Abenteuerreise Wohnmobil - Anna Dross - E-Book
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Abenteuerreise Wohnmobil E-Book

Anna Dross

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Beschreibung

Gabriel und Anna sind endlich im Ruhestand. Als ihr Mann sie mit seinem lang gehegten Traum überrascht, Europa mit dem Wohnmobil bereisen zu wollen, ist Anna nicht begeistert. Doch nach einem Probeurlaub in Norddeutschland sind sie von der unkomplizierten Art des Reisens überzeugt: Sie kaufen sich ein eigenes Wohnmobil und erleben neben kleineren Pannen, das große Glücksgefühl, einfach draufloszufahren. Humorvoll erzählt Anna Dross von Einparkschwierigkeiten, dem Zusammenleben auf engstem Raum und der großen Freiheit auf vier Rädern. Und zeigt, dass Wohnmobile alles andere als spießig sind.

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Seitenzahl: 329

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Das Buch

Mit dem Wohnmobil zu verreisen, verspricht Unabhängigkeit und die große Freiheit dorthin zu fahren, wo Herz und Straße einen hinführen. Auch Anna Dross und ihr Mann Gabriel haben sich nach kurzem Zögern ein Wohnmobil gekauft. Endlich im Ruhestand angekommen, wollte sich das Paar eigentlich gemütlich auf Mallorca einrichten, als sie das Womo-Fieber packt. Dabei erleben sie von der Anschaffung bis zu ersten Fahrversuchen auch die typischen Anfängerfehler wie vergessene Heckstützen. Und manchmal ist auch das Zusammenleben auf engstem Raum eine Herausforderung.

Unterhaltsam und informativ erzählt Anna Dross über ihre Europareisen von Spanien bis hin nach Norddeutschland. Vor allem aber zeigt sie, dass Wohnmobile alles andere als spießig sind.

Die Autorin

Anna Dross wurde 1952 in Hamburg geboren und wohnt seit 1996 auf Mallorca. Seit Anfang 2004 ist die ausgebildete Arzthelferin und studierte Kunstpädagogin als Malerin tätig. Für ihr literarisches Schreiben wurde sie bereits mit dem Förderpreis der Stadt Bremen ausgezeichnet. Online bloggt sie regelmäßig unter: www.womo-kladde.net

ANNADROSS

Abenteuerreise Wohnmobil

Kleine Katastrophen & die große Freiheit – Ein Rentnerpaar erfüllt sich seinen Lebenstraum

Das Buch schildert meine Reisen mit dem Wohnmobil durch Europa und beruht auf meinen Erfahrungen, Erlebnissen, Aufzeichungen und Recherchen. Es ist meine persönliche Sicht auf mein Leben und hat keinen Anspruch auf Richtigkeit oder Vollständigkeit. Manche Namen habe ich aus Gründen der Privatsphäre geändert.

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.Originalausgabe Januar 2020

Copyright © 2020 by Wilhelm Goldmann Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH, Neumarkter Straße 28, 81673 München

Umschlaggestaltung: UNO Werbeagentur, München, unter Verwendung eines Fotos von © FinePic®, München

Fotos im Innenteil: © Anna Dross, © Bernat Vidal (Foto 5)

Lektorat: Albrecht Schreiber

MP · Herstellung: kw

Satz: Vornehm Mediengestaltung GmbH, MünchenISBN: 978-3-641-25076-8V001

www.goldmann-verlag.deBesuchen Sie den Goldmann Verlag im Netz

Für Vicente

Und in Erinnerung an meine Eltern.

Bestimmt hätten sie sich sehr über das Erscheinen dieses Buches gefreut.

Inhalt

1. TeilHilfe: Wir kaufen ein Wohnmobil!

Wie alles begann

Poltergeist im Mietmobil

Höchstgrenzen und Mindestanforderungen

Auf die Messe, fertig, los!

Zwischen Euphorie und Übelkeit

Buenos días in Moinlanden

Erste Nächte

2. TeilHauptsache, heil nach Hause

Start über Stolpersteine

Echte Oldies

Endlich Urlaub

Womo-Latein

Attraktion im Altersheim

Mauer im Kopf

Traurige Tage

Nach Hause

Stationen der ersten Reise

Sommer auf Mallorca

3. TeilBesuchstournee von Andalusien bis Bargteheide

On the Road Again

Auf Besuchstournee im Norden

Von Hippie und Hochzeit

Maggie lässt unter sich

Von Frankreich nach Spanien

Auf Besuchstournee im Süden

Von Pintxos zu Meeresfrüchten

Alte Steine und noch mehr Tapas

Ans Ziel und nach Hause

Stationen der zweiten Reise

Winter auf Mallorca

4. TeilKlirrender Kälte zum Trotz

Kaltstart nordwärts

Maggies Geburtsstätte im Allgäu

Biergarten und Kultur in Bayern

Leipzig, Potsdam und Berlin

Durch den Osten Richtung Norden

Rügen spricht Spanisch

Durch den Westen Richtung Süden

Lovemobils und Spargel

Drei Tage nur noch

Stationen der dritten Reise

Noch lang noch nicht Schluss

DANKE!

Wir können nicht verhindern, dass wir alt werden,aber wir können verhindern, dass wir uns dabei langweilen.

1. Teil Hilfe: Wir kaufen ein Wohnmobil!

Wie alles begann

Uns ging es gut bis sehr gut. Mein Mann Gabriel und ich hatten jeder für sich 63 Jahre Jugend angehäuft und nur eine Sorge: Würden wir in der uns verbleibenden Zeit noch unsere unerfüllten Träume leben können? Und wenn ja, wovon träumten wir eigentlich?

Wir waren gesund, auch wenn wir mit zu viel Fleisch und zu viel Wein fleißig dagegen anschlemmten. Von unseren vorgezogenen Altersrenten leisteten wir uns den Luxus einer Putzfrau, und unsere runden Geburtstage feierten wir mit Familie und Freunden gern im Restaurant. Um das Maß unseres Glücks vollzumachen, lebten wir genau dort, wo wir zu leben wünschten: auf Mallorca, dem Sehnsuchtsort so vieler Europäer.

Ich habe keine Kinder, und Gabriels Zwillinge gingen schon auf die dreißig zu. Die beiden Enkelkinder wuchsen wohlbehütet in der Familie seiner Tochter auf, ohne uns wirklich zu brauchen, und von unseren Eltern lebte nur noch meine Mutter – auf eigenen Wunsch und eigene Kosten im Heim.

Solange unsere Renten nicht drastisch gekürzt werden, wir die Liebe und den Respekt nicht verlieren und die vermeintlichen und tatsächlichen Dramen in Familie und Freundeskreis nicht zu sehr auf uns lasten – so lange haben Menschen wie wir keine Probleme.

Es sei denn, sie bauen ein Haus oder kaufen sich ein Wohnmobil. Letzteres taten wir. Als Auto eine Zumutung und als Wohnung ein Witz auf Rädern.

Monate vor dem Kauf umrundeten wir mit großem Respekt ein fast baugleiches Exemplar wie unser späteres Eigentum. Ein Massiv im Vorgarten seiner Besitzer. Daneben traute sich kein Pflänzchen mehr aus der Erde. Die Reifen hatten unter ihrer tonnenschweren Last tiefe Furchen hinterlassen. Schwer beeindruckt beschlossen wir in seltener Einmütigkeit: Auf keinen Fall kaufen wir ein Modell länger als sechs Meter. Auf gar keinen Fall!

Ein halbes Jahr später bestellten wir unser Wohnmobil, laut Händlerangaben 7,68 Meter lang, 2,85 Meter hoch und 2,33 Meter breit. Die Länge gemessen ohne den Fahrradträger am Heck, die Höhe ohne die Satellitenschüssel auf dem Dach und die Breite ohne die beiden wie große Segelohren im Fahrtwind stehenden Seitenspiegel.

Vielleicht sind wir nicht nur zu alt, sondern auch fehl am Platz. Wir können die Insel nur in der Luft oder auf dem Wasser verlassen. Früher Flugzeug für zwei, heute Fähre für zwei plus Wohnmobil. Das geht ins Geld und kostet Zeit und Nerven. Seit dem Erwerb unserer fahrbaren Ferienwohnung beneiden wir Menschen wie meine Cousine Nanna in Schleswig-Holstein.

Deren Wohnmobil steht sicher auf ihrem Grundstück und ist für einen Familienausflug jederzeit verfügbar. Ein spontaner Wochenendtrip an die Nordsee oder in den Harz? Immer wieder gern, alle Mann rein und den Motor starten. Am Sonntagmorgen schickt der Himmel eine lachende Sonne und frischen Wind? Ideale Bedingungen für einen Tagesausflug mit der Familie: Die Surfbretter aufs Dach und schon kann’s losgehen: Die Nordsee ruft mit auflaufendem Wasser.

Erschwerend kommt hinzu: Ich bin Deutsche, mein Mann ist Spanier. So steht es zumindest in unseren Reisepässen. Aber wir strafen die nationalen Klischees Lügen. In seinem selbst entworfenen Logbuch hält Gabriel Koordinaten und gefahrene Kilometer fest und vermerkt auf den Cent genau unsere Ausgaben und ihren Zweck. In meinen Kladden, mal mit Linien, mal kariert, schweife ich von drohenden Sturmböen über den vorlauten Stellplatznachbarn zur aktuellen Magen- oder Gemütsverstimmung.

Gabriel will möglichst heute schon wissen, wo wir morgen übernachten, und er wird alles daransetzen, dieses Ziel zum vorgesehenen Zeitpunkt zu erreichen. Die ihn kennen, schätzen seine Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit und Genauigkeit. Damit ist er Balsam für mein flatterhaftes Gemüt.

Ich hingegen gehe meinen Weg am liebsten immer der Nase nach. Sie hat mich schon oft auf Abwege geführt, aber auch in zauberhafte neue Gefilde. Das verleiht meinem Liebsten Flügel.

Zwei Temperamente und zwei ausgeprägte Persönlichkeiten mit hinreichend unter Beweis gestellten Führungsqualitäten (zugegeben er mehr als ich): Man sollte meinen, so ein Paar braucht viel Raum. Stattdessen pferchen wir zwei Dickschädel, die das Miteinanderleben noch gar nicht so lange erprobt haben, uns freiwillig zusammen ein auf lächerlichen 14 Quadratmetern.

Wie sind wir bloß auf die Idee gekommen, uns gemeinsam ein Wohnmobil zuzulegen? Welcher Teufel hat uns da geritten?

Mit 28 hatte ich die romantische Vorstellung, in einem VW-Bulli durch die USA zu fahren – ich ganz allein. Nach einer Gruppenreise mit Bus und Zelten von New York über Florida bis nach Nashville war ich so begeistert, dass meine Verwandten in Tennessee einen gebrauchten Camper für mich organisierten. Per Luftpost schickten sie mir ein Foto von dem Bulli in ihrem Garten: die Tür weit geöffnet und meine Tante mit einladender Geste davor. Was sie nicht wissen konnten: Ich habe zwar eine große Klappe, aber wenig Mumm in den Knochen. Das Unternehmen war von vornherein zum Scheitern verurteilt.

In den letzten Monaten vor der geplanten Abreise rutschte mir das Herz immer tiefer in die Hose. Da traf es sich günstig, dass mir eines schönen Sonntags auf der Langlaufloipe ein schneidiger Hesse in die Quere kam, den ich kurz darauf zu meinem Traummann erklärte. Anstatt mit dem Camper durch Nordamerika zog ich zu ihm nach Gießen, wo mein Traummann sich schnell als mein persönliches Liebestrauma entpuppte. Aber der Zug war abgefahren beziehungsweise das Flugticket verfallen, sehr zur Freude einer Cousine, die das Fahrzeug mit ihrem Freund und späteren Ehemann für Fahrten kreuz und quer durch die USA nutzte.

Mein zukünftiger Ehemann hing derweil in Spanien jahrzehntelang seinem Lebenstraum vom Reisen mit dem Wohnmobil durch Europa nach. Neben der passenden Partnerin fehlten ihm die Sprachkenntnisse, um sich unbekümmert in fremden Ländern bewegen zu können. Mit mir bekam er nicht nur sein (zweites) Eheweib, sondern als Zugabe auch noch Deutsch und Englisch. Damit und mit Spanisch und Katalanisch, das die Bewohner einiger Regionen Frankreichs gut verstehen, sah er sich gut gerüstet. Zumindest sprachlich.

Und ich? So ein Zigeunerleben im Chemieklo auf vier Rädern reizte mich schon lange nicht mehr, auch fand ich die Uniform der großen Freiheit auf Campingplätzen nicht sehr kleidsam. Jogginghose mit Turnschuhen und Fleecejacke standen mir noch nicht einmal als junger Frau, geschweige denn jetzt jenseits der 60.

Mein verbliebener Lebenstraum war ein gänzlich anderer: ein von mir geschriebenes Buch in den Händen halten! Oder – angepasst an moderne Zeiten – es als E-Book hochladen können. Dafür brauchte ich nur Computer und einen Schreibtisch.

Auf wunderbare Weise haben sich unsere beiden Träume erfüllt und miteinander verknüpft. Ohne die Realisierung von Gabriels Sehnsucht nach Wohnmobilreisen hätte ich dieses Buch nicht schreiben können. Womöglich finden interessierte Leser darin Anregungen und Erfahrungen, die uns einst als Wohnmobil-Anfänger geholfen hätten.

Poltergeist im Mietmobil

»Lass uns erst mal eines mieten«, schlug ich hinterlistig vor. Wie erwartet stimmte Gabriel begeistert zu. Für eine Woche in Norddeutschland mieteten wir ein sechs Meter langes französisches Wohnmobil mit Querbett hinten. Ich hatte die leise Hoffnung, dass sich das Thema mit dieser Woche ein für alle Mal erledigen würde. Konnte ich mir doch mittlerweile ein Leben ohne Geschirrspülmaschine und Feierabendkrimi auf der Couch gar nicht mehr vorstellen.

Das Ergebnis dieses Versuchs überraschte uns beide. Unser Mietmobil war laut Tachometer-Anzeige nur wenig mehr als 2000 Kilometer gefahren. Aber nach weiteren noch nicht einmal 500 Kilometern in sechs Tagen war die Duschabtrennung aus ihrer Halterung gerutscht und hatte sich der Tisch aus seiner Verankerung befreit. Während der Fahrt klapperte und rappelte es am laufenden Band, selbst auf neuer spiegelglatter Asphaltierung. Und das, obwohl ich keinen einzigen Kilometer fuhr. Ausschließlich Gabriel saß am Steuer; und im Gegensatz zu mir ist er ein besonnener, sanfter und sehr guter Autofahrer.

Glückwunsch, sollte man denken, denn ich hatte mein Ziel erreicht: Mein Mann war mit dem Thema durch. Bei ihm müssen die Dinge funktionieren. Für gutes Geld will er Qualität bekommen und nicht einen Defekt nach dem anderen beheben müssen. Nein, er wollte auf keinen Fall mehr ein Wohnmobil fahren, weder eines kaufen noch einen weiteren Mietversuch starten.

Doch anstatt insgeheim zu frohlocken, verspürte ich ein leises Gefühl der Enttäuschung. Wider Erwarten hatte jetzt ich Gefallen gefunden an dieser Art zu reisen und war die längst vergessen geglaubte Vision von der Amerika-Tour im Bulli zu neuem Leben erwacht.

Während dieser Wohnmobilwoche genoss ich es, mich von Ort zu Ort zu bewegen und trotzdem nicht jeden Abend in einem anderen Hotelzimmer den Kofferinhalt neu sortieren zu müssen.

Wenn uns ein angesteuertes Ziel ganz und gar nicht zusagte, fuhren wir einfach weiter, bis es uns woanders besser gefiel. Und wenn wir uns verfahren hatten, hielten wir irgendwo am Straßenrand und studierten bei einer Tasse Kaffee in Ruhe den Stadtplan.

Vor dem Haus meiner Eltern in einer ruhigen Wohngegend übernachteten wir auf der Straße; die lieben Alten brauchten keine Betten für uns zu beziehen und keine Handtücher bereitzulegen, von der Wäsche danach ganz zu schweigen. Im Gegenteil, wir konnten sie zu uns auf ein Glas Wein einladen und sie am nächsten Tag durchs Dorf zum Gasthof kutschieren. Die beiden haben die kurze Fahrt so genossen.

Unser Mietmobil und wir im Frühjahr 2010

An einem schönen Werktag im Mai schlenderten wir mit der sorglosen Gelassenheit von Ruheständlern durch die Innenstadt von Palma, als Gabriel plötzlich stehenblieb und sich mir zuwandte: »Und was machen wir jetzt?« »Ich finde, wir sollten uns etwas Gutes tun. Etwas richtig Tolles machen, solange wir noch können. Worauf hast du Lust?«, fragte ich.

Die Antwort kam von links. Denn genau in diesem Augenblick schob sich ein Wohnmobil in unser Gesichtsfeld und verdeckte die Altbauten gegenüber. Im Schritttempo schlich der Koloss durch die enge Straße. Autofahrer vereinten sich im Hupkonzert, Motorräder schlugen Haken, und Fußgänger fluchten sich die Seele aus dem Leib.

Das Monstrum von einem Wohnmobil bahnte sich seinen Weg haarscharf vorbei an Zweierreihen von parkenden Lieferwagen. Mitten in Palma, am frühen Morgen, wenn die Arbeit ruft und müde Kinder in die Schule verfrachtet werden müssen. Hochkonzentriert, mit gereckten Hälsen und in Falten gelegter Stirn schafften es Fahrer und Beifahrerin, ohne umgeknickte Seitenspiegel an uns vorbeizuziehen. Bevor dieses mobile Wohnhaus nach zigmaligem Vor- und Zurücksetzen und ohne Schaden zu nehmen oder anzurichten um die nächste Kurve gekrochen war, erhaschte ich noch einen Blick auf das Nummernschild. Ich hoffte inständig, dass die Schweden auf ihrer langen Reise unbeschadet ans Ziel gelangen würden. Wo auch immer dieses sein möge, unser Inselchen konnte nur eine Durchgangsstation sein.

Ich drehte mich um zu Gabriel und sprach für uns beide: »Dann kaufen wir uns ein Wohnmobil!« Hilfe, was hatte ich da gesagt? Eigentlich wollte ich mein Erspartes doch für meine eigene persönliche Altersversorgung verwenden! Falls ich im Alter wieder allein sein sollte. Mein geliebter Spanier brauchte nur einen kurzen Augenblick, um die Tragweite meiner Worte zu erfassen und mit einer innigen Umarmung zuzustimmen.

Höchstgrenzen und Mindestanforderungen

In den Monaten danach erhellte der kalte Schein von Notebook, Computer und Tablet vom frühen Morgen bis zum späten Abend unsere ratlosen Gesichter. Es dauerte lange, bis wir auch geistig klarer sahen. Wir waren ja beide Neulinge auf dem weiten Feld der Wohnmobile und wussten nichts von der Vielzahl der Marken und Modelle auf dem Markt, abgesehen von der einen Mietwoche, die auch schon wieder fast fünf Jahre zurücklag. Wir hatten keinen blassen Schimmer, auf welches Abenteuer wir uns da eingelassen hatten.

Ich lernte den Unterschied zwischen integrierten und teilintegrierten Wohnmobilen und denen mit Alkoven: Bei den integrierten Modellen kommen Fahrerkabine und Wohnbereich ab Fabrik aus einem Guss. Diese Fahrzeuge sind vorn platt wie ein Autobus, während teilintegrierte Wohnmobile eine Motorschnauze haben. Bei ihnen wird der Aufbau vom Wohnmobil-Hersteller an die Fahrerkabine verschiedener Automobil-Hersteller montiert. Bei gleicher Außenlänge wirkt der Integrierte durch den nahtlosen Übergang innen geräumiger, ist aber bei gleicher Ausstattung im Schnitt 10 000 Euro teurer. Alkovenmodelle haben einen Aufbau über dem Fahrerhaus mit einem fest eingebauten Bett. Dadurch gewinnt man Platz im übrigen Wohnraum, der oft über eine Ecksitzgruppe im Heck verfügt. Ins Bett kann man aber nur über ein Treppchen gelangen.

Wir waren uns sehr schnell einig, dass wir in unserem Alter nicht mehr über eine Leiter ins Bett klettern wollten (und schon gar nicht uns nachts im Dunkeln hinunterhangeln) und dass uns der Aufpreis für ein integriertes Modell zu hoch war. Ein teilintegriertes Wohnmobil sollte es sein.

Am Anfang stocherten wir wahllos in Google & Co. herum. Wir waren verblüfft über die vielen Fabrikate und Modelle und wie sehr sich die Erfahrungsberichte in den Foren zum Teil widersprachen. Nach unzähligen »Hast du den schon gesehen?« und »Sind die eigentlich alle weiß, gibt es gar keinen in Farbe?« oder »Brauchen wir unbedingt einen Fernseher?« kristallisierten sich nach und nach Mindestanforderungen an Bequemlichkeit und Nutzen und Höchstgrenzen für Maße und Gewicht heraus. Nicht zu vergessen die alleralleroberste Schmerzgrenze für den Geldbeutel. Für den Preis mancher Modelle kann man eine schicke Eigentumswohnung in guter Wohnlage kaufen oder sogar ein kleines Haus, wobei ich noch nicht von den absoluten Superluxusmodellen rede.

Unsere Mindestanforderungen:

Längsbetten in Fahrtrichtung, egal ob zwei Einzelbetten oder ein Doppelbett. Keiner von uns wollte über den anderen robben, um ins oder aus dem Bett zu kommen. Oder umgekehrt sich möglichst klein und platt machen, damit der andere heraus kann. Diese Erfahrung hatten wir schon zur Genüge in dem gemieteten Wohnmobil gemacht.Das schließt Alkoven aus, in denen man über der Fahrerkabine quer zur Fahrtrichtung schläft, und kürzere Modelle, die über ein im Heck quer eingebautes Bett verfügen. Auch Alkoven mit zwei Einzelbetten längs zur Fahrtrichtung wollte ich nicht; ich fürchtete die geringe Höhe über der Schlafstatt. An allabendliches Bettenbauen aus Polsterbänken dachten wir gar nicht erst; aus dem Alter sind wir nun wirklich raus, vor allem nach einem oder zwei Gin Tonic.Toilette und Dusche sollten getrennt sein. Wir wollten kein sogenanntes Großraumbad, in dem nach jeder Dusche Boden und Badezimmermöbel komplett trockengewischt werden müssen, damit man unbesorgt wieder auf die Toilette gehen oder sich die Zähne am Waschbecken putzen kann. Es gibt allerdings auch immer mehr Bäder, in denen sich bei Bedarf die Dusche vom Rest abtrennen lässt.Ein großer Kühlschrank musste sein, der auch Platz bietet für jede Menge Getränkeflaschen. Und dazu ein kleiner Gefrierschrank für Vorräte.Eine Garage (das ist der Stauraum unter dem hinteren Teil der Betten, mit Tür von außen, meist eine auf jeder Seite) für unsere Klappräder, mit zusätzlichem Platz für Campingmöbel und Grill plus Werkzeug und Gummistiefel und Einkaufstüten und was man sonst noch braucht – oder zu brauchen glaubt – für die Reise.Wichtig war uns eine Möglichkeit, Schlaf- und Wohnbereich zu trennen, im besten Fall mit einer Schiebetür. Trotz des unbedingten Wunsches nach Zusammensein hatten wir doch einige Bedenken bezüglich eines Zusammenlebens auf nur 14 Quadratmetern.

Unsere Höchstgrenzen:

Sechseinhalb, maximal sieben Meter Länge. Wir erinnerten uns noch zu gut an die Anspannung, mit der jener schwedische Riese durch die engen Straßen der Innenstadt gesteuert worden war.Nicht mehr als dreieinhalb Tonnen Gewicht. Ein vor 1999 in Deutschland gemachter Führerschein berechtigt zum Steuern von Fahrzeugen bis zu siebeneinhalb Tonnen; der spanische jedoch seit jeher nur bis dreieinhalb.Höchstens 60 000, allerhöchstens 65 000 Euro. Mit allem Drum und Dran. Nicht zu glauben, wie naiv wir waren.

Auf die Messe, fertig, los!

Unsere Freunde Regina und Wolfgang genießen seit Jahren Profistatus auf dem Freizeitsektor. Sie haben sich ihr Wissen über Wohnmobile mit Pannen und Fehlentscheidungen in drei Jahrzehnten hart erarbeitet. Heute sind sie angekommen im Premiumbereich und fahren eine Concorde, die neu eine Viertelmillion kostet.

Vor über 30 Jahren kaufte Wolfgang als junger Selbstständiger sein erstes gebrauchtes Wohnmobil, weil er nicht so oft von seiner Frau getrennt sein wollte bei den vielen beruflichen Reisen quer durch Deutschland. Seine Geschäftspartner entspannten sich bei den Besprechungen im Wohnbereich und genossen Reginas Kochkünste. Das Wohnmobil als Konferenzort überzeugte sie wohl auch von dem kreativen Geist seines Besitzers, denn die Wohnmobile vergrößerten sich im Gleichklang mit dem Wachstum der Firma.

Als die beiden von unserem Vorhaben hörten, luden sie uns sofort zu sich nach Hause in Düsseldorf ein. Das Wochenende der Wahl war der alljährliche Caravan-Salon, die größte Messe weltweit für Wohnwagen und Wohnmobile. Internetrecherche sei ja gut und schön, »Anfassen und drauftreten müsst ihr aber!«, meinten sie. Wie recht sie hatten!

Regina und Wolfgang kaufen ihre Fahrzeuge nur aus zweiter Hand. Sie suchen nach ein oder zwei Jahre alten Modellen, die ihre Vorbesitzer sich im Überschwang angeschafft haben, nur um nach der dritten Reise und nicht einmal 10 000 gefahrenen Kilometern festzustellen, dass ihnen Flugzeuge und Hotels doch lieber sind. Oder der Erstbesitzer hätte vielleicht besser vorher seine Gattin fragen sollen, ob sie auf Geschirrspüler und regelmäßigen Besuch in ihrem Beauty-Studio verzichten kann und will. Die laut Wolfgang unvermeidlichen Kinderkrankheiten seien bei der Übergabe schon auskuriert, ein großer Vorteil neben der Ersparnis von mindestens 20 Prozent des Neupreises.

Für uns wird das erste Wohnmobil wahrscheinlich auch das letzte sein, deshalb soll es lieber ein Neuwagen werden mit zwei Jahren Garantie.

Die Auswahl an Modellen auf dem Messegelände ist schlicht zu viel des Guten, zum Davonlaufen. Wir sind unendlich dankbar für die kompetente Führung durch unseren Freund, der uns dennoch genügend Freiraum lässt für mehr als nur ein spontanes »Lass uns mal in den da reinschauen« oder »Meinst du, die lassen beim Preis mit sich handeln?«. Tun sie nicht, jedenfalls nicht nach unserer Erfahrung und nicht in diesen Tagen. Die Branche boomt, weshalb es keinen triftigen Grund gibt, einem kaufwilligen Neukunden für ein Mittelklassemodell ein Angebot zu machen, das über den Messenachlass hinausgeht.

Wir bestaunen ein nach Kundenwunsch gefertigtes Modell im Busformat mit Mercedes-SLK-Cabrio im Bauch. Auf Knopfdruck gleitet der kleine Flitzer auf der Beifahrerseite zwischen den Achsen heraus und senkt sich fahrbereit auf den Boden. In dieser Kategorie, in der es immerhin um eine Million Euro und mehr geht, ist die Besichtigung nicht für jedermann vorgesehen; das Einzelstück ist tatortmäßig abgesichert.

Wir zwängen uns zu dritt in Camper von wenig mehr als fünf Metern Länge, die kaum einen Wunsch offenlassen – außer dem einen nach mehr Platz. Die Besucher der einen wie der anderen Kategorie unterscheiden sich deutlich, vor allem im Alter. Einen Camper kann man durch die City steuern und direkt vor dem Museum parken oder ihn in abgelegene Waldwege lenken. In dieser Sparte ist das Interesse beim jüngeren Publikum deutlich größer. Und jünger bedeutet im Zusammenhang mit Wohnmobilen immer noch mindestens 40. Denn auch für einen Camper muss der Käufer wenigstens 50 000 Euro hinlegen, wenn das Fahrzeug einigermaßen ausgestattet sein soll.

Bei den Luxusriesen regiert Häuptling Silberlocke. Weit über 80-jährige Männer ziehen sich die Eingangstreppe hinauf, und wir fragen uns, wie um Himmels willen sie die Kontrolle über ihr fahrbares Heim behalten wollen. Auf unserer ersten Reise schon sollten wir Zeuge eines köstlichen Beispiels werden.

Bis jetzt ist alles noch Spaß. Ernst wird es erst, als wir uns an das Steuer von Modellen setzen, die in Größe, Grundausstattung und Preis dem entsprechen, was wir uns vorgestellt haben. Deren technische Daten haben wir nach Tausenden von Klicks zu Hause auswendig gelernt, aber hier in diesen heiligen Hallen sind unsere Gehirne geschrumpft. Die Zahlen und Fakten sind nicht mehr abrufbar.

Natürlich sind wir nicht die Einzigen, die sich für die Mittelklasse interessieren. Manches Ausstellungsstück wirkt wie durchgeschüttelt, einmal auf den Rücken gelegt und wieder auf die Räder gestellt. Ganz anders die fast baugleichen Fahrzeuge anderer Marken. Auch in diesen Modellen hat eine ähnliche Anzahl von Neugierigen an Türgriff und Seitenwand Halt gesucht und sich mit schweißnassen Händen die ein, zwei oder auch drei Treppenstufen hochgezogen. Innen werden gnadenlos alle Klappen, Türen und Jalousien begrabbelt und vor und zurück geruckelt. Was sich nur irgendwie öffnen und schließen lässt, schwenkt garantiert jeder mindestens einmal durch die Luft (ich auch).

Aber diese Aufbauten samt Innenwelt sind immer noch intakt und manierlich anzuschauen, allerdings auch mindestens 10 000 Euro teurer als die schon auf der Messe ramponierten. Kein Fußboden-PVC hebt sich an den Kanten, keine Schrankklappe hängt schief in den Angeln oder knarzt beim Zuklappen. Auch der Kühlschrank schnappt nicht hörbar nach Luft, obwohl jeder Besucher mindestens einmal den nicht vorhandenen Inhalt überprüft.

Am Ende des Tages machen wir uns auf die Suche nach der Cinderella-Toilette. Bis dahin hatte ich das intime Thema der menschlichen Ausscheidungen ignoriert beziehungsweise abgetan mit einem einseitig geschlossenen Pakt: Wenn du die Toilettenkassette leerst, erkläre ich mich freiwillig zuständig für die Küche. Mein praktischer Mann hat nichts dagegen, will dann aber auch das Feinste vom Feinen haben, das zurzeit in Sachen Toilette für Wohnmobile auf dem Markt ist: das Cinderella-Klo.

Diese Toilette verdankt ihren märchenhaften Namen ihrer Fähigkeit, Fäkalien in Asche zu verwandeln – diskret, hygienisch und biologisch abbaubar. Die Technik stammt aus Skandinavien, wo sie vor allem in Berghütten zu finden ist, die laut Hersteller aber auch in Wohnmobilen zur Anwendung kommt.

Hier in Düsseldorf schütteln alle befragten Profis den Kopf: Nein, davon haben sie noch nie gehört, und ganz bestimmt ist so etwas auch nicht auf der Messe ausgestellt. Was nicht stimmt, aber das merken wir erst später, als wir im Hinausgehen auf dem Messeplan einen entsprechenden Stand entdecken. Das Thema sollte sich später durch den Preis erledigen: Mit Einbau kostet die Cinderella-Toilette beim billigsten Anbieter immer noch weit mehr als 5000 Euro! Entschieden zu viel Geld für ein Klo auf Reisen.

Am zweiten Tag unseres Messebesuches beschränken wir uns auf die am Vortag getroffene engere Auswahl. Wir prüfen die Polstermöbel mit der Kraft von Faust und Gesäß. Wir machen es uns bequem auf Einzel- oder Doppelmatratzen. Wir testen, ob wir im Bett aufrecht sitzen können (ich mag nicht im Liegen lesen) und neben dem Bett aufrecht stehen. Zum ersten Mal, seit wir uns kennen, freut sich Gabriel, dass er nur wenig größer ist als ich!

Er vergleicht die technischen Daten von Motorkraft, Achslast und Batterieleistung, während ich überprüfe, ob das Badezimmer ausreichend Stellfläche bietet für Tiegel, Tuben und Slipeinlagen. Am liebsten hinter einer verschließbaren Schranktür. In der Küche inspiziere ich die Aufteilung der Schubladen und Schränke und zum wiederholten Mal das Aufnahmevermögen von Kühlschrank und Gefrierfach.

Bis zum Nachmittag treffen wir uns auf einem gemeinsamen Nenner in Gestalt eines teilintegrierten Wohnmobils, das auf den vielversprechenden Namen Magic Edition hört. Dabei geraten wir an einen Verkäufer, mit dem uns sogleich eine wechselseitige Sympathie verbindet.

Wir hatten ja keine Ahnung, wie so eine riesige Verkaufsmesse funktioniert. Ohne nachzudenken, sind wir davon ausgegangen, dass jeder Hersteller seine Modelle mit eigenen Angestellten präsentiert. Weit gefehlt. Carthago, Euromobil, Hymer und wie sie alle heißen, schaffen ihre Fahrzeuge von der Fabrik nach Düsseldorf und auch einiges an Personal. Den größten Teil der Verkäufer stellen die großen Händler der verschiedenen Marken aus ganz Deutschland.

In unserem Fall ist dies Herr Barthels, der uns durch die ausgestellten Modelle »seiner« Marke führt. Ein kräftiger Mann mit warmer Stimme, geschätzt Mitte 50, die Haare über der Stirn sind schon deutlich gelichtet. Der offene Hemdkragen gibt den Blick frei auf einen Silberanhänger, der lässig an einer schwarzen Kordel baumelt. Vermutlich zieht Herr Barthels eine Lederjacke jedem Anzug vor, fährt Motorrad und trinkt gern Rotwein.

An der Innenseite der Eingangstür unseres Modells sind Stautaschen aus kräftigem Gewebe angebracht; beim Verlassen des Fahrzeugs zupfe ich daran und kann mir einen vorlauten Kommentar nicht verkneifen: »Da waren sie in der Fabrik wohl etwas sparsam und haben die Teppichreste verarbeitet.«

Herr Barthels grinst: »Sie gefallen mir! Kommen Sie, wir drei trinken einen Kaffee zusammen.«

Zwei Stunden später, nach einem anstrengenden Frage-und-Antwort-Spiel und weil Herr Barthels heute Geburtstag hat, gehen wir von Kaffee auf Sekt über. Bis dahin bin ich von einem ausschließlich informativen Messebesuch ausgegangen. Doch wieder einmal kommt es anders. Als wir so friedlich beisammensitzen vor unseren Gläsern und Tassen, wendet Gabriel sich plötzlich über den Tisch hinweg an mich: »Unterschreib du den Vertrag, ich habe meinen Ausweis in der Wohnung vergessen.«

So kommt es, dass ich arme Künstlerin ein Wohnmobil im Wert von rund 75 000 Euro kaufe, zu denen sich später in Spanien noch über 6000 Euro Steuern gesellen werden! Ich, die ich mich in den letzten 15 Jahren meines Berufslebens mehr schlecht als recht als freiberufliche Malerin durchgeschlagen habe. Ausgerechnet ich unterschreibe einen Kaufvertrag über eine derart hohe Summe!

Nach dem letzten Schluck Sekt frage ich, wo wir denn unser Wohnmobil abholen können. Die Antwort haut uns beide um: Kurz vor der dänischen Grenze! In einem kleinen Dorf ganz nah bei Flensburg befindet sich die Firma, bei der Herr Barthels angestellt ist. Von Mallorca aus sind das 2000 reine Fahrkilometer, nicht eingerechnet das Mittelmeer zwischen Barcelona und Palma.

Na gut, sagen wir uns, die Abholung wird eben gleichzeitig unsere erste Reise werden. Unsere erste Abenteuerreise.

Zu Beginn dieses denkwürdigen Kaufgespräches lernt Gabriel ganz fix, was das kleine deutsche Wörtchen »ab« bedeutet: Zu dem angezeigten Messe-Sonderpreis »ab …« addierten sich Solaranlage und Satellitenschüssel, Radio und Fernseher, Jalousien vor den Fenstern der Fahrerkabine und Dunstabzugshaube in der Küche. Nicht zu vergessen das Winterpaket für die Reisen ins kühle Deutschland und die Klimaanlage für Südeuropa. Eine Markise sollte uns und unsere Campingmöbel vor der Sonne schützen. Wenigstens der Fahrradträger außen am Heck war bereits im Messe-Angebotspreis enthalten, ausgerechnet den aber brauchten wir nicht. Genauso wenig wie die Außendusche, die wir nach zwei- bis dreieinhalb Jahren und mehr als 20000 Kilometern noch kein einziges Mal benutzt haben. Der Gasanschluss außen hingegen hat sich schon mehrfach bewährt für den Grill.

Später entschieden wir uns noch für ein höheres zulässiges Gesamtgewicht und einen stärkeren Motor, aber da waren wir schon längst wieder daheim. Unser Freund Wolfgang gab uns einen guten Rat, den wir mit nach Hause nahmen: »Alles, was sich später nicht mehr einbauen oder ändern lässt, solltet ihr euch heute gut überlegen.«

Eine verhältnismäßig kleine Anzahlung von 1000 Euro genügte. Danach folgten fast neun Monate bis zur Auslieferung! Neun Monate, in denen unsere Gefühle Achterbahn fuhren wie bei einer Schwangerschaft. Ende September 2015 bestellten wir unser Wohnmobil von zu Hause aus endgültig und unwiderruflich. Erst Ende Mai 2016 konnten wir es abholen.

Dazwischen lagen gefühlt Hunderte Telefonate, WhatsApp-Nachrichten und gezählte 75 E-Mails zwischen uns und Herrn Barthels. Sollten wir lieber doch nicht auflasten und stattdessen das serienmäßige Hubbett mit seinen 100 Kilo weglassen? Den Fahrradträger, der im Messepaket enthalten war und den wir nicht brauchten, am Heck befestigen oder in die Garage legen lassen? Jedes Mal, wenn ich mir auf dem Bildschirm die Garagentür anschaute, schwankte ich zwischen Skepsis und Panik, dass unsere Klappräder nicht hineinpassen würden. Brauchten wir für den Wunschgrill einen Gasanschluss mit 30 oder mit 50 Millibar? Backofen oder Dunstabzugshaube, was ist unterwegs wichtiger? Fragen über Fragen, die in unseren Köpfen Purzelbäume schlugen.

Erschöpft vom Messetrubel in der Garage unserer Wahl

Zwischen Euphorie und Übelkeit

Jede werdende Mutter weiß, wie endlos sich neun Monate dehnen können und wie kurzweilig sie gleichzeitig sind. Wir hatten mehr als ausreichend Zeit, um die Abholung gebührend vorzubereiten – aber auch, um uns verrückt zu machen. Hatten wir aus Überzeugung gehandelt oder nur einer verschwommenen Vision von Glück nachgegeben? Waren wir etwa einem Moment der totalen Vernebelung aufgesessen? Auf einer Insel wohnen und ein teures Wohnmobil kaufen, wie soll das gehen? Und wo soll das Fahrzeug auf Mallorca stehen? Hatten wir noch alle Tassen im Schrank, so viel Geld auszugeben für etwas, das vom ersten Tag an seinen Wert verliert?

Gabriel recherchierte im Internet und fand heraus, dass wir unsere Vorliebe für ein eigenes Wohnmobil mit mindestens 500 anderen Besitzern auf Mallorca teilten. Das war beruhigend. Die Suche nach einem geeigneten und preiswerten Standplatz in der Nähe löste er auf mallorquinische Art: viel darüber reden, bis ein Freund zuhört, der eine Freundin hat, die eine Schwägerin hat, deren Vater … und so weiter. Wir hatten großes Glück.

Ich musste mich zwingen, nicht an das viele Geld zu denken. Von dem Geld für das Wohnmobil könnten wir problemlos mindestens ein Jahrzehnt lang je vier Wochen Urlaub in einem 20-Sterne-Hotel machen. Mit Hin- und Rückflug in der Business-Class. Und überhaupt: So viel Geld auszugeben nur fürs Vergnügen! Ich musste aufpassen, dass kein schlechtes Gewissen Zugang zu meinem Herzen fand.

Was ist, wenn wir uns in uns selbst, in unserem Willen, in unseren Kräften, in uns als Paar getäuscht haben und uns nach der ersten Reise nicht trauen, uns das einzugestehen? Wir hatten unsere Neuerwerbung noch gar nicht, aber schon rechneten wir den Wertverlust aus beim Wiederverkauf nach einem, nach zwei oder nach drei Jahren.

An anderen Tagen malten wir uns die Zukunft aus wie ein Roadmovie aus den Siebzigerjahren. Noch nie in meinem langen Leben hatte ich ein so großes Gefährt gesteuert. Das hinderte mich nicht daran, mich schon jetzt als Queen of the Road zu sehen. Dabei wussten wir nur zu gut, dass die Zeiten der großen Freiheit (wenn es sie denn jemals gab) erst einmal vorbei waren. Nicht nur wir schätzen immer mehr Länder als zu unsicher ein, um sie auf eigene Faust zu bereisen.

Auf der Suche nach Bestätigung nervten wir Freunde und Familie mit den Fotos von »unserem« Wohnmobil auf dem Tablet. Die Mallorquiner haben eine liebenswerte Eigenschaft: Skepsis oder Ablehnung behalten sie gern für sich, umso überschwänglicher zeigen sie ihre Begeisterung. So kamen endlich auch wir zu dem Schluss, dass wir mit Glück und bei halbwegs guter Gesundheit noch mindestens zehn Jahre gemeinsame Reisen im Wohnmobil würden genießen können. Danach sehen wir weiter. Wenn ich eines von den Spaniern gelernt habe, dann dieses: hier und heute und mit lieben Menschen das Leben genießen. Morgen ist sowieso nur ein Vielleicht.

Zu guter Letzt entschieden wir uns für die Auflastung des maximal zulässigen Höchstgewichts von 3,5 auf 3,85 Tonnen. Offiziell enthalten sind im Fahrzeuggewicht bei Auslieferung: ein Fahrer mit 75 Kilogramm Körpergewicht (ich verrate jetzt nicht das von Gabriel), 20 Liter Frischwasser (und das bei einem Tank, der in unserem Fall 125 Liter fasst) und alle dazugekauften Extras wie Solaranlage oder Satellitenschüssel. Damit ist man schnell bei 3100 Kilogramm und mehr, ohne Kleidung, Essen und Getränke. Und ohne Fahrräder, Campingmöbel, Grill und Werkzeug. Nicht zu vergessen: ohne Beifahrer (also ohne meine 63 Kilo) und ohne die Möglichkeit, zwei weitere Fahrgäste mitnehmen zu können. Für all das blieben ohne Auflastung nur noch 400 Kilogramm oder weniger.

Die Erhöhung um 350 Kilogramm ist nur eine Formsache, ein Eintrag in die Fahrzeugpapiere ohne technische Änderung am Fahrzeug. Aber diese Auflastung erlaubt uns bei allem, was wir für notwendig oder wünschenswert halten, nicht jedes Pfund auf die Waagschale legen zu müssen. Verlockend fand ich auch die Möglichkeit, zwei weitere Fahrgäste mitnehmen zu können.

Die beiden zusätzlichen Sicherheitsgurte an der Sitzbank kamen schon bei unserer zweiten Reise zum Einsatz, als wir in Frankreich die Kinder von Freunden durch die Gegend kutschierten. Sie waren so stolz, als wir sie mit dem Wohnmobil von der Schule abholten. Ich will auch nicht auf den Kauf einer schönen Keramik irgendwo auf der Reise verzichten müssen, nur weil wir mit unserem Gewicht schon am Limit sind.

Als Gabriel mit Jungenstolz seinen neuen Führerschein bis 7,5 Tonnen in der Hand hielt, zeigte unser Konto wieder 1000 Euro weniger an.

Nun hatten wir aber nicht nur ein riesengroßes Auto gekauft. Im Aufbau befand sich eine Miniwohnung mit Schlaf- und Wohnzimmer, Küche und Badezimmer. Alle Schränke, Schubladen und sonstigen Staufächer waren gnadenlos leer. Auch die Garage. Ich hatte keine Ahnung, wie wir Geschirr, Möbel, Bettzeug und tausend andere Sachen von Mallorca in den Norden Deutschlands schaffen sollten. Vieles davon würden wir ja gleich am ersten Tag und vor allem in der ersten Nacht benötigen.

Es wurde März, bis ich mich wieder damit beschäftigen wollte, konnte und auch musste. Wieder wusste Herr Barthels Rat. Die Wohnmobil-Branche wächst und mit ihr die Zulieferindustrie. Berger, Movera und Reimo, um nur die wohl größten zu nennen, bieten so ziemlich alles an, was für das Leben in Wohnwagen oder Wohnmobil nützlich, dekorativ oder auch nur spaßig sein kann. Wir sollten alles zu ihm in die Firma schicken lassen. Das brauchte er mir nicht zweimal sagen.

Wir bestellten munter drauflos. Gabriel Kabelrolle und Gasgrill, ich bruchsicheres Melamin-Geschirr und Gläser. Im Zweifelsfall siegte mein Sinn für das Praktische über die Ästhetik. Schweren Herzens verzichtete ich auf echte Gläser für Gin Tonic und Sekt (sie kamen später hinzu); Weingläser und schlichte Becher aus Plastik mussten für Wasser bis Champagner herhalten. Campingtisch und Stühle brauchten wir, und auch ein Wäschetrocknergestell zum Einhaken in den Fensterrahmen konnte nicht schaden.

Noch mal purzelten fast 1000 Euro vom Konto.

Einziehdecken und Bettwäsche, Bademäntel und Handtücher orderte ich bei einem Versandhaus, bei dem schon meine Mutter gekauft hatte, und ließ die Sachen in das noch unbekannte Dorf bei Flensburg schicken. Meine Mutter knickte Eselsohren in die dünnen Blätter der Kataloge, machte Kreuzchen und Haken und schrieb mit Druckbuchstaben Artikelbezeichnungen und ellenlange Nummern auf die Bestellzettel. Danach vereinbarte sie Ratenzahlung. Wir verschoben die Artikel virtuell in den Warenkorb und zahlten vorab mit Visakarte.

Ich stellte mir vor, wie Herr Barthels langsam zugemauert wurde von unseren Paketen. Ende April, Anfang Mai kam fast täglich eine E-Mail von ihm: Ihr Bettzeug ist eingetroffen, oder: Die Handtücher sind da. Diese kurzen E-Mails verwandelten unsere Spannung in Vorfreude.

Buenos días in Moinlanden

Endlich! Endlich war es so weit, der Termin für die Übergabe unseres Traummobils stand fest. In einem kleinen Dorf in der Nähe von Flensburg konnten wir unser Riesenbaby am 24. Mai 2016 abholen. Über die Webseite des Händlers flattern Laufbänder mit »Ihr Händler im Norden« und »Ihr Partner im Norden«; Dänen können die Seite auf ihre Muttersprache umstellen. Die Nationalflaggen aus Schweden und Norwegen verweisen auf weitere Sprachoptionen. Aber Spanisch? Vermutlich waren wir die ersten Kunden aus Südeuropa.

Flugzeug und Bahn waren in heillose Verspätungen verstrickt, nicht eine Verbindung klappte. Todmüde kamen wir an dem kleinen Bahnhof an, wo Herr Barthels uns auch spät nach seinem Feierabend noch abholte und in ein Hotel im Dorf brachte. Und tatsächlich, er trug eine Lederjacke!

Am nächsten Morgen regnet es und hört den ganzen Tag nicht wieder auf. In dieser Nässe steht unser Prachtstück so massiv und unumstößlich auf dem Asphalt im Hof des Betriebes, dass uns angst und bange wird. Oft hatte ich mir das Hochgefühl ausgemalt, wenn ich das weiße Gefährt zum ersten Mal leibhaftig vor mir sehen würde. Aber jetzt ist es Ehrfurcht, die mich packt. Die Ehre überlasse ich wem auch immer, mir bleibt im Augenblick nur die Furcht. Wie zum Teufel sollen wir das jemals bezwingen?

Der Kasten ist so riesig! Zum Glück nicht nur von außen. Auf der Messe hatten wir uns nie allein in einem Fahrzeug aufhalten können, stets quetschten und schoben sich andere Besucher mit hinein. Jetzt bewegen nur wir zwei uns frei zwischen Fahrerkabine und Bett und haben bei Weitem nicht mehr dieses Gefühl der Enge wie in Düsseldorf. Alles kommt uns groß und großzügig vor.

Wir erschnuppern das Neue im Raum und äugen in die Schrankfächer: Blitzblank sauber gähnt ihre Leere uns an. Die Klappen und Türen öffnen und schließen sich wie frisch geölt. Gabriel besetzt seinen Platz hinter dem Steuer und tastet mit Zartgefühl die Armaturen ab, während ich es mir auf einer Polsterbank bequem mache. Mit beiden Händen streichle ich den Stoff und schaue zur Tür: Die dort angebrachten Staufächer sind keineswegs aus Teppichresten gefertigt, sondern aus dem Stoff der Polstermöbel.

Viel Zeit zum Streicheln bleibt mir nicht. Wir müssen noch am Vormittag nach Flensburg zur Zulassungsstelle, wofür man uns einen Firmenwagen zur Verfügung stellt. Im Wartesaal spuckt der Automat für uns die Nummer 79 aus, während auf der elektronischen Anzeige noch die 25 leuchtet wie eine rote Ampel. Noch 54 vor uns! Nach zweieinhalb Stunden verlassen wir das Gebäude mit zwei grünen Nummernschildern für die Ausfuhr des Fahrzeugs nach Spanien.

Auf dem Hinweg haben wir linker Hand einen großen Supermarkt ausgekundschaftet, den wir jetzt ansteuern. Wir schlagen hemmungslos zu. Wir brauchen ja eine komplette Grundausstattung von Salzstreuer und Pfeffermühle über Brot und Butter bis hin zu Wein- und Bierflaschen. Taschentücher und Küchenpapier, abgepackter Aufschnitt und Brühwürfel sowie Gefrorenes für die schnelle Küche – alles wandert in unseren Einkaufswagen. Und ein Kaffeekocher natürlich, eine französische Glaskanne mit Mechanismus zum Runterpressen des Kaffeesatzes. Ohne Kaffee bin ich morgens kein Mensch.