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Sebastian Monroe, CEO und Dauersingle, hat ein Jahr Zeit, um die Liebe seines Lebens zu finden - ansonsten verliert er die Rechte am Familienunternehmen. Kurzerhand macht er bei der Reality-TV-Show "Marry Me" mit, doch er hat wenig Hoffnung, dort tatsächlich eine geeignete Partnerin zu finden. Vivian Euling arbeitet hinter den Kulissen als Stylistin und hat damit ihren absoluten Traumjob ergattert. Doch als plötzlich zwei Kandidatinnen aus der Show aussteigen müssen, springt Vivian gezwungenermaßen ein. Sie ist stinksauer und tut alles dafür, so schnell wie möglich rauszufliegen. Wäre da nur nicht Sebastian, der ganz andere Pläne für sie zu haben scheint ...
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Seitenzahl: 557
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Weitere Titel der Autorin
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Inhaltsinformation
Cinder & Ella
Cinder & Ella – Happy End. Und dann?
V is for Virgin
A is for Abstinence
Girl at heart
Das Avery Shaw Experiment
Das Libby Garrett Projekt
If we were a movie
Starburst Effect
Alice in La La Land
Übersetzung aus dem amerikanischen Englisch von Stephanie Pannen
Vollständige E-Book-Ausgabedes in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes
Titel der Originalausgabe:
»Beauty and the Bachelor«
Für die Originalausgabe:
Copyright ® 2024 by Kelly Oram
Published by arrangement with Bookcase Literary Agency
Für die deutschsprachige Ausgabe:
Copyright ® 2025 by
Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 – 20, 51063 Köln, Deutschland
Vervielfältigungen dieses Werkes für das Text- und Data-Mining bleiben vorbehalten.
Die Verwendung des Werkes oder Teilen davon zum Training künstlicher Intelligenz-Technologien oder -Systeme ist untersagt.
Textredaktion: Stephanie Röder, Remscheid
Umschlaggestaltung: Manuela Städele-Monverde
Umschlagmotiv: © Anastacia – azzzya/shutterstock
eBook-Erstellung: 3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)
ISBN 978-3-7517 – 7444 – 4
Sie finden uns im Internet unter one-verlag.de
Bitte beachten Sie auch luebbe.de
Für Sami.
Liebe Leser:innen,
dieses Buch enthält potenziell triggernde Inhalte. Dazu findet ihr genauere Angaben am Ende des Buches.
ACHTUNG: Sie enthalten Spoiler für das gesamte Buch.
Wir wünschen uns für euch alle das bestmögliche Leseerlebnis.
Euer Team vom ONE-Verlag
Die größte Chance meiner Karriere hängt von einer Frau ab, die gerade in diesem Moment mein Portfolio durchblättert. Andrea Michaels, die Showrunnerin der beliebten Realityshow Marry Me, ist bekannt dafür, nicht leicht zu beeindrucken zu sein. Ihre bloße Präsenz ist schon einschüchternd. Sie trägt einen grau melierten Designeranzug und pinke High Heels, für die ich töten würde. Ihre dunkelbraunen Haare sind zu einem strengen makellosen Knoten frisiert. Ich dagegen bin ihr komplettes Gegenteil. Mein Outfit ist bunt und voller Flair, mein Haar ist knallrot mit breiten blonden Strähnchen, und ich trage farbige Kontaktlinsen, die meine normalerweise blauen Augen violett aussehen lassen. Ich liebe meinen Look und passe perfekt in eine hippe Umgebung – aber wird er auch eine Frau wie Andrea beeindrucken? Oder wird sie mich für zu extravagant halten?
Ihr Gesicht ist ausdruckslos, während sie ein Foto nach dem anderen aus meiner Mappe studiert. Was denkt sie bloß? Mein Herz klopft wie wild, und ich war noch nie dankbarer als jetzt, dass ich daran gedacht habe, mein Deo aufzufrischen, bevor ich das Haus verlassen habe. Wahrscheinlich ist es ein gutes Zeichen, dass Andrea mich noch nicht zum Teufel gejagt hat. Es ist schon ein Wunder, dass ich überhaupt zu diesem Bewerbungsgespräch eingeladen wurde. Ob ich auch den Job ergattern kann? Ich glaube, für diese Chance würde ich mein Erstgeborenes hergeben.
Neben ihr zieht James Price wegen etwas in meinem Lebenslauf eine Augenbraue hoch. Was bedeutet das? Ist das gut? Oder schlecht? Ich werde noch wahnsinnig! Schließlich ist er der Regisseur der Show – und damit derjenige, der das letzte Wort hat, ob ich die Stelle bekomme oder nicht.
Marry Me ist eine Datingshow, in der dreißig hoffnungsvolle Kandidatinnen um die Aufmerksamkeit des begehrenswerten Bachelors der jeweiligen Staffel buhlen. Der Junggeselle schickt eine nach der anderen nach Hause, bis er sich in der letzten Folge für eine der Frauen entscheidet und ihr einen Antrag macht. Gerade läuft die siebzehnte Staffel – diese Show ist einfach wahnsinnig erfolgreich. Auf den romantischen Aspekt stehe ich gar nicht so sehr – ich nehme an, dass ein Großteil davon ohnehin im Schnitt künstlich erzeugt wird –, aber ich liebe die Outfits. Abgesehen von einem eigenen Modelabel, ist das hier mein Traumjob.
James legt meinen Lebenslauf auf den Tisch und tippt mit seinem Federhalter darauf. »Hier steht, dass Sie Ellamara Olivers persönliche Stylistin sind?«
Er lächelt mich neugierig an.
Ich wusste, dass ihn dieses Detail interessieren würde. Ellamara Oliver, für mich einfach nur Ella, ist mit einem der prominentesten Schauspieler der Welt verheiratet, einem Oscar-Preisträger, und Ella ist auf ihre eigene Weise berühmt. Es ist ganz natürlich, dass die Leute meine Verbindung zu ihr aufregend finden. Zweifellos fragt sich dieser Mann vor mir gerade, wie er das für seine Show ausnutzen kann.
Für gewöhnlich gebe ich mit meiner persönlichen Beziehung zu Hollywoods größtem Traumpaar nicht so an. Ich liebe beide von ganzem Herzen. Ella und ich sind seit der Highschool beste Freundinnen. Es war schon ziemlich verrückt, wie sie damals mit Brian zusammenkam und praktisch über Nacht berühmt wurde. Ihre plötzliche Bekanntheit veränderte das Leben von allen, die ihr nahestanden, einschließlich mir. Die Leute wussten, dass ich ihre beste Freundin bin. Sie wussten, wo ich wohnte. Paparazzi verfolgten mich. Vollkommen Fremde wollten mit mir ausgehen oder versuchten sich mit mir anzufreunden, um so an Brian heranzukommen. Das hat zu einigen unangenehmen Situationen geführt, und seitdem meide ich die sozialen Medien.
Ich will diesen Job aufgrund meiner Leistungen bekommen, nicht wegen meiner Beziehungen, und das wird hoffentlich auch klappen. Aber Ella ist meine wichtigste Klientin, und ich kann sie in meinem Lebenslauf nicht auslassen.
»Ja«, antworte ich, ohne unsere Freundschaft zu erwähnen, um es professionell zu halten. »Erinnern Sie sich an diese Webserie, die sie mit Brian gemacht hat? Die Abenteuer von Cinder & Ella? Sie lief drei Jahre lang. Ich habe Ella für jede einzelne Folge eingekleidet, oft mit Originalstücken von mir. Und jetzt style ich sie bei allen offiziellen Auftritten. Brian helfe ich ebenfalls öfter aus.«
Darauf reagiert Andrea endlich. Sie legt mein Portfolio auf den Tisch und mustert mich. »Ella hat es in den letzten Jahren auf mehrere Best-Dressed-Listen geschafft. Ich habe ihren Stil schon immer bewundert.«
Das geht mir runter wie Öl.
»Das Kleid bei den Oscars letztes Jahr ...« Es klingt fast wie eine Aufforderung. »War das von Ihnen?«
»Ja, Ma'am.«
Sie nickt. »Beeindruckend.«
»Ein Großteil meines Wissens und meiner Erfahrungen stammt aus der Modedesignschule, aber ich bin mit Kostümdesign aufgewachsen. Meine Väter sind seit der ersten Staffel die leitenden Kostümbildner von Celebrity Dance Off. Und ich habe ihnen bei der Produktion von Kleidern geholfen, seit ich alt genug war, um eine Nähmaschine zu bedienen.«
Das entlockt Andrea endlich ein Lächeln. »Kein Wunder, dass Sie für unsere Show arbeiten wollen. Die Kandidatinnen tragen genug Kleider, um ein kleines Land zu versorgen.«
Ich grinse sie an. »Das ist mit Sicherheit einer der Gründe.«
»Sie haben auch an einigen beeindruckenden Filmproduktionen mitgewirkt«, bemerkt James, der erneut meinen Lebenslauf überfliegt. »Aber nie in einer leitenden Position?«
Ich ziehe die Schultern zurück und recke das Kinn. In Wahrheit zittere ich wie Espenlaub, doch ich zwinge mich, selbstbewusst zu klingen. »Nein. Aber ich bin bereit. Ich habe die Erfahrung, das Wissen und die Leidenschaft. Ich liebe die Show, ich liebe die Kleidung, und ich will diesen Job. Ich verspreche Ihnen, wenn Sie mich einstellen, werde ich Ihnen immer 110 Prozent geben.«
Andrea und James werfen sich einen Blick zu. Andrea nickt als Antwort auf eine unausgesprochene Frage in James' Augen. Auf ihre Zustimmung hin strahlt er. »Wie es scheint, haben wir unsere Hauptkostümspezialistin der nächsten Staffel.«
Es gelingt mir gerade so, nicht loszukreischen, aber gegen das fette Grinsen, das sich auf meinem Gesicht ausbreitet, ist nichts zu machen. Meine neuen Vorgesetzten stehen auf. Ich zittere am ganzen Leib vor Aufregung, als ich ihnen die Hand schüttle.
»Willkommen im Team, Vivian«, sagt James freundlich.
»Vielen Dank, Sir.«
Er winkt ab. »Lassen Sie doch das Sir. Die Crew von Marry Me ist eine Familie. Nennen Sie mich James.«
Meine Wangen brennen, aber ich kann nicht anders, als wie ein Honigkuchenpferd zu lachen. »Danke, James.«
Als Nächstes schüttle ich Andreas Hand. »Ich verspreche Ihnen, dass Sie es nicht bereuen werden.«
Ihr Lächeln ist ebenfalls warm und freundlich. »Da bin ich mir sicher. Willkommen in der Familie.«
Die beiden begleiten mich nach draußen und weisen mich an, in der Personalabteilung die entsprechenden Dokumente zu unterschreiben. Doch bevor wir am Aufzug sind, bleibt James stehen. »Eine letzte Sache noch. Ich hasse es, so direkt zu sein, aber Sie scheinen wirklich beeindruckende Verbindungen zu haben.«
Ich lächle starr weiter, während ich mich auf die unausweichliche Bitte vorbereite, Brian und Ella irgendwie für die Show zu gewinnen. Es ist nichts Persönliches. Die Leute können nicht anders. Das ist Hollywood. Networking ist alles.
James wirkt ein bisschen verlegen und wird tatsächlich rot. Irgendwie macht ihn mir das sympathisch. Die meisten sind völlig schamlos in ihren Versuchen, mich auszunutzen.
»Wir haben für die anstehende Staffel immer noch ein paar freie Plätze«, fährt er fort. »Unsere Einschaltquoten sinken, also hoffen wir, eine Kandidatin zu finden, die eine gewisse Berühmtheit mitbringt. Vielleicht eine Schauspielerin, Musikerin, selbst eine professionelle Cheerleaderin oder so was in der Art würde gehen. Eine Frau, die dieser Staffel ein bisschen Würze verleiht.« Er hält mir seine Visitenkarte hin. »Sie haben viel im Film gearbeitet. Falls Sie jemanden kennen, die vielleicht interessiert ist, würde ich gern ein Gespräch arrangieren.«
Meine Augenbrauen schießen meine Stirn hinauf. James hat nicht nach Brian und Ella gefragt und war überhaupt nicht aufdringlich. Das gefällt mir. Und er hat auch nicht gefragt, bevor er mir den Job angeboten hat. Meine Position hat nichts damit zu tun, ob ich ihm helfen kann oder nicht. Dafür bekommt er noch mal Extrapunkte. Hollywood kann ein berechnender Ort sein. Es ist immer schön, Menschen zu begegnen, die es aufrichtig meinen.
Ich kenne tatsächlich eine Person, die passen könnte, und da James nicht unangenehm gefragt hat, wäre ich bereit, ihm ihren Namen weiterzugeben. Na ja, und meine Freundin Juliette würde mir wahrscheinlich ohnehin die Hölle heißmachen, wenn ich es nicht tue. Sie ist nämlich besessen von dieser Show.
»Eigentlich ...«
James und Andrea bleiben wie angewurzelt stehen. Die Überraschung in ihren Augen ist deutlich zu erkennen, genau wie ihre Hoffnung. James faltet die Hände vor der Brust, als müsste er sich selbst im Zaum halten. Dabei hüpft er ein bisschen auf und ab. »Haben Sie jemanden im Sinn?«
Andrea gibt sich viel cooler. Sie hat wieder ihr Pokerface aufgesetzt, aber in ihrem Blick liegt eine Intensität, die mich überrascht. Sie müssen ziemlich in Zugzwang sein.
»Sie sind keine Promis per se, aber Ellas Stiefschwestern würden wahrscheinlich alles tun, um in die Show zu kommen.«
James spitzt die Ohren wie ein eifriger Hund. »Ellamara Olivers Stiefschwestern? Die Zwillinge?«
Ich lächle. Ellas Stiefschwestern sind keine Unbekannten. Anastasia und Juliette sind hinreißend und haben einen Haufen Medienaufmerksamkeit bekommen, als Ellas Aschenputtelromanze die Nation im Sturm erobert hat. Anastasia ist ihrer Mutter ins Modelgeschäft gefolgt. Ihr fehlt es nie an Buchungen. Juliette hat sich entschieden, zu studieren. Nächsten Monat macht sie ihren Abschluss in Jura. Die Dreharbeiten würden direkt danach beginnen. Wenn sie die Show machen will, wäre jetzt der richtige Zeitpunkt. Allerdings wird ihr Vater sie wahrscheinlich umbringen. Und mich gleich mit.
»Sie sind beide Riesenfans«, erkläre ich. »Die Art Fans, die jede Woche eine Watchparty schmeißen. Ana würde es wahrscheinlich tun, um ihre Modelkarriere zu pushen. Juliette ist einfach nur eine hoffnungslose Romantikerin. Sie wird von Ihrem neuen Bachelor wahrscheinlich sofort hin und weg sein. Die beiden sind dann allerdings erst zweiundzwanzig. Ich weiß nicht, ob Sie nach jemandem suchen, der so jung ist. Und ich bin mir unsicher, ob eine von ihnen schon bereit wäre, zu heiraten.«
»Damit können wir arbeiten«, sagt Andrea schnell. Ich kann ihr ansehen, dass sie über diese Aussicht ebenso begeistert ist wie James. »Wenn eine von ihnen interessiert wäre ...«
»Oder beide«, wirft James ein.
Andrea nickt. »Wenn sie interessiert sind, sagen Sie ihnen bitte, dass sie uns anrufen sollen. Wir würden dann so schnell wie möglich ein Treffen ausmachen.«
Ich nehme die Visitenkarte entgegen und stecke sie in meine Handtasche. Selbst wenn keine der beiden es machen will, werden sie doch ausrasten, dass ich ihnen die Gelegenheit verschafft habe. Ich kann es kaum abwarten, ihnen die Neuigkeit zu erzählen.
Ein paar Stunden später treffe ich mich mit meinen Freundinnen, um auf meinen neuen Job anzustoßen. Ella und ihre Schwägerin Alice warten draußen vor einer Pianobar namens Tramp Stamp Granny's auf mich. Das war bestimmt Alice' Idee. Sie hat einen besseren Überblick über das Nachtleben von LA als jeder andere, den ich kenne. Das kommt daher, dass sie Teil der Musikwelt ist. Ihre Rockband hat sich in der örtlichen Musikszene schon einen ziemlich guten Ruf erarbeitet. Sie spielen überall von winzigen Kellerkneipen bis hin zu mittelgroßen Theatern. Das bringt sie an ein paar ziemlich interessante Orte in der Stadt.
Ich verpasse meiner besten Freundin eine dicke Umarmung und bin unheimlich froh, dass sie hier ist. Denn sie war bis zuletzt nicht sicher, ob es klappen würde. »Du hast es geschafft!«
Ella stöhnt. »Gerade so. Fast hätte ich keinen Babysitter gefunden. Brian muss heute lange drehen und Dad ist noch immer krank, deshalb wollte ich Apollo nicht bei ihm abgeben. Meine anderen üblichen Babysitter sind hier. Also musste ich jemand Fremdes bestellen.«
Sie wirkt erschöpft, aber glücklich. Vor einem Jahr haben Brian und sie ein kleines Baby bekommen. Wegen Ellas körperlichen Einschränkungen hatten sie sich für eine Adoption entschieden. Apollo ist inzwischen zwei und das Licht unseres Leben.
»Tut mir leid.« Ich tätschle ihren Oberschenkel. »Ich werde dich nicht zu lange von ihm fernhalten.«
Ella schenkt mir ein dankbares Lächeln. »Ein paar Stunden darf ich wohl mal raus. Diese Mama braucht eine Pause.«
Ich runzle die Stirn, als mir klar wird, was sie vorhin gesagt hat. »Dein Dad ist immer noch krank? Das geht doch jetzt schon ein paar Wochen so.«
Ella seufzt. »Ja, ich sage ihm dauernd, dass er sich endlich mal untersuchen lassen soll. Aber du kennst ihn ja. Wenn er nicht gerade auf dem Sterbebett liegt, würde er lieber zur Arbeit gehen als zu einem Arzt.«
»Da hast du also deine Sturheit her«, scherzt Alice.
Ella verdreht die Augen. »Die hab ich von meinen beiden Eltern. Und die von Brian sind auch nicht besser. Kommt schon, lasst uns loslegen. Ich kann es kaum erwarten, Vivians große Neuigkeiten zu hören.«
Die Bar ist bereits brechend voll, als wir reingehen. Jemand spielt Klavier und eine Gruppe angetrunkener Gäste singt einen alten Song der Backstreet Boys mit. Sobald wir mit einem Drink in der Hand auf einem der Plüschsofas sitzen, lehnen wir uns zurück und genießen die unbeschwerte, lustige Atmosphäre dieses Schuppens.
Zehn Minuten später tauchen die Zwillinge auf. Als sie reinkommen, drehen sich nicht wenige Köpfe um, und ein paar Männer plustern sich auf. Ich schüttle den Kopf und lächle. Ellas Stiefschwestern gehören zu den umwerfendsten Frauen in ganz Los Angeles. Absolut atemberaubend, genau wie ihre Mutter. Groß, langbeinig, blond, mit schmalen Taillen und attraktiven Gesichtzügen. Sie sind zweieiige Zwillinge, sehen sich jedoch ähnlich genug, um miteinander verwechselt zu werden, wenn da nicht ihr völlig gegensätzliches Auftreten wäre.
Ana ist eine sehr vornehme, reservierte Frau mit einem glatten blonden Bob und einem Verpiss-dich-Blick, der sogar die selbstbewusstesten Alphamännchen abschreckt. Sie ist schwierig im Umgang, aber sie gehört zur Familie. Juliette ist das komplette Gegenteil. Sie ist temperamentvoll und freundlich, mit langen blonden Haaren, die ihr bis zur Taille reichen, und einem strahlenden Lächeln, das den Verkehr zum Erliegen bringen kann. Wir haben sie immer Malibu Barbie genannt, bis sie angefangen hat, Jura zu studieren. Jetzt nennen wir sie nur noch Natürlich Blond.
»Das ist ja toll hier!«, ruft sie fröhlich aus, quetscht sich zwischen uns aufs Sofa und nippt an ihrem Cocktail.
Ana sitzt ein bisschen steifer da und rümpft die Nase, als hätte sie Angst, sich etwas einzufangen. »Ich kann nicht fassen, dass ich in einem Laden bin, der Tramp Stamp Granny's heißt. Wer bitte ist dafür verantwortlich?«
»Alice«, sagen wir anderen gleichzeitig und brechen in Gelächter aus. Alice verdreht die Augen.
»War ja klar«, sagt Ana seufzend.
Juliette klopft mir aufs Knie. »Also. Was ist der Grund für diesen Notfallmädelsabend?«
Ana lächelt mich über den Rand ihres Martinis hinweg an. »Betrauern wir das Ende einer weiteren Beziehung?«
»Meiner oder deiner?«, erwidere ich. Ihre Erfolgsbilanz in diesem Bereich ist nicht viel besser als meine.
Ihre Lippen zucken.
Ich schüttle den Kopf. »Nein, heute Abend feiern wir.«
Es folgt eine dramatische Pause, während der ich mir den langen Pony aus dem Gesicht streiche.
»Was denn?«, fragt Juliette. Sie war noch nie besonders geduldig.
Ich grinse breit, und ich kann die Neuigkeit selbst immer noch nicht so ganz fassen. »Vor euch sitzt die neue Hauptkostümbildnerin für Marry Me.«
Alice und Ella johlen, klatschen und beglückwünschen mich, aber sie sind keine so großen Fans der Sendung wie die Zwillinge, also ist ihre Reaktion eher typisch. Der Ausdruck von Schock in den Gesichtern der Zwillinge hingegen ist genau das, worauf ich gehofft hatte.
»NEIN!«, ruft Juliette.
Ana würde niemals wie Juliette ihre Contenance verlieren, doch auch in ihren Augen blitzt Begeisterung auf. »Ernsthaft?«
Unwillkürlich strecke ich stolz die Brust raus. »Japp. Und als Teamleiterin bekomme ich auch mehr Geld und darf mit der Show mitreisen.«
Juliette kreischt. »Ich kann nicht glauben, dass du jetzt bei Marry Me arbeitest! Du wirst alle Kandidatinnen treffen. Du kannst uns alle internen Neuigkeiten verraten. Ich will jedes kleinste Detail hören.«
Nur ungern lasse ihre Seifenblase platzen. »Tut mir leid, aber ich werde nicht viel erzählen können. Ich musste eine extrem strenge Verschwiegenheitserklärung unterzeichnen. Sollte ich irgendwelche Interna verraten, werden sie mich mehr oder weniger ruinieren. Vielleicht hätte ich lieber mal euren Vater drüberschauen lassen sollen. Könnte sein, dass ich mit meiner Unterschrift heute Nachmittag meine Seele verkauft habe. Aber wir reden hier von Marry Me. Ich konnte es nicht ablehnen. Bademode, Alltagskleidung, Abendgarderobe und all die Ballkleider! Jede Woche, für Dutzende wunderschöner Frauen. Das ist der absolute Modehimmel.«
»Und du bist die leitende Kostümbildnerin«, fügt Ella hinzu. »Das heißt, du kannst die anderen herumkommandieren.«
Ich grinse erneut. Es wird schön sein, zur Abwechslung mal Assistenten zu haben, anstatt selbst die Assistentin zu sein. Ich kann immer noch nicht fassen, dass ich einen so tollen Job ergattert habe.
Juliette erhebt ihren Drink zu einem Toast. »Auf Vivian und all die Kleider, die sie zur Verfügung haben wird!«
»Auf die Reisen um die Welt!«, fügt Alice hinzu.
Ella prostet mir ebenfalls zu. »Auf deine Lakaien!«
Wir alle schauen Ana an und warten. Langsam hebt sie ihr Glas. »Auf ein höheres Gehalt.«
»Hört, hört!«, erwidere ich. Wir stoßen an und trinken auf mein unglaubliches Glück.
Nachdem ich ihnen alle Einzelheiten meines Bewerbungsgesprächs geschildert, wir über vergangene Episoden geredet sowie über die kommende Staffel spekuliert haben, lehnt sich Juliette zurück und seufzt. »Das ist die coolste Sache, die je irgendjemandem, den ich kenne, passiert ist.« Sie grinst Ella an. »Nichts für ungut. Es ist natürlich auch cool, herauszufinden, dass dein Online-Kumpel ein Filmstar ist, aber es ist eben nicht Marry Me.«
Wir lachen. »Deine Besessenheit von dieser Show grenzt ans Ungesunde«, sagt Ella.
Juliette bringt ihre Hände zusammen und presst sie an die Brust. »Was kann man daran nicht lieben?«
»Ja«, meint Ana. Sie mag die Sendung genauso sehr wie ihre Schwester. »Das Drama, die Mode, die exotischen Drehorte ...«
»Die gebrochenen Herzen«, fährt Juliette fort und seufzt wehmütig. »Die Romantik.«
»Ist wahrscheinlich alles gescripted«, entgegnet Alice. Ella und ich nicken, während Ana die Stirn runzelt und Juliette schmollt.
»Das werden wir wohl herausfinden, sobald die nächste Staffel läuft.« Juliette wirft mir ein verschwörerisches Lächeln zu. »Auch wenn du uns keine Details verraten kannst, könntest du uns zumindest sagen, wie echt es ist.«
»Das kann ich.«
Juliette schaut verträumt ins Nichts. »Ich bin so neidisch.«
Ich habe schon den ganzen Abend auf die perfekte Gelegenheit gewartet, um ihr meine andere Neuigkeit zu erzählen, und jetzt ist es so weit. »Ich habe noch etwas zu erzählen«, erkläre ich mit einem durchtriebenen Lächeln. »Noch ein Geheimnis.«
Alle starren mich an. »Was?«, fragt Juliette ungeduldig.
Ich lehne mich vor und die anderen tun es mir gleich, bis wir einen kleinen, intimen Kreis gebildet haben. »Nach meinem Bewerbungsgespräch haben mir die Showrunnerin und der Regisseur noch erzählt, dass sie auf der Suche nach neuen Kandidatinnen für die nächste Staffel sind. Sie brauchen jemanden mit bekanntem Namen, um ihre Einschaltquoten zu erhöhen. Es könnte sein, dass ich Ana und dich ins Spiel gebracht habe.«
»WAS?«, ruft Juliette.
»Sie fanden die Idee toll.« Ich hole James' Visitenkarte aus der Tasche und gebe sie Juliette. »Sie meinten, wenn eine von euch oder ihr beide interessiert seid, würden sie sich gern mit euch unterhalten.«
»Um in der Show zu sein?«, kreischt Juliette.
Ich zucke mit den Schultern.
Juliette beginnt auf ihrem Platz auf und ab zu hüpfen. »Oh mein Gott! Ich werde bei Marry Me mitmachen!«
Ella legt ihrer Schwester eine Hand aufs Bein, damit sie nicht vom Sofa hüpft. »Jules, beruhige dich.«
»Du willst dich doch wohl nicht wirklich für diese Sendung bewerben, oder?«, fragt Alice.
Juliette starrt sie an, als wäre sie verrückt. »Willst du mich auf den Arm nehmen? Das wäre ein wahr gewordener Traum.«
Ella und Alice werfen sich einen skeptischen Blick zu. Ich kann es ihnen nicht verdenken. Ich wusste, dass Juliette so reagieren würde, aber ich halte sie trotzdem für verrückt.
Alice trinkt ihr Glas aus. »Das Ziel der Sendung besteht darin, zu heiraten. Am Schluss ist man buchstäblich verlobt. Ihr seid beide erst einundzwanzig.«
Juliette zuckt mit den Schultern. »Wenn es passt, passt es eben. Wäre das nicht unglaublich romantisch?«
Alice schüttelt den Kopf. »Wie willst du nach ein paar Wochen wissen, ob du den Rest deines Lebens mit diesem Typen verbringen willst? Dauert das Ganze nicht nur zwei Monate oder so?«
Alle sehen zu mir. »Die Produktion dauert für gewöhnlich sechs bis neun Wochen.«
Alice deutet auf mich, als hätte ich ihr gerade recht gegeben. Und ich muss ihr zustimmen. Ich bin genauso skeptisch wie sie und Ella. Ich weiß, wie Fernsehen funktioniert. Alles wird für die Einschaltquote manipuliert. Und jetzt mal ehrlich, als könnte man in wenigen Wochen mit einem Kerl die Liebe finden, der sich gleichzeitig noch mit neunundzwanzig anderen Frauen trifft.
»Ich habe gehört, dass jede Frau höchstens zweiundsiebzig Stunden mit dem Mann allein verbringt, bevor die Staffel vorbei ist«, erkläre ich. »Ich liebe die Show, aber ich würde es hassen, eine Kandidatin zu sein. Um die Zuneigung eines Kerls kämpfen zu müssen? Wochenlang nichts anderes zu tun zu haben, als mit all den anderen Frauen, die sich den Typen schnappen wollen, in einer Villa zu hocken? Nein danke.«
»Es kann funktionieren«, beharrt Juliette. »Es gibt einen Haufen Paare, die sich dort kennengelernt, geheiratet und Familien gegründet haben. Viele davon sind immer noch zusammen.«
»Spielt aber auch keine Rolle«, sagt Ana. Sie ist der gleichen Meinung wie ihre Schwester, wenn auch aus völlig anderen Gründen. »Man muss den Antrag nicht annehmen, wenn es sich nicht richtig anfühlt oder man noch nicht bereit dafür ist. Das passiert genauso oft wie eine Verlobung. Und die Wahrscheinlichkeit, dass man es bis ins Finale schafft, ist eh gering. Eine von dreißig? Keine guten Aussichten. Besonders, wenn wir die jüngsten Frauen sind. Wer auch immer der nächste Junggeselle ist, er wird uns für Babys halten, und wir werden nicht lange dabei sein.«
Juliette wirft ihrer Schwester einen bösen Blick zu. »Warum zerstörst du meine Träume? Du bist so schrecklich unromantisch.«
»Ihr würdet die erste Runde bestimmt überstehen«, sage ich. »Ich bin mir sicher, dass sie etwas mit dem Kerl deichseln, damit ihr mindestens bis in die zweite Runde kommt. Ihr wärt doch viel zu gut für die Einschaltquote. Eine von euch schafft es bestimmt bis in die Folge, in der er eure Familie kennenlernt. Weil es die perfekte Möglichkeit wäre, Brian und Ella in die Sendung zu bekommen.«
Juliettes Stirnrunzeln vertieft sich, und sie verschränkt die Arme vor der Brust. »Ich will aber nicht nur deshalb genommen werden, weil Ella meine Schwester ist. Wenn ich merken würde, dass der Kerl nur das im Sinn hat, würde ich sofort nach Hause gehen. Ich will einen Mann, der so verliebt in mich ist, dass er an nichts anderes mehr denken kann.«
Das kann ich aus vollem Herzen nachempfinden. Ich hatte mehrere Beziehungen, bei denen sich am Ende herausgestellt hat, dass der Typ in Wirklichkeit nur an die Olivers ranwollte. Darum schließe ich Schauspieler inzwischen strikt aus. Genau wie Drehbuchautoren. Leider lebe ich in Hollywood, wo jeder entweder Schauspieler oder Drehbuchautor ist. Oder beides.
Ella tätschelt Juliettes Schulter. »Du bist einer der aufrichtigsten Menschen, die ich kenne. Ich bin mir sicher, dass du das Herz jedes Mannes gewinnen kannst, der bei der Show mitmacht. Und deshalb solltest du dir das vorher auch genau überlegen. Du bist wirklich noch sehr jung, um bereits ans Heiraten zu denken.«
Juliette schnaubt. »Und wie alt warst du genau, als du geheiratet hast?«
Ella öffnet den Mund, um etwas zu sagen, schließt ihn dann aber wieder. Ich grinse. »Da hat sie dich erwischt.«
Ella war neunzehn, als Brian und sie sich verlobt haben, und zwanzig am Tag ihrer Hochzeit. »Ist doch egal«, erwidert Ella. »Ist ja nicht jeder so dumm und impulsiv wie Brian und ich. Dad hat fast einen Herzinfarkt bekommen, als ich mit dem Ring nach Hause kam.«
»Es war weder dumm noch impulsiv. Ihr liebt euch. Und seid jetzt seit über drei Jahren glücklich verheiratet. Das Herz will, was es will. Das Alter spielt dabei keine Rolle.«
»Und es geht ja eigentlich auch gar nicht um Liebe«, wirft Ana ein. »Die meisten dieser Frauen nehmen an der Sendung teil, um bekannt zu werden. Weil es tolle Publicity ist. Allein deshalb würde ich es machen.«
»Sprich für dich selbst«, sagt Juliette. »Ich werde mir einen Mann angeln.« Sie kippt den Rest ihres Drinks herunter und brummt: »Einen, der viel besser ist als Tanner.«
Wir alle verziehen das Gesicht, als Juliette ihren Ex erwähnt. Sie hatte Tanner in ihrem zweiten Studienjahr an der UCLA getroffen und war fast zwei Jahre mit ihm zusammen gewesen. Bis sie ihn mit einer anderen erwischt hat. Wenn er gesagt hat, dass er »mit den Jungs ausgeht«, war das wohl in Wirklichkeit ein Code für »mit den Jungs auf Verbindungspartys gehen und mit anderen Mädchen schlafen.«
Juliette hatte das nicht gut verkraftet. Nach ihrer Trennung war an Tanners geliebtem Dodge Charger ziemlich übler Vanalismus verübt worden.
Nach der Wut folgte der Herzschmerz und war geblieben. Selbst acht Monate nach der Trennung weigert sie sich immer noch, sich auch nur umzusehen. Wenn es Marry Me braucht, um ihr Herz wieder zu öffnen, bin ich total dafür. Wie Ana gesagt hat, war es ohnehin ziemlich unwahrscheinlich, dass sie bis zum Finale kam.
Juliette schenkt ihrer Schwester ein entschlossenes Lächeln. »Willst du das mit mir machen?«
Ana zuckt mit den Schultern. »Schon, aber bist du sicher, dass du das machen willst? Je nachdem, wann gefilmt wird, musst du ein Semester aussetzen. Dad wird dich umbringen.«
Juliette hält inne. Sie macht nächsten Monat ihren Abschluss und ist bereits für das Hauptstudium im Herbst angenommen worden. Sosehr sie die Show auch liebt, hat sie doch sehr hart gearbeitet, um dorthin zu kommen, wo sie jetzt ist. Sie ist zwar eine Romantikerin, aber auch vernünftig. Glücklicherweise ist das Timing perfekt.
»Das sollte kein Problem sein.« Beide sehen mich an. »Die Dreharbeiten beginnen im Juni und dauern sechs bis neun Wochen. Wir wären also spätestens Ende August fertig. Die Uni fängt wann an, Mitte September?«
Das lässt Juliette wieder strahlen. »Um den neunzehnten September herum.«
»Das gibt dir zwar nicht viel Zeit, um dich auf das Studium vorzubereiten, aber du könntest es schaffen.«
Juliette kreischt erneut und klatscht in die Hände. »Das ist Schicksal! Ich werde mir einen begehrten sexy Junggesellen schnappen!«
Ella schüttelt den Kopf und lacht. »Dad wird einen Schlag bekommen.«
Vor vier Monaten brach meine Welt zusammen. Mein Vater und ich waren uns zwar nicht immer einig, aber er war mein Held. Mein Mentor. Einer der wenigen Menschen, die ich aufrichtig geliebt habe. Wir waren zerstritten, als er starb, und die Bombe, die er in seinem Testament hat platzen lassen, hat meinen Frust nur noch schlimmer gemacht. Genau wie meine Schuldgefühle.
Dads Tod kam plötzlich. Ein Herzinfarkt mit siebenundfünfzig, der unsere Familie und unser Unternehmen bis in die Grundfesten erschüttert hat. Die Monroe Financial Corporation ist eine familiengeführte Investmentbank mit einem geschätzten Wert von über fünfzig Milliarden Dollar. Als mein Vater starb, übernahm ich seine Position als Präsident und Geschäftsführer. Da nur ich mich für das Unternehmen interessiere, wurde ich mein ganzes Leben lang darauf vorbereitet, eines Tages das Zepter zu übernehmen. Aber ich hätte nie gedacht, dass es so bald passieren würde. Damit will ich nicht sagen, ich wäre nicht bereit. Doch ich dachte immer, ich hätte mehr Zeit. Dass sich mein Vater mit fünfundsechzig zur Ruhe setzen und mir als Mentor zur Seite stehen würde, wenn er mir die Zügel übergibt.
Ich vermisse meinen Vater. Aber ich bin auch furchtbar wütend auf ihn.
Wir waren uns nie einig, was mein Privatleben angeht. Dad war ein absoluter Familienmensch. Er hat hart gearbeitet, aber immer höchsten Wert darauf gelegt, so viel Zeit wie möglich mit uns zu verbringen, und hat auch versucht, diese Werte seinen Angestellten zu vermitteln. Mom und er hatten sich im College kennengelernt und sie war die Liebe seines Lebens. Die beiden sind fünfunddreißig Jahre verheiratet gewesen. Meine große Schwester Sophie und ich waren ihr ein und alles.
Sophie hat vor sechs Jahren geheiratet und ist gerade im fünften Monat mit ihrem zweiten Kind schwanger. Sie hat sich nie für das Familienunternehmen interessiert. Ich glaube, das hat mich noch stärker unter Druck gesetzt, in die Fußstapfen meines Vaters zu treten.
Seit ich laufen konnte, hat Dad mir die Firma gezeigt. Und seit ich vierzehn war, habe ich in den verschiedensten Positionen innerhalb unseres Unternehmens gejobbt. Ich habe meinen Abschluss in BWL und Rechnungswesen an der UCLA gemacht, während ich gleichzeitig für meinen Vater gearbeitet habe. Mit fünfundzwanzig saß ich bereits im Aufsichtsrat. Mir gefällt die Arbeit. Ich glaube an das Unternehmen. Und ich wollte meinen Vater stolz machen.
Doch nun, nach seinem Tod, droht er mir all das wegzunehmen. Nur weil ich nicht date.
Ich habe weder Zeit für noch Interesse an Beziehungen. Noch nie habe ich eine Frau getroffen, die sich nicht in Wirklichkeit nur für mein Geld oder meinen Status interessiert hat. Die meisten, die ich treffe, sind affektierte, narzisstische Goldgräberinnen. Frauen bedeuten Drama, und ich habe keine Zeit für ihre Spielchen.
Es ist nichts falsch daran, allein oder mit der Firma verheiratet zu sein, die ich allein über Wasser halte. Vor allem wenn ich niemandem vertrauen kann. Und wie sollte ich jemals einer Frau vertrauen, wenn mein persönliches Vermögen bei über einer Milliarde Dollar liegt? Wer würde jemals mehr in mir sehen als die Nullen in meinem Bankkonto? Sollte eine solche Frau existieren, wäre es den Aufwand, sie zu finden, nicht wert.
Aber mein Vater war wie besessen. Er dachte, nur weil er das Glück hatte, seine andere Hälfte zu finden, müsste ich meine inzwischen auch gefunden haben. Und jetzt stecken wir in diesem Albtraum, den er sich ausgedacht hat. Sein Unternehmen, sein Vermächtnis, das alles könnte sich in Luft auflösen, nur weil er so ein hoffnungsloser Romantiker war. Es ist lächerlich.
Ich habe seit der Verlesung des Testaments schlechte Laune, aber gerade bin ich besonders wütend, während ich mit meiner Mutter, meiner Schwester, dem Testamentsvollstrecker und dem Firmenvorstand zusammensitze. Denn das hier ist keine Aufsichtsratssitzung. Sondern eine Intervention.
Ich sitze am Kopfende des langen Tischs, doch ich leite dieses Treffen nicht. Sondern sehe mich einem Erschießungskommando gegenüber. Es herrscht angespanntes Schweigen im Raum, seit die letzte Person ihren Platz eingenommen hat. Alle Augen sind auf mich gerichtet, doch ich werde den Teufel tun und als Erstes sprechen. Ich starre jeden wütend an, der es wagt, Blickkontakt zu mir herzustellen. Ich muss angsteinflößend wirken, aber es ist mir egal. Sollen sie sich doch winden.
Meine Mutter ist es schließlich, die das Wort ergreift. Patricia Monroe ist eine starke Frau. Sie ist zielstrebig und stur wie ein Esel. Und was dieses spezielle Thema angeht, war sie hundertprozentig einer Meinung mit meinem Vater. Sie übernimmt die Führung bei diesem Hinterhalt und wirft mir einen strengen Blick zu, bevor sie für alle anderen lächelt. »Wir alle wissen, warum wir hier sind.«
»Ja. Um mir eine Ehefrau zu verschaffen.« Ich schnaube verächtlich.
Einige Leute im Raum winden sich unbehaglich auf ihren Plätzen. Mom seufzt frustriert. »Ich weiß, dass du dich darüber aufregst, aber Tatsache ist ...«
»Tatsache ist, dass mein Vater seinen verdammten Verstand verloren und mir ein Jahr gegeben hat, um zu heiraten, sonst wird alles, was diese Familie in den letzten drei Generationen aufgebaut hat, zerstört werden!«
Mom lässt den Kopf sinken und massiert ihren Nasenrücken.
»Sebastian«, sagt Sophie sanft. »Wir wissen, dass es schwer ist, aber wir müssen uns dem stellen.«
»Es führt kein Weg dran vorbei«, ergreift der Testamentsvollstrecker meines Vaters das Wort. Als ich ihn vernichtend anstarre, räuspert er sich und zieht die Schultern ein, bevor er erneut spricht. Er versucht, entschlossen zu klingen, kann das Zittern in seiner Stimme jedoch nicht verbergen. Wenn ich will, kann ich ziemlich beängstigend sein. »Wenn Sie nicht innerhalb dieses Jahres heiraten, oder der Aufsichtsrat nicht von der Legitimität der Ehe überzeugt ist, wird die Position des Geschäftsführers auf den Aufsichtsratsvorsitzenden übergehen, und die Firmenanteile Ihres Vaters unter den Ratsmitgliedern aufgeteilt werden.«
Blanke Wut kocht in mir hoch. »Und unser Familienunternehmen wird nicht länger unserer Familie gehören. Wir werden die Kontrolle verlieren. Unser Vermächtnis wird zerstört werden. Alles, wofür ich mein ganzes Leben gearbeitet habe, wird mir genommen werden.«
Mom wirft die Hände in die Luft. »Ganz genau! Ich weiß, dass du wütend bist, aber uns bleibt keine andere Wahl. Entweder du versuchst, dieses Problem zu lösen, oder du dankst jetzt und hier ab und lässt den Aufsichtsrat übernehmen.«
Ich springe auf. »Nur über meine Leiche«!
Mom erhebt sich ebenfalls und schlägt mit den flachen Händen auf den Tisch. »Dann such dir eine verdammte Ehefrau!«
Vom anderen Ende des Raums ertönt eine unaufgeregte Stimme. »Versuchen wir doch alle, ruhig zu bleiben.«
Peter Jenkins, die rechte Hand meines Vaters und Vorsitzender des Aufsichtsrats, schenkt mir ein Lächeln, das mitfühlend sein soll, auf mich aber nur gönnerhaft wirkt.
»Sie haben leicht reden«, brumme ich. »Schließlich sind Sie es, der durch diese Sache am meisten gewinnen kann.«
Er seufzt. »Wir alle haben Ihren Vater geliebt. Ob Sie es glauben oder nicht, wir sind alle auf Ihrer Seite. Wir wollen ebenso wenig, dass Ihnen dieses Unternehmen weggenommen wird, wie Sie. Und um ehrlich zu sein, wird es diese Firma viel kosten, Sie von Ihrer Position zu entfernen und Ihrer Familie die Kontrolle zu entreißen, und sie nur noch mehr destabilisieren, als sie es momentan bereits ist. Unser Aktienkurs ist eingebrochen, als Ihr Vater gestorben ist. Er war sehr beliebt und die Leute hatten Vertrauen in ihn. Sie hingegen sind jung und unerprobt. Die Aktionäre sind besorgt, doch zumindest können Sie noch mit dem Familiennamen punkten. Wenn wir Sie als Geschäftsführer entfernen und einen Fremden ernennen müssen, wenn die Anteile so weit zerstreut sind, dass Ihre Familie nicht mehr der Hauptanteilseigner ist, wird der Kurs noch weiter fallen. Und das wiederum macht uns angreifbar für eine feindliche Übernahme. Jemand könnte einfach auftauchen und alles an sich reißen. Chapman and Rowe haben schon herumgeschnüffelt. Wahrscheinlich sitzen sie jetzt gerade an einem Übernahmeangebot.«
Mir dreht sich der Magen um. Wir könnten wirklich alles verlieren. Und selbst wenn uns ein anderes Unternehmen übernimmt, könnte es uns zerlegen und in kleinen Häppchen verkaufen. Tausende könnten ihren Job verlieren. Die Last dieser Verantwortung ist schier erdrückend.
»Schatz«, sagt meine Mutter mit brüchiger Stimme. »Du musst es versuchen.«
Eine Welle der Hoffnungslosigkeit erfasst mich, und nicht zum ersten Mal seit des plötzlichen Tods meines Vaters fühle ich mich hoffnungslos verloren. In meiner Brust klafft ein schwarzes Loch. Ich sehe zu meiner Mutter und brauche einen Moment, bis ich reden kann. »Wie konnte er uns das nur antun?«
Sie lächelt gequält. »Er hat dich so sehr geliebt. Er wollte nur, dass du glücklich bist.«
»Ich war glücklich.«
»Er hat bestimmt nicht gedacht, dass er uns so früh genommen werden würde. Wahrscheinlich dachte er, dass du früher oder später schon selbst jemanden finden würdest, und dass diese Klausel dann ohnehin keine Rolle mehr spielen würde. Es war nur ein Plan B, um sicherzustellen, dass du ein erfülltes Leben haben wirst.«
Meine Hände ballen sich zu Fäusten. »Das habe ich.«
»Du bist einsam.«
»Ich habe dich und Sophie. Meine Nichte und bald meinen Neffen. Für etwas anderes habe ich keine Zeit.«
»Weil du dir keine Zeit nimmst. Dieses Unternehmen hat deinem Vater ebenfalls alles bedeutet. Dennoch hat er immer ein Gleichgewicht gefunden. Du hingegen bist nur am Arbeiten. Warst du seit dem Tod deines Vaters eigentlich mal zu Hause, abgesehen von einer kurzen Dusche und ein paar Stunden Schlaf?«
Ich beiße die Zähne zusammen. Das ist nicht meine Schuld. »Mir bleibt keine andere Wahl. Ich versuche ein Multimilliardendollarunternehmen zu übernehmen. Und ich arbeite hart dafür, den Übergang so glatt wie möglich über die Bühne zu bringen. Wie Peter bereits angemerkt hat, ist unser Aktienkurs gefallen. Die Aktionäre sind sich unsicher bei mir. Ich muss alles tun, um ihr Vertrauen zu gewinnen.«
»Und wo soll das enden? An welchem Punkt wirst du dir ein bisschen Zeit für dich selbst nehmen? Wenn du nicht aufpasst, wird dein ganzes Leben an dir vorbeiziehen, während du an einem Schreibtisch hockst. Zu leben und gut zu leben ist nicht das gleiche. Dein Vater wollte, dass du den Unterschied lernst.«
»Und du bist einverstanden mit dem, was er getan hat?«
Sie schluckt. »Nicht mit allem. Aber ich finde auch, du solltest lernen, dass Arbeit nicht alles ist im Leben. Die Liebe zu finden und eine Familie zu gründen, würde dein Leben verändern. Ich wünsche mir nichts mehr, als dass du diese Freude erlebst.«
Sophie lehnt sich vor, die Hände flach vor sich auf dem Tisch. »Seb, wir alle hassen, was Dad getan hat. Es ist unfair dir gegenüber. Ich wünschte, du müsstest das nicht tun. Aber wenn du das nicht hinbekommst, könnten wir alles verlieren. Viele Leute würden alles verlieren. Du hast vier Monate damit verbracht, das Testament anzufechten, und nichts hat funktioniert. Es ist an der Zeit, dich dem zu stellen.«
Ich fahre mir durch die Haare und atme tief durch, um nicht wieder auszurasten. Herumzubrüllen hilft nicht. »Wie zum Teufel soll ich das machen? Selbst wenn ich eine Frau finden würde, die es nicht nur auf mein Geld abgesehen hat, wie soll ich es in nur einem Jahr anstellen, mich in sie zu verlieben, sie dazu zu bringen, sich in mich zu verlieben, und sie zu heiraten? Was bedeutet das überhaupt? Liebe? Wer soll das beurteilen?«
Im nachfolgenden Schweigen räuspert sich jemand, und alle Augen richten sich auf meine Mutter. Sie hat eine ausdruckslose Miene aufgelegt, die ich ihr keinen Moment lang abkaufe. Sie führt etwas im Schilde. Ein Blick zu meiner Schwester verrät mir, dass sie eingeweiht ist. Was immer sie vorhaben, ich hasse es jetzt schon. Und weil sie das wissen, schinden sie Zeit. »Raus mit der Sprache. Es kann schließlich nicht schlimmer werden.«
Mom und Sophie werfen sich einen vielsagenden Blick zu. Sophie verliert den stummen Willenskampf und lässt die Schultern sinken. Sie seufzt, dann versucht sie mich anzulächeln. Doch es sieht eher nach einer Grimasse aus. »Wir haben eine Idee.«
Ich ziehe eine Augenbraue hoch. »Wofür?«
Sie verdreht die Augen. »Wie du eine Ehefrau finden könntest.«
Ich verschränke die Arme und sehe sie grimmig an, bereit für was für ein idiotischer Vorschlag jetzt auch immer aus ihrem Mund kommen mag. Und ich weiß, dass es etwas vollkommen Abwegiges sein wird, denn ansonsten hätte sie es schon längst ausgespuckt.
»Du wirst der nächste Junggeselle von Marry Me.«
Ich scheine irgendetwas verpasst zu haben. »Wovon?«
Sophie wirft unserer Mutter einen flehenden Blick zu. »Das ist eine TV-Show.«
»Eine Dating-Show«, präzisiert Sophie. »Ein Mann hat eine Reihe von Dates mit dreißig Frauen, wählt sie nach und nach raus und entscheidet sich am Ende für eine, der er dann einen Antrag macht.«
Mir klappt vor Entsetzen der Mund auf. Nein. Vor Grauen. »So was gibt es? Wirklich?«
Sophie verzieht erneut das Gesicht. »Die Sendung ist ziemlich beliebt. Sie hat schon siebzehn Staffeln.«
Meine Schwester sieht mich fragend an. Ich habe den Drang, aufzuspringen und aus dem Raum zu rennen. »Nein. Niemals. Auf keinen Fall, Sophie. Denk dir was anderes aus.«
Sie lacht verzweifelt auf. »Es gibt nichts anderes. Die Dreharbeiten beginnen in drei Wochen und werden zwei bis drei Monate dauern. Wenn es funktioniert, hast du immer noch genug Zeit, eine Hochzeit zu planen. Zumindest eine einfache.«
»Wenn es funktioniert?« Plötzlich fühle ich mich wieder wie ein dreizehnjähriger Junge mitten im Stimmbruch. »Bist du völlig irre? Wie könnte das jemals funktionieren?«
»Das tut es dauernd. Es gibt einen Haufen Paare, die nach der Sendung wirklich geheiratet und Kinder bekommen haben.«
Ich reibe mir übers Gesicht. Das können sie doch nicht wirklich ernst meinen.
»Denk mal drüber nach«, fährt Sophie fort. »Dreißig Frauen, die vorher keine Ahnung haben, wer du bist, also können sie auch nicht hinter deinem Geld her sein. Und sie alle haben sich bei der Show in dem Wissen beworben, dass das Ziel die Ehe ist. Sie sind bereit, sich zu verlieben und zu heiraten. Es ist perfekt.«
»Es ist psychotisch.«
Sophie kneift die Augen zusammen. »Hast du einen besseren Vorschlag? Wäre es dir lieber, Mom und ich legen eine Akte mit allen verfügbaren Frauen an, die wir kennen? Die gleichen, die sich dir schon die letzten Jahre an den Hals geworfen haben? Denn wir haben diese Liste bereits geschrieben. Würdest du sie gern sehen?«
Ich will diese Liste auf keinen Fall sehen.
Wieder reibe ich mir übers Gesicht. Ich muss wirklich irre sein, wenn mir die Vorstellung von völligen Fremden, die bereit sind, in einer Datingshow den Mann fürs Leben zu finden, ansprechender vorkommt, als die Frauen in meinem Bekanntenkreis. »Wie verzweifelt müssen diese Frauen sein, um im Fernsehen nach einem Partner zu suchen? Das sind bestimmt alles Verrückte.«
»Du wirst verzweifelter sein als sie«, witzelt Sophie.
Ich werfe ihr einen Blick zu, der so vernichtend ist, wie es nur einem jüngeren Bruder gelingen kann.
»Das ist doch romantisch, Seb. Diese Frauen wollen im Sturm erobert werden.«
»Dafür bin ich definitiv der Falsche.«
Sophie schnaubt amüsiert. »Da kann ich nicht widersprechen.«
»Das ist Fernsehen. Wahrscheinlich machen die alle nur mit, um berühmt zu werden. Schauspielerinnen, die ein bisschen Publicity brauchen, oder Reality-Stars in spe.«
Meine Mutter stöhnt. »Sei nicht so zynisch. Nicht jede Frau ist ein faules Ei. Das ist ein guter Weg, um unser Problem zu lösen. Dir bleiben nur noch acht Monate, Schatz. Uns gehen Zeit und Optionen aus.«
»Du solltest es zumindest versuchen.« Sophies Tonfall stoppt meine bissige Erwiderung. Es ist ein Flehen. Sie fleht mich an.
»Ich habe keine Zeit, mich mit irgendwelchen Frauen monatelang in der Weltgeschichte herumzutreiben. Wer soll sich in der Zeit um das Geschäft kümmern?«
Mom reckt auf diese sture Weise ihr Kinn, mit der ich genau vertraut bin. »Peter übernimmt so lange, und ich werde helfen, wo ich kann. Wir kommen schon ein paar Wochen ohne dich aus.«
»Woher wollt ihr überhaupt wissen, dass sie mich für diese Show nehmen würden?«, frage ich in einem panischen letzten Versuch, den Kopf aus der Schlinge zu ziehen. »Wenn die Dreharbeiten schon in drei Wochen beginnen, haben sie doch bestimmt schon längst jemanden.«
Doch Moms selbstzufriedenes Lächeln verrät mir, dass mein Grab längst geschaufelt ist. »Wir haben die Produzenten angerufen. Wie es der Zufall so will, ist ihr ursprünglicher Junggeselle abgesprungen. Sie freuen sich wahnsinnig, dich zu haben.«
Mir fallen keine Ausreden mehr ein, und ich habe meine Mutter und Schwester noch nie so entschlossen gesehen. Mir schwant, dass sie mich notfalls fesseln und gegen meinen Willen in dieses TV-Studio zerren werden. Am schlimmsten ist, dass diese ganze Sache zwar entsetzlich klingt, ich aber keine bessere Idee habe. Ich muss eine Frau finden, die mich heiratet.
Mein ganzer Körper sackt in sich zusammen. Ich lehne mich vor, lasse meine Stirn auf die Tischplatte fallen und stöhne. »Himmel, steh mir bei. Ich hasse es jetzt schon.«
Die letzten drei Wochen hatte ich unheimlich viel zu tun. Ich musste mich mit jeder einzelnen Kandidatin treffen, Fotos machen und ihre Maße nehmen, Charakter und persönliche Vorlieben kennenlernen, damit sie sich durch meine Garderobe schön und selbstbewusst fühlen. Ich hatte bereits so viele Anproben, dass mir der Kopf schwirrt. Und erst all das Shopping! Ich habe so viele Klamotten gehortet, dass es sich anfühlt, als hätte ich jede Boutique in LA leer gekauft.
Dennoch hatte ich noch nie so viel Spaß in meinem Leben. Was könnte besser sein, als dreißig wunderschöne Frauen als meine persönlichen Barbiepuppen zur Verfügung zu haben? Das ist jetzt schon der beste Job, den ich je hatte, dabei haben die Dreharbeiten noch nicht mal angefangen.
Ein Klopfen an der offenen Tür meines Büros im Studio sorgt dafür, das sich aus einem Haufen Kleider aufblicke. Es ist James mit einem breiten Lächeln im Gesicht. Er ist nicht besonders groß, etwa eins fünfundsiebzig, und wirkt ziemlich jung. Er ist zwar schon Mitte dreißig, doch wir könnten locker für gleich alt gehalten werden. Er hat lockiges braunes Haar, freundliche braune Augen und fast immer für jeden ein Lächeln übrig. Bis jetzt läuft es mit Andrea und ihm super. Wir liegen gut in der Zeit, um nächste Woche mit dem Dreh anzufangen.
»Wie läuft's?«
»Hey James.«
Ich hänge das Abendkleid in meiner Hand weg und komme ihm auf halbem Weg entgegen. Er hat zwei Männer bei sich. Einen würde ich überall erkennen, denn er moderiert die Sendung seit der ersten Staffel vor über siebzehn Jahren. Aaron Wright ist attraktiv, wirkt aber ein klein wenig zu glatt. Seine Anzüge sind stets makellos, und da er in der Sendung nie etwas anderes trägt, habe ich ihn auch noch nie in etwas anderem gesehen. Seine dunkelblonden Haare sind zurückgegelt, seine Zähne blendend weiß, seine Bräune hat diese Spur Orange, die zeigt, dass sie nicht natürlich ist, und er hat nicht eine einzige Falte im Gesicht. Es ist ausgeschlossen, dass er sich kein Botox spritzen lässt. Er war Mitte zwanzig, als er bei der Show angefangen hat, also ist er jetzt um die dreiundvierzig. Er sieht aus wie jemand, der entschlossen ist, nicht zu altern.
Neben ihm ist ein Mann, den ich bisher nur von Fotos kenne. Sebastian Monroe, der Star dieser Staffel. Die Nation ist ausgeflippt, als er als nächster Junggeselle präsentiert wurde. So ist das eben, wenn ein gut aussehender Milliardär in einer Dating-Show die Frau fürs Leben finden will.
Sebastian Monroe ist einunddreißig und auf den ersten Blick der perfekte Mann. Er ist eins fünfundachtzig und füllt sein Jackett gerade genug aus, um schlank zu wirken, während unter seinem Hemd die Muskeln zu erahnen sind. Nicht zu dünn und nicht zu dick. Genau wie ich sie mag. Und nicht nur wegen seines Körperbaus wird es einfach sein, ihn anzuziehen. Seine Haare sind dunkelblond, dick und modisch geschnitten. Die Seiten sind kurz und das Deckhaar etwas länger. Nicht eine Strähne ist fehl am Platz, als würde es nicht einmal seine Frisur wagen, sich ihm zu widersetzen. Seine Augen sind stahlgrau und sein Blick so intensiv, dass mein Herz schneller schlägt, als wir uns ansehen.
Es wäre gelogen, würde ich etwas anderes behaupten, als dass er der umwerfendste Mann ist, den ich in meinem ganzen Leben je gesehen habe. Aber er ist so einschüchternd, dass er schon unheimlich wirkt. Mit seinem maßgeschneiderten Anzug, der perfekten Haltung und seiner geschmackvollen Frisur schreit er geradezu Alpha, ohne es auch nur versuchen zu müssen. Ja, dieser Typ ist definitiv der CEO eines Fortune-500-Unternehmens. Außerdem sieht er so aus, als würde er dieses Gebäude und alle darin am liebsten abfackeln.
James legt seine Hand auf Aarons Schulter. »Vivian, kennst du Aaron schon?«
Bevor ich antworten kann, wirft mir Aaron ein zu breites Lächeln zu. »Leider hatte sie noch nicht das Vergnügen.«
Er klingt, als würde er es ernst meinen. Als bedauerte er mich, weil ich noch nie das Vergnügen seiner Gesellschaft hatte. Fast muss ich lachen. Ganz schön eingebildet.
Ich will ihm die Hand schütteln, doch stattdessen zieht er mich an sich und gibt mir einen Kuss auf die Wange. »Sind Sie nicht reizend?«, sagt er. »Vielleicht führe ich Sie ja mal irgendwann zum Essen aus.« Er zwinkert mir zu. »Wenn Sie Glück haben.«
Ich zwinge mich zu einem unverfänglichen Lächeln. Kein Grund, noch vor Beginn der Staffel Streit anzufangen. »Sind Sie für eine Anprobe hier?«
Sein Lachen ist gönnerhaft. »Wie niedlich, Schätzchen. So gern Sie bestimmt auch meine Garderobe planen würden, habe ich bereits hunderte Anzüge in meinem Schrank, die für die Show geeignet sind. Ein hübsches Ding wie Sie sollte sich wahrscheinlich ohnehin lieber an die Kandidatinnen halten.«
Eingebildet und sexistisch. Was für ein Charmeur. Ich behalte das falsche Lächeln aufrecht, muss aber die Zähne zusammenbeißen, um nichts Bissiges zu erwidern.
James lacht gezwungen auf. »Aaron, Vivian ist eine fantastische Stylistin. Sie kann Männer wie Frauen einkleiden. Und genau darum ist Sebastian heute auch hier. Sie wird ihm dabei helfen, seine Garderobe für die Show zusammenzustellen.«
Er grinst mich an, dann dreht er sich zu Sebastian um. »Vivian, ich möchte dir unseren diesjährigen Junggesellen vorstellen, Sebastian Monroe. Sebastian, das ist Vivian Euling. Sie ist unsere Hauptkostümbildnerin und persönliche Stylistin während dieser Staffel.«
Ich strecke Sebastian meine Hand entgegen. »Schön, Sie kennenzulernen.«
Er verschränkt die Arme und schaut mich von oben herab an. »Ich brauche keine Stylistin.«
Okay. Sieht aus, als würde heute noch mehr Arroganz auf mich warten.
Wieder lacht James nervös. »Sebastian, ich versichere Ihnen, dass Vivian weiß, was sie tut. Sie hat bereits eine Reihe prestigeträchtiger Persönlichkeiten eingekleidet, darunter Brian Oliver. Sie sind bei ihr in guten Händen.«
Sebastian sieht James stirnrunzelnd an. »Ist mir egal, ob sie den Papst persönlich einkleidet. Ich bin vollkommen in der Lage, mich selbst anzuziehen.«
Oh, der typische Alphamann. Arrogant, unabhängig und ein völliger Kontrollfreak. Endlich ist meine erbärmliche Dating-Vergangenheit zu etwas gut. Denn wie man mit solchen Arschlöchern umgeht, weiß ich. »Sie können sich vielleicht selbst anziehen«, stimme ich ihm zu, hebe das Kinn und spiegle seine selbstbewusste Haltung. »Aber sollten Sie das auch?«
Er starrt mich an. Seine Arme sind immer noch vor der Brust verschränkt und er zieht herausfordernd eine Augenbraue hoch. Ich habe den Eindruck, dass er nicht an Widerworte von Fremden gewöhnt ist. Gut, dass ich so selbstbewusst bin. Mir macht es nichts aus, mich mit diesem Mann anzulegen. Auf professioneller Ebene natürlich.
»Sie haben Geschmack.« Ich deute auf den Designeranzug, den er trägt. »Und ich bin mir sicher, dass Sie kein Problem haben, sich jeden Tag fürs Büro anzuziehen. Aber das ist Fernsehen. Kameras, Licht und Make-up sind alles Faktoren, die für Ihren Look wichtig sind. Und Sie ziehen sich nicht für irgendeinen Aufsichtsrat an. Sondern für die ganze Nation.«
Er schnaubt verächtlich. »Die Nation ist mir egal.«
Das nehme ich ihm nicht ab. »Das sollte sie aber nicht«, erwidere ich schroff.
Ein weiteres Schnauben ist meine Antwort.
»Ihr Unternehmen ist öffentlich, oder?«
Diesmal zieht er beide Augenbrauen hoch, entweder überrascht über den scheinbaren Themenwechsel oder darüber, dass ich etwas über seine Firma weiß. (Was ich alles gegoogelt habe, nachdem mir gesagt wurde, dass er unser neuer Junggeselle wird. Davor habe ich noch nie von Sebastian Monroe oder Monroe Financial gehört.)
»Meine Familie hält die Anteilsmehrheit, aber ja, das Unternehmen ist öffentlich. Na und?«
Ich lächle. Das klang fast schnippisch. »Und Sie sind der Geschäftsführer? Das Gesicht des Unternehmens?«
Seine Kiefermuskulatur zuckt. »Na und?«
»Na ja, wenn mich mein sehr beschränktes wirtschaftliches Wissen nicht täuscht, wirkt sich Ihr Image doch stark auf Ihr Unternehmen als Ganzes aus, was wiederum den Aktienwert beeinflussen kann.«
Als er mir einen vernichtenden Blick zuwirft, weiß ich, dass ich ins Schwarze getroffen habe. Dennoch kann sich dieser sture Mann seine Niederlage nicht eingestehen. »Meine Kleidung wird meinen Ruf nicht zerstören. So schlecht ist mein Geschmack nicht.«
Ich grinse ihn an. Keine Ahnung, warum. Dieser Mann hat einfach etwas an sich, das mich dazu bringt, ihn reizen zu wollen. »Sind Sie sicher? Wollen Sie wirklich riskieren, dass sich fünfzehn Millionen Zuschauer das Maul über Sie zerreißen?«
»Meine Anzüge sind maßgeschneiderte Designerware.«
»Und Ihre Freizeitkleidung? Ihre Sportsachen? Bademode? Entspricht das alles den neuesten Trends? Wurde es passend zu Ihrem Hautton und Körperbau ausgesucht? Wissen Sie, was die Kandidatinnen tragen werden? Sie wollen sich doch nicht mit ihnen beißen oder aus Versehen die gleiche Farbe tragen?«
Er starrt mich an, als wäre ihm die bloße Möglichkeit noch nie in den Sinn gekommen.
»Fünfzehn Millionen Zuschauer«, wiederhole ich. »Im Durchschnitt. Fünfzehn Millionen Kritiker. Ihre Garderobe wird nicht das Einzige sein, was sie beurteilen werden, aber es ist kein Geheimnis, dass besser angezogene Männer auch bessere Kritiken bekommen. Zweifeln Sie nie an der Oberflächlichkeit dieser Nation.«
Er atmet scharf durch die Nase ein und streicht sich durchs Gesicht. »Das ist lächerlich«, brummt er.
Ich merke, dass ich ihn fast so weit habe, aber er will immer noch nicht nachgeben. »Wie wäre es mit einem Kompromiss?«, biete ich ihm einen Weg an, das Gesicht zu wahren. »Wenn Sie nicht wollen, dass ich etwas für Sie aussuche, dann zeigen Sie mir den Inhalt Ihres Schranks. Sie suchen aus, was Sie zu jedem Anlass tragen wollen, und ich mache Vorschläge. Sie können meinen Rat annehmen oder auch nicht, aber zumindest werden Sie informiert reingehen.«
Er nimmt die Hand von den Augen und starrt mich an. Ich bin nicht sicher, was ihn so überrascht, aber sein grimmiger Blick verliert etwas von seiner Feindseligkeit. Er schaut mich lange an. »Meinetwegen«, brummt er schließlich, und jetzt bin ich diejenige, die überrascht ist. Ich hätte nicht gedacht, dass er nachgeben würde. »Aber Sie müssten jetzt mitkommen«, sagt er. »Ich habe nur heute Nachmittag Zeit. Es gibt viel zu viel zu tun, bevor ich mir wegen dieser albernen Show freinehmen muss.«
Wie herrisch. Ich kann nicht anders, als zum Schein zu salutieren. »Ja, Sir. Sie sind wichtig und wollen nicht hier sein. Verstanden.«
So viel zu meiner Professionalität.
In seinen Augen blitzt Wut auf.
»Das letzte hab ich nicht ganz verstanden«, mache ich ungebremst weiter. »Aber ich werde nicht nachfragen.«
»Gut.«
Oh, da ist aber jemand empfindlich.
Ein lautes Klatschen reißt uns aus unserem Wortgefecht. Oder war es ein Streit?
James lacht ein bisschen zu laut. »Großartig. Wie schön, dass wir eine für alle Seiten zufriedenstellende Lösung gefunden haben. Vivian, soll ich deine anderen Termine für heute streichen?«
Ich kann nicht fassen, dass ich den restlichen Nachmittag mit diesem Griesgram verbringen muss. Zumindest ist er sexy und ich kann ihn einkleiden. Bei Männern macht das nicht ganz so viel Spaß, aber ich weiß das Ergebnis immer zu schätzen. »Nicht nötig«, antworte ich. »Das war heute mein einziger Termin. Die Kandidatinnen sind alle fertig. Wenn mich Aaron nicht braucht, kann ich Sebastian meine ungeteilte Aufmerksamkeit schenken.«
In Sebastians Augen blitzt etwas auf. Selbstgefälligkeit? Amüsement? Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, ihm gefällt die Aussicht, mich den Nachmittag über zu seiner freien Verfügung zu haben. Natürlich nicht, weil er meine Gesellschaft schätzen würde. Sondern weil ich mich ihm gefügt habe, und er die Vorstellung genießt, dass ich ihm ausgeliefert bin.
Ich lächle ihn zuckersüß an. Er erwidert es nicht, sondern wendet sich an James. »Wenn das alles war ...?«
James nickt. Sein Lächeln ist viel aufrichtiger als meines. »Das war alles. Wir sehen uns dann nächste Woche zum Drehbeginn.«
Sebastian macht auf dem Absatz kehrt und marschiert Richtung Tür, ohne sich zu verabschieden. James wirkt irritiert. Ich schenke ihm ein schiefes Lächeln. »Netter Typ.«
»Kommen Sie schon, Kleine!«, ruft Sebastian von der Tür aus. »Ich hab nicht den ganzen Tag Zeit.«
Kleine? Es kostet mich enorme Selbstbeherrschung, um nichts Bissiges zu erwidern. »Direkt hinter Ihnen, Boss.«
Ich schnappe mir nur schnell meine Handtasche und folge dem arroganten Arsch aus dem Gebäude.
Ich fahre Sebastian in meinem eigenen Wagen zu einem luxuriösen Wohnhochhaus in Mid-Wilshire hinterher. Es ist nur einen Steinwurf von der Museum Row und den berühmten La Brea Tar Pits entfernt. Es ist eine nette Gegend, nicht zu weit von der Innenstadt entfernt, wo Monroe Financial sein Hauptquartier hat. Ich verstehe, warum er diesen Ort zu seinem Hauptwohnsitz erklärt hat, auch wenn er eine der größten Villen in Malibu besitzt. Und wieder schulde ich Google Dank für diese Info.
Ich halte auf einem für Gäste ausgewiesenen Parkplatz der zum Gebäude gehörenden Tiefgarage. Mein geliebter Prius fällt zwischen den ganzen Luxuswagen auf wie ein bunter Hund. Sebastians Auto ist natürlich der schönste der ganzen Tiefgarage. Denke ich. Es sieht auf jeden Fall luxuriös aus. Ich kenne das Logo gar nicht. Wahrscheinlich eine italienische Spezialanfertigung, die so teuer ist, dass nur die Superreichen wissen, dass sie überhaupt existiert.
Sebastian wartet mit mürrischer Miene am Aufzug. Ich schenke ihm ein Lächeln, das er natürlich nicht erwidert. »Wenn meine Privatadresse bekannt wird, werde ich Sie persönlich zur Verantwortung ziehen.«
Wut steigt in mir auf. Ich hasse es, wenn meine Integrität angezweifelt wird. »Also erstens«, erwidere ich ungehalten, »würde ich so etwas niemals jemandem antun, egal was für ein Riesenarschloch er ist.«
»Haben Sie mich gerade Arschloch genannt?«
Ich ignoriere seine Frage. »Und zweitens, sollte ich es doch tun, müssen Sie sich wohl anstellen. Die Verschwiegenheitserklärung, die jeder in Cast und Crew unterschreiben muss, ist so wasserdicht, dass ich wahrscheinlich auf der Stelle tot umfallen würde, wenn ich auch nur daran denke, diese Info weiterzugeben.«
Er starrt mich noch einen Moment länger finster an, während ich mich weigere, mich von ihm einschüchtern zu lassen. Als ich einfach nicht nachgebe, tut er es und ruft den Aufzug. Als dieser kommt, steigt er wortlos ein und scannt seinen Daumenabdruck, bevor er den Knopf für den obersten Stock wählt. Ich muss schmunzeln. Natürlich wohnt er in einem Luxus-Penthouse.
»Was ist so lustig?«
Sein Knurren ist wirklich beeindruckend. Er ist wohl immer noch sauer wegen meiner Arschlochbemerkung. Das hätte ich nicht sagen sollen. Dieser Mann könnte mich mit Leichtigkeit feuern lassen. Aber ich habe die Geduld verloren. In Zukunft muss ich vorsichtiger sein.
Als ich aufblicke, merke ich, dass er mich mustert. Wahrscheinlich beobachtet er mich mit Argusaugen, seit ich aus meinem Wagen gestiegen bin. Ich bezweifle, dass einem Mann wie ihm viel entgeht, wenn überhaupt etwas. Ich zucke mit den Schultern und beschließe, dass Schweigen besser ist, als es ihm zu erklären.
»Worüber haben Sie gelacht?«, fragt er fordernd.
Ich seufze. »Ich habe geschmunzelt. Nicht gelacht. Nur darüber, dass der milliardenschwere Junggeselle im Penthouse eines luxuriösen Wolkenkratzers wohnt. Ein ziemliches Klischee.«
Wieder verfinstert sich seine Miene, aber ich zucke nur erneut mit den Schultern. Er hat schließlich gefragt.
»Da oben ist die Security besser.«
Diesmal verkneife ich mir ein Schmunzeln über seine Erklärung. Er klingt ziemlich rechtfertigend. »Sicher.«
Der Aufzug öffnet sich direkt in seinem Apartment. Es ist genauso riesig und hell, wie man sich eine der schönsten Wohnungen in Los Angeles vorstellt. Zeitgenössische Innenarchitektur. Weiße Wände. Holzböden. Hellgraue Möbel. Panoramafenster mit atemberaubender Aussicht. Dieser Ort ist makellos und perfekt in Szene gesetzt. Noch ein Klischee. »Wunderschön«, sage ich, gegen meinen Willen beeindruckt.
Er sagt nichts. Stattdessen deponiert er seine Schlüssel in einer kleinen Schale auf einem Konsolentisch neben dem Aufzug. Überraschenderweise zieht er seine Schuhe aus, also tue ich das auch. Er platziert seine an dem anscheinend dafür vorgesehenen Platz in einem der Fächer des Konsolentischs. Meine stelle ich ordentlich daneben auf den Boden. Als ich mich wieder aufrichte, beobachtet er mich schon wieder. Er studiert mich wie ein komplexes Puzzle. Ich sehe ihn fragend an, und er runzelt die Stirn. Das ist wohl sein Lieblingsausdruck.
»Ich lasse hier normalerweise keine Fremden rein.«
Es ist wohl als Warnung gemeint, aber ich höre noch etwas anderes heraus. Er fühlt sich unwohl. Vielleicht verletzlich. Schließlich dringe ich in sein Zuhause ein. Das verstehe ich. Ich hebe abwehrend die Hände. »Ich brauche keine Tour. Zeigen Sie mir einfach Ihren Kleiderschrank, ich erledige meinen Job und bin wieder weg.«