A Dragon's Fall (The Dragon Chronicles 3) - Solvig Schneeberg - E-Book

A Dragon's Fall (The Dragon Chronicles 3) E-Book

Solvig Schneeberg

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Beschreibung

**Die Drachen erheben sich** Der Clan der schwarzen Drachen ist nach wie vor tief gespalten. In den abgeschiedenen Weiten der Highlands arbeitet Raven noch immer an ihren Fähigkeiten als Wandlerin. Ihr bester Freund Chris tut alles, um ihr beizustehen. Doch die Schatten seiner eigenen Vergangenheit holen Chris ein – und wühlen nicht nur ihn, sondern auch Raven und ihren sexy Mentor Elion auf. Dabei nimmt das Knistern zwischen ihnen immer mehr zu… Prickelnde Urban Fantasy für Drachenfans Solvig Schneeberg entführt ihre Leserinnen in der düster-romantischen Buchserie »The Dragon Chronicles« in die verborgene Welt der Drachen. Eine großartige Fantasy-Liebesgeschichte in vier Bänden voller magischer Wesen und atemberaubender Wendungen. //Dies ist der dritte Band der atmosphärischen Drachen-Fantasy bei Dark Diamonds. Alle Bände der Reihe: -- The Dragon Chronicles 1: A Dragon's Love -- The Dragon Chronicles 2: A Dragon's Soul -- The Dragon Chronicles 3: A Dragon's Fall -- The Dragon Chronicles 4: A Dragon's Home//

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Solvig Schneeberg

A Dragon’s Fall (The Dragon Chronicles 3)

**Die Drachen erheben sich**Der Clan der schwarzen Drachen ist nach wie vor tief gespalten. In den abgeschiedenen Weiten der Highlands arbeitet Raven noch immer an ihren Fähigkeiten als Wandlerin. Ihr bester Freund Chris tut alles, um ihr beizustehen. Doch die Schatten seiner eigenen Vergangenheit holen Chris ein – und wühlen nicht nur ihn, sondern auch Raven und ihren sexy Mentor Elion auf. Dabei nimmt das Knistern zwischen ihnen immer mehr zu …

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Vita

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© Foto Studio Carl

Solvig Schneeberg studierte Literaturwissenschaften in ihrer Heimatstadt Erfurt, bevor sie beschloss, sich einzig dem Schreiben zu widmen. Bereits in jungen Jahren entdeckte sie die Liebe zum geschriebenen Wort und fing bald an, ihre eigenen Geschichten aufzuschreiben und zu veröffentlichen. Sie ist eine verträumte Romantikerin, weshalb es nicht verwunderlich ist, dass ihr ganzer Fokus auf Fantasy- und Liebesromanen liegt. Zusammen mit ihrem Lebensgefährten, einem Hund und vier Katzen lebt sie in der beschaulichen Altstadt von Erfurt.

Für

Die Liebe meines Lebens, Steffen:

Trotzdem.

Meine beste Freundin, Janet.

Weil die Kekse auf der dunklen Seite besser schmecken.

Vera, meine großartige Freundin, der ich vermutlich nie dankbar genug sein kann!

All die wundervollen Frauen der Wortkunst, die mir um jede Tages- und Nachtzeit mit ihrem Rat zur Seite standen.

Prolog

1994, Skandinavien

Er fuhr Chris nie nach Hause. Nicht wirklich jedenfalls.

Der dunkle Mercedes hielt immer ein paar Straßenecken entfernt, aber Chris hatte sich nie darüber beschwert. Hatte es auch nie anders gewollt. Schließlich war auch Nathan in der kleinen Stadt bekannt und niemand durfte von ihrem Verhältnis wissen.

Der Wagen hielt wie üblich an der gleichen Ecke, aber dieses Mal fiel der Abschied kühl aus, fast schon kalt.

Chris drehte sich zu seinem Freund um, wollte nachfragen, aber der Wagen fuhr einfach los. Er sah nur noch die Rücklichter und schüttelte mutlos den Kopf. Nathan war den ganzen Abend, ach was, die letzten Tage schon so merkwürdig gewesen und Chris beschlich das dunkle Gefühl, dass ihre Beziehung nicht mehr lange halten würde.

In Gedanken versunken setzte er den Weg zu seinem Elternhaus fort.

Es war unwahrscheinlich, dass seine Familie schon schlief; schließlich gab es heute eine Versammlung der Sippe.

Deshalb hatte er sich ja aus dem Haus geschlichen.

Die männlichen Wandler kamen in dieser Nacht alle beim Oberhaupt der Gemeinschaft zusammen: seinem Vater.

Im Gegensatz zu ihrem rein animalischen Äquivalent waren Bärenwandler keine Einzelgänger, sondern lebten in größeren Gemeinschaften, die von dem stärksten Wandler angeführt und dominiert wurden. Weibliche Wandler hingegen blieben nur während der Paarung in der Sippe und zogen dann die Kinder die ersten zwei Jahre allein auf. Sie kehrten nur zurück, um ihre Kinder den Vätern zu übereignen und sich eventuell neu zu paaren. Ansonsten führten sie ein Leben in Isolation.

Chris hatte seine Mutter seit elf Jahren nicht mehr gesehen. Seit sie seine jüngste Schwester, Sofia, abgegeben hatte. Allein war er deshalb aber noch lange nicht. Er hatte insgesamt sieben weitere Geschwister, davon zwei jüngere Schwestern.

Meistens blieb Chris diesen Versammlungen fern, obwohl er alt genug war, um ebenfalls teilzunehmen. Aber er hatte kein Verständnis für diese Treffen. Es wurde stets das Gleiche besprochen: welches Mädchen jetzt in dem Alter war, um sich zu paaren. Wessen Tochter alt genug war, nicht länger Teil der Gemeinschaft zu sein.

So etwas wollte Chris weder hören noch besprechen. Nicht wenn eine seiner beiden Schwestern, Beth, in diesem Jahr ebenfalls zur Diskussion stehen würde. Sie war doch erst sechzehn!

Seinen Brüdern konnte das egal sein. Sie hatten alle ihren Platz sicher, egal, in welcher Gemeinschaft sie leben würden. Seine Schwestern hatten dieses Recht nicht. Und Chris verabscheute das mit jeder Faser seines Seins.

Wie er vermutet hatte, brannten die Lichter in dem großen Haus am Ende der Straße noch hell. Mehrere Autos säumten die verschneite Straße zu beiden Seiten.

Er betrat den sorgsam gepflegten Vorgarten und spürte sofort, dass etwas nicht stimmte. Normalerweise begleiteten Gläserklirren und lautes Gelächter solche Veranstaltungen, aber es war gespenstig ruhig.

Leise öffnete er die Tür und blieb erschrocken stehen.

Vor ihm standen sämtliche männliche Mitglieder der Sippe, ungeachtet ihres Alters oder Ranges. In der vordersten Reihe seine engste Familie. Keiner von ihnen machte Anstalten, ihn zu begrüßen.

»Vater? Ist was passiert? Geht es um die Mädchen?«

Sein Vater antwortete nicht.

Okay, Chris hatte sich raus geschlichen, mal wieder, aber das war sicherlich kein Grund ihn so hasserfüllt anzustarren! Oder? Hatte er noch etwas anderes angestellt?

Er überlegte und wich vorsorglich einen Schritt zurück, wieder auf die Stufen der Veranda, als ihn ein fürchterlicher Verdacht beschlich. Paranoia war noch nie sein Ding gewesen, aber erst Nathans Verhalten die letzten Tage und jetzt das?

»Was ist passiert, Vater?«

Seine Stimme zitterte, auch wenn er versuchte seine Angst nicht zu zeigen. Zwecklos bei einer Meute Bärenwandler, die jede seiner Gefühlsregungen riechen konnten.

Sein Vater schüttelte angewidert den Kopf.

»Du hast kein Recht mehr, mich so zu nennen, Christopher«, sagte er kalt und trat einen Schritt nach vorne.

In diesem Moment bewahrheitete sich Chris’ schlimmste Ahnung. Seine Familie wusste Bescheid. Er schluckte schwer.

»Woher …?«

Er war nicht in der Lage, die Frage auszusprechen.

Sein Onkel trat vor, als sein Vater nicht antwortete.

»Ein junger Mann kam vorbei und meinte, du hättest ihm gegenüber eindeutige Gelüste geäußert. Der arme Nathan war vollkommen aufgelöst!«

»Na– Nathan?«

Chris wich noch weiter zurück, aber die Wandler rückten weiter bedrohlich vorwärts.

»Das ist ein Missverständnis«, meinte Chris hilflos, als sich die Masse vor ihm teilte, um Platz für Nathan zu machen. Aber der war doch gerade erst weggefahren! Hatte er sich an Chris vorbeigeschlichen? Nathan musste direkt in die Querstraße hinter Chris’ Haus gefahren sein und dort geparkt haben, um jetzt hier zu stehen. Es war Nathan ernst.

»Kein Missverständnis.« Nathan schüttelte den Kopf und blickte ihn kalt an. Noch nie hatte Chris so einen Blick bei ihm gesehen.

»Es war widerlich, wie du mich angemacht und angefasst hast.«

Nathan schüttelte sich und Chris verstand die Welt nicht mehr. Ihm fehlten die Worte, aber mal ehrlich, was hätte er auch sagen sollen?

Dann knurrte sein Vater und seine Familie stimmte mit ein, gefolgt von jedem einzelnen anwesenden Wandler.

Wie eine geschlossene Front traten sie vor, verschluckten Nathan in der Masse. Chris setzte sich endlich in Bewegung und rannte.

***

Er hörte das Knurren seiner Familie, seiner Brüder und seiner Freunde, während sie ihn in ihrer Menschengestalt durch den dunklen Wald jagten. Er konnte ihre Abneigung und den Hass förmlich spüren und wusste, dass sie seinen Tod wollten. Wenn sie ihn in ihre Finger bekämen, wäre er tot.

Abgehetzt lehnte er sich gegen einen Baum, um zu verschnaufen. Wie lange jagten sie ihn jetzt schon?

Drei Stunden. Vier? Und wie lange hatten sie noch vor ihn zu jagen?

Eine kalte Hand legte sich auf seine Schulter und er zuckte zusammen. Bereit sein Leben zu verteidigen, brachte er sich in Position, als er seinen ältesten Bruder erkannte.

Er zögerte, nicht aber sein Bruder, der ihm einen harten Fausthieb gegen den Kiefer verpasste.

Chris taumelte rückwärts. »Ich will nicht gegen dich kämpfen, Elay.« Abwehrend hob er beide Hände und wehrte auch den nächsten Schlag nicht ab. Er fiel und landete im Schnee.

Elay baute sich bedrohlich vor ihm auf, verwandelte sich. Wie sonst auch sein eigenes, glänzte das Fell seines Bruders schwarz.

»Elay, wirklich. Ich meine es ernst. Ich kämpfe nicht gegen dich.«

Dann biss sein Bruder zu. Scharfe Zähne bohrten sich in seinen Knöchel. Er hörte Knochen splittern. Elay hieb mit seiner Pranke nach Chris’ Brust. Die Krallen zerschnitten die dicke Winterjacke und gruben sich tief in sein Fleisch.

Chris schrie auf, unterdrückte aber den Drang, sich zu verwandeln. Wieder schlug sein Bruder nach ihm, traf ihn am Kopf und riss ihm einige braune Strähnen aus.

Kurz wurde ihm schwarz vor Augen. Elay hatte mehr Kraft als er und gerade als ihm dieser Gedanke kam, fiel ihm auf, dass Elay nicht sein volles Potenzial ausschöpfte. Aber dann biss sein Bruder wieder zu, erwischte seine Schulter und hinterließ tiefe Abdrücke. Das warme Blut floss seinen Arm herab und tropfte von seinen Fingerspitzen, als er sich aufsetzte.

Ihm war schwindelig.

Das tiefe Knurren seines Bruders erklang nah an seinem Ohr, als Elay die Schnauze an seiner blutenden Schläfe rieb.

Chris konnte das Zittern nicht unterdrücken, aber er konnte auch nichts machen, vielmehr wollte er es nicht.

Sein Knöchel war vermutlich gebrochen. Die Schulter ausgekugelt und er hatte mit Sicherheit eine Gehirnerschütterung, von dem Blutverlust einmal abgesehen.

»Na los, bring es schon zu Ende, Elay.«

Dann hörte er die Stimme seines Bruders in seinem Kopf.

»Lauf.«

Verwirrt sah er seinen Bruder an, der seine blutverschmierte Schnauze im Schnee rieb, um grauenvolle Muster zu zeichnen.

»Lauf, Chris!«

1. Kapitel

Chris

»Chris? Chris, sag was!«

Ravens besorgte Stimme drang nur langsam durch den Nebel der Erinnerungen, während sie ihn leicht an der Schulter schüttelte.

Er war nicht länger im Wald, sondern stand im Wohnzimmer des Anwesens, das seiner besten Freundin und ihrem Bruder gehörte. Sie hatten den fünfundzwanzigsten Geburtstag der Zwillinge feiern wollen. Wobei eigentlich niemandem nach Feiern zumute gewesen war. Sie brauchten nur alle einen Moment der Normalität und wollten für wenige Minuten vergessen, was vorgefallen war.

Olaf, der weiße Drache, war nicht einfach nur vom Anwesen verschwunden, als sie vom Orden der Schwarzen Sonne erfahren hatten, sondern getötet worden. Von Taranis.

Chris hatte den Nomaden nur einmal getroffen und ging davon aus, dass er keine Familie gehabt hatte. Niemanden, der um ihn trauerte oder ihn vermisste. Das schmerzte ihn.

Noch mehr aber verletzte es ihn, dass Tiberius, jahrelanger Freund und Arzt in der alten Akademie, offensichtlich ein Verräter war und mit Taranis gemeinsame Sache machte.

Sie hatten ihm alle vertraut und er hatte sie verkauft.

Und gerade als die kleine Gruppe, die er seine Familie nannte, versuchte so etwas wie Normalität zu erleben, war George aufgetaucht.

Zusammen mit Nathan DeAngelo. Dem Bastard.

Nein, Chris hatte sich nicht getäuscht.

Diese blauen Augen würde er unter Millionen wiedererkennen. In dem schwarzen Haar hatte er ein ums andere Mal seine Hände vergraben. Er wusste, wie durchtrainiert Nathan unter den Sachen war, die so gar nicht zu seinem üblichen Modestil passten. Nate trug normalerweise nur auf Hochglanz polierte Schuhe und Designeranzüge, die seine athletische Statur betonten. Jetzt versteckte er sich unter einem derben Pullover und einer abgetragenen Jeans, die in schweren Stiefeln endete.

Chris bekam nur am Rand mit, dass Zane die kleine Luan auf den Arm nahm und aus dem Raum trug. Luan, ein weiteres Opfer von Taranis und seinen Machenschaften. Er hatte die Mutter der Vierjährigen töten lassen und Zane hatte sich der kleinen Drachenwandlerin angenommen, nachdem auch ihr Vater umgekommen war.

»Chris, ist alles in Ordnung? Rede mit mir.«

Raven berührte ihn leicht an der Schulter. Er zuckte zusammen. Was hatte sie gefragt? Ach ja, ob alles in Ordnung sei. Nein, eigentlich nicht.

Er schüttelte den Kopf und seine Freundin verstand.

Augenblicklich veränderte sich ihre Haltung, als sie sich zu Nathan und George drehte. Sie stemmte die Hände in die Hüften und stellte sich beschützend vor ihn.

Er war zu sehr mit Nathans Anwesenheit beschäftigt, um diese Geste gebührend würdigen zu können.

»Ich will ihn hier nicht haben, George.«

Mit einem Kopfnicken deutete sie auf Nathan. Neben ihr nickte Elion zustimmend. Richtig. Elion kannte ihn auch.

Woher wusste Chris noch nicht, aber es war sicherlich eine spannende Geschichte. Eine, die noch warten musste.

»Raven, ich verstehe dich ja, aber Nathan braucht unsere Hilfe«, fing George an.

»Unsere Hilfe?«, fragte Raven ungläubig nach. »Wieso denn ausgerechnet unsere Hilfe?«

»Er braucht Schutz vor dem Orden der Schwarzen Sonne. Sky kann sicher verstehen, dass …«

»Es ist mir egal, was Sky versteht oder nicht. Entschuldige bitte«, sagte Raven versöhnlich zu Sky, die nur mit der Schulter zuckte. Dann sprach Raven mit kalter Stimme weiter:

»Sie hat hier keine Befugnis und ihre Meinung ist in diesem Fall irrelevant, egal ob es um den Orden geht oder nicht. Das ist mein Haus, meine Familie und es sind meine Regeln. Ich habe nichts gesagt, als du Darian und Luan angeboten hast hierzubleiben, aber das geht zu weit.«

Nathan sah Chris hilfesuchend an, aber er würde doch nicht wirklich erwarten, dass er ihm irgendwie helfen würde, oder? Das konnte doch nicht sein Ernst sein!

Raven ließ sich seufzend auf die Couch fallen und sah zu Zane, der schweigend den Raum betrat. Ausnahmsweise machte keiner von beiden Anstalten, seinem Temperament freien Lauf zu lassen. Dabei könnte Chris das jetzt wirklich mal gebrauchen. Aber nein, ausgerechnet jetzt entschieden sich die beiden Drachenwandler ruhig zu bleiben. Vollkommen untypisch.

»Was, George? Was willst du? Hast du nicht schon genug Chaos angerichtet?«, fragte Chris und verschränkte die Arme vor der Brust.

Sein ehemaliger Mentor verdrehte nur die Augen.

»Nach allem, was in den letzten vierundzwanzig Stunden passiert ist, haben wir uns doch wohl eine Pause verdient!«, sagte Chris kalt.

Wow.

Jetzt, wo er es aussprach, kam es ihm unwirklich vor.

Waren tatsächlich erst vierundzwanzig Stunden vergangen? Es kam ihm länger vor, dass sie von Tiberius’ Verrat erfahren hatten und Zane im Sturzflug in diesem gefrorenen See gelandet war.

»Chris hat recht.«

Holla! Er bekam unerwartet Hilfe von Elion. Das war … nein, nicht nur selten, sondern einmalig!

Verwundert sah er den Halbengel an, aber dessen Blick ruhte auf George.

»Ich kann mir vorstellen, dass es schwer zu verstehen ist …«, begann Nathan, als hätte er das Recht, hier irgendetwas zu sagen. Also bitte!

Chris verdrehte die Augen. »Ich werde mir das nicht anhören. Egal, was er zu sagen hat, ich werde mir das nicht anhören.«

Chris wandte sich demonstrativ ab.

»Ich möchte hinzufügen, dass ich einen guten Grund gehabt habe, um …«, begann George.

»Ja, du hast angeblich immer einen guten Grund, George«, unterbrach Zane und ließ sich neben Raven fallen. Er fuhr sich durch die blonden Haare, bis sie in alle Richtungen abstanden. Allmählich waren sie wirklich zu lang, aber Sky gefiel es offenbar und Chris hatte nicht das Recht, etwas anderes zu sagen.

»George, ich möchte, dass du das Haus verlässt. Noch heute. Ich habe die Schnauze voll, dass du eigenmächtig Entscheidungen triffst, die dich überhaupt nicht betreffen! Mein ganzes Leben lang geht das schon so! Ich mache das nicht länger mit.«

Obwohl Zane ruhig gesprochen hatte, spürte Chris dessen Wut. Und dass der Raum sich ziemlich schnell abkühlte, hieß wohl, dass Raven und Elion diese Entscheidung billigten. Nur Elion ließ die Raumtemperatur sinken, wenn er wütend oder angespannt war.

Wäre nur schön, wenn sie auch von Nathan verlangen würden das Anwesen zu verlassen. Aber sie taten nichts dergleichen.

»Ich bin mir nur nicht sicher, was wir mit dir machen sollen«, sagte Raven zu Nathan, als hätte sie Chris’ Gedanken gelesen. Obwohl sie vor wenigen Minuten noch seine Abreise verlangt hatte, schien sie jetzt nicht mehr zu wissen, was sie wollte. Seine Freundin hatte ein gutes Herz und wollte offensichtlich einem Fremden in Not nicht die Hilfe verweigern.

Er hingegen wusste genau, was er mit Nathan anstellen wollte, und es würde langsam und schmerzhaft sein.

Sein Blick glitt zu den beiden Assassinen Cain und Sky.

Die Auftragskillerin stand hinter Zane, eine Hand locker auf seiner Schulter, als würde sie nur zufällig dort liegen. Dabei hatte jeder hier mitbekommen, was letzte Nacht zwischen den beiden passiert war. Leise waren sie dabei ja nicht gerade gewesen.

Cain hingegen lehnte lässig an der Wand neben der Wohnzimmertür. Seine weißblonden Haare wirkten im Dämmerlicht silbern und verliehen ihm eine gewisse Reife. Wie alt war der Kerl eigentlich?

Chris wusste, dass Dschinn, und dazu zählte Cain eindeutig, unsterblich waren. Sie starben keines natürlichen Todes, konnten aber getötet werden. Cain konnte also zwischen seinem sichtbaren Alter, das etwa bei Anfang dreißig lag, und fünfhundert Jahren alles sein.

Mhm, aber vielleicht war Cain doch nicht so entspannt, wie Chris angenommen hatte.

Seine dunklen Augen verfolgten jede Bewegung, die Nathan machte, sogar jeden Atemzug. Als hätte er Chris’ eindringlichen Blick bemerkt, zwinkerte Cain ihm kurz zu. Irritiert wandte Chris seine Aufmerksamkeit wieder Nathan zu.

»Ist es wahr, dass du Chris damals an seine Familie verraten hast?« Ravens Stimme klang gelassen, aber er kannte seine Freundin besser. Je ruhiger sie wurde, desto gefährlicher war sie.

Nathan nickte langsam. »Ja, das habe ich, aber …«

»Das ist alles, was ich wissen muss«, meinte Zane kalt und lehnte sich vor. »Ich denke, du kannst zusammen mit George gehen. Immerhin hat der dich ja auch hergebracht.« Er machte eine wegwerfende Handbewegung.

Wieder verdrehte George die Augen, als würde er die Zwillinge nicht ernst nehmen. »Ich werde nirgendwo hingehen, Zane. Und Nathan auch nicht. Ich habe ihm Schutz versprochen.«

»Ja, richtig. DU hast ihm Schutz versprochen«, verdeutlichte Raven und griff nach Elions Hand, als würde sie durch seine Berührung Kraft schöpfen. Chris wusste, dass es tatsächlich so war. Sie und Elion waren Seelenverwandte. Zwei Wesen, die zusammen als eins agierten. Sie fühlten das Gleiche, kannten die Gedanken des Partners und teilten sogar ihre Träume. Anfangs war er noch irritiert davon gewesen, aber mit der Zeit hatte er sich daran gewöhnt. Auch wenn es Momente gab, in denen es nach wie vor seltsam war, die zwei zu beobachten. So wie jetzt.

Ein kurzer Stich der Eifersucht durchfuhr ihn.

Er wollte auch so etwas.

Vollkommene und bedingungslose Liebe.

Es gab eine Zeit, da hatte er geglaubt es gefunden zu haben, aber Nathan hatte ihn schnell davon geheilt.

»Zane und ich haben das letzte Wort«, sagte Raven gerade und Chris wischte seine trübsinnigen Gedanken beiseite. »Und du hast mal wieder deine Grenzen überschritten, zum … ich weiß gar nicht wievielten Mal!«

Sie sah nach draußen. Chris folgte ihrem Blick. Die Dunkelheit machte es fast unmöglich, etwas zu erkennen. Nur seiner guten Nachtsicht war es zu verdanken, dass er dennoch die kahlen Bäume des Waldes und die schneebedeckte Wiese vor dem Haus erkennen konnte. Es hatte angefangen, heftig zu schneien und er kannte ihre Antwort bereits, bevor sie genervt seufzte.

»Ihr könnt noch eine Nacht bleiben. Bei dem Wetter sollte niemand draußen sein. Aber nur eine Nacht!«

Chris wollte etwas sagen, aber Raven brachte ihn mit einem Blick zum Schweigen. Er hatte eigentlich nur sagen wollen, dass Nathan bei den Temperaturen durchaus draußen sein sollte, aber immer musste Raven ihm den Spaß verderben.

»Möchte jemand ein Stück Kuchen?«, fragte er stattdessen, darum bemüht, zur Normalität zurückzufinden, und drehte sich zum Küchentisch um, auf dem der Geburtstagskuchen stand.

Nicht dass er wusste, was normal überhaupt bedeutete.

Dabei war er sich Nathans Blicke schmerzhaft bewusst. Jeden einzelnen fühlte er in seinem Rücken, wo sie geradewegs in sein Herz fuhren. Sie rissen die alte Wunde wieder auf, bis sie sich so frisch anfühlte, als wären nicht bereits Jahrzehnte vergangen.

»Raven?«

Elions besorgte Stimme ließ ihn aufsehen. Als er sich zu ihr umdrehte, ließ er vor Schreck den Teller fallen. Er zerbrach in mehrere Teile und verteilte den Sahnekuchen auf dem dunklen Holzboden.

Raven war kreidebleich, sie zitterte. Ihre Atmung ging flach und viel zu schnell. Verwirrt sah er zu Zane, der nicht besser aussah. Im Gegenteil, was immer in diesem Augenblick mit Raven geschah, geschah auch mit ihrem Bruder.

Zane keuchte und griff sich an die Brust, während Sky versuchte beruhigend auf ihn einzureden. Die Luft im Raum war zum Schneiden dick und allen fiel das Atmen schwerer. Aber niemand hatte so sehr zu kämpfen wie Raven und Zane. Was zur Hölle war hier los?!

»Baby, rede mit mir!«

Chris hatte Elion das letzte Mal so aufgelöst erlebt, als Taranis ihren Geist entführt hatte und niemand, weder ihr Seelengefährte noch Zane, sie hatte erreichen können.

»Taranis«, flüsterte Raven und sah Zane angsterfüllt an.

Dieses eine Wort bestätigte Chris’ schlimmste Vermutung.

Raven streckte ihre Hand nach Zane aus, bevor sie ohnmächtig von der Couch glitt. Direkt in die Arme ihres Bruders, der sich mit letzter Kraft an sein Bewusstsein klammerte. Vergebens. Er sank neben ihr auf die Couch.

Panik kroch durch Chris’ Glieder. Hatte Taranis einen Weg gefunden, sie wieder an sich zu reißen? Dieses Mal zusammen mit ihrem Bruder?

Er sah zu Sky. Sie wirkte genauso hilflos wie Elion.

Für einen furchtbar langen Moment kam das einzige Geräusch von Cleofe, die leise knurrend durch den Raum schritt, auf der Suche nach einer Bedrohung, die sie nirgends fand.

2. Kapitel

Cain

So schnell, wie es gekommen war, so schnell war es vorbei. Was auch immer es war.

Dafür kühlte die Luft rapide ab.

Cains Atem bildete weiße Wölkchen vor seinem Gesicht. Er fror, zeigte es aber nicht. Das wäre unter seiner Würde.

Er steckte lieber die Hände tiefer in die Hosentaschen und überprüfte dabei unauffällig seine Waffen.

Die Glock steckte in seinem Oberschenkelholster und die Klingen der beiden Dolche drückten an jeder Seite seiner Hüfte durch den Stoff seiner Jeans. Ein weiteres Messer hatte er an seiner Wade befestigt.

Als er sich bückte, um so zu tun, als müsste er sich seine Kampfstiefel neu binden, um so unauffällig den Sitz des Messers zu überprüfen, sah er zu Chris. Die Sorge, die er in dessen Gesicht wahrnahm, ließ ihn innerlich zusammenzucken.

Mehrmals wischte sich Chris die braunen Haare aus der Stirn, während er dabei half, die beiden bewusstlosen Drachenwandler auf die Couch zu legen.

Langsam erhob sich Cain wieder und sah sich im Raum um. Nathan stand immer noch an der Tür, zusammen mit George, während alle anderen auf die beiden Drachenwandler konzentriert waren.

Für einen Angriff wäre das der ideale Zeitpunkt, aber dieser Nathan schien keinerlei Anstalten in diese Richtung zu machen. Dennoch war Cain angespannt.

»Elion, würdest du bitte deine Kräfte zügeln«, zischte George und blies warmen Atem in seine Hände.

Cain bildete sich diese Kälte also nicht ein. Gleichzeitig hatte er die Bestätigung, dass Elion etwas mit diesen kuriosen Kälteausbrüchen zu tun hatte, die innerhalb geschlossener Räume auftraten und oft nur wenige Augenblicke anhielten. Es war nicht das erste Mal, dass Cain in diesem Haus frieren musste.

»Das bin ich nicht«, sagte Elion mit einem dunklen Unterton und deckte seine Gefährtin zu. Sanft strich er ihr über die Wange. Die Liebe in seinem Blick war fast greifbar.

Cain unterdrückte ein Seufzen.

Wann hatte er das letzte Mal jemanden so angesehen?

Er konnte sich nicht erinnern.

Chris trat in sein Blickfeld, als er sich hinter die Couch stellte und auf Raven hinabsah. Sein Blick war ähnlich zärtlich wie der von Elion. Gab es etwas, das er übersehen hatte?

Nein, Cain war sich sicher, dass Chris nicht in Raven verliebt war. Aber im Endeffekt … was wusste er selbst schon von der Liebe? Im Tempel der Assassinen wurde er gleichermaßen gefürchtet und verehrt.

Gefürchtet, weil er einer der besten Assassinen war und sein Vater Kasim, der mächtigste Dschinn der USA, die Institution leitete.

Verehrt, weil sie sich Begünstigungen erhofften, wenn sie ihm Aufmerksamkeit schenkten. Bessere Aufträge, leichtere Ziele, mehr Sold. Urlaub.

Er hatte ihre Verehrung angenommen, ohne auf ihre Wünsche einzugehen. Egal ob von Frauen oder Männern.

War das egoistisch? Vielleicht, aber so waren Dschinn nun mal. Außerdem waren es seine Kameraden schließlich auch gewesen. Und niemand hatte ihm jemals so eine Zuneigung gezeigt, wie sie Chris Raven gegenüber zeigte.

Ein leises Stöhnen riss ihn aus seinen Gedanken.

Zane kam langsam zu sich. Chris half ihm sich aufzurichten, während Sky kurz in der Küche verschwand, um ein Glas Wasser zu holen. Er hatte noch nicht ein Wort sagen können, als auch Raven das Bewusstsein wiedererlangte.

Es war merkwürdig zu sehen, wie sich die Zwillinge ansahen und ein Gespräch führten, von dem niemand etwas mitbekam.

Er und Sky verständigten sich bei Einsätzen auch ohne Worte, aber oft mit Zeichen. Diese zwei hier sahen sich nur an und führten eine komplette Unterhaltung, wenn er das richtig einschätzte. Bemerkenswert.

Cain sah, wie Zanes Hand zitterte, als er das Wasserglas an seine Lippen führte. Dann reichte er das Glas an Raven weiter, die ebenso zittrig trank. Beide waren blass und sahen krank aus.

»Was ist passiert?«, fragte Chris und Cain trat unbewusst näher.

»Wie fühlt ihr euch?«, unterbrach Sky und sah Chris kurz strafend an, als wäre es ein Schwerverbrechen nachzufragen, was passiert war. Es erschien Cain irgendwie logisch, dass sich Sky zuerst nach Zanes Wohlbefinden erkundigen wollte, bevor sie weitere Fragen stellte, aber er hatte seine Partnerin noch nie so emotional erlebt. Die Mission hatte bei ihr stets Vorrang. Zumindest war es so gewesen, bevor sie Samuel getötet hatte.

Cain räusperte sich leise und lenkte seine Aufmerksamkeit auf dringendere Dinge. Die Drachenzwillinge, zum Beispiel.

»Ich weiß nicht«, begann Zane zögernd.

»Ich fühle mich so …«

»Leer«, vervollständigte Raven den Satz, als Zane seine Gefühle nicht in Worte fassen konnte.

»Leer?«, fragte Chris nach. »Was soll das heißen: leer?«

Fragend sah er sich im Raum um und seine grünen Augen begegneten Cains Blick.

Dieser schüttelte kaum merklich den Kopf, obwohl er etwas sagen wollte. Aber er wusste nicht was. Er hatte keine Ahnung, was da gerade passiert war. Er wusste nur, dass Chris’ Blick etwas in ihm berührte und es ihn wütend machte, keine Antwort auf seine Frage zu haben.

»Vielleicht müsst ihr zwei euch nur ausruhen und morgen geht es euch wieder besser«, schlug er daher vor, aber an den Blicken der anderen merkte er, dass sie ihm nicht glaubten. Bei den Göttern seiner Vorfahren, er glaubte es ja nicht einmal selbst. Aber das war alles, was Cain einfiel.

Und er hasste dieses Gefühl!

Unterstützung erhielt er dennoch von Elion, der seiner Gefährtin gerade aufhalf.

»Cain hat recht. Ihr solltet euch beide ausruhen.«

Mit einem Blick brachte er sowohl Raven als auch Zane zum Schweigen, die wohl protestieren wollten.

Sky erhob sich ebenfalls, um Zane in sein Zimmer zu begleiten. Oder war es bereits ihres? Er hatte sich mit ihr noch nicht darüber unterhalten können, ob sie sich weiterhin das Gästezimmer teilten oder sie gänzlich bei Zane schlafen würde.

Im Vorbeigehen strich sie Cain kurz über den Arm. Er nickte ihr zu.

Nonverbale Kommunikation ging eben auch bei ihnen – während sie sich um Zane kümmerte, würde er seine Pflicht tun und die Lage im Auge behalten. Besonders aber den Neuankömmling. Ihn konnte Cain noch überhaupt nicht einschätzen und das nagte gewaltig an ihm.

Nachdem sich die Temperatur nur langsam normalisierte, war die Stimmung im Raum fernab von normal. George saß sichtlich erschöpft im Sessel. Chris stand unruhig mitten im Raum, als wüsste er nichts mit sich anzufangen, während Nathan angespannt an der Wand zur Küche lehnte.

Oder vielleicht war das auch normal, wenn man bedachte, wie die Dinge zwischen Chris und Nathan lagen.

Und gab es da nicht auch noch etwas zwischen Nathan und Elion?

Cain mischte sich nur selten in die privaten Dinge anderer Leute ein, aber dieses Mal interessierte es ihn brennend.

»Also, wie genau kommt es, dass du hier bist?«

3. Kapitel

Chris

Chris erschrak, als Cain das Wort ergriff.

Die Frage galt Nathan, der immer noch unsicher an der Tür stand. Gut für ihn. Sollte er sich doch unsicher fühlen.

Wenigstens etwas. Nach allem, was er ihm angetan hatte …

»Ich habe George um Hilfe gebeten, weil ich aus dem Orden ausgetreten bin.«

Ausgetreten? Um irgendwo auszutreten, musste man erst mal Mitglied sein … Chris wurde schlecht.

Er hatte nicht gewusst, dass Nate jemals Mitglied in dieser Organisation gewesen war!

»Aus dem Orden der Schwarzen Sonne?«, hakte Cain nach und bekam von Chris’ innerem Dilemma augenscheinlich nichts mit. Nate nickte langsam.

»Wie lange warst du dabei?«

Innerlich wappnete sich Chris für die Antwort, als er Nates entschuldigenden Blick auffing.

»Mein ganzes Leben lang.«

Chris wusste, dass Nathan Mitte des neunzehnten Jahrhunderts geboren wurde und doch hatte er noch immer nicht die gesamte Tragweite dessen verstanden, was er gerade gesagt hatte. Das würde bedeuten, dass er seit einhundertfünfzig Jahren Mitglied gewesen war?

Wie viele Wesen hatte er auf dem Gewissen?

Wie viele Männer und Frauen hatte er auf die gleiche Weise verraten wie ihn?

Er schluckte die Übelkeit hinunter, zusammen mit seinem Schmerz. Das schwelende Brennen des Verrats blieb.

»Aber es ist nicht so, wie du denkst!«

Nathan trat nach vorne, doch Cain war schneller.

Er hatte Nate am Arm gepackt und zog ihn zurück. Mit einer fließenden Bewegung schleuderte er ihn herum und pinnte ihn mit dem Unterarm an der Kehle gegen die Wand.

»Keinen Schritt weiter, Bastard«, knurrte er.

Oh, es tat gut, die Angst in Nates Augen zu sehen. Wahrscheinlich sollte er sich nicht so darüber freuen, aber er tat es trotzdem.

Leider beendete George die Situation mit einem lauten Seufzen und brachte Cain nach anfänglichem Zögern dazu, Nathan zumindest von der Wand zu lösen. Er hielt ihn dennoch weiter am Arm fest.

Mhm, irgendwie hatte Chris erwartet, wenigstens Nates Abdruck in der Wand zu finden, aber Cain hatte seine Kraft ziemlich gut unter Kontrolle. Beeindruckend.

»Können wir uns dann alle vielleicht wieder beruhigen? Danke.« Georges Sarkasmus war nicht zu überhören.

Normalerweise hätte Chris jetzt ein schlechtes Gewissen seinem alten Lehrer gegenüber gehabt. Er war George gegenüber schließlich immer loyal gewesen.

Wann hatte sich das geändert? Seit wann fühlte er sich Raven gegenüber mehr verpflichtet als dem Mann, der ihn aufgenommen hatte, nachdem er vor seiner Familie geflohen war? Und wieso fühlte er sich nicht im Geringsten schuldig?

»Also noch mal: Wo hast du den hier her?« Cain sah George herausfordernd an und deutete sichtlich angewidert mit dem Daumen auf Nathan, als würde es sich nur um einen unliebsamen Gegenstand handeln.

Wenn es nach Chris ging, war Nathan genau das.

Unliebsam. Unerwünscht.

»Das würde mich auch mal interessieren.«

Chris sah überrascht auf, als Elion mit diesen Worten das Wohnzimmer betrat. Sein eisiger Blick lag auf Nathan, der sich versuchte kleinzumachen und unauffällig wirken wollte.

Gute Idee, aber zu spät.

4. Kapitel

Cain

Gerade erst hatte sich die Raumtemperatur wieder in den angenehmen Bereich begeben, da sorgte Elion dafür, dass sich Eiskristalle an den Fensterscheiben bildeten.

Bislang war Cain nicht bekannt gewesen, dass Halbengel über solche Fähigkeiten verfügten, aber Elion schien anders zu sein. Hoffentlich der Einzige.

Er mochte es nicht, wenn die Dinge nicht so liefen, wie sie laufen sollten. Wesen, die über mehr Fähigkeiten verfügten, als sie ursprünglich sollten, bildeten da keine Ausnahme.

Sky schlich sich leise ins Wohnzimmer und stellte sich an den Kamin. Ihr war die Kälte ebenfalls unangenehm.

»Er meldete sich bei mir …«, begann George, wurde aber von Elion unterbrochen.

»Wie?« Elion baute sich vor George auf. »Wir sind hier abgeschieden von jeglicher Zivilisation, und das nicht ohne guten Grund.«

Die Temperatur sank weiter.

Bei den Göttern, Cain war ja einiges gewöhnt, aber er lief ungern mit einer dicken Winterjacke im Wohnzimmer herum! Wenn Elion seine Wut nicht bald in den Griff bekam, würde er aber genau das tun müssen.

Keine besonders fröhliche Aussicht.

»Ich warte!«

Cain war gar nicht aufgefallen, dass George noch nicht geantwortet hatte, bis Elion ihn erneut angesprochen hatte.

»Ich habe ein Handy«, antwortete George zögerlich.

Im einundzwanzigsten Jahrhundert war das sicherlich keine wirkliche Überraschung, aber so wie Chris knurrte, hatten sich hier wohl alle darauf geeinigt, keine Mobiltelefone zu benutzen. Wenn George dagegen verstoßen hatte …

»Korrigiere mich, wenn ich falschliege, George, ich meine, das könnte ja schließlich sein«, meinte Elion und ja, da sank die Temperatur doch glatt noch weiter.

Gerade als Cain sich beschweren wollte, dass seine spezielle Art nicht gut mit der Kälte klarkam, trat Chris neben ihn. In seiner Hand hielt er einen schwarzen Sweater, den er ihm unauffällig hinter dem Rücken reichte. Cain wusste, was Dankbarkeit war. Er war auch dankbar für einige Dinge, aber diese kleine Geste brachte ihn an den Rand der Tränen.

Schnell blinzelte er mehrmals hintereinander. Er war ein Killer, verdammt noch mal! Da heulte man nicht wegen eines Pullovers!

Erst als sich Chris wieder entfernt hatte, zog er den Pullover über, der nach Chris roch: nach Wald und Freiheit.

Er räusperte sich, aber niemand achtete auf ihn.

Die gesamte Aufmerksamkeit galt George, der immer noch nach einer Antwort suchte, als Elion schon weitersprach.

»Die letzten Wochen waren für uns alle so nervenaufreibend, dass ich etwas durcheinander bin«, er rieb sich übertrieben die Stirn und sah George dabei kalt an, »aber sind wir nicht hierhergekommen, damit meine Frau in Sicherheit ist? Wir haben alle den Kontakt zur Außenwelt aufgegeben. Raven hat seit Wochen nicht mehr mit ihren Freunden geredet, damit Taranis sie und Zane nicht finden kann. Und seitdem«, Elion erhob die Stimme, bevor George ihn unterbrechen konnte, »sind hier mehr Flüchtlinge aufgetaucht als in den letzten fünfzig Jahren in der Akademie!«

Elion atmete tief durch, lauschte auf etwas, das offensichtlich nur er hören konnte. Sprachen jetzt schon Stimmen zu ihm?

Cain sah fragend zu Chris, der seinen Blick grinsend erwiderte. Er zeigte mit dem Finger nach oben und es dauerte einen Moment, bis Cain begriff, dass Chris nicht die Zimmerdecke meinte, sondern Raven, die in ihrem Zimmer eine Etage über ihnen lag.

Richtig. Seelengefährten. Kommunikation ohne Worte oder gar Blickkontakt.

Würde sich Cain jemals daran gewöhnen?

Der Halbengel setzte sich und es wurde langsam, aber merklich wärmer.

Es dauerte nicht lange, bis Cain in dem dicken Pullover schwitzte. Trotzdem kam er nicht auf den Gedanken, ihn auszuziehen. Im Gegenteil. Je wärmer es wurde, desto intensiver konnte er Chris in dem weichen Stoff riechen.

Bei den Göttern seiner Vorfahren! Fehlte nur noch, dass er sein Gesicht in den Pullover drückte und daran roch … Verdammt, das war gar keine schlechte Idee.