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Was ist wichtig für ein erfülltes Leben? Je nach Typ und Lebenssituation fällt die Antwort unterschiedlich aus. Aber es gibt Eckpfeiler, die für jeden von uns von Bedeutung sind. Zu diesen gehört es, achtsam, ruhig und gelassen zu sein und zu bleiben. Mit ihren Texten öffnet Petra Altmann dem Leser die Augen für die großen Themen des Lebens. Sie schreibt darüber, wie wichtig es ist, tragfähige Beziehungen einzugehen und zu pflegen. Dass wir Rückzugsorte brauchen und wie bedeutsam die Stille als Kraft quelle ist. Und über das Hören auf unsere innere Stimme. Es geht darum, wie wir lernen Balance zu finden und authentisch zu leben. Petra Altmann nimmt in ihrem Buch auch Bezug auf alte christliche Traditionen (Lektüre, Meditation, Rituale), die wesentliche Haltepunkte im Alltag sein können.
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Seitenzahl: 157
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Vorwort
Achtsam sein
In sich selbst hineinhorchen
Kenne ich mich eigentlich selbst? Eigene Stärken und Schwächen
Aufmerksam sein – Was tut mir gut, und wo muss ich mein Verhalten auf den Prüfstand stellen
Streicheleinheiten für Geist, Seele und Körper – Wie kann ich mir selbst Gutes tun
Erfrischung für den Geist
Seelenbalsam
Den Körper fordern
Fingerspitzengefühl im Umgang mit anderen
Ein Blick sagt mehr als tausend Worte – Wie begegne ich den Mitmenschen
Beziehungen müssen wachsen können
Zu-hören und hin-hören – Den anderen Beachtung schenken
An-hören statt weg-hören im Sinne des heiligen Benedikt – Jedem immer wieder Chancen geben
Verzeihen können
Von sich hören lassen und in Kontakt bleiben – Die Mitmenschen nicht aus den Augen verlieren
Aufgehoben sein
Freundschaften – Ein echter Lebenswert
In der Ruhe liegt die Kraft
Durchatmen – Momente und Orte zum Abtauchen
Jeder Mensch braucht „Andersorte“
Momente zum Abtauchen
Oasen für die Seele
Schweigen können – Die Stille als Kraftquelle
Weniger ist mehr – Worte mit Bedacht wählen
Schnelles Urteilen vermeiden
Hin und wieder zu Papier und Stift greifen
Bauchgefühl oder kopfgesteuert? Auf die innere Stimme lauschen
Gedanken und Gefühle bestimmen unser Leben
Sich einen inneren Raum bewahren – Die wesentlichen Dinge im Lärm des Alltags nicht untergehen lassen
Reise in unseren inneren Raum der Stille
Gelassenheit üben
Ballast erkennen und abwerfen
In Balance sein – Wie finde ich das rechte Maß in meinem Leben
Im Rhythmus der Mönche – Die heilsame Wirkung des „ora et labora“
Gemeinsamkeit schaffen – Die Kraft des „ora“
Der Wert der Arbeit
Die klösterliche Tagesstruktur
Stopps im Alltag: Lektüre, Meditation, Rituale
Meditation – Ein Weg zu mehr Achtsamkeit
Lektüre bereichert das Leben
Rituale können heilsam sein
Mit allen Sinnen wahrnehmen: Ein offenes Ohr, ein kluges Auge, ein weites Herz, ein sensibles Gespür
Ein offenes Ohr
Ein kluges Auge
Ein weites Herz – ein sensibles Gespür
Geduldig mit sich sein
Echt sein – Der Weg zu einem authentischen Leben
Quellenhinweise
Ergänzende Sekundärliteratur
Zur Autorin
Publikationen
Was ist wichtig für mein Leben? Worin kann ich Erfüllung finden? Wie finde ich das Rüstzeug, um die Hürden des Lebens zu meistern? Welche Richtung soll mein Leben nehmen? Diese Fragen haben mich immer wieder einmal bewegt. So geht es wohl vielen von uns.
Manchmal gibt es Ereignisse im Leben, die uns zum Innehalten zwingen. Ein besonderer Schicksalsschlag, Verluste, Unsicherheiten. Dann kommen wir zum Nachdenken darüber, ob wir die richtigen Wege eingeschlagen haben oder doch Korrekturen vornehmen müssen. Doch es sollte nicht nur ein gravierendes Ereignis sein, das uns dazu führt, Bilanz zu ziehen. Immer wieder sollten wir uns besinnen, zur Ruhe kommen und Einkehr halten bei uns selbst.
Die Erfahrung hat mir gezeigt, dass es einige Eckpfeiler gibt, die wichtig sind für ein erfülltes Leben, nämlich achtsam, ruhig und gelassen zu sein. Dies sind wesentliche Voraussetzungen für Ausgeglichenheit, Glück und Zufriedenheit.
Achtsamkeit bedeutet, zunächst auf mich selbst zu achten. Darauf, wie behutsam ich mit mir umgehe, wie ich meine Verhaltensweisen einordne.
Nur wenn ich achtsam mit mir selbst bin, kann ich auch anderen mit Achtsamkeit begegnen.
Ruhe und Ausgeglichenheit sorgen dafür, dass ich mich nicht verrenne. Sie sind Rettungsringe, damit im Lärm des Alltags die wesentlichen Dinge nicht untergehen.
Und die Gelassenheit schließlich ist ein Zeichen dafür, dass ich als Mensch mit mir im Einklang bin. Wer gelassen ist, ruht in sich selbst. Getragen von einem Gefühl der Sicherheit, das hilft, auch schwierige Lebenssituationen zu meistern.
Die Lebensgeschichten und Lebenserfahrungen in diesem Buch drehen sich um all das, was uns im Alltag beschäftigt: Beziehungen, die rechten Worte, den richtigen Ton, Rückzugsmöglichkeiten, Balance zu gewinnen, authentisch zu sein. Eben um die Dinge, die wichtig sind, um achtsam, ruhig und gelassen zu werden.
Viel Erfolg auf diesem Weg wünscht Ihnen
Petra Altmann
Bernhard von Clairvaux (um 1090–1153)
In Studentenzeiten haben wir manchmal im Kreis von Kommilitonen ein Gesellschaftsspiel gemacht. Ein Teil der Gruppe musste in einen anderen Raum gehen und sich eine Person heraussuchen, die im ersten Zimmer geblieben war. Die anderen mussten mit ihren Fragen versuchen herauszubekommen, wer die oder der Betreffende war.
Es begann dann meist mit harmlosen Fragen, beispielsweise zu Haar- oder Augenfarbe. Je länger nachgefragt werden musste, umso mehr ging es dann um Charaktereigenschaften der zu ratenden Person. „Mit welchem Tier würdest du die betreffende Person vergleichen“, konnte zum Beispiel eine solche Frage sein, oder: „Ist sie sehr verschlossen und schottet sich von anderen ab?“ Auch: „Ist sie eitel oder eher locker?“ Je mehr Fragen man stellen musste, umso tiefgründiger wurden diese. Besonders, wenn der Kreis groß war, konnte es manchmal ganz schön lange dauern, bis man das Rätsel gelöst hatte. Nicht selten benannte die Fragegruppe zunächst einmal eine falsche Person.
Ich erinnere mich, dass ich manchmal völlig überrascht war, wie meine Freunde die ausgewählte Person charakterisierten. Ich hatte sie ganz anders gesehen. Oft fühlte ich mich in den Angaben, die die anderen machten, aber auch bestätigt. Hin und wieder war man selbst die Person, die erraten werden musste, und wusste es nicht. Man gehörte dann zur Gruppe der Fragesteller und kam oft nicht dahinter, dass man mit den Beschreibungen der anderen selbst gemeint war. Wenn das Geheimnis dann gelüftet war, war man manchmal sehr überrascht, wie die anderen einen einschätzten. Häufig gab es Charakterisierungen, die einem schmeichelten. Aber manchmal hatte man an einer Aussage auch ganz schön zu knabbern.
Ich erinnere mich an einen solchen Abend, an dem die Frage kam: „Mit welcher Pflanze würdest du die betreffende Person vergleichen?“ „Mit einem Kaktus“, war die spontane Antwort. Die Kommilitonin, um die es sich handelte, war tief getroffen, als herauskam, dass sie gemeint war. Es schloss sich eine lange Diskussion an. Bis in die Nacht verteidigte sich die Betroffene und versuchte das Bild, das einige der anderen von ihr hatten, zurechtzurücken.
Wie kommt es eigentlich, dass man sich manchmal völlig anders sieht als die anderen? Zuweilen kann es daran liegen, dass man versucht, etwas darzustellen, das der eigenen Persönlichkeit gar nicht entspricht. Bei oberflächlichen Kontakten mag das funktionieren. Bei tiefer gehenden Verbindungen, zumal bei Freundschaften, bekommt eine solche Fassade ziemlich schnell Risse. Wer über eine gewisse Menschenkenntnis und Lebenserfahrung verfügt, bemerkt sehr schnell, wenn der andere einem etwas vormacht. Und es ist gut so, dass es sich rasch bemerkbar macht, wenn jemand nicht authentisch ist. Sonst könnte sich ja jeder hinter einer Fassade verstecken.
Manchmal hat eine falsche Selbsteinschätzung aber auch ganz andere Ursachen. Meine Bekannte Charlotte erzählte mir kürzlich, dass sie eine neue Kollegin in ihrer Abteilung einarbeiten musste. Eigentlich wäre es ihr lieber gewesen, jemand anderes hätte diese Aufgabe übernommen. „Ich weiß gar nicht, ob ich alles so rüberbringen kann, dass es die neue Kollegin versteht“, sagte sie mir. Nach ein paar Tagen bekam Charlotte jedoch von mehreren Seiten positives Feedback. Die neue Kollegin konnte alles sehr gut nachvollziehen und sich deshalb rasch in die Arbeitsabläufe einarbeiten. Die Abteilungsleiterin lobte Charlotte, weil sie ihr Wissen so gut und für das Unternehmen nutzbringend eingesetzt hatte. Und die anderen Kollegen waren ihr dankbar, dass sie ihnen die Einarbeitung der neuen Mitarbeiterin abgenommen hatte. „Da wurde mir erst einmal klar, was ich eigentlich alles weiß“, erzählte mir Charlotte nach einigen Tagen. „Ich dachte immer, dass ich kein großes Wissen habe.“ Dass Charlotte von ihren Kenntnissen nach 20 Jahren Mitarbeit in derselben Firma so wenig hielt und ihren Wissensstand so schlecht bewertete, ist schon erstaunlich.
Aber wer ihren familiären Hintergrund kennt, kann daraus schon seine Schlüsse ziehen. „Wir waren zu Hause drei Schwestern und wurden sehr streng erzogen. Viele Freiheiten hatten wir nicht. Wenn ich am Nachmittag nach den Hausaufgaben mal raus wollte, um mich mit meinen Freundinnen zu treffen, fragte meine Mutter: ‚Hast du schon die Treppe geputzt und die anderen Hausarbeiten erledigt, die ich dir aufgetragen habe?‘ So musste ich dann meist im Haus bleiben. Mein Vater ließ immer wieder einmal durchblicken, dass wir ja ‚nur‘ Mädchen waren. Wir durften unsere Meinung nicht ungefragt äußern und hatten zu befolgen, was er uns vorgab.“ So wuchs Charlotte in dem Bewusstsein auf, nicht gleichwertig zu sein. Sie wurde zu Hause immer kleingehalten. „Ich weiß noch, dass ich als junges Mädchen gar nicht wusste, wie ich reagieren sollte, wenn mir mal jemand ein Kompliment über mein Aussehen gemacht hat. Ich dachte dann immer gleich: ‚Was will der von mir?‘“ Dass man jemanden einfach so lobte, ohne eine Gegenleistung zu erwarten, war sie nicht gewohnt. Erst nach langer Zeit brachte sie es fertig, sich für ein Kompliment zu bedanken. „Die Worte: ‚Danke, das freut mich!‘ haben mich ganz schön viel Mühe gekostet.“
Charlotte ist ein Beispiel für anerzogene, überzogene Bescheidenheit. Sie kann sich an ein einziges Lob des Vaters erinnern, das er aussprach, als sie bereits 20 Jahre alt war. Ihrem damaligen Freund erklärte sie im Beisein ihres Vaters, wie er ein Regal einbauen solle. Der Freund war zunächst skeptisch, aber dann kam der Ausspruch des Vaters, der Charlotte bis heute unvergessen ist: „Wenn Charlotte so was sagt, kannst du ihr glauben!“ Der Vater war nie in der Lage gewesen, ihr direkt ein Lob auszusprechen. Auch in diesem Fall transportierte er diese positive Aussage über den zukünftigen Schwiegersohn. Aber immerhin machte er sie.
Nach vielen Jahren ist Charlotte heute in der Lage, auch mal zu erwähnen, wenn ihr etwas besonders gut gelingt. Und sie freut sich ohne schlechtes Gewissen über ein Lob.
Bei manchen Menschen ist es genau umgekehrt. Sie haben ein überzogenes Selbstbewusstsein und glauben sich immer im Recht. Kritik ertragen und akzeptieren sie nicht. Dadurch isolieren sie sich selbst, denn der Umgang mit einem selbstgerechten Menschen ist nicht einfach.
Wenn man nur um sich selbst kreist und sich selbst zum Mittelpunkt allen Denkens und Handelns macht, verliert man den Kontakt zur Außenwelt.
„Die Selbsterkenntnis ist die Bedingung praktischer Tüchtigkeit“, ist von dem griechischen Philosophen Sokrates überliefert. In der Tat, wer sich selbst kennt, weiß auch, wo seine Stärken liegen, und kann sie nutzbringend einsetzen. Er ist sich aber auch im Klaren über seine Schwächen und versucht nicht, sie zu vertuschen, sondern daran zu arbeiten. Aber sind wir mal ehrlich, sich selbst mit allen Eigenheiten wahrzunehmen, ist nicht ganz einfach. Ein arabisches Sprichwort bringt es auf den Punkt: „Das Schwerste für den Menschen ist die Selbsterkenntnis.“
Viele Menschen sehen Kritik als etwas Abwertendes. Und so manch einer glaubt, die Welt habe sich gegen ihn verschworen, wenn er eine kritische Rückmeldung erhält. So ist es aber nicht immer gemeint. Statt die Schuld dem anderen zuzuschieben, wenn er auf zwischenmenschliche Probleme zu sprechen kommt, ist es doch vielleicht eine bessere Idee, erst einmal zu hinterfragen, ob es nicht auch an einem selbst liegt, wenn Sand im Getriebe ist. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es sich in der Regel bewährt, ein offenes Gespräch zu führen, wenn es zwischenmenschliche Probleme gibt. Dann hat jeder die Chance, seine Sicht der Dinge darzulegen. Manchmal habe ich in solchen Gesprächen festgestellt, dass ich etwas missverständlich gedeutet habe. Und so manche wirklich existierende Schwierigkeit ließ sich im Gespräch leicht aus der Welt schaffen. Ein offenes Gespräch bewährt sich übrigens in allen Lebensbereichen, sei es im beruflichen oder privaten Umfeld. So kann man die Energien, die das Problemewälzen bindet, viel besser nutzen. Das ist übrigens eine Erfahrung, die sich gerade Führungskräfte zu eigen machen sollten. Denn Mitarbeiter sind doch mit einem offenen Gespräch, in dem sie sich und ihre Probleme ernst genommen fühlen, viel besser zu motivieren als mit einer unkommentierten Anordnung.
Um sich die eigenen Verhaltensweisen immer mal wieder bewusst zu machen, empfehle ich Ihnen, gute Freunde hin und wieder zu fragen, wie sie Sie einschätzen. Regelmäßige Rückmeldung von Menschen, die einem nahestehen und von denen man weiß, dass sie einem nichts Böses wollen, kann jeder von uns brauchen. Eine ehrliche, ungeschminkte Meinung von diesen Menschen ist Gold wert, auch wenn sie vielleicht auf den ersten Blick nicht immer angenehm ist. Ich würde mich auch nicht postwendend rechtfertigen, wenn mal ein negatives Feedback kommt, sondern darüber nachdenken. Denn ein guter Rat ist bekanntlich teuer, also wertvoll, und hat es verdient, ernst genommen zu werden. Er hilft, sich selbst mit seinen Schwächen und Stärken besser kennenzulernen.
Origines (185–254)
Ich habe die ganze Nacht durchgefeiert und so abgetanzt, wie ich das seit Langem nicht mehr gemacht habe. Ich habe mich selbst nicht wiedererkannt“, erzählte neulich eine Bekannte, die am Wochenende vorher auf einer Geburtstagsparty gewesen war. Während sie erzählte, strahlte sie noch so, als ob das Fest gerade erst zu Ende gegangen wäre. Dieses positive Erlebnis hat sie geradezu beflügelt.
Manchmal kann es auch genau umgekehrt sein. Zum Beispiel in Situationen, in denen Streit aufkommt. Wenn dann ein Wort das andere gibt, die Emotionen sich hochschaukeln, kann es schon mal vorkommen, dass jemand sich selbst vergisst. „Ich geriet so außer mir, dass ich mich selbst nicht wiedererkannte“, habe ich zuweilen von Streithähnen gehört, wenn die Gemüter sich wieder beruhigt hatten. Im Gegensatz zu dem freudigen Rückblick auf die durchtanzte Partynacht ist die Erinnerung an eine Auseinandersetzung, in der man vor Wut seinen Kopf verlor, eher ein Schock. Beide Situationen können jedoch durchaus heilsame Wirkungen haben.
Die Partynacht kann einem zeigen, wie gut es tut, sich einfach einmal Spaß zu gönnen, sich zu freuen, ausgelassen zu sein. Natürlich ist dies kein Event für jeden Tag. Dann würde es ja auch „all“-täglich und damit vermutlich langweilig. Aber sicherlich hat jeder von uns schon die Erfahrung gemacht, dass solche Stunden, in denen alle Sorgen und Verpflichtungen in den Hintergrund rücken, gut und notwendig sind, um die Batterien aufzuladen.
Der Streit hingegen kann uns klarmachen, dass es Situationen geben kann, in denen man sich nicht mehr im Griff hat. Das kann jedem von uns passieren, aber in solchen Fällen ist erhöhte Achtsamkeit angesagt. Wenn Emotionen hochkochen, ist es besser, die Auseinandersetzung abzubrechen. Denn sonst könnte sie eskalieren. Ein Rückzug in sich selbst und in die Stille ist dann die richtige Maßnahme. Nach meiner Erfahrung hat es sich bewährt, die Diskussion – wenn notwendig – erst dann fortzusetzen, wenn die Gemüter wieder abgekühlt sind.
Wer häufiger in Situationen gerät, in denen er den Kopf verliert, muss verstärkte Aufmerksamkeit walten lassen.
Aufmerksam sein heißt „aufmerken“, wenn etwas nicht stimmt. Erhöhte Wachsamkeit ist dann vonnöten. Damit man „bemerkt“, wenn das eigene Verhalten aus der Spur gerät. Aufmerksam sein bedeutet auch „anzumerken“, wie und an was sich die eigenen Emotionen hochschaukeln können. Das ist natürlich leichter gesagt als getan. Gerade, wenn man in einer sehr angespannten Lage ist. Deshalb ist es wichtig, immer wieder innezuhalten, die Stille zu suchen und in sich zu gehen.
Es gibt Menschen, die mit ihrem Verhalten und ihren Äußerungen immer wieder bei anderen anecken. Ich habe dies vor einer Weile bei einem Seminar erlebt. Einer der Teilnehmer, nennen wir ihn Helmut, hatte gravierende Eheprobleme und erzählte jedem anderen in jeder freien Minute sehr detailliert davon. Unabhängig davon, ob es gerade passte oder nicht. Ich kannte Helmut bereits von zwei früheren Seminaren und wusste von seinen Eheschwierigkeiten. Er dominierte die Gruppe merklich mit seinem Problem. In den ersten Tagen hörte ihm jeder zu. Viele von uns versuchten, sich in seine Lage zu versetzen, gaben ihm Hinweise oder konkrete Tipps, wie er weiterkommen könne. Wir wollten Helmut wirklich helfen. Als dieser jedoch nach einigen Tagen immer wieder in gleicher Weise seine Probleme auf den Tisch legte und dieselben Argumente wiederholte, war klar, dass unsere Impulse bei ihm auf taube Ohren gestoßen waren. Er wiederholte einfach immer nur seine Sicht der Dinge. Das Wohlwollen, das Helmut anfangs entgegengebracht worden war, schlug dann in Unmut um. Helmut bekam die Rückmeldung, dass er einigen in der Gruppe massiv auf die Nerven ging.
Natürlich ist eine solche Rückmeldung in dem Moment ärgerlich und frustrierend. Aber es bringt niemanden weiter, sich dann in einen Schmollwinkel zurückzuziehen und die Schuld bei den anderen zu suchen. Für einen achtsamen Menschen ist es viel hilfreicher, erst einmal das eigene Verhalten unter die Lupe zu nehmen. Sinnvoll ist es beispielsweise, sich am Abend einmal in Ruhe hinzusetzen und zu überlegen, welche Ursachen ein negatives Feedback haben könnte. Mir bringt es manchmal etwas, einzelne Situationen schriftlich zu skizzieren, so kann ich mir eigene Verhaltensmuster und auch diejenigen der anderen besser vor Augen führen.
Manchmal wird dann deutlich, dass man sich vielleicht einfach nur missverständlich ausgedrückt und deshalb eine negative Reaktion erhalten hat. Ich erinnere mich da an eine ganz persönliche Erfahrung. Eine Cousine hatte sich verpflichtet, ein Familienfest zu organisieren, erkrankte dann aber schwer. Ich bot ihr daraufhin an, die Organisation in die Hand zu nehmen. Und wurde von ihr brüsk abgewiesen. Ehrlich gesagt war ich ein wenig konsterniert, denn schließlich hatte ich es nur gut gemeint. In einem langen Telefonat machte mir die Cousine dann aber klar: „Weißt du, die Organisation des Festes ist für mich sehr wichtig. Ich sehe sie als eine Art Meilenstein auf dem Weg zur Genesung. Wenn ich das alleine schaffe, dann wissen meine Familie und ich, dass es mit mir bergauf geht.“ Das hatte ich so nicht gesehen. Aber in dem Gespräch konnte ich die Argumente der Cousine absolut nachvollziehen und ihr abwehrendes Verhalten auf mein Hilfsangebot verstehen. Dies hat mir wieder einmal deutlich gemacht, wie wichtig offene Gespräche sind, damit menschliches Zusammenleben funktionieren kann.
Wenn jemand immer wieder aneckt, ist es auch möglich, dass er sich mit Menschen umgibt, die nicht zu ihm passen. Vielleicht haben sie eine andere Lebensorientierung. Dann ist es klar, dass man mit seinen Einstellungen an Grenzen stößt, die auch mit noch so vielen Worten nicht zu überwinden sind.
Manche Menschen erfahren auch Ablehnung, weil sie sehr auf sich selbst bezogen sind und ihre Interessen in den Vordergrund stellen. Helmut, von dem ich vorher erzählte, ist so ein Fall. Dies kommt bei den meisten Mitmenschen natürlich nicht gut an. „Individualismus heißt, einfach das eigene Ding zu machen, auf die eigene Weise und ohne Rücksicht auf andere Menschen. Individualität dagegen bedeutet, den eigenen Beitrag in das Gemeinschaftsleben einzubringen.“1 Niemand von uns lebt auf einer einsamen Insel, auf der er tun und lassen kann, was er will. Wir alle gehören Gemeinschaften an – Lebensgemeinschaften, Bürogemeinschaften, Bürgergemeinschaf