Abgrundsätze der Narrenphilosophie - Rolf Friedrich Schuett - E-Book

Abgrundsätze der Narrenphilosophie E-Book

Rolf Friedrich Schuett

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Beschreibung

Evolution. Seit Darwin haben sich die intergorillanischen Beziehungen zwischen den Menschen nicht verbessert. Betrachtungen zum letzten Lebensabschnitt, der uns vom Leben abschneidet: Sind Hochbetagte schon umnachtet? Gold, Silber oder Bronze in der Philosophie-Olympiade? I N H A L T Denken, vergoldet, versilbert oder nur Blech? Menschenaffe oder Affenmensch? Narrenphilosophie : Sprichwort von morgen? Sebastian Franck : "Paradoxa" (1534) Joseph Joubert : "Carnets" Théodore Jouffroy : "Das grüne Heft" Jean Paul : "Vorschule der Ästhetik" (1804) Stimmen hören, die nicht stimmen Einsam und gemeinsam, altern und veralten

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INHALT

Denken, vergoldet, versilbert oder nur Blech?

Du blöder Affe du!

Narrenphilosophie : Sprichwort von morgen?

Sebastian Franck

: 15 „Paradoxa“ (1534)

Joseph Joubert

: „Carnets“

Théodore Jouffroy

: “Das grüne Heft“

Jean Paul

: „Vorschule der Ästhetik“ (1904)

Stimmen hören, die nicht stimmen

Einsam und gemeinsam, altern und veralten

In memoriam

Erasmus von Rotterdam : „Lob der Torheit“

(„Moriae encomium“, „Laus stultitiae“, 1509)

Für Elke

in Liebe und Dankbarkeit

Denken, vergoldet, versilbert oder nur Blech?

Wem würde man wohl Gold, Silber und Bronze geben wollen, wenn die (eurozentrierte) Philosophiegeschichte so etwas wie eine begriffsanalytische Geistesolympiade wäre, von Heraklit bis Heidegger etwa? Wer dürfte sich überhaupt als Schiedsrichter in den Ausscheidungskämpfen der Stichwahl aufspielen, ohne nur seinen unmaßgeblichen Privatgeschmack ins edle (oder ekle) Spiel zu bringen? Wer könnte auch nur genug Kompetenz mitbringen, um kompetente Leute vorzuschlagen, die der Jury angehören sollten? Müsste man „bedeutende“ Philosophen fragen, wem sie selber die Siegespalme geben würden? Keine besonders gute Idee, denn ein Aristoteles würde seinem Lehrer Platon den silbernen Orden verleihen. Der Rationalist Leibniz würde wahrscheinlich seinem Konkurrenten Descartes nur die Silbermedaille und Spinoza die Bronzemedaille gönnen, der Staatsphilosoph Hegel hingegen dürfte nur Platon und Kant direkt unter sich auf dem Siegertreppchen wissen wollen. Individualphilosoph Adorno schließlich, es lebe der kleine Unterschied, könnte Gold-Hegel vor Silber-Marx und Freud-Bronze stellen – und sich selbst eine alleskrönende Diamantnadel verehren?

Jeder graduierte und emeritierte Universitätsphilosophieprofessor würde vermutlich je nach seiner zufälligen Schulrichtung gewichten.

Aber wie wäre es mit einer Jury ganz aus interessierten Laien und Liebhabern (Amateuren) der Philosophie, wie wäre es da z. B. mit dir oder mir? Niemand hindert uns, uns zu blamieren, doch sind wir bloßen Leser und Nachdenker der Vordenker kompetent genug oder zu dummdreist borniert? Und wie lassen Philosophen sich nach Gewichtigkeit abwiegen, auf existenzieller, intellektueller oder wenigstens humanistischer Waagschale? Oder neigt unsereins zu sehr zu Favoriten, die unsere gefälligen Lieblingsvorstellungen nur bestätigen? Dann hätten wir „im Grunde“ die Denker nur dazu missbraucht, uns selber auszuzeichnen.

Ein notorischer Pessimist würde ja im Geisteswimbledon vielleicht den Misanthropen Schopenhauer vorziehen, ein verhinderter Machtmensch eher Nietzsche, ein idealistischer Schwärmer möglicherweise den Aristokraten Platon, ein nüchterner Realist den ordentlichen Bürger Aristoteles, ein strenger Logiker den letzten Polyhistor Leibniz, ein skeptischer Rechner seinen Descartes. Ein Naturvergötterer fände in Spinoza seinen Goldjungen, ein Berufsoptimist würde sich den preußischen Dialektiker Hegel vergolden, ein Sprachverbuhlter vorzugsweise den positivistischen Analytiker Wittgenstein. Ein Materialist verteilte Gold und Silber an Marx und Bloch, ein Nationalist erköre sich Heidegger gegen Husserl, eine „nackte Existenz“ den positiveren Jaspers oder negativeren Sartre etc.

Meine Longlist würde etwa zwanzig Berühmtheiten aufführen, die großen Namen, meine Shortlist der engeren Wahl vielleicht nur noch Aristoteles, Kant, Hegel, Schopenhauer, Heidegger und Adorno – immer noch doppelt zu viel fürs Dreiertreppchen einer universellen statt nur universitären Grübel-Olympiade. – Und warum keine Philosophinnen?

Also Augen zu und beherzt ins kalte Wasser gesprungen : Aristoteles, Kant und Hegel als die drei (gendermännlichen) Großathleten des Denksports. Verrät diese Auswahl mehr über mich Dilettanten als über meine drei Geistesriesen? Weshalb gerade diese ungleichen Drei, die einander schwerlich die Goldmedaille verliehen hätten. Immerhin zählten sie unbestritten zu den schulbildend Folgereichsten und Wirkmächtigsten ihres Fachs und ihrer Disziplinen im Abendland, das von Athen seinen Ausgang nahm, um in Berlin um 1800 seinen weltmeisterlichen Höhepunkt zu erreichen, der seither schwerlich wieder erreicht wurde. Nur ein einziger altgriechischer und gleich zwei deutsche Denker? Andere fallen dagegen auffallend ab – auch ohne nationalistische Vorurteile der Juroren. Warum also nicht der große Engländer Hume, der große Franzose Bergson oder der große Amerikaner Peirce?

Auffallend ist, dass diese glorreichen Drei ausnahmslos keine A(nti)theisten waren, so wenig wie die meisten größeren Chefdenker der Geschichte. Aristoteles postulierte einen „unbewegten Beweger“, einen Théos theoretikós als Ideal des kontemplativen Lebens, Kant die „regulative Gottesidee der transzendentalen Dialektik“ als Aufhänger aller Wissenschaften der reinen wie der praktischen Vernunft, und Hegel war ein guter schwäbischer Protestant, nach dem die Philosophie des „absoluten Geistes“ den Gebildeten haargenau dasselbe in Begriffen sage, was die (vornehmlich christliche) Religion dem gemeinen Volk in bloßen Bildern sage.

Wie verteile ich nun Gold, Silber und Bronze aus welchen guten Gründen auf meine erwartungsfrohen Kandidaten?

Ist der Subjektivist Kant über den welthaltigsten Realisten Aristoteles hinausgekommen oder hinter ihn nur zurückgefallen?

Ist der "objektive Idealist" Hegel über den transzendentalen Subjektivisten Kant je hinausgelangt oder auf den naturrealistischen Aristoteles zurückgegangen, um ihn in Fichtes „Ichheit“ aufzulösen?

Oder hatte das aristotelische Weltgebäude ausreichend Platz für beide, den objektiven Idealisten und das zweifelhafte Subjekt – wie etwa beim mittelalterlichen Aristoteliker Thomas von Aquin?

Ist es eine salomonische Entscheidung, keinem Philosophen das Gold zuzuerkennen und es dem Helden einer unbekannten Zukunft vorzubehalten? Auch den hervorragendsten Denkern fehlt etwas, und erst, wer ihre Grenzen sieht, hat sie verstanden. Dem antiken Alexander-Lehrer mangelte die transzendentale Perspektive, der Subjektivität Kants aber dieser objektivierende Schritt zur Religion und dem systematischen Panlogisten Hegel sowohl der Fort-Schritt zum materiellen Fundament wie zur individuellen Imaginationsfreiheit seines ironi(sti)schen Erzfeindes Friedrich Schlegel. Die Frühromantiker störten ständig Hegels "Sabbathruhe des Geistes". "Was wirklich ist, das ist auch vernünftig", aber nicht alles, was so existiere, sei auch schon wirklich, dekretierte Hegel listig, um die Zensur seiner Zeit zu täuschen. Diese "faule Existenz" wurde nicht nur in Novalis, Marx, Kierkegaard und Adorno fleißig.

Aber der Goldphilosoph wäre auch keine bloße systematische, also epigonal synkretistische Synthese aller denkbaren oder bisherigen Perspektiven.

(Ein Wort noch zum materiellen Geistesfundament, das beim antisemitischen Juden Marx sozialistisch verunglückte und bereits in der verachteten Religion seiner Väter angemessener bedacht war. Die Thora enthält eine politische Ökonomie, die rationaler ist als die marxistische später : Mindestens einmal pro Generation, im vorgeschriebenen "Erlassjahr", sollten Herr und Knecht, Grundherr und Landarbeiter, Produktionsmittelbesitzer und proletarischer Arbeitssklave, einfach ihre Rollen tauschen, um soziale Gerechtigkeit zu erreichen, also alle "Jubeljahre" die Schuldsklaverei beenden. Grundlage ist das Diktum des Weltschöpfers selbst: "Mein ist das Land, und ihr seid nur Gäste / Pächter darin." Das aber ist schon Proudhon : "Eigentum ist Diebstahl", Diebstahl des Reichen nicht nur am Armen, sondern vor allem an Gott selbst, dem einzigen Besitzer der Erde. Eine ebenso einfache wie geniale Wirtschaftstheorie, die trotz aller Prophetenklagen sehr selten realisiert wurde, aber weiterlebte in der christlichen Armentheologie Jesu, der schon in seiner Antrittsrede das "Erlassjahr" ausrief und von den Reichen liquidiert wurde, als er sie aus dem Reich Gottes kurzerhand hinauswarf.)

Man sieht, dass die Philosophie doch wesentlich atheistisch ist, auch wenn ihre universalistischen Hypothesen die Erinnerung an Heiliges wachhalten, um nicht in Methodentechnik und Kulturindustrie abzugleiten. Die "soziale Frage" ist das Fundament jeder Kultur und lässt sich atheistisch nicht beantworten : Keine Religion ohne Revolution und keine Sozialrevolution ohne Religion! Solange Kunst, Philosophie und Religion nicht wieder vereint sind, kann die Goldmedaille in der universellen Reflexionswissenschaft der Philosophie gar nicht guten Gewissens verliehen werden. Silber aber würde ich einem Hegel geben, der Kants wie Platons Ideen dialektisch versteht, das Individuum niemals der Allgemeinheit opfert und das biblische "Freijahr" ernst nähme. Der Metaphysiker Aristoteles aber erhält Bronze, weil der eiserne Dritte im Bunde auch gleichsam die hegelianische Synthese realistisch vorwegnahm, ohne nur ein zweifelhaftes Subjekt oder Objekt zu opfern ...

Du blöder Affe du!

"Du Schwein(ehund), du alte Sau, du Schlange, du Esel, du Kamel, du Rindviech, du dumme Kuh, du Schafskopp!"

Menschen werden oft nach gewissen Tieren benannt, die als besonders schlecht oder dumm gelten.

Viele Menschen würden so einiges darum geben, die Welt und sich selbst einmal mit den Augen eines Affen, eines Hundes oder einer Stubenfliege sehen zu dürfen.

Im Folgenden wollen wir das Tier allgemein untersuchen und dann jenes Tier, aus dem sich der Mensch angeblich entwickelt hat, will man heutigen Forschern mehr glauben als ihrem Schöpfer höchstselbst.

Gewerkschaft? Arbeitstierschutzverein.

Inzwischen essen wir Tiere schon,

um sie töten zu können.

Der Mensch hat weniger Instinkt

als das Tier Intelligenz.

Einst wird der Mensch abstammen

vom Arbeitstier und Stimmvieh.

Reiche sind Raubtiere, Arme nur Mundraubtiere.

„Der Mensch ist ein gesellschaftliches Wesen",

sagen die Herdentiere.

Der Mensch ist eher ein gehetztes Faultier

als ein gefangener Tiger.

Kein Tier sammelt im Winter Eis und Schnee

für seinen Sommerschlaf.

Kein Herdentier mischt sich

in seine eigenen Angelegenheiten.

Wo Gott Mensch wurde, muss dieser kein Tier

oder zu Stein werden.

Das Tier, zu dem der Mensch sich machen kann,

ist ein anderes als das von Gott erschaffene.

Wer gut sein will, will zu Gott,

und wem gut sein soll, zum Tier.

Selbstbeherrschung ist die einzige

gesetzlich erlaubte Tierquälerei.

Mein Tierleben. Ein Fuchs, der sich in eine Gans

verliebt, ist ein Esel, und ein kleiner Fisch, der

nur Angelhakenwürmer frisst, ein Riesenkamel.

Schützt Herdentiere vor Individualität!

Der Mensch unterscheidet sich von Tieren durch Verfehlungen wie Befehle und von Robotern durch nie fehlende Fehler.

Kommt der Tierschutz ohne Pflanzenversuche aus

und der Götterschutz ohne Menschenversuche?

Schütts Tierleben. Eine Ameise mit Bienenfleiß

hat eine Meise.

Flora und Fauna. Wenn wir nicht nur vege-tieren,