Das Herrenhaus von Pembrooke Park - Julie Klassen - E-Book

Das Herrenhaus von Pembrooke Park E-Book

Julie Klassen

4,8

Beschreibung

Nachdem sie fast ihr gesamtes Vermögen verloren haben, versucht die junge Abigail Foster eine neue Bleibe für die Familie zu finden. Ein anonymer Gönner stellt ihnen Das Herrenhaus von Pembrooke Park zur Verfügung. Als Abigail das jahrelang leer stehende Haus herrichtet, sorgt nicht nur der gutaussehenden Sohn des Gutsverwalters für Aufregung, sie kommt auch einem lang gehüteten Geheimnis auf die Spur …

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Der SCM-Verlag ist eine Gesellschaft der Stiftung Christliche Medien, einer gemeinnützigen Stiftung, die sich für die Förderung und Verbreitung christlicher Bücher, Zeitschriften, Filme und Musik einsetzt.

ISBN 978-3-7751-7290-5 (E-Book)ISBN 978-3-7751-5643-1 (lieferbare Buchausgabe)

Datenkonvertierung E-Book:Satz & Medien Wieser, Stolberg

© der deutschen Ausgabe 2015SCM-Verlag GmbH & Co. KG · Max-Eyth-Straße 41 · 71088 HolzgerlingenInternet: www.scmedien.de · E-Mail: [email protected]

Originally published in English under the title: The Secret of Pembrooke ParkCopyright © 2013 by Julie KlassenPublished by Bethany House, a division of Baker Publishing Group,Grand Rapids, Michigan, 49516, U.S.A.Cover art used by permission of Bethany House Publishers.All rights reserved.

Die Bibelverse sind, wenn nicht anders angegeben, folgender Ausgabe entnommen:Neues Leben. Die Bibel, © der deutschen Ausgabe 2002 und 2006SCM-Verlag GmbH & Co. KG, Witten.Übersetzung: SuNSiDe, ReutlingenUmschlaggestaltung: OHAWerbeagentur GmbH, Grabs, Schweiz;www.oha-werbeagentur.chTitelbild: Mike Haberman PhotographySatz: Satz & Medien Wieser, Stolberg

Für meine Brüder Bud und Danin Liebe

Denn alles, was verborgen oder geheim ist,wird irgendwann ans Licht gebracht werden,sodass alle es sehen können.Lukas 8,17

Inhalt

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Epilog

Nachwort der Autorin

[ Zum Inhaltsverzeichnis ]

Prolog

LondonMai 1817

Verlegen saß ich dem Mann am Tisch gegenüber, den ich am meisten bewunderte. Hätte ich doch nur ein wenig mehr Zeit auf mein Aussehen verwendet! Aber meine Besprechung mit der Haushälterin hatte länger gedauert als geplant, sodass mir kaum noch Zeit geblieben war, um mir das Gesicht zu waschen und das Haar zu einem schlichten Knoten aufzustecken.

Ich hatte eigentlich mein neues Abendkleid tragen wollen – aus goldfarbenem Satin, das Mieder mit roten Rosen bestickt –, doch stattdessen war ich nur rasch in das schlichte elfenbeinfarbene Kleid geschlüpft, das ich gewöhnlich trug. Es hatte sehr viel weniger Haken und Knöpfe.

Ich schaute zu meiner schönen jüngeren Schwester hinüber. Mamas Zofe hatte ihr Haar zu Locken gedreht und aufgesteckt. Louisa trug die Smaragdkette, die ich eigentlich hatte anlegen wollen. Sie fand, dass sie ausnehmend gut zu ihrem neuen Kleid passte, und hatte gesagt: »Ich weiß doch, dass du keinen Sinn für Mode hast, Abigail, also hör auf zu jammern. Du kannst meine Korallen haben. Sie passen gut zu dem Kleid, das du immer trägst.«

Ich rief mir ins Gedächtnis, dass es tatsächlich nicht darauf ankam, wie gut ich aussah. Gilbert Scott und ich kannten einander von klein auf. Er wusste, wie ich ohne jede Spur von Puder aussah, mit klarer Haut und mit Pickeln, das Haar offen oder aufgesteckt und auch, wenn es dringend eines Kammes bedurfte. Wir waren als Freunde und Nachbarn aufgewachsen und hatten die schwierigen Stadien der Jugend bis ins Erwachsenenalter gemeinsam durchgestanden. Die Zeit für erste Eindrücke war längst vorüber.

Dennoch – heute war sein Abschiedsfest. Ich würde ihn ein ganzes Jahr lang nicht sehen und wollte unbedingt, dass er eine schöne letzte Erinnerung von mir mitnahm. Ich hegte nämlich eine heimliche Hoffnung. Vielleicht würde mich Gilbert, wenn er von seinem Studium im Ausland zurückkehrte, endlich fragen, ob ich ihn heiraten wollte.

Gemeinsam mit unseren Familien genossen wir im Speisezimmer der Scotts ein köstliches Mahl, das aus mehreren Gängen bestand und länger als eine Stunde dauerte. Die Konversation floss mühelos und angeregt dahin. Doch ich merkte kaum, was ich aß.

Ich wandte mich an Gilberts Schwester und fragte: »Wie läuft es mit der Zeitschrift?«

»Sehr gut.« Susan lächelte und sah dann ihren Bruder an. »Bertie, du könntest eigentlich einen Reisebericht schreiben, während du fort bist.«

»Großartige Idee, meine Liebe«, sagte Susans Mann beifällig. »Leg uns ein paar Zeichnungen bei und wir veröffentlichen das Ganze.«

Gilbert schüttelte den Kopf. »Ich werde mit meinen Studien mehr als genug zu tun haben, Edward, aber trotzdem Danke. Susan ist die Schriftstellerin in der Familie, nicht ich.«

Gilberts Vater, der am Kopfende der Tafel saß, mischte sich ein: »Aber du wirst uns doch schreiben, mein Junge, oder? Du weißt, dass ich … dass deine Mutter sich sonst Sorgen macht.«

Mrs Scotts Augen funkelten belustigt. »Da hast du völlig recht, mein Lieber. Ich werde mir Sorgen machen. Und du etwa nicht?«

»Nun ja, vielleicht ein bisschen …« Er bedeutete dem Butler, ihm Wein nachzuschenken. Zum wiederholten Mal.

Über den Rand meines Glases hinweg begegnete ich Gilberts Blick. Wir warfen uns ein heimliches Lächeln zu.

Mr Scott wandte sich an meinen Vater: »Was ich noch sagen wollte, Foster – haben Sie nicht in diese Bank investiert, von der heute in der Zeitung die Rede war? Die, die in Schwierigkeiten geraten sein soll?«

»Ja … das haben wir. Mein Schwager ist einer der Teilhaber. Er hat uns versichert, dass es sich nur um einen unbedeutenden Rückschlag handelt. Sie werden sich rasch wieder erholen.«

Vater warf mir einen beschwörenden Blick zu und ich zwang mich zu einem beruhigenden Lächeln. Es war weder die Zeit noch der Ort, um unsere Finanzen zu diskutieren. Vor allem aber wollte ich nicht, dass ein Schatten auf Gilberts Abschiedsfeier fiel.

Nach dem Essen blieben die Herren im Speisesaal, um noch eine Zigarre zu rauchen und ein Glas Portwein zu trinken. Die Damen begaben sich ins Wohnzimmer.

Doch Gilbert schloss sich nicht den anderen Gentlemen an, sondern bat mich, ihn in die Bibliothek zu begleiten.

Ich ging mit ihm. Mein Herz schlug mit jedem Schritt ein wenig schneller.

Allein mit Gilbert in dem von Kerzenlicht erhellten Raum, ermahnte ich mich, wieder normal zu atmen. Wir standen dicht beieinander an dem hohen Bibliothekstisch und beugten uns über die maßstabgerechte Zeichnung einer Kirchenfassade in klassizistischem Stil. Gilbert hatte die Silbermedaille der Royal Academy für diese Zeichnung gewonnen. Und für seinen Entwurf eines Rathauses hatte er sogar eine Goldmedaille bekommen. Darüber hinaus waren seine Leistungen mit einem Reisestipendium nach Italien honoriert worden, wo er die italienische Architektur studieren sollte. Ich war unsagbar stolz auf ihn.

»Zum Schluss habe ich den Entwurf noch einmal überarbeitet, um die Fassade zu erweitern«, erklärte Gilbert mir gerade. »Sie hat jetzt einen Säulengang mit sechs korinthischen Säulen, die vom römischen Pantheon inspiriert sind. Und siehst du diesen Turm? Die Spitze habe ich so gestaltet, dass sie den Betrachter an einen Miniatur-Tempel denken lässt …«

Er sprach voller Begeisterung, doch heute hörte ich ausnahmsweise nicht richtig zu. Mein Interesse hatte sich von der Zeichnung dem Mann selbst zugewendet. Während er seinen preisgekrönten Entwurf betrachtete, konnte ich in Ruhe sein Profil studieren, die Gesichtszüge mit dem kantigen Kinn – kantiger, als mir früher aufgefallen war –, den hohen Wangenknochen, eingerahmt von langen, eleganten Koteletten, den schmalen und doch so ausdrucksstarken Lippen. Ich überlegte, ob ich ihn vielleicht zeichnen könnte, kam jedoch zu dem Schluss, dass meine Fähigkeiten nicht ausreichten, um ihm gerecht zu werden. Außerdem roch er gut. Bay Rum Haarwasser, vermutete ich. Und Minze.

Er beugte sich nach vorn, um auf ein Detail der Zeichnung zu deuten. Dabei berührte mich seine breite Schulter, die in einem eleganten Abendanzug steckte. Ich spürte seine Wärme durch mein leichtes Musselinkleid hindurch und schloss die Augen, um das Gefühl auszukosten.

»Was sagst du?«

»Hmm?« Ich schlug die Augen auf, verlegen, weil er mich dabei ertappt hatte, dass ich nicht zuhörte.

»Zu dem Turm?«

Ich fand ihn ein wenig übertrieben, doch das behielt ich für mich. Früher hatte ich häufig meine Meinung gesagt oder einen Vorschlag gemacht, doch da der Entwurf bereits einen Preis der Royal Academy gewonnen hatte, stand es mir ganz sicher nicht zu, ihn zu kritisieren.

»Sehr schön«, murmelte ich. Es war eine unverfängliche, höchst weibliche Bemerkung, unbelastet von jeder Art von Hintergrundwissen. Sie hätte von Louisa stammen können. Doch in seinem Triumphgefühl schien er es gar nicht zu bemerken.

Ich warf einen Blick über die Schulter. Durch die offene Tür der Bibliothek hatte ich freien Blick in das Wohnzimmer der Scotts. Ich sah Susan, die ihren Arm durch den Arm ihres Mannes geschoben hatte, während sie mit meiner Mutter sprach. Meine Eltern führten zwei völlig unterschiedliche Leben. Vater war mit seinem Club und seinen Investitionen beschäftigt, meine Mutter ging ganz in ihren gesellschaftlichen Verpflichtungen, Wohltätigkeitsveranstaltungen und in ihrer Jagd nach einer vorteilhaften Partie für Louisa auf. Doch mein Ideal war ein Leben wie das von Susan, die Seite an Seite mit dem Mann arbeitete, den sie liebte.

Mit dieser Hoffnung im Herzen sah ich zu Gilbert auf. Er war meinem Blick zu seiner frisch verheirateten Schwester gefolgt. Unsere Blicke begegneten sich kurz, dann schlug er die Augen nieder. Sein Adamsapfel bewegte sich, als er schluckte, seine Finger rollten geistesabwesend die Ecke seines Entwurfs zusammen.

Ich bemerkte sein nervöses Zögern und mein Herz fing an, schneller zu schlagen. War dies der Augenblick? Würde er sich mir erklären?

»Du bedeutest mir viel, Abby«, setzte er an. »Ich weiß, dass du vielleicht erwartest …«

Doch seine Worte verklangen und er schluckte. Hatte er etwa meine vermessenen Gedanken gelesen?

»Nein, nein, ich erwarte gar nichts«, versicherte ich ihm. Für mich selbst fügte ich hinzu: noch nicht.

Er nickte, mied jedoch meinen Blick. »Wir sind schon sehr lange befreundet, aber du sollst wissen, dass ich … dass sich angesichts der Risiken, die das kommende Jahr birgt, keiner von uns beiden mit irgendwelchen Versprechen binden sollte.«

»Oh.« Ich blinzelte und hatte plötzlich ein hohles Gefühl im Magen. Vielleicht wollte er mich ja nur schützen, versuchte ich mir einzureden. Ganz bestimmt wollte er nur mein Bestes. Ich zwang mich zu einem Lächeln. »Du hast völlig recht, Gilbert. Das ist sehr vernünftig.«

Gilberts Mutter trat in den Raum. »Dachte ich mir doch, dass ich euch hier finden würde«, sagte sie. »Kommt rüber. Es gibt Kaffee. Deinen Vater verlangt schon sehr danach.« Mrs Scott tätschelte ihrem Sohn den Arm. »Er ist schrecklich stolz … und gleichzeitig traurig, dass du fortgehst.«

Ich auch, dachte ich.

Später, als es Abend wurde und meine Eltern Mr und Mrs Scott für die Einladung dankten, machte ich mich auf die Suche nach Gilbert. Ich wollte mich in Ruhe und allein von ihm verabschieden. Doch ich fand ihn gemeinsam mit meiner Schwester in der Diele. Die beiden schienen sich hier versteckt zu haben.

Mit sinkendem Mut sah ich, wie Louisa Gilbert etwas gab. »Damit du mich nicht vergisst«, sagte sie.

Er legte es in seine Brieftasche und steckte sie wieder ein, wobei er den Blick nicht von ihrem lieblichen Gesicht ließ. Dann lächelte er und drückte Louisas Hand.

Mit einem leichten Schwindelgefühl drehte ich mich um, ohne seine Antwort abzuwarten.

Was hatte Louisa ihm gegeben? Eine Miniatur? Ein Medaillon? Eine Locke ihres Haares in einem Ring? Aber er hatte sich nichts an den Finger gesteckt, er hatte nur etwas in seine Brieftasche gelegt. Es war bestimmt nichts Wichtiges gewesen – nichts, das vermuten ließ, dass er ihr den Hof machte oder sich gar mit ihr verlobt hatte. Und auch wenn Louisa eine Schulmädchenliebe zu unserem Nachbarn hegte, bedeutete das noch lange nicht, dass Gilbert ihre Gefühle erwiderte. Er war einfach nur zu höflich, um ihr Geschenk abzulehnen, was auch immer es war.

Doch obwohl ich mir das unablässig vor Augen hielt, fiel es mir kurz darauf, als alle sich an der Tür versammelt hatten, um Gilbert Lebewohl zu sagen und ihm eine gute Reise zu wünschen, schwer, mich zu einem Lächeln zu zwingen und so zu tun, als sei alles in Ordnung.

Gilbert nahm meine Hand und sah mich mit brüderlicher Zuneigung an. »Abby. Du wirst mich nicht vergessen, das weiß ich. Und ich werde dich ebenfalls nicht vergessen. Dein Vater hat mir erlaubt, mit dir und deiner Schwester brieflich zu verkehren. Wirst du mir schreiben?«

»Wenn du möchtest.«

Er drückte noch einmal meine Hand, dann drehte er sich um, reichte meinem Vater ebenfalls die Hand und drückte meiner Mutter einen Kuss auf ihre errötende Wange. Als er vor Louisa stand, die sittsam den Kopf gesenkt hatte, zögerte er kurz, dann neigte er ebenfalls den Kopf und murmelte: »Miss Louisa.«

Sie sah unter langen Wimpern zu ihm auf und ich bemerkte das verräterische Glitzern in ihren Augen, das sonst offenbar niemandem auffiel.

Wann hatte sich ihr Verhältnis geändert?, fragte ich mich. Louisa war immer die lästige kleine Schwester gewesen, die man neckte oder fortschickte. Ein Mädchen mit einem Zopf, an dem man zog – und nun war dieser zu einem Liebespfand geworden.

Bis jetzt hatte mir Gilberts Jahr in der Fremde gar nicht schnell genug vorübergehen können. Jetzt war ich mir nicht mehr so sicher.

Ich hatte mich auf das Leben nach seiner Rückkehr gefreut – ein Leben, in dem er eine wichtige Rolle spielen sollte.

Plötzlich schien die Zukunft ganz und gar nicht mehr sicher zu sein.

[ Zum Inhaltsverzeichnis ]

Kapitel 1

10 Monate späterMärz 1818

Das Schmuckkästchen stand geöffnet auf dem Schreibtisch zwischen ihnen, die immergrünen Smaragde funkelten auf dem schwarzen Samtfutter. Die Halskette und das dazu passende Armband waren Erbstücke der Fosters, die Familie ihrer Mutter besaß keinen kostbaren Schmuck, den sie hätte vererben können. Und bald würde keine Seite der Familie mehr etwas besitzen.

Ihr Vater klappte das Kästchen zu. Abigail zuckte zusammen, als hätte man sie geschlagen.

»Verabschiede dich von unserem Familienschmuck«, sagte er. »Ich werde ihn wahrscheinlich verkaufen müssen, und das Haus auch.«

Abigail, die vor dem Schreibtisch ihres Vaters stand, rang die Hände. »Nein, Papa, nicht den Schmuck. Es muss doch noch eine andere Möglichkeit geben …«

Es war fast ein Jahr vergangen, seit Gilbert England verlassen hatte, und ebenso lange war es her, dass Abigail dreiundzwanzig geworden war. Die ungewisse Zukunft, die sie am Abend seiner Abreise vor sich gesehen hatte, war Wirklichkeit geworden – bedrückendere Wirklichkeit, als sie sich damals hatte träumen lassen.

Was hatte sie sich nur gedacht? Die Tatsache, dass sie ein großes Haus mit viel Personal führen konnte, bedeutete noch lange nicht, dass sie etwas von Investitionen verstand. Normalerweise überlegte sie gründlich und informierte sich genau, bevor sie etwas unternahm – ob es sich um die Wahl einer neuen Schneiderin oder das Einstellen eines neuen Hausmädchens handelte. Abigail war die praktisch begabte, im Hintergrund agierende Tochter und stets stolz darauf gewesen, vernünftige, kluge Entscheidungen zu treffen. Deshalb hatte ihre Mutter ihr die Führung des Haushalts auch fast komplett überlassen. Sogar ihr Vater pflegte vor Entscheidungen ihre Meinung einzuholen.

Und nun stand ihre Familie vor dem finanziellen Ruin – und das war ihre Schuld! Vor etwas mehr als einem Jahr hatte sie ihren Vater ermutigt, in Onkel Vincents neue Bank zu investieren. Der Bruder ihrer Mutter war ihr einziger Onkel und Abigail hatte ihn immer sehr gern gehabt. Er war charmant, begeisterungsfähig und stets optimistisch. Ihm und seinen Partnern, Mr Austen und Mr Gray, gehörten bereits zwei kleine Bankhäuser und sie hatten ein drittes eröffnen wollen. Onkel Vincent hatte ihren Vater gebeten, die Bürgschaft für eine bedeutende Summe zu übernehmen, und auf Abigails Drängen hin hatte er sich dazu bereit erklärt.

Zu Beginn waren die Banken auch höchst erfolgreich gewesen. Doch dann vergaben die Partner ein paar sehr hohe, unkluge Darlehen und liehen sich hin und wieder sogar selbst größere Summen. Schon bald musste die eine Bank verkauft werden und die andere geriet in ernste Schwierigkeiten. Die neu gegründete dritte Bank hatte im November schließen müssen und vor einer Woche hatte auch das ursprüngliche Bankhaus Konkurs angemeldet.

Abigail konnte es noch immer kaum fassen. Ihr Onkel war so sicher gewesen, dass die Bank blühen und gedeihen würde, und Abigail hatte fest an ihn geglaubt.

Ihr Vater schob das Schmuckkästchen beiseite und fuhr mit dem Finger die Zahlenreihen in ihrem Geschäftsbuch nach.

Abigail erwartete sein Urteil. Ihre Handflächen waren feucht, ihr Herz schlug dumpf. »Wie schlimm ist es?«, fragte sie.

»Schlimm. Wir sind zwar nicht ganz mittellos, du und Louisa besitzen noch immer eure Mitgift. Doch der Löwenanteil meines Kapitals ist weg und mit ihm die Zinsen.«

Abigails Magen krampfte sich zusammen. »Es tut mir so leid, Papa, so furchtbar leid«, sagte sie. »Ich dachte wirklich, dass Onkel Vincent und seine Partner Erfolg haben würden.«

Er fuhr sich müde mit der Hand über sein längliches, gut geschnittenes Gesicht. »Ich hätte mich von euch beiden nicht überreden lassen dürfen. Ich wusste doch, wie oft seine Unternehmungen schon fehlgeschlagen waren. Aber du hattest immer einen klaren Kopf, Abigail. Ich glaubte, deinem Urteil vertrauen zu können. Doch es ist nicht allein dein Fehler. Ich trage genauso viel Schuld. Und Vincent natürlich auch.«

Ihren Vater so desillusioniert und enttäuscht zu sehen – von ihr und vom Leben –, machte sie ganz krank vor Schuldgefühl und Reue. Onkel Vincent gab seinen Partnern und ihren riskanten Darlehensvergaben die Schuld. Doch ganz gleich, wer Schuld hatte, die Tatsache blieb, dass Charles Foster die Bürgschaft übernommen hatte. Er war nicht der Einzige, der beim Konkurs der Bank Geld verloren hatte, doch ihn traf es am härtesten.

Ihr Vater schüttelte den Kopf und verzog die Lippen zu einem bitteren Lächeln. »Ich weiß nicht, wie ich es Louisa beibringen soll, dass sie nicht an der Ballsaison teilnehmen kann. Sie und ihre Mutter haben es sich so sehr gewünscht.«

Abigail nickte still. Die Londoner Saison war ein beliebter Jagdgrund, um nach reichen Ehemännern Ausschau zu halten. Sie hoffte, dass Louisas glühende Begeisterung dafür bedeutete, dass sie nicht mehr auf Gilbert Scott wartete. Falls Louisa und Gilbert sich tatsächlich einander versprochen hatten, hatte Louisa das jedenfalls vor ihrer Mutter geheim gehalten, denn diese war fest entschlossen, ihrer Tochter eine spektakuläre Saison zu bereiten. Mit ihren neunzehn Jahren stand Louisa in der Blüte ihrer Schönheit – jedenfalls nach Ansicht ihrer Mutter, die darauf beharrte, dass dies der perfekte Zeitpunkt sei, um eine gute Partie zu machen.

Ihr Vater lehnte sich mit einem mutlosen Seufzen im Stuhl zurück. »Wenn wir wenigstens das Haus nicht zu verkaufen bräuchten, doch so sehr wir es auch alle lieben, es ist zu groß und zu teuer. Das ist wohl der Preis dafür, dass es momentan zum guten Stil gehört, hier am Grosvenor Square zu wohnen.«

Ganz zu schweigen von den übrigen Kosten, die ein Lebensstil mit sich brachte, der sich am Adel orientierte – obwohl sie in Wirklichkeit lediglich dem gehobenen Bürgertum entstammten und weder Titel noch Landbesitz aufzuweisen hatten. Als Gentleman hatte ihr Vater in seinem ganzen Leben noch nicht arbeiten müssen. Die Familie hatte von den Zinsen seines Erbes gelebt. Das Erbe selbst war gut angelegt gewesen – bis jetzt.

Gilberts Worte, dass sie sich nicht »durch irgendwelche Versprechen binden sollten«, kamen ihr in den Sinn. Sie straffte entschlossen die Schultern. »Ja, Papa. Wir werden das Haus verkaufen müssen, aber nicht den Familienschmuck. Nicht, solange es noch eine andere Möglichkeit gibt …«

Kurz darauf bat ihr Vater ihre Mutter und Louisa, zu ihnen ins Arbeitszimmer zu kommen, wo er versuchte, die Situation zu erklären. Er machte Abigail vor den anderen in keiner Weise für das Geschehene verantwortlich, doch sie wusste, dass er ihr zumindest teilweise die Schuld daran gab. Sie fühlte sich erbärmlich.

Als er fertig war, protestierte Anne Foster: »Unser Haus verkaufen?«

»Ach, weißt du, Mama, das ist eigentlich gar nicht so schlimm«, meinte Louisa. »Grosvenor Square ist längst nicht mehr so schick wie früher. Ich habe ein paar sehr hübsche Häuser in der Curzon Street gesehen, die uns völlig genügen würden.«

»Curzon Street?«, wiederholte ihr Vater. »Das wird leider nicht möglich sein, meine Liebe.«

»Ich halte es für das Beste, wenn wir uns irgendwohin zurückziehen«, sagte Abigail. »In eine kleinere Stadt oder vielleicht auch aufs Land, wo der Druck nicht ganz so groß ist, ein Heer von Dienstboten halten zu müssen, große Gesellschaften zu geben und die neueste Mode zu tragen.«

»Aufs Land?« Louisas hübsches Gesicht verzog sich, als hätte sie eine Maus in ihrer Suppe entdeckt. »Wenn du nicht von einem großen Anwesen sprichst, mit Hauspartys, Fuchsjagden und einem Labyrinth im Garten …«

»Nein, Louisa, ich fürchte, das tue ich nicht. Ich meine etwas Kleineres.«

»Warum musste das passieren?«, stöhnte Mama. »Und was ist mit Louisas Saison? Und mit ihrer Mitgift? Ist alles fort? Wird unsere jüngste Tochter nicht einmal die Chance haben, eine gute Partie zu machen?«

»Das habe ich nicht gesagt. Nein. Louisa wird ihre Saison haben.« Vater warf Abigail einen unbehaglichen Blick zu und schaute rasch wieder weg. »Das Geld für Louisas Kleider und die anderen Dinge werden wir aufbringen. Ich denke doch, deine Tante Bess wird nichts dagegen haben, dass ihr ein paar Monate bei ihr wohnt, oder?«

»Natürlich nicht. Aber … ich verstehe es nicht. Du hast doch gesagt, wir hätten kein Geld dafür.«

Mit einem abermaligen Blick auf Abigail begann Mr Foster: »Abigail hat freundlicherweise …«

Doch sie unterbrach ihn: »Ich habe Papa geholfen, ein paar Möglichkeiten zu finden, mit denen wir etwas Geld einsparen. Außerdem haben wir einige Ersparnisse, die für … Notzeiten zurückgelegt wurden. Und es gibt auch noch ein paar Sachen, die wir verkaufen können …«

»Nicht die Smaragde deines Vaters!«

Abigail schüttelte den Kopf. »Nein, nicht die Smaragde.«

Ihre Mutter nickte entschlossen. »Gut. Louisa muss ihre Chance bekommen, sie zu tragen, du hattest sie schließlich auch.«

Abigail bemerkte erleichtert, dass ihre Mutter sich einen Kommentar – in der Art von »wenn es dir auch nichts genützt hat« – verkniff.

Sie zwang sich zu einem Lächeln. »Wir werden genug zusammenkratzen, um Louisa eine ganz wunderbare Saison zu ermöglichen. Die Saison, die sie verdient.«

Einen Augenblick lang starrte ihre Mutter sie an, als spräche sie eine Fremdsprache. Abigail fürchtete schon, sie würde weitere Aufklärungen über die Herkunft des Geldes verlangen oder gar vorschlagen, Abigails Mitgift zur weiteren Erhöhung der Mittel zu verwenden, da sie sie schließlich nicht mehr benötigte. Die Mitgift heimlich und freiwillig für diesen Zweck zur Verfügung zu stellen, wie Abigail es ihrem Vater vorgeschlagen hatte, war eine Sache. Sich die Demütigung anzuhören, dass eine Mitgift an sie verschwendet war, war eine ganz andere.

Doch ihre Mutter war besänftigt und nickte nur. »So gehört es sich auch.« Sie drückte Louisa die Hand. »Siehst du, mein Liebling, du wirst deine Saison bekommen. Habe ich es dir nicht gesagt? Du wirst in diesem Jahr den bestaussehenden und wohlhabendsten jungen Mann mit hervorragenden Verbindungen kennenlernen. Ich weiß es genau!«

Und während Mrs Foster und Louisa sich der Kleiderfrage zuwandten, begann Abigail, ihrem desillusionierten und enttäuschten Vater dabei zu helfen, ein Haus zu finden, das sie sich leisten konnten.

Auf der Suche nach einer passenden Behausung kontaktierte Abigail schließlich einen Grundstücksmakler, doch auch dieser hatte kein Objekt an der Hand, das den Vorstellungen ihrer Mutter von Großzügigkeit und Komfort und gleichzeitig den Vernunftaspekten entsprach, die Abigail im Auge behalten musste. Sie hatte bereits mehrere Häuser als zu teuer für ihre Verhältnisse abgelehnt.

Eines Nachmittags befand sich unter der Korrespondenz über Immobilien auch ein Brief von Gilbert Scott, der mit einer römischen Briefmarke frankiert war. Ihr Herz tat einen törichten kleinen Hüpfer, wie immer, wenn sie ihren Namen in seiner eleganten Handschrift geschrieben sah. Gilbert hatte ihr und Louisa relativ häufig geschrieben. Abigail pflegte die Beschreibungen seiner Studien und der – manchmal mit Zeichnungen illustrierten – italienischen Architektur stets aufmerksam zu lesen und sogleich pflichtbewusst zurückzuschreiben. Was Gilbert an Louisa schrieb, wusste sie nicht. Sie befürchtete, dass der Inhalt dieser Briefe romantischerer Natur war als derer, die sie erhielt, hoffte aber gleichzeitig, dass sie sich irrte.

Sie ging auf ihr Zimmer, um Gilberts Brief in Ruhe zu lesen.

Meine liebe Abby,hallo, alte Freundin. Wie geht es dir? Ich stelle mir vor, dass du dich ziemlich langweilst, wenn ich nicht da bin, um dich zu ärgern und dich durch die Stadt zu schleifen, um mit mir St. Paul oder die Umbauten des Bethlehem Hospitals zu besichtigen oder einen Vortrag anzuhören. Italien ist überwältigend, du würdest es lieben. Aber ich will dich in diesem Brief nicht mit Einzelheiten überschütten – womöglich würdest du neidisch werden und mir nicht mehr zurückschreiben.

Es war sehr freundlich von dir, alle meine Briefe so prompt zu beantworten, Abby. Es bedeutet mir mehr, als du dir wahrscheinlich vorstellst. So sehr ich Italien und meine Studien auch genieße, ich schäme mich nicht, dir – die du mich so gut kennst – zu gestehen, dass ich mich hin und wieder recht einsam fühle. Wie gern würde ich mit dir zusammen über die Piazza Venezia schlendern und dir das Forum Romanum zeigen!

Von Louisa habe ich seit einiger Zeit nichts mehr gehört. Anfangs hat sie, wie du, meine Briefe immer rasch beantwortet, doch nun hat sie mir schon seit Längerem nicht mehr geschrieben. Ich hoffe, es geht ihr gut – und dir und deinen Eltern natürlich auch. Vielleicht habe ich sie durch irgendetwas verärgert. Wenn ja, geschah es unabsichtlich. Bitte sag ihr, dass ich dir das geschrieben habe. Wenn doch nur alle Frauen so umgänglich und nachsichtig wären wie du, Abby.

In deinem letzten Brief hast du mich gefragt, welches der vielen Bauwerke, die ich gesehen habe, ich am meisten bewundere. Das ist schwer zu sagen, da ich fast täglich ein neues Lieblingsstück finde. Dabei fällt mir ein, dass ich jetzt Schluss machen muss; wir brechen bald zu einem Besuch der Basilica di Santa Maria del Fiore in Florenz auf. Vielleicht entdecke ich ja ein neues Lieblingsbauwerk!

In aufrichtiger Zuneigung

Gilbert

Abigail faltete den Brief zusammen und drückte ihn einen Moment lang an ihre Brust. Sie dachte an Gilberts gut aussehendes Gesicht, wie er mit konzentrierter Miene diesen Brief schrieb, an die Tinte an seinen Fingern und an seine Zungenspitze, die aus dem Mundwinkel hervorlugte, wie immer, wenn er sich mit Hingabe einer Aufgabe widmete. Dann stellte sie sich vor, Arm in Arm mit ihm durch Rom zu spazieren …

»Worüber lächelst du?«, fragte Louisa, die in der offenen Tür zu ihrem Zimmer stehen geblieben war.

»Über einen Brief von Gilbert.«

»Und was hat er diesmal zu sagen? Noch mehr ausführliche Beschreibungen von Säulen und Kuppeln, nehme ich an?«

»Du kannst ihn lesen, wenn du willst.« Abigail streckte ihr den Brief hin, um zu zeigen, dass sie nichts zu verbergen hatte, und mit der heimlichen Hoffnung, dass Louisa ihr die gleiche Gunst erweisen würde. Allerdings hatte Louisa nie auch nur das geringste Anzeichen erkennen lassen, dass sie eifersüchtig auf ihre ältere Schwester war.

Louisa winkte ab. »Vielleicht später.«

»Er fragt, warum du ihm so lange nicht geschrieben hast«, sagte Abigail. »Er fürchtet, dass er dich verärgert hat.«

Louisa zuckte nur mit den Achseln. »Aber nein! Wir hatten nur so viel zu tun – Besuche erwidern, Anproben bei der Schneiderin und dergleichen. Und jetzt, da Ostern vorüber ist und die Saison begonnen hat … nun, du weißt ja, wie es ist. Jede Nacht spät zu Bett, morgens lange ausschlafen, nachmittags Besuche machen …«

Abigail hatte Louisa nie erzählt, dass sie ihr privates Tête-à-Tête mit Gilbert beobachtet hatte, und sie hatte auch nicht gefragt, was sie ihm als Abschiedsgeschenk gegeben hatte. Vielleicht sollte sie das jetzt tun.

»Louisa, ich weiß, dass du Gilbert vor seiner Abreise etwas gegeben hast. Ist es ein Geheimnis oder …?«

Louisa blinzelte überrascht. »Hat Gilbert dir das geschrieben? Ich … ich gab ihm eine Locke von mir. Du hast doch nichts dagegen, oder? Schließlich hast du immer betont, dass du und Gilbert nur Freunde seien.«

Hatte sie das? Abigail schluckte. »Äh – ja. Gute Freunde.«

Hatte Gilbert Louisa um eine Locke gebeten? Trug er sie inzwischen vielleicht in einem Ring am Finger? Bei diesem Gedanken krampfte sich ihr Magen zusammen. Sie wagte nicht, weitere Fragen zu stellen. Vielleicht wollte sie die Antworten gar nicht wissen.

Stattdessen begnügte sie sich mit der schwesterlichen Ermahnung: »Es ist unhöflich, Briefe nicht zu beantworten, Louisa. Ein paar Zeilen wirst du ja wohl zustande bringen. Und wenn du ihm nur schreibst, dass alles in Ordnung ist und dass ihr immer noch … Freunde seid.«

Louisa warf sich in einen Lehnsessel. In der Gegenwart ihrer Schwester pflegte sie ihre übliche sorgfältige Wahrung von Eleganz und Etikette weniger ernst zu nehmen. »Schon gut, ich schreib ihm.« Doch dann blitzte der Schalk in ihren schönen Augen auf und sie schenkte Abigail ein süßes Lächeln. »Oder könntest du das nicht für mich tun, wenn du ihm ohnehin schreibst? Ich weiß genau, dass dein Antwortbrief schon morgen bei der Post sein wird.«

Bald trafen Angebote für das Haus ein. Der beste Preis bezog sich auf das Haus inklusive sämtlicher Möbel und Einrichtungsgegenstände. Sie waren sehr erleichtert über das ausgesprochen gute Angebot. Dennoch blieb, nachdem ihr Vater die Bürgschaft ausgezahlt hatte, wenig übrig, das sie in ein neues Heim investieren konnten. Abigail gab sich alle Mühe, doch allmählich verzweifelte sie an dem Vorhaben, ein Haus zu finden, das ihnen allen genehm war.

Es war mittlerweile Anfang April, Abigail sprach gerade mit der Haushälterin über bescheidenere Menüfolgen und andere Sparmaßnahmen, als ein Diener sie aufsuchte.

»Ihr Vater bittet Sie ins Arbeitszimmer, Miss«, sagte er.

»Wirklich? Ich dachte, er hätte einen Besucher.«

»Das hat er auch.« Der Diener verneigte sich und zog sich zurück, ohne noch etwas zu sagen.

Abigail dankte der Haushälterin. Dann ging sie zum Arbeitszimmer ihres Vaters, klopfte und trat ein.

Ihr Vater saß am Schreibtisch. Neben ihm stand ein schwarz gekleideter Mann vor dem Fenster, das ihn wie ein Rahmen umgab.

Abigail warf dem Besucher einen unbehaglichen Blick zu und sagte: »Du hast mich rufen lassen, Vater?«

»Genau genommen hat dieser Gentleman um deine Anwesenheit gebeten.« Mr Foster deutete auf den Besucher, einen Mann von etwa sechzig Jahren, schätzte sie. Nicht allzu groß, aber dennoch eine vornehme Gestalt in seinem schwarzen Gehrock und der schiefergrauen Weste. Der hohe, weiße Kragen umrahmte ein fesselndes Gesicht – tief liegende Augen unter hohen, gewölbten Brauen, die schwarz wie Fledermausflügel waren. Zu beiden Seiten der Nase verliefen tiefe Falten zu den Mundwinkeln. Er trug einen schmalen Schnurrbart und einen im Van-Dyke-Stil gestutzten Bart. Die Wangen waren glatt rasiert. Haar und Bart waren schwarz und wurden von silbernen Fäden durchzogen. Doch seine Augen stießen sie ab. Scharf und berechnend. Wissend und urteilend.

Sie war ziemlich sicher, dass sie ihn noch nie gesehen hatte. An einen Menschen wie ihn würde sie sich erinnern. Warum hatte er sie herbitten lassen?

»Sind wir uns bereits begegnet, Sir?«, fragte sie.

»Nein, Miss. Ich hatte noch nicht das Vergnügen«, antwortete er. Allerdings schien es ihm auch jetzt kein Vergnügen zu bereiten, ihr zu begegnen.

Ihr Vater stellte sie – etwas verspätet – einander vor. »Meine ältere Tochter, Miss Abigail Foster. Abigail, das ist Mr Arbeau. Er ist Anwalt.«

Abigails Magen verkrampfte sich. War ihr Vater durch den Konkurs von Onkel Vincents Bank in noch schlimmere Schwierigkeiten geraten? War der Anwalt gekommen, um ihnen zu sagen, dass sie noch weitere Zahlungen leisten mussten? Abigail ballte die Hände zu Fäusten. Sie hatten schon zu viel verloren.

Mr Arbeau machte eine knappe Verbeugung, richtete sich wieder auf und legte die Hände hinter dem Rücken zusammen. Er war wirklich eine einschüchternde Erscheinung mit seiner düsteren Eleganz.

Er richtete den Blick knapp über den Kopf ihres Vaters und begann: »Mr Foster, ich weiß, dass Sie in einer finanziellen Krise stecken. Ich gehe davon aus, dass das Angebot eines komfortablen Wohnsitzes bei einer niedrigen Miete Ihnen zu diesem Zeitpunkt nicht unwillkommen ist?«

Das Gesicht ihres Vaters verdunkelte sich. »Ich schätze es nicht, wenn meine Privatangelegenheiten von Fremden verbreitet werden, Mr Arbeau.«

»Dann möchte ich Ihnen raten, nicht die Zeitung zu lesen, Sir.« Der Mann machte eine anmutige Handbewegung und Abigail bemerkte den Goldring an seinem kleinen Finger. »Ja, ja. Sie sind ein stolzer Mann, ich weiß. Aber nicht zu stolz, hoffe ich, um das Angebot, das ich Ihnen machen möchte, zumindest in Erwägung zu ziehen.«

Ihr Vater kniff die Augen zusammen. »Was für ein Angebot? Sie haben also einen komfortablen Wohnsitz zu vermieten?«

»Nein, nicht ich. Ein Klient von mir besitzt ein altes Herrenhaus und hat mich angewiesen, es Ihnen zu sehr günstigen Bedingungen anzubieten.«

»Und wer ist dieser Klient?«, fragte Mr Foster.

Der Mann schürzte die Lippen. »Ein entfernter Verwandter von Ihnen, aus einer bedeutenden und wohlhabenden Familie in West Berkshire. Mehr darf ich Ihnen leider nicht dazu sagen.«

»Wenn er ein Verwandter von mir ist, wozu dann die Heimlichkeit?«

Der Mann erwiderte seinen Blick, antwortete jedoch nicht.

Ihr Vater blickte nachdenklich auf. »Ich habe Vorfahren in West Berkshire. Vielleicht kenne ich den Namen oder die Lage des Anwesens?«

»Pembrooke Park. Mit zwei O.«

»Ah!« Mr Fosters Augen leuchteten auf. »Meine Großmutter mütterlicherseits war eine Pembrooke.«

Der Mann sah ihn weiterhin nur an, ohne die Verbindung zu bestätigen oder zu leugnen.

Stattdessen sagte er: »Bitte nehmen Sie zur Kenntnis, dass Sie besagtes Anwesen nicht erben können, da es nähere Erben gibt, das Testament aber wegen eines noch offenen Besitzanspruchs noch nicht vollstreckt wurde. Der gegenwärtige Verwalter des Anwesens lebt an einem anderen Ort, wünscht jedoch, dass das Haus bewohnt wird – und zwar wenn möglich von Familienangehörigen, die es verdienen.«

»Ich verstehe …« Ihr Vater legte die Fingerspitzen zusammen und Abigail sah, wie er überlegte, ob er sich geschmeichelt fühlen oder gekränkt sein sollte, weil man ihn für einen Familienangehörigen befunden hatte, der eine solche Wohltat verdiente.

Mr Arbeau fuhr fort: »Das Haus hat zwei Stockwerke und fünf Schlafzimmer. Dazu Dienstbotenquartiere. Im Souterrain befinden sich die Küchen- und Arbeitsräume. Eine Kapelle, Stallungen und Nebengebäude gehören ebenfalls dazu. Neun Morgen Park, Teiche und Gärten, die jedoch seit Jahren nicht mehr gepflegt wurden.«

»Aber ein so großes Anwesen«, warf Abigail ein, »übersteigt, fürchte ich, unsere … Bedürfnisse.«

Der Mann zog eine Karte, auf der eine Zahl geschrieben stand, aus einer Innentasche seines Rocks. Er reichte sie Mr Foster, der sie an Abigail weitergab. Abigail warf einen Blick darauf und zog erstaunt die Brauen hoch. Neugierig geworden, drehte sie sie um. Die andere Seite war eine schlichte Visitenkarte, auf der lediglich Henri Arbeau, Anwalt zu lesen war.

»Das ist ein ungewöhnlich moderates, tatsächlich ein sehr großzügiges Angebot«, gab Abigail zu. »Aber ich fürchte, die Dienerschaft und der finanzielle Aufwand, die ein solches Anwesen erfordert, übersteigen unsere Mittel.«

Der Anwalt warf ihr einen scharfen Blick zu und richtete seine Antwort an sie. »Mein Klient hatte offenbar recht, als er Ihre Anwesenheit bei dem Gespräch wünschte, Miss Foster.« Er zog ein weiteres Papier aus der Tasche. »Ich bin bevollmächtigt, die nötige Dienerschaft einzustellen und zu bezahlen. Allerdings erstreckt sich mein Auftrag nicht auf einen französischen Koch und livrierte Diener.« Er studierte eine Liste auf dem Papier. »Sie bekommen eine Haushälterin, die gleichzeitig die Aufgaben der Köchin übernehmen muss, ein Küchenmädchen, einen Diener und zwei Hausmädchen. Persönliche Dienerschaft – Kammerdiener, Zofe und dergleichen – müssen Sie selbst bezahlen. Wenn Ihnen das genehm ist.«

Abigail öffnete den Mund zu einem ungläubigen Kommentar, doch bevor sie etwas sagen konnte, hob Mr Arbeau die Hand.

»Ehe Sie mir oder meinem Klienten für ein allzu ›großzügiges‹ Angebot danken wollen, möchte ich Sie bitten, Ihre Erwartungen und Ihre Dankbarkeit zu mäßigen. Das Haus ist seit achtzehn Jahren unbewohnt.«

Abigail schnappte nach Luft. Sie sah ihren Vater an. Verließ auch ihn jetzt der Mut? Warum ließ man ein Haus fast zwanzig Jahre lang leer stehen? In was für einer Verfassung mochte es jetzt sein?

Ihr Vater sagte: »Darf ich fragen, warum man es so lange unbewohnt ließ?«

»Es steht mir nicht zu, die früheren Entscheidungen meines Klienten in dieser Sache zu beurteilen. Ich kann Ihnen nur sagen, dass weder mein Klient selbst noch ein Familienmitglied in der Lage oder bereit waren, dort zu wohnen.«

»Und es wurde auch nicht vermietet?«

»Nein.« Mr Arbeau sog ungeduldig die Luft ein. »Sehen Sie, mein Klient weiß, dass Ihre Familie ein Haus sucht, und möchte Ihnen helfen. Aber seien Sie versichert, dass alles Nötige getan wird, um das Haus bewohnbar zu machen. Ich werde Sie selbst dorthin begleiten. Danach können Sie und Ihre Tochter entscheiden, ob Pembrooke Park für Sie hergerichtet werden kann. Und wenn Sie bereit sind, mindestens zwölf Monate in dem Haus zu wohnen – denn nur dann würde sich die Investition lohnen –, wird mein Klient die Kosten für die Reparaturen, die Säuberung und die fünfköpfige Dienerschaft tragen, die Ihnen ein komfortables Leben ermöglichen.«

Abigail starrte blind vor sich hin, während sie versuchte, die Kosten, die sein Klient übernehmen wollte, im Kopf zu überschlagen, und sie mit der niedrigen Mietsumme verglich. Das Unverhältnis ließ sie blinzeln. Ein Hauch von Unruhe und Verdacht stieg in ihr auf. Hatte das Geschäft mit Onkel Vincent sie nicht gelehrt, dass alles, was zu gut klang, um wahr zu sein, normalerweise einen Haken hatte?

Doch sie konnten es sich kaum leisten, ein solches Angebot auszuschlagen.

Ihr Vater schien sich der erstaunlichen Aspekte des Angebots weniger bewusst zu sein oder vielleicht fand er auch nur, dass ihm ein solches Glück gebührte. Er sagte: »Ich gehe davon aus, dass die Diener das Haus vor unserer Ankunft in Ordnung bringen?«

»Da irren Sie sich«, entgegnete Mr Arbeau scharf. »Was das angeht, hat mein Klient klare Anweisungen gegeben. Sie und Miss Foster sollen zugegen sein, wenn das Haus aufgeschlossen und zum ersten Mal seit dem Jahr 1800 geöffnet wird.«

Jetzt schnappte ihr Vater nach Luft. »Aber … warum?«

»Weil dies der Wunsch und die Bedingung meines Klienten ist.« Mr Arbeaus Ton verbat sich jede weitere Nachfrage.

Abigails Vater neigte den Kopf und dachte nach. Seine zusammengezogenen Brauen zeigten, wie verwirrt er war.

Die Kaminuhr tickte.

Mr Arbeau konsultierte abermals seine Liste, dann faltete er sie zusammen. »Nicht allzu weit entfernt vom Herrenhaus gibt es ein Gasthaus. Wenn wir feststellen, dass das Haus in seinem gegenwärtigen Zustand unbewohnbar ist, sind Sie zu einem vierzehntägigen Aufenthalt in besagtem Gasthaus eingeladen. Allerdings müssen Sie jeden Tag im Herrenhaus anwesend sein und die Vorbereitungen der Dienerschaft beaufsichtigen.«

Er steckte die Liste wieder ein und sagte in gönnerhaftem, ja fast spöttischem Ton: »Falls Sie mit diesen Bedingungen einverstanden sind?«

Abigail warf ihrem Vater einen verstohlenen Blick zu und sah, dass er rot geworden war. Da sie befürchtete, dass er den Mann mit einer scharfen Erwiderung fortschicken würde, sagte sie rasch: »Noch einmal: Das ist sehr großzügig, Mr Arbeau. Ich sehe keinen Grund, warum wir Pembrooke Park nicht wenigstens besichtigen sollten. Was meinst du, Papa?«

Er zögerte. Dann sah er ihr bittendes Gesicht. »Nein, wohl nicht.«

Abigail nahm ihren Mut zusammen. »Ist das Haus möbliert oder sollen wir unsere eigenen Sachen mitbringen?«, fragte sie. Sie dachte an das höchste Gebot, das sie für ihr eigenes Haus erhalten hatten, das jedoch nur galt, wenn sie das Haus möbliert verkauften.

»Vollständig möbliert, ja«, sagte Mr Arbeau. »Ich habe es noch nie von innen gesehen, doch mein Klient hat mir versichert, dass Sie in Pembrooke Park alles finden, was Sie benötigen. Unter der unvermeidlichen Staubschicht natürlich.« Seine Augen glitzerten ironisch.

War dies vielleicht ihre Chance, dazu beizutragen, die Situation ihrer Familie zu verbessern und das Vertrauen ihres Vaters zurückzugewinnen?

Abigail betete, dass sie ihren Vater nicht abermals in die Irre führte. Sie straffte die Schultern und zwang sich zu einem Lächeln. »Nun, wir haben keine Angst vor ein wenig Staub. Nicht wahr, Papa?«

Sie einigten sich auf einen Termin für die Besichtigung von Pembrooke Park, dann verabschiedete sich Mr Arbeau. Es war eine Erleichterung, als der dienstbeflissene Mann und sein verblüffendes Angebot fort waren.

[ Zum Inhaltsverzeichnis ]

Kapitel 2

Abigail und ihr Vater fuhren gemeinsam mit dem finster wirkenden Anwalt in einer eigens für diesen Zweck gemieteten, gut gefederten Postkutsche nach Pembrooke Park. Sie waren fast den ganzen Tag unterwegs, überquerten Mautstraßen und Zollgrenzen. Dabei hielten sie regelmäßig an, um Pferde und Fahrer zu wechseln oder eine hastige Mahlzeit in der Herberge einer Poststation einzunehmen.

Irgendwann erreichten sie West Berkshire, dessen rollende Hügel und weite Waldflächen in der Nähe der Grenze zu Wiltshire allmählich Bauernhöfen und Kreidefelsen wichen. Sie fuhren durch das Dorf Caldwell, zu dem eine schöne Kirche, eine Tuchfabrik und der Black Swan gehörten, das Pembrooke Park am nächsten gelegene Gasthaus, in dem sie, wie Mr Arbeau ihnen sagte, wohnen würden, bis sie das Herrenhaus beziehen konnten. Ein paar Minuten später erreichten sie Easton – ein kleines Fleckchen Land mit ein paar Läden und strohgedeckten Cottages in der Nähe von Pembrooke Park.

Abigail spürte, wie ihr Herz schneller schlug. Bitte Gott, lass das Haus keine völlige Ruine sein … nicht, wo ich Vater geraten habe, hinzufahren. Ich ertrage es nicht, ihn schon wieder zu enttäuschen.

Sie passierten das Dörfchen und bogen in eine schmale, von Bäumen gesäumte Straße ein. Die Kutsche ratterte langsam die lange Auffahrt hinauf, doch plötzlich kam sie mit einem Ruck zum Halten.

Mr Arbeaus schwarze Augen blitzten ärgerlich auf. »Was zum Teufel …?«

Abigail hob das Kinn und versuchte, aus dem Fenster zu schauen.

Der Pferdeknecht öffnete die Tür. »Der Weg ist blockiert, Sir. Weiter kommen wir nicht mit dieser großen Kutsche.«

»Was soll das heißen, der Weg ist blockiert?«

»Sehen Sie selbst, Sir.«

Mr Arbeau griff nach seinem hohen Kastorhut und stieg aus. Die Kutsche schaukelte unter seinem Gewicht. Vor ihnen führte eine Steinbrücke über einen schmalen Fluss, doch diese Brücke wurde von großen Fässern und Felsblöcken blockiert. Die Fässer waren in regelmäßigen Abständen aufgestellt worden, sodass Fußgänger oder Reitpferde passieren konnten, nicht aber Kutschen.

Mr Arbeau murrte wegen der Barrikade und fing an, die Situation mit dem Fahrer und dem Pferdeknecht zu diskutieren. Abigail hatte nur noch Augen für das Herrenhaus auf der anderen Seite der Brücke – ein großes Bruchsteinhaus in warmen Gold- und Grautönen mit einem Ziegeldach und steil aufragenden Giebeln. Dem Haus gegenüber lag ein zentraler Innenhof mit Ställen auf der einen und einer Kapelle auf der anderen Seite. Das Ganze war umgeben von einer niedrigen Steinmauer und zugänglich durch ein Tor jenseits der Brücke.

Neben ihr sagte ihr Vater: »Das ist es, oder? Pembrooke Park.«

»Ja.«

Sie schaute zu ihm hinüber, um seine Reaktion abzuschätzen, doch es war schwer zu erraten, was er dachte.

Mr Arbeau trat näher und richtete das Wort an sie beide: »Mein Klient hat nichts von einer solchen Blockade gesagt. Sie muss in den letzten Jahren ohne sein Wissen errichtet worden sein.« Er zupfte an seinen Manschetten. »Kommen Sie. Wir werden von hier aus zu Fuß gehen.«

Er marschierte los, einen Gehstock mit Goldknauf in der Hand. Abigail und ihr Vater warfen sich einen unsicheren Blick zu, dann folgten sie dem Anwalt an den Fässern vorbei über die Brücke.

Auf der anderen Seite traten sie durch das Tor in der Steinmauer und überquerten den Hof. Ihre Schritte knirschten auf der mit grobem Kies bestreuten Einfahrt. Hier und da zeigten sich zwischen den Kieseln Unkrautbüschel, die während der langen Zeit gewachsen waren, in der das Gebäude leer gestanden hatte.

Aus der Nähe fiel Abigail auf, dass die Fenster des Herrenhauses unterschiedlichen Stilrichtungen angehörten; offenbar stammten sie aus verschiedenen Epochen. Zum Teil waren es Bogenfenster, andere waren einfach rechteckig. Sie entdeckte sogar zwei sehr schöne Erker. Die Vordertür lag etwas zurückgesetzt unter einem Säulenvordach. Abigail fand, dass sie auf den ersten Blick wie ein offener Mund und die Fenster darüber wie zwei erschrockene Augen aussahen. Sie blinzelte den seltsamen Eindruck fort.

Die Doppeltür war durch eine Kette und ein Schloss gesichert. Abigail und ihr Vater warteten, während Mr Arbeau einen alten Schlüssel an einem schwarzen Band aus der Tasche zog. Er hob das Schloss ein wenig an und steckte den Schlüssel hinein.

Plötzlich erklang wütendes Bellen. Ein Hund kam die Auffahrt herauf auf sie zugeschossen. Abigail versteifte sich und blickte sich rasch nach einer Waffe um. Sie hatte gerade beschlossen, sich Mr Arbeaus Gehstock zu bemächtigen, wenn er selbst keine Anstalten machen sollte, ihn zu benutzen, als die muskulöse Dogge mit dem riesigen Schädel wenige Meter vor ihnen mit angespanntem Körper und entblößten Fängen stehen blieb. Das warnende Bellen wurde zu einem drohenden Knurren.

Peng! Ein Schuss ertönte. Abigail schrak zusammen und fuhr mit einem Schrei herum.

Ihr Vater streckte den Arm aus, als wollte er sie beschützen – eine rührende, wenn auch nutzlose Geste. Mr Arbeau drehte sich langsam in die Richtung um, aus der der Schuss gekommen war.

An der Hausecke, knapp zwanzig Meter entfernt, stand ein Mann mit einer rauchenden doppelläufigen Flinte, die in die Luft zielte. Der Mann war groß, schlank, etwa fünfzig Jahre alt, mit ausgeblichenem roten Haar und einem gestutzten Bart. Er stand breitbeinig da und sah sie an.

Dann nahm er die Waffe herunter und legte sie auf die Besucher an. »Nächstes Mal schieß ich nicht mehr über eure Köpfe.«

Ihr Vater hob die Hände.

Mr Arbeau betrachtete den Mann, seine Augen mit den schweren Lidern ließen weder Furcht noch Überraschung erkennen.

Ein zweiter, jüngerer Mann tauchte auf. »Pa!«, rief er warnend. »Pa, nicht!« Er war vielleicht Mitte zwanzig und hatte ebenfalls rotes Haar.

Er warf einen Blick in ihre Richtung. »Nimm das Gewehr weg, Pa. Und ruf Brutus zurück. Diese Leute wollen uns nichts Böses, ganz bestimmt nicht. Ich finde nicht, dass sie wie Diebe aussehen.«

Der Ältere blieb noch einen Augenblick mit dem Gewehr im Anschlag stehen und blickte von Mr Arbeau zu ihrem Vater und schließlich zu ihr. Der jüngere Mann streckte die Hand aus und drückte den Gewehrlauf nach unten. »So ist's besser.«

Der ältere Mann fragte, ohne den Blick von ihnen abzuwenden: »Wer sind Sie und was wollen Sie hier?« Seine tiefe Stimme hatte einen leichten schottischen Akzent. Die lange, schmale Nase und die hohen Wangenknochen verliehen ihm das Aussehen eines Aristokraten, doch seine Kleidung war sehr viel weniger elegant als seine Gesichtszüge.

Mr Arbeau trat die Stufen vom Eingangsportal herab und griff dabei in seine Tasche.

Sofort zielte der Gewehrlauf wieder nach oben.

»Meine Karte«, erklärte der Anwalt und breitete beschwichtigend die Hände aus. »Mein Name ist Arbeau. Und wir haben das Recht, hier zu sein, das versichere ich Ihnen!«

»Das werde ich selbst beurteilen.«

Mr Arbeau streckte ihm die Karte hin. »Ich vertrete den Verwalter des Anwesens.«

Der Mann schob sich das Gewehr unter den Arm, griff nach der Karte und betrachtete sie.

Mr Arbeaus Augen glitten unter schweren Lidern abschätzend über das Gesicht des größeren Mannes. »Ich nehme an, Sie sind Mac Chapman.«

Der Kopf des Mannes flog hoch, seine Augen blitzten auf. »Woher kennen Sie meinen Namen, wo ich Sie doch noch nie im Leben gesehen habe?«

Der jüngere Mann warf ihnen einen entschuldigenden Blick zu, ein ironisches Lächeln auf den Lippen. »Zweifellos eilt dir dein Ruf voraus, Papa. Auf jeden Fall wird er das nun nach diesem Zwischenfall.«

Der Humor war an den älteren Mr Chapman verschwendet. Er deutete mit dem rotbärtigen Kinn auf Abigail und ihren Vater. »Und wer sind die? Warum dringen sie hier ein?«

Mr Arbeau warf ihnen einen Seitenblick zu, als überlege er, wie er den Mann am besten entwaffnen konnte – wortwörtlich. »Miss Foster und ihr Vater sind den weiten Weg aus London gekommen, um Pembrooke Park zu besichtigen.«

Ihr Vater trat vor, die Arme noch immer erhoben, aber nur noch bis zur Taille. »Ich bin Charles Foster. Meine Großmutter mütterlicherseits war Mary Catharine Pembrooke, die Tochter von Alexandra Pembrooke.«

Abigail empfand leichte Verlegenheit bei diesen Worten. Sie hatte diese Namen nie zuvor von ihm gehört. Er musste nach dem Besuch des Anwalts in ihrem Stammbaum nachgesehen haben. Sein offensichtlicher Stolz auf seine entfernte Verwandtschaft mit einer alteingesessenen Familie, die sie kaum kannten, verursachte ihr Unbehagen.

Mr Chapman schien ihrem Vater mit echtem Interesse zu lauschen. Er blickte zum Himmel auf, als forsche er in seinen Erinnerungen. »Mary Catharine Pembrooke …«, wiederholte er. »Ja. Das muss Robert Pembrookes Großtante gewesen sein.«

»Ich …« Ihr Vater zögerte. Wie sie hatte auch er wahrscheinlich keine Ahnung, wer Robert Pembrooke war.

Der Mann durchforstete noch immer sein Gedächtnis. »Sie hat einen Mr Fox geheiratet, glaube ich.«

Mr Foster war vor Überraschung zurückgezuckt. »Das stimmt. Meinen Großvater. Aber woher wissen Sie das?«

Der jüngere Mann schlug seinem Vater auf die Schulter. »Mein Vater war lange Zeit der Verwalter von Pembrooke Park. Er war sehr stolz auf seine Arbeit und die Familie, die er repräsentierte.«

»Das ist er offenbar immer noch.« Mr Arbeau straffte die Schultern. »Nun, ich denke, wenn wir mit unserer Ahnenforschung fertig sind, wird es langsam Zeit, dass wir ins Haus gehen.« Er wandte sich zur Tür.

Mac Chapman versteifte sich und grollte: »Reingehen? Wozu?«

»Um Mr und Miss Foster das Haus zu zeigen. Mein Klient hat angeboten, ihnen das Haus für ein Jahr zu vermieten, falls es ihnen zusagt.«

Abigail entging nicht der verblüffte Blick, den Vater und Sohn wechselten. Sie waren ganz offenbar wenig erfreut, zu hören, dass das verlassene Haus betreten werden sollte.

Mr Arbeau widmete sich wieder dem Schloss. Er kämpfte mit dem verrosteten alten Ding, bis Mr Chapman zu einem Entschluss zu kommen schien. Er gab seinem Sohn das Gewehr, trat vor und zog einen Schlüsselbund aus der Tasche.

»Erlauben Sie«, sagte er. »Der Schlüssel, den Sie da haben, ist nur für die Tür.«

Mr Arbeau blickte verärgert auf und trat beiseite. »Aber gewiss doch.« Er bemerkte einen orange-braunen Rostfleck auf seiner glänzend schwarzen Handfläche und wischte sich die behandschuhten Hände an einem Taschentuch ab.

Mr Chapman bediente sich eines seiner Schlüssel und schloss auf. Er hakte das Schloss aus der schweren Kette und zog die Kettenglieder zwischen den Türgriffen hindurch.

Der Sohn bemerkte: »Mein Vater hat dafür gesorgt, dass das Dach und das Äußere des Hauses all die Jahre in gutem Zustand geblieben sind, wie Sie sicherlich sehen werden.«

Mr Arbeau betrachtete Mann, Hund und Gewehr. »Und er hat aus eigenem Antrieb das Schloss angebracht und sich selbst zum Wächter ernannt?«, meinte er und zog die schwarzen Brauen hoch.

»Na und?«, meinte Chapman und legte die Kette beiseite.

»Ich nehme an, dass wir Ihnen auch die Barrikade auf der Brücke verdanken?«

»Es wurde schon des Öfteren versucht, hier einzubrechen.«

Ihr Vater sagte: »Jugendlicher Vandalismus, oder?

»Nein, Sir, da irren Sie sich. Schatzsucher. Diebe.«

»Schatzsucher?«, fragte Abigail überrascht.

Mac Chapman sah sie direkt an, aus solcher Nähe, dass seine leuchtend grünen Augen sie wie ein Blitz trafen. »Ja, Miss. Es geht das Gerücht um, dass sich ein verborgener Schatz im Haus befindet. In einem Geheimzimmer.« Seine Augen funkelten. »Alles Unsinn natürlich.«

»Natürlich«, wiederholte sie schwach. Ein Schatz? Abigail wunderte sich. War das möglich?

Er steckte einen zweiten Schlüssel in das Schloss der Haustür. »Es hat schon vor achtzehn Jahren geklemmt und das ist mit den Jahren sicher nicht besser geworden.« Er presste die Schulter gegen das Holz und drückte gleichzeitig gegen das Schloss. Die Tür gab mit einem Zittern nach und öffnete sich kreischend.

»Und nun, Mr Chapman«, sagte der Anwalt, »würden Sie uns vielleicht die Ehre erweisen und uns durch das Haus führen?«

»Einfach nur Mac, bitte. Und danke, nein.«

Sein Sohn sagte: »Ich hätte nichts dagegen, es zu sehen, Pa. Ich war nicht mehr drin, seit ich ein kleiner Junge war.«

Mac sah ihn bedeutsam an. »Ich bin sicher, dass wichtige Arbeiten auf dich warten.«

Der junge Mann begegnete dem stählernen Blick. »Ach ja. Stimmt.«

Abigail nahm eine Bewegung wahr. Sie blickte über die Schulter zurück und sah eine junge Frau durch das Tor kommen, begleitet von einem elf- oder zwölfjährigen Mädchen. Sie durchquerten den Hof und blieben überrascht stehen, als sie die Besucher sahen.

Mac Chapman verkrampfte sich. »Will«, sagte er leise, »bring Leah nach Hause, bitte. Und Kitty auch.«

Der junge Mann blickte überrascht auf, als er die Anspannung im Ton seines Vaters bemerkte. »Natürlich.« Er machte eine Verbeugung in ihre Richtung, drehte sich um und ging rasch mit langen Schritten davon. Dann legte er einen Arm um die hübsche Frau und nahm die Hand des Kindes.

Seine Frau und sein Kind, vielleicht? Wer auch immer sie waren, der junge Mann drehte sie sanft um und führte sie am Stall vorbei außer Sicht.

»Wollen Sie uns wirklich nicht begleiten, Mac?«, fragte Mr Arbeau noch einmal und fügte trocken hinzu: »Um sicherzugehen, dass wir nichts stehlen?«

Mac blickte durch die offene Tür in die Halle. Auf seinem Gesicht lag … ja, was? Sehnsucht? Erinnerungen? Bedauern? Abigail war sich nicht sicher.

»Nein. Ich warte hier und schließe wieder hinter Ihnen ab.«

Der schale, muffige Geruch von Feuchtigkeit war das Erste, was sie in der hohen Eingangshalle wahrnahmen. Ein winziges Geschöpf huschte rasch außer Sicht. Abigail schauderte. Das Geländer einer großen Treppe und die Porträts an den Wänden waren mit Spinnweben überzogen. Auf den Vorhängen vor den Fenstern und auf den Polstern des verblichenen Sofas neben der Tür lagen dicke Staubschichten. Gegenüber vom Eingang erhob sich wie ein Wächter eine hohe Standuhr.

Mr Arbeau zog einen Zettel aus der Tasche und las ab. »Hier im Erdgeschoss befinden sich die Halle, das Morgenzimmer, das Esszimmer, das Wohnzimmer, der Salon und die Bibliothek. Wollen wir anfangen?«

Ihre zögerlichen Schritte durch die Halle hinterließen Fußabdrücke auf dem staubigen Boden. Das erste Zimmer, zu dem sie gelangten, schien das Morgenzimmer zu sein. Sie traten ein, durchquerten es und kamen ins Esszimmer, ausgestattet mit einer langen Tafel und einem riesigen Kronleuchter voller Kristalle und Spinnweben. Auf dem Tisch standen die Überreste einer Dekoration – Blumen und Weidenzweige und – ja, was? Vielleicht … eine Ananas? Das Arrangement war zu einem dürren braunen Häufchen aus Zweigen und Schalen vertrocknet.

Als Nächstes kam das Wohnzimmer. Abigail blieb überrascht stehen.

Es wirkte, als hätten die Bewohner es eben erst verlassen. Auf dem runden Tisch stand ein Teeservice, in den Tassen waren noch die Ablagerungen des eingetrockneten Tees zu erkennen. Auf der Sofalehne lag ein aufgeschlagenes Buch. Unter einem umgestürzten Stuhl sah sie eine fast fertiggestellte Strickarbeit.

Was war hier geschehen? Warum war die Familie so übereilt aufgebrochen und warum waren die Räume fast zwei Jahrzehnte lang abgeschlossen gewesen?

Ihr Vater stellte den Stuhl auf. Abigail drehte den Strickkorb um; darunter lag ein Häufchen Mäuseköttel. Sie rümpfte die Nase.

Ihr Vater sprach ihre ungestellte Frage aus. »Warum sind die früheren Bewohner so überstürzt aufgebrochen?«

Mr Arbeau, die Arme hinter dem Rücken verschränkt, setzte seine Betrachtung des Raumes fort. »Das kann ich nicht sagen.«

Konnte oder wollte er nicht?, fragte sich Abigail, doch sie schwieg.

Sie warfen einen kurzen Blick in den Salon, hinter dessen geschlossenen Fensterläden Dämmerlicht herrschte, und in die ebenfalls dämmerige Bibliothek, deren deckenhohe Regale mit zurückgelassenen Büchern gefüllt waren. Dann stiegen sie langsam die große Treppe hinauf und schritten über die Galerie. Sie schauten in die Schlafzimmer, eins nach dem anderen. In den beiden größten sahen sie sorgfältig gemachte Betten, zurückgezogene Bettvorhänge, mottenzerfressene Kleider, die schlaff in den Schränken hingen, Hauben und Hüte, an Haken aufgehängt. In den anderen Zimmern waren die Betten ungemacht, das Bettzeug zerwühlt, die Bettvorhänge wirkten hastig zurückgeworfen. In einem der Zimmer wartete ein Schachspiel darauf, dass jemand den nächsten Zug machte, als sei es ebenfalls mitten im Spiel verlassen worden. In einem weiteren Zimmer stand eine Puppenstube mit winzigen, sorgfältig arrangierten Figuren, ganz offensichtlich ein geliebtes und sorgfältig gehütetes Spielzeug. Abigails Blick fiel auf ein kleines blaues Kleid, das leblos und schlaff an einem Haken an der Wand hing.

Wieder schauderte sie. Wo war das Mädchen, das dieses Kleid getragen hatte, jetzt, achtzehn Jahre später?

Sie fragte: »Was ist aus ihnen geworden – aus der Familie, die hier gelebt hat?«

»Das darf ich Ihnen nicht sagen«, antwortete Mr Arbeau.

Sie und ihr Vater zogen die Brauen hoch und warfen sich einen Blick zu, bedrängten ihn aber nicht weiter. Sie gingen wieder hinunter in die Halle.

»Und?«, fragte Mr Arbeau mit einem ungeduldigen Blick auf seine Taschenuhr.

Das Haus unter den Schichten von Spinnweben und Geheimnissen war wunderschön. Es war auf jeden Fall ein Privileg, darin zu wohnen, wenn es erst einmal gründlich gereinigt worden war. Sie sah ihren Vater an, der sich noch einmal mit zusammengepressten Lippen in der Halle umsah.

»Es ist viel Arbeit …«, sagte er.

»Ja«, antwortete Mr Arbeau. »Aber Arbeit, die Sie nicht selbst leisten müssen. Ich werde Mac Chapman bitten, uns qualifiziertes Personal zu empfehlen, das die Räume wieder auf Vordermann bringt. Wenn das Ihre Billigung findet?« Wieder das herablassende Flackern in den Augen.

Doch ihr Vater, der fasziniert auf die formellen Porträts seiner Vorfahren starrte, antwortete nicht.

An seiner statt sagte Abigail: »Wenn Mac bereit dazu ist, ja. Das ist eine gute Idee.«

»Also werden Sie das Haus für mindestens zwölf Monate mieten? Werden Sie den Vertrag unterzeichnen?«

Abigail sah ihren Vater an. Würde er auf sie hören, nachdem sie ihn so enttäuscht hatte? Sie war sich nicht sicher, drängte aber sanft: »Ich glaube, wir sollten es tun, Papa. Wenn du einverstanden bist.«

Charles Foster nickte. Es wirkte, als nicke er einem der gemalten Gentlemen in Tudorkleidung zu. »Ich glaube, wir haben keine andere Wahl.«

Sie sprachen noch mit Mac Chapman, bevor sie aufbrachen. Er erklärte sich auf ihre Bitte hin bereit, eine vertrauenswürdige Haushälterin und Köchin, einen Diener, ein Küchenmädchen und zwei Hausmädchen einzustellen.

»Ich brauche ein paar Tage, um die Leute zu befragen und mir einen Eindruck von ihrem Charakter zu verschaffen«, sagte Mac und blickte dabei unbehaglich zu den trüben, blinden Fenstern des Obergeschosses hoch. »Ich kann schließlich niemand x-Beliebigen hier arbeiten lassen.«

Abigail und ihr Vater dankten dem Mann und sagten, dass sie bald wiederkämen.

Als sie sich verabschiedeten, warnte Mac Abigail: »Jetzt, da Sie das Haus gemietet haben, werden Sie Gerüchte hören. Achten Sie nicht darauf.«

»Gerüchte?«, fragte sie. »Über den angeblichen Schatz, meinen Sie?«

»Ja.« Seine grünen Augen glitzerten. »Und Schlimmeres.«

[Zum Inhaltsverzeichnis]

Kapitel 3

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