A Game of Fate - Scarlett St. Clair - E-Book
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A Game of Fate E-Book

Scarlett St. Clair

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Beschreibung

Nehmt sie mir, und ich werde diese Welt zerstören. Nehmt sie mir, und ich werde uns alle vernichten

Hades, der König der Unterwelt, regiert sein Reich mit eiserner Faust. Er ist es gewohnt, die vollkommene Kontrolle zu haben. Umso wütender ist er, als er erfährt, dass die Schicksalsgöttinnen seine zukünftige Braut und somit Königin der Unterwelt auserkoren haben: Persephone, die Göttin des Frühlings. Ein einziger Blick in ihre unvergleichlich grünen Augen jedoch genügt und Hades kann die intensiven Gefühle, die sie in ihm auslöst, nicht mehr leugnen. Doch die Tatsache, dass eine missglückte Wette nicht gerade den besten ersten Eindruck bei Persephone hinterlassen hat, stellt Hades vor die wohl größte Herausforderung seines bisherigen unsterblichen Lebens: Persephone davon zu überzeugen, dass er nicht der eiskalte Geschäftsmann ist, für den sie ihn hält, und sie für sich zu gewinnen ...

»Scarlett St. Clair hat es mit ihrer Geschichte um Hades und Persephone geschafft, meine Leidenschaft zum Lesen neu zu entflammen. Einmal in den Händen gehabt, wollte ich die Bücher gar nicht mehr weglegen, und ich werde immer wieder mit Freude in die von ihr erschaffene Welt abtauchen.« AWORLDOFPAPERANDINK

Band 1 der HADES-SAGA von Bestseller-Autorin Scarlett St. Clair

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Seitenzahl: 531

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INHALT

Titel

Zu diesem Buch

Leser:innenhinweis

Widmung

Kapitel Eins

Kapitel Zwei

Kapitel Drei

Kapitel Vier

Kapitel Fünf

Kapitel Sechs

Kapitel Sieben

Kapitel Acht

Kapitel Neun

Kapitel Zehn

Kapitel Elf

Kapitel Zwölf

Kapitel Dreizehn

Kapitel Vierzehn

Kapitel Fünfzehn

Kapitel Sechzehn

Kapitel Siebzehn

Kapitel Achtzehn

Kapitel Neunzehn

Kapitel Zwanzig

Kapitel Einundzwanzig

Kapitel Zweiundzwanzig

Kapitel Dreiundzwanzig

Kapitel Vierundzwanzig

Kapitel Fünfundzwanzig

Kapitel Sechsundzwanzig

Kapitel Siebenundzwanzig

Kapitel Achtundzwanzig

Kapitel Neunundzwanzig

Kapitel Dreißig

Kapitel Einunddreißig

Bonusszene

Anmerkung der Autorin

Die Autorin

Die Romane von Scarlett St. Clair bei LYX

Impressum

Scarlett St. Clair

A Game of Fate

Roman

Ins Deutsche übertragen von Silvia Gleißner

ZU DIESEM BUCH

Hades, der König der Unterwelt, regiert sein Reich mit eiserner Faust. Er ist es gewohnt, die vollkommene Kontrolle zu haben. Doch als er sich auf ein Spiel mit Aphrodite einlässt, ändert sich alles. Um zu gewinnen, muss Hades sich nicht nur verlieben, er soll die Auserkorene auch noch dazu bringen, seine Gefühle zu erwidern! Und als wäre das nicht anspruchsvoll genug, mischen sich plötzlich die Schicksalsgöttinnen ein und offenbaren Hades, dass sie seine zukünftige Braut und somit Königin der Unterwelt auserwählt haben: Persephone, die Göttin des Frühlings. Und obwohl Hades den Einfluss des Schicksals verachtet, genügt ein einziger Blick in Persephones unvergleichlich grüne Augen und er kann die intensiven Gefühle, die sie in ihm auslöst, nicht mehr leugnen. Dass Hades die junge Göttin mit einer trügerischen Wette an einen unerfüllbaren Vertrag gebunden hat, hat allerdings nicht gerade den besten ersten Eindruck bei ihr hinterlassen, und so steht der Herrscher der Unterwelt vor der wohl größten Herausforderung seines bisherigen unsterblichen Lebens: Persephone davon zu überzeugen, dass er nicht der eiskalte Geschäftsmann ist, für den sie ihn hält, und sie für sich zu gewinnen …

Liebe Leser:innen,

dieses Buch enthält potenziell triggernde Inhalte.

Deshalb findet ihr hier eine Triggerwarnung.

Achtung: Diese enthält Spoiler für das gesamte Buch!

Wir wünschen uns für euch alle

das bestmögliche Leseerlebnis.

Euer LYX-Verlag

Dieses Buch ist den beiden stärksten Frauen gewidmet, die ich kenne – Leslie und Regina, meine Motivatorinnen, meine Mentorinnen, meine Seelenschwestern. Danke, dass ihr mir gezeigt habt, wie viel Kraft ich selbst habe. Ich liebe euch, über das Leben hinaus, ich liebe euch auf ewig.

KAPITEL EINS

Ein Spiel des Gleichgewichts

Hades manifestierte sich nahe der Küste der Götter.

Im Sonnenlicht erstrahlten ihr türkisfarbenes Wasser und ihre makellos weißen Strände vor einem Hintergrund aus Klippen, Grotten und einem Kloster aus weißem und grünem Marmor, zu dem eine Treppe aus dreihundert Stufen führte. Sterbliche kamen in Scharen hierher, um zu schwimmen, segeln oder zu schnorcheln. Es war die reinste Oase, bis die Sonne rot wie Feuer im Meer versank.

Denn nach der Dämmerung, in der Nacht, regte sich das Böse unter einem Himmel voller Sterne und einem Ozean aus Mondlicht. Es kam auf Schiffen an und überzog ganz New Greece, deshalb war Hades hier: um es aufzuhalten.

Er drehte sich um, und der Kies knirschte unter seinen Füßen, als er in Richtung der Corinth Company ging, einer Fischerei, zu der mehrere Immobilien an der Küste gehörten. Die Putzfassade der Lagerhalle war abgenutzt, verblichen und bezaubernd zugleich, sie fügte sich tadellos in die antike Architektur ein, welche die Küste zierte. Eine schlichte schwarze Laterne beleuchtete ein Schild, auf dem der Name der Firma stand, geschrieben in einer Schriftart, die Prestige und Macht demonstrierte – bewundernswerte Merkmale, wenn sie die Besten der Gesellschaft auszeichneten. Doch gefährliche, wenn sie die Schlimmeren besaßen.

Ein Sterblicher bewegte sich in den Schatten. Er war schon dort, seit Hades angekommen war, und dachte zweifelsohne, er sei gut versteckt. Für andere Sterbliche traf das vielleicht zu – doch Hades war ein Gott, und ihm gehörten die Schatten.

Als er vorbeiging, rührte sich der Mann. Hades drehte sich um und packte die Hand des Sterblichen. Darin befand sich eine Pistole. Hades sah erst die Waffe, dann den Mann an, und ein böses Lächeln huschte über seine Lippen.

In der nächsten Sekunde drangen scharfe Nadeln aus Hades’ Fingerspitzen und bohrten sich in die Haut des Mannes. Seine Waffe fiel klappernd zu Boden, und er selbst ging mit einem kehligen Aufschrei in die Knie.

»Bitte verschont mich, mein Lord!«, flehte er. »Ich wusste es nicht.«

Hades fand die Sekunden vor dem Tod eines Sterblichen immer faszinierend. Vor allem, wenn er einem Exemplar wie diesem hier begegnete – einem, der bedenkenlos töten konnte, doch seinen eigenen Tod fürchtete.

Hades’ Griff wurde fester, und als der Mann zitterte, lachte der Gott.

»Dein Tod ist noch nicht nahe«, sagte Hades, und der Sterbliche blickte auf. »Aber ich werde einige Worte mit deinem Arbeitgeber wechseln.«

»Meinem Arbeitgeber?«

Hades hätte beinahe aufgestöhnt. Dieser Sterbliche wollte sich also dumm stellen.

»Sisyphos de Ephyra.«

»E-er ist nicht hier.«

Lüge.

Die Gewissheit legte sich wie Asche auf seine Zunge und machte seine Kehle trocken.

Hades hob den Mann am Arm in die Höhe, die Stacheln immer noch vergraben in seiner Haut, bis ihre Blicke auf gleicher Höhe waren. Erst aus diesem Blickwinkel fiel Hades ein Tattoo am Handgelenk des Mannes auf. Es war ein Dreieck, nun durch die Stacheln aus seinen Fingerspitzen zweigeteilt.

»Ich brauche deine Hilfe nicht, um diese Lagerhalle zu betreten«, sagte Hades. »Ich brauche dich für ein Exempel.«

»E-ein Exempel?«

Hades beschloss, Taten als Erklärung folgen zu lassen, und zog zwei tiefe Schnitte über das Gesicht des Mannes. Als dessen Haut, Hals und Kleider bedeckt von Blut waren, schleifte der Gott ihn zum Eingang der Lagerhalle, stieß die Türen auf und schlenderte hinein.

Was von der Küste aus wie ein Gebäude ausgesehen hatte, schien nur eine Wand zu sein, denn statt in einen umschlossenen Raum zu treten, fand Hades sich in einem Hof wieder, über den sich ein tintenschwarzer Himmel erstreckte. Die Erde war kahl, und es gab ein paar große oberirdische Becken, in denen Fische schwammen. Die Luft roch nach Meer, Fäulnis und Salz. Hades hasste den Gestank.

Arbeiter in schwarzen Overalls drehten sich zu dem Gott um, als er den blutenden Sterblichen vor sich her stieß. Der Mann stolperte, fing sich aber, bevor er zu Boden stürzte. Hades trat ein Mann entgegen, flankiert von zwei massigen Leibwächtern. Er trug einen weißen Anzug, und seine fetten Finger wurden von Goldringen förmlich erwürgt. Sein schwarzes Haar war kurz geschnitten, sein Bart gepflegt und von silbrigen Strähnen durchzogen.

»Sis, e-e-es war nicht meine Schuld«, sagte der Mann und stolperte vorwärts. »Ich …«

Sisyphos zog eine Waffe und erschoss ihn. Der Mann fiel mit einem lauten Aufprall zu Boden. Hades blickte zuerst auf ihn und sah dann Sisyphos an.

»Er hatte nicht unrecht«, meinte Hades.

»Ich habe ihn nicht getötet, weil er zugelassen hat, dass du mein Grundstück betrittst. Ich habe ihn getötet, weil er sich respektlos gegenüber einem Gott verhalten hat.«

Eine derartige Demonstration kam für gewöhnlich von loyalen Untertanen, doch davon hatte Hades nicht viele, und er wusste, dass Sisyphos keiner von ihnen war.

»Ist das deine Version eines Opfers?«

»Kommt darauf an«, antwortete Sisyphos, dehnte die Nackenmuskeln und übergab seine Waffe dem Leibwächter rechts von ihm. »Akzeptierst du es denn?«

»Nein.«

»Dann war es etwas Geschäftliches.«

Sisyphos richtete die Aufschläge seines Jacketts und seine Manschettenknöpfe, und Hades bemerkte an seinem Handgelenk das gleiche Dreieckstattoo.

»Wollen wir?« Der Sterbliche bedeutete Hades, zu einem Büro auf der anderen Seite des Hofes voranzugehen. »Göttliche zuerst.«

»Ich bestehe darauf«, lehnte Hades ab. Trotz seiner Macht mochte er es nicht, jemandem den Rücken zuzuwenden.

Sisyphos’ Augen wurden schmaler. Wahrscheinlich empfand er Hades’ Weigerung, voranzugehen, als eine Form von Respektlosigkeit, vor allem, weil es zeigte, dass der Gott ihm misstraute. Ironisch, wenn man bedachte, dass es Sisyphos gewesen war, der eine der ältesten Regeln der Gastfreundschaft – Xenia im antiken Griechenland – gebrochen hatte, indem er seine Konkurrenten erst auf sein Territorium eingeladen und dann dort getötet hatte.

Nur eines von vielen Vergehen, die Hades ansprechen wollte. Deshalb war er hier.

»Sehr wohl, mein Lord.« Der Sterbliche bot ihm ein kaltes Lächeln, bevor er zu seinem Büro ging, die beiden Leibwächter im Schlepptau. Deren Anwesenheit war amüsant – als ob die beiden sterblichen Männer Sisyphos vor ihm schützen könnten.

Hades ertappte sich dabei, dass er überlegte, wie er sie ausschalten würde. Er hatte eine Reihe von Optionen – er könnte die Schatten beschwören und die beiden von ihnen verschlingen lassen, oder er könnte sie selbst überwältigen. Er nahm an, die einzig relevante Frage dabei war die, ob er Blut auf seinem Anzug wollte oder nicht.

Die beiden Leibwächter nahmen ihre Plätze zu beiden Seiten der Tür ein, als Sisyphos sein Büro betrat. Hades ging an ihnen vorbei, ohne sie anzusehen.

Sisyphos’ Büro war klein. Sein Schreibtisch bestand aus massivem Holz, dunkel gebeizt und überhäuft mit Papierkram. Auf einer Seite stand ein altmodisches Telefon, auf der anderen eine Karaffe aus Kristall und zwei Gläser. Hinter ihm befanden sich Fenster zum Hof hinaus mit zugezogenen Jalousien.

Sisyphos beschloss, hinter dem Schreibtisch stehenzubleiben. Ein strategischer Zug, stellte Hades fest, denn der Tisch schuf eine physische Barriere zwischen ihnen. Wahrscheinlich bewahrte Sisyphos dort auch einen Vorrat an Waffen auf. Nicht dass die etwas gegen Hades bewirken konnten, aber der Gott existierte schon seit Jahrhunderten und wusste, dass ein verzweifelter Sterblicher alles versuchen würde.

»Bourbon?«, fragte Sisyphos und entkorkte die Karaffe.

»Nein.«

Der Sterbliche starrte ihn einen Moment lang an und schenkte sich dann ein Glas ein. Er trank einen Schluck und fragte: »Was verschafft mir das Vergnügen?«

Hades warf einen Blick zur Tür. Von hier aus konnte er die Fischbecken sehen und wies mit einem Nicken zu ihnen.

»Ich weiß, dass du in deinen Becken Drogen versteckst«, begann er. »Ich weiß auch, dass du diese Firma als Tarnung nutzt, um sie in ganz New Greece zu verteilen, und ich weiß, dass du jeden tötest, der sich dir in den Weg stellt.«

Sisyphos starrte Hades einen Moment lang an und trank dann langsam von seinem Glas, bevor er fragte: »Bist du gekommen, um mich zu töten?«

»Nein.«

Das war nicht gelogen. Hades erntete keine Seelen – das tat Thanatos, aber der Gott der Unterwelt konnte sehen, dass der Sterbliche schon bald reif für einen Besuch war. Die Vision war ungebeten gekommen, wie eine Erinnerung von vor langer Zeit. Sisyphos würde, elegant gekleidet, beim Verlassen eines edlen Speisesaals zusammenbrechen.

Er würde nie wieder zu Bewusstsein kommen.

Doch bevor das passierte, würde Hades ein Gleichgewicht herstellen.

»Dann gehe ich davon aus, dass du einen Anteil willst?«

Hades legte den Kopf schief. »Gewissermaßen.«

Sisyphos kicherte. »Wer hätte gedacht, dass der Gott der Toten hier ist, um zu feilschen.«

Hades knirschte mit den Zähnen. Ihm gefiel die Andeutung in Sisyphos’ Worten nicht, als glaube der Sterbliche, er habe die Oberhand.

»Als Buße für deine Verbrechen wirst du die Hälfte deines Einkommens an die Obdachlosen spenden. Immerhin bist du für viele von ihnen verantwortlich.«

Die Drogen, mit denen Sisyphos handelte, hatten Leben zerstört, Sterbliche von innen heraus durch die Sucht zerfressen und Gewaltverbrechen in Gemeinden ausgelöst. Zwar war er nicht der einzige Verantwortliche, doch es waren seine Schiffe, die die Drogen aufs Festland brachten, und seine Trucks, die sie durch ganz New Greece transportierten.

»Wird Buße nicht im Jenseits getan?«, fragte Sisyphos.

»Betrachte es als einen Gefallen. Ich gewähre dir einen Vorsprung.«

Sisyphos pulte mit der Zunge zwischen seinen Zähnen und kicherte dann leise. »Du weißt, dass man dich nie als einen rechtschaffenen Gott beschreibt.«

»Ich bin auch nicht rechtschaffen.«

»Einen Gauner wie mich dazu zu zwingen, für wohltätige Zwecke zu spenden, ist rechtschaffen.«

»Es schafft ein Gleichgewicht. Sieh es als Preis, den du für das Böse zahlst, das du verbreitest.«

Hades glaubte nicht an die Ausrottung des Bösen auf der Welt, denn er hielt dies für schlicht unmöglich. Was für den einen böse war, war für einen anderen der Kampf um Freiheit – der Große Krieg war nur ein Beispiel dafür. Eine Seite kämpfte für ihre Götter, ihre Religion, und die andere kämpfte um die Befreiung von ihren vermeintlichen Unterdrückern. Das Beste, was er tun konnte, war, einen Hauch von Wiedergutmachung anzubieten, damit der Urteilsspruch der Sterblichen in der Unterwelt sie vielleicht am Ende in den Asphodeliengrund führen würde.

»Aber du bist nicht der Gott des Gleichgewichts. Du bist der Gott der Toten.«

Es würde nichts helfen, die Arbeitsweise der Moiren zu erklären, das Gleichgewicht, das sie in der Welt schaffen wollten, also schwieg er. Sisyphos holte ein Metalletui aus der Innentasche seines Jacketts und nahm eine Zigarette heraus.

»Ich sage dir etwas.« Er schob sich die Zigarette zwischen die Lippen und zündete sie an. Der Geruch von Nikotin erfüllte den kleinen Raum – aschig, schal und chemisch. »Ich spende eine Million, und ich werde das Gesetz der Gastfreundschaft nie wieder verletzen.«

Hades schwieg einen Moment und nutzte die Stille, um den Ansturm von Wut zu unterdrücken, den die Worte des Sterblichen ausgelöst hatten, während er die Fäuste ballte. Vor nicht allzu langer Zeit hätte er sich von der Wut überwältigen lassen und den Sterblichen ohne langes Überlegen in den Tartaros geschickt. Stattdessen ließ er die Dunkelheit die Arbeit für ihn erledigen. Hades beschwor die Schatten vor Sisyphos’ Büro, und diese glitten über den Außenbereich des Gebäudes und verdunkelten die Fenster.

Hades sah zu, wie Sisyphos sich umdrehte und sein Blick die Schatten verfolgte, bis sie die beiden Leibwächter vor dem Büro erreichten. Nur eine Sekunde später drangen die Schatten in jede Körperöffnung der Leibwächter, und sie fielen tot zu Boden.

Sisyphos richtete den Blick wieder auf Hades und grinste.

»Wenn ich noch einmal so darüber nachdenke, dann haben wir eine Abmachung, Lord Hades«, sagte er. »Also, zweihundertfünfzig Millionen.«

»Dreihundert«, erwiderte Hades.

Trotz blitzte in den Augen des Sterblichen auf. »Das ist mehr als mein halbes Einkommen.«

»Eine Strafe dafür, dass du meine Zeit verschwendet hast«, sagte Hades. Er wollte sich gerade umdrehen und das Büro verlassen, hielt aber noch einmal inne und warf einen Blick über die Schulter zu dem Sterblichen. »Und ich würde mir keine Gedanken um den Bruch des Gesetzes der Gastfreundschaft machen, Sterblicher. Du hast nicht mehr viel Zeit.«

Sisyphos schwieg auf Hades’ Worte. Rauchfäden kräuselten sich von der Zigarettenspitze zwischen seinen Fingern empor. Einen Augenblick später warf er sie in seinen Drink.

»Verrate mir«, sagte er. »Wieso tust du das? Handel für ein Gleichgewicht? Hast du denn Hoffnung für die Menschheit?«

»Hast du keine?«, entgegnete Hades.

»Ich lebe unter Sterblichen, Lord Hades. Glaube mir, wenn sie die Wahl bekommen, die Waage in die eine oder andere Richtung zu neigen, werden sie die Dunkelheit wählen. Es ist der schnellste Weg mit dem schnellsten Nutzen.«

»Und der, bei dem man am meisten zu verlieren hat«, sagte Hades. »Belehre mich nicht über die Natur der Sterblichen, Sisyphos. Ich fälle Urteile über deinesgleichen schon seit tausend Jahren.«

Vor der Tür blieb Hades kurz stehen und blickte hinab auf die zwei Männer, die zu seinen Füßen lagen. Ihm gefiel der Gedanke nicht, sie wieder zum Leben zu erwecken, damit sie weiterhin Gewalt und Tod verbreiten konnten, doch er wusste, dass die Moiren ein Opfer verlangen würden – eine Seele für eine Seele –, und es war wahrscheinlich, dass sie Seelen wählen würden, die gut, rein und unschuldig waren.

Gleichgewicht, dachte Hades, und plötzlich hasste er das Wort.

»Erwacht«, befahl er.

Und noch während die Männer tief Luft holten, verschwand Hades.

KAPITEL ZWEI

Ein Spiel des Schicksals

Hades erschien in seinem Büro im Nevernight, einem seiner populärsten Clubs in New Athens. Es war kurz vor elf Uhr, und um Mitternacht würde er durch die Lounge oben spazieren und Sterbliche erwählen, die sich danach sehnten, um ihre größten Sehnsüchte und Wünsche zu spielen – Gesundheit, Liebe und Reichtümer. Dies waren genau die Dinge, die er gewähren konnte. Nicht eingeschlossen waren Bitten wie Leben zu erschaffen, Leben zurückzuholen oder Schönheit zu verleihen – Wünsche, die er nicht erfüllen würde.

»Du kommst spät.«

Minthes Stimme zerschmetterte seine Gedanken wie ein Peitschenhieb. Er hatte sie in dem Augenblick wahrgenommen, als er den Raum betreten hatte, ganz Feuer und Eis – und er zog es vor, sie zu ignorieren, wenn sie so war.

Er konzentrierte sich darauf, Krawatte und Manschettenknöpfe zu richten, und war im Stillen erleichtert, dass er beschlossen hatte, Schattenmagie zu nutzen, um Sisyphos’ Leibwächter auszuschalten. So musste er sich nun nicht anhören, wie die Nymphe Antworten verlangte. Als seine Erscheinung wiederhergestellt war, wandte er sich zu der Nymphe mit dem feurigen Haar um. Ihre Lippen, eine Schattierung dunkler als ihr Haar, waren zu einem Schmollmund verzogen. Sie mochte es nicht, wenn man sie ignorierte.

»Wie kann ich zu spät sein, Minthe, wenn ich mich an niemandes Zeitplan halte als meinen eigenen?«

Minthe war von Beginn an seine Assistentin gewesen, und sie durchlief Phasen, in denen sie Versuche unternahm, Rechte auf ihn zu erheben – Rechte auf seine Zeit, auf sein Reich und auf seinen Körper. Ihm entging nicht, wie begierig sie auf Kontrolle aus war. Und er erkannte diesen Charakterzug an ihr, weil er ihn ebenfalls besaß.

»Unpünktlichkeit ist nicht attraktiv, Hades, nicht einmal bei einem Gott«, fauchte sie.

Ein Lächeln drohte seine Lippen zu verziehen, aber er blieb gelassen. Seine Belustigung würde sie nur weiter erzürnen.

»Während du getrödelt hast« – Hades machte schmale Augen angesichts ihrer Stichelei –, »musste ich deine Gäste unterhalten.«

Hades runzelte die Stirn, und ein ungutes Gefühl kroch ihm die Kehle hoch. »Wer wartet denn auf mich?«

In Minthes Miene – der Art, wie ihre Augen schmal wurden, der leichten Krümmung ihrer Lippen – lag etwas, das ihm verriet, dass ihm ihre Antwort nicht gefallen würde.

»Lady Aphrodite.«

»Verdammt«, brummte Hades.

Minthe versuchte nicht einmal, ihre Belustigung zu verbergen, als sie nun breiter lächelte.

»Du solltest dich beeilen«, sagte sie. »Als ich darauf bestand, dass sie hier auf dich wartet, sagte sie, dass es unten genügend Unterhaltung für sie gäbe.«

Na toll. Das Einzige was je dabei herauskam, wenn Aphrodite sich amüsierte, war Krieg.

Er seufzte. »Danke, Minthe.«

Offensichtlich erfreut von Hades’ Dankbarkeit, öffnete Minthe die verschränkten Arme und ließ sie sinken.

»Soll ich dir einen Drink bringen, mein Lord?«

»Ja. Genauer gesagt, will ich heute Abend kein leeres Glas haben.«

Hades verschwand und erschien wieder auf der Tanzfläche seines Clubs. Er wandelte unter den Sterblichen, schweigend und ungesehen. Wie üblich war der Club randvoll mit Sterblichen und Humanoiden – Nymphen, Satyrn, Chimären, Zentauren, Oger und Zyklopen. Manche nutzten eine Aura, andere nicht. Manche wollten nur den Reiz erleben, den berüchtigtsten Club in New Athens zu besuchen, während andere sehnsüchtig zur Lounge nach oben schielten, in der Hoffnung, jemand von Hades’ Leuten würde das Passwort des heutigen Abends herausgeben.

Ein Passwort war noch keine Garantie für ein Spiel mit dem Gott der Toten, aber ein weiterer Schritt auf dem Weg dorthin. Sobald Sterbliche durch die Türen der Lounge traten, setzte die Angst ein, und diese Angst vertrieb sie entweder oder ließ sie verzweifeln. Die Verzweifelten waren die, an denen Hades am meisten interessiert war. Sie waren diejenigen, die sich vielleicht ändern konnten, wenn sie die Chance geboten bekamen.

Es war ein heikler Prozess, der viele Spieler involvierte. Hades hatte einen guten Anteil an Wetten schon verloren, und er konnte diese verlorenen Wetten auf seiner Haut spüren, ein nie endendes Jucken und eine Erinnerung an sein Scheitern – aber wenn er ein einziges Leben auf dem Weg zur Zerstörung retten konnte, hatte er das Gefühl, dass es das wert war.

Hades nahm den Duft von Aphrodites Magie wahr – Meersalz und Rosen – und fand sie auf dem Schoß eines Mannes mittleren Alters sitzend. Er hatte dunkles, dünner werdendes Haar, seine Stirn war fettig und sein Gesicht dicklich und ging in einen schweißigen Hals über. Um diesen hatte Aphrodite die Arme geschlungen, und ihre Brüste pressten sich an seinen Oberkörper. Hades registrierte einen Goldring am linken Ringfinger des Mannes. Er musste sich die Seele des Sterblichen gar nicht näher ansehen, um zu wissen, dass der Mann ein betrügerischer Bastard war.

»Wieso gehen wir nicht zu mir, Baby?«, fragte der Mann, während seine Hände Aphrodites Körper erforschten, über ihren Brustkorb und ihre Oberschenkel wanderten. Hades krümmte sich innerlich, als er dabei zusah.

»Oh, ich würde gern noch ein wenig länger bleiben«, antwortete Aphrodite. »Aber wolltest du nicht mit Hades wetten?«

Der Mann drückte sie fester, und seine Finger gruben sich in ihren Po. »Nicht mehr. Du bist alles, was ich brauche.«

»Wirklich?«, fragte Aphrodite atemlos und lehnte sich näher zu ihm, so dass ihre rosigen Lippen nur noch wenige Zentimeter von seinen entfernt waren.

Hades musste zugeben, dass die Göttin der Liebe eine großartige Schauspielerin war. Sie verbarg ihre Abscheu vor dem Mann und lenkte ihn mit ihren Händen ab, die seinen Oberkörper hinauf wanderten. Hades spürte, wie ihre Magie sich erhob, und wusste, dass sie ihn dazu zwang, ihr die Wahrheit zu sagen, als sie ihm ihre nächste Frage stellte.

»Und was hat dir vorher gefehlt?«

Hades kannte die Antwort, denn er konnte es sehen. Die Unsicherheiten des Sterblichen hatten Klauen entwickelt, während er älter wurde, und diese umklammerten seinen Narzissmus, sein Bedürfnis, sich wichtig zu fühlen. Seine Missgunst saß tief in seinem Herzen, als wäre sie sein Kind, und sie hatte sein Blut vergiftet, seine Lügen genährt und seine ständigen Seitensprünge verursacht. Ein wenig Menschlichkeit war ihm noch geblieben in dem Schuldgefühl, das wie ein grinsender Gargoyle auf seinen Schultern saß. Er trank, um den Schmerz zu lindern, aber seine Verträglichkeit für Alkohol war über die letzten Jahre gestiegen, was bedeutete, dass er mehr brauchte, um sich frei davon zu fühlen.

Der Mann hatte eine angeknackste Seele, und Hades hatte das Gefühl, dass Aphrodite sie nun ganz zerschmettern würde.

»Ich bin unsicher. Ich muss wissen, dass andere Frauen mich noch begehren.«

»Und von deiner Ehefrau begehrt zu werden ist nicht genug?« Aphrodites hübsche Lippen verzogen sich zu einem finsteren Ausdruck, und die Augen des Mannes weiteten sich. Es war offensichtlich, dass sein Gehirn im Widerstreit lag mit dem, was aus seinem Mund kam. Hades hatte das bereits gesehen, wenn er selbst diesen Zauber eingesetzt hatte.

»Ich liebe meine Frau«, sagte er. »Ich will nur Sex.«

»Ist das alles?« Sie klimperte mit den Wimpern und sprach dann mit einer Stimme, umhüllt von Dunkelheit und voller Versprechen: »Wenn das so ist: Wenn du heute Abend zu deiner Frau zurückkehrst, wird sie dich nicht länger begehren. Sie wird erschaudern bei deiner Berührung und würgen, wenn deine Lippen ihre küssen. Sie wird dich zurückweisen, sie wird dich verlassen, und du wirst dich nie davon erholen.«

Die Augen des Mannes weiteten sich, und er hielt Aphrodite nicht länger in den Armen, sondern zog die Hände von ihr weg, als würde sie brennen.

Dies war Aphrodite in ihrer wahren Form. Die sterbliche Welt glaubte, sie sei lediglich ein sexuelles Wesen und suche Unterhaltung und Vergnügen bei Göttern und Sterblichen gleichermaßen. Aber die Wahrheit war, dass sie eine rachsüchtige Göttin sein konnte, vor allem denen gegenüber, die die Liebe verrieten.

Wahrscheinlich war es Zeit für Hades, in Erscheinung zu treten.

»Aphrodite«, grüßte er und ließ seine Aura fallen.

Die Göttin drehte sich um, begegnete seinem Blick und lächelte.

»Hades«, schnurrte sie. Es war eine sinnliche Stimme, und obwohl sie den Sterblichen soeben verflucht hatte, nutzte sie ihn weiter als Armlehne, und seine Augen umwölkten sich vor Begehren, als er ihre Stimme hörte.

»Ich denke, dieser Sterbliche hatte genug Aufregung für einen Abend. Warum lässt du ihn nicht gehen?«

Bei der Erwähnung des Sterblichen veränderte sich Aphrodites Miene. Sie drehte sich zu ihm, bedachte ihn mit einem finsteren Blick und glitt von seinem Schoß. »Geh, Schlange.«

Der Sterbliche gehorchte und verschwand benommen in der Menge.

»Was ist?«, fragte sie dann unwirsch und sah Hades an.

Er zog die Augenbrauen hoch, überrascht von ihrem giftigen Tonfall. »Nichts. Obwohl du dem Ego dieses Mannes kaum helfen wirst, wenn du ihm die einzige Liebe nimmst, die er je kennengelernt hat.«

Sie klopfte sich die Hände ab. »Er hat die Liebe verraten, also wird er sie nie wieder erleben.«

»Ich finde deine Strafe nicht unfair«, erklärte Hades. »Aber sie hat das Potenzial, ein Monster zu erschaffen.«

Aphrodite grinste schelmisch. »Dann gehört er ganz dir. Monster sind dein Gebiet, Hades.«

In diesem Augenblick kam Minthe heran und balancierte ein Tablett mit Drinks. So verbrachte die Nymphe die meisten ihrer Abende im Nevernight – sie nahm Bestellungen auf, servierte, flirtete mit Sterblichen und Unsterblichen gleichermaßen und sammelte Informationen von Hades’ eher elitären Klienten.

»Lady Aphrodite«, grüßte sie und reichte der Göttin ein Glas Rosé. »Lord Hades.«

Sie gab ihm ein Glas Whiskey, und als sie wieder ging, wandte er sich zu Aphrodite, die eine helle Augenbraue hochzog.

»Ja?«, fragte er auf ihren fragenden Blick hin.

»Diese Nymphe will Sex mit dir«, sagte sie.

Ein Fehler, den ich nie wieder machen werde, dachte er.

Hades ging nicht auf ihre Bemerkung ein, sondern sagte stattdessen: »Du beehrst meine Hallen nicht oft mit deiner Anwesenheit, Aphrodite. Was kann ich für dich tun?«

Sie nippte an ihrem Wein, und ihre Meerschaum-Augen fixierten seine. »Ich hatte gehofft, du wärst an einer kleinen Wette interessiert.«

»Ich spiele nicht mit Göttern.«

»Nur ein Spiel, Hades«, bat sie unschuldig und reizte ihn dann: »Oder hast du Angst?«

»Ein Spiel, das unter diesem Dach gespielt wird, ist nie nur ein Spiel.« Nicht einmal für mich, dachte er. Es bestand immer die Möglichkeit, zu verlieren, und er neigte dazu, ebenso viel zu verlieren wie die Sterblichen, die mit ihm feilschten. Doch ihre Bitten konnte er gewähren. Er vertraute hingegen nicht darauf, was Aphrodite erbitten würde. »Warum willst du ein Spiel? Was willst du von mir, Göttin?«

»Wieso muss ich etwas wollen?«, fragte sie. »Vielleicht bin ich nur gelangweilt und brauche etwas Unterhaltung.«

»Es gibt nichts Gefährlicheres als eine gelangweilte Aphrodite«, meinte Hades nachdenklich.

Sie zog einen Schmollmund. »Bitte, Hades?«

Er erwiderte ihren Blick und nippte an seinem Glas, bevor er antwortete. »Nein, Aphrodite.«

Sie hatte mehr als nur Unterhaltung im Sinn. Das verriet ihm ihre Haltung, steif und angespannt. Etwas Bestimmtes hatte sie hierher geführt. Wenn er raten müsste, würde er sagen, dass es mit ihrem Ehemann zu tun hatte.

»Nun gut.« Sie hob trotzig das Kinn. »Du lässt mir keine andere Wahl.«

Er blickte sie finster an und wusste, was sie als Nächstes sagen würde.

»Ich kann noch einen Gefallen bei dir einfordern, Hades. Das tue ich hiermit.«

Ein geschuldeter Gefallen unter Göttern war wie ein Blutpakt. Einmal in Anspruch genommen, konnte er nicht zurückgenommen werden.

»Du willst einen Gefallen für ein Kartenspiel verschwenden?«, fragte er. Doch er kannte die Antwort schon – was immer Aphrodite hierher geführt hatte, war es wert, ihn einzusetzen.

Ihre Augen blitzten. »Es ist keine Verschwendung.«

Hades trank von seinem Whiskey, denn das hielt ihn davon ab, etwas zu sagen, das er vielleicht bereuen würde. »Ein Spiel, Aphrodite«, stieß er hervor. »Nicht mehr.«

Ihre Miene hellte sich auf, als habe er ihr die Sterne am Himmel geschenkt. »Danke, Hades.«

Hades schnippte mit den Fingern, und sie teleportierten nach oben in die Rubinsuite; eine von mehreren Räumlichkeiten, die Hades nutzte, wenn er mit Sterblichen feilschte. Alle waren nach Edelsteinen benannt, doch er hatte diesen Raum absichtlich gewählt, als eine kleine Stichelei gegen Aphrodite. Denn der Rubin stand für Leidenschaft – etwas, das ihr dieser Tage fehlte. Die Wände waren rot und vom Boden bis zur Decke mit schwarzem Stoff dekoriert, der sinnliche einfarbige Fotos einrahmte. Mitten auf dem Tisch unter gedämpftem Licht lag ein ungeöffneter Satz Karten.

Hades nahm Platz und bot Aphrodite an: »Möchtest du geben?«

»Nein.« Ein Lächeln spielte um ihre Lippen. »Etwas Macht überlasse ich dir, Aidoneus.«

Er warf ihr einen finsteren Blick zu. Er mochte diesen Namen nicht. Sterbliche nutzten ihn aus Furcht. Sie nutzte ihn, um ihn zu reizen.

»Also Blackjack.«

»Fünf Runden«, bestimmte Aphrodite. »Wer mehr gewinnt, legt den Einsatz fest.«

Hades stimmte zu, gab das erste Blatt – und verlor. Er ballte die Hand auf seinem Bein zur Faust.

»Was siehst du, wenn du meine Seele betrachtest, Hades?«, fragte Aphrodite unvermittelt und spitzte die Lippen, während sie erneut die Karten austeilte.

Die Frage kam nicht allzu überraschend. Sie wurde ihm oft gestellt, nur nie von Aphrodite.

»Warum fragst du?«

Als sie seinem Blick begegnete, sah er, dass sie es ernst meinte und zugleich die Wahrheit fürchtete. Es stand in ihren Augen, ein Schatten, der über ihre Miene huschte. Sie sah ihn nur kurz an, bevor sie sich auf ihre Karten konzentrierte.

»Noch eine Karte«, bat sie, und Hades gab ihr eine, bevor sie beide ihre Karten auf den Tisch legten. Hades hatte zwei Asse und eine Karo-Zwölf, Aphrodite gar nichts. Sie runzelte die Stirn angesichts ihrer Niederlage, sprach aber weiter, als Hades die dritte Runde ausgab.

»Ich frage mich nur, ob ich wirklich so schrecklich bin, wie Hephaistos zu denken scheint.«

Aphrodite war nicht schrecklich, aber ihre Verbindung mit Hephaistos hatte ihr Herz verhärtet und ihren Geist gebrochen. Was übrig blieb, war eine boshafte und zynische Hülle.

Auch Hades war einst verbittert gewesen, doch anders als Aphrodite, die ihre Wut und Einsamkeit verarbeitete, indem sie sich mit Sterblichen und Göttern amüsierte, hatte er sich immer weiter isoliert, bis die Menschen nichts anderes tun konnten, als Geschichten und Fabeln über den schwer fassbaren Gott der Unterwelt zu erfinden.

»Hephaistos hält dich nicht für schrecklich, Aphrodite. Er hat nur Angst, dich zu lieben.« Sie gab ein spöttisches Lachen von sich, also fragte Hades herausfordernd: »Hast du ihm je gesagt, dass du ihn liebst?«

»Was hat das mit meiner Frage zu tun?«

Alles, wollte Hades sagen.

»Du warst ein Geschenk an Hephaistos, zu einer Zeit, als du deine Liebhaber offen zur Schau stelltest. Aus seiner Sicht warst du eine Braut wider Willen.«

Es spielte keine Rolle, dass Hades die Wahrheit kannte. Aphrodite war immer bezaubert gewesen vom Gott des Feuers. Zur Zeit der Antike, bei den seltenen Gelegenheiten, wenn Hades den Olymp besucht hatte, hatte er gesehen, wie sie Hephaistos beobachtete, meist stirnrunzelnd, weil dieser sie links liegen ließ.

Aber Hades kannte auch Hephaistos gut. Der Gott war anders. Er war nicht begierig darauf, im Rampenlicht zu stehen, und noch weniger darauf, zu reden. Er hatte Freude an Einsamkeit und daran, Dinge zu erschaffen, und tief in seinem Herzen fühlte er sich … unwürdig, hauptsächlich aufgrund seiner Behandlung in der Antike. Als ein Gott mit nur einem Bein wurde er häufig – und zu Unrecht – verspottet. Mit der Zeit passte Hephaistos sich an, fertigte Prothesen und trug inzwischen stolz eine aus Gold.

»Es überrascht mich nicht, dass Hephaistos nicht daran interessiert ist, dich zur Monogamie zu zwingen.«

Aphrodite schwieg einen Moment und konzentrierte sich auf das Spiel, und als sie ihre Karten offenlegten, biss Hades sich auf die Zunge – eine Pleite. Er hatte sich selbst eine Karte zu viel gegeben.

Aphrodite lag in Führung.

Schließlich gestand sie: »Ich habe Zeus um die Scheidung gebeten. Aber er will sie mir nicht gewähren.«

Hades runzelte die Stirn. »Weiß Hephaistos davon?«

»Ich nehme an, inzwischen schon.«

»Du willst Hephaistos’ Liebe, also warum bittest du um die Scheidung?«

»Ich werde ihm nicht hinterherschmachten.«

»Du sendest widersprüchliche Signale aus, Aphrodite. Du willst Hephaistos’ Liebe, aber du bittest um die Scheidung. Hast du überhaupt versucht, mit ihm zu reden?«

»Hast du es schon mal versucht?«, entgegnete sie barsch und bedachte Hades mit einem finsteren Blick. »Er könnte ebenso gut auch stumm sein!«

Hades verzog das Gesicht. Er hatte so das Gefühl, dass Hephaistos so schweigsam war, weil Aphrodite so schnell überkochte.

»Du hast meine Frage nicht beantwortet, Hades.«

Der Gott betrachtete sie einen Moment lang. Fragen über die Seele beantwortete er nicht besonders gern. In den meisten Fällen waren weder Götter noch Sterbliche bereit, zu hören, was er zu sagen hatte. Aphrodite war da nicht anders. Zum Teil war ihre Seele ein Garten, voll mit Rosen, Lilien und Sonnenschein, verträumt und still. Doch in anderen Teilen war sie ein Sturm, der über tosende See tobte – wütend und verheerend. Sie war zerbrochen, gespalten wie ein gesprungener Spiegel, und stand mit einem Bein auf jeder Seite. Eines Tages würde sie eine Seite wählen.

»Du hast eine schöne Seele, Aphrodite. Leidenschaftlich. Entschlossen. Romantisch. Aber du sehnst dich verzweifelt danach, geliebt zu werden, und glaubst dabei, du seist nicht liebenswert.«

Er sprach, während sie ihre letzte Runde spielten, und als Aphrodite ihre Karten aufdeckte, trat ein breites Lächeln in ihr Gesicht. Was immer sie bei Hades’ Bemerkung empfand, verlor sich in ihrer Begeisterung.

»Es ist Zeit, unsere Bedingungen zu stellen, Hades.«

Er lehnte sich mit finsterem Blick zurück, und die Göttin warf lachend den Kopf in den Nacken.

»Da gefällt es jemandem aber nicht, zu verlieren.«

Ihre Worte waren wie ein Dorn in seiner Haut. Hades machte es eigentlich nichts aus, zu verlieren. Er verlor ständig, wenn er mit Sterblichen wettete, aber er hatte nicht gegen Aphrodite verlieren wollen.

Die Göttin legte einen Finger an ihr Kinn und summte leise, als wüsste sie nicht, was sie von ihm verlangen sollte. Sie verschwendete absichtlich seine Zeit, denn sie wusste bereits, was sie wollte, doch als er sie gerade anfahren wollte, sprach sie.

»Verliebe dich, Hades. Noch besser – finde ein Mädchen, das sich in dich verliebt.« Dann klatschte sie begeistert in die Hände und rief aus: »Das ist es! Bring jemanden dazu, sich in dich zu verlieben!«

Hades biss die Zähne zusammen, und Aphrodite erwiderte seinen Blick, als wünsche sie ihrerseits in seine Seele zu blicken. Ihre Bedingungen waren beleidigend. Wäre es so einfach, sich zu verlieben, wäre er jetzt nicht allein.

»Ist das deine Vorstellung von einem Scherz?«, fragte er. Seine Stimme war leise und ruhig trotz des Zorns in seinen Eingeweiden. Er würde jemanden foltern müssen, nur um die Anspannung in seinem Körper loszuwerden.

»Kein Scherz«, sagte sie und zog eine schmale blonde Augenbraue hoch. »Du hast mir Liebesratschläge gegeben. Befolge sie.«

Also kein Scherz, sondern Vergeltung. Sie war frustriert über ihn, weil er ihr seine Ansicht über ihre Ehe mitgeteilt hatte.

»Und wenn ich diese Bedingung nicht erfüllen kann?«

Ihr Lächeln wurde böse. »Dann entlässt du Basil aus der Unterwelt.«

»Deinen Geliebten?« Hades konnte die Abscheu in seinem Tonfall nicht unterdrücken. Gerade erst hatten sie über ihre Liebe zu Hephaistos gesprochen, und nun fragte sie nach einem anderen Mann – ihrem Helden, um genau zu sein. Basil hatte im Großen Krieg für Aphrodite gekämpft und war für sie gestorben. »Warum? Willst du nicht, dass Hephaistos dir seine Liebe gesteht?«

Sie sah ihn finster an. »Hephaistos ist vergebliche Liebesmüh.«

»Du hast es nicht einmal versucht!«

»Basil, Hades. Er ist es, was ich will.«

»Weil du dir einbildest, ihn zu lieben?«

»Was weißt du schon von Liebe? Du hast in deinem Leben noch nie geliebt.«

Diese Worte schmerzten ihn nicht, sondern machten ihn eher verlegen. Er lehnte sich zu der Göttin hin.

»Basil liebt dich, das stimmt, aber wenn du seine Liebe nicht erwiderst, ist das bedeutungslos.«

»Besser geliebt zu werden als gar nichts«, konterte sie.

Du bist eine Närrin, wollte Hades erwidern, doch stattdessen fragte er: »Bist du sicher, dass es das ist, was du willst? Du hast Zeus bereits um die Scheidung gebeten, und nun hast du mich gebeten, deinen Geliebten wieder auferstehen zu lassen, falls ich die Bedingungen deiner Wette nicht erfüllen kann. Hephaistos wird davon erfahren.«

Aphrodite schwieg einen Moment lang, und er erkannte ihre Unsicherheit daran, wie sie die Lippen schürzte.

Schließlich antwortete sie. »Ja. Das ist es, was ich will.« Dann holte sie tief Luft und brachte ein Lächeln zustande. »Sechs Monate, Hades. Das sollte genug Zeit sein. Danke für die Unterhaltung. Es war … erfrischend.«

Damit verschwand die Göttin der Liebe.

KAPITEL DREI

Ein Spiel der Zurückhaltung

Bringe jemanden dazu, sich in dich zu verlieben.

Die Worte waren grausamer Spott, der in Hades’ Gedanken widerhallte, während er durch die Dunkelheit seines Clubs streifte, um den Kopf freizubekommen.

Vielleicht war er zu weit gegangen, als er Aphrodites Entscheidung, Zeus um die Scheidung zu bitten, kritisierte, aber Hades wusste, dass die Göttin Hephaistos liebte. Aber statt es einzugestehen, wollte sie den Gott des Feuers dazu zwingen, seine Gefühle zu gestehen, indem sie ihn reizte. Doch was Aphrodite nicht verstand, war, dass nicht alle so tickten wie sie, am wenigsten Hephaistos. Wenn sie seine Liebe gewinnen wollte, dann konnte sie das nur mit Geduld, Freundlichkeit und Aufmerksamkeit.

Es würde bedeuten, dass sie verletzlich sein musste – etwas, das Aphrodite, Göttin und Kriegerin, verabscheute.

Und wenn er irgendetwas verstand, dann das. Aphrodites Herausforderung zwang ihn, nun seine eigene Verletzbarkeit, seine Schwächen, zur Kenntnis zu nehmen. Er runzelte die Stirn bei dem Gedanken, jemanden zu suchen, der seine Schande, seine Sünden und seine Böswilligkeit mittragen wollte. Doch wenn er scheiterte, würden die Moiren involviert, und er wusste, was sie fordern würden, wenn er Basil ins Land der Lebenden zurückholte.

Eine Seele für eine Seele.

Jemand anderes würde sterben müssen, und er hätte kein Mitspracherecht, wen die Moiren als Opfer erwählten.

Sein Körper versteifte sich bei dem Gedanken an einen weiteren Striemen, der zu denen hinzukommen würde, die seinen Körper bereits verunstalteten. Er hasste es, aber dies war der Preis, um das Gleichgewicht in der Welt zu wahren.

Da riss ihn ein Duft aus seinen Gedanken und ließ ihn stutzen. Er war vertraut – Wildblumen, bitter und süß zugleich.

Demeter, dachte er.

Der Name der Göttin der Ernte lag sauer auf seiner Zunge. Demeter hatte nur wenige Leidenschaften im Leben, und eine davon war ihr Hass auf den Gott der Toten.

Er holte erneut Luft und nahm den Duft tiefer in sich auf. Etwas daran war anders. In den vertrauten Duft mischten sich süße Vanille und die milde Kräuternote von Lavendel. Eine Sterbliche vielleicht? Jemand in der Gunst der Göttin?

Der Duft lockte ihn aus der Dunkelheit, in der er verweilt hatte, an den Rand des Balkons, wo er prüfend die Menge überblickte – und sie sofort fand.

Die Frau, die nach Vanille, Lavendel und seiner Feindin duftete, saß auf dem Rand eines Sofas, in einem pinken Kleid, das nur wenig der Fantasie überließ. Ihm gefiel, wie ihr Haar sich lockte und in leuchtenden Wellen über ihren Rücken fiel. Es juckte ihn in den Fingern, es zu berühren, daran zu ziehen, bis ihr Kopf sich nach hinten bog und sie ihm in die Augen blickte.

Sieh mich an, befahl er wortlos, in dem verzweifelten Verlangen, ihr Gesicht zu sehen.

Sie schien sonst überall hin zu sehen, bis ihr Blick auf ihn fiel. Seine Hand um sein Glas spannte sich an, und die andere packte das Geländer des Balkons.

Sie war schön – volle Lippen, hohe Wangenknochen und Augen, so grün wie der junge Frühling. Ihre Miene war erst verblüfft, und ihre Augen weiteten sich etwas und wurden zu etwas Wildem und Leidenschaftlichem, als ihr Blick über sein Gesicht und seine Gestalt glitt.

Sie gehört dir, hallte eine Stimme in seinem Kopf, und etwas in ihm fauchte. Hol sie dir.

Ein wilder Befehl in seinem Kopf. Er musste die Zähne zusammenbeißen, um nicht zu gehorchen, und fast glaubte er, das Glas in seiner Hand zu zerbrechen, weil er es zu fest umklammerte. Der Impuls, sie auf der Stelle in die Unterwelt zu entführen, war stark, als wäre es ein Zauber. Er hatte sich nie für so schwach gehalten, doch seine Beherrschung war nur noch ein dünner, zerfranster Faden.

Wie konnte er diese Frau so sehr begehren? Was war das für eine unnatürliche Anziehung? Er musterte sie eindringlicher, suchte nach einem Grund, und ihm wurde bewusst, dass er nicht der Einzige war, der die Wirkung ihrer Verbindung wahrnahm. Sie wurde unruhig unter seinem Blick, ihr stockte der Atem, und ihr Brustkorb hob und senkte sich schwer. Ihre Haut färbte sich zu einem hübschen Rosa, und ihm kam der Gedanke, dass er diesem Erröten gern mit den Lippen folgen würde.

Er würde alles geben, um zu erfahren, was sie gerade dachte.

Er war so in seinen lüsternen Gedanken versunken gewesen, dass er nicht bemerkt hatte, wie jemand sich ihm näherte, bis sich Arme um seine Taille legten. Er reagierte schnell, ergriff die Hände, die ihn festhielten und drehte sich zu Minthe um.

»Abgelenkt, mein Lord?«, schnurrte sie amüsiert.

»Minthe«, sagte er unwirsch und ließ ihre Arme los. »Kann ich dir helfen?«

Er war frustriert von der Unterbrechung, doch zugleich dankbar dafür. Hätte er die Frau noch länger angestarrt, hätte er vielleicht seinen Platz am Balkon verlassen und wäre zu ihr gegangen.

»Schon dabei, deine Beute einzukreisen?«, fragte sie.

Einen Moment lang verstand Hades nicht, was sie meinte, doch dann stellte er die Verbindung her. Minthe glaubte, er halte bereits nach einer potentiellen Geliebten Ausschau, die ihm helfen könnte, Aphrodites Wette zu erfüllen.

»Schon wieder im Schatten gelauscht, Minthe?«

Die Nymphe zuckte mit einer Schulter. »Das ist meine Aufgabe.«

»Du sammelst Informationen für mich«, korrigierte er. »Nicht über mich.«

»Wie soll ich dich sonst vor Schwierigkeiten bewahren?«

Hades schnaubte. »Ich bin Millionen Jahre alt. Ich kann auf mich selbst aufpassen.«

»Bist du deshalb in diese Wette mit Aphrodite hineingestolpert?«

Hades machte schmale Augen und hob dann sein Glas. »Habe ich dir nicht gesagt, dass ich heute Abend kein leeres Glas haben will?«

Sie bedachte ihn mit ihrem besten Leck-mich-Lächeln und verneigte sich. »Kommt sofort, mein Lord.«

Er achtete darauf, dass Minthe nicht mehr in Sichtweite war, als er den Blick wieder auf die Tanzfläche richtete. Die Frau hatte sich wieder ihren Freunden zugewandt.

Hades musterte diese in dem Versuch, zu erkennen, in welcher Art Gesellschaft sie sich befand, als ihm jemand auffiel, den er nicht gerade mochte – ein Mann namens Adonis. Er war einer von Aphrodites favorisierten Sterblichen. Hades hatte keine Ahnung, warum. Der Sterbliche war ein Lügner und hatte ein Herz so finster wie der Styx. Doch Hades nahm an, dass es der Göttin der Liebe schwerfiel, hinter sein hübsches Gesicht zu blicken.

Hades hoffte, dass die Frau diese Eigenschaft nicht teilte. Stirnrunzelnd fragte er sich, ob sie heute Abend den Club mit ihm verlassen würde, und tadelte sich dann für den Gedanken. Seine Besorgnis sollte so weit gehen, dass er um ihr Wohlergehen fürchtete, aufgrund der reinen Tatsache, dass Aphrodite gern alle bestrafte, die ihren Geliebten zu viel Aufmerksamkeit schenkten.

»Euer Drink, mein Lord«, sagte Ilias.

Hades warf einen Blick auf den Satyr, erleichtert, dass er dessen Näherkommen wahrgenommen hatte.

Ilias ließ sich am besten als ein weiterer Assistent beschreiben. Er arbeitete schon fast so lange für Hades wie Minthe und erfüllte Aufgaben, wo immer Hades ihn brauchte: ob als Barkeeper im Nevernight oder Manager seiner Restaurants, und er setzte Hades’ Regeln in der Oberwelt durch. In Letzterem war er am besten. Durch seine unaufdringliche und angenehme Erscheinung waren Hades’ Feinde oft von Ilias’ Unbarmherzigkeit überrascht.

Hades beschäftigte nicht oft Satyrn. Sie waren wild und neigten zu Trunkenheit und Verführung, aber Ilias war anders – und das nicht aus freien Stücken. Er hatte die Bande zu seinem Stamm durchtrennt, nachdem dieser ihn verraten hatte, indem sie eine Frau, die er geliebt hatte, vergewaltigten. Die Frau hatte sich daraufhin getötet – und Ilias hatte die Täter getötet.

Hades nahm das Glas, und bevor er zu lange darüber nachdachte, sagte er: »Ich habe eine Aufgabe für dich.«

»Ja, mein Lord?«

Hades wies mit einem Nicken zu der Frau, die ihn mit ihrem goldblonden Haar und ihren grünen Augen so fasziniert hatte.

»Diese Frau. Ich will wissen, ob sie den Club in Begleitung verlässt.«

Schweigen folgte auf Hades’ Anweisung, und als der Gott Ilias ansah, erwiderte dieser den Blick und zog fragend eine Augenbraue hoch. »Ist sie in Gefahr, mein Lord?«

Ja, dachte Hades, sie war in Gefahr, diesen Ort nie mehr zu verlassen. Etwas in ihm wollte jeden Anstand ignorieren und sie besitzen. Etwas an ihr rief nach ihm – wie ein Strang, der an seinem Herzen zerrte.

Als diese Worte in seinem Kopf auftauchten, erstarrte er, seine Augen wurden schmal, und er dachte, das kann nicht sein.

Hades zog Schicht für Schicht die Aura ab, die seine Sicht von den himmlischen Fäden des Schicksals abschirmte. Sie waren wie schimmernde Spinnweben, die Menschen und Dinge verbanden – manche waren hauchdünn, andere stabil. Ihre Stärke wuchs und schwand im Laufe des Lebens. Die ganze Tanzfläche war wie ein Netz, aber Hades konzentrierte sich auf einen einzigen fragilen Faden, der von seiner Brust bis zu der Frau in schimmerndem Pink verlief.

Verdammte Moiren.

»Mein Lord?«, fragte Ilias, der die plötzliche Veränderung in Hades wahrnahm.

Das kann nicht sein, dachte er. Der Faden und seine Platzierung an seinem Herzen hatte eine Bedeutung, die er nicht recht begreifen konnte – die Moiren hatten diese Frau in sein Leben gewoben.

Sie war ihm als seine Geliebte bestimmt.

»Lord Hades?«

»Ja«, antwortete der Gott endlich, wandte sich von der Tanzfläche ab und sah Ilias an. »Ja, sie ist in Gefahr.«

Wie benommen ging er und blieb kurz im Schatten stehen, um seine Gedanken zu sammeln. Seine Brust fühlte sich eng an, der Faden war straff gespannt, und ihm kam der Gedanke, wenn er sich weiter zurückzog, könnte er reißen.

Dies ist eine Art Spiel.

Es wäre nicht das erste Mal, dass die Moiren ihm einen Wunsch vor die Nase hielten und ihn dann fortnahmen. Das war wahrscheinlich ihre größte Fähigkeit – seine tiefsten Sehnsüchte zu entblößen, sie dann in sein Leben zu weben, nur um sie wieder zunichtezumachen, wenn sie es wünschten.

Es war Folter.

Als er jünger gewesen war, hatten sie dabei noch mehr Spaß gehabt, denn seine Reaktionen waren bösartig und seine Vergeltung gewalttätig. Doch je wütender er wurde, umso mehr nahmen die Moiren. Es war, als wollten die Schwestern sehen, wie er die Welt in Stücke riss.

Eine Weile war er besessen davon gewesen und hatte versucht, um Liebe zu feilschen. Als das nicht funktionierte, beschloss er, den Moiren zu trotzen. Er wollte unbedingt Liebe finden. Er wollte sie erzwingen. Das Ergebnis waren ein One-Night-Stand mit Minthe und eine turbulente Beziehung mit einer anderen Nymphe namens Leuke gewesen, die ihn betrogen hatte.

Sein Zorn hatte schnell reagiert, und sein Wunsch, in dieser Sache gegen die Moiren zu kämpfen, war zunichtegemacht. Er fand sich mit einer einsamen Existenz ab und errichtete eine Mauer um sein Herz und seine Seele. Er existierte seitdem, ohne Glück oder Liebe zu erwarten, und konzentrierte sich stattdessen auf Wetten und das Gleichgewicht.

Bis jetzt.

Er würde nie die heftige Reaktion seines Körpers vergessen können, als sein Blick auf die Frau in Pink gefallen war. Er zitterte noch immer innerlich. Wie konnten die Moiren ihm so leicht eine Kostprobe davon bieten, wie es sich anfühlen mochte, eine Seelengefährtin zu haben, nur um sie ihm dann wieder zu nehmen?

So leicht, wie ich eine Seele in den Tartaros verdammen kann, antwortete er sich zähneknirschend.

Noch immer frustriert ging er zur Lounge. Als er sich näherte, nickte ihm Euryale zu, die Gorgone, die am Eingang Wache stand – trotz seiner Unsichtbarkeit.

»Mein Lord«, grüßte sie.

Der Gott grinste und ließ seine Aura fallen.

Die Gorgone war blind. Vor Jahrhunderten waren ihr die Augen herausgerissen worden, und die giftigen Schlangen, die einst ihren Kopf geziert hatten, waren in Stücke gehackt worden – eine Strafe für ihre Schönheit. Hades hatte sie im Wald gefunden, wo man sie attackiert hatte, eingerollt in Embryohaltung, schluchzend und zitternd. Er hatte sie aufgehoben und in die Unterwelt gebracht, wo sie heilen konnte. Dann hatte er sie eingestellt.

Trotz des Schreckens, den sie durchlebt hatte, waren die Versuche ihrer Angreifer, ihr ihre Macht zu nehmen, gescheitert. Denn Euryales Blick unter dieser Augenbinde war noch immer mächtig. Nach ihrer Genesung hatte Hades sie auf ihre Angreifer losgelassen, und die Gorgone hatte sie alle in Stein verwandelt.

»Dein Geruchssinn erstaunt mich, Euryale.«

»Ihr macht es mir zu leicht«, antwortete die Gorgone. »Lasst das Parfum weg.«

Hades lachte leise, legte der Gorgone die Hand auf die Schulter und betrat die Lounge.

Hier war die Umgebung weit dezenter. Sterbliche und Geschöpfe der Antike plauderten, tranken und spielten. Manche waren entspannt, andere nervös und zappelig, während sie darauf warteten, in eine der Suiten im Schatten gerufen zu werden, bereit, um ihre tiefsten Sehnsüchte zu wetten, ungeachtet aller Konsequenzen. Hades wandelte unter ihnen, abschätzend, suchend. Er stand im Begriff, seine erste Wette des Abends zu erwählen, als er einen der Spieltische erreichte und abrupt stehenblieb – dort erblickte er ein vertrautes pinkes Kleid und seidiges Haar.

Sie war eine Sirene, die ihn lockte, mit ihrem Duft, ihrer Schönheit, ihrer reinen Präsenz.

Er sollte sich umdrehen, mit der Dunkelheit verschmelzen und so tun, als habe er sie nie gesehen. Doch als er ihr Profil betrachtete, schmerzte sein Herz, und ein Teil von ihm hasste das Gefühl. Er hatte nie gewollt, dass die Moiren solche Kontrolle über sein Liebesleben ausüben konnten, und doch war es unausweichlich.

Ich könnte die Kontrolle wieder erlangen, sagte er sich. Dies zu meinem Vorteil nutzen, um meine Wette mit Aphrodite zu erfüllen.

Hades hatte nicht oft Schuldgefühle, doch dieser Gedanke bereitete ihm Übelkeit und Schwere im Herzen.

Bringe jemanden dazu, sich in dich zu verlieben …

Die Wette war gefühllos und unfair, aber Hades wollte gewinnen.

Verdammte Moiren.

Er schob die stürmischen Gedanken weg und ging zu ihr.

»Spielen Sie?«, fragte er.

Sie drehte sich zu ihm um, und ihm blieb die Luft weg, als ihre Schönheit ihn erneut fixierte. Ihre Augen waren groß und von dunklen Wimpern umrahmt, und sie hatte Sommersprossen auf der Nasenspitze und den apfelförmigen Wangen, die unter der Röte verblassten, die nun ihre helle Haut überzog.

Hades trank einen Schluck aus seinem Glas, um seine Kehle zu befeuchten, doch die Geste richtete ihre Aufmerksamkeit auf seinen Mund, und er unterdrückte ein Stöhnen, während er sich fragte, ob sie so schmeckte wie sie duftete – süß, nach Honig. Verboten.

Einen Moment später lächelte sie, und in ihrem Blick lag ein spielerisches Funkeln. »Ich bin bereit zu spielen, wenn Sie bereit sind, es mir beizubringen.«

Das würdest du nicht sagen, wenn du wüsstest, wer ich bin, dachte er und trank noch einen Schluck,

Alle, die ein Spiel mit ihm begannen, waren an die Regeln des Nevernight gebunden – Verlieren bedeutete eine Wette.

Du bist ein Bastard, schimpfte er sich selbst, als er an den Tisch ging und neben ihr Platz nahm. Die Bewegung störte die Luft auf, und ihr Duft drang bis in seinen Verstand. Doch da lag noch etwas anderes in der Atmosphäre – eine elektrische Spannung, die sein Herz rasen ließ und ihm die Härchen an Armen und Nacken aufstellte.

»Es ist mutig, sich an einen Tisch zu setzen, ohne das Spiel zu kennen«, meinte er.

Sie schien die Warnung in seinem Tonfall wahrzunehmen, denn sie zog eine Augenbraue hoch, als sie seinem Blick begegnete und fragte: »Wie würde ich es sonst lernen?«

»Hmm.«

Da hatte sie recht, obwohl Hades ihr nicht raten würde, den zweiten Schritt vor dem ersten zu tun, vor allem nicht, wenn es um Wetten mit ihm ging. Doch die Antwort zeigte, dass sie klug war und bereit, Neues auszuprobieren, und das fand er irrsinnig anziehend.

»Schlau.«

Nun da er ihr nahe war, konnte er nicht aufhören, sie anzustarren. Er wollte wissen, warum sie nach Wildblumen duftete. Was war ihre Verbindung zu Demeter? Es fühlte sich aufdringlich und falsch an, die Hindernisse zu beseitigen, die ihre Seele vor seinen Augen verbarg, aber er würde lügen, wenn er behauptete, dass er nicht wissen wollte, wer sie unter diesem perfekten Äußeren war.

Sie schauderte, und ihre schmalen Schultern bebten. War ihr kalt, oder fühlte sie sich nur unbehaglich?

»Ich habe Sie noch nie gesehen«, sagte er schließlich und hoffte, dass dies sein Starren erklärte.

»Nun, ich war noch nie hier«, antwortete sie und machte dann schmale Augen. »Sie sind sicher oft hier.«

Er lächelte über ihren Tonfall mit einem Hauch von Argwohn.

»Stimmt.«

»Warum?« Sie klang eher neugierig als angewidert, doch dann wurde sie rot und versuchte zurückzurudern, indem sie fortfuhr: »Ich meine – Sie müssen darauf nicht antworten.«

»Ich werde darauf antworten.« Er begegnete ihrem Blick herausfordernd. »Wenn Sie mir eine Frage beantworten.«

Sag ja, bat er wortlos, auch wenn er sie nie zwingen würde. Sag ja, damit ich alles über dich erfahren kann.

Eine kleine Falte erschien zwischen ihren Augenbrauen, als sie über seinen Vorschlag nachdachte. Eine Antwort auf eine Frage ist ein kleiner Preis, wenn du verlierst, wollte Hades sagen. Andere setzen ihre Seele. Aber er schwieg.

»Gut«, räumte sie ein.

Darauf nicht zu lächeln war eine Herausforderung.

Er antwortete auf ihre vorherige Frage. »Ich komme hierher, weil es … Spaß macht.«

Das war keine reine Lüge, und es klang wie etwas, das ein Sterblicher sagen würde. Und in diesem Augenblick wollte er genau das sein – zerbrechlich und sterblich.

»Und jetzt Sie – warum sind Sie heute Abend hier?«

»Meine Freundin Lexa stand auf der Liste«, erklärte sie und blickte auf ihre Hände, während sie die Finger im Schoß verschränkte.

»Nein«, widersprach er. »Das ist die Antwort auf eine andere Frage. Warum sind Sie heute Abend hier?«

Sie begegnete seinem Blick, ein schelmisches Glitzern in den Augen, und er stellte fest, dass er es verfolgen wollte – dieses Aufflackern von Trotz, diesen Anflug von Leidenschaft.

»Es kam mir zu dem Zeitpunkt rebellisch vor«, antwortete sie endlich.

»Und jetzt sind Sie da nicht mehr so sicher?«

»Oh, ich bin mir sicher, dass es rebellisch ist«, meinte sie und strich mit den Fingerspitzen über die Tischfläche. Hades’ Blick folgte der Bewegung, und er dachte sich, dass es ihm gefallen würde, wenn diese Finger seine Haut erforschten. Nach einem Moment hob er den Blick und sah sie an.

»Ich bin nur nicht sicher, wie ich morgen darüber denke.«

Jetzt war er neugierig. »Gegen wen rebellieren Sie?«

Ihr Lächeln traf ihn wie ein Pfeil ins Herz – vernichtend, geheimnisvoll, verlockend. »Sie sagten, eine Frage.«

»Das ist wahr.«

Gut gespielt, Liebes, dachte er und lächelte.

Sie schauderte wieder.

»Ist Ihnen kalt?«

»Was?« Die Frage schien sie zu überraschen.

»Sie zittern, seit ich hier sitze.«

Sie wurde rot und unruhig unter seinem Blick, und dann platzte sie heraus: »Wer war die Frau vorhin bei Ihnen?«

Er runzelte die Stirn, doch dann erinnerte er sich. »Oh, Minthe. Ihre Hände sind oft da, wo sie nicht hingehören.«

Sie wurde blass, und ihm wurde klar, dass er etwas Falsches gesagt hatte.

»Ich … denke, ich sollte gehen.«

Nein.

Sie hatten nicht lange genug miteinander gesprochen. Er wusste ihren Namen nicht, und er wollte sie lehren – er wollte sie so viele Dinge lehren. Bevor er wusste, was er da tat, lag seine Hand auf ihrer, und zwischen ihnen knisterte etwas Explosives, das ihren perfekten Lippen ein Keuchen entlockte. Sie zog hastig die Hand weg.

»Nein«, bat er, doch es klang wie ein Befehl, und sie sah ihn finster an.

»Wie bitte?«

»Was ich damit sagen wollte, ist, dass ich Ihnen noch nicht gezeigt habe, wie das Spiel geht.« Er senkte die Stimme und zwang sich, die Hysterie daraus zu verbannen, die ihn dazu veranlasst hatte, nach ihr zu greifen. »Erlauben Sie es mir.«

Bitte.

Sie wandte den Blick von ihm ab, und er dachte schon, dass sie gleich die Flucht ergreifen würde. Vertrau mir, wollte er flehen, obwohl er wusste, dass es eine alberne Bitte wäre. Er war die letzte Person, der sie trauen sollte.

Endlich schien sie sich entschieden zu haben, und sie entspannte sich, senkte die Wimpern und antwortete mit der erotischsten Stimme, die er je gehört hatte: »Dann zeigen Sie es mir.«

Das werde ich, dachte er. Alles.

Er mischte die Karten und erklärte das Spiel »Dies ist Poker. Wir ziehen fünf Karten, und wir beginnen mit einem Einsatz.«

»Aber ich habe nichts bei mir, das ich setzen kann«, wandte sie ein und blickte an sich herab.

Das Kleid würde ich mit Freuden nehmen.

»Also dann, eine Antwort auf eine Frage. Wenn ich gewinne, beantworten Sie eine Frage, die ich stelle, egal welche, und wenn Sie gewinnen, beantworte ich Ihre.«

Sie verzog das Gesicht. Doch ihre Miene schien im Widerstreit zu ihrem Körper zu liegen, denn als sie antwortete, neigte sie sich ihm zu. Die Atmosphäre zwischen ihnen wurde schwerer, und Hades registrierte, dass er schwerer atmete.

»Abgemacht.«

Berauscht von seinem Erfolg sprach Hades weiter.

»Es gibt zehn Rankings beim Poker. Ganz unten steht die High Card, und ganz oben der Royal Flush. Das Ziel besteht darin, ein besseres Blatt zu ziehen als der andere Spieler …«, erklärte er. »Wenn Sie ein schlechtes Blatt bekommen, passen Sie. Das ist besser als die Alternative. Checken oder Mitgehen würde man anwenden, wenn wir um Geld spielen würden, aber da unsere Währung Antworten sind, ist dieser Punkt irrelevant. Die vielleicht wichtigste Fertigkeit beim Poker ist Ihre Fähigkeit, zu bluffen.«

»Bluffen?« Das schien ihr Interesse zu wecken.

»Manchmal ist Poker nur ein Spiel der Täuschung … vor allem dann, wenn man am Verlieren ist.«

Hades teilte jedem von ihnen fünf Karten aus. Sie ließen sich beide Zeit damit, ihre Karten zu betrachten und dann einander. Schließlich legte sie ihre Karten offen auf den Tisch. Hades tat dasselbe.

»Sie haben zwei Damen«, sagte er. »Und ich habe ein Full House.«

»Also … haben Sie gewonnen«, stellte sie fest. Sie wirkte nicht so sehr aufgebracht, sondern vielmehr nachdenklich, während sie noch versuchte, sich an alle Regeln zu erinnern und das Spiel zu verstehen. Hades andererseits war ungeduldig und ergriff sofort die Chance, seine Frage zu stellen.

»Gegen wen rebellieren Sie?«

Sie lächelte ironisch. »Meine Mutter.«

Er hob eine Augenbraue. »Warum?«

»Wenn ich das beantworten soll, müssen Sie ein weiteres Mal gewinnen.«

Er war zu voreilig. Als er wieder gewann, stellte er die Frage nicht erneut, sondern sah sie nur erwartungsvoll an.

»Weil …« Sie zögerte, wandte den Blick von ihm ab und fixierte stirnrunzelnd den Tisch vor ihnen. Sie suchte nach einer Antwort. Nach einem Weg, wie sie es vermeiden kann, die Wahrheit zu sagen, wurde Hades klar. Sie lächelte reuevoll, als sie sagte: »Sie hat mich wütend gemacht.«

In ihren Worten lag ein Anflug von Finsternis, und er wollte mehr erfahren. Es war das erste Mal, dass er wahrnahm, dass sie sich zurückhielt. Er wartete auf nähere Erläuterungen, aber sie lächelte nur.

»Sie haben nie gesagt, dass die Antwort detailliert sein muss.«

Er erwiderte ihr Grinsen. »Für die Zukunft notiert, das versichere ich Ihnen.«

»Die Zukunft?«

»Nun, ich hoffe doch, dass dies nicht das letzte Mal ist, dass wir Poker spielen.«

Vor allem jetzt. Sie lehrte ihn gerade, wie sie dachte und tickte, was bedeutete, auf ihr nächstes Spiel wäre er mehr als vorbereitet. Sie würde nicht so einfach den kürzesten Weg nehmen können. Die Bedingungen würden detaillierter und die Einsätze höher sein.

Ihre Miene wurde wachsam, und ihn beschlich das Gefühl, dass sie nicht plante, ihn nach heute Abend wiederzusehen.

Etwas jagte ihm durch den Leib – ein Gefühl, das Furcht ähnelte.

Ich muss sie wiedersehen. Sonst verliere ich den Verstand. Er schob diese Gedanken beiseite. Beende das Spiel, befahl er sich, gab erneut und gewann.

»Warum sind Sie wütend auf Ihre Mutter?«

Sie wirkte einen Moment lang nachdenklich und sagte dann: »Weil … sie will, dass ich etwas bin, das ich nicht sein kann.«

Ist es das, was ich unter der Oberfläche spüre? Ihre wahre Natur, die so unbedingt frei sein will?

Sie senkte den Blick auf die Karten. »Ich verstehe nicht, warum jemand das tut.«

Er legte den Kopf schief. »Haben Sie keine Freude an unserem Spiel?«

»Doch. Aber … ich verstehe nicht, warum Menschen gegen Hades spielen. Warum wollen sie ihm ihre Seele verkaufen?«

Hast du dich nie voller Verzweiflung nach etwas gesehnt?, wollte er fragen. Aber er kannte die Antwort. Er konnte sie zwischen ihnen brennen fühlen.

»Sie stimmen nicht deshalb einem Spiel zu, weil sie ihre Seele verkaufen wollen«, sagte er. »Sie tun es, weil sie glauben, sie könnten gewinnen.«

»Und tun sie es? Gewinnen?«

»Manchmal.«

»Macht ihn das wütend, was meinen Sie?«

Sie hatte die Lippen bei der Frage verzogen, und Kummer machte ihm das Herz schwer. Diese Frau hatte eine Verbindung zu Demeter, was bedeutete, dass sie die schlimmsten Dinge über ihn gehört hatte. Wenn er irgendeine Hoffnung darauf haben wollte, den Mythos zu entkräften, der um ihn herum errichtet worden war, würde er Zeit mit ihr verbringen müssen – und das bedeutete, sie musste erfahren, wer er war. Also beantwortete er ihre Frage wahrheitsgemäß.

»Liebes, ich gewinne so oder so.«

Ihre Augen wurden groß, und sie stand so hastig auf, dass sie dabei fast den Stuhl umwarf. Noch nie hatte er erlebt, dass jemand so unbedingt seiner Gegenwart entfliehen wollte. Sein Name kam wie ein Fluch über ihre Lippen.

»Hades.«

Er schauderte. Sag ihn noch mal