A Chip and a Chair - Cordelia Kingsbridge - E-Book

A Chip and a Chair E-Book

Cordelia Kingsbridge

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Beschreibung

"A Chip and a Chair" ist der letzte Band der fünfteiligen Thriller-Serie von Cordelia Kingsbridge. Die Bücher sollten in der richtigen Reihenfolge gelesen werden. Die vorangegangenen Ereignisse haben Detective Levi Abrams und Privatdetektiv Dominic Russo mehr denn je zusammengeschweißt, aber die Pik-Sieben wirft immer noch einen Schatten über ihr Leben. Erst wenn der brutale Serienmörder hinter Gittern sitzt, können sie sich ihr Glück gestatten und aufatmen. Als in der Wüste eine Grabstätte mit früheren Opfern der Pik-Sieben entdeckt wird, scheint dieses Ziel endlich in greifbare Nähe zu rücken. Das Netz zieht sich zu. Ausgerechnet jetzt startet die Neonazi-Miliz Utopia ihren Masterplan mit einem verheerenden Terrorakt, der Las Vegas für immer verändert. Während Levi und Dominic versuchen, die Zerstörung der Stadt zu verhindern, müssen sie sich heimtückischen Kräften stellen, die sie in die Katastrophe treiben. Am Ende könnte Levis Schicksal ausgerechnet in den Händen des Mörders liegen, den er schon so lange jagt. Das Rennen um die Rettung der Stadt der Sünde hat begonnen, und alle Spieler gehen aufs Ganze. Es heißt: Alles oder nichts. Doch egal, wie aussichtslos die Lage auch scheint, solange Levi und Dominic noch einen Chip und einen Stuhl am Tisch haben, sind sie weiterhin im Spiel.

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EPUB
MOBI

Seitenzahl: 505

Veröffentlichungsjahr: 2023

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CORDELIA KINGSBRIDGE

A CHIP AND A CHAIR

DIE PIK-SIEBEN-MORDE 5

Aus dem Amerikanischen von Peter Friedrich

Über das Buch

Karten auf den Tisch. Die vorangegangenen Ereignisse haben Detective Levi Abrams und Privatdetektiv Dominic Russo mehr denn je zusammengeschweißt, aber die Pik-Sieben wirft immer noch einen Schatten über ihr Leben. Erst wenn der brutale Serienmörder hinter Gittern sitzt, können sie sich ihr Glück gestatten und aufatmen. Als in der Wüste eine Grabstätte mit früheren Opfern der Pik-Sieben entdeckt wird, scheint dieses Ziel endlich in greifbare Nähe zu rücken.

Das Netz zieht sich zu. Ausgerechnet jetzt startet die Neonazi-Miliz Utopia ihren Masterplan mit einem verheerenden Terrorakt, der Las Vegas für immer verändert. Während Levi und Dominic versuchen, die Zerstörung der Stadt zu verhindern, müssen sie sich heimtückischen Kräften stellen, die sie in die Katastrophe treiben. Am Ende könnte Levis Schicksal ausgerechnet in den Händen des Mörders liegen, den er schon so lange jagt.

Das Rennen um die Rettung der Stadt der Sünde hat begonnen, und alle Spieler gehen aufs Ganze. Es heißt: Alles oder nichts. Doch egal, wie aussichtslos die Lage auch scheint, solange Levi und Dominic noch einen Chip und einen Stuhl am Tisch haben, sind sie weiterhin im Spiel.

Über die Autorin

Cordelia Kingsbridge hat einen Master in Sozialarbeit von der Universität Pittsburgh, doch bereits während ihres Studiums schrieb sie Romane. Schon bald entschied sie, ihr Hobby zum Beruf zu machen. Inzwischen erkundet sie ihre Faszination für das menschliche Verhalten und die Psychopathologie durch die Fiktion. Sie hat eine Schwäche für gegensätzliche Paare und bissige Sticheleien.

Als Ausgleich zum Schreiben macht sie Kraftsport, fährt Fahrrad und praktiziert Krav Maga. Sie lebt in Südflorida (und schreibt am liebsten drinnen bei laufender Klimaanlage).

Die amerikanische Ausgabe erschien 2019 unter dem Titel »A Chip and A Chair« bei Riptide Publishing.

Deutsche Erstausgabe Juni 2022

© der Originalausgabe 2019: Cordelia Kingsbridge

© Verlagsrechte für die deutschsprachige Ausgabe 2022:

Second Chances Verlag

Inh. Jeannette Bauroth, 98587 Steinbach-Hallenberg

Published by Arrangement with RIPTIDE PUBLISHING LLC

Dieses Werk wurde vermittelt durch die

Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover.

 

Alle Rechte, einschließlich des Rechts zur vollständigen oder

auszugsweisen Wiedergabe in jeglicher Form, sind vorbehalten.

Alle handelnden Personen sind frei erfunden, Ähnlichkeiten

mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

 

Umschlaggestaltung: Frauke Spanuth, Croco Designs,

unter Verwendung von Motiven von gemenacom, happy_author, Who is Danny, starlineart, He2

alle stock.adobe.com

Lektorat: Anne Sommerfeld

Korrektorat: Julia Funcke

Satz & Layout: Second Chances Verlag

 

ISBN 978-3-948457-32-7

 

 

www.second-chances-verlag.de

Inhaltsverzeichnis

Titel

Über die Autorin

Impressum

Widmung

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Du möchtest weiterlesen?

Für meine Eltern Michael und Victoria, die vor fünf Jahren mit einem großzügigen Angebot den Verlauf meines Lebens komplett verändert haben.Ohne euch wäre ich nicht da, wo ich jetzt bin.

KAPITEL 1

»Eine Schande, dass ihr die Aussicht ruinieren müsst«, sagte Martine.

Levi wandte sich von dem schweren Gitter ab, das Dominic vor der Glastür zu ihrem neuen Balkon montiert hatte. »Das ist nur vorübergehend. Sobald wir der Pik-Sieben Handschellen angelegt haben, verschwindet das Ding wieder.«

Sie lächelte. »Das höre ich gerne.«

Er meinte es ernst. Die Pik-Sieben war zwar in dem Monat seit der Ermordung von Carolyn Royce im Livestream nicht aktiv geworden, doch Levi wusste, dass sie ihr mit den Ermittlungen immer näher kamen. Levi spürte es in den Knochen, dass die Ergreifung des Killers unvermeidlich war – es war lediglich eine Frage der Zeit.

Zwei Männer trugen eine Couch zur Wohnungstür herein – Antoine Valcourt, Martines hochgewachsener, meist nicht gerade gesprächiger Ehemann, und Ezra Stone, der Mann von Levis ehemaliger Therapeutin und Freundin Natasha. Sie wären beinahe über einen vierjährigen Jungen gestolpert, der laut lachend und aus vollem Hals kreischend um die Ecke sauste.

»Jack!«, rief Natasha aus der Küche, wo sie Kartons mit Tellern und Besteck auspackte. »Was hat Mommy über das Herumrennen im Haus gesagt?«

»Ist schon gut, Natasha, ich hab ihn.« Adriana fing den kichernden Jack ein und hob ihn hoch, warf ihn in die Luft und wirbelte ihn mit der dynamischen Kraft herum, die sie fast einem Jahr harten Trainings mit Levi verdankte. Sie hatte den Großteil des Nachmittags über eher mit Jack gespielt, statt Möbel zu schleppen, sich dadurch aber mindestens genauso nützlich gemacht.

Levi vertraute Martines Urteilsvermögen und überließ es ihr, die Couch zu platzieren, während er rausging, um die nächste Ladung aus dem Umzugslaster zu holen. In der Tür musste er einem weiteren Paar mit Kartons ausweichen – Carlos und Jasmine, Dominics ehemalige Nachbarn.

»Schön, dass wenigstens einer von euch gut organisiert ist.« Carlos deutete mit dem Kopf auf das sauber ausgedruckte Etikett auf seinem Karton, auf dem in fetten Buchstaben »WOHNZIMMER« und eine detaillierte Auflistung des Inhalts standen. »Dom hätte seinen Kram einfach irgendwo reingeschmissen und überall ›Zeugs‹ draufgekritzelt.«

Leise lachend nahm Levi Jasmine ihren Karton ab und folgte den beiden ins Wohnzimmer.

Jasmine stemmte die Hände in die Hüften und musterte mit kritischem Künstlerblick das offene Wohnkonzept. »Es ist schön hier. Viel natürliches Licht, und ich liebe die Hartholzböden.«

»Levi, den hier willst du im Gästezimmer haben, richtig?«, fragte Dominic hinter ihnen.

Die Antwort erstarb Levi auf den Lippen, als er sich umdrehte. Dominic stand in der Tür und hielt das eine Ende eines großen Schranks. Unter der schweren Last traten die mächtigen Muskeln an seinen Schultern und Armen hervor. Sie glänzten vor Schweiß und drohten, die Ärmel des T-Shirts zu sprengen. Darunter klebten Basketball-Shorts an einem steinharten Hintern und den massiven Oberschenkeln, die ihm die Durchschlagskraft eines Presslufthammers verliehen.

Dominics Bruder Vinnie, der etwa so groß und ähnlich gebaut war wie sein Bruder, hielt das andere Ende des Schranks. Allerdings hätten Vinnie und alle anderen auch einfach verpuffen können, so wenig achtete Levi auf sie. Sein Kopf war wie leer gefegt.

Dominic räusperte sich. »Baby, das Ding ist nicht gerade leicht«, mahnte er. Vor Belustigung bildeten sich Lachfältchen an seinen warmen Augen.

»Entschuldige.« Levi erwachte errötend aus seiner Starre. »Ins Gästezimmer, ja.«

Dominic und er hatten sich für eine Wohnung mit zwei Schlafzimmern entschieden, damit Levi eines davon als Büro nutzen konnte – und, wenn er ehrlich war, als Rückzugsort, um auch mal allein sein zu können. Er war wesentlich introvertierter als Dominic, der mit jedermann gerne plauderte, vom Postboten bis hin zu vorbeilaufenden Fremden.

Während Dominic mit Vinnie den Schrank wegschleppte, zuckte er zusammen und verlagerte das Gewicht auf den rechten Arm. Levi verengte die Augen. Heute Morgen war mit Dominic noch alles in Ordnung gewesen, doch er hatte schon mehrmals die linke Seite geschont, seit sie sich am Nachmittag hier wiedergetroffen hatten.

Seine Gedanken wurden durch das Eintreten des letzten Mitglieds ihrer Umzugsbrigade unterbrochen: Leila. »Was ist mit denen hier?«, fragte sie. »Die sind als Einzige nicht beschriftet.«

Ihm stockte der Atem, als er die zwei Aktenkartons sah, die sie aufeinandergestapelt trug. Sie waren verschlossen, aber wenn ausgerechnet Leila einen Blick auf den Inhalt werfen würde …

»Die nehme ich.« Er riss ihr die Kartons so heftig aus den Armen, dass sie beinahe zu Boden gefallen wären. »Um solche, die so aussehen, kümmere ich mich schon. Ignoriert die einfach.«

Sie warf ihm einen eigenartigen Blick zu. »Okay«, sagte sie langsam, bevor sie mit Carlos und Jasmine wieder zum Umzugslaster hinunterging.

Martine tauchte neben Levi auf. »Reiß dich zusammen«, zischte sie, sodass nur er es hören konnte. »Wenn du dich in Leilas Gegenwart weiter so komisch benimmst, merkt sie, dass etwas im Busch ist.«

»Ich kann mich nicht so gut verstellen.«

»Dann streng dich mehr an.«

Levi seufzte. Angesichts ihrer jüngst erwachten Vorbehalte gegenüber Leila hätte er sie heute vielleicht nicht um Hilfe beim Umzug bitten sollen, aber das hätte sie genauso misstrauisch gemacht. Immerhin waren sie jetzt so was wie Freunde, auch wenn sie sich immer noch nicht dazu hatte durchringen können, Levi das Du anzubieten.

Er trug die Aktenkartons ins Gästezimmer. Es waren die ersten zwei von mehr als einem Dutzend solcher Behälter, jeder davon randvoll mit seinen und Dominics eigenen Ermittlungen im Fall der Pik-Sieben. Die Papiere gehörten eigentlich in den Schrank, den Dominic und Vinnie gerade an der Wand aufstellten. Den größten Teil des Inhalts hatte nie jemand außer ihm, Dominic und Martine zu Gesicht bekommen, und er wollte, dass es so blieb.

Als Vinnie hinausging, blieb Dominic zurück. »Hast du Rebel irgendwo gesehen?«

»Sie ist im Schlafzimmer. Sie drückt sich schon den ganzen Nachmittag mit hängendem Kopf da herum – das ist gar nicht ihre Art.«

»Ich weiß«, erwiderte Dominic bekümmert. »Ich glaube, sie ist durcheinander, weil wir umziehen.«

»Sie gewöhnt sich schon daran, vor allem, wenn sie erst den tollen Hundepark nebenan kennenlernt.«

Dominic beugte sich zu Levi und küsste ihn, strich mit den Lippen über die gezackte Narbe, die diagonal über Levis Stirn verlief. Levi schloss die Augen.

Nachdem die Pik-Sieben einen Mann in Levis Wohnung ermordet und dessen Leiche dort hindrapiert hatte, war er nur noch ein einziges Mal zurückgekehrt – um seine Sachen abzuholen. Seit diesem Tag vor fünf Wochen, an dem er und Dominic wieder zusammengekommen waren, hatte Levi bei ihm gewohnt. Doch ihnen war klar gewesen, dass das keine dauerhafte Lösung darstellte. Dominics Wohnung war einfach zu klein, und auch wenn die räumliche Enge ihre »Wiedervereinigung« begünstigt hatte, hätten sie langfristig nicht so leben können. Also hatten sie mit der Wohnungssuche begonnen.

Es war nicht einfach gewesen, überhaupt Wohnungsbesichtigungen zu arrangieren. Jeder in diesem gottverdammten Land wusste, dass ein Serienkiller gerne Leichen in Levis Nähe ablegte, und Levi selbst war bekannt wie ein bunter Hund. Inzwischen verdächtigte man ihn allerdings nicht mehr, selbst der Täter zu sein, und die öffentliche Meinung neigte sich zu seinen Gunsten.

Schließlich hatten sie einen Hausverwalter gefunden, dem mehr daran lag, den berühmten Detective Levi Abrams unter seinem Dach zu haben, als dass er sich Sorgen darum machte, die Pik-Sieben könnte erneut zuschlagen. Das Haus entsprach auch seinen und Dominics strikten Sicherheitsanforderungen – die Anlage war bewacht, es gab Alarmsysteme in allen Wohnungen, und das Management gestattete zusätzliche eigene Sicherheitsmaßnahmen an Türen und Fenstern –, daher hatte Levi nicht gezögert, den Mietvertrag zu unterschreiben.

Dominics Name stand nicht darin. Obwohl Levis Ex-Freund Stanton Dominics Berg von Spielschulden beglichen hatte, war er nicht kreditwürdig, und ihr Mietantrag wäre sofort abgelehnt worden. Die Miete war für Dominic ein heikler Punkt, und sie mieden das Thema, auch wenn sie darauf achteten, offen und ehrlich miteinander umzugehen.

»Hilfst du mir jetzt mit den Möbeln?«, fragte Dominic. »Oder willst du mich nur den ganzen Tag dabei begaffen, wie ich schwere Gegenstände herumhieve?«

Levi versetzte ihm einen Klaps auf den Hintern. »Ich gaffe später«, sagte er und verschwand nach draußen.

Nach zwei Stunden war der Umzugslaster leer, und obwohl noch Dutzende von Kartons unausgepackt herumstanden, befanden sich die wichtigsten Dinge an ihrem Platz. Levi bestellte Pizza für alle, und sie breiteten sich im Wohnzimmer und in der Essecke aus, wo sie mit jener Art von Hunger zugriffen, die nur durch körperliche Anstrengung entsteht.

Wenn Levi mit seinen Freunden zusammen war, drehten sich ihre Gespräche meist um die Arbeit, weil sie alle Gesetzeshüter waren. Sogar Ezra hatte eine Karriere ähnlich der seiner Frau eingeschlagen und die vergangenen acht Jahre als Pflichtverteidiger gearbeitet. Doch Dominics Freunde und Angehörige waren allesamt Zivilpersonen – ganz zu schweigen von Adriana und dem kleinen Jack. So blieb die Unterhaltung unbeschwert und das Thema »Blut und Tod« ausgespart.

Levi balancierte seinen Pappteller auf dem Schoß, machte es sich neben Dominic auf der Couch gemütlich – auf ihrer Couch – und genoss das Gefühl, von Liebe und Freundschaft umgeben zu sein. Genau das hatte die Pik-Sieben ihm zu nehmen versucht. Doch es war dem Killer nicht gelungen, und so würde es auch bleiben, bis zu Levis letztem Atemzug.

Nach dem Essen verabschiedeten sich alle allmählich. Natasha und Ezra gingen als Erste, denn sie wollten den überdrehten Jack nach Hause bringen, bevor er unleidlich wurde. Dann folgten Martine und Antoine, die ihre Teenager-Töchter irgendwo abholen mussten. Als Leila ging, gelang es Levi, ihr ganz normal Auf Wiedersehen zu sagen.

»Sehen wir uns morgen zum Brunch?«, fragte Vinnie an der Tür.

»Klar, wir kommen«, antwortete Dominic.

Vinnie gab Levi die Hand, zog Dominic schnell in eine Umarmung und klopfte ihm auf den Rücken. Als er fort war, massierte Levi die Stelle zwischen Dominics Schulterblättern.

Sein Rückfall in die Spielsucht hatte alle seine Beziehungen belastet, auch innerhalb seiner großen, eng vernetzten Familie. Jetzt tat er sein Bestes, um sie wiederherzustellen, und dazu gehörte seine Teilnahme am regelmäßigen sonntäglichen Mittagessen. Levi und er hatten kein einziges verpasst, seit er das Spielen wieder aufgegeben hatte.

Als Letzte waren noch Carlos, Jasmine und Adriana übrig. So unauffällig wie möglich nahm Levi Adriana beiseite, um Dominic ein bisschen Privatsphäre mit seinen Freunden zu geben. Sie hatten jahrelang Tür an Tür gewohnt, und der Abschied fiel ihnen nicht leicht.

Levi beobachtete aus dem Augenwinkel, wie Dominic sich zu Carlos und Jasmine wandte. Die drei standen einen Moment schweigend zusammen, bevor Jasmine in Tränen ausbrach.

»He, he, na komm«, tröstete Dominic sie. Doch er wirkte so, als würde er selbst gleich anfangen zu weinen.

»Tut mir leid, es ist nur …« Sie wischte sich über die Wangen. »Das wird so seltsam sein, wenn du nicht mehr nebenan bist. Bis jetzt haben wir uns jeden Tag öfter gesehen, und nun? Einmal die Woche?«

»Es ist ja nicht weit, wir können uns jederzeit treffen.« Dominic umarmte sie und drückte ihr einen Kuss auf den Scheitel. »Es ändert sich doch sowieso alles. Leute, ihr werdet nächstes Wochenende heiraten! Danach würdet ihr mich nicht mehr um euch haben wollen.«

Jasmine lachte an Dominics Brust. Er streckte die Hand aus und legte sie Carlos auf die Schulter.

»Euch zurückzulassen, ist das Einzige, was ich an dem Umzug bedaure«, gestand er mit brüchiger Stimme.

Carlos umarmte sie beide, während es in seinen Augen verräterisch glitzerte. Levi zog sich noch ein Stück weiter zurück. Die Zurschaustellung von Emotionen war ihm unangenehm, und er spürte, dass es Adriana ebenso erging.

Ohne Vorwarnung schlug er in Richtung ihres Gesichts.

Sie hielt die Hände gesenkt und war nicht darauf gefasst. Doch sie reagierte genau so, wie ein Krav-Maga-Kämpfer der ersten Stufen es tun sollte – sie lehnte sich außer Reichweite des Schlags zurück, während sie gleichzeitig die Arme nach oben riss. Mit der einen Hand lenkte sie seine Faust ab, mit der anderen schützte sie ihr Gesicht. Sie stieß mit dem Fuß zu, stoppte einen heftigen Tritt in seinen Schritt gerade noch rechtzeitig ab und wich zurück.

»Gut gemacht.« Stolz stieg in Levi auf. »Eben erst die P1-Prüfung bestanden, und schon hast du einen Teil des P2-Prüfungsstoffs drauf.«

Grinsend drehte sie sich zur Seite und trat gegen sein Knie. Er wischte ihr Bein mit einem Arm beiseite.

Sie alberten noch ein bisschen herum, bis Carlos und Jasmine zum Gehen bereit waren. Als alle sich an der Wohnungstür verabschiedeten, nahm Levi Adriana sanft in den Arm, sorgfältig darauf achtend, dass sie sich keinesfalls bedrängt fühlte. »Wir sehen uns beim Probedinner.«

Er war überrascht, als sie ihm einen Kuss auf die Wange drückte. Das hatte sie bisher nie getan. »Bis dann.« Sie schenkte Dominic ein etwas gezwungeneres Lächeln – in seiner Gegenwart fühlte sie sich immer noch nicht vollständig wohl. »Tschüss, Dominic.«

Die Tür schloss sich hinter ihnen, und Levi und Dominic waren zum ersten Mal in ihrer neuen Wohnung allein. Okay, mit Ausnahme von Rebel, die immer noch im Schlafzimmer schmollte.

Es war still geworden, und die Atmosphäre seltsam unbeholfen. Levi schaute Dominic an und begriff zum ersten Mal wirklich die neue Situation. Sie würden zusammen ins Bett gehen, morgen früh zusammen aufwachen, sich tagsüber ihren jeweiligen Tätigkeiten widmen und später wieder an ihren gemeinsamen Rückzugsort vor der Welt da draußen zurückkehren. Und so würde es für die absehbare Zukunft jeden Tag sein.

Dominic brach als Erster das Schweigen. »Das ist schräg, nicht wahr?«

»Ja.« Levi war erleichtert, dass nicht nur er sich so fühlte. »Aber ich weiß nicht, wieso. Wir leben doch schon mehr als einen Monat zusammen.«

»Nicht so richtig. Du hast bei mir zu Hause übernachtet. Jetzt sind wir in unserer Wohnung. Das ist nicht dasselbe.«

Er hatte recht. Und für Levi war es auch nicht so wie in den zwei Jahren, die er mit Stanton zusammengelebt hatte, denn dieses Gefühl von Dauerhaftigkeit hatte er noch nie empfunden. Dominic war sein bashert, sein Seelenverwandter, der Partner, den ihm Gott zugedacht hatte. Das … das war es. Der Anfang vom Rest seines Lebens.

Dominic rieb sich den Nacken. »Glaubst du, wir haben die Sache überstürzt?«

»Nein.« Levi trat auf ihn zu und legte ihm die Hände auf die Hüften. »Es war die richtige Entscheidung. Was natürlich nicht heißt, dass es nicht ein paar Anpassungsschwierigkeiten geben könnte.«

Er hob das Gesicht, und Dominic beantwortete seine unausgesprochene Bitte, indem er ihn tief und langsam küsste. Levi schmolz seufzend dahin, schob die Hände zu Dominics Brust hoch – und unterbrach den Kuss, als dieser zurückzuckte.

»Ich hab’s doch gewusst«, sagte Levi. »Du bist verletzt.«

»Ich bin nicht …«

Levi tippte auf Dominics linke Brustseite, genau auf die Stelle, wo er den Schmerz vermutete. Dominic verzog das Gesicht, fluchte und stolperte zurück. In einer instinktiven Reaktion zog er die Schultern ein, bevor er sich wieder aufrichtete.

»Du hast versprochen, mich nicht mehr anzulügen, Dominic.« Bittere Furcht stieg in Levis Kehle auf. Er wusste nicht, was eine Brustverletzung mit dem Spielen zu tun haben sollte, aber sie waren den ganzen Vormittag getrennt gewesen. Wenn Dominic einen Rückfall erlitten hatte und ihn wieder anlog, es abermals vor ihm geheim hielt, nachdem er geschworen hatte, niemals mehr …

»Ich lüge nicht!« Dominic hob beide Hände. »Es ist nichts Schlimmes, ich schwöre es. Ich habe bloß … Es sollte eine Überraschung sein.«

Levi warf ihm einen schiefen Blick zu. »Du wolltest deinen Freund überraschen, der bei der Mordkommission arbeitet und dessen Paranoia ungeahnte Ausmaße erreicht hat, nachdem er seit über einem Jahr von einem Serienkiller gestalkt wird?«

»… Ja?«

Levi schnaubte und bedeutete ihm weiterzusprechen. Jetzt war er neugierig. Dominic zog sein T-Shirt aus.

Auf seinem linken Brustmuskel befand sich ein neues Tattoo, direkt über dem Herzen – zwei schlichte schwarze Zeilen in hebräischer Schrift. Es war noch frisch, blutbefleckt und mit einem durchsichtigen Pflaster abgeklebt. Levi klappte die Kinnlade herunter, und er brachte keinen Ton heraus.

»Jasmine hat es mir heute Morgen gestochen«, erklärte Dominic. »Das war ihr einziger freier Termin. Kannst du es lesen?«

Levi ließ die Fingerspitzen unten an der Tätowierung entlanggleiten. Er hatte das Hebräisch, das er vor Jahrzehnten für seine Bar-Mizwa gelernt hatte, zum größten Teil vergessen, aber dieses Zitat hätte er überall erkannt. Es hatte Kultstatus.

»Ani l’dodi v’dodi li«, murmelte er. »›Ich gehöre meinem Geliebten, und mein Geliebter ist mein.‹ Hohelied 6:3.«

»Einer von Jasmines Pflegebrüdern ist jetzt Kantor. Er hat es für uns aufgeschrieben, damit wir keinen Fehler machen.«

Levi hatte einen solchen Kloß in der Kehle, dass er nicht sicher war, ob er sprechen konnte. Er hustete, schluckte schwer und brachte schließlich heraus: »Dir entgeht aber nicht die Ironie dabei, dich deinem jüdischen Freund zu Ehren tätowieren zu lassen, oder?«

Dominic lachte. »Komm schon! Jede Menge Juden haben heute Tattoos. Als ich bei den Rangers war, hatte ich ein paarmal mit der IDF zu tun – den Israelischen Verteidigungsstreitkräften –, und viele von den Jungs sind von oben bis unten tätowiert.«

Levi lächelte und betrachtete das Tattoo noch eine Weile, bevor er sich vorbeugte und die Lippen ganz, ganz sanft über das Pflaster gleiten ließ. Dominic erschauerte und atmete bebend aus. Levi blickte zu ihm auf. »Ich bin es.« Dominic zog eine Augenbraue hoch. »Meines Geliebten«, erklärte Levi leise.

»Wie ich auch«, erwiderte Dominic und strich mit dem Finger über Levis Wangenknochen.

Sie küssten sich erneut, drängender diesmal, und umschlangen einander, als könnten sie sich gar nicht nah genug sein. In diesem Augenblick war Levis Leben perfekt und sein Glück vollkommen.

Er zog sich gerade so weit zurück, dass er an Dominics Mund flüstern konnte: »Bring mich in unser Schlafzimmer.«

KAPITEL 2

»Oh-oh, der Mann der Stunde ist hier«, verkündete Justine Aubrey, als Dominic in der folgenden Woche den Pausenraum bei McBride Investigations betrat.

Das halbe Dutzend Leute im Raum brach in Pfiffe und Beifallsbekundungen aus. Abwinkend stellte Dominic seine Tasse unter die Kaffeemaschine und drückte auf den Knopf. »Schon gut, Leute, jetzt kommt mal wieder runter.«

»Im Ernst, Dom«, sagte eine der Rezeptionistinnen der Firma. »Hammond & Cochran hat sechs Monate lang nach Gary Booker gesucht, und du hast ihn in vier Tagen gefunden. Wie hast du das gemacht?«

Er zwinkerte ihr durchtrieben zu, sodass sie über ihrem Sandwich errötete. »Geschäftsgeheimnis.«

Eigentlich eher nicht. Aber Booker – den fehlenden Zeugen bei einer Millionen Dollar schweren Sammelklage – aus seinem Loch zu treiben, war durchaus anstrengend und kompliziert gewesen. Für seinen Plan hatte er ein Blumengeschäft, einen Perserteppich und ein Schnellboot benötigt, aber darauf würde er nicht ausführlich eingehen, bevor er etwas zu Mittag gegessen hatte.

Aubrey stieß ihm mit der Schulter gegen den Arm. Sie hatte seinen ersten Auftrag für McBride beaufsichtigt, und er hatte das Gefühl, dass sie seine Erfolge oder Misserfolge persönlich nahm. »Du hast in letzter Zeit eine echte Strähne. Die Fälle purzeln nur so, wie Dominosteine.«

Ja, es ist faszinierend, was ich erreichen kann, wenn ich meine Zeit und Energie auf die Arbeit statt aufs Spielen konzentriere.

»Ich habe nur Glück, schätze ich«, meinte er.

Sein Kaffee war fertig, als Kate McBride höchstpersönlich den Kopf hereinsteckte. »Habe gehört, dass Sie da sind, Russo«, sagte sie mit ihrer heiseren Raucherstimme. »Sind Sie bereit für einen neuen Fall?«

Er goss einen großzügigen Schuss Sahne in seinen Kaffee. »Sicher.«

»Ich schicke Ihnen die Klientin um zwei vorbei. Da steckt viel Geld drin, aber der Fall muss mit aller Diskretion behandelt werden.«

»Verstanden.« Dominic schüttete drei Päckchen Zucker in die Tasse, gefolgt von einem Spritzer Haselnusssirup, nur für alle Fälle.

»Sie kriegen noch Diabetes«, bemerkte McBride.

Grinsend nahm er einen übertrieben langen Zug.

* * *

Sobald er in seinem Büro allein war, streifte Dominic das Jackett ab und lockerte den Krawattenknoten. Er griff nach dem Sandwich, das er sich zum Mittagessen mitgebracht hatte, und ballte die Hände zu Fäusten, als er merkte, dass sie zitterten. Er senkte den Kopf und atmete mehrmals tief durch.

Seine Spielsucht wurde normalerweise von einem Gefühl der Wertlosigkeit oder Schuld ausgelöst – das analysierte er mit der Therapeutin, die Natasha ihm empfohlen hatte –, aber er fühlte das Verlangen auch dann, wenn er in Feierlaune war. Gerade befand er sich im Rausch des Triumphs, Booker ausgetrickst zu haben, und in dem Hochgefühl der Bewunderung seiner Kollegen und des Vertrauens seiner Chefin. Er wollte nur, dass dieses Hoch so lange wie möglich anhielt, egal wie.

Er hob den Kopf und überlegte. Bei der Arbeit konnte nichts passieren. Eine Software auf seinem Computer blockierte alle Spielseiten, und er konnte nicht aus dem Haus gehen, wenn er in einer Stunde eine Klientin erwartete. Außerdem hatte er nur sechzig Dollar in der Brieftasche. Er hatte all seine Giro- und Kreditkarten zerstört und konnte nicht einmal mehr einen Scheck ausstellen. Der einzige Weg, wie er an sein Bankkonto herankam, war mittels Überweisung oder durch Bargeldauszahlung, was eine weitere Hürde auf dem Weg zum Spieltisch darstellte.

Aber unmöglich war es natürlich nicht. Im Moment war alles okay, doch was würde nach Feierabend sein?

Er warf einen Blick auf die abgesperrte Schreibtischschublade ganz unten. Levi und Martine erwarteten ihn zum Abendessen, und dabei würden sie die beunruhigenden Ergebnisse der Nachforschungen diskutieren, die er dort verstaut hatte – Nachforschungen, um die Levi ihn gebeten hatte, weil sie nicht gerade legal waren. Das Gespräch durfte Dominic auf keinen Fall verpassen, aber er wollte auch seinen Genesungsprozess nicht gefährden.

Er schrieb Levi schnell eine Nachricht. Ich werde ein bisschen später zum Essen da sein. Ich muss nach der Arbeit zu einem Treffen.

Levis Antwort traf nach weniger als einer Minute ein. Kein Problem. Ruf mich an, wenn du mich brauchst.

Dominic lächelte. Es fiel ihm schwer, Levi gegenüber zuzugeben, dass er Probleme hatte, aber das lag nur an ihm selbst. Levi bot ihm immer uneingeschränkt Unterstützung an.

Nachdem er sich vergewissert hatte, dass Judd, sein Sponsor bei den Anonymen Spielern, heute Abend da sein würde, konnte er sich endlich konzentrieren. Er aß sein Sandwich, während er den Abschlussbericht zum Booker-Fall verfasste, und als seine neue Klientin erschien, hatte er sich wieder gefangen.

McBride hatte ihm die Angelegenheit per Mail in groben Zügen geschildert, und ein schneller Blick auf Miranda Cassidy bestätigte Dominics Erwartungen. Weiß, Ende dreißig, attraktiv und gepflegt, umgeben von einer Aura aus altem Geld.

Er bot ihr einen Stuhl und etwas zu trinken an, bevor er sich hinter dem Schreibtisch niederließ. Als er seine Krawatte glatt strich, ertappte er sie dabei, dass sie ihm einen seltsamen Blick zuwarf.

»Verzeihen Sie, Sie kommen mir irgendwie bekannt vor«, entschuldigte sie sich. »Sind wir uns schon einmal begegnet?«

Das passierte in letzter Zeit öfter. »Nein, aber Sie haben mich vielleicht in den Nachrichten gesehen. Ich bin der Partner von Detective Levi Abrams.«

Wiedererkennen blitzte in ihren Augen auf, gefolgt von einem Aufflammen der Abneigung, das sie nicht schnell genug unterdrücken konnte.

»Gibt es ein Problem damit?«, fragte er neutral.

»Natürlich nicht«, antwortete sie mit einem schmallippigen Lächeln. »Ich bin sicher, es hat keinen Einfluss auf Ihre Fähigkeiten als Ermittler.«

Wow, vielen Dank auch. Er behielt seinen liebenswürdigen Gesichtsausdruck bei und hob den Stift über den Notizblock. »Ms McBride hat mich informiert, dass Sie Ihren Ex-Mann Conrad Bishop überwachen lassen wollen?«

»Ja. Ich glaube, dass er wieder Drogen nimmt.«

»War das das Problem in Ihrer Ehe?«

»Es war der Grund für unsere Scheidung.« Cassidy schlug die Beine gesittet übereinander. »Der Schaden, den Conrad sich und seiner Karriere zugefügt hat, war schon schlimm genug, aber als er angefangen hat, in Gegenwart der Kinder high zu werden, hatte ich es satt.«

McBride hatte in ihrer E-Mail die Kinder erwähnt – zwei, im Alter von sieben und neun Jahren. »Hat Mr Bishop Sorge- oder Umgangsrecht?«

Sie nickte. »Während der Scheidung hat er einen Entzug gemacht und wurde clean, deshalb hat der Richter ihm jedes zweite Wochenende zugesprochen. Aber wenn er tatsächlich wieder rückfällig geworden sein sollte, wäre das ein Verstoß gegen die Vereinbarung …«

»Sodass Sie das alleinige Sorgerecht erhalten würden?«

»Ja.«

Dominic tippte mit dem Stift auf den Tisch. Er blieb gerne unvoreingenommen, bis er alle Fakten betrachtet hatte, aber angesichts von Cassidys kaum verhohlener Homophobie fiel ihm das schwer. Unwillkürlich kam ihm der Gedanke, dass sie einfach Rachegelüste hatte und versuchte, die Kinder ihrem Dad zu entreißen, um ihm das Scheitern der Ehe heimzuzahlen. Menschen mit Suchtproblemen waren leichte Beute für eine Hexenjagd.

»Warum glauben Sie, dass Mr Bishop einen Rückfall hatte?«

»Ich war fast zehn Jahre mit dem Mann verheiratet. Ich weiß es, wenn er mir etwas verheimlicht. Außerdem sagen mir seine Freunde und Kollegen, dass er sich seit Monaten merkwürdig verhält – er nimmt ihre Anrufe nicht entgegen und wirft Pläne im letzten Moment ohne Erklärung über den Haufen. An den letzten drei Wochenenden, an denen er die Kinder hatte, hat er abends einen Babysitter engagiert und ist erst mitten in der Nacht zurückgekommen. Es ist dasselbe Verhaltensmuster wie während unserer Ehe.«

Also hatte sie selbst schon ein paar Nachforschungen angestellt. »Ich brauche sehr viel mehr Informationen von Ihnen, um eine vernünftige Überwachung zu organisieren«, erklärte Dominic. »Doch bevor wir uns damit befassen, müssen Sie verstehen, dass es unmöglich ist, das Negative zu beweisen. Wenn Ihr Ex-Mann wieder Drogen nimmt, werde ich Anhaltspunkte dafür finden. Aber wenn nicht …« Dominic zuckte mit den Schultern. Das Fehlen von Beweismaterial trieb manche Klienten in den Wahnsinn, weil sie sich weigerten, zu glauben, dass die Zielperson unschuldig sein könnte.

»Er tut es«, sagte Cassidy mit absoluter Gewissheit.

»Also gut. Fangen wir an.«

* * *

»Polizei!« Levi zückte seine Marke, als der Verdächtige aus dem 7-Eleven kam. »Hände hoch!«

Der Mann, ein Gang-Mitglied von Utopia namens Lonnie Hale, ergriff die Flucht. Levi grinste – er hatte gehofft, der Dreckskerl würde ihm die Chance geben, sich ein bisschen auszutoben.

Hale flitzte parallel zur Straße um das Gebäude herum und durch den Hinterhof. In vollem Lauf warf er Levi seine Plastikeinkaufstüte ins Gesicht. Levi wich aus und holte mit jedem Schritt auf.

Hinter dem 7-Eleven lag an einem leichten Anstieg eine Autowaschanlage. Hale setzte über die Abtrennung hinweg, verlor das Gleichgewicht und kullerte auf der anderen Seite direkt auf die Straße. Eine Hupe ertönte, und der scharf bremsende Wagen verfehlte Hale nur um Zentimeter; der sprang auf und rannte weiter.

Levi setzte über das Gitter und landete problemlos. Er machte sich nicht die Mühe, die Waffe zu ziehen, während er Hale die Straße entlang verfolgte – er hätte nicht geschossen, wenn meilenweit niemand in der Gegend gewesen wäre, und würde es schon gar nicht angesichts der vielen Unbeteiligten tun.

Außerdem brauchte er keine Waffe, um diesen Arsch zur Strecke zu bringen. Hale ließ bereits nach. Er war außer Atem von dem Sprint und hinkte von seinem Sturz. Levi holte ihn ein, als sie über eine niedrige Mauer sprangen, die zu einer heruntergekommenen Einkaufszeile führte, und warf Hale zu Boden.

Er schlug um sich, aber es waren wilde, ungezielte Schläge, die Levi mühelos konterte, bevor er ihn auf den Bauch rollte und ihm die dürren, tätowierten Arme auf den Rücken drehte. »Lonnie Hale, ich verhafte Sie wegen der Morde an Victor Nuñez und Javier Ibarra. Sie haben das Recht, zu schweigen. Alles, was Sie sagen, kann und wird vor Gericht gegen Sie verwendet werden.«

Levi stand auf und zog Hale hoch.

»Sie haben das Recht auf einen Anwalt. Wenn Sie sich keinen leisten können, wird Ihnen einer gestellt. Verstehen Sie diese Rechte, wie ich Sie Ihnen verlesen habe?«

Hale warf Levi über die Schulter einen finsteren Blick zu. »Ich lasse mir von einem Juden nichts befehlen«, versetzte er und spuckte Levi ins Gesicht.

Levis Hände spannten sich um Hales Arm. Zorn loderte in ihm auf und drohte, seine Brust zu sprengen wie ein wildes Tier, das sich verzweifelt befreien wollte. Es wäre so befriedigend, Hale die Faust ins Gesicht zu rammen, Knochen brechen zu spüren und Blut spritzen zu sehen – STOPP.

Er ersetzte die Gewaltfantasie durch das Bild eines Stoppschilds. Er hatte die Kontrolle über seine Wut, nicht umgekehrt.

Mit dem Ärmel seines Sakkos wischte er sich den Speichel aus dem Gesicht und lächelte kalt. Hale wirkte enttäuscht – kein Wunder, eine Anzeige wegen Polizeibrutalität hätte bewirken können, dass sein Fall vom Gericht abgewiesen wurde.

»Vielleicht nehmen Sie ja von Ihrem Zellengenossen Befehle entgegen«, erwiderte Levi.

Hale erbleichte.

* * *

»Tut mir leid, dass ich zu spät dran bin«, entschuldigte sich Levi, als er in den Konferenzraum des Reviers eilte. »Ich habe einen Tipp wegen der Waffe bekommen, die bei dem Doppelmord verwendet wurde, und konnte sie zu einem Fußsoldaten von Utopia zurückverfolgen.«

Martine stieß einen angeekelten Laut aus. »Diese Freaks gehören schleunigst aus dem Verkehr gezogen.«

Gemurmelte Zustimmung ertönte von allen Seiten. Utopia, eine Straßengang von Neonazis, war zu einer privaten Miliz mutiert und wurde jeden Tag dreister und mächtiger. Sie waren für eine ganze Serie von Hassverbrechen im Las Vegas Valley verantwortlich, während sie ihre vergiftete Botschaft verbreiteten, neue Ressourcen und Territorien eroberten und Leute rekrutierten, wo sie nur konnten. Die zwei Männer, die Hale getötet hatte, hatten zu »Los Avispones« gehört, einer Latino-Gang, Utopias größten Rivalen.

Doch obwohl Utopia ein Riesenproblem für die Stadt darstellte, konnte Levi lediglich dann gegen die Mitglieder vorgehen, wenn die Morde auf seinem Schreibtisch landeten. Organisatorisch betrachtet fiel Utopia in die Zuständigkeit der Dezernate für Bandenkriminalität oder organisiertes Verbrechen, je nachdem, wer in deren Revierkampf gerade die Oberhand hatte.

Levi dagegen gehörte zu der offiziellen Taskforce, die geschaffen worden war, um sich mit der anderen großen Bedrohung für die Stadt zu befassen – der Pik-Sieben.

Seit er von dem Verdacht freigesprochen worden war, er selbst wäre für die Verbrechen der Pik-Sieben verantwortlich, durfte er wieder dabei sein. Geleitet wurde das Team von Dean Birndorf, dem Captain der Mordkommission, und neben Levi und Martine gehörten noch Sergeant James Wen und eine Auswahl von Detectives, Streifenpolizisten und Technikern aus verschiedenen Abteilungen dazu. Leila Rashid und Special Agent Denise Marshall stellten die Verbindung zum Büro der Staatsanwaltschaft beziehungsweise zum FBI her.

Levi setzte sich auf den leeren Stuhl neben Martine. »Was habe ich verpasst?« Es gelang ihm nicht ganz, Leila in die Augen zu sehen, aber er spürte ihren Blick schwer auf sich ruhen.

»Nicht viel«, antwortete Sergeant Wen, wie immer makellos gekleidet und gepflegt. »Wir haben gerade über die Untätigkeit des Killers gesprochen – keine neuen Morde, keine Anrufe, keine Nachrichten, seit einem Monat nicht die geringste Kontaktaufnahme. Das ist die längste Zeitspanne, über die die Pik-Sieben bisher inaktiv geblieben ist, seit sie versucht hat, Keith Chapman ihre Taten anzuhängen.«

»Und das alles wegen Levis monumentaler Ohrfeige.« Martine stieß ihm den Ellbogen in die Seite.

Levi räumte ein, dass seine Reaktion auf die Ermordung von Carolyn Royce die Pik-Sieben erschüttert hatte – doch ob sich der Killer zurückgezogen hatte, um seine Wunden zu lecken oder um ein sensationelles Comeback vorzubereiten, ließ sich nicht sagen. Levi blieb jedenfalls in höchster Alarmbereitschaft.

»Welche Fortschritte gibt es mit dem Ketamin-Ansatz?«, fragte Denise.

»Keine neuen Entwicklungen«, antwortete Levi. »Es ist ein bisschen wie die Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen.«

Die Pik-Sieben verwendete Ketamin, um ihre Opfer in eine dissoziative Paralyse zu versetzen, bevor sie ihnen die Kehle durchschnitt. Levi hatte von Anfang an vermutet, dass der Killer das Medikament von einer offiziellen Quelle bezog. Zum einen, weil Ketamin nur in kleinem Maßstab illegal zu haben war, sodass man sich schwerlich einen Vorrat zulegen konnte. Zum anderen waren legitime Kanäle zuverlässiger. Das Risiko, aufzufliegen, war geringer, und man musste sich nicht mit Kriminellen einlassen.

Das Problem war die unendliche Anzahl der Personen, die legal an Ketamin herankamen. Neben zahlreichen Hausärzten ging die Droge direkt von den Herstellern auch an Apotheken, Krankenhäuser, Ambulanzen, Lehranstalten und Laboratorien. Die Pik-Sieben konnte ihre Finger an jeder Stelle der Versorgungskette im Spiel haben.

Levis Intuition sagte ihm, dass es eher am Ende der Kette war, wo es weniger Beteiligte gab und man bessere Kontrolle hatte. Mithilfe der DEA, der Drug Enforcement Administration, hatte er während des letzten Jahres angefangen, die Lizenzen aller Ärzte zu überprüfen, die das Medikament verschreiben durften. Ausgehend vom Stadtbereich von Las Vegas hatte er die Suche in konzentrischen Kreisen ausgedehnt. Einen nach dem anderen hatte er auf kriminelle Verbindungen abgeklopft, auf Beziehungen zu Polizei und Staatsanwaltschaft, auf ungewöhnliche Geschäftspraktiken und sonstige Warnsignale. Aber soweit es die Pik-Sieben betraf, hatte er kein Glück gehabt.

»Brauchen Sie mehr Personal?«, fragte Birndorf.

Levi nickte. »Das wäre eine Hilfe. Es ist eine ziemlich mühselige und zeitraubende Angelegenheit.«

»Klingt eigentlich, als wäre das genau das Richtige für Sie«, meinte Jonah Gibbs, ein rotbackiger Streifenpolizist mit hitzigem Temperament, das dem von Levi zu seinen schlimmsten Zeiten Konkurrenz machte.

»Schön, dass Sie sich freiwillig melden, Officer«, sagte Wen spitz.

Während Gibbs indigniert vor sich hin stotterte, versuchte Levi, seinen Widerwillen zu verbergen. Mit Gibbs zusammenzuarbeiten, machte nur noch mehr Arbeit, weil er alles doppelt kontrollieren musste.

»Sie können so viele Leute haben, wie Sie brauchen.« Birndorf deutete auf die große Tafel an der Wand, an der die Kurzprofile der Hauptverdächtigen der Taskforce hingen. »Sorgen Sie dafür, dass Sie alle Ergebnisse mit dem Pool der Verdächtigen abgleichen.«

»Natürlich, Sir.« Levi wechselte einen schnellen Seitenblick mit Martine, sah aber schnell wieder weg, bevor er sich verraten konnte.

Die Liste der Verdächtigen beruhte auf dem Profil der Pik-Sieben von FBI-Agent Rohan Chaudhary, ergänzt um persönliche Informationen, Vernehmungen, Tipps von der Pik-Sieben-Hotline und weitere Ergebnisse der Ermittlungen. Aber Levi wusste so gut wie Martine, dass der Abgleich seiner Ketaminrecherche mit der Liste Zeitverschwendung wäre – die wahren Hauptverdächtigen standen nicht darauf.

Genau genommen saß die Hälfte davon hier im Raum.

KAPITEL 3

»Ich bin froh, dass du angerufen hast«, sagte Judd zu Dominic. Leises Geplauder, Geraschel und das Scharren von Stühlen ertönten, während sich das Treffen der Anonymen Spieler auflöste.

»Und ich bin froh, dass du kommen konntest«, antwortete Dominic.

»Dafür bin ich ja da.« Judd war ein großer Mann, ungefähr so breit wie Dominic, aber nicht ganz so hochgewachsen, und er hatte einen wilden schwarzen Bart und eine Vorliebe für Lederwesten. »Hast du Levi erzählt, dass du heute Probleme hattest?«

»Ja.«

»Wie hat er es aufgenommen?«

»Wie immer – gelassen, unterstützend.«

Judd beäugte Dominic mit scharfem Blick. »Aber es ist dir trotzdem schwergefallen, ihm davon zu erzählen, was?«

Dominic stemmte sich vom Stuhl hoch, klappte ihn zusammen und trug ihn zu dem Stapel an einer Wand des Versammlungsraums der Kirche. »Das verstehst du nicht. Ich weiß, dass er mich liebt, und ich weiß, dass er meinen Entzug unterstützt. Wir haben uns damals getrennt, weil ich ihn angelogen und manipuliert habe, nicht wegen meines Rückfalls. Aber Levi ist der stärkste Mensch, den ich kenne, und es ist mir peinlich, ihm wieder und wieder meine Schwäche eingestehen zu müssen. Ein Teil von mir macht sich immer Sorgen, dass er irgendwann genug bekommt und beschließt, dass es jetzt reicht.«

»Sucht ist eine Krankheit, keine Schwäche«, rief Judd ihm ins Gedächtnis. »Nach allem, was du mir erzählt hast, ist Levi sich dessen bewusster als du. Und du sagst, er hat selbst Probleme mit der Aggressionskontrolle. Da gibt es Parallelen, und er kann besser nachempfinden, wie es dir geht, als die meisten Leute. Er will nur sehen, dass du dir Mühe gibst – und das tust du.«

»In der Theorie ist mir das klar«, erwiderte Dominic. »Aber ich spüre es eben noch nicht.«

Judd klopfte ihm auf die Schulter. »Das wird schon. Arbeite einfach weiter an den Schritten.«

Ein paar Minuten später trennten sie sich, und Dominic machte sich auf den Heimweg. Seine Spielgelüste waren unter Kontrolle. Er schlang sich die Kuriertasche über die Schulter, sprang aus dem Pick-up und stieg die Treppe zu ihrer neuen Wohnung hoch.

Rebel begrüßte ihn begeistert, sobald er zur Tür herein war, wedelte mit dem Schwanz und drängte ihre fünfundvierzig Kilo gegen sein Bein. Er kniete sich hin, um ihr die Ohren zu kraulen und ihr einen Kuss auf die Nasenspitze zu geben.

»Hallo, meine Süße. Hast du mich vermisst?«

Er lachte, als sie ihm das Gesicht leckte. Nach ihrem trübsinnigen Verhalten am ersten Tag hatte er sich Sorgen gemacht, der Umzug würde ihr zu schaffen machen – aber schon am nächsten Tag war sie wieder ganz die Alte gewesen, fröhlich und energiegeladen, ohne eine Spur von Niedergeschlagenheit. Sie hatte den neuen Komplex begeistert erkundet und sich voller Freude auf den Agility-Parcours des schicken angrenzenden Hundeparks gestürzt.

»Wir sind im Gästezimmer!«, rief Levi.

Als Dominic durch die offene Tür trat, saß Levi auf dem Teppich. Martine saß am Schreibtisch, und beide waren umgeben von Behältern mit thailändischem Essen. Wie an jedem Tag in dieser Woche, wenn er Levi sicher und geschützt in ihrem Zuhause sah, wurde ihm warm ums Herz. Natürlich würde der Reiz des Neuen irgendwann nachlassen, aber er hatte noch nie mit einem Partner zusammengelebt und genoss jeden Augenblick ihrer »Flitterwochenphase«.

Der zweitürige Schrank stand weit offen, und alle sichtbaren Flächen waren mit Fotos, Karten und Zeitungsartikeln tapeziert. Ein Bord quoll über von Aktenordnern mit ihren Pik-Sieben-Ermittlungen. Letztes Jahr hatte Levi seine eigene Untersuchung noch solo durchgeführt, bis Dominic im Sommer Wind davon bekommen und seine Hilfe angeboten hatte. Nach der Ermordung von Carolyn Royce hatten sie auch Martine hinzugezogen.

Dominic begrüßte sie, und Levi sagte: »Dein Essen steht im Kühlschrank.«

»Danke, aber im Moment habe ich keinen Hunger.« Dominic stellte seine Tasche auf den Boden und ließ sich neben Levi nieder. Rebel drückte sich eng an ihn, und er legte den Arm um sie. »Ich hatte bei unserem Treffen ein paar Donuts zu viel.«

Dabei beließ er es. Martine war für Levi wie eine Schwester und wusste von Dominics Spielsucht – aber Dominic fand es schon schwierig genug, nur mit Levi allein darüber zu sprechen.

»Wie kommt dein Projekt voran?«, fragte Martine.

»Genau genommen ist es abgeschlossen.« Dominic sah, wie Levi sich versteifte und die Gabel in sein Panang-Curry fallen ließ. Es gab einen Grund dafür, dass Dominic bisher nichts davon erzählt hatte – Levi hätte deswegen den ganzen Tag Schweißausbrüche gehabt.

Dominic zog einen Stapel Aktenmappen aus seiner Kuriertasche und reichte sie Levi, der sich hastig die Hände abwischte, bevor er danach griff.

»Du hast recht gehabt«, sagte Dominic. »Leila hat für keinen einzigen der Pik-Sieben-Morde ein handfestes Alibi. Bei ein paar gibt es ein schwaches Alibi, aber das könnte sich so oder so darstellen. Und in der Woche im Dezember, als Grant Sheppard in Philadelphia ermordet wurde, war sie nicht in der Stadt – angeblich bei ihrer Familie in St. Louis.«

Levi schloss einen Moment lang die Augen und sprang dann auf. Er schob Martine die Aktenmappen hin und begann, auf und ab zu tigern. Martine und Dominic schauten sich an.

Sie hatten Dominic gebeten, Leilas Bewegungsmuster und ihr Verhalten im letzten Jahr unter die Lupe zu nehmen, weil der legale Zugang zu solchen Informationen einen richterlichen Beschluss erfordert hätte – womit wiederum Leila von ihrem Verdacht erfahren hätte. Dank seiner Zeit als Kopfgeldjäger wusste Dominic, wie man die Vorschriften subtil umging, und es machte ihm nichts aus.

»Zu Leilas Verteidigung sollte man sagen, dass sie für die meisten Dinge kein Alibi hätte«, bemerkte Martine. »In ihrem Job unterliegt sie keinen Kontrollen, sie lebt allein und hat kaum soziale Kontakte.«

Levi drehte sich um. »Das lässt sie nicht weniger wie eine Serienmörderin aussehen.«

»Du warst derjenige, der sie als Verdächtige ins Spiel gebracht hat!«

»Ich …«

»Levi«, fiel Dominic ihm sanft ins Wort. »Der Grund, warum du letztes Jahr mit deinen eigenen Ermittlungen anfangen musstest, war doch, dass die Polizei in Bezug auf die Pik-Sieben immer auf der falschen Fährte war. Das gilt auch heute noch. Du meintest selbst, dass die Taskforce sich auf die völlig verkehrten Leute konzentriert, weil sie einen der wichtigsten Punkte des Profils ignoriert – die persönliche Verbindung des Killers zu dir.«

Levi presste die Lippen zusammen. »Dem Profil zufolge respektiert und bewundert mich der Killer. Das heißt nicht unbedingt, dass wir uns kennen.«

»Aber es ist das wahrscheinlichste Szenario.« Martine breitete die Mappen auf dem Tisch aus und blätterte sie durch. »Die Intensität seiner Fokussierung auf dich, seine Kenntnis von persönlichen Dingen, die Art, wie er mehrfach seine Enttarnung riskiert hat, um dir zu Hilfe zu kommen – das ist nicht das Verhalten eines Menschen, der dich nur aus der Ferne kennt.«

»Ich habe Leila erst Monate nach der ersten Serie von Morden der Pik-Sieben kennengelernt.«

»Das spielt keine Rolle. Ich habe mit Rohan darüber gesprochen – er sagt, selbst wenn sich die Pik-Sieben anfangs nur zu dir hingezogen gefühlt hat, weil du der leitende Ermittler bei den ersten Morden warst, würde sie das dazu getrieben haben, unter ihrer wahren Identität eine Beziehung zu dir aufzubauen.«

Levi stieß schnaubend die Luft aus und lehnte sich an die Wand. Dominic hätte ihn gerne in den Arm genommen, wusste aber, dass Levi in dieser Stimmung keine Berührung vertrug. Also blieb er sitzen und strich stattdessen Rebel durchs Fell. Es musste sehr schmerzhaft für Levi sein, seine Freunde und Kollegen so unter die Lupe zu nehmen.

Dominic zeigte auf eine der Schranktüren, an der eine Liste ihrer fünf Hauptverdächtigen für die Pik-Sieben hing. Die Taskforce zog sie allesamt nicht in Betracht, aber sie passten ins offizielle Profil: körperlich fit, intelligent und gebildet, jemand, der in der Strafverfolgung oder einer damit zusammenhängenden Position arbeitete, die ihm die nötige Bewegungsfreiheit ließ. Jeder hatte eine persönliche Bindung zu Levi, und alle bis auf eine hatten einmal ein schweres Trauma erlitten. Außerdem war keiner von ihnen bei einem der Anrufe der Pik-Sieben oder der Ermordung von Carolyn Royce vor laufender Kamera anwesend gewesen.

»Wir haben schon vor Wochen unseren eigenen Pool aus Verdächtigen zusammengestellt, weil wir genau wissen, dass das LVMPD völlig falschliegt. Vielleicht sollten wir die Liste noch einmal durchgehen und jeden Einzelnen analysieren.«

Levi nickte, stieß sich von der Wand ab und ging weiter auf und ab. »Fangen wir mit der Unwahrscheinlichsten an. Kelly Marin.«

Martine schob sich eine Gabel Pad Thai in den Mund. »Sie war während der ersten Morde dein Protegé. Sie hatte mit dem Pik-Sieben-Fall zu tun und war von Anfang an sehr interessiert. Und das Wichtigste: Sie hat die Geschichte ans Review-Journal durchsickern lassen, obwohl sie ausdrückliche Anweisung hatte, das nicht zu tun.«

»Außerdem ist sie dir gegenüber seitdem loyal geblieben, sogar bis zu dem Punkt, an dem sie mich auf deine Anweisung hin schikaniert hat.« Dominic konnte einen leicht säuerlichen Ton nicht unterdrücken.

Levi warf ihm einen müden Blick zu. »Du hast gesagt, du hättest mir verziehen.«

»Außerdem«, fuhr Martine fort, »war sie als Erste vor Ort, als du Quintanas Leiche in deiner Wohnung vorgefunden hast, obwohl wir später erfahren haben, dass eine andere Streife zu dem Zeitpunkt näher dran war.«

»Gegenargumente?«, fragte Dominic.

»Sie ist zu jung«, antwortete Levi sofort. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie genügend Erfahrung sammeln konnte, um so makellose Tatorte zu hinterlassen oder sich mit den Überwachungsgeräten auszukennen, mit denen man uns ausspioniert hat. Oder einen Auftragskiller wie Nick Bryce anzuheuern. Und glauben wir wirklich, dass sie die emotionale Reife dafür besitzt, so aalglatt manipulativ zu sein?«

Dominic fand auch, dass das etwas weit hergeholt klang. Die Hauptgründe dafür, dass Kelly auf der Liste stand, waren die Weitergabe von Informationen an die Presse und die Tatsache, dass Levi ihr Mentor gewesen war. »Außerdem ist sie die Einzige, die nie ein traumatisches Erlebnis hatte, zumindest soweit wir wissen. Laut Rohan hätte es also auch keinen Auslöser dafür gegeben, zur Pik-Sieben zu werden.«

Dank Detective Valeria Montoya von der Internen Abteilung wussten sie erheblich mehr über die traumatische Vergangenheit ihrer Verdächtigen, als sie sollten. Sie hatte ausführliche Hintergrundrecherchen zum Personal von Polizei und Staatsanwaltschaft angestellt, bevor sie die Informationen – zumeist wohlgehütete Geheimnisse – an Levi übergeben hatte. Dieses Insiderwissen war ein Grund dafür, dass Levi und Martine der Taskforce einen Schritt voraus waren.

»Weiter im Text.« Martine schob ihr Essen weg und wischte sich mit der Serviette den Mund ab. »Sergeant Wen.«

Levi tigerte immer noch ruhelos auf und ab. »Er war von Anfang an ungewöhnlich schwerfällig, was die Pik-Sieben angeht. Er hat sich geweigert, mir zuzuhören, als ich erklären wollte, dass Keith die Sache nur angehängt werden sollte. Er hat die Spielkarte, die der Killer in meinem Hotelzimmer hinterlassen hat, als dummen Scherz abgetan. Und er hat mich suspendiert, als er erfahren hat, dass ich insgeheim weiterermittle, ohne mir eine faire Chance zu geben, mich zu verteidigen. Und als die Pik-Sieben letzten Monat versucht hat, mich von allen Leuten zu isolieren, war Wen derjenige, der mich aus der Taskforce geworfen und später nochmals suspendiert hat.«

Dominic spann den Gedanken weiter. »Wir wissen, dass er im Voraus von dem Überfall auf Sergei Volkovs Anwesen erfahren hat, sodass er reichlich Zeit gehabt hätte, die Intervention der Pik-Sieben zu organisieren. Und nach dem ganzen Schlamassel hat er bei McBride ein gutes Wort für mich eingelegt und mir den Job gerettet.«

»Als er bei den Marines war, wurde er von den eigenen Leuten angeschossen, und ein Vorgesetzter ist ihm in den Rücken gefallen, um den Vorfall zu vertuschen«, erklärte Martine. »So viel zu einem möglichen Motiv.«

Levi schüttelte den Kopf. »Eigentlich nicht. Man ist dem Offizier später auf die Schliche gekommen, und er wurde vor ein Kriegsgericht gestellt. Also wurde in diesem Fall Gerechtigkeit geübt. Und ehrlich, Sergeant Wen? Ich kann es mir einfach nicht vorstellen.«

Dominic seufzte. Das hatte Levi bisher über jeden Verdächtigen gesagt, den sie irgendwann in Betracht gezogen hatten. »Levi …«

»Im Ernst. Wen ist zu ordentlich. Ich denke nicht, dass er so auf Sauberkeit versessen ist, dass es krankhaft wäre, aber er hasst jede Art von Durcheinander und hat äußerst genaue Vorstellungen davon, wie etwas zu sein hat. Bei der Art, wie die Pik-Sieben tötet, spritzt jede Menge Blut. Es klingt vielleicht seltsam, doch ich glaube, Wen würde sich zu sehr davor ekeln, um jemanden so umzubringen.«

»Das ist …« Martine verstummte und runzelte die Stirn. »Eigentlich ein gutes Argument.«

Dominic gab sich geschlagen, weil sie Wen besser kannten als er. »Okay. Und wie steht es mit Montoya?«

»Sie gehörte zu dem Team von der Internen, das wegen Polizeibrutalität gegen Keith ermittelt hatte«, antwortete Levi. »Sie hätte gewusst, dass er der perfekte Sündenbock war.«

Martine brummte zustimmend. »Sie war bei Rohans Präsentation zum Profil der Pik-Sieben, obwohl das Department die Anwesenheit der Internen Abteilung nicht verlangt hat. Und sie hat es auf sich genommen, aus Gründen, die sie nicht wirklich erklären konnte, in dem Fall zu ermitteln. Dir ihre Ergebnisse zu übergeben, könnte ein Psychospielchen gewesen sein, oder eine Methode, dich für sie zu einzunehmen. Vielleicht auch beides.«

»Außerdem wissen wir durch die Dinge, die sie aufgedeckt hat, dass sie einen verdächtig guten Zugang zu höchst vertraulichen Informationen besitzt, einschließlich des Überfalls auf dich am College«, stellte Dominic fest. »Wenn sie die Pik-Sieben ist, könnte sie bei den Recherchen festgestellt haben, dass mehr hinter der Sache steckt, und so erfahren haben, dass Bestechungsgelder geflossen sind, um die Identifizierung deiner Angreifer zu verhindern.«

Levi verzog das Gesicht und zuckte mit den Schultern, als würde er die Erinnerungen körperlich abschütteln wollen. »Vor allem wurde sie der internen Untersuchung gegen mich nach meiner Suspendierung zugeteilt. Und am Nachmittag meiner Anhörung – an dem Tag, als Carolyn Royce ermordet wurde – war Montoya durch einen anderen Fall verhindert. Sie wusste genau, wann ich auf dem Revier sein würde, und hat selbst durch Abwesenheit geglänzt. Sehr praktisch.«

»Einwände?«, fragte Martine.

»Wir hatten nie viel miteinander zu tun. Vor den Morden waren wir nicht mehr als Kollegen, die sich vom Sehen her kannten. Inzwischen betrachte ich sie als Verbündete, aber wir sind definitiv keine Freunde. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie irgendwelche Gefühle mir gegenüber hegt, welcher Art auch immer.«

»Dann stellen wir sie erst einmal zurück«, sagte Dominic. »Was uns zu Jonah Gibbs führt.«

»Verdammt, wo soll man da anfangen? Er lungert seit dem ersten Tag irgendwo in der Nähe des Falls herum.« Levi zählte die Punkte an den Fingern ab. »Gibbs ist derjenige, der der Pik-Sieben ihren Namen gegeben hat, Herrgott noch mal. Er war an zahlreichen Pik-Sieben-Tatorten. Er war als Erster da, als Drew Barton mich zu töten versucht hat, obwohl das Hotel weitab von seiner normalen Streife liegt. Und er hat sich vor dem Gerichtsgebäude aufgehalten, als Barton umgelegt wurde. Sein Dienstplan scheint immer irgendwie mit meinem übereinzustimmen.«

Martine nahm den Faden auf. »Er hat bei etlichen Gelegenheiten Verständnis für die Pik-Sieben bekundet. Er war erleichtert, als Carmen Rivera aus der Haft entkommen ist, nachdem sie als Maulwurf enttarnt wurde. Und am Tag nach dem Massenmord der Pik-Sieben an diesen Menschenhändlern vom Slavic Collective – das einzige Mal, dass die Opfer ernsthaft Widerstand geleistet haben – ist er mit erheblichen Gesichtsverletzungen zum Dienst erschienen.«

»Aber seine Erklärung dafür stimmt«, wandte Dominic ein. »Ich habe es selbst überprüft. Er wurde tatsächlich angegriffen, als er zu einem Fall von häuslicher Gewalt gerufen wurde.«

»Er könnte bereits verletzt dort hingefahren sein und den Typen bewusst provoziert haben, auf ihn einzuschlagen.«

»Hm. Das kann ich rausfinden.« Dominic machte sich eine Notiz in seinem Smartphone. Rebel war verärgert, weil er aufgehört hatte, sie zu kraulen, stieß ihm den Kopf an die Schulter und lehnte sich mit ihrem ganzen beachtlichen Gewicht gegen ihn.

»Was das Motiv angeht«, fuhr Martine fort, »so wissen wir dank Montoyas Nachforschungen, dass Gibbs und seine Mutter während seiner ganzen Kindheit vom Vater misshandelt wurden. Er wurde als Jugendlicher festgenommen, weil er zu ihrer Verteidigung mit einer tödlichen Waffe auf ihn losgegangen ist. Und als Polizeibeamten hat man ihn mehrfach verwarnt, weil er im Dienst übermäßige Gewalt angewendet hat.«

Levis Auf-und-ab-Wandern war zu einem Schlendern geworden, während er tiefer in Gedanken versank. »Mein größter Einwand gegen Gibbs ist seine Persönlichkeit. Er ist impulsiv und taktlos und unbeherrscht – das Gegenteil der Pik-Sieben, jedenfalls unter normalen Umständen.«

»Wir haben die Möglichkeit diskutiert, dass das gespielt sein könnte.« Dominic rieb sich durch das Hemd abwesend das neue Tattoo. Es verheilte gut, juckte jedoch wie die Hölle.

»Gut, aber das ist reine Spekulation. Wir haben keinerlei Beweise dafür.«

»Ich habe auch meine Zweifel, ob er öffentlich so viel Sympathie für die Pik-Sieben bekunden würde, wenn er der Killer wäre«, meinte Martine. »Obwohl … vielleicht ist das ja ein Teil des Vergnügens? Oder eine Methode, um uns von der Fährte abzubringen?«

Levi blieb ruckartig stehen und wiegte sich auf den Fußballen vor und zurück. »Außerdem kann Gibbs mich nicht einmal leiden, warum also sollte er sich so auf mich fokussieren?«

Dominic und Martine starrten ihn an.

»Was denn?«, fragte er blinzelnd.

»Levi«, begann Martine langsam. »Gibbs verehrt dich. Deshalb hängt er dauernd in deiner Nähe herum und geht dir bewusst auf die Nerven, damit du ihn zur Kenntnis nimmst. Du bist sein Held, sein Vorbild, schon immer gewesen. Wenn er eher auf Männer stehen würde, würde ich sogar denken, dass er gewaltig in dich verknallt ist.«

Levi blickte Dominic fragend an.

»Sie hat recht. Gibbs’ Verhalten dir gegenüber ist eines der stärksten Argumente dafür, dass er die Pik-Sieben ist.« Dominic hatte zwar nie das Gefühl gehabt, dass Gibbs sich sexuell von Levi angezogen fühlen könnte, hätte sich aber auch nicht gewundert.

Stirnrunzelnd öffnete Levi den Mund – und machte ihn nach ein paar Sekunden wortlos zu. Er nahm sein Herumgetigere wieder auf, diesmal noch erregter.

Dominic beobachtete besorgt, wie Levi langsam die Schultern bis zu den Ohren hochzog und seine Hände sich öffneten und schlossen. Eskalierender Stress konnte zu einem von Wut befeuerten Ausbruch führen, wenn Levi die Kontrolle über sich verlor.

Martine zögerte. »Und zum Schluss bleibt noch Leila.«

»Ich kann nicht«, sagte Levi mit belegter Stimme.

»Dann mache ich es.« Martines Tonfall war ruhig und sachlich. »Leila ist letzten März nach Las Vegas gekommen, einen Monat vor Beginn der Mordserie und unmittelbar nachdem sie ihren Vater durch ein schreckliches Hassverbrechen verloren hatte. Infolge ihrer Position bei der Staatsanwaltschaft hat sie Zugang zu allen Informationen, die zur Auswahl der Opfer nötig waren, und auch das Wissen, wie man blitzsaubere Tatorte hinterlässt. Sie ist einer der intelligentesten Menschen, die ich kenne, und mehr als fähig zu allem, was die Pik-Sieben zustande gebracht hat.«

So ungern Dominic Levis Elend noch steigerte, sie mussten darüber reden. »Sie ist außerdem eine äußerst durchtrainierte Kampfsportlerin, weit erfahrener als jeder andere auf der Liste. Gewalt ist ihr nicht fremd, und sie weiß sich zu wehren.«

»Sie ist misanthropisch, ständig gelangweilt, und ihr fehlt jegliche Empathie für die Opfer der Pik-Sieben«, fügte Martine hinzu. »Sie war mit uns am Tatort der Ermordung von Richter Harding, und beim Anblick der grausamen Inszenierung hat sie nicht einmal mit der Wimper gezuckt. Sie hat uns sogar den Grund genannt, warum der Killer es auf ihn abgesehen hatte. Und ihre ganze Persönlichkeit …«

Levi wirbelte herum. »Ähnelt sehr meiner eigenen?«

»Das ist nicht …«

»Sprechen wir es doch aus. Rohan hat die Theorie aufgestellt, dass die Pik-Sieben mich nicht nur bewundert, sondern sich auf einer ganz tief sitzenden Ebene mit mir identifiziert. Und seit …«

Levi brach ab, während Dominics Puls zu rasen begann. Schau mich nicht an, dachte er und kraulte Rebel weiter. Egal was du tust, schau mich nur nicht an.

Täuschung war nie Levis starke Seite gewesen, doch er schaffte es, den Blick nicht auf Dominic zu richten, sondern ihn stattdessen zu senken und sich zu räuspern. Martine zog einigermaßen verwundert die Augenbrauen hoch.

Dominic und Levi wussten beide, in welchem Maß die Pik-Sieben sich mit Levi identifizierte. Der Killer hatte ihn kürzlich in eine Falle gelockt und versucht, ihn dazu zu zwingen, Scott West zu ermorden, einen der Männer, die ihn auf dem College zusammengeschlagen und beinahe umgebracht hatten. Der Killer hatte geglaubt, dieser Akt würde ihre Verbindung stärken und sie einander näherbringen. Doch Martine hatte keine Ahnung von dem Vorfall – denn am Ende war es Dominic gewesen, der West getötet hatte.

»Sagen wir einfach, ich glaube es.« Levi hob den Kopf und fing sich wieder, nachdem er sich beinahe verraten hätte. »Von allen Personen auf der Liste ist Leila diejenige, mit der ich am meisten gemeinsam habe, diejenige, die sich am wahrscheinlichsten mit mir identifizieren würde.«

Martine zuckte die Achseln. »Sie identifiziert sich auf jeden Fall mit dir. Sie hat sich in dein Leben gedrängt, unmittelbar bevor Barton ermordet wurde …«

»Ihr wurde ein Fall zugeteilt, den wir bearbeitet haben!«

»Woher wissen wir, dass sie das nicht selbst veranlasst hat? Sie hat eine Verbindung zu dir aufgebaut, indem sie dir erzählt hat, sie glaube, dass man Keith die Sache nur angehängt habe. Sie hat sich mit dir angefreundet, Monate damit verbracht, dir näherzukommen, und hat dir in Boulder City den Arsch gerettet, als man dich verhaftet hatte.«

»Ich bin in den letzten paar Wochen tief in Leilas Vergangenheit eingetaucht«, fügte Dominic hinzu. »Sie lebt jetzt seit einem Jahr hier, und du bist der einzige Mensch außerhalb ihrer Familie, zu dem sie eine signifikante emotionale Bindung hat.«

Levis Kiefermuskeln verkrampften sich. Er wandte den Blick ab und schob die Hände in die Taschen.

»Einwände, Levi?«, fragte Martine.

»Sie ist meine Freundin«, erwiderte er leise.

Martine senkte den Kopf. Dominic tätschelte Rebel noch einmal, erhob sich, zog Levi die Hände aus den Taschen und drückte sie, bis Levi ihm in die Augen sah.

»Egal was dabei herauskommt, es wird scheiße sein«, erklärte er. »Eine Riesenscheiße. Es gibt keine Antwort auf die Frage nach der Identität der Pik-Sieben, die dich nicht verletzen würde.«

»Ich weiß.« Levi trat näher an Dominic heran und verschränkte ihre Finger miteinander. »Wie soll es weitergehen? Wir haben nichts Handfestes vorzuweisen, nicht annähernd genug, um jemanden festzunehmen. Falls Leila die Pik-Sieben sein sollte und sie merkt, dass wir ihr auf der Spur sind, bevor wir alle Beweise zusammenhaben, ist das Spiel vorbei.«

»Ich kann sie überwachen. Wohnung, Auto, Büro, mit allem Drum und Dran.«

»Oh, oh!«, sagte Martine und hielt sich die Ohren zu.

Dominic hob die Augenbrauen. »Du sitzt vor stapelweise Akten mit Informationen darin, die ich alle illegal beschafft habe.«

Sie verzog das Gesicht. »Ich erhalte gerne die Illusion aufrecht, alles glaubhaft abstreiten zu können.«

»Eine Menge der Überwachungsergebnisse wäre auch illegal«, warf Levi ein. »Sie ließen sich nicht als Grundlage für einen Haftbefehl verwenden und würden vor Gericht nicht zugelassen.«

»Das ist auch nicht nötig. Sie müssen uns nur die Richtung zeigen.«

Levi ließ Dominics Hände los, trat ein Stück zurück und kaute auf der Unterlippe. Für Dominic waren seine widerstreitenden Empfindungen so deutlich, als würde er sie aussprechen: Rechtfertigten diese gravierenden, beispiellosen Umstände, dass er seinen Eid verletzte, stets das Gesetz zu achten?

Dominic, der immer dafür war, ein paar Regeln zu brechen, wenn es darum ging, Unschuldige zu retten, hielt den Mund. Er war kein Cop und dachte auch nicht wie einer. Levis und Martines Blickwinkel unterschieden sich dramatisch von seinem.

»Also gut«, gab Levi schließlich nach. »Ich sehe keinen anderen Weg. Es muss ein Ende haben.«

Dominic nickte. »Ich werde morgen alles installieren. Und ich befasse mich auch mit Gibbs’ Alibis für die vergangenen Morde.«

»Ich konzentriere mich auf einen Teil der Ketamin-Nachforschungen in Richtung Leila. Es wäre möglich, dass sie die Drogen in St. Louis besorgt statt hier.«

Das Gespräch wandte sich technischen Details zu, während die drei die nächsten Schritte bei ihrer illegalen Ermittlung planten. Levi hielt sich beachtlich, doch Dominic bemerkte die Anspannung um Mund und Augen, die steife Haltung, die ihm später sicher fabelhafte Rückenschmerzen bescheren würde. Dominic hätte zwar alles getan, um Levi zu helfen, aber die einzige echte Lösung bestand darin, die Pik-Sieben hinter Gitter zu bringen.

Levi hatte recht. Es musste ein Ende haben.

KAPITEL 4

Am Samstagmorgen saß Levi in der Essecke und blätterte beim Frühstück auf seinem Tablet in den Lokalnachrichten. Rebel saß neben ihm und ließ ihn nicht aus den Augen. Sie wusste, er würde sie die Überreste seiner Eier vom Teller lecken lassen, wenn er fertig war.