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"Trick Roller" ist der zweite Band der fünfteiligen Thriller-Serie von Cordelia Kingsbridge. Die Bücher sollten in der richtigen Reihenfolge gelesen werden. Es ist Hochsommer in Las Vegas. Die ganze Stadt hält den Serienmörder Pik-Sieben für tot – bis auf Levi Abrams und Dominic Russo. Dennoch ist scheinbar alles wieder beim Alten. Levi ermittelt im Fall eines Drogentoten im Mirage, der wie das Werk eines hochklassigen Callgirls aussieht, während Dominic ein hartes Praktikum bei einer Privatdetektei absolviert. Der einzige Lichtblick der beiden ist ihre aufblühende Beziehung. Aber so einfach liegen die Dinge nicht. Bald verstrickt sich Levi in ein gefährliches Netz aus Lügen und Geheimnissen, während er weiter wie besessen nach der Pik-Sieben sucht. Dominic weiß, dass Levi nicht verrückt ist. Der gefährliche Serienmörder ist immer noch irgendwo da draußen, und Levi würde alles tun, um das zu beweisen. Doch Dominic muss sich mit seinen eigenen Dämonen herumschlagen, und der Kampf scheint aussichtslos. Eins ist sicher: Die Pik-Sieben hält wieder einmal alle Karten in der Hand. Und es wird nicht lange dauern, bis sie ihr Blatt ausspielt.
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Seitenzahl: 394
Veröffentlichungsjahr: 2023
CORDELIA KINGSBRIDGE
TRICK ROLLER
DIE PIK-SIEBEN-MORDE 2
Aus dem Amerikanischen von Peter Friedrich
Über das Buch
Es ist Hochsommer in Las Vegas. Die ganze Stadt hält den Serienmörder Pik-Sieben für tot – bis auf Levi Abrams und Dominic Russo. Dennoch ist scheinbar alles wieder beim Alten. Levi ermittelt im Fall eines Drogentoten im Mirage, der wie das Werk eines hochklassigen Callgirls aussieht, während Dominic ein hartes Praktikum bei einer Privatdetektei absolviert. Der einzige Lichtblick der beiden ist ihre aufblühende Beziehung.
Aber so einfach liegen die Dinge nicht. Bald verstrickt sich Levi in ein gefährliches Netz aus Lügen und Geheimnissen, während er weiter wie besessen nach der Pik-Sieben sucht. Dominic weiß, dass Levi nicht verrückt ist. Der gefährliche Serienmörder ist immer noch irgendwo da draußen, und Levi würde alles tun, um das zu beweisen. Doch Dominic muss sich mit seinen eigenen Dämonen herumschlagen, und der Kampf scheint aussichtslos.
Eins ist sicher: Die Pik-Sieben hält wieder einmal alle Karten in der Hand. Und es wird nicht lange dauern, bis sie ihr Blatt ausspielt.
Über die Autorin
Cordelia Kingsbridge hat einen Master in Sozialarbeit von der Universität Pittsburgh, doch bereits während ihres Studiums schrieb sie Romane. Schon bald entschied sie, ihr Hobby zum Beruf zu machen. Inzwischen erkundet sie ihre Faszination für das menschliche Verhalten und die Psychopathologie durch die Fiktion. Sie hat eineSchwäche für gegensätzliche Paare und schlagfertige Dialoge.
Als Ausgleich zum Schreiben macht sie Kraftsport, fährt Fahrrad und praktiziert Krav Maga. Sie lebt in Südflorida (und schreibt am liebsten drinnen bei laufender Klimaanlage).
Die englische Ausgabe erschien 2018 unter dem Titel »Trick Roller« bei Riptide Publishing.
Deutsche Erstausgabe März 2022
© der Originalausgabe 2018: Cordelia Kingsbridge
© Verlagsrechte für die deutschsprachige Ausgabe 2022:
Second Chances Verlag
Inh. Jeannette Bauroth, 98587 Steinbach-Hallenberg
Published by Arrangement with RIPTIDE PUBLISHING LLC
Dieses Werk wurde vermittelt durch die
Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover.
Alle Rechte, einschließlich das der vollständigen oder
auszugsweisen
Wiedergabe in jeglicher Form, sind vorbehalten.
Alle handelnden Personen sind frei erfunden, Ähnlichkeiten
mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
Umschlaggestaltung: Frauke Spanuth, Croco Designs
unter Verwendung von Motiven von gemenacom, happy_author, H_Ko, StarlineArt, zef art
alle stock.adobe.com
Lektorat: Anne Sommerfeld
Korrektorat: Julia Funcke
Satz & Layout: Second Chances Verlag
ISBN 978-3-948457-29-7
www.second-chances-verlag.de
Inhaltsverzeichnis
Titel
Über die Autorin
Impressum
Widmung
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Weitere Bücher von Cordelia Kingsbridge
Für Samantha,
Schwester, beste Freundin, Inspiration
»Es war spät geworden, und die Mädchen lagen schon eine Weile im Bett. Ich bin selbst immer wieder eingenickt.« Dominic legte Messer und Gabel auf den leeren Teller und ließ seine Serviette darauffallen. »Am Ende bin ich vor dem Fernseher eingeschlafen.«
Auf der anderen Seite des kleinen Tisches lehnte Levi sich im Stuhl zurück, so locker und entspannt, wie es ihm möglich war – also nicht besonders. Der Blick seiner scharfen grauen Augen lag aufmerksam auf Dominics Gesicht.
»Ich bin mit dem Gefühl aufgewacht, dass etwas nicht stimmte«, fuhr Dominic mit der Geschichte darüber fort, wie er den Babysitter für seine zwei jungen Nichten gespielt hatte. »Dann hörte ich dieses leise, verstohlene Kichern. Und ich sage dir, das Letzte, was du hören willst, wenn du im Dunkeln in einem fremden Haus aufwachst, ist das Kichern von Kindern. Da fallen einem sofort wieder alle Horrorfilme ein, die man je gesehen hat.«
Levis Mundwinkel hoben sich leicht – dieses halbe Lächeln war für ihn das, was für andere ein breites Grinsen gewesen wäre. Dominic genoss einen Moment lang den Anblick.
»Aber ich hab mich schnell wieder gefangen und zusätzlich zu dem Gekicher auch eine Art feuchtes Klatschen gehört. Ich bin aufgesprungen und ins Zimmer der Mädchen gerannt. Vinnie und seine Frau kaufen immer bei Costco ein, und aus irgendeinem unerfindlichen Grund hatten sie diesen Zwanzig-Liter-Kanister Olivenöl gekauft …«
»Oh nein.« Levis Augen weiteten sich.
»Doch. Diese kleinen Biester hatten sich aus dem Bett geschlichen, den Kanister aus der Speisekammer in ihr Zimmer geschleppt und den Inhalt über den ganzen Teppich verteilt. Sie haben sich eine eigene kleine Rutschbahn gebaut.«
Levi lachte leise, und Dominic war begeistert. In den letzten paar Monaten hatte er es sich zur Aufgabe gemacht, Levi so oft wie möglich zum Lachen zu bringen. Er war von Natur aus ernst – nicht humorlos, ganz und gar nicht, aber einer der ernsthaftesten Menschen, denen Dominic je begegnet war. Ein Lächeln auf sein Gesicht zu zaubern, war eine Leistung. Wenn man ihn dazu brachte, laut herauszulachen, konnte man sich etwas darauf einbilden.
»Ich hätte es beinahe nicht über mich gebracht, sie aufzuhalten, denn offensichtlich haben sie sich köstlich amüsiert. Aber am Ende hat das Verantwortungsgefühl gesiegt. Ich habe es geschafft, die beiden zu waschen und das meiste Öl von Wänden und Möbeln zu schrubben. Der Teppichboden war allerdings nicht mehr zu retten und musste ausgetauscht werden.« Dominic machte eine schwungvolle Geste mit den Händen. »Und das ist der Grund, warum ich im Moment Babysitter auf Bewährung bin.«
Mit amüsierter Miene trank Levi den letzten Schluck von seinem Boulevardier, dem Cocktail, mit dem Dominic ihn bekannt gemacht hatte. Er bestellte jetzt immer einen, wenn sie ausgingen und es eine gut ausgestattete Bar gab, obwohl Dominic jedes zweite Mal dem Kellner oder Barkeeper erst erklären musste, wie er gemixt wurde.
»Ich glaube nicht, dass ich es besser gemacht hätte«, sagte er. »Ich kann überhaupt nicht mit Kindern umgehen.«
»Mit Martines Töchtern kommst du gut zurecht.« Damit meinte Dominic Levis Kollegin bei der Mordkommission, die zugleich seine engste Freundin war.
»Die sind Teenager. Das ist etwas anderes. Ich habe eine kleine Nichte und einen Neffen, aber ich kann einfach nichts mit ihnen anfangen. Allerdings sehe ich sie auch fast nie.«
»Wieso nicht?«
Levi zuckte mit den Schultern. »Ich bin ungern in New Jersey, und meine Schwester will sie nicht nach Vegas mitbringen.«
Sie verstummten, als die Kellnerin kam, um abzuräumen. »Möchten die Herren noch ein Dessert?«, fragte sie.
Dominic zögerte und sah Levi an.
»Bestell dir schon einen Nachtisch«, sagte dieser. »Ich weiß, dass du einen haben willst. Ich nehme Kaffee.«
Als die Kellnerin gegangen war, lehnte Dominic sich mit einem warmen Gefühl der Zufriedenheit zurück. Sie waren im Grape Street Café im Zentrum von Summerlin, und wie immer an einem Samstagabend war in dem modernen Speisesaal mit Sichtziegelsteinen kein einziger Tisch frei. Das Essen war ausgezeichnet gewesen, die Gesellschaft unvergleichlich.
Sein Blick wanderte zu dem Mann, der ihm gegenübersaß. Levi war schmal und drahtig, aber unter der Kleidung verbarg sich eine unglaublich straffe Muskulatur, geformt von mehr als einem Jahrzehnt intensiven Krav-Maga-Trainings. Er hatte seine lockigen schwarzen Haare etwas länger wachsen lassen, und seine rasiermesserscharfe Knochenstruktur verlieh ihm jenen leicht hohlwangigen Ausdruck, den Dominic so liebte.
Levi zog eine Augenbraue hoch. »Du starrst mich an.«
»Du bist umwerfend«, antwortete Dominic.
Da war es – eine zarte Röte breitete sich auf Levis Wangen aus, während er mit einem winzigen Lächeln das Gesicht abwandte und die Augen verdrehte, verlegen und erfreut zugleich. Es war einer der Gesichtsausdrücke, die Dominic an ihm am meisten mochte.
Sie waren jetzt seit drei Monaten zusammen, und je mehr Zeit sie miteinander verbrachten, desto faszinierter war Dominic. Er war zugegebenermaßen ein Mensch, der Herausforderungen genoss, und Levi … Levi war ein Wirbelwind aus fesselnden Widersprüchen. Nach außen hin kühl, innerlich ein Vulkan, in bestimmten Situationen unglaublich aggressiv, in anderen fast schmerzhaft schüchtern. Er war intelligent und ehrgeizig und unbewusst gelegentlich so süß, dass es Dominic im Innersten wehtat.
Er hatte noch nie so empfunden.
Nachdem sein Dessert und Levis doppelter Espresso gebracht worden waren, beobachtete er Levi beim Trinken. Er wusste, dass er auch einen dreifachen bestellt hätte, wenn er der Meinung gewesen wäre, das Restaurant würde so etwas servieren.
»Bist du sicher, dass du nicht probieren möchtest?« Dominic bot Levi eine Gabel voll Profiteroles an, die in dunkler Schokoladen-Ganache mit Vanilleeis schwammen.
Levi beäugte den Happen mit schiefem Blick. »Ich bin eigentlich kein Leckermaul.«
»Ich weiß.« Dominic grinste. »Das mag ich irgendwie überhaupt nicht an dir.«
Levi versetzte ihm unter dem Tisch einen sanften Tritt gegen das Schienbein und schmiegte dann den Fuß an Dominics Knöchel.
Wenig später standen sie auf dem Gehweg vor dem Restaurant in der drückenden Sommerhitze, während sie darauf warteten, dass der Parkdienst Levis Wagen brachte. Wenn man sie so nebeneinander sah, waren ihre physischen Unterschiede noch offensichtlicher. Levi war ein großer Mann, knapp über eins achtzig, aber Dominic war noch einen halben Kopf größer. Außerdem war er kräftiger gebaut, muskulös und stämmig, während Levi schlank und kompakt war.
Dominic legte Levi den Arm um die Hüfte und neigte sich zu ihm, um ihn zu küssen. Es war ihm egal, dass man sie sehen konnte. Die meisten Menschen – jedenfalls wenn sie nüchtern waren – vermieden es, sich mit einem Mann von seiner Statur anzulegen, egal wie homophob sie waren. Und jedem, der Levi für ein leichtes Opfer hielt, stand eine böse Überraschung bevor.
Als er sich zurückziehen wollte, verblüffte ihn Levi, indem er die Aufschläge seiner Smokingjacke packte und ihn an sich zog.
»Es ist jetzt drei Monate her«, sagte er mit heiserer Stimme. »Glaubst du nicht, wir haben lange genug gewartet?«
Dominic holte tief Luft. »Du willst …«
»Ich möchte die Nacht mit dir verbringen.«
Als Levi das erste Mal mit Dominic geschlafen hatte, hatte er erst einen Tag zuvor Stanton Barclay verlassen, mit dem er drei Jahre lang zusammen gewesen war. Danach hatten sie beschlossen, es langsam angehen zu lassen, damit Levi über die verlorene Beziehung trauern konnte, ohne sich gleich Hals über Kopf in eine neue zu stürzen.
Trotz aller guten Absichten war es ihnen nicht vollständig gelungen, in den nächsten Wochen die Finger voneinander zu lassen. Ein paar Gelegenheiten hatten sich Dominic besonders eingeprägt. Sie hatten sich auf der Couch in Levis neuer Wohnung wie die Teenager aneinander gerieben, sich in Dominics Küche gegenseitig einen heruntergeholt, als sie eigentlich Abendessen kochen wollten, und Levi hatte ihm auf dem Vordersitz seines Pick-ups einen geblasen. Letzteres war wegen der Tatsache, dass Levi ein Cop war, noch erheblich erregender gewesen.
Doch zwei rote Linien hatten sie seit April nicht überschritten – sie hatten nicht beim anderen übernachtet, und es hatte keine Penetration gegeben.
Inzwischen hatte Dominic zu lange stumm überlegt. Levi ihn ließ los und trat zurück. Verwirrung und Verletztheit huschten über sein Gesicht, ehe seine Miene ausdruckslos wurde. »Du willst nicht?«
»Oh doch, ich will«, sagte Dominic aus vollem Herzen. Mein Gott, und wie. »Das steht außer Frage. Ich möchte nur sichergehen, dass du dafür bereit bist.« Er hatte Zweifel, dass drei Monate ausreichten, um eine ernsthafte Beziehung hinter sich zu lassen – andererseits hatte er selbst nie eine solche gehabt. Was wusste er schon?
»Dominic.« Levi ergriff seine Hand. »Ich will mit dir zusammen sein und zusammen bleiben. Ich möchte nicht, dass es Schranken zwischen uns gibt. Ich bin bereit, wenn du es bist.«
Sein Ausdruck war ernst, seine Stimme klang ehrlich. Nach einem Augenblick des Überlegens zog Dominic ihn wieder an sich und küsste ihn.
»Also gut. Gehen wir zu mir.«
Nachdem die Entscheidung einmal gefallen war, war die halbstündige Fahrt quer durch die Stadt die reinste Folter. Dominic kämpfte sich aus der Smokingjacke, sobald sie im Auto saßen. Er hasste das Ding, selbst wenn es draußen nicht heiß war wie die Hölle, und die Vorfreude darauf, wieder mit Levi zu schlafen, kühlte ihn nicht gerade ab.
Zu sehen, wie Levis Selbstbeherrschung in sich zusammenfiel, seine lauten Lustschreie zu hören, seinen unglaublich engen Hintern um seinen Schwanz zu spüren … Endlich würde Dominic all das wieder erleben, nur diesmal mit dem Vorteil, dass er Levi sehr viel besser kannte und ihm erheblich mehr an ihm lag. Sein Herz schlug rascher.
Levi fuhr zu schnell und alles andere als rücksichtsvoll. In Rekordzeit erreichten sie Dominics Apartmenthaus, einen dreigeschossigen, u-förmigen Betonblock mit zentralem Hof und Gemeinschaftspool. Dominic ließ Levi vorausgehen, um ungeniert seinen knackigen Hintern zu betrachten.
Dominics Hündin Rebel, ein Schäferhund-Rottweiler-Mischling, saß mit gespitzten Ohren direkt hinter der Tür seiner Wohnung in der zweiten Etage und wartete schon auf ihn. Sie sprang auf und wedelte fröhlich mit dem Schwanz, als er sich hinkauerte, um sie zu kraulen.
»Ich gehe noch schnell mit ihr raus«, sagte er zu Levi. »Mach es dir bequem.«
Dieser nickte, schlüpfte aus der Jacke und verschwand im Wohnzimmer.
Dominic und Rebel drehten eine kurze Runde um das Gebäude. Normalerweise machte er nachts einen ausgedehnten Spaziergang mit ihr, um den Stress des Tages abzuschütteln. Doch heute Abend hatte er es eilig. Vorfreude baute sich in ihm auf, und er konnte es kaum erwarten.
Sobald sie zurück in der Wohnung waren, ließ er die Hündin von der Leine und rief nach Levi.
»Im Schlafzimmer!«, kam die Antwort.
Nach einem kurzen Zwischenstopp in der Küche, um zwei Flaschen Wasser zu holen, schob sich Dominic rückwärts ins Schlafzimmer und scheuchte Rebel weg. Er entschuldigte sich bei ihr, als er ihr die Tür vor der empört gerümpften Schnauze zuschlug. Als er sich umwandte, entglitt ihm prompt eine der Flaschen, und es gelang ihm erst im letzten Moment, sie mit der freien Hand aufzufangen.
Levi hatte die Decke zurückschlagen, lag nackt auf dem Bett und streichelte sich selbst.
»Du hast gesagt, ich soll es mir bequem machen.« Eine gewisse Atemlosigkeit versteckte sich in seinem Grinsen.
Dominic trat wie in Trance neben das Bett und stellte die Wasserflaschen auf dem Nachttisch ab, ohne hinzusehen. Er hörte eine davon herunterrollen und zu Boden fallen. Aber nichts hätte ihn weniger kümmern können.
Levis nackter Körper erinnerte ihn immer an eine Raubkatze, schlank und anmutig und zweifellos kraftvoll. Fasziniert streckte er die Hand aus.
Levi schob ihn weg, bevor er ihn berühren konnte. »Erst musst du dich ausziehen.«
Das brachte Dominic in Fahrt. Er fummelte das Gleitmittel aus dem Nachttisch, warf es Levi zu und zog sich so schnell wie möglich aus. Als er ins Bett kam, glänzten Levis Hoden und sein Schwanz feucht, und er schob einen Finger in sich hinein.
Sie rollten sich eine Weile auf den Laken herum, küssten sich leidenschaftlich und rieben sich aneinander, berührten sich mit Händen, Mündern und wiegenden Hüften. Aber das reichte ihnen heute Nacht nicht, und bald führte Levi Dominics Hand dahin, wo er sie haben wollte.
Levi war noch enger als in seiner Erinnerung. Er wollte langsam machen, Levi nach und nach weiten, doch der ließ das nicht zu. Überwältigt von geflüsterten Aufforderungen und Levis emporgewölbtem, begierigem Körper, hatte Dominic binnen Minuten drei Finger in Levis Hintern versenkt, während er seinen schweißfeuchten Hals mit Küssen bedeckte.
Als sie das erste und bisher einzige Mal miteinander geschlafen hatten, hatte Dominic Levi von hinten genommen. Dieses Mal wollte er ihm ins Gesicht sehen. Levi erhob keine Einwände, als Dominic ihn auf den Rücken legte, sich zwischen seine Beine kniete und seine Hüften auf die eigenen Oberschenkel hob. Er sah einfach wie die fleischgewordene Sünde mit geröteten Wangen und offenen Lippen zu Dominic auf.
Dominic streifte ein Kondom über, legte sich Levis Beine über die Arme, ließ sich dann jedoch von seinen verlockend hervorspringenden Hüftknochen ablenken. Er umkreiste sie mit den Daumen, denn er wusste, wie empfindlich Levi dort war. Levi zuckte und wand sich wie ein Kätzchen. Als er sich wieder unter Kontrolle hatte, drückte er seine Ferse gegen Dominics Schulter und sagte: »Worauf wartest du? Komm schon.«
Lächelnd brachte Dominic sich in Stellung und drang in ihn ein. Wie beim letzten Mal konnte er mit seiner beachtlichen Länge nicht mehr als zwei oder drei Zentimeter in Levis angespannten Körper vordringen. Er zog sich zurück und stieß erneut zu, diesmal ein wenig tiefer. So schob er sich mit langsamen, vorsichtigen Stößen immer weiter in ihn hinein. Levi biss sich auf die Lippen, stemmte eine Hand gegen das Kopfbrett und umschloss mit der anderen seinen eigenen Schwanz, von dem Lusttropfen auf seinen Bauch fielen.
Levi hätte es vielleicht ungern zugegeben, aber Dominic wusste, dass er auf Größe stand, und sobald er Dominics Schwanz in die Finger bekam, wurden seine Augen jedes Mal glasig, und ihm stand der Mund offen. Und im Augenblick bewiesen seine zitternden Muskeln und sein leises Stöhnen, wie sehr er sich bemühte, mit seinem verkrampften Körper das aufzunehmen, wonach er sich so verzweifelt sehnte.
»Lässt du mich jetzt rein?«, fragte Dominic. Dann erinnerte er sich daran, was beim letzten Mal funktioniert hatte, und fügte hinzu: »Darf ich mich um dich kümmern?«
Levi stöhnte und entspannte sich ein klein wenig. Dominic stieß abwechselnd zu und rollte die Hüften, damit Levi sich an seinen Umfang gewöhnen konnte, während er sich langsam tiefer in ihn hineindrängte. Levis Enge und Hitze fühlten sich fantastisch an.
»Oh Gott«, stieß Levi hervor. Er ließ seinen Schwanz los und krallte sich in seine Haare. »Hast du eine Ahnung, wie sehr ich das brauche? Es ist drei Monate her. Ein Dildo ist einfach nicht dasselbe.«
Dominic hielt inne. »Was?«
»Ich meine, er ist besser als gar nichts, aber nicht zu vergleichen mit einem richtigen Schwanz.«
Dominic stieß heftig den Atem aus. Bilder von Levi überwältigten ihn, wie er mit gespreizten Beinen auf dem Bett lag, sich begierig einen Dildo in den Hintern schob und dabei vielleicht an Dominic dachte …
»Willst du, dass ich einen Schlaganfall habe?«, fragte er erstickt.
Levi warf ihm einen finsteren Blick zu, als wüsste der hinterhältige Mistkerl nicht ganz genau, was er da anstellte. »Ich will, dass du mich fickst.« Seine Stimme klang heiser. »Aber bis jetzt habe ich damit keinen großen Erfolg. Vielleicht sollte ich die Taktik ändern.«
Dominic fragte sich noch, was das wohl bedeutete, als Levi sich mit den Händen gegen das Kopfbrett stemmte, die Beine an Dominics Armen anspannte und den Rücken vom Bett und seinen Hintern von Dominics Schenkeln hob. Dank dieser beiden Stützpunkte konnnte er sich auf Dominics Schwanz vor und zurück wiegen.
Mit offenem Mund betrachtete Dominic die Bewegung der Muskeln in Levis Sixpack. Automatisch schob er die Hände unter seinen Rücken, doch Levi trug praktisch sein ganzes Körpergewicht selbst und stützte sich nur mit den Schultern auf der Matratze ab, als würde er im Cirque du Soleil auftreten.
Levi war wesentlich ungeduldiger als Dominic. Fluchend und stöhnend versuchte er, Dominic vollständig in sich aufzunehmen.
»Verdammt«, fluchte Dominic. Er begann wieder zuzustoßen, als er schließlich vollständig in ihm war. »Levi …«
»Gib’s mir, komm schon …«
Dominic gab nach und bewegte seine Hüften so, wie sie beide es wollten.
»Ja«, keuchte Levi. Er gab die Stellung auf, in der er sich gehalten hatte, und ließ sich zurück aufs Bett und auf Dominics Schenkel fallen. »Ja, genau so, Dominic, tu es, tu es …«
Dominic nahm ihn in einem Wirbel aus kurzen, flachen Stößen und bearbeitete seine Prostata, bis Levi nur noch schrie. Dann legte er sich seine Beine über die Schultern, stützte sich auf die Hände und besorgte es ihm tief und hart, gab sich dem Drang hin, sich einfach alles von dem schönen Mann zu nehmen, der sich unter ihm wand.
Das Kopfende knallte mehrfach gegen die Wand – die seine Wohnung von der von Carlos und Jasmine trennte. Sie konnten den Krach unmöglich überhören, den Levi veranstaltete. Dominic musste ihnen morgen als Wiedergutmachung Donuts oder so etwas mitbringen, denn er würde jetzt bestimmt nicht aufhören.
Plötzlich packte ihn die Lust, Levi zu küssen, um einen weiteren Berührungspunkt zu haben, während er sich in ihm bewegte. Levi war gelenkig genug dafür, aber angesichts ihres Größenunterschieds würde es trotzdem nicht bequem für ihn sein.
Stattdessen zog Dominic ihn auf seinen Schoß, indem er sich auf die Fersen zurückfallen ließ. Der Stellungswechsel entlockte Levi einen Schrei.
»Oh, verdammt, ist das tief.« Er klammerte sich an Dominics Schultern und grub die Fingernägel in seine Haut, sodass Dominic wohlige Schauer über den Rücken liefen.
Dominic schob ihn gegen das Kopfbrett und fickte ihn so schonungslos wie zuvor. »Das gefällt dir, Baby, was?« Die Worte waren kaum mehr als ein Knurren. Die Umklammerung von Levis Körper machte ihn halb wahnsinnig. »Es gefällt dir, meinen Schwanz tief in dir zu haben und so richtig hart rangenommen zu werden, nicht wahr?«
In Levis Augen funkelte die Kampfansage. Er flocht seine Finger in Dominics dichtes Haar und zerrte fest genug daran, dass er aufstöhnte. »Ja, das gefällt mir«, antwortete er rau. »Ich liebe es, deinen großen Schwanz in mir zu spüren, so ausgefüllt zu sein …«
Dominic eroberte seinen Mund mit einem wilden Kuss. Levi erwiderte ihn nicht nur mit Lippen und Zunge, sondern auch mit den Zähnen. Als Dominic spürte, dass Levi sich in seinem herannahenden Orgasmus anspannte, umfasste er dessen Schwanz und streichelte ihn im Rhythmus seiner aggressiven Stöße.
Wenige Augenblicke später schrie Levi in Dominics Mund hinein, als er kam. Sein Körper bebte, und die fantastische Enge pulsierte in atemberaubendem Rhythmus um Dominics Glied. Sperma spritzte heiß über Dominics Faust und ihre Bäuche.
Levi sank auf Dominics Schoß zusammen und kippte gegen seine Schulter. Dominic gab nicht nach, strebte dem eigenen Höhepunkt entgegen, der so nah war …
Mit dem Mund glitt Levi über seine Haut, seinen Hals, bedeckte ihn mit heißen, feuchten Küssen. Dann biss er zu, dort, wo der Hals in die Schulter überging, und saugte heftig.
Dominic stieß einen lauten Schrei aus und schlug mit der flachen Hand gegen das Kopfbrett. Er richtete sich auf den Knien auf und vergrub seinen Schwanz bis zum Anschlag in Levi, während der Orgasmus ihn durchflutete. Seine Hüften zuckten mit jedem lustvollen Pulsieren, bis er vollständig ausgelaugt war.
Halb betäubt ließ er sich auf die Fersen zurücksinken. Levi saß immer noch breitbeinig auf seinem Schoß. Als er den Kopf hob, strich Dominic ihm eine Locke aus der Stirn und legte ihm voller Zärtlichkeit die Hand an die Wange.
Ein sanftes Lächeln zeichnete sich auf Levis Gesicht ab. Er leuchtete fast. »Das wird man aber noch länger sehen«, meinte er und ließ die Finger über Dominics Hals gleiten.
»Gut«, antwortete Dominic und küsste ihn erneut.
Levi stand lange vor Dominic auf und kam gerade aus der Dusche, als er schon zu einem neuen Tatort gerufen wurde.
Er stöhnte bei dem Gedanken, erst zu Hause vorbeifahren zu müssen, um sich umzuziehen. Als er noch mit Stanton zusammen gewesen war, hätte er sich einfach von diesem ein frisches Hemd leihen können. Aber wenn er eines von Dominic anzog, würde er aussehen wie ein Kind, das sich kostümiert hatte.
Außerdem musste er sich rasieren und sich die Zähne putzen. Vielleicht sollte er hier ein paar persönliche Dinge lagern, nur für alle Fälle …
Hoppla. Er brach den Gedankengang abrupt ab. Für einen solchen Schritt war es viel zu früh.
Als er ins Schlafzimmer zurückkam, hob Rebel den Kopf von den Vorderpfoten und beäugte ihn neugierig. Sie hatte gestern Nacht bei ihnen im Bett geschlafen, zwischen ihren Füßen zusammengerollt, und es hatte ihm nichts ausgemacht, weil sie so gut erzogen war.
Levi kraulte ihr die Ohren und betrachtete Dominic, der mit locker über die Hüften gebreiteter Decke auf dem Rücken lag. Er nahm eine Menge Platz ein. Sein Brustkorb und die Schultern waren unglaublich breit, und seine gewaltigen, muskulösen Schenkel zeichneten sich deutlich unter dem Laken ab. Ein kleiner Ring von Narbengewebe dicht unterhalb der rechten Schulter zeugte von der Schussverletzung, die er in Afghanistan erlitten hatte.
Levi stützte sich mit einem Knie aufs Bett, beugte sich vor und strich mit dem Finger über Dominics kräftige, kantige Kieferlinie und den alten Bruch an der Nase. »Dominic«, flüsterte er.
Dominics Lider flatterten, und er öffnete die Augen, während er Levi mit diesem breiten Lächeln anstrahlte, das ihm so leichtfiel. »Hey.«
»Ich muss gehen. Es gab einen verdächtigen Todesfall im Mirage, und ich bin turnusmäßig dran.«
»Mm, okay.« Dominic drehte den Kopf, sodass Levis Finger auf seinen Lippen landeten, und küsste seine Fingerspitzen. Levi stockte der Atem. »Rufst du später an?«
»Ja.«
Dominic schloss die Augen, rollte sich auf die Seite, zog sich das Laken über die Schultern und schmiegte sich ins Kissen. Levi betrachtete ihn noch ein paar Sekunden lang und wünschte sich, er könnte bleiben. Dominics Anwesenheit hatte eine beruhigende Wirkung auf ihn, nach der er sich zunehmend sehnte. Wenn sie zusammen waren, konnte er sich entspannen und amüsieren, ohne ständig auf der Hut zu sein, weil er wusste, dass keine Gefahr bestand. Selbst die wiederkehrenden Albträume, die ihn seit seiner Kindheit plagten – in denen er in der Falle saß und von einem unsichtbaren Feind gejagt wurde –, hatten in den letzten paar Monaten nachgelassen.
Levi küsste Dominic auf die Wange und verließ die Wohnung. Er konnte nicht hinter sich abschließen, doch er vermutete, dass jeder, der in das Apartment eines ehemaligen Army Rangers mit einem fünfundvierzig Kilo schweren Wachhund einbrach, seinen Entschluss ziemlich schnell bereuen würde.
Während er den außen liegenden, überdachten Gang entlangging – das Haus war im Stil eines Motels gebaut, sodass alle Wohnungen direkt ins Freie hinausführten –, wurde hinter ihm eine Tür geöffnet und geschlossen. Er drehte sich um und erblickte Jasmine Anderson, die mit ihrem Freund Carlos neben Dominic wohnte.
Sie sah umwerfend aus. Aufwendige Tattoos zierten ihre hellbraune Haut, und ihre langen Zöpfe waren in Regenbogenfarben gefärbt.
Heute hatte sie ihre riesigen Augen mit Eyeliner betont und ihr Lippenpiercing gegen einen silbernen Ring in einem komplizierten, verwobenen Design ausgetauscht. Über ihrer Schulter hing eine Kuriertasche aus Hanf.
»Hey, Levi.« Anscheinend war sie nicht überrascht, ihn hier anzutreffen. »Verbringt ihr Jungs jetzt die Nacht miteinander?«
»Sieht so aus.« Er wartete auf sie, und sie wandten sich gemeinsam zur Treppe. »Bist du unterwegs zur Arbeit?« Das wäre bei einem Tätowierstudio am Sonntagmorgen ungewöhnlich, aber schließlich war das hier Las Vegas.
Sie schüttelte den Kopf. »Bauernmarkt. Man muss rechtzeitig da sein, sonst sind die ganzen guten Sachen weg.«
»Aha.« Levi suchte nach einem Gesprächsthema, während sie hinuntergingen. Er mochte Jasmine und Carlos, doch er fühlte sich in ihrer Gegenwart unbehaglich – und zwar nicht nur, weil er sich unter Menschen, die er nicht näher kannte, ganz allgemein nicht wohlfühlte. Sie waren gute Freunde von Dominic. Wahrscheinlich beurteilten sie ihn als möglichen Partner, und falls sie etwas an ihm auszusetzen hatten, konnte das Auswirkungen auf Dominic haben. »Hattet ihr einen schönen Samstag?«, fragte er, während sie durch den Zaun, der das Anwesen umgab, den Parkplatz betraten.
»Wahrscheinlich war er nicht so schön wie eurer«, antwortete sie und zwinkerte ihm zu. Er wurde augenblicklich misstrauisch. »Bis später!«, rief sie fröhlich über die Schulter und lief zu ihrem Wagen.
Levi verengte die Augen, zuckte die Achseln und machte sich auf den Weg zu seinem eigenen Auto.
* * *
Von Dominics Wohnung in der Nähe der University of Nevada wäre der Weg zum Mirage wesentlich kürzer gewesen als von Levis neuem Apartment in Rancho Oakey, sodass er sich verspätete. Er hastete durch die Lobby des Hotels, die mit einem »Regenwald«-Thema dekoriert war, vorbei an dem riesigen Aquarium hinter dem Empfang und blieb überrascht stehen, als er Martine vor dem Aufzug warten sah.
Sie gehörten zu derselben Gruppe von sechs Detectives bei der Mordkommission, und weil ihre Stärken und Schwächen sich gut ergänzten, wurden sie oft gemeinsam eingesetzt. Martine wohnte draußen in Sunrise Manor, aber trotzdem hätte sie früher hier sein müssen als Levi.
»Und ich war sicher, dass ich der Letzte sein würde«, sagte Levi, während er zu ihr trat. »Was war los?«
»Ein Haus voller Teenager, das ist los.« Martine sprach mit starkem Flatbush-Akzent. Sie war in Haiti geboren, aber in Brooklyn aufgewachsen. »Mikayla ist schon die ganze Woche schlecht drauf und schmollt. Sie hat Wutanfälle, wie ich sie nicht mehr erlebt habe, seit sie ein Baby war. Und jetzt steckt sie auch noch Simone damit an. Dieser verzweifelte Ausdruck von Antoine, als ich heute Morgen gegangen bin – als würde ich ihn einem Rudel Wölfe vorwerfen!«
Levi verzog mitfühlend das Gesicht.
Martine war zierlich und kurvig und hatte tiefbraune Haut. Obwohl sie heute Morgen fix und fertig wirkte, waren ihre kurzen Haare perfekt gelockt, und sie war wie immer makellos gekleidet. Als sie Levi von Kopf bis Fuß musterte, lag ein wissendes Funkeln in ihren Augen, das ihm gar nicht gefiel.
»Ihr habt es also endlich wieder getrieben?«
Mit einem leisen Klingeln traf einer der Fahrstühle ein und spuckte eine fünfköpfige, schnatternde Familie aus. »Woher weißt du das immer?«, zischte Levi, während sie einstiegen. Sie waren allein, aber er senkte die Stimme trotzdem, als er hinzufügte: »Ich … Also, ich hinke doch nicht etwa?«
Sie presste die Lippen zusammen, als müsse sie das Lachen unterdrücken, und betätigte den Knopf für die zweiundzwanzigste Etage. »Nein, tust du nicht, aber danke für den Einblick in dein Sexleben. Es ist nur – du wirkst so entspannt, weißt du? So erlebe ich dich selten. Außerdem hast du beim Rasieren eine Stelle vergessen, und deine Krawatte sitzt schief. Das schreit geradezu: ›Ich hatte großartigen Sex.‹«
Fluchend löste er den Krawattenknoten und band ihn neu.
Ein uniformierter Beamter stand vor dem Raum Wache, in dem die Leiche gefunden worden war. Levi und Martine trugen sich in seine Liste ein, legten Überschuhe und Handschuhe an und traten ein.
Es war kein großes Zimmer, aber schön ausgestattet. Das leuchtende Farbschema aus dunklen Lila- und Rottönen kontrastierte mit dem Weiß der Laken und Vorhänge. In ein paar Kristallvasen standen frische Blumen, und an der Wand gegenüber dem extragroßen Bett hing ein Flachbildfernseher.
Fred, der Tatortfotograf, war bereits bei der Arbeit, ebenso ein paar Leute von der Spurensicherung und der Gerichtsmedizin. Ein Stück abseits in einer Ecke stand Jonah Gibbs, der ein ausgezeichneter Polizist hätte sein können, wären da nicht sein aufbrausendes Temperament und das völlige Fehlen von Diskretion und Taktgefühl gewesen.
»Was haben wir hier?«, fragte Levi.
Gibbs deutete mit dem Kopf auf den Toten, der am Fußende des Betts auf dem Boden lag. »Dr. Stephen Hensley, dreiundfünfzig, stammt aus Baltimore. Er besucht hier irgendeine Konferenz zum Thema Palliativmedizin, die am Montag anfängt, aber eine Gruppe von Teilnehmern ist frühzeitig angereist, um die Sau rauszulassen – Sie wissen ja, wie es ist.«
»Ich werde nie begreifen, was Leute dazu treibt, im Juli in Las Vegas Konferenzen zu veranstalten«, brummelte Martine.
»Amen. Wie dem auch sei, das Opfer wurde heute früh vom Sicherheitsdienst des Hotels tot aufgefunden. Eine Kollegin von ihm hat Alarm geschlagen, weil er nicht wie vereinbart zum Frühstück aufgetaucht ist und nicht auf Anrufe oder Klopfen reagiert hat. Sie ist im Augenblick auf dem Weg zum Revier. Ziemlich durcheinander.«
Levi nickte und näherte sich der Leiche. Er ließ die Hände in den Taschen, um dem unbewussten Impuls zu widerstehen, etwas anzurühren – obwohl er Handschuhe trug, war es am besten, am Tatort möglichst nichts anzufassen.
Hensley war ein eher kräftig gebauter Weißer, dessen dunkelbraune Haare an den Schläfen grau wurden. Er trug einen Hotelbademantel, und Levi konnte nicht sagen, ob er darunter etwas anhatte. Keine sichtbaren Verletzungen, aber neben dem Kopf befand sich eine Lache von Erbrochenem, das um Mund und Kinn herum angetrocknet war.
»Überdosis?«, fragte Levi die Frau von der Gerichtsmedizin, die bei der Leiche kniete.
»Beinahe mit Sicherheit«, antwortete sie. »Den Todeszeitpunkt würde ich grob auf ein Uhr bis drei Uhr morgens schätzen. Viel mehr kann ich vor der Autopsie nicht sagen.«
Levi dankte ihr und ging weiter, um sich im Raum umzusehen. Es war ziemlich eng für sieben Leute – acht, wenn man Hensley mitzählte –, sodass er sich so sparsam wie möglich bewegte.
Das Bett war zerwühlt, die Kissen lagen durcheinander, und die Decke war zur Seite geworfen. In einem Papierkorb befanden sich zwei benutzte Kondome. Auf dem Schreibtisch unterhalb des Fernsehers standen zwei halb leere Champagnerflöten, eine davon mit einem deutlichen Lippenstiftabdruck, daneben ein silberner Eiskühler, der inzwischen nur noch Wasser enthielt. Hensley trug einen Ehering, aber da eine Kollegin Alarm geschlagen hatte, würde Levi wetten, dass seine Frau nicht hier war.
Was an einem Tatort fehlte, war beinahe genauso wichtig wie das, was man vorfand, und nach einer gründlichen Suche tauchten weder Hensleys Brieftasche noch sein Telefon auf. Auf dem Tisch lagen etliche Ladegeräte, aber es war keinerlei Elektronik in Sicht.
»Was meinst du?«, fragte Martine, als sie an der Tür wieder zusammentrafen. »Ein schiefgelaufener ›Trick Roll‹?«
Das war auch Levis erster Eindruck. Ein »Trick Roller« war eine Prostituierte – oder jemand, der sich dafür ausgab –, die einen Freier an einen abgeschiedenen Ort lockte und dann ausraubte, häufig, nachdem er unter Drogen gesetzt worden war. Das kam in Las Vegas oft vor, allerdings endete es selten tödlich. Wenn das hier das Werk einer solchen Trickdiebin gewesen war, war die Überdosis vermutlich versehentlich verabreicht worden.
Andererseits …
»Wenn diese Prostituierte Hensley ausrauben wollte, warum sich dann die Mühe machen, tatsächlich Sex mit ihm zu haben?«
Martine, die nie um ein Gegenargument verlegen war, antwortete: »Vielleicht hatte sie zuerst gar nicht vor, ihn zu berauben, aber er hat irgendetwas gesagt oder getan, was ihr nicht passte, und sie hat es sich anders überlegt.«
»Wir wissen gar nicht, ob es eine ›sie‹ war.«
»Lippenstift auf dem Champagnerglas«, warf Gibbs ein.
»Deshalb muss es noch keine Frau gewesen sein«, sagte Levi.
Gibbs blinzelte. »Okay, gut. Aber ich denke, wir können hier von der wahrscheinlichsten Möglichkeit ausgehen.«
Levi zuckte mit den Schultern. Vermutlich hatte er recht.
Martine sah sich stirnrunzelnd um. »Da ist noch etwas anderes – warum sollte man eine so offensichtliche Quelle für Fingerabdrücke und DNA zurücklassen, wenn man jemanden ausgeraubt und versehentlich ermordet hat?«
Diesmal spielte Levi den Advocatus Diaboli. »Er könnte noch am Leben gewesen sein, als sie gegangen ist, und sie war zuversichtlich, dass er den Diebstahl unter den gegebenen Umständen nicht melden würde. Oder sie ist einfach in Panik geraten und geflüchtet.«
»Nicht so exotisch wie ein Serienkiller, was?« Gibbs grinste hinterhältig.
Levi funkelte ihn böse an. Der Pik-Sieben-Fall war trotz seiner Proteste abgeschlossen worden. Die fünf Morde wurden dem verstorbenen Keith Chapman zur Last gelegt, obwohl Levi sicher war, dass man sie ihm nur angehängt hatte. Als er die letzte, höhnische Nachricht des Killers in seinem Hotelzimmer vorgefunden und zu Sergeant Wen gebracht hatte, hatte dieser ihn nur merkwürdig angesehen, es als schlechten Scherz abgetan und ihn gefragt, ob er nicht eine Auszeit nehmen wolle, »um wieder einen klaren Kopf zu bekommen«.
Das hatte sich herumgesprochen, und noch Wochen später hatten ihm seine Kollegen Streiche gespielt, indem sie Pik-Sieben-Karten mit allen möglichen blöden Kommentaren überall im Dezernat hatten herumliegen lassen. Manchmal fand er sie auch hinter den Scheibenwischer geklemmt oder sogar in der Jackentasche, wenn er nicht aufgepasst hatte. Levi hegte den Verdacht, dass Gibbs für mindestens die Hälfte der Vorfälle verantwortlich war.
»Fangen Sie an, den Rest der Gäste auf der Etage zu befragen«, blaffte Martine Gibbs an. »Notieren Sie sich jeden, der nicht da ist, damit wir uns seine Daten vom Hotel besorgen können.«
Gibbs brummelte in sich hinein, machte sich aber wie angeordnet an die Arbeit. Sich mit Martine anzulegen, war der beste Weg, sich eine Standpauke anhören zu müssen, die selbst hartgesottene Seeleute zum Erröten gebracht hätte.
Die Pik-Sieben war ein wunder Punkt zwischen Levi und Martine, denn sie glaubte auch nicht daran, dass der wahre Killer noch frei herumlief. Also tat er so, als wäre das Thema nie angesprochen worden. »Wollen wir das so handhaben wie üblich?« Das hieß, dass sie den Tatort bearbeitete, während er die ersten Zeugen vernahm.
Sie stimmte zu, und ein paar Minuten später machte er sich auf den Weg. Er sah keine Notwendigkeit, die Aussage, die Gibbs von dem Wachmann des Hotels aufgenommen hatte, sofort zu überprüfen, und Martine würde dafür sorgen, dass alle Angestellten, die letzte Nacht Dienst gehabt hatten, befragt wurden. Also fuhr er auf dem Strip nach Süden zum Revier, um Hensleys Kollegin zu befragen.
Dr. Anika Kapoor erwartete ihn in dem freundlich möblierten Raum, in dem sie schlechte Nachrichten überbrachten oder mit Opfern und Zeugen von traumatischen Ereignissen sprachen. Sie war eine mollige Frau, etwa Ende vierzig, mit tiefen Lachfalten und einem kurzen schwarzen Bob. Überraschenderweise wurde sie von einem großen, schlaksigen Weißen begleitet, der erheblich jünger war als sie.
Levi gab ihr zuerst die Hand. »Dr. Kapoor, ich bin Detective Abrams. Mein Beileid zu Ihrem Verlust.«
»Danke«, entgegnete sie und brachte unter Tränen ein schwaches Lächeln zustande. Gibbs hatte gesagt, dass sie durcheinander sei, aber das war eine Untertreibung gewesen. Ihre Augen waren stark gerötet, und die Nase sah vom stundenlangen Weinen geschwollen aus.
Der Mann weinte zwar nicht, wirkte jedoch ebenso mitgenommen. Sein Gesicht war gespenstisch blass und trug den Ausdruck tiefer Erschütterung. Levi zog fragend eine Augenbraue hoch.
»Oh, das ist Dr. Craig Warner«, erklärte Dr. Kapoor. »Er ist Forschungsstipendiat unter Stephen und mir an der Johns Hopkins.« Ihre Stimme brach, als sie Hensleys Namen aussprach. Levi reichte ihr eine bereitstehende Schachtel Taschentücher und bedeutete ihr und Warner, sich wieder auf die Couch zu setzen, von der sie sich zur Begrüßung erhoben hatten. Er nahm im Sessel gegenüber Platz und zückte sein Notizbuch.
»Ich weiß, wie schmerzhaft das sein muss, aber könnten Sie mir bitte erzählen, was passiert ist, als Sie Dr. Hensley zum letzten Mal lebend gesehen haben?«
Dr. Kapoor schluckte schwer und nickte. »Wir drei haben gestern Abend mit ein paar Kollegen im Samba zu Abend gegessen, direkt im Hotel. Stephen ist gegen zehn Uhr auf sein Zimmer gegangen, glaube ich. Er sagte, er wolle früh zu Bett – Jetlag.«
»Hatte jemand von Ihnen danach noch Kontakt zu ihm? Per Telefon, Textnachricht?«
Die beiden schüttelten den Kopf.
»Sind Sie auch im Mirage abgestiegen?«, wollte Levi wissen.
»Ja, sogar alle auf derselben Etage«, erwiderte Dr. Kapoor. »Die Zimmer gehören zu dem Kontingent, das für die Konferenz reserviert wurde.«
»Haben Sie dort gestern Nacht irgendetwas Verdächtiges gesehen oder gehört?« Diesmal richtete Levi die Frage an Dr. Warner, der sich noch nicht geäußert hatte.
»Nein«, antwortete er mit überraschend tiefer Stimme für seinen schmalen Körperbau. »Ich meine, es waren die ganze Nacht lang Leute auf dem Gang unterwegs, aber … schließlich sind wir in Vegas.«
Dr. Kapoor nickte, und Levi verbrachte die nächsten Minuten damit, sich nach dem Grund ihrer Anwesenheit und ihren Aktivitäten in der letzten Nacht zu erkundigen. Wie Gibbs gesagt hatte, waren sie frühzeitig von Baltimore eingeflogen, um sich vor dem Beginn einer nationalen Hospiz-und-Palliativpflege-Konferenz am Montag ein wenig zu amüsieren. Nach dem Abendessen im Samba hatten sie noch ein paar Cocktails in einer der vielen Bars des Mirage getrunken, bevor sie sich getrennt hatten.
Dr. Kapoor hatte erst kurz vor drei das Casino verlassen. Dr. Warner wiederum hatte sich an der Bar so betrunken, dass zwei Freunde ihn aufs Zimmer hatten bringen müssen, wo er im Suff trotz des Zeitunterschieds noch seine Freundin in Baltimore angerufen hatte, bevor er vor einem Bezahlfilm eingeschlafen war.
»Normalerweise trinke ich nicht so viel«, erklärte er und fuhr sich mit der Hand übers Gesicht. »Jetzt ist meine Freundin sauer, und obendrein habe ich den schlimmsten Kater aller Zeiten.«
Willkommen in Las Vegas, dachte Levi, auch wenn er es nicht laut aussprach, denn das wäre selbst nach seinen Standards wenig einfühlsam gewesen. »Warum haben Sie sich heute Morgen um Dr. Hensley Sorgen gemacht?«, fragte er Dr. Kapoor.
»Wir hatten vereinbart, uns alle um neun im Cravings beim Frühstücksbuffet zu treffen. Stephen ist … war …« Dr. Kapoor schloss kurz die Augen und redete dann tapfer weiter. »Er war überpünktlich. Als er nicht kam, habe ich ihm ein paarmal geschrieben und es auf seinem Zimmertelefon versucht, aber es klingelte einfach durch. Da wusste ich, dass etwas nicht stimmte. Ich konnte es fühlen. Dann bat ich den Sicherheitsdienst des Hotels um Hilfe, und sie haben mich in sein Zimmer gelassen. Er … er war …«
Sie begann wieder, stumm zu weinen, und drückte sich ein Taschentuch vors Gesicht. Dr. Warner legte ihr einen Arm um die Schultern.
Levi ließ ihr Zeit, bevor er weiterfragte. »War Dr. Hensley verheiratet?«
»Ja«, antwortete Warner. »Seine Frau ist in Baltimore geblieben – verdammt, sie weiß es noch gar nicht, oder?«
»Hatte Dr. Hensley Ihres Wissens noch andere Sexualpartner? Eine Geliebte, eine Freundin?«
Dr. Kapoor ließ die Hand mit dem Taschentuch sinken und starrte ihn an. »Was?«
Das hier war unangenehm, aber es musste sein. »Dr. Hensley war gestern Nacht definitiv sexuell aktiv. Unsere wichtigste Aufgabe ist, herauszufinden, wer zuletzt bei ihm war. Hat er im Restaurant irgendjemandem romantische oder erotische Avancen gemacht?«
»Nein«, erwiderte Dr. Kapoor. »Soviel ich weiß, wollte er direkt auf sein Zimmer.«
»Wäre es möglich, dass er bei einem Escortservice einen Besuch arrangiert hat?«
Eine kurze Stille trat ein, in der Kapoor und Warner unbehagliche Seitenblicke wechselten. Das sagte Levi alles, was er wissen musste. »Es wäre nicht ganz … untypisch für ihn gewesen«, antwortete sie schließlich taktvoll.
»Moment mal, stopp.« Dr. Warner drehte sich auf der Couch zu ihr um. »Ich dachte, Dr. Hensley wäre an einer Art Überdosis gestorben.«
Sie holte zitternd Luft. »So sah es jedenfalls aus.«
»Aber all diese Fragen …« Er schaute Levi stirnrunzelnd an. »Glauben Sie, jemand anders hätte ihm die tödliche Dosis verabreicht? Dass er die Nacht mit einer Nutte verbracht und sie ihn getötet hat?«
Levi zuckte bei dem Ausdruck »Nutte« verärgert zusammen. »Die offizielle Todesursache steht noch nicht fest, daher möchte ich Spekulationen vermeiden. Aber ungeachtet der Umstände von Dr. Hensleys Tod ist es unbedingt nötig, die Person zu finden, die letzte Nacht bei ihm im Zimmer war.«
»Tut mir leid, ich fürchte, da können wir Ihnen nicht helfen«, sagte Dr. Kapoor. »Keiner von uns war je zuvor in Vegas. Ich weiß nicht, an wen Stephen sich in Sachen … Gesellschaft gewandt haben könnte.«
Levi fragte noch eine Weile weiter, erfuhr aber nichts mehr von Bedeutung. »Beabsichtigen Sie, trotz allem an der Konferenz teilzunehmen?«, erkundigte er sich, als sie sich erhoben. Die Ermittlungen zum Mord an einem Touristen konnten sehr umständlich werden, wenn die wichtigen Verdächtigen und Zeugen wieder nach Hause geflogen waren, und es gab nicht viele Gründe, wenn überhaupt welche, sie zurückzuhalten.
Dr. Kapoor nickte. »Wir stellen in dieser Woche bahnbrechende Forschungsergebnisse vor – Forschungen, denen Stephen Jahre seines Lebens gewidmet hat. Er würde wollen, dass wir bleiben und unseren Vortrag halten.«
»Darf ich fragen, zu welchem Thema Sie geforscht haben?« Das würde er sich aufschreiben.
»Es geht um die zellulären Mechanismen, die mit Schmerzübermittlung und -wahrnehmung zu tun haben«, erklärte Dr. Warner.
Levi gab den beiden Wissenschaftlern seine Karte, mit der üblichen Bitte, ihn anzurufen, wenn ihnen noch etwas einfiel, das von Nutzen sein konnte. Dann begleitete er sie aus dem Revier und ging anschließend an seinen Schreibtisch. Zunächst musste er die Polizei in Baltimore informieren, damit sie Beamte losschickten, um Hensleys Frau persönlich von seinem Tod zu unterrichten. Außerdem brauchte er eine Reihe von Durchsuchungsbeschlüssen – das Hotel hatte keine Überwachungskameras in den Gängen, aber welche in der Lobby und in den Aufzügen. Und er musste sich Zugang zu den Unterlagen des Zimmertelefons und von Hensleys Smartphone beschaffen. Sollte Hensley allerdings online einen Escortservice gebucht haben, waren sie ohne seinen Laptop aufgeschmissen.
Danach würde er zur Sicherheit Kapoors und Warners Alibis überprüfen und vielleicht ein paar Konferenzunterlagen anfordern, um ein Gefühl für Hensleys beruflichen Hintergrund zu bekommen. Es lag definitiv ein langer Tag vor ihm.
Am Nachmittag legte er eine Pause ein, um sich mit Kaffee und Sandwiches zu versorgen. Da er annahm, dass Dominic das sonntägliche Familienessen im Haus seiner Mutter inzwischen hinter sich hatte, rief er ihn an, während er aß.
»Hey«, meldete sich Dominic. Die Geräuschkulisse sagte Levi, dass er ihn in seinem Pick-up über Bluetooth erwischt hatte. »Wie läuft der Fall?«
»Wir sind nicht hundertprozentig sicher, dass es sich um einen Fall handelt.« Levi wischte sich mit der Serviette den Mund ab. »Und selbst wenn, sieht es eher nach Totschlag aus.«
»Na, dann hast du ihn doch in null Komma nichts gelöst.«
Levi schnaubte. »Vielen Dank. Wie war das Essen?«
»Ganz nett. Gina wird riesig. Sie schwört, dass es keine Zwillinge sind, aber sie hat einen dickeren Bauch als irgendeine Frau in unserer Familie im sechsten Monat.«
»Das hast du doch nicht so zu ihr gesagt, oder?« Dominic war das dritte von fünf Geschwistern, und Gina war seine jüngste Schwester, die derzeit mit ihrem ersten Kind schwanger war.
»Um Gottes willen! Ich möchte nicht, dass man mir die Eier zu einer blutigen Masse zerquetscht, vielen Dank auch.« Dominic verstummte kurz. »Aber meine Mutter hat es getan.«
»Du meine Güte.«
»Ja. Daraus entspann sich eine riesige Debatte darüber, wer an welchem Punkt seiner Schwangerschaft wie dick war – alle haben ihre Smartphones gezückt und ihre Fotoalben durchsucht und sich dabei über eine Stunde lang angeschrien.« Trotz des Familiendramas klang Dominic gut gelaunt. »Ich bin gerade unterwegs zu Carlos im Fitnessstudio, und heute und morgen Nacht habe ich mein Praktikum bei McBride. Aber ich dachte, wir können uns morgen vielleicht zum Mittagessen treffen.«
»Klingt gut.« Levi spürte Vorfreude in sich aufsteigen.
»Mein Terminkalender ist flexibler als deiner, also ruf mich einfach an, wenn du weißt, wo und wann es dir passt.«
»Na gut. Dann bis morgen.«
Als Levi auflegte, musste er an einen Augenblick von gestern Nacht denken, an den er sich kristallklar erinnerte – als Dominic ihn gegen das Kopfende gedrückt, hart in ihn gestoßen und ihn Baby genannt hatte. Das Wort war in der Hitze der Leidenschaft gefallen, und er war nicht sicher, ob Dominic sich dessen überhaupt bewusst gewesen war.
Levi hatte Kosenamen immer gehasst und bei Stanton auch nie benutzt. Er stellte sich vor, wie Dominic mit seiner tiefen, brummenden Stimme noch einmal Baby zu ihm sagte. Was ihn früher abgestoßen hätte, brachte ihn jetzt zum Erbeben, weil es diesmal einfach anders war.
Mit Dominic war alles anders.
Dominic traf sich mit Carlos bei »Rolando’s«, einem coolen, leicht heruntergekommenen, winzigen Fitnessstudio nicht weit von Downtown. Der namensgebende Besitzer afrokaribischer Abstammung, der Dominic von Größe und Körperbau her ähnelte, war vor zehn Jahren als Boxer und Schwergewichtsmeister vor allem in Las Vegas beliebt gewesen. Nach seinem Rückzug vom Sport hatte er das Studio eröffnet, dem Druck widerstanden, es zu einem eleganten, hochpreisigen Center auszubauen, und sich stattdessen auf das Notwendigste beschränkt.
Der schlaksige Carlos wartete schon vor der Tür. Trotz der drückenden Hitze trug er Jogginghosen und eine Jacke mit geschlossenem Reißverschluss. Er pflegte derzeit einen kunstvollen Dreitagebart und hatte sich die langen, dunkelbraunen Haare kürzer schneiden lassen.
Da Dominic wusste, dass Carlos nicht die Umkleidekabine benutzen wollte, trug auch er schon seine Sportsachen. Er begrüßte ihn mit einem Faustcheck, und sie gingen hinein.
Sie kamen am Kardio-Bereich und am Boxring vorbei, wo Rolando persönlich geduldig einige junge Männer trainierte. Er nickte Dominic freundlich zu, und dieser erwiderte den Gruß. Meine Güte, was war er in Rolando verknallt gewesen, als er hier angefangen hatte! Ein Jammer, dass der Typ hoffnungslos hetero war.
Carlos und er gingen weiter in den Gewichteraum. Ein paar andere waren schon beim Training und arbeiteten stöhnend und schwitzend mit schweren Hanteln. Dieses Studio war bei Veteranen und Kopfgeldjägern beliebt – zwei Gruppen, die viel gemeinsam hatten. So war auch Dominic hier gelandet. Die Leute kamen, um bis an ihre Grenzen zu gehen.
»Willst du nicht deine Jacke ausziehen?«, fragte Dominic beiläufig, als er und Carlos sich auf ihren Bänken einrichteten.
Carlos blickte sich zögernd um, doch niemand beachtete sie.