es sich an, schüttelte den Kopf. „Nein. Er arbeitet nicht für uns.“

„Sind Sie sicher?“

Sie lächelte kühl. „Ich kenne alle meine Mitarbeiter.“

Ich wechselte das Thema. „Wussten Sie, dass Dr. Hargrove tot ist?“

Sie zuckte zusammen, fing sich aber schnell. „Nein. Das ist... schrecklich. Wir waren Konkurrenten, aber ich habe seinen Respekt geschätzt.“

„Gab es in letzter Zeit Kontakt zwischen Ihren Firmen?“

Sie schüttelte den Kopf. „Nicht offiziell. Aber in diesem Geschäft weiß man nie, wer mit wem spricht.“

Ich beobachtete sie genau. Sie war zu ruhig, zu kontrolliert.

„Was wissen Sie über Projekt Nightingale?“

Sie lächelte. „Nur das, was man in den Fachzeitschriften liest. Aber ich weiß, dass Quantadyne in letzter Zeit große Fortschritte gemacht hat.“

Ich nickte. „Danke, Dr. Li. Wenn Ihnen etwas einfällt, rufen Sie mich an.“

Draußen auf der Straße schüttelte Milo den Kopf. „Die lügt.“

„Ich weiß. Aber wir können ihr nichts nachweisen.“

Zurück im Wagen, klingelte mein Handy. Clive.

„Jesse, ich hab’s geschafft. Die Dateien sind offen. Und du solltest das sehen.“

„Was ist es?“

„Eine Liste von Namen. Leute, die Zugang zu Nightingale hatten. Und ein Protokoll – jemand hat versucht, den Quellcode zu kopieren. Um 23:10 Uhr, gestern Nacht.“

Ich spürte, wie sich alles zusammenfügte. „Wer?“

„Das System wurde mit einer externen Karte gehackt. Die Seriennummer stimmt mit einer der Nummern auf Yates’ Pässen überein.“

Ich schloss die Augen. „Yates hat den Code gestohlen.“

„Und jemand ist ihm auf den Fersen.“

Ich sah Milo an. „Wir müssen Yates finden. Bevor es jemand anderes tut.“

Milo nickte. „Und dann?“

Ich griff zum Handy. „Dann holen wir uns den Code zurück. Und finden heraus, wer wirklich hinter dem Mord an Hargrove steckt.“

Draußen zog ein neuer Regenschauer auf. Die Stadt verschwamm hinter den Scheiben. Aber ich wusste, dass wir auf dem richtigen Weg waren. Und dass die Nacht noch lange nicht vorbei war.

3. Kapitel

Milo und ich saßen in unserem Wagen vor dem Synapse-Tower, während draußen der Regen in dichten Schleiern über die Windschutzscheibe zog. Ich starrte auf die vorbeiziehenden Schemen der Passanten, die sich unter Regenschirmen duckten, und ließ die letzten Stunden Revue passieren. Hargrove war tot, Yates verschwunden, und wir hatten jetzt die Bestätigung, dass der Quellcode von „Nightingale“ tatsächlich gestohlen worden war – und zwar von Yates selbst.

„Was meinst du, Jesse?“, fragte Milo, während er einen weiteren Schluck von seinem inzwischen lauwarmen Coffee-to-go nahm. „Ist Yates auf der Flucht, oder hat er sich mit dem Code schon an den Meistbietenden verkauft?“

Ich schüttelte den Kopf. „Ich glaube nicht, dass er schon verkauft hat. Sonst wäre er längst verschwunden. Und irgendjemand ist ihm auf den Fersen. Die Frage ist nur: Wer jagt hier eigentlich wen?“

Milo grinste schief. „Und wir jagen beide.“

Ich zog mein Handy und tippte Clives Nummer. Er nahm sofort ab, als hätte er nur darauf gewartet.

„Clive, hast du schon was über den Van?“

„Noch nichts Handfestes. Die Nummer ist auf eine Briefkastenfirma in Jersey registriert. Aber ich habe ein paar Verkehrskameras in der Umgebung von Yates’ Wohnung ausgewertet. Der Van ist vor einer halben Stunde in Richtung Brooklyn Bridge gefahren. Danach verliert sich die Spur.“

„Irgendwelche Bilder von den Insassen?“

„Schlechte Qualität, aber es sieht nach zwei Männern aus. Beide mit Kapuzen, einer ziemlich groß, der andere schmal. Ich schick dir die Bilder aufs Handy.“

„Danke, Clive. Und der USB-Stick?“

„Ich arbeite noch dran. Die meisten Dateien sind verschlüsselt, aber ich habe ein paar Protokolle entschlüsselt. Es sieht so aus, als hätte Yates nicht nur den Quellcode kopiert, sondern auch eine Liste von Zugangscodes für verschiedene Server. Und – das ist interessant – eine Datei mit dem Namen ‘Chimera’. Die ist besonders gesichert.“

Ich runzelte die Stirn. „Chimera? Noch nie gehört.“

„Ich auch nicht. Aber ich bleib dran.“

Ich beendete das Gespräch und zeigte Milo die verschwommenen Bilder, die Clive geschickt hatte. „Nicht viel zu erkennen. Aber vielleicht reicht’s, um die Kollegen vom NYPD auf Trab zu bringen.“

Milo nickte. „Und was ist mit Synapse? Glaubst du, Dr. Li spielt ein doppeltes Spiel?“

Ich dachte an ihr kühles Lächeln, an die Art, wie sie jede Frage elegant umschifft hatte. „Sie weiß mehr, als sie zugibt. Aber ich glaube nicht, dass sie direkt mit dem Mord zu tun hat. Eher, dass sie versucht, aus dem Chaos Kapital zu schlagen.“

Milo grinste. „Das machen in dieser Stadt alle.“

Ich startete den Motor. „Wir fahren zurück ins Büro. Vielleicht hat Clive bis dahin mehr. Und ich will, dass wir uns die Konkurrenz von Quantadyne noch einmal genauer ansehen. Helix Systems zum Beispiel. Die haben in den letzten Monaten auffällig viele Patente angemeldet, die mit autonomen Steuerungssystemen zu tun haben.“

„Und du meinst, sie könnten Yates’ Abnehmer sein?“

„Oder sie sind auf der Jagd nach ihm, wie wir.“

Zurück in der Federal Plaza herrschte geschäftige Unruhe. Überall liefen Kollegen mit Akten, Telefone klingelten, die Kaffeemaschine röchelte im Hintergrund. Ich warf einen Blick in unser Büro – Clive saß schon an seinem Rechner, die Augen gerötet, die Haare zerzaust.

„Was hast du?“, fragte ich, während ich meine Jacke über den Stuhl warf.

Clive drehte sich um. „Ich habe die Datei ‘Chimera’ geknackt. Zumindest einen Teil. Es ist ein Protokoll von Hargrove, offenbar für den internen Gebrauch bei Quantadyne. Darin beschreibt er, dass ‘Nightingale’ nicht nur ein Steuerungssystem für Drohnen ist, sondern auch eine Art Selbstschutzmechanismus besitzt. Eine digitale Chimäre – ein Programm, das sich selbst zerstört, wenn es erkennt, dass es kopiert oder manipuliert wird.“

Milo pfiff leise. „Das klingt nach Science-Fiction.“

Clive schüttelte den Kopf. „Ist es aber nicht. Hargrove beschreibt, dass das System in der Lage ist, sich selbst zu verschlüsseln, Daten zu löschen und sogar gezielt Hardware zu zerstören, wenn es in fremde Hände gerät. Und – das ist der Clou – es kann Spuren legen, die auf andere Systeme verweisen. Falsche Fährten.“

Ich lehnte mich zurück. „Das heißt, selbst wenn Yates den Code verkauft, weiß niemand, ob er echt ist – oder ob er sich in Rauch auflöst, sobald jemand ihn benutzt.“

Clive nickte. „Genau. Aber es gibt einen Haken: Hargrove schreibt, dass es einen Master-Key gibt. Einen einzigen Code, mit dem man die Chimäre deaktivieren kann. Und der ist nicht digital gespeichert, sondern nur auf Papier – angeblich hat Hargrove ihn auswendig gelernt.“

Milo sah mich an. „Und jetzt ist Hargrove tot.“

Ich nickte. „Aber vielleicht hat er den Code irgendwo hinterlassen. Oder jemand glaubt das zumindest.“

Clive schob mir einen weiteren Ausdruck zu. „Und noch etwas: In den letzten Tagen gab es mehrere Zugriffsversuche auf den Quantadyne-Server von außen. Alle aus einem Netz, das auf Helix Systems zurückgeht.“

Ich spürte, wie sich die Puzzleteile langsam zusammenfügten. „Dann ist das unser nächster Schritt.“

Helix Systems residierte in einem nüchternen Betonbau am Rand von Long Island City. Kein Glanz, kein Prunk – nur Zweckmäßigkeit und Sicherheit. Wir meldeten uns am Empfang, wurden von einem nervösen Wachmann durch mehrere Sicherheitsschleusen geführt. Schließlich landeten wir in einem Konferenzraum, der nach kaltem Kaffee und Linoleum roch.

Nach ein paar Minuten erschien Dr. Marcus Feld, der Forschungsleiter. Ein Mann Ende fünfzig, mit schütterem Haar und einem Händedruck wie ein Schraubstock.

„Special Agent Trevellian, Agent Tucker. Was kann ich für Sie tun?“

Ich zeigte ihm ein Foto von Yates. „Kennen Sie diesen Mann?“

Feld musterte das Bild, schüttelte dann den Kopf. „Nein. Nie gesehen.“

„Sind Sie sicher?“

Er lächelte dünn. „Ich kenne meine Mitarbeiter.“

Die gleiche Antwort wie bei Dr. Li. Ich ließ nicht locker. „Uns liegen Hinweise vor, dass von Ihrem Firmennetzwerk aus mehrfach versucht wurde, in die Server von Quantadyne einzudringen.“

Feld hob die Augenbrauen. „Das ist mir neu. Unsere IT-Abteilung ist angewiesen, alle verdächtigen Aktivitäten sofort zu melden.“

„Vielleicht sollten wir mit Ihrer IT sprechen.“

Feld zögerte, dann nickte er. „Natürlich. Ich lasse jemanden kommen.“

Während wir warteten, musterte ich das Büro. An den Wänden hingen Diagramme, technische Zeichnungen, ein paar Fotos von Drohnen und Robotern. Auf einem Regal stand ein Modellflugzeug, das verdächtig nach einer militärischen Aufklärungsdrohne aussah.

Die Tür öffnete sich. Ein junger Mann mit Brille und Aktenmappe trat ein. „Ich bin David Kim, IT-Sicherheit.“

Ich zeigte ihm die Ausdrucke von Clive. „Erkennen Sie diese IP-Adressen?“

Kim blätterte durch die Seiten, runzelte die Stirn. „Das sind unsere internen Adressen. Aber...“ Er stockte. „Moment. Die Zugriffe stammen aus einem Bereich, der normalerweise nur für externe Consultants freigeschaltet wird.“

„Wer hatte in den letzten Tagen Zugriff auf diesen Bereich?“

Kim tippte auf seinem Tablet. „Laut Protokoll: Dr. Feld, zwei weitere leitende Ingenieure, und – ein externer Berater. Samuel Yates.“

Feld fuhr herum. „Was? Das kann nicht sein!“

Kim zeigte ihm das Tablet. „Hier steht es. Yates war als externer Consultant für ein Projekt namens ‘Horus’ freigeschaltet.“

Ich sah Feld an. „Und jetzt, Dr. Feld?“

Er wirkte plötzlich sehr blass. „Das... das muss ein Fehler sein. Ich habe Yates nie gesehen.“

Ich lächelte kühl. „Aber Ihr System hat ihn gesehen.“

Draußen vor dem Gebäude lehnte Milo sich an den Wagen. „Das war’s wohl mit der Unschuld.“

Ich nickte. „Yates hat für Helix gearbeitet. Und vielleicht hat er versucht, den Code an sie zu verkaufen – oder sie haben ihn angeheuert, um ihn zu stehlen.“

Milo sah mich an. „Und was jetzt?“

Ich zog mein Handy, wählte McKees Nummer. „Chef, wir haben Yates als Consultant bei Helix identifiziert. Er hatte Zugang zu deren Systemen und zu einem Projekt namens ‘Horus’.“

McKee war einen Moment still. „Horus? Das ist ein militärisches Aufklärungsprojekt. Wenn der Nightingale-Code damit kombiniert wird, haben wir ein Problem.“

„Wir brauchen einen Haftbefehl für Feld und Yates.“

„Ich kümmere mich darum. Und ihr bleibt dran.“

Ich steckte das Handy weg. „Wir fahren zurück ins Büro. Ich will, dass Clive alles über ‘Horus’ rausfindet. Und wir müssen Yates finden, bevor er untertaucht.“

Zurück in der Federal Plaza war Clive schon wieder am Rechner. Er sah auf, als wir eintraten.

„Ich hab was. ‘Horus’ ist ein Projekt, das ursprünglich für die Army entwickelt wurde – eine autonome Drohne, die in feindlichen Gebieten selbstständig Ziele aufspüren und markieren kann. Mit dem Nightingale-Code könnte sie nicht nur markieren, sondern auch entscheiden, wen sie angreift.“

Milo schüttelte den Kopf. „Das ist Wahnsinn.“

Clive nickte. „Und noch etwas: Yates hat in den letzten Tagen mehrfach Kontakt zu einer Nummer in New Jersey gehabt. Die gehört zu einer Firma namens ‘Triad Consulting’.“

Ich runzelte die Stirn. „Triad?“

Clive zuckte die Schultern. „Klingt nach einer Deckfirma. Aber ich habe eine Adresse.“

Ich griff zum Handy, rief McKee an. „Wir haben eine Spur. Triad Consulting, Jersey City. Yates hat mehrfach dorthin telefoniert.“

McKee zögerte. „Das ist gefährlich, Jesse. Wenn das wirklich eine Deckfirma ist, könnte da mehr dahinterstecken als nur Wirtschaftsspionage.“

„Wir nehmen Verstärkung mit.“

Die Fahrt nach Jersey City zog sich. Der Regen hatte wieder eingesetzt, die Straßen waren voll, das Licht der Scheinwerfer spiegelte sich auf dem Asphalt. Triad Consulting residierte in einem unscheinbaren Bürogebäude am Rand des Hafens. Keine Schilder, keine Werbung. Nur ein Klingelschild, auf dem in abgewetzter Schrift ‘Triad’ stand.

Wir parkten ein paar Häuser weiter, warteten, bis die Kollegen vom NYPD eintrafen. Dann näherten wir uns dem Gebäude. Ich zog die SIG, Milo sicherte die Rückseite.

Im Flur roch es nach altem Teppich und Zigarettenrauch. Wir gingen die Treppe hoch, fanden die Tür zu Triad Consulting – verschlossen. Ich nickte Milo zu, er trat die Tür auf.

Drinnen herrschte Stille. Ein Schreibtisch, ein paar Stühle, ein Computer, der noch lief. Auf dem Bildschirm war ein Videochat offen – das Bild zeigte Yates, blass, nervös, mit dunklen Ringen unter den Augen.

Ich trat näher, drückte auf den Mausknopf. Die Verbindung war tot, aber im Hintergrund lief eine Aufnahme. Yates’ Stimme klang verzerrt, als hätte er Angst.

„Ich habe den Code. Aber ich weiß, dass sie hinter mir her sind. Wenn ich mich nicht melde, schicken Sie alles an die Adresse, die ich Ihnen gegeben habe. Und sorgen Sie dafür, dass meine Familie geschützt wird.“

Milo sah mich an. „Er hat Angst.“

Ich nickte. „Und er weiß, dass er gejagt wird.“

Ich durchsuchte den Raum. In einer Schublade fand ich einen Umschlag – darin eine Liste mit Namen, Adressen, und ein Foto von Hargrove. Jemand hatte ein rotes Kreuz über das Gesicht gemalt.

Milo trat ans Fenster. „Da draußen bewegt sich was.“

Ich spähte hinaus. Zwei Männer in dunklen Anzügen stiegen aus einem schwarzen Van – der Van, den wir aus Astoria kannten.

„Sie sind schneller als wir gedacht haben.“

Ich griff zum Handy, rief die Kollegen vom NYPD. „Wir brauchen Verstärkung, jetzt!“

Milo und ich zogen uns in den Flur zurück, die Waffen im Anschlag. Die Schritte kamen näher, Stimmen flüsterten. Dann krachte die Tür auf.

Ich sah das Gesicht eines der Männer – groß, kantig, mit einer Narbe über der Wange. Er hob die Waffe, feuerte. Die Kugel schlug in die Wand neben mir.

Ich erwiderte das Feuer, hörte Milo neben mir schießen. Einer der Männer stürzte, der andere zog sich zurück.

Im Flur herrschte für einen Moment Stille, dann hörten wir Sirenen. Die Verstärkung war da.

Ich atmete tief durch, spürte, wie mein Herz raste. Milo grinste schief. „Das war knapp.“

Ich nickte. „Zu knapp.“

Später, als die Kollegen die beiden Männer abführten und der Tatort gesichert war, setzte ich mich an den Schreibtisch und betrachtete die Liste aus dem Umschlag. Es waren Namen von Wissenschaftlern, Ingenieuren, Sicherheitsleuten – alle hatten sie mit Nightingale oder ähnlichen Projekten zu tun.

Ich wusste, dass das hier erst der Anfang war. Jemand war bereit, für den Code zu töten. Und Yates war immer noch da draußen.

Ich griff zum Handy, wählte McKees Nummer. „Chef, wir haben ein Problem. Das hier ist größer, als wir dachten. Viel größer.“

Draußen hatte der Regen aufgehört. Die Stadt lag still und schwer unter den Wolken. Aber ich wusste, dass wir in der nächsten Nacht keine Ruhe finden würden. Nicht, solange Yates und der Code verschwunden waren – und nicht, solange jemand bereit war, für ein Stück Software zu töten.

Und ich wusste, dass Milo und ich uns auf alles gefasst machen mussten.

4. Kapitel

In der Federal Plaza war es kurz vor Mitternacht, als Milo und ich zurückkamen. Der Regen hatte aufgehört, aber die Straßen glänzten noch feucht im Licht der Laternen. Drinnen herrschte gedämpfte Betriebsamkeit. Die Nachtschicht war besetzt, aber die meisten Kollegen sahen aus, als könnten sie jeden Moment einschlafen – bis auf Clive Caravaggio, der an seinem Schreibtisch saß, umgeben von Kaffeebechern und blinkenden Monitoren.

Ich ließ mich auf meinen Stuhl fallen. Der Tag steckte mir in den Knochen. Milo warf seine Jacke über die Lehne und goss sich einen Becher Kaffee ein, der wahrscheinlich schon seit Stunden auf der Heizplatte stand.

Clive blickte uns an, seine Augen gerötet. „Ihr seht aus, als hättet ihr den Teufel persönlich gejagt.“

Ich zuckte die Schultern. „Kommt auf die Definition von Teufel an. Hast du was Neues?“

Clive nickte und drehte seinen Bildschirm zu uns. „Ich habe die Videoaufnahmen aus Yates’ Wohnung und dem Büro von Triad Consulting synchronisiert. Die Zeitstempel passen. Yates war heute Nachmittag definitiv im Triad-Büro. Und er hat nicht nur mit irgendwem gesprochen – sondern mit einem Mann, der auf den Namen Victor Kurchartov hört.“

Milo runzelte die Stirn. „Kurchartov?“

Clive klickte ein weiteres Fenster auf. Ein Fahndungsfoto erschien. „Ehemaliger russischer Geheimdienstoffizier, jetzt angeblich Berater für internationale Sicherheitsfirmen. In Wahrheit ein Mittelsmann für alles, was teuer und gefährlich ist. Waffen, Technologie, Informationen. Er taucht immer dann auf, wenn irgendwo ein High-Tech-Diebstahl passiert.“

Ich lehnte mich vor. „Und was will Kurchartov von Yates?“

Clive zuckte die Schultern. „Was jeder will: Nightingale. Oder zumindest den Schlüssel dazu.“

Milo schob seinen Kaffeebecher beiseite. „Und Yates?“

Clive öffnete eine weitere Datei. „Ich habe die Bewegungsdaten seines Handys nachverfolgt, soweit es ging. Er war nach dem Treffen bei Triad Consulting noch in einem Motel in Jersey City – dem Maple Leaf Inn. Danach verliert sich die Spur. Das Handy ist seit einer Stunde abgeschaltet.“

Ich stand auf. „Dann fahren wir zum Maple Leaf Inn. Vielleicht ist er noch da. Oder jemand weiß, wohin er wollte.“

Milo griff nach seiner Jacke. „Ich liebe Nachteinsätze.“

Clive rief uns noch hinterher: „Passt auf euch auf. Kurchartov spielt nicht nach Regeln.“

Der Weg nach Jersey City zog sich. Die Straßen waren um diese Uhrzeit fast leer, nur ein paar Taxis und Lieferwagen teilten sich mit uns den Asphalt. Das Maple Leaf Inn war eines dieser Motels, die schon bessere Zeiten gesehen hatten: Neonlicht, das flackerte, ein Parkplatz mit Schlaglöchern, ein Nachtportier hinter Panzerglas.

Wir zeigten unsere Ausweise. Der Portier, ein Mann mit schütterem Haar und tiefen Augenringen, musterte uns misstrauisch.

„Wir suchen einen Gast. Samuel Yates. Hat heute eingecheckt.“

Der Portier blätterte in seinem Register. „Zimmer 217. Hat vor einer Stunde bezahlt und den Schlüssel abgegeben. Ist dann mit einem Koffer raus.“

„Hat er was gesagt?“

Der Portier zuckte die Schultern. „Hat gefragt, ob ich ein Taxi rufen kann. Ich hab ihm die Nummer von einer lokalen Firma gegeben.“

Milo zeigte ihm ein Foto von Kurchartov. „Hat er sich mit diesem Mann getroffen?“

Der Portier sah sich das Bild an, schüttelte dann den Kopf. „Hab ich nicht gesehen. Aber ich kann nicht alles im Blick behalten.“

Ich notierte die Nummer der Taxifirma. „Danke. Falls Ihnen noch was einfällt, rufen Sie mich an.“

Wir gingen zu Zimmer 217. Die Tür war nicht abgeschlossen, das Zimmer leer. Das Bett war gemacht, aber auf dem Nachttisch lag noch ein zerknitterter Zettel. Ich hob ihn auf. Es war eine Quittung von einem Diner ein paar Blocks entfernt, ausgestellt vor etwa einer Stunde.

Milo grinste. „Vielleicht hat Yates Hunger gekriegt.“

Ich nickte. „Oder er hat sich mit jemandem getroffen.“

Wir fuhren zum Diner. Es war einer dieser Orte, die rund um die Uhr geöffnet haben, mit Neonlichtern, Chrom und dem Geruch von gebratenem Speck in der Luft. Drinnen saßen ein paar Trucker, ein älteres Ehepaar und eine Kellnerin, die aussah, als hätte sie seit zwanzig Jahren kein Wochenende mehr gehabt.

Ich zeigte ihr das Foto von Yates. „War dieser Mann heute hier?“

Sie nickte. „Hat am Fenster gesessen. Kaffee, Toast, zwei Spiegeleier. War nervös, hat ständig auf die Uhr gesehen.“

„War er allein?“

Sie schüttelte den Kopf. „Ein Mann hat sich zu ihm gesetzt. Groß, schlank, russischer Akzent. Haben sich leise unterhalten, dann sind sie zusammen raus.“

Ich zeigte ihr das Bild von Kurchartov. Sie nickte sofort. „Das war er.“

Ich legte einen Zehndollarschein auf den Tresen. „Danke. Wissen Sie, in welche Richtung sie gegangen sind?“

Sie deutete nach draußen. „Zu Fuß Richtung Hafen.“

Wir folgten der Straße in Richtung Hafen. Die Gegend wurde rauer, die Straßen dunkler. Hier und da brannte noch Licht in einem Lagerhaus, ein paar Gestalten huschten durch die Schatten. Ich spürte, wie sich mein Magen verkrampfte. Das hier war kein Ort für Spaziergänge.

Milo blieb stehen, zeigte auf einen Lieferwagen, der am Straßenrand parkte. „Da vorne. Zwei Männer steigen ein.“

Ich zog die SIG, schlich mich mit Milo an den Wagen heran. Durch die schmutzige Heckscheibe sah ich Yates auf dem Rücksitz, neben ihm Kurchartov. Vorne saß ein weiterer Mann, bullig, mit Glatze.

Ich bedeutete Milo, sich links zu halten, während ich rechts herumging. Wir kamen gleichzeitig an die Türen, rissen sie auf.

„FBI! Hände hoch!“

Kurchartov reagierte blitzschnell. Er riss Yates zu sich, zog eine Pistole und hielt sie ihm an die Schläfe. Der bullige Fahrer griff nach einer Waffe, aber Milo war schneller. Ein kurzer, harter Befehl – „Runter!“ – und der Mann ließ die Pistole fallen.

Ich richtete meine SIG auf Kurchartov. „Lassen Sie die Waffe fallen!“

Kurchartov lächelte kalt. „Sie sind zu spät, Agent. Das Spiel ist vorbei.“

„Das glaube ich nicht. Sie haben keine Chance.“

Er drückte Yates die Pistole fester an den Kopf. „Sie unterschätzen mich. Ich habe, was ich wollte.“

Yates zitterte, Schweiß rann ihm über die Stirn. „Bitte, ich wollte nur... Ich wollte nur, dass meine Familie in Sicherheit ist.“

Kurchartov lachte leise. „Ihre Familie ist mir egal. Ich will den Code.“

Ich trat einen Schritt näher. „Lassen Sie ihn los. Sie kommen hier nicht raus.“

In diesem Moment hörte ich Sirenen in der Ferne. Kurchartov fluchte, stieß Yates von sich und riss die Wagentür auf. Er feuerte einen Schuss in unsere Richtung, dann rannte er in die Dunkelheit. Ich hechtete hinterher, hörte Milo, wie er den bulligen Fahrer zu Boden drückte.

Kurchartov war schnell, aber ich war schneller. Ich holte ihn am Ende der Gasse ein, packte ihn am Kragen und riss ihn zu Boden. Die Pistole flog klappernd über den Asphalt. Kurchartov schlug um sich, aber ich verpasste ihm einen schnellen Haken. Er sackte zusammen.

Ich atmete schwer, als Milo zu mir stieß, Yates im Schlepptau.

„Alles okay, Jesse?“

Ich nickte, wischte mir den Schweiß von der Stirn. „Kurchartov ist erledigt. Und der Fahrer?“

Milo grinste. „Liegt gefesselt im Wagen und jammert.“

Ich sah Yates an. Er war bleich, die Hände zitterten. „Sind Sie verletzt?“

Er schüttelte den Kopf. „Nein. Aber ich... ich habe solche Angst.“

Ich legte ihm beruhigend die Hand auf die Schulter. „Sie sind jetzt in Sicherheit. Aber Sie müssen uns alles erzählen.“

Zurück in der Federal Plaza saßen wir mit Yates in einem Vernehmungsraum. Mr. McKee war inzwischen eingetroffen, sein Gesicht noch härter als sonst. Kurchartov und sein Fahrer wurden in getrennte Zellen gebracht, Clive arbeitete an der Auswertung der sichergestellten Laptops und Handys.

Yates trank einen Becher Wasser, seine Hände zitterten immer noch. Ich setzte mich ihm gegenüber.

„Fangen Sie von vorn an, Mr. Yates. Warum haben Sie den Code gestohlen?“

Er sah mich an, die Augen gerötet. „Ich... Ich hatte Schulden. Meine Frau ist krank, die Versicherung zahlt nicht. Dann hat mich Kurchartov kontaktiert. Er wusste alles über mich, über meine Familie. Er hat gesagt, wenn ich ihm helfe, sorgt er dafür, dass sie in Sicherheit ist. Ich sollte den Code kopieren und ihm den Master-Key besorgen.“

Milo verschränkte die Arme. „Und Hargrove?“

Yates schluckte. „Er hat Verdacht geschöpft. Ich wollte ihn nicht töten, ich schwöre es! Aber Kurchartov... Er hat gesagt, wenn ich nicht mitmache, passiert meiner Familie etwas.“

Ich notierte mir alles. „Sie haben den Code kopiert. Aber der Master-Key?“

Yates schüttelte den Kopf. „Ich habe ihn nie bekommen. Hargrove hat ihn nie aufgeschrieben. Er hat ihn auswendig gelernt, wie ein Mantra. Ich dachte, vielleicht finde ich ihn in seinen Unterlagen, aber da war nichts.“

McKee beugte sich vor. „Und was wollte Kurchartov?“

Yates zitterte. „Er wollte Nightingale verkaufen. An einen ausländischen Investor. Ich sollte ihm den Code geben, dann würde er meine Familie gehen lassen. Aber ich habe Angst bekommen. Ich habe versucht, zu fliehen.“

Ich nickte. „Sie haben das Richtige getan, indem Sie uns geholfen haben. Aber Sie müssen uns alles geben, was Sie haben.“

Yates nickte, Tränen liefen ihm über die Wangen. „Ich will nur, dass meine Frau in Sicherheit ist.“

Clive kam später zu uns, ein triumphierendes Lächeln auf den Lippen. „Ich hab’s, Jesse. Auf Kurchartovs Laptop sind alle Kontakte, alle Absprachen. Und – das ist das Beste – eine vollständige Liste der Käufer, die Nightingale haben wollten. Darunter Vertreter aus mindestens drei Ländern, ein paar Syndikate, und – Überraschung – ein Kontakt bei Helix Systems.“

Milo grinste. „Da schließt sich der Kreis.“

McKee nickte. „Wir werden das alles an die zuständigen Stellen weitergeben. Und Kurchartov wird lange Zeit kein Problem mehr sein.“

Ich atmete tief durch. Der Fall war noch nicht zu Ende, aber wir hatten die wichtigsten Fäden in der Hand.

Später, als es draußen schon dämmerte und die Stadt langsam erwachte, saßen Milo und ich in unserem Büro. Ich nippte an meinem Kaffee, der diesmal tatsächlich heiß war.

„Was meinst du, Jesse?“, fragte Milo leise. „War’s das?“

Ich schüttelte den Kopf. „Nicht ganz. Es wird immer Leute geben, die für Geld alles tun. Aber heute Nacht haben wir einen davon gestoppt.“

Milo grinste. „Und Yates?“

Ich sah hinaus auf die langsam heller werdende Stadt. „Er hat Fehler gemacht. Aber er hat sich gestellt. Vielleicht bekommt er eine zweite Chance.“

Milo nickte. „Und wir?“

Ich grinste. „Wir bekommen Frühstück. Und dann einen neuen Fall.“

Draußen brach der Tag an. Und ich wusste, dass wir bereit waren, wenn der nächste Schatten über New York fiel.

5. Kapitel

Der Tag nach der Festnahme von Kurchartov begann, wie so viele andere im New Yorker Field Office – mit zu wenig Schlaf, zu viel Kaffee und einer Atmosphäre, die irgendwo zwischen elektrisierter Anspannung und routinierter Müdigkeit pendelte. Ich saß an meinem Schreibtisch, die Akte „Nightingale“ vor mir ausgebreitet, während draußen der Verkehrslärm der Stadt langsam anschwoll. Milo kam herein, einen Bagel in der einen, einen Becher Kaffee in der anderen Hand.

„Wusstest du, dass es in diesem Gebäude keinen einzigen Bagel mit Lachs mehr gibt?“, fragte er, als wäre das die schlimmste Nachricht des Morgens.

Ich schüttelte den Kopf. „Die wahren Dramen der Großstadt. Setz dich, Milo. Wir haben noch einiges zu tun.“

Er ließ sich in den Stuhl fallen, biss in seinen Bagel und schob mir einen Ausdruck über den Tisch. „Clive hat die Daten von Kurchartovs Laptop weiter entschlüsselt. Da steckt mehr drin, als wir dachten.“

Ich überflog die Liste. Es war eine Aufstellung von Kontakten, Zahlungen, Treffpunkten – und Namen. Viele Namen. Einige kannte ich aus alten Fällen, andere waren neu. Aber einer stach besonders hervor: „Helix Systems – Kontakt: Dr. Marcus Feld“.

Ich runzelte die Stirn. „Das ist unser Mann von gestern. Der, der behauptete, Yates nie gesehen zu haben.“

Milo nickte. „Und laut Clive gibt es Hinweise, dass Feld nicht nur wusste, was Yates bei Helix gemacht hat, sondern dass er selbst mit Kurchartov verhandelt hat. Es gibt E-Mails, in denen sie sich über den Preis für den Master-Key unterhalten.“

Ich schob die Akte beiseite und griff zum Telefon. „Wir brauchen einen Haftbefehl für Feld. Und wir sollten mit McKee sprechen, bevor wir bei Helix aufkreuzen.“

McKee war schon im Bilde, als wir sein Büro betraten. Er stand am Fenster, die Skyline von Manhattan im Rücken, und trommelte mit den Fingern auf den Fenstersims.

„Sie haben die Beweise?“, fragte er, ohne sich umzudrehen.

„Clive hat alles gesichert. Feld ist tiefer drin, als er zugeben wollte. Wir haben E-Mails, Zahlungsnachweise und Hinweise auf weitere Treffen mit Kurchartov.“

McKee drehte sich um, sein Blick scharf. „Dann nehmen Sie ihn hoch. Aber diskret. Ich will keine Presse, bevor wir alles in der Hand haben.“

Ich nickte. „Verstanden.“

Milo grinste. „Diskretion ist unser zweiter Vorname.“

McKee lächelte dünn. „Das bezweifle ich. Aber tun Sie Ihr Bestes.“

Helix Systems war an diesem Morgen noch ruhiger als am Vortag. Der Empfang war leer, die Sicherheitsleute wirkten nervös. Dr. Feld ließ auf sich warten, und als er schließlich erschien, war sein Gesicht noch blasser als sonst.

Ich zeigte ihm unseren Durchsuchungsbefehl. „Dr. Feld, wir müssen Sie bitten, uns in Ihr Büro zu begleiten.“

Er versuchte zu protestieren, aber Milo und ich blieben hart. Im Fahrstuhl herrschte Schweigen. Felds Hände zitterten, als er die Tür zu seinem Büro öffnete.

Drinnen wartete bereits ein Kollege von der IT, der auf unseren Wink hin den Computer entsperrte. Ich überflog die E-Mails, die Clive uns zuvor geschickt hatte, und konfrontierte Feld mit den Fakten.

„Sie haben mehrfach mit Victor Kurchartov kommuniziert. Sie haben ihm Informationen über Nightingale angeboten. Und Sie haben Yates als Mittelsmann benutzt.“

Felds Fassade bröckelte. „Ich... Ich wollte nur, dass Helix nicht den Anschluss verliert. Quantadyne war uns immer einen Schritt voraus. Kurchartov hat versprochen, uns den Code zu besorgen. Ich wusste nicht, dass es so weit gehen würde...“

Ich unterbrach ihn. „Sie haben gewusst, dass Hargrove tot ist. Und Sie haben trotzdem weitergemacht.“

Feld sackte in sich zusammen. „Ich hatte keine Wahl. Die Investoren... sie hätten mich gefeuert. Ich wollte nur eine Chance.“

Milo schüttelte den Kopf. „Sie haben mehr als eine Chance verspielt, Dr. Feld.“

Wir nahmen ihn fest, ließen ihn abführen. Während wir das Gebäude verließen, spürte ich die Blicke der Angestellten auf uns. Manche schockiert, andere vielleicht erleichtert.

Zurück im Büro wartete Clive schon auf uns. Er hatte eine neue Spur gefunden.

„Jesse, Milo – schaut euch das an.“ Er drehte den Bildschirm zu uns. „Kurchartov hat nicht nur mit Feld und Yates gearbeitet. Es gibt Hinweise, dass ein weiterer Akteur im Spiel ist. Jemand, der sich ‘The Broker’ nennt. Er taucht in mehreren E-Mails als Vermittler auf und hat offenbar Kontakte zu einer internationalen Waffenhändlergruppe.“

Ich runzelte die Stirn. „Was weißt du über ihn?“

Clive zuckte die Schultern. „Nicht viel. Keine Fotos, keine echten Namen. Aber Kurchartov hat ihm einen Teil des Nightingale-Codes geschickt – als Beweis, dass er liefern kann. Und The Broker hat daraufhin eine hohe Summe auf ein Offshore-Konto überwiesen.“

Milo lehnte sich zurück. „Das heißt, ein Teil des Codes ist schon draußen.“

Clive nickte. „Aber ohne den Master-Key ist er wertlos. Trotzdem – wenn The Broker den Rest bekommt, könnte er versuchen, das System zu knacken.“

Ich stand auf. „Wir müssen herausfinden, wer The Broker ist. Und wo er den Code erwartet.“

Die nächsten Stunden verbrachten wir mit Telefonaten, Recherchen und dem Abklappern alter Kontakte. Ich rief einen Informanten an, der schon öfter mit Hinweisen zu internationalen Waffenhändlern geholfen hatte. Er meldete sich aus einer verrauchten Bar in Brooklyn.

„Du suchst The Broker?“, fragte er, nachdem ich ihm ein paar Details genannt hatte. „Der ist ein Phantom. Niemand kennt seinen echten Namen. Aber ich habe gehört, dass er in den nächsten Tagen in New York sein soll. Es gibt ein Treffen – irgendwo in Midtown, in einem der alten Hotels. Mehr weiß ich nicht.“

Ich bedankte mich, versprach eine kleine Aufmerksamkeit, und legte auf.

Milo sah mich fragend an. „Was meinst du?“

„Wir haben einen Anhaltspunkt. Wenn The Broker in der Stadt ist, wird er versuchen, den Rest des Codes zu bekommen. Und er wird sich mit jemandem treffen müssen.“

Clive schaltete sich ein. „Ich kann versuchen, die Hotelbuchungen in Midtown zu überwachen. Vielleicht taucht ein Name auf, der zu den Offshore-Konten passt.“

Ich nickte. „Tu das. Und überprüfe alle internationalen Flüge der letzten 48 Stunden. Vielleicht ist The Broker erst eingereist.“

Am Nachmittag kam Clive mit einer neuen Spur. „Ich habe eine Buchung gefunden. Ein gewisser ‘Mr. Black’ hat sich im Empire Grand Hotel eingemietet. Zahlung über ein Konto, das mit Kurchartovs Offshore-Verbindungen verknüpft ist.“

Ich grinste. „Klingt nach unserem Mann.“

Milo stand auf. „Wollen wir einen Besuch abstatten?“

Ich nickte. „Aber unauffällig. Wir wissen nicht, wie viele Leute The Broker dabei hat.“

Das Empire Grand Hotel war ein Relikt aus den goldenen Zwanzigern – hohe Decken, goldene Kronleuchter, ein Portier in Uniform. Wir zeigten unsere Ausweise, baten um Diskretion und ließen uns von der Hotelleitung den Zugang zu den Überwachungskameras geben.

Clive, der uns begleitete, wertete die Aufnahmen aus. „Zimmer 1412. Mr. Black ist heute Mittag eingetroffen. Er hatte zwei Begleiter – beide groß, muskulös, vermutlich Sicherheitsleute.“

Ich nickte. „Wir nehmen das Zimmer unter Beobachtung. Milo, du bleibst mit Clive an den Kameras. Ich gehe mit zwei Kollegen auf den Flur.“

Wir postierten uns in Sichtweite der Suite. Es dauerte nicht lange, bis sich die Tür öffnete. Ein Mann mittleren Alters, elegant gekleidet, mit silbernem Haar, trat heraus. Er sah sich um, dann verschwand er im Aufzug.

Ich folgte ihm auf Abstand, gab Milo per Funk Bescheid. Der Mann verließ das Hotel, stieg in eine schwarze Limousine. Ich notierte das Kennzeichen, ließ die Kollegen vom NYPD überprüfen, wohin der Wagen fuhr.

Zurück im Hotel beobachtete Milo, wie einer der Sicherheitsleute einen Koffer aus dem Zimmer trug. Clive verfolgte ihn auf den Kameras bis zur Tiefgarage, wo er in einen Lieferwagen stieg.

Ich funkte Milo an. „Wir müssen den Lieferwagen verfolgen. Clive, gib uns die Route durch.“

Wir stiegen in unseren Wagen und nahmen die Verfolgung auf. Der Lieferwagen fuhr quer durch Midtown, bog schließlich in eine Seitenstraße und hielt vor einem unscheinbaren Bürogebäude.

Wir warteten, bis der Sicherheitsmann mit dem Koffer im Gebäude verschwunden war, dann folgten wir ihm. Im Foyer roch es nach Reinigungsmittel und alten Akten. Wir nahmen den Aufzug in den vierten Stock, hörten Stimmen aus einem der Büros.

Ich zog die SIG, bedeutete Milo, mir zu folgen. Wir traten ein – und standen The Broker gegenüber.

Er war größer, als ich erwartet hatte, mit einer Aura von Kälte, die den Raum zu füllen schien. Der Koffer stand offen auf dem Tisch, darin ein Laptop und mehrere USB-Sticks.

„FBI! Hände hoch!“, rief ich.

The Broker lächelte nur. „Sie sind schneller als ich dachte, Agent Trevellian.“

Seine beiden Sicherheitsleute griffen nach ihren Waffen, aber Milo und ich waren schneller. Ein kurzer Schusswechsel, dann lagen die Männer am Boden, verletzt, aber am Leben.

The Broker hob die Hände, immer noch mit diesem unheimlichen Lächeln. „Sie glauben wirklich, dass Sie alles gestoppt haben? Der Code ist längst unterwegs. Sie können nichts mehr aufhalten.“

Ich trat näher, legte ihm Handschellen an. „Das werden wir ja sehen.“

Zurück im Field Office wertete Clive die sichergestellten Geräte aus. Der Code war tatsächlich an mehrere Empfänger verschickt worden – aber ohne Master-Key war er nutzlos. Und in den Mails fand sich ein Hinweis auf einen weiteren Käufer, der in den nächsten Tagen in New York eintreffen sollte.

McKee trat zu uns, als wir die Ergebnisse besprachen. „Gute Arbeit, Jesse. Aber wir sind noch nicht am Ziel. Wir müssen die Empfänger finden und verhindern, dass sie den Code entschlüsseln.“

Ich nickte. „Wir bleiben dran.“

Milo grinste. „Und ich hoffe, dass es morgen wieder Bagels mit Lachs gibt.“

Ich lachte, zum ersten Mal seit Tagen. Die Gefahr war noch nicht vorbei, aber wir hatten einen wichtigen Schlag gelandet. Und ich wusste, dass wir – Milo, Clive, McKee und ich – bereit waren, weiterzukämpfen. Für New York. Für die Wahrheit. Und für das, was wir Gerechtigkeit nannten.

Draußen ging die Sonne unter, tauchte die Stadt in goldenes Licht. Aber in den Schatten warteten schon die nächsten Gegner. Und ich war bereit.

6. Kapitel

Die Nacht hatte sich wie ein schwerer Vorhang über Manhattan gelegt, als Milo und ich das Field Office verließen. Die Lichter der Stadt glitzerten im Regen, der seit Stunden unaufhörlich auf die Straßen prasselte. Es war eine dieser Nächte, in denen die Stadt nicht zur Ruhe kam – und wir auch nicht. Der Fall „Nightingale“ hatte eine neue Dimension erreicht. Der Broker war in Haft, aber der Code war unterwegs zu Empfängern, die wir noch nicht kannten. Und der Master-Key, der alles entschlüsseln konnte, blieb verschwunden.

Wir fuhren schweigend durch die Straßen, jeder von uns in Gedanken versunken. Milo brach schließlich das Schweigen.

„Glaubst du, dass The Broker die Wahrheit gesagt hat? Dass der Code schon unterwegs ist?“

Ich zuckte mit den Schultern. „Er hat keinen Grund zu lügen. Er ist ein Profi – und Profis bluffen nicht, wenn sie in der Falle sitzen. Wir müssen davon ausgehen, dass mindestens eine Kopie des Codes auf dem Weg zu einem Käufer ist.“

Milo fluchte leise. „Und ohne den Master-Key ist das Ding trotzdem eine tickende Zeitbombe. Irgendeiner wird versuchen, ihn zu knacken. Und wenn er’s schafft, haben wir ein Problem, das weit über New York hinausgeht.“

Ich nickte. „Deshalb müssen wir den Key finden. Und zwar schnell.“

Wir parkten vor Milos Apartment. Er stieg aus, drehte sich noch einmal zu mir um. „Schlaf wenigstens ein paar Stunden, Jesse. Morgen wird’s nicht leichter.“

Ich nickte, sah ihm nach, wie er im Regen verschwand. Dann fuhr ich durch die nassen Straßen zurück nach Brooklyn, wo mein eigenes Apartment lag. Schlaf fand ich in dieser Nacht kaum. Immer wieder tauchten in meinen Gedanken die Gesichter der Beteiligten auf: Yates, der verzweifelte Wissenschaftler; Feld, der getriebene Manager; Kurchartov, der eiskalte Mittelsmann; The Broker, der im Schatten lauerte. Und irgendwo dazwischen der Code – ein digitales Gespenst, das alles verändern konnte.

Am nächsten Morgen war ich früh im Büro. Die Kaffeemaschine röchelte, als hätte sie die Nacht durchgearbeitet. Ich goss mir einen Becher ein, setzte mich an meinen Schreibtisch und überflog die neuesten Berichte. Clive war schon da, die Augen gerötet, die Haare noch zerzauster als sonst.

„Du hast nicht geschlafen, oder?“, fragte ich.

Er grinste schief. „Nicht wirklich. Aber ich hab was gefunden, Jesse. Ich hab die Datenströme der letzten Nacht überwacht. Der Broker hat tatsächlich mehrere Kopien des Codes verschickt – aber eine davon ist besonders interessant. Sie ging an einen Empfänger in Istanbul. Die IP-Adresse führt zu einer Firma namens ‘Orion Global Solutions’. Und die taucht in Verbindung mit einem gewissen Dr. Hakim Al-Tariq auf.“

Ich runzelte die Stirn. „Der Name sagt mir was.“

Clive nickte. „Mir auch. Al-Tariq ist ein ehemaliger Militärwissenschaftler, der in den letzten Jahren als Berater für verschiedene Regierungen gearbeitet hat – und für mindestens ein halbes Dutzend zwielichtiger Organisationen. Er ist bekannt dafür, dass er High-Tech-Waffen beschafft und weiterverkauft.“

Ich lehnte mich zurück. „Dann ist das unser nächster Ansatzpunkt. Hat Al-Tariq Verbindungen nach New York?“

Clive tippte auf seiner Tastatur. „Er ist vor drei Tagen eingereist. Privatjet, JFK. Hat sich im Excelsior Hotel in Midtown eingemietet. Und – das ist der Clou – er hat heute Mittag ein Treffen im Central Park arrangiert. Mit einem Mann, der als ‘Mr. White’ im Gästebuch des Hotels steht. Keine weiteren Angaben.“

Ich griff zum Telefon, rief Milo an. „Wir haben einen neuen Spieler auf dem Feld. Al-Tariq. Treffen heute Mittag im Central Park. Bist du dabei?“

Milo war sofort wach. „Ich bin in zehn Minuten im Büro.“

Eine Stunde später saßen wir mit Clive und McKee im Besprechungsraum. Die Tafel war voller Fotos, Namen, Verbindungen. McKee umriss die Lage mit knappen Worten.

„Wir haben es mit einer internationalen Dimension zu tun. Der Broker ist in Haft, aber seine Kontakte reichen weit. Al-Tariq ist ein Schwergewicht. Wenn er den Code bekommt, ist er in der Lage, ihn an jeden zu verkaufen, der genug zahlt – oder ihn selbst einzusetzen. Wir müssen das Treffen im Park überwachen. Und wir müssen herausfinden, wer ‘Mr. White’ ist.“

Ich nickte. „Wir nehmen ein Team mit. Clive, du koordinierst die Überwachungskameras. Milo und ich gehen als Spaziergänger in den Park. Wir brauchen Fotos von Al-Tariq und seinem Kontakt.“

McKee sah mich an. „Seien Sie vorsichtig. Al-Tariq ist nicht allein. Er hat mindestens zwei bewaffnete Begleiter.“

Der Central Park war an diesem Tag ein Mosaik aus Farben. Die Bäume warfen ihre letzten Blätter ab, Jogger und Spaziergänger mischten sich mit Touristen. Milo und ich schlenderten in Zivilkleidung durch die Alleen, Ohrstöpsel im Ohr, die Blicke wachsam.

Clive meldete sich über Funk. „Al-Tariq kommt von Osten, begleitet von zwei Männern. Sie tragen dunkle Mäntel, Sonnenbrillen. Ihr Ziel ist die Bank am See, nahe der Bow Bridge.“

Ich sah Milo an. „Da drüben. Siehst du die drei?“

Er nickte. „Und da kommt noch jemand. Weißer Mantel, Hut. Das muss ‘Mr. White’ sein.“

Wir hielten Abstand, taten so, als würden wir uns für die Enten interessieren. Al-Tariq und Mr. White begrüßten sich mit einem knappen Händedruck. Die Leibwächter postierten sich in Sichtweite.

Clive flüsterte: „Ich habe die Mikrofone aktiviert. Ihr Gespräch wird aufgezeichnet.“

Ich beobachtete die Szene. Al-Tariq übergab Mr. White einen Umschlag – vermutlich Bargeld. Mr. White zog einen USB-Stick aus der Tasche, reichte ihn weiter. Die beiden Männer wechselten ein paar Worte, dann trennten sie sich.

Milo murmelte: „Sollen wir zugreifen?“

Ich schüttelte den Kopf. „Noch nicht. Wir müssen wissen, wohin sie gehen.“

Al-Tariq und seine Begleiter verließen den Park in Richtung Fifth Avenue. Mr. White schlenderte scheinbar ziellos in die entgegengesetzte Richtung. Ich folgte ihm auf Abstand, Milo blieb bei Al-Tariq.

Clive meldete sich: „Mr. White geht Richtung 72nd Street. Er telefoniert. Ich versuche, das Gespräch abzufangen.“

Ich heftete mich an Mr. Whites Fersen. Er betrat ein Café, setzte sich ans Fenster. Ich bestellte einen Kaffee, setzte mich ein paar Tische weiter. Mr. White war ein Mann um die fünfzig, gepflegter Bart, teurer Anzug. Er wirkte entspannt, aber seine Augen waren wachsam. Er tippte auf seinem Handy, sah immer wieder zum Fenster hinaus.

Clive meldete sich erneut: „Ich habe das Gespräch. Er spricht mit jemandem auf Französisch. Erwähnt einen Transfer, einen weiteren Kontakt heute Abend im Hotel Astoria. Name: ‘Legrand’.“

Ich notierte mir alles. Mr. White beendete sein Getränk, verließ das Café. Ich folgte ihm bis zu einem Taxi, das ihn aufnahm und in Richtung Downtown fuhr.

Ich meldete mich bei Milo. „Mr. White trifft sich heute Abend mit einem Legrand im Hotel Astoria. Wir müssen das vorbereiten.“

Milo antwortete: „Al-Tariq ist zurück im Excelsior. Er hat den Stick. Seine Leibwächter sind nervös. Ich bleibe dran.“

Zurück im Field Office werteten wir die Aufnahmen aus. Clive hatte das Gespräch im Park entschlüsselt. Es war, wie wir vermutet hatten: Al-Tariq kaufte den USB-Stick mit dem Nightingale-Code. Mr. White war der Kurier, ein Profi, der für verschiedene Organisationen arbeitete.

McKee war besorgt. „Wenn Legrand heute Abend den Stick bekommt, ist der Code endgültig außer Reichweite. Wir müssen das Treffen im Astoria überwachen – und zugreifen, sobald der Austausch stattfindet.“

Ich nickte. „Wir brauchen ein größeres Team. Und wir müssen Legrand identifizieren.“

Clive arbeitete fieberhaft. „Legrand ist ein alter Bekannter. Französischer Staatsbürger, mehrfach in Waffengeschäfte verwickelt, aber nie verurteilt. Er reist unter verschiedenen Namen, taucht immer da auf, wo High-Tech auf dem Schwarzmarkt gehandelt wird.“

Milo grinste schief. „Ein echter Jetsetter.“

Ich bereitete den Einsatzplan vor. „Wir nehmen das Astoria von allen Seiten unter Beobachtung. Milo, du gehst mit mir in die Lobby. Clive bleibt im Überwachungswagen. Die Kollegen vom NYPD sichern die Hinterausgänge.“

Das Astoria war ein Luxushotel, das schon bessere Tage gesehen hatte. Die Lobby war voller Geschäftsleute, Touristen und ein paar zwielichtigen Gestalten, die sich für niemanden zu interessieren schienen. Milo und ich postierten uns an der Bar, die Blicke auf den Eingang gerichtet.

Clive meldete sich: „Legrand ist soeben eingetroffen. Schwarzer Anzug, silbernes Einstecktuch. Er geht in den Aufzug, fährt in den achten Stock.“

Ich nickte Milo zu. „Wir nehmen die Treppe.“

Im achten Stock war es ruhig. Legrand betrat Suite 812, Mr. White folgte ihm kurz darauf. Zwei Minuten später erschien Al-Tariq, begleitet von einem Leibwächter.

Wir postierten uns hinter einer Ecke, warteten auf das Zeichen von Clive. „Sie sind alle drin. Das Gespräch wird aufgezeichnet.“

Drinnen wurde verhandelt. Es ging um Geld, um Sicherheit, um den Master-Key. Al-Tariq wollte mehr, Legrand bot weniger. Schließlich einigten sie sich. Mr. White übergab den Stick, Legrand zählte Geldscheine ab.

Clive flüsterte: „Jetzt!“

Milo und ich stürmten die Suite, die SIGs im Anschlag. „FBI! Niemand bewegt sich!“

Legrand und Mr. White erstarrten. Al-Tariq griff nach dem Stick, aber Milo war schneller. Die Leibwächter versuchten, Widerstand zu leisten, wurden aber von den Kollegen überwältigt, die durch den Hintereingang kamen.

Wir legten allen Handschellen an, sicherten den Stick und die Geldbündel. Legrand lächelte spöttisch. „Sie sind gut, Monsieur Trevellian. Aber glauben Sie wirklich, dass Sie alles gestoppt haben?“

Ich erwiderte ruhig: „Heute Nacht schon.“

Zurück im Field Office herrschte Hochbetrieb. Die Presse hatte Wind von der Aktion bekommen, aber McKee hielt sie auf Abstand. Clive überprüfte den Stick – es war tatsächlich der Nightingale-Code, aber ohne Master-Key wertlos.

McKee trat zu mir. „Gute Arbeit, Jesse. Aber der Master-Key ist immer noch verschwunden.“

Ich nickte. „Wir werden ihn finden. Hargrove hat ihn irgendwo hinterlassen. Vielleicht bei seiner Familie, vielleicht in einem Bankschließfach. Wir müssen alles durchsuchen.“

Milo trat zu uns, ein Lächeln auf den Lippen. „Die Kollegen aus Paris und Istanbul freuen sich schon auf Legrand und Al-Tariq. Und Mr. White wird wahrscheinlich singen, sobald er merkt, dass er keine Freunde mehr hat.“

Ich lehnte mich zurück, spürte zum ersten Mal seit Tagen so etwas wie Erleichterung. Der Code war gesichert, die wichtigsten Akteure in Haft. Aber ich wusste, dass der Fall noch nicht abgeschlossen war.

In dieser Stadt war nichts je wirklich vorbei. Aber für den Moment hatten wir gewonnen.

Draußen hatte der Regen aufgehört. Die Lichter von Manhattan spiegelten sich in den nassen Straßen. Ich nahm einen Schluck Kaffee, sah Milo an und wusste, dass wir bereit waren für das, was als Nächstes kam.

Denn in New York schläft die Gefahr nie. Und wir auch nicht.

7. Kapitel

Der Morgen nach dem Zugriff im Astoria war einer jener Tage, an denen die Stadt wie unter einer Glocke aus Dunst und Sirenengeheul erwachte. Ich hatte kaum geschlafen, als ich im Field Office eintraf. Die Ereignisse der letzten Nacht hingen mir in den Knochen, aber der Fall Nightingale ließ keinen Raum für Müdigkeit. Die Presse stand vor dem Gebäude Schlange, doch McKee hatte die Anweisung gegeben, keine Informationen nach draußen dringen zu lassen. Zu viel stand auf dem Spiel.

Milo wartete bereits an meinem Schreibtisch, einen Stapel Ausdrucke in der Hand und einen entschlossenen Blick im Gesicht. „Wir haben ein Problem, Jesse.“

Ich nahm ihm die Papiere ab und überflog die ersten Zeilen. Es war ein Bericht von Clive, der die letzten 48 Stunden in Zahlen und Daten gepackt hatte: Bewegungen von internationalen Konten, verschlüsselte Nachrichten, Anrufe aus Übersee. Und mittendrin ein Name, der mir sofort ins Auge sprang: James E. Ferraro.