A is for Abstinence - Kelly Oram - E-Book

A is for Abstinence E-Book

Kelly Oram

0,0
9,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Kyle Hamilton hat alles, was er sich immer gewünscht hat - Geld, Ruhm & einen Job, den er liebt. Trotzdem scheint dem Sänger der Band Tralse etwas zu fehlen. Angst und Stolz haben ihm Steine in den Weg gelegt, sein Herz hat Risse bekommen. Und immer wieder muss er an ein ganz bestimmtes Mädchen denken, welches ihm einfach nicht aus dem Kopf geht. Niemand ging ihm je tiefer unter die Haut. Kyle hat sich verändert, ist erwachsen geworden - nun ist er bereit, um das zu kämpfen, was er liebt!

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 370

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

Weitere Titel der Autorin

Titel

Impressum

Widmung

1

G ist für Geburtstag

2

F steht für Fremdgehen

3

H steht für Hochzeit

4

E steht für Erinnerungen

5

T steht für Talkshow

6

V steht für Valerie

7

W steht für Wiedersehen

8

P steht für Pläne

9

F steht für feste Freundin

10

B steht für Baseball

11

D steht für Date

12

M steht für Medien

13

I steht für Interview

14

V steht für Video

15

K steht für Klammern

16

P steht für Prüde

17

B steht für Brüder

18

Ü steht für Überraschung

19

B steht für Baby

20

L steht für Liebe

21

F steht für Fantasie

22

H steht für Heirat

23

S steht für Sex!

24

B steht für Bekanntgabe

Weitere Titel der Autorin

Cinder & Ella

Cinder & Ella. Happy End – und dann?

V is for Virgin

Kelly Oram

A IS FOR ABSTINENCE

Übersetzung aus dem amerikanischen Englisch von Stephanie Pannen

Vollständige E-Book-Ausgabedes in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes

Titel der amerikanischen Originalausgabe:

»A is for Abstinence«

Für die Originalausgabe:

Copyright © 2012 by Kelly Oram

Published by arrangement with Bookcase Literary Agency

Für die deutschsprachige Ausgabe:

Copyright © 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Covergestaltung: Manuela Städele-Monverde unter Verwendung von Motiven © Vik Y/shutterstock

e-Book-Produktion: 3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 978-3-7325-8568-7

www.luebbe.de

www.lesejury.de

Für die Fans!

1

G ist für Geburtstag

Die Musik im Club verstummte und jemand richtete einen Scheinwerfer auf mich. Ich war vorübergehend blind, während sich meine Augen an das plötzliche grelle Licht gewöhnten. Ich war nicht wirklich überrascht, als ich schließlich eine riesige Torte vor mir stehen sah, aber zumindest tat ich so. Adrianna hatte sich so viel Mühe gemacht, diese Party für mich vorzubereiten. Ich wollte sie wissen lassen, wie sehr ich das zu schätzen wusste.

»Happy birthday to you! Happy birthday to you! Happy birthday, lieber Kyle! Happy birthday to you!«

Ich hatte mein ganzes Leben damit verbracht, vor anderen zu singen. Es war nett, dass zur Abwechslung mal jemand für mich sang.

»For he's a jolly good fellow! For he's a jolly good fellow! For he's a jolly good fellow, which nobody can deny!«

Jemand legte einen Arm um meine Taille, und Adriannas weiche Lippen strichen über meine Wange. »Wünsch dir was, Geburtstagskind.«

»Was soll ich mir denn noch wünschen?«, fragte ich sie. »Ich habe doch schon alles, was ich jemals wollte. Ruhm, Geld, eine wunderschöne Frau, die verrückt genug ist, mich zu heiraten …«

Adrianna warf mir einen Blick zu, der mir einen wohligen Schauer über den Rücken jagte. »Wenn du nichts mehr brauchst, wie soll ich dir den Wunsch dann später heute Abend noch erfüllen?«

Die Leute um uns herum lachten und johlten. Ich grinste sie an. »Ich glaube, meine Geburtstagswunschliste ist gerade endlos geworden.«

Ich zog Adrianna in meine Arme, wirbelte sie herum und neigte ihren Körper nach hinten. Der Kuss, den ich ihr gab, verriet genau, was ich mir von ihr zum Geburtstag wünschte. Nachdem ich sie wieder aufgerichtet hatte, blies ich schließlich die Kerzen aus – alle fünfundzwanzig mit einem Atemzug – und verbeugte mich vor der jubelnden Menge.

»Rede! Rede! Rede!«

»Was soll ich sagen?«, fragte ich und grinste für meine Freunde. »Es ist geil, ich zu sein!«

Und das war die Wahrheit.

Viele Promis murrten über die Nachteile des Ruhms – den Mangel an Privatsphäre, dass einen andere Leute nur wegen des Gelds und der Verbindungen mochten, ständig von Fans und Paparazzi umlagert zu sein ... Ich konnte nicht sagen, dass ich diese Meinung teilte. Wenn es jemals jemanden gab, dem es vorherbestimmt war, das Leben eines Promis zu leben, dann war ich es.

Einen ersten Eindruck von Ruhm bekam ich mit achtzehn, als meiner Band Tralse und mir der großen Durchbruch gelang. Unser Song »Broken Passion« schaffte es auf Platz eins der Charts und unser Debütalbum erreichte Platinstatus. Sein Nachfolger, »S is for Sex«, bekam dreimal Platin, gewann sechs Grammys, und über Nacht mutierte ich zum internationalen Superstar.

Die letzten drei Jahre hatten mich meine Fans praktisch vergöttert und doch konnte ich von ihrer Aufmerksamkeit nie genug bekommen. Mir fehlte es nie an Freunden oder etwas zu tun, ich bekam immer, was ich wollte, und überall, wo ich hinging, wurde ich wie ein König behandelt. Ich schämte mich nicht zuzugeben, dass ich es liebte.

Während jemand die Torte anschnitt, brachen die Gäste wieder in einen Sprechchor aus. »Lied! Lied! Lied! Lied!«

Genau wie mit dem Geld und der Aufmerksamkeit war ich es auch nicht leid, für andere zu singen. Ich liebte es, auf der Bühne zu sein, doch seit die Band sich aufgelöst hat, habe ich nicht mehr so häufig die Gelegenheit dazu.

Tralse begann in der Garage meines Kumpels Reid. Er hatte damals zum Geburtstag ein Schlagzeug bekommen und seine vier besten Freunde auf eine Jamsession eingeladen. Wir waren alle zwölf Jahre alt gewesen. Shane und Dustin spielten bereits Gitarre, und ich konnte singen. Nach diesem ersten Abend zwangen wir Jeremy, Bassgitarre zu lernen, um eine komplette Band zu sein, und der Rest war, wie man so schön sagt, Geschichte.

Vor einem Jahr starb Reid an einer Überdosis. Wir fünf waren wie Brüder gewesen, und Reids Verlust war für uns andere absolut verheerend. Die Band hat es nicht überlebt. Seitdem habe ich keine Songs mehr geschrieben und bin auch nicht mehr groß vor Publikum aufgetreten. Aber da es mein Geburtstag war, und zwar bis jetzt ein wirklich großartiger, betrat ich gern die Bühne.

Der Sänger der Band, die Adrianna für den Abend engagiert hatte, reichte mir begeistert das Mikro. »Das ist der Wahnsinn, Mann«, sagte er. »Tralse war unsere Inspiration. Wir spielen viele Coverversionen, also kennen die Jungs alle eure Songs.«

Die Vorstellung, eines unserer alten Lieder ohne die anderen zu spielen, fühlte sich an, als würde jemand versuchen, mir ein Pflaster abzureißen, das seit einem Jahr quasi mit meiner Haut verschmolzen war. Aber ich sah die Begeisterung in den Augen meiner Verlobten und konnte nicht ablehnen.

Adrianna ist zweifellos Tralses größter Fan. Ich hatte sie während der »S is for Sex«-Tour in Europa kennengelernt. Sie und ihre Freundinnen folgten uns über den Kontinent und schmuggelten sich mit ihrem Charme nach jedem Konzert in den Backstage-Bereich. Eines Abends gab ich schließlich nach und lud sie nach dem Konzert in meinen Tourbus ein – und dann überraschte ich alle, indem ich sie immer wieder einlud. Sie brauchte sechs Monate, mich davon zu überzeugen, fest mit ihr zusammenzukommen, aber seitdem waren wir ein Paar. Für sie könnte ich vielleicht doch mal einen meiner alten Songs singen.

»Die Band sagt, sie kennt meine Songs«, sagte ich zum wartenden Publikum. »Was wollt ihr denn hören?«

Als die Leute unsere Songtitel zu rufen begannen, nahm mir Adrianna das Mikro ab. »Oh nein«, sagte sie zu den anderen. »Er ist mein Verlobter. Also darf ich mir was aussuchen.«

Ich lachte. »Was immer du willst, Babe.«

Adrianna sah mich herausfordernd an. »Ich will ›Cryin' Shame‹ hören.«

Die »Überraschungsparty« war zwar keine Überraschung gewesen, aber jetzt war ich geschockt. Adrianna hätte mir genauso gut in die Eier treten können. Der Wunsch war unter der Gürtellinie, und das wusste sie auch. Wie konnte sie mich darum bitten? Und das auch noch vor all unseren Freunden?

Schon in dem Moment, als ich zögerte, wurde mir klar, dass ich bei einem unausgesprochenen Test versagt hatte. »Babe«, flüsterte ich, und ich konnte spüren, wie mir flau im Magen wurde. »Du weißt doch, dass ich diesen Song nicht mehr singe.«

Jeder wusste, dass ich diesen Song nicht mehr sang. Ich hatte ihn für ein Mädchen geschrieben, und, na ja, lange Rede, kurzer Sinn: Ich spielte dieses Lied nicht mehr. Schon seit dem Auftaktkonzert der »S is for Sex«-Tour nicht mehr.

Meinen beliebtesten Song von der Setlist zu nehmen, hatte ziemlich viele Leute verärgert und viele Fans enttäuscht, aber das war mir egal gewesen. Ich hatte geschworen, ihn niemals wieder zu singen, und ich hatte nicht vor, dieses Versprechen zu brechen. Die Jungs waren die Einzigen gewesen, die mir bei dieser Entscheidung immer den Rücken gestärkt hatten, bis ich Adrianna getroffen hatte. Sie hatte mich stets unterstützt. Ich verstand nicht, warum sie mich jetzt auf einmal so herausforderte.

Adrianna machte für unser Publikum ihren besten Schmollmund. »Bitte, Baby. Es ist mein Lieblingslied. Es ist der erste Song, den ich je von dir gehört habe, und der Grund, warum ich mich in dich verliebt habe. Kannst du ihn nicht wenigstens dieses eine Mal für mich singen?«

Das konnte ich nicht. Sie wusste, dass ich es nicht konnte. »Warum tust du das?«, flüsterte ich.

Es war wie ein Stich ins Herz, als ich ihr in die Augen blickte und unerklärliche Wut darin sah. Ich hatte keine Ahnung, was ich getan hatte, um das hier zu verdienen. »Du liebst mich doch, oder?«, fragte sie.

Ich wusste nicht genau warum, aber so langsam geriet ich in Panik. »Natürlich tue ich das.«

Adrianna schnaubte. »Aber du liebst sie mehr als mich, oder? Du kannst dieses Lied nicht für mich singen, weil du nie über sie hinweggekommen bist. Ich bin doch immer nur die zweite Wahl gewesen.«

Zum ersten Mal in meinem Leben wünschte ich mir, nicht vor hundert neugierigen Leuten zu stehen. Der ganze Raum war totenstill, alle warteten ab, was ich tun würde. Ich konnte kaum denken, so überrumpelt war ich von dem, was Adrianna hier machte. Und von ihrem überraschenden Groll meiner Vergangenheit gegenüber.

Als ich Adrianna ansah, verzogen sich ihre Mundwinkel höhnisch nach oben. Es war subtil, aber erkennbar. Es hatte etwas von Verbitterung an sich, doch was mich am meisten verletzte, war ihr zufriedener Gesichtsausdruck. Sie genoss diesen Angriff aus dem Hinterhalt.

Ich schob den Schmerz, den ich empfand, beiseite und ließ den Zorn übernehmen. »Ich war dir immer treu«, zischte ich leise, in der Hoffnung, dass die anderen es nicht hören würden. »Ich habe dir alles gegeben, inklusive meines Herzens. Ich verdiene das hier nicht. Wenn du ein Problem hast, hättest du einfach mit mir darüber reden sollen.«

Ich wandte mich an die Menge und zwang mich zu einem Lächeln. »Danke für die Party, Leute. Die Getränke gehen für den Rest des Abends auf mich.«

Ich sprang von der Bühne und marschierte zur Bar, bevor den anderen klar wurde, was ich gerade gesagt hatte. Ein wilder Ansturm auf den Alkohol begann. Die einzige Person im Club, die sich traute, auf mich zuzugehen, war Shane Leopard.

Shane hatte wie ich zu Tralse gehört und war mein bester Freund. Shane, Reid und ich waren seit der Grundschule unzertrennlich gewesen, so dass uns Reids Tod besonders hart getroffen hatte. Seitdem war es zwischen Shane und mir nicht mehr dasselbe. Wir verbrachten kaum noch Zeit miteinander. Natürlich waren wir immer noch beste Freunde – in gewisser Hinsicht Brüder bis zum Ende –, aber miteinander abzuhängen, war manchmal schwierig, jetzt wo unser dritter Amigo fehlte.

»Das war fies«, sagte Shane, während er sich neben mich setzte und einen Schluck von seinem Bier trank.

»Was du nicht sagst.«

Zwischen uns breitete sich eine angenehme Stille aus. Shane gab mir eine Viertelstunde, um in Frieden zu trinken, bevor er mich wieder ansprach. »Also … vielleicht solltest du den Song besser singen. Ich spiele für dich, wenn es dir hilft.«

Das war ein unglaublich großzügiges Angebot. Ich hatte im letzten Jahr vielleicht ein, zwei Mal gesungen, doch Shane hatte nicht mehr für ein Publikum gespielt, seit wir unseren Freund begraben hatten.

»Du findest, ich sollte ihr nach dieser Nummer einfach geben, was sie will?«

Shane trank noch einen Schluck Bier. »Du liebst sie, oder?«

»Ja, aber …«

»Dann solltest du es tun.« Als ich meinen Freund erstaunt ansah, zuckte dieser nur mit den Schultern.

»Das sollte ich nicht tun müssen. Sie hat keinen Grund, eifersüchtig zu sein.«

Shane lachte. »Frauen brauchen keinen Grund. Die einzige feste Freundin, die ich außer Cara jemals hatte, war Rebecca Carlisle, damals in der Highschool. Wir waren nur drei Monate zusammen, aber ich habe bei ihr meine Unschuld verloren, und jetzt hasst Cara jede Frau auf der Welt, die Rebecca heißt. Ihre eigene Nichte heißt Becca, und Cara hat die ganze Familie dazu gebracht, sie mit ihrem zweiten Vornamen anzusprechen.«

Das brachte mich zum Lächeln. Shanes Verlobte Cara war eine Wahnsinnsfrau. Ich mochte mir gar nicht vorstellen, was sie tun würde, wenn Shane eine andere Frau auch nur anzusehen wagte. Was er natürlich niemals tun würde. Shane war der größte Pantoffelheld auf diesem Planeten.

»Frauen fühlen sich immer unsicher, wenn es um die früheren Beziehungen ihrer Partner geht«, sagte er. »Und mit einer so berüchtigten wie deiner, na ja … da kann ich es Adrianna nicht verübeln, dass sie deshalb ein bisschen durchdreht. Wenn du sie nicht verlieren willst, solltest du ihr geben, was sie will. Selbst wenn das bedeutet, diesen Song zu singen, um zu beweisen, dass du wirklich darüber hinweg bist.«

Alles in mir sträubte sich davor, ›Cryin' Shame‹ zu spielen, aber Shane hatte recht.

»Es ist nur ein Lied, Alter. Das schaffst du.«

Ich seufzte, dann kippte ich den Rest meines Drinks herunter. Es war nicht nur ein Lied, und Shane wusste das besser als irgendjemand sonst, aber ich wusste seinen Rat trotzdem zu schätzen. »Meinetwegen.«

»Guter Junge.« Shane klopfte mir auf die Schulter und stand auf. »Dann lass es uns hinter uns bringen.«

»Das ist mein Problem, Mann. Ich kann damit umgehen. Du musst nicht für mich spielen.«

»Mach dir keine Gedanken. Du weißt doch, dass ich immer hinter dir stehe.«

Ich nickte nur, weil ich nicht in der Lage war, Shane zu sagen, wie dankbar ich war, doch er musste die Worte gar nicht hören. Er wusste es.

Wir warteten, bis die Band ihr Set beendet hatte, bevor wir auf die Bühne stiegen. Die Jungs waren ziemlich gut. »Hey, ihr seid echt klasse«, sagte ich und reichte ihnen die Hand, bevor ich sie um einen Gefallen bat.

»Besonders du«, sagte Shane zu ihrem Leadgitarristen. »Du bist echt der Hammer. Wie heißt du?«

Das Kompliment ließ die Augen des Mannes aufleuchten. »Danke. Ich bin Embry Jacobs«, antwortete er und schüttelte uns mit ein bisschen zu viel Begeisterung die Hand. »Ich bin ein Riesenfan.«

»Du hast einen ausgezeichneten Gitarrengeschmack, Alter. Macht es dir etwas aus, wenn ich mir die hier für einen Moment ausleihe?«

Embry fielen fast die Augen aus dem Kopf. »Willst du etwa spielen?«

Shane verbarg seinen Unwillen besser als ich. Niemand würde ihm ansehen, wie schwer das hier für ihn war. »Kyle hat ein Lied zu singen. Da kann ich ihn doch nicht im Stich lassen.«

Begeistert reichte ihm Embry seine Gitarre.

Ich atmete tief durch, während Shane den Gurt überstreifte und mit den Fingern über die Saiten strich. Wir sahen einander an und hatten den gleichen Ausdruck im Gesicht: Machen wir das jetzt wirklich?

Jedes Mitglied von Embrys Band starrte uns an. »Werdet ihr wirklich ›Cryin' Shame‹ singen?«, fragte Embry.

Ich sah erst zu ihm, dann zu seinen Bandkameraden. »Kennt ihr es?«

Alle begannen zu nicken. Sie schienen zu erstaunt, um etwas zu sagen.

»Dann werde ich es wohl singen. Man muss der Frau geben, wonach sie verlangt.«

Mir war kotzübel, doch gleichzeitig verspürte ich einen gewissen Nervenkitzel, als ich ans Mikro trat. Ich liebte diesen Song ebenso sehr, wie ich ihn hasste. »Hey, Leute!«, rief ich, um die Gäste des Clubs auf mich aufmerksam zu machen. Ich räusperte mich, obwohl das gar nicht nötig war. »Meine Dame hat mich um einen Song gebeten. Ich habe ihn seit Jahren nicht mehr gesungen, also habt Nachsicht, wenn ich ein bisschen eingerostet bin.«

Ich wartete darauf, dass Adrianna zur Bühne kam, konnte sie aber nirgendwo entdecken.

»Adrianna, komm her. Wenn ich diesen Song für dich singe, will ich, dass du direkt vor mir stehst.«

Als ich keine Antwort bekam, verstummte die Menge. »Adrianna? Babe?« Mir entfuhr ein nervöses Lachen. »Hat jemand meine Verlobte gesehen? Ich kann das hier nicht ohne sie machen.«

Köpfe verdrehten sich, und alle begannen nach Adrianna zu suchen. Plötzlich hatte ich ein ziemlich ungutes Gefühl. Shane musste es auch gespürt haben, denn er trat neben mich, als wir ein paar Gäste überrascht nach Luft schnappen hörten.

Die Menge teilte sich vor uns wie das Rote Meer, sodass ich bis zu einer Sitzecke im hinteren Teil des Clubs blicken konnte, wo zwei Personen ineinander verschlungen saßen. Es war zu dunkel, um etwas anderes als ihre Umrisse zu erkennen, doch der Schock der anderen sagte alles, was ich wissen musste.

Die beiden Silhouetten trennten sich voneinander, und obwohl ich ihr Gesicht nicht sehen konnte, spürte ich ihren bohrenden Blick. Ich wusste, dass ich später Schmerz über ihren Verrat fühlen würde, doch in diesem Moment empfand ich rein gar nichts. Ich war vollkommen taub.

»Tja, so viel dazu«, sagte ich ins Mikro. »Da bin ich ja froh, dass ich mich nicht gerade zum Affen gemacht habe oder so was.«

Ich spürte eine Hand auf meiner Schulter. »Lass uns von hier verschwinden, Mann«, flüsterte Shane.

Ich schüttelte seine Hand ab. »Einen Moment noch. Erst schulde ich dieser Frau noch ein Lied.« Ich drehte mich zu der nervös wirkenden Band hinter mir um. »Kennt ihr meinen Song ›Giving You The Middle Finger‹, Leute?«

Embry war der erste, der seine Stimme wiederfand. Seine Lippen verzogen sich zu einem Grinsen, und er nahm Shane seine Gitarre wieder ab. »Na klar, Mann.«

2

F steht für Fremdgehen

Als ich aufwachte, wusste ich, dass ich in meinem eigenen Bett lag. Feinste ägyptische Mako-Baumwolle lügt nicht. Ich wusste allerdings nicht, wer die brünette Sexbombe war, die in meinen Armen schlief.

Ich hatte einen unglaublichen Kater. Zwar war ich schon mal schlimmer dran gewesen, doch nicht viel und nicht oft. Ich versuchte, mir den letzten Abend in Erinnerung zu rufen, doch alles war ein bisschen verschwommen. Ich meinte, mich an ein Spiel der Lakers zu erinnern sowie an Tequila-Bodyshots.

Warum ich diese Frau mit nach Hause genommen hatte, war mir allerdings ein Rätsel. Versteht mich nicht falsch, ich wusste genau, warum ich mit ihr ins Bett gegangen war – jetzt, wo ich darüber nachdachte, war ich mir auch ziemlich sicher, dass sie eine Cheerleaderin der Lakers war –, aber warum waren wir hier hingegangen? Die einfache Regel lautete: Geh mit den Frauen immer zu ihnen nach Hause. So ist es leichter, wieder zu verschwinden, und gleichzeitig minimiert es das Risiko, dass psychotische Stalker in mein Haus einbrechen.

Nun ja, was geschehen war, war geschehen. Jetzt musste ich mir nur überlegen, wie ich sie rauswerfen konnte, ohne wie ein Riesenmistkerl zu wirken. Am besten würde es sein, ihr Frühstück anzubieten und sie dann nach Hause zu fahren. Doch das Wichtigste zuerst – Kaffee, Aspirin und eine schöne heiße Dusche.

Vorsichtig, um sie nicht aufzuwecken, hob ich ihre Hand von meiner Brust und schob mich von ihr weg. Mein Rücken stieß gegen etwas Warmes und Festes. Ein leises Stöhnen ertönte hinter mir, und jemand legte seinen Arm um meine Taille. Ich war nicht allein im Bett. Ich meine, abgesehen von der Brünetten natürlich.

Ich blickte über meine Schulter und sah ein sinnliches Lächeln. Offenbar hatte ich eine zu der Brünetten passende scharfe Blondine mit nach Hause genommen. Es war nicht das erste Mal, dass ich zwei Frauen auf einmal im Bett hatte, aber es kam selten vor.

»Morgen, Hübscher«, sagte Blondie und schmiegte sich an mich.

Die Brünette rührte sich nun auch, drängte sich ebenfalls an mich und begann, sanfte Küsse auf meine nackte Schulter zu hauchen. Eine war schon schlimm genug. Wie zum Teufel sollte ich gleich zwei davon loswerden?

»Wilder Abend gestern, was?«

»Mmm«, stimmte ich zu. Angesichts meines Filmrisses musste es das wohl gewesen sein. Vielleicht wären ein, zwei Tequila-Shots weniger gestern besser gewesen. »Ihr zwei wisst auf jeden Fall, wie man Spaß hat.«

»Nur ihr zwei?«, fragte eine schläfrige Stimme.

Drei? Ernsthaft?

Eine sexy Rothaarige setzte sich auf und schmollte verführerisch.

Verdammt. Das war selbst für mich neu. »Ich habe das Gefühl, in einem dieser Witze gelandet zu sein. Eine Blondine, eine Brünette und eine Rothaarige wachen in deinem Bett auf …«

Die Frauen kicherten, und die Blondine wollte eindeutig wiederholen, was letzte Nacht passiert war, aber mir war nicht danach. Ich hatte Kopfschmerzen, schlechte Laune und war wütend auf mich selbst, dass ich sie mit nach Hause genommen hatte. Und obwohl es gleich drei Frauen waren, half mir das nicht, den Schmerz zu vergessen, den mir Adrianna zugefügt hatte. Ich wollte, dass diese Frauen gingen.

Meine Gebete wurden erhört, als meine Ex-Verlobte ins Zimmer stürzte. »Die Show ist vorbei, ihr Schlampen. Ihr habt dreißig Sekunden, um das Bett meines Freundes zu verlassen, bevor ich euch rauswerfe.«

Meine Gäste waren von der Drohung nicht besonders angetan, und ich wusste, ich sollte Adrianna ihren Wutanfall nicht durchgehen lassen – aber zumindest hatte sie damit mein Problem gelöst. »Tut mir leid, Ladys, aber wie es aussieht, müssen meine Ex und ich uns unterhalten.«

Ich stieg aus dem Bett und zog mir einen Morgenmantel an. Während ich ihn zuknotete, sah ich Adrianna gelangweilt an. »Offenbar muss ihr jemand mal die Regeln einer Trennung erklären. Zum Beispiel, dass sie nicht uneingeladen in mein Haus kommen kann und dass es sie absolut nichts mehr angeht, mit wem ich mein Bett teile.«

Ich lächelte den Frauen zu und deutete in Richtung Badezimmer. »Die Dusche ist dort. Lasst euch Zeit. Ich setze Kaffee auf.«

Dann folgte ich Adrianna in die Küche und beschäftigte mich mit der Kaffeemaschine. Adrianna wartete, bis ich ein paar Kopfschmerztabletten genommen hatte – dann legte sie los. »Drei Frauen auf einmal, Kyle?«

Es fiel mir schwer, mein Temperament im Zaum zu halten. Sie sollte nicht mal hier sein, geschweige denn sich wie eine Betrogene aufführen. »Nicht irgendwelche Frauen«, sagte ich und öffnete den Kühlschrank. »Professionelle Cheerleader. Turnerinnen.«

Hmm … Reste vom Chinesen. Kaltes Chow Mein würde jetzt erst mal reichen müssen.

»Mit wie vielen Frauen hast du diese Woche geschlafen?«

Ich schob mir eine Gabel voll Nudeln in den Mund und zuckte mit den Schultern. »Ich habe eigentlich nicht wirklich mitgezählt, warum? Mit wie vielen Männern hast du denn gevögelt? Natürlich abgesehen von dem Typen, für den du mich an meinem Geburtstag verlassen hast. Von dem weiß ich schon. Celebrity Gossip hat ein tolles Foto von euch gemacht, wie ihr zu ihm gegangen seid, nachdem du mir das Herz gebrochen und mich vor halb L.A. gedemütigt hast.«

Ich deutete auf das Cover des Klatschmagazins, das ich mit Magneten an den Kühlschrank gehängt hatte. Ich wusste selbst nicht genau, warum ich es wie eine Weihnachtskarte zur Schau stellte.

Adrianna betrachtete das Foto. Plötzlich schossen ihr Tränen in die Augen, und ihre Unterlippe begann zu zittern.

Ich musste wegsehen. Ich hasste sie zwar, doch meine Liebe für sie war echt gewesen. Ich versuchte alles, um diese Gefühle zu unterdrücken. Sollte sie losheulen, würde mich das emotional wieder zurückwerfen.

Der Kaffee war durchgelaufen, also schenkte ich mir eine dampfende Tasse ein, gab Zucker dazu und nahm sie zusammen mit meinem Frühstück raus auf die Terrasse. Ich brauchte frische Luft.

Es war ein wunderschöner Tag hier in Südkalifornien, und mein Anwesen in Malibu lag an einem Hang mit Blick auf den Pazifik. Ich atmete tief ein. Der Geruch des Ozeans, die kühle Meeresbrise und der Klang der Wellen beruhigten meinen Kopf und meine Nerven ein wenig.

Adrianna kam mir nach und sah sich mit schmerzverzerrtem Gesicht um. Ihr schien es genauso schlecht zu gehen wie mir. Vor einer Woche war es noch ganz normal gewesen, dass wir hier morgens zusammensaßen. Wir hatten Kaffee getrunken, ich hatte ihr von den Lakers erzählt oder von etwas, das ich im Spin Magazine gelesen hatte, und sie hatte mich mit Hochzeitsdetails zu Tode gelangweilt. Klingt furchtbar, aber es hatte mir nichts ausgemacht. Wir waren glücklich gewesen.

Adrianna brach das Schweigen als Erste. »Ich habe einen Fehler gemacht.«

Ihre Stimme zitterte, während sie sichtlich mit ihren Emotionen kämpfte. Mir fiel es ebenfalls schwer, meine Gefühle zu kontrollieren. »Mir vor all unseren Freunden das Herz herauszureißen und unsere zweieinhalbjährige Beziehung wegen eines Songs wegzuwerfen, war ein Fehler?«

»Es ging nicht nur um einen Song, Kyle!« Sie begann zu weinen. »Es ging um die Tatsache, dass du ihn nicht singen kannst. Es ist über drei Jahre her, und du bist immer noch nicht über das hinweg, was passiert ist.«

»Aber es ist doch nichts passiert. Du bist eifersüchtig auf ein Mädchen, mit dem ich nie zusammen war.«

Adrianna starrte mich an. »Du musst nicht mit einer Person zusammen sein, um sie zu lieben.«

»Zu lieben …« Ich konnte einfach nicht fassen, dass wir darüber sprachen. Ich hatte jede Erinnerung an dieses besagte Mädchen so tief wie möglich vergraben. »Babe, wie kommst du auf die Idee, dass ich sie lieben würde? Ich habe sie auch damals nicht geliebt. Ja, ich hasse es, dieses Lied zu singen, aber ich habe seit Jahren nicht mehr an sie gedacht.«

»Aber du hast sie auch noch nicht losgelassen, oder?«

Ich schaute wieder hinaus aufs Meer und trank schweigend meinen Kaffee. Was sollte ich auch sagen? Es wäre eine Übertreibung zu behaupten, meine Gefühle für Val als Liebe zu bezeichnen, aber sie war die Einzige in einer langen Reihe von Frauen, die ich nie wirklich gehabt hatte. Weil ich Idiot sie hatte gehen lassen.

Monatelang hatte »Virgin Val« Jensen Tag und Nacht meine Gedanken beherrscht, bis ich gezwungen gewesen war, sie schließlich ganz aus meiner Erinnerung zu verbannen. Sobald es mir gelungen war, diese Büchse der Pandora zu schließen, hatte ich sie fest verschlossen und den Schlüssel verloren. Doch zu einem richtigen Abschluss war es zwischen Val und mir nie gekommen.

Ich vertrieb Val aus meinen Gedanken und konzentrierte mich auf mein gegenwärtiges Problem. »Ich habe dich geliebt, Adrianna. In was für einem Zustand mein Herz auch war, es gehörte dir.«

»Ich weiß«, flüsterte Adrianna und tupfte sich mit einem Taschentuch die Augen ab. »Das verstehe ich jetzt. Ich kann sehen, wie sehr ich dich verletzt habe, und es tut mir leid.«

Es tat ihr leid? Ich schnaubte in meinen Kaffee. Sie war nicht die Einzige, der es leidtat.

»Ich habe einen Fehler gemacht, Kyle«, sagte sie flehend. »Als du dich geweigert hast, dieses Lied zu singen, hat mich das verletzt. Brian hat mich in diesem Moment getröstet, aber er bedeutet mir nichts. Ich war wütend und hatte Angst, auf ewig mit einer Erinnerung konkurrieren zu müssen. Aber ich wusste, dass ich einen schrecklichen Fehler gemacht hatte, als ich dich auf dieser Bühne gesehen habe.«

»Und trotzdem bist du mit ihm an diesem Abend nach Hause gegangen.«

Adrianna warf frustriert die Hände in die Höhe. »Na ja, du bist abgehauen, ohne mit mir zu reden! Du hast dieses schreckliche Lied gesungen und mir noch ein schönes Leben gewünscht.«

»Genau. Was normalerweise bedeutet, dass die Person, die das sagt, die andere Person niemals wiedersehen will. Also was genau machst du hier? Warum rauschst du in mein Schlafzimmer und wirfst meine Gäste raus, als hättest du noch irgendein Recht dazu?«

Adrianna nahm über den kleinen Terrassentisch hinweg meine Hand in ihre. »Weil ich dich liebe. Wir können das hinter uns lassen, Kyle. Wir haben diese Woche beide Fehler gemacht, also lass uns doch einfach übereinkommen, dass …«

»Du hast diese Woche Fehler gemacht«, berichtigte ich sie und entzog ihr meine Hand. »Ich habe nichts falsch gemacht. Bevor dieses Foto an meinem Kühlschrank gelandet ist, bin ich mit niemandem außer dir ins Bett gegangen. Meine Verlobte hat mich betrogen. Ich habe das Recht, damit so umzugehen, wie ich will.«

Ich stand vom Tisch auf und lehnte mich über das Terrassengeländer. Nachdem ich tief durchgeatmet hatte, drehte ich mich wieder zu ihr um. »Das Geknutsche hätte ich dir vielleicht verzeihen können, aber du bist mit ihm nach Hause gegangen. Und behaupte ja nicht, das hätte daran gelegen, weil ich verschwunden bin. Ich habe mein Handy den ganzen Abend lang angelassen. Weil ich auf deinen Anruf gewartet habe. Für eine einzige lausige Textnachricht hätte ich meine Seele verkauft, so verzweifelt habe ich gehofft, dass du zurückkommen würdest.«

Adrianna stellte sich zu mir ans Geländer. In ihren Augen lag Verzweiflung. »Ich war gekränkt«, sagte sie. »Dieses Lied, das du gesungen hast …«

Ich hatte so sehr versucht, mein Temperament zu zügeln, doch jetzt wollte ich nicht mehr. Diese Frau hatte vielleicht Nerven. »Du warst gekränkt?«, brüllte ich. »Was denkst du, wie ich mich gefühlt habe? Du hättest mich während der letzten zweieinhalb Jahre jederzeit nach Valerie fragen können. Stattdessen hast du es vorgezogen, mich vor all unseren Freunden zu verletzen und zu demütigen. Und das Schlimmste ist, du hast es genossen. Ich habe den Blick in deinen Augen gesehen, als dir klar wurde, dass ich innerlich zerbrochen bin.«

Ich machte eine Pause, um ihr die Gelegenheit zu geben, sich zu verteidigen, aber ihre Schuld ließ sie schweigen.

Ich drehte den Kopf und ließ meinen Blick in die Ferne schweifen. »Wenn du auch nur die Hälfte dessen für mich empfinden würdest, was ich für dich empfinde, hättest du mich niemals so behandeln können. Stattdessen suhlst du dich in deinem Triumph.«

»Kyle …«

Ich hörte das Schluchzen in diesem Wort, weigerte mich aber, sie anzusehen. Sie verdiente weder mein Mitleid noch meine Vergebung. »Es ist aus, Adrianna. Lass deinen Schlüssel und meinen Ring auf der Ablage, wenn du gehst.«

Sie zögerte einen Moment, dann ging sie ohne ein weiteres Wort. Ich wartete, bis ich die Haustür zuschlagen hörte, bevor ich wieder reinging. Ich war erleichtert, als ich neben der leeren Kaffeekanne eine kurze Notiz des Cheerleadertrios fand, und noch dankbarer, Shane zu sehen, der meinen Kühlschrank plünderte. Er machte sich gerade über den Karton mit dem chinesischem Essen her, das übrig geblieben war.

»Eine Blondine, eine Brünette und eine Rothaarige kommen in eine Bar«, sagte er, als er sich umdrehte und an den Küchentresen lehnte. »Welche nimmst du mit nach Hause?«

»Warum sich für eine entscheiden, wenn man alle drei haben kann?«, scherzte ich.

Shane schüttelte den Kopf und schob sich eine Portion Schweinefleisch süß-sauer in den Mund.

»Und ich habe sie nicht in einer Bar aufgerissen.« Ich stahl ihm die Packung und die Gabel aus der Hand und steckte mir selbst eine große Portion in den Mund. Ich grinste, obwohl mir eigentlich gar nicht danach war. »Das waren Cheerleader. Von den Lakers. Ich hab sie nach dem Spiel kennengelernt.«

Shane sah mich mit hochgezogener Augenbraue an. Er bemühte sich, ernst zu bleiben, musste aber schließlich doch lachen. »Das ist selbst für dich beeindruckend.«

»Ich schätze, es tut gut zu wissen, dass ich es immer noch draufhabe.«

Dann seufzte ich und setzte mich mit meinen kalten Essensresten an den Küchentisch. Shane entschied sich für eine Banane und ein Glas Milch und gesellte sich zu mir. Sein Tonfall klang ein wenig ernster, als er fragte: »Wie hat Adrianna darauf reagiert?«

»Ungefähr so, wie man es von ihr erwarten würde.« Ich strich mir übers Gesicht, als könnte ich damit meine Kopfschmerzen wegwischen. Ich war mir ziemlich sicher, dass das Hämmern mehr mit Adrianna als mit dem Tequila am Abend zuvor zu tun hatte. »Ich würde ja sagen, dass sie mir leidtut, aber …«

»Ja, ich hab’s gehört. Brutal. Bist du in Ordnung?«

Ich sah Shane über den mit Schweinefleisch gefüllten Karton hinweg an. »Ich muss mich nicht an deiner Schulter ausheulen, wenn du das damit meinst, Blödmann.«

Shane schnaubte. »Könntest du meiner Verlobten gegenüber zumindest behaupten, dass du das musstest? Sie hat mich hergeschickt, um sicherzugehen, dass du immer noch zu unserer Hochzeit dieses Wochenende kommst, aber sie hat mir nur erlaubt, zwanzig Minuten zu bleiben. Es gibt gerade irgendein Dekoproblem, und sie dreht deswegen total am Rad. Ich will mich wirklich nicht mit einem Dekoproblem beschäftigen müssen.«

Shane warf einen Blick auf den Zettel der Cheerleader und schmunzelte. Er war mit Lippenstiftabrücken und Handynummern bedeckt. »Außer du lässt mich für ein besseres Angebot im Stich.«

Ich stöhnte auf. »Ehrlich gesagt habe ich jetzt erst mal genug von Frauen. Versprich mir einen Tag voller sinnloser Actionfilme, Videospiele, Burger und Bier, und ich weine für deine irre Verlobte echte Tränen.«

Shane legte mir seine Hand auf die Schulter und sah mich mit einem feierlichen Blick in den Augen an, der mich zum Lachen brachte. »Mein Held.«

3

H steht für Hochzeit

Es gibt nur eine Sache, die schlimmer ist als Hochzeiten – und das sind alkoholfreie Hochzeiten. Caras Vater ist seit acht Jahren trockener Alkoholiker, also gab es auf der Feier davon auch absolut keinen Tropfen. Ich respektierte ihre Entscheidung, aber ich brauchte unbedingt einen Drink.

Zumindest war der DJ ganz anständig. Doch da dies hier Caras Hochzeit war, hatte ich auch nichts anderes erwartet. Sie besitzt einen ausgezeichneten Musikgeschmack, und ich war mir sicher, dass sie die Playlist mit Argusaugen überwacht hatte.

Was Hochzeiten anging, war diese hier ziemlich gut – trotz des Alkoholverbots. Das Essen war großartig, die Musik mitreißend und die Gästeliste kurz. Cara war eine atemberaubende Braut – und hey, die ganze Sache fand auf Hawaii statt. Wenn ich nur jemanden dazu hätte bringen können, mir ein Glas Whiskey zu besorgen, um die Tatsache zu vergessen, dass ich erst vor zwei Wochen mit meiner Verlobten überlegt hatte, welche Hochzeitstorte wir selbst servieren wollten.

»Warum bin ich bloß hier?«

Es war eine rhetorische Frage, aber mein ehemaliger Bandkollege Dustin beantwortete sie dennoch. »Weil es Shane ist.« Er trank einen Schluck Limonade und verzog sein Gesicht. Der arme Kerl hasste es genauso sehr wie ich, nüchtern zu sein. Darum war er normalerweise auch niemals nüchtern. Er rülpste. »Du weißt, dass Cara ausgerastet wäre, wenn du abgesagt hättest.«

Das stimmte. Cara war es sehr wichtig gewesen, dass wir alle teilnahmen. Es war das erste Mal nach Reids Beerdigung, dass die Jungs wieder versammelt waren. Die ganze Band zusammen war das einzige Geschenk, das sie sich von uns zur Hochzeit gewünscht hatte. Es war ziemlich unangenehm, doch Cara hatte recht: Wir mussten heute für Shane da sein. Außerdem hatte ich einfach Angst vor dieser Frau, also tat ich, was sie wollte.

»Hey, Mann, zumindest springt was für dich dabei raus.« Dustin stieß meine Schulter an und nickte in eine bestimmte Richtung. »Die Trauzeugin zieht dich mit ihren Augen aus, seit du hier bist.«

Ich folgte seinem Blick auf die Tanzfläche, wo besagte Trauzeugin gerade ihren obligatorischen Tanz mit dem Trauzeugen hinter sich brachte. Shanes jüngerer Bruder starrte ihr auf die Brust, während sie mich anstarrte. Als ich ihren Blick erwiderte, wurden ihre Wangen ganz rot. Ich würde nicht mal mit ihr reden müssen. Ich konnte einfach in Richtung Ausgang nicken, und sie würde mir in mein Hotelzimmer folgen.

Sie war zweifellos attraktiv. Es handelte sich um eine Schauspielkollegin von Cara aus dieser Seifenoper, und ich war mir ziemlich sicher, dass sie die Rolle aus zwei Gründen bekommen hatte – die gleichen zwei Gründe, die ihr kaum dem Teenageralter entwachsener Tanzpartner immer noch anstarrte.

»Vielleicht sollte ich sie mal besser vor diesem Idioten retten.«

Dustin warf mir einen fragenden Blick zu, sprach aber nicht aus, woran er dachte. Stattdessen zuckte er nur mit den Schultern. »Wenn nicht du, dann ich.«

Ich schaute Dustin an und sah etwas in seinen Augen, das mich ärgerte. Mitleid. Er schob mich in Richtung der Frau, die leicht zu haben war, weil ich ihm leidtat. Plötzlich war ich entschlossen, der Welt – und besonders Dustin – zu beweisen, dass Kyle Hamilton kein Mann war, den man bemitleiden musste. Mit diesem Gefühl betrat ich die Tanzfläche. Scheiß auf diesen »ersten Tanz«. Ich ging dazwischen.

»Entschuldigung, macht es dir etwas aus, wenn ich …«

»Sehr gern!«

Die Trauzeugin hing bereits an mir, noch bevor dem armen Ben klar war, dass ich ihn ersetzt hatte. Ich ignorierte seinen bösen Blick und zog die schöne Frau an mich. Sie roch gut und trug ein Kleid, das nichts der Fantasie überließ.

Sie sah mit flatternden Wimpern zu mir auf und knabberte sinnlich auf ihrer Unterlippe. »Ich hatte gehofft, dass du mich zum Tanz auffordern würdest«, sagte sie.

Ich hatte das in der Vergangenheit so oft gemacht, dass meine Antworten ganz automatisch kamen. »Wie könnte ich der schönsten Frau im Raum widerstehen?«

»Lass das heute besser nicht Cara hören.«

»Es bleibt unser kleines Geheimnis.«

Ich zwinkerte, und sie lächelte verführerisch, bevor sie ihren Kopf auf meine Schulter legte. Die Art, wie sie ihre Brüste an mich presste, war kein Zufall. Diese Frau war mit dem Spiel genauso vertraut wie ich – ein Profi. Dennoch war es nur höflich, zumindest ein bisschen zu plaudern, bevor ich sie mit auf mein Hotelzimmer nahm. »Du bist also eine Kollegin von Cara?«

»Ja.« Die Trauzeugin sah sich im Raum und warf mir dann ein weiteres verführerisches Lächeln zu. »Sollen wir diesen Tanz vielleicht irgendwohin verlegen, wo es ein bisschen privater ist? Ich habe oben ein Zimmer.«

Ich grinste. So viel zur Höflichkeit. »Hast du als Trauzeugin nicht irgendwelche Pflichten zu erledigen?«

Sie zuckte mit den Schultern. »Es dauert noch mindestens eine Dreiviertelstunde, bis sie den Kuchen anschneiden und den Brautstrauß werfen.«

Mein Blick wanderte hinunter zu ihren Brüsten. Ich weiß, dass ich Ben gerade noch im Stillen dafür gerügt hatte, aber ich konnte nicht anders. Es waren verdammt schöne Brüste – sie waren bestimmt teuer gewesen – und auch der Rest von ihr war perfekt. Ich versuchte, mir all die Dinge vorzustellen, die ich mit einem Körper wie ihrem machen konnte, um mich in Stimmung zu bringen.

Ich ließ meine Hände nach unten sinken und genoss eine jugendfreie Vorschau dessen, was mir bevorstand. Die Trauzeugin erschauerte vor Lust. Sie hob ihr Kinn und öffnete leicht die Lippen. Es war eine eindeutige Einladung, also küsste ich sie.

Der Kuss war ziemlich hitzig. Und sie stand darauf. Sie stand eindeutig darauf. Aber ich nicht. Für mich war da gar nichts. Kein Feuer. Keine Funken. Ich spielte ihr etwas vor. Ich wusste, dass ich mich möglicherweise ein bisschen besser fühlen würde, wenn ich mit ihr hochging, doch aus irgendeinem Grund schien es mir den Aufwand nicht wert zu sein.

Überrascht von meinen Gedanken hörte ich auf, sie zu küssen. Gelegenheitssex mit einer schönen Frau war mir den Aufwand nicht wert? Was zum Teufel war hier los?

»Gibt es ein Problem?«, flüsterte sie gegen meinen Hals.

Gab es ein Problem? Ich hatte keine Ahnung. Ich wusste nicht, was gerade mit mir los war. So etwas hatte ich nie zuvor empfunden.

Als sich jemand räusperte, ließ die Trauzeugin von meinem Hals ab. Vor uns standen die Braut und der Bräutigam und sahen uns amüsiert an.

»Wie ich sehe, hast du Aphrodite schon kennengelernt«, sagte Cara ironisch.

Die Trauzeugin hieß Aphrodite? Was für ein seltsamer Name. Es musste sich um einen Künstlernamen handeln. Weil sie Schauspielerin war. Wie der Typ, der meine Verlobte flachgelegt hatte. Ich hasse Schauspieler.

»Wir wurden uns noch nicht offiziell vorgestellt.« Aphrodite kicherte. »Würde es euch etwas ausmachen, mit der Torte und dem Brautstrauß noch etwas zu warten? Ich verspreche, dass wir nicht lange weg sein werden.«

Ich rechnete fest damit, dass Cara einen Tobsuchtsanfall bekommen würde, doch sie schien von der Bitte ihrer Freundin nicht im Geringsten überrascht zu sein. Sie verdrehte nur die Augen und sagte: »Ihr habt eine halbe Stunde, sonst werfe ich den Strauß ohne dich.«

Aphrodite strahlte und warf Cara einen Luftkuss zu. »Hab dich lieb, Babe. Du bist die Beste!«

Sie griff nach meiner Hand, doch ich zog sie weg, bevor sie mich aus dem Saal ziehen konnte. Als sie mich fragend ansah, wusste ich zuerst nicht, was ich ihr sagen sollte. Ich war mir ja selbst nicht sicher, was mein Problem war. Aber dann sagte ich plötzlich: »Ich denke, ich bleibe lieber hier.«

Das überraschte Shane, Cara und besonders Aphrodite so sehr, dass zuerst niemand etwas sagte. Aphrodite starrte mit ihren großen blauen Augen zu mir auf, als könnte sie überhaupt nicht verstehen, was hier gerade geschah. »Tut mir leid«, sagte ich. »Du bist wirklich wunderschön und alles, aber dazu wird es nicht kommen. Jedenfalls nicht mit mir.« Ich deutete auf meinen einsamen Bandkollegen und fügte hinzu: »Dustin hätte aber wahrscheinlich nichts dagegen einzuwenden.«

Aphrodite riss die Augen auf und ich wusste, was kommen würde. Ich versuchte nicht mal, der Ohrfeige auszuweichen, als sie ihre Hand hob. Ich verdiente es. Sie belegte mich mit einer beeindruckenden Sammlung von Schimpfworten und marschierte dann zur Damentoilette.

Ich drehte mich zu meinen zwei entgeistert blickenden Freunden um und lächelte verlegen. »Zumindest hatte sie kein Glas Champagner in der Hand. Ich hab mal gehört, dieses Zeug brennt, wenn man es in die Augen bekommt.«

Beide starrten mich weiter mit offenem Mund an und warteten auf eine Erklärung, die ich nicht hatte.

»Was zum Teufel war das?«, fragte Cara.

Ich verzog das Gesicht, als mir klar wurde, dass ich die Braut an ihrem großen Tag möglicherweise verärgert hatte. »Tut mir leid, wenn ich jetzt deine Hochzeit ruiniert habe. Ich wollte deine Freundin nicht beleidigen. Ich hatte nur keine Lust auf sie.«

Ich wartete auf einen der Wutausbrüche, die ich von Adrianna erwartet hätte, wenn sie in Caras Position gewesen wäre, doch stattdessen musste Cara lachen. »Dass ich das noch erleben darf!«, stieß sie zwischen ihrem Lachanfall hervor. »Kyle Hamilton bekommt eine Ohrfeige, weil er das Angebot auf einen Quickie ausschlägt!«

»Schnell, ruft Guinness an!«, ergänzte Shane. Er lachte so sehr, dass er sich an meiner Schulter festhalten musste, um nicht umzufallen. »Das muss irgendeine Art von Rekord sein.«

Sie meinten es nicht böse, aber ich wurde dennoch wütend. Ich wusste selbst, dass die Situation ziemlich ironisch war, aber ich konnte nicht mitlachen. Für mich war es nicht komisch. Sondern beunruhigend. Was zum Teufel war los mit mir?

Ich seufzte und setzte ein falsches Lächeln auf, von dem ich wusste, dass es niemanden täuschen würde. »Herzlichen Glückwunsch euch beiden. Wenn ihr mich braucht, ich bin an der Hotelbar.«

*

Ich beschäftigte mich gerade mit einem Glas Scotch, als sich Cara neben mir auf einen Barhocker setzte. »Stiehlst du dich von deiner eigenen Hochzeit davon?«

»Muss nur mal kurz durchatmen.« Sie schlug mit der Hand auf den Tresen. »Kann ich was zu trinken bekommen? Etwas Starkes.«

»Die Schwiegermutter?«, fragte der Barkeeper schmunzelnd, während er ein Schnapsglas vor sie stellte und mit Wodka füllte.

Cara kippte den Shot wie ein Profi. Dann verzog sie ihr Gesicht und stöhnte auf. »Diese Frau treibt mich noch in den Wahnsinn.«

Dieses Mal lachte ich ebenfalls.

Cara legte ihren Arm um meine Schulter. »Danke, dass du heute gekommen bist. Es war bestimmt nicht leicht für dich, so kurz nach …«

Ich war froh, als sie nicht weitersprach. »Schon gut. Ich bin drüber weg.«

Cara sah mich skeptisch an.

»Nein, wirklich«, beharrte ich.

»Und was war das dann vorhin bitte?«

Ich zuckte mit den Schultern, trank meinen Scotch aus und bedeutete dem Barkeeper, dass er mir nachschenken sollte. »Wenn ich das nur wüsste.«

»Hast du seit Adrianna überhaupt etwas mit einer anderen Frau gehabt?«, fragte sie.

Plötzlich fühlte sich der Kragen meines Hemds viel zu eng an. Ich zog daran, doch als das nichts half, nahm ich die Krawatte ab und öffnete den obersten Knopf. »In der ersten Woche nach der Trennung mit mehr Frauen, als du wissen willst«, sagte ich, sobald ich wieder atmen konnte. »Aber als ich mich dadurch nicht besser gefühlt habe, hab ich einfach … das Interesse verloren.«

»Du hast das Interesse verloren?«

Ich zuckte erneut mit den Schultern. »Adrianna und ich hatten etwas … ich dachte, wir hätten etwas Besonderes. Gelegenheitssex erscheint mir jetzt einfach irgendwie sinnlos. Es ist den Ärger nicht wert.«

»Wow.« Cara blinzelte mich überrascht an, doch ihre Reaktion war aufrichtig.

Innerlich verfluchte ich mich, als mir klarwurde, was ich gerade gesagt hatte. »Sie hat mich kaputt gemacht, oder? Ich bin vollkommen fertig.«

Cara stibitzte einen Schluck meines Scotchs, dann lachte sie leise. »Vielleicht«, sagte sie. »Ich schätze, das hängt davon ab, wie du es betrachtest. Ich wette, wenn du Val fragst, würde sie sagen, dass dich Adrianna geheilt hat.«

Val. Caras ehemalige beste Freundin Valerie Jensen. Die einzigartige Virgin Val. Das Mädchen, das ich laut meiner Ex-Verlobten liebte, und wegen dem sie mich betrogen hatte. Warum wärmte eigentlich gerade jeder die Vergangenheit wieder auf?