Achtsamkeit Bd. 1 - Joseph Goldstein - E-Book

Achtsamkeit Bd. 1 E-Book

Joseph Goldstein

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Beschreibung

Der Geist enthält die Samen seines eigenen Erwachens - Samen, die wir hegen und pflegen können, um die Früchte eines bewusst gelebten Lebens hervorzubringen. "Achtsamkeit - eine Anleitung zum Erwachen" von Joseph Goldstein enthält die Weisheiten aus vier Jahrzehnten des Lehrens und Praktizierens. Jedem, der sich dem achtsamen Leben und dem Erwachen zu innerer Freiheit verschrieben hat, kann dieses Buch als ein lebenslanger Begleiter dienen

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Joseph Goldstein

Achtsamkeit

Eine praktische Anleitung zum Erwachen

Band 1

Wichtige Hinweise

Die im Buch veröffentlichten Empfehlungen wurden von Verfasser und Verlag sorgfältig erarbeitet und geprüft. Eine Garantie kann dennoch nicht übernommen werden. Ebenso ist die Haftung des Verfassers bzw. des Verlages und seiner Beauftragten für Personen-, Sach- und Vermögensschäden ausgeschlossen.

Der leichteren Handhabung zuliebe erscheint die deutsche Ausgabe dieses Werkes in zwei Bänden.

Im zweiten Band finden Sie folgende Themenbereiche:

Achtsamkeit auf die Dhammas–Die sieben Erwachensfaktoren

Achtsamkeit auf die Dhammas–Die vier edlen Wahrheiten

Achtsamkeit auf die Dhammas–Der edle achtfache Pfad: Weisheitsfaktoren

Achtsamkeit auf die Dhammas–Der edle achtfache Pfad: Faktoren ethischen Verhaltens

Achtsamkeit auf die Dhammas–Der edle achtfache Pfad: Konzentrationsfaktoren

Aus dem Englischen von Nayoma de Haën

Titel der Originalausgabe:

MINDFULNESS. A Practical Guide to Awakening.

© 2013 Joseph Goldstein

Sounds True, Inc., Boulder, CO 80306, USA

Deutsche Ausgabe:

© 2017 KOHA-Verlag GmbH, Dorfen

Alle Rechte vorbehalten

Lektorat: Traudel Reiss

ISBN 978-3-86728-763-0

Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Einleitung
Die vier Qualitäten des Geistes
1. Unermüdlich
2. Wissensklarheit
3. Achtsamkeit
4. Konzentration
Der Satipaṭṭhāna-Refrain
5. Betrachtung der vier Grundlagen
6. Reines Erkennen und andauernde Achtsamkeit
Achtsamkeit auf den Körper
7. Achtsamkeit auf den Atem
8. Achtsamkeit auf die Körperhaltung
9. Achtsamkeit auf die Handlungen
10. Achtsamkeit auf die körperlichen Merkmale
Achtsamkeit auf die Gefühle
11. Befreiung durch Gefühle
12. Weltliche und überweltliche Gefühle
Achtsamkeit auf den Geist
13. Die heilsamen und unheilsamen Wurzeln des Geistes
14. Der Refrain
Über Gefühle und den Geist
Die fünf Hindernisse
15. Sinnesbegierde
16. Übelwollen
17. Dumpfheit und Mattheit
18. Rastlosigkeit und Sorge
19. Zweifel
Achtsamkeit auf die Dhammas
Die fünf Daseinsgruppen des Anhaftens
20. Materielle Form, Gefühl und Wahrnehmung
21. Geistesformationen und Bewusstsein
22. Betrachtung der fünf Daseinsgruppen
Achtsamkeit auf die Dhammas
Die sechs Sinnesbereiche
23. Wie wir die Welt erfahren
24. Das Rad von Saṃsāra
Anhang A
Übersetzung des Satipaṭṭhāna Sutta von Anālayo1
Anhang B Glossar
Danksagung
Über den Autor

Vorwort

Sayadaw U Paṇḍita gewidmet, dessen Meisterung der Achtsamkeit und der Lehren des Buddha so vielen Menschen Inspiration geschenkt und geholfen hat.

Möge das Verdienst aus dieser Dharma-Gabe allen Wesen überall zukommen. Möge es dem Wohl, dem Glück und dem Erwachen aller dienen.

Mein Interesse am Buddhismus und an der Meditation begann während meiner Zeit als Freiwilliger im Peace Corps in Thailand. Nach meiner Rückkehr 1967 versuchte ich, alleine weiterzupraktizieren, doch ich merkte schnell, dass ich einen Lehrer brauchte. Zu jener Zeit gab es im Westen nur sehr wenig buddhistische Lehrer. Also kehrte ich nach Asien zurück und suchte als Erstes in Indien jemanden, der mich in meiner Praxis anleiten konnte. Ich fuhr zunächst in die Hill Stations im Himalaja, doch leider war es Winter und alle tibetischen Lehrer waren gen Süden gereist. Nach dem Besuch in einigen Ashrams landete ich in Bodh Gaya, einem kleinen Ort in Nordindien, in dem Siddhartha Gautama zum Buddha, dem Erwachten, wurde.

Mein erster Lehrer, Anagārika Munindra, war gerade aus Burma zurückgekehrt, wo er neun Jahre lang gelebt hatte. Er hatte damit begonnen, Vipassanā, Einsichtsmeditation, zu unterrichten. Als ich bei ihm ankam, sagte er etwas so Einfaches und Direktes, dass ich wusste, ich hatte meine spirituelle Heimat gefunden: »Wenn du deinen Geist verstehen willst, setze dich hin und beobachte ihn.« Als er die Praxis erklärte, gefiel mir sein direkter Blick auf die Natur des Geistes und des Körpers, auf die Erschaffung von Leiden und darauf, wie wir davon frei sein können.

Die einfachen, wenn auch nicht immer leichten Praktiken des Vipassanā stammen alle aus einer wichtigen Lehrrede des Buddha: dem Satipaṭṭhāna Sutta. Satipaṭṭhāna wird oft übersetzt mit »die vier Grundlagen der Achtsamkeit«, aber eine andere, vielleicht hilfreichere Übersetzung lautet: »die vier Wege zur Entwicklung und Verankerung von Achtsamkeit«. Diese kleine Abweichung in der Übersetzung hat wichtige Folgen für das Gewahrsein der verschiedenen Aspekte unserer Erfahrung: Es wird mehr der Prozess der Bewusstheit betont und weniger das, worauf sich unsere Aufmerksamkeit richtet.

Ich hatte das Satipaṭṭhāna Sutta zwar im Laufe der Jahre viele Male gelesen, doch erst nach der Lektüre des wundervollen Buches Satipaṭṭhāna: The Direct Path to Realization (dt.: Satipaṭṭhāna: Der direkte Weg)von Anālayo fühlte ich mich inspiriert, es Zeile um Zeile auf seine Bedeutung hin zu ergründen. Anālayos klare Analyse und sein tiefes Verständnis weckten in mir den Wunsch, diese Lehre des Buddha systematisch und vollständig darzustellen.

Achtsamkeit – Eine praktische Anleitung zum Erwachen entstand aus einer Reihe von 46 Vorträgen, die ich im Forest Refuge, einem Retreat-Zentrum für erfahrene Praktizierende der Insight Meditation Society in Barre, Massachusetts, hielt. Im Verlauf dieser Vorträge bezog ich mich nicht nur auf die ursprünglichen Worte des Buddha, sondern auch auf Anālayos Buch und auf die Lehren anderer buddhistischer Lehrerinnen und Lehrer sowie Traditionen und Geschichten aus meiner eigenen Meditationserfahrung. Während der Vortragsreihe und bei der Zusammenstellung dieses Werkes lag mein Hauptaugenmerk darauf, wie all diese Lehren so umgesetzt werden können, dass sie unser Leben und unser Verständnis transformieren.

Einleitung

Achtsamkeitist eher ein gewöhnliches Wort. Es hat nicht das spirituelle Prestige von Worten wie Weisheit, Mitgefühl oder Liebe und ist erst in letzter Zeit mehr in den allgemeinen Sprachgebrauch eingegangen. In meiner Jugend in den 1950ern hatte ich das Wort nie gehört. Die 1960er-Jahre hatten ihr ganz eigenes Vokabular. Erst Anfang der 1970er kam der Begriff der Achtsamkeit auf. Es begann damit, dass immer mehr Leute in Meditations-Retreats von diesem Konzept – und der Praxis – erfuhren. Durch Programme wie MBSR (Mindfulness-Based Stress Reduction, Achtsamkeitsbasierte Stressminderung), MBCT (Mindfulness-Based Cognitive Therapy, Achtsamkeitsbasierte kognitive Therapie), Achtsamkeitsprogramme in Schulen, an Universitäten und in Unternehmen sowie durch Forschungsprojekte in modernen Laboren der Neurowissenschaft gewann das Potenzial, welches dieser Fähigkeit des Geistes zur Präsenz, zur Wahrnehmung des gegenwärtigen Geschehens innewohnt, immer mehr an Glaubwürdigkeit und Interesse.

Um nur ein Beispiel zu geben: Allen Patienten des »Duke Integrative Medicine«-Programms der Duke University werden die Beziehung zwischen Körper und Geist sowie das Konzept der Achtsamkeit vorgestellt. Der Gründer des Programms, Jeffrey Brantley, M.D., sagte: »Achtsamkeit bildet die Grundlage von allem, was wir tun. Wir glauben, je achtsamer Menschen angesichts gesundheitlicher Herausforderungen sein können, desto gesünder werden sie sein.«1

Vor ein paar Jahren entwickelte eine Freundin von mir ein Programm, mit dem Zweitklässlern die Achtsamkeit nahegebracht wurde. Diese jungen Praktizierenden kommentierten ihre Erfahrungen so:

»Achtsamkeit hilft mir, bessere Noten zu bekommen.«

»Achtsamkeit hilft mir, mich zu beruhigen, wenn ich mich aufrege. Sie hilft mir auch im Sport und abends beim Einschlafen.«

»Danke, dass Sie uns Achtsamkeit beigebracht haben. Achtsamkeit hat mein Leben verändert.«

»Achtsamkeit beruhigt mich wirklich.«

»Achtsamkeit ist das Beste, was ich in meinem Leben gemacht habe.«

»Ich liebe Achtsamkeit.«

Angesichts der großen Verbreitung, die Achtsamkeit derzeit erfährt, erscheint es hilfreich, ihre Wurzeln zu ergründen. Woher stammt diese Praxis? In welchem Umfang und in welcher Tiefe kann sie angewendet werden? Wie können wir die transformierende Kraft der Achtsamkeit verstehen, die uns aus den traumähnlichen Mustern unseres Lebens aufzuwecken vermag? Das vorliegende Buch dient zwar vorrangig der Vertiefung des Verständnisses der Achtsamkeit und als ein Leitfaden für die Praxis, doch der Umfang und die Tiefe dieser Lehren können auch im täglichen Leben neue Möglichkeiten und subtile Ebenen der Umsetzung von Achtsamkeit eröffnen. So wie die Wissenschaft und das Ingenieurwesen der Raumfahrt zu vielen neuen Erfindungen für die Allgemeinheit geführt haben, so kann auch das aus der Meditation hervorgehende klassische tiefe Verständnis zu neuen Praktiken und transformierenden Erkenntnissen über unser Leben in der Welt führen.

Bei einem Abendessen bat mich einmal jemand, mit wenigen Worten zu beschreiben, was Achtsamkeit sei. Phrasen wie »Das Leben im Augenblick« oder »Gegenwärtig sein« mögen zwar einen ersten Eindruck von Achtsamkeit vermitteln, doch die Frage »Was ist Achtsamkeit?« ist ein bisschen so, als würde man fragen: »Was ist Kunst?«, oder: »Was ist Liebe?«

Um wirklich die Tiefen von Achtsamkeit auszuloten, müssen wir ein wenig ausholen, und das erfordert Zeit. Die Erfahrung von Achtsamkeit umfasst eine Fülle von Bedeutungen und Nuancen, die unser Leben auf unvorstellbare Weise bereichern können. Dieses Buch ist ein Versuch, diese Schätze zu heben.

Im Satipaṭṭhāna Sutta, der Lehrrede des Buddha über die vier Wege, Achtsamkeit zu entwickeln und zu verankern, finden wir eine große Bandbreite von Anregungen, wie wir den Geist-Körper-Prozess verstehen, und verschiedene Methoden, wie wir den Geist von den Ursachen von Leiden befreien können. Es geht dabei nicht darum, sie alle umzusetzen, und ganz sicher nicht alle gleichzeitig. Der Buddha selbst gab je nach Temperament und Neigung seiner Zuhörer unterschiedliche Anweisungen. Doch wenn wir einmal eine grundlegende Praxis haben, die zu uns passt und uns inspiriert, dranzubleiben, können wir unser Verständnis vertiefen, indem wir das Feld unseres Hinterfragens erweitern. Dabei kann es passieren, dass uns einzelne Anweisungen dieser Lehrrede zu unterschiedlichen Zeitpunkten besonders berühren und unsere Praxis auf ungeahnte Weise beleben.

Der Buddha beginnt diese Lehrrede mit einer erstaunlich kühnen und unzweideutigen Behauptung: »Dies ist der direkte Weg zur Läuterung der Wesen, zur Überwindung von Kummer und Klagen, zum Verschwinden von Schmerz und Trauer, zum Erlangen des wahren Weges, zur Verwirklichung von Nibbāna – nämlich die vier Grundlagen der Achtsamkeit.«2

Angesichts des Umfangs und der Bedeutung dieser Behauptung – dies ist der direkte Weg zur Befreiung – ist es nützlich, diese Lehrrede genauer zu betrachten und unser Verständnis anhand der eigenen Worte des Buddha zu vertiefen. Beim Betrachten des Suttas stellen wir fest, dass alle Lehren des Buddha darin enthalten sind. Im Zusammenhang mit jedem der vier Wege zur Entwicklung und Verankerung der Achtsamkeit lehrt der Buddha verschiedene Methoden und Techniken, die den Geist befreien. Im Verlauf der Lehrrede legt er diesen erstaunlichen Weg zum Erwachen vollständig dar. Verschiedene Traditionen des Vipassanā betonen die eine oder die andere Übung, aber jede von ihnen reicht aus, uns zum Ende des Wegs zu bringen. Jede Tür des Dharma, die wir öffnen, führt uns zu allem anderen.

EIN PAAR ANMERKUNGEN ZUM TEXT

Ein paar Worte zur Verwendung der Pali- und Sanskrit-Begriffe: Pali stammt von den Dialekten ab, die in Nordindien zur Zeit des Buddha und in den nachfolgenden Jahrhunderten gesprochen wurden. Sanskrit war die heilige und literarische Sprache des alten Indien.

Der Buddha legte Wert darauf, den Dharma so zu lehren, dass ihn auch die einfachsten Menschen verstehen können, und sprach deshalb in Pali.

Im Laufe der Jahrhunderte, während sich der Buddhismus entwickelte, wurden jedoch viele Lehren und Abhandlungen in Sanskrit verfasst, und viele der uns vertrauten buddhistischen Begriffe stammen aus dieser Sprache. Beide Sprachen sind eng verwandt, wie aus der Ähnlichkeit folgender Begriffe deutlich wird: Dharma/Dhamma, Sutra/Sutta, Bodhisattva/Bodhisatta, Nirvāna/Nibbāna. Zur leichteren Lesbarkeit verwende ich manchmal die bekannteren Sanskrit-Worte, außer wenn ich mich direkt auf Pali-Texte beziehe. So stehen manchmal beide Formen auf derselben Seite. Außer den sehr gebräuchlichen sind die meisten der Pali- und Sanskrit-Begriffe kursiv gesetzt.

Das Pali-Wort Bhikkhu wird in der Regel mit Mönch übersetzt, doch in den Kommentaren finden wir eine umfassendere Definition, welche uns alle, die wir auf dem Weg sind, einbezieht. Im Zusammenhang mit dem Satipaṭṭhāna Sutta steht Bhikkhu für jeden Menschen, der sich ernsthaft darum bemüht, die Praxis der Lehren zu verwirklichen: »Wer immer diese Praxis annimmt …, ist hier mit dem Begriff Bhikkhu gemeint.«

In manchen Übersetzungen der Suttas habe ich das maskuline Pronomen er durch eine geschlechtsneutralere Formulierung wie man ersetzt. Viele dieser Abhandlungen waren an die Mönche gerichtet, doch für westliche Leser und Leserinnen scheint mir diese andere Ausdrucksform, die sie einbezieht, nützlicher. Viele der Auszüge aus dem Satipaṭṭhāna Sutta sind Anālayos Buch Satipaṭṭhāna: Der direkte Weg entnommen. Im Anhang A finden Sie seine vollständige Übersetzung dieses Suttas. Manche Zitate habe ih unter Zuhilfenahme anderer Übersetzungen auch angepasst, um bestimmte Aspekte der Lehre zu betonen. Darauf wird jeweils in den Anmerkungen hingewiesen.

Dieses Buch folgt zwar dem Aufbau des Satipaṭṭhāna Sutta und kann der Reihe nach durchgelesen werden, doch die meisten Kapitel sind aus sich selbst heraus verständlich und vollständig. Sie können daher auch im Inhaltsverzeichnis nachschauen, welche Themen für Sie interessant sind, und diese Kapitel einzeln erkunden.

Beim Lesen der Worte des Buddha wird oft ein bestimmter Aspekt unserer kulturellen Aufmerksamkeitsstörung deutlich. Wenn ich die Suttas lese oder den Abhandlungen zuhöre, merke ich, dass mein Geist dazu neigt, Wiederholungen zu überspringen. »Ja, kenne ich schon«, denkt er dann und eilt zum nächsten Satz oder Absatz. Vielleicht sind diese Wiederholungen einfach Elemente der mündlichen Überlieferung, aber es könnte auch etwas anderes dahinterstecken: Womöglich versucht uns der Buddha mit diesen Wiederholungen zu sagen, dass dies wichtige Qualitäten des Geistes sind, die wir in unserer Praxis und in unserem Leben entwickeln und stärken sollten.

Können wir diese Worte des Buddha so lesen, als würde er direkt zu uns sprechen? Wenn uns das gelingt, haben sie die Kraft, uns neue Tore des Verstehens und neue Möglichkeiten der Freiheit zu eröffnen.

1. Kelly McGonigal,»Healing the Whole Person«, Shambhala Sun, Januar 2011, 60.

2. Bhikkhu Ñāṇamoli und Bhikkhu Bodhi, Übers., The Middle Length Discourses of the Buddha (Somerville, MA: Wisdom Publications, 1995), 145. Dt.: Die Lehrreden des Buddha aus der Mittleren Sammlung, übers. von Mettiko Bhikkhu (Kay Zumwinkel), Jhana Verlag, Uttenbühl, 2. Auflage 2012, Nr. 10. http://www.palikanon.com/majjhima/zumwinkel/m010z.html.

Die vier Qualitäten des Geistes

1. Unermüdlich

Der ausdauernde Geist

Nach der Behauptung, dass die Praxis der vier Wege, Achtsamkeit zu entwickeln und zu verankern, der direkte Weg zur Befreiung ist, finden wir im Satipaṭṭhāna Sutta eine präzise Definition dieses Weges und seiner wesentlichen Merkmale. Der Buddha verweist als Erstes auf die vier Felder zur Entwicklung der Achtsamkeit: Körper, Gefühle, Geist und Dhammas (Kategorien der Erfahrung). Haben wir in diesen vier Bereichen Achtsamkeit entwickelt und verankert, können wir sicher verweilen. Wenn wir nicht achtsam sind, nicht wach, verlieren wir uns in unheilsamen Reaktionen und erschaffen damit Leiden für uns selbst und für andere.

»Welche vier? Hier, ihr Bhikkhus, verweilt ein Bhikkhu hinsichtlich des Körpers den Körper betrachtend, unermüdlich, wissensklar und achtsam, frei von Verlangen und Betrübtheit hinsichtlich der Welt. Hinsichtlich der Gefühle verweilt er die Gefühle betrachtend, unermüdlich, wissensklar und achtsam, frei von Verlangen und Betrübtheit hinsichtlich der Welt. Hinsichtlich des Geistes verweilt er den Geist betrachtend, unermüdlich, wissensklar und achtsam, frei von Verlangen und Betrübtheit hinsichtlich der Welt. Hinsichtlich der Dhammas verweilt er die Dhammas betrachtend, unermüdlich, wissensklar und achtsam, frei von Verlangen und Betrübtheit hinsichtlich der Welt.«1

In dieser Definition stellt der Buddha auch die mentalen Voraussetzungen für den Weg dar: Wir müssen unermüdlich sein, wissensklar und achtsam sowie frei von Verlangen und Trauer hinsichtlich der Welt. Unermüdlich verweist auf eine ausgeglichene, nachhaltige Anwendung des Bemühens; es geht damit jedoch auch eine gewisse Wärme einher, jene Begeisterung oder Hingabe, die daraus entstehen, dass wir den Wert und die Bedeutung von etwas erkannt haben.

Wenn der Buddha sagt, ein Bhikkhu (das heißt wir alle auf dem Weg) verweile unermüdlich, ruft er uns zu großer Sorgfalt auf, mit Beständigkeit und Beharrlichkeit bei unserem Tun zu bleiben.

Der große chinesische Ch’an-Meister Hsu Yun erlangte im Alter von 56 Jahren Erleuchtung und lehrte dann 64 Jahre lang. Er verstarb im Alter von 120 Jahren. Er nannte diese Qualität der Unermüdlichkeit den »ausdauernden Geist«. Dieser trägt uns durch all das Auf und Ab der Praxis.

Spirituelle Unermüdlichkeit ist die Quelle eines mutigen Herzens. Sie schenkt uns die Kraft, alle Schwierigkeiten der Reise durchzustehen. Daher stellt sich die Frage, wie wir Unermüdlichkeit praktizieren und kultivieren können, sodass sie in unserem Leben eine starke und vorwärtsführende Kraft wird.

BETRACHTUNG DER KOSTBARKEIT DES DHARMA

Eine Möglichkeit, Unermüdlichkeit zu kultivieren, besteht darin, über den Sinn und Zweck unserer Praxis nachzusinnen und die ungeheure Kostbarkeit des Dharma zu erkennen. Recht verstanden ist der Dharma der Ursprung jeglichen Glücks. Ajahn Mun, ein hoch anerkannter Meditationsmeister der thailändischen Waldtradition, erinnert uns daran, dass ein Verständnis des Geistes einem Verständnis des Dharma entspricht und die Erkenntnis der tiefsten Wahrheiten des Geistes zur Erleuchtung führt.

Wir können unsere Unermüdlichkeit auch stärken, indem wir uns bewusst machen, wie selten wir in unserem Leben mit Lehren in Berührung kommen, die Herz und Geist befreien. Dilgo Khyentse Rinpoche, einer der großen tibetischen Dzogchen-Meister des vergangenen Jahrhunderts, erinnert uns daran mit den Worten:

»Fragt euch, wie viele der Milliarden von Erdbewohnern auch nur eine Ahnung davon haben, wie selten es ist, als Mensch geboren zu sein. Wie viele von jenen, die die Seltenheit der menschlichen Geburt begreifen, denken je daran, diese Chance zu nutzen, um den Dharma zu praktizieren? Wie viele von jenen, die daran denken, den Dharma zu praktizieren, tun es auch? Und wie viele von denen, die damit beginnen, machen auch weiter? … Doch wenn ihr einmal die einzigartige Möglichkeit erkannt habt, die das menschliche Dasein euch bietet, werdet ihr zweifellos mit aller Kraft danach streben, sie voll und ganz zu nutzen, indem ihr den Dharma praktiziert.«2

Diese Gedanken erzeugen große Achtung für den Dharma, für unsere Mitpraktizierenden und für uns selbst. Diese Achtung lässt uns in jedem Augenblick sorgfältiger und unermüdlicher werden.

BETRACHTUNG DER UNBESTÄNDIGKEIT

Wir können die Qualität der Unermüdlichkeit auch durch die Betrachtung der Vergänglichkeit aller Phänomene stärken. Betrachten wir nur all die Dinge, an denen wir anhaften – seien es Menschen, Besitztümer, Gefühle oder körperliche Zustände. Nichts von dem, was wir haben, niemand in unserem Leben und kein Geisteszustand ist frei von Veränderung. Nichts kann den universellen Prozess von Geburt, Wachstum, Verfall und Tod verhindern.

Solange wir die Wahrheit der Unbeständigkeit nicht wirklich verstehen, verbringen wir unser Leben und sogar unsere Meditationspraxis mit der Suche und dem Verlangen nach anderen Menschen, Besitztümern und Erfahrungen. Wir verheddern uns in all den Erscheinungen von Saṃsāra, den Zyklen von Geburt und Tod, und verfestigen dabei unser Empfinden eines Selbst. Da gibt es keinen Frieden.

Das Folgende ist ein Auszug aus Das Leben des Shabkar, einem Buch über die Lehren eines tibetischen Wander-Yogis aus dem 18. Jahrhundert. Es ist ein starkes Zeugnis über die Wahrheit der Veränderung:

»An einem anderen Tag ging ich zu einer blumenübersäten Wiese, um etwas frische Luft zu atmen. … Beim Singen, im Zustand des Gewahrseins der vollkommenen Sicht, bemerkte ich in der Fülle von Blumen, die sich vor mir ausbreitete, eine besondere Blume, die sich sanft auf ihrem langen Stängel wiegte und einen süßen Duft verströmte. Während sie sich von Seite zu Seite neigte, hörte ich im Rascheln ihrer Blütenblätter dieses Lied:

Hör mich an, Bergbewohner: …

Ich möchte deine Gefühle nicht verletzen,

Aber dir fehlt tatsächlich sogar das Gewahrsein

Von Vergänglichkeit und Tod,

Von der Verwirklichung der Leerheit ganz zu schweigen.

Wer dieses Gewahrsein hat,

Den lehren alle äußeren Phänomene Vergänglichkeit und Tod.

Ich, die Blume, werde dir, dem Yogi,

Jetzt einige hilfreiche Ratschläge

Über Tod und Vergänglichkeit erteilen.

Als Blume, die auf einer Wiese geboren wurde,

Erfreue ich mich vollkommenen Glücks

Mit meinen farbenfrohen Blütenblättern in voller Blüte.

Umgeben von einer Wolke eifriger Bienen,

Tanze ich fröhlich, sanft im Winde wiegend.

Wenn feiner Regen fällt,

Hüllen meine Blütenblätter mich ein;

Wenn die Sonne scheint, öffne ich mich wie ein Lächeln.

Im Augenblick sehe ich ganz gut aus.

Aber das wird nicht lange vorhalten,

Überhaupt nicht.

Unwillkommener Frost wird diese lebhaften Farben

Stumpf werden lassen,

Bis sie braun werden und ich verwelke.

Wenn ich daran denke, bin ich beunruhigt.

Später noch werden Winde –

Stürmisch und gnadenlos –

Mich auseinanderreißen,

Bis ich mich in Staub verwandele. …

Du, Einsiedler, …

Bist von der gleichen Natur.

Umgeben von einer Menge Schüler,

Erfreust du dich eines schönen Aussehens,

Dein Körper aus Fleisch und Blut ist voller Leben;

Wenn andere dich loben, tanzt du vor Freude; …

Im Augenblick siehst du ganz gut aus.

Aber das wird nicht lange vorhalten,

Überhaupt nicht.

Ungesundes Altern wird dich

Deiner gesunden Lebenskraft berauben;

Dein Haar wird weiß werden

Und dein Rücken krumm. …

Wenn die unbarmherzigen Hände

Von Krankheit und Tod dich berühren,

Wirst du diese Welt

Für das nächste Leben verlassen. …

Weil du, durch die Berge streifender Einsiedler,

Und ich, eine Bergblume,

Berg-Freunde sind,

Habe ich dir diese guten Ratschläge angeboten.

Dann verfiel die Blume in Schweigen.

Als Erwiderung sang ich:

Oh prächtige, auserlesene Blume,

Dein Diskurs über Vergänglichkeit

Ist wahrlich wundervoll.

Aber was sollen wir beide tun?

Gibt es gar nichts, was getan werden kann? …

Die Blume antwortete: …

Unter allen Aktivitäten in Sāṃsara

Ist nicht eine von Dauer.

Was immer geboren wird, wird sterben;

Was immer zusammengesetzt wird, wird auseinanderfallen;

Was immer gesammelt wird, wird sich zerstreuen;

Was immer hoch ist, wird fallen.

Eingedenk dessen beschließe ich,

Nicht an diesen saftigen Wiesen anzuhaften.

Selbst jetzt, im vollen Glanz meiner Erscheinung,

Selbst während meine Blütenblätter sich prächtig entfalten …

Auch du, noch stark und gesund,

Solltest ablassen vom Anhaften. …

Suche das reine Feld der Freiheit,

Die große Gelassenheit.«3

BETRACHTUNG VON KARMA

Das Verständnis des Gesetzes des Karma ist die dritte Möglichkeit zur Erzeugung von Unermüdlichkeit in unserer Praxis. Dabei geht es um die grundlegende und wesentliche Erkenntnis, dass all unser willentliches Tun des Körpers, der Rede und des Geistes je nach dahinter stehender Absicht Konsequenzen nach sich zieht. Handeln wir aus Gier, Hass oder Verblendung, führt es zu unangenehmen Ergebnissen. Handeln wir aus Nicht-Gier, Nicht-Hass und Nicht-Verblendung, entstehen vielerlei Arten von Glück und Wohlbefinden.

Dem Gesetz des Karma entsprechend können wir nur von unseren Handlungen und deren Folgen wirklich sagen, dass sie zu uns gehören. Die Konsequenzen unseres Tuns verfolgen uns wie ein Schatten oder, um ein altes Bild zu verwenden, wie das Rad des Karrens, das dem Fuß des Ochsen folgt. Dieses Prinzip ist so grundlegend und weitreichend, dass es vom Buddha und anderen großen erleuchteten Wesen bis heute immer wieder betont wurde. Die allerersten Zeilen der Dhammapada verweisen auf genau diese Erkenntnis:

»Der Geist ist der Wegbereiter aller Dinge. Sprich oder handele mit unreinem Geist, und Leiden folgt wie das Wagenrad dem Huf des Ochsen.

Der Geist ist der Wegbereiter aller Dinge. Sprich oder handele mit friedvollem Geist, und Glück folgt wie ein Schatten, der nie weicht.«4

Es gibt die berühmte Aussage von Padmasambhava, dem großen indischen Adepten, der den Buddhismus nach Tibet gebracht hat: »Meine Sichtweise ist so weit wie der Raum. Meine Aufmerksamkeit auf das Gesetz des Karma ist so fein wie Gerstenmehl.« Der Dalai Lama sagte: Müsste er wählen, ob er in seinen Lehren den Schwerpunkt auf Leerheit oder auf Karma legen wolle, würde er die Lehren des Karma wählen, so wichtig das Verständnis der Leerheit auch sei. Der koreanische Zen-Meister Seung Sahn Sunim fasst die Quintessenz der Integration von Leerheit und Karma mit den Worten zusammen: »Es gibt weder richtig noch falsch, doch richtig ist richtig und falsch ist falsch.«

Es reicht jedoch nicht, Karma einfach zu verstehen; wir müssen dieses Verständnis auch in unserem Leben umsetzen. Denken wir daran, unsere Absicht zu erforschen, wenn wir handeln wollen oder wenn bestimmte Gedanken oder Gefühle dominieren? Fragen wir uns: »Ist dieses Handeln oder dieser Geisteszustand geschickt oder ungeschickt? Ist dies etwas, was ich kultivieren oder aufgeben will? Wohin führt diese Absicht? Will ich da wirklich hin?«

1. Anālayo, Der direkte Weg. Aus dem Englischen übersetzt von Ilse Maria Bruckner und Siegfried C.A. Fay, Verlag Beyerlein & Steinschulte, Stammbach 2010. https://www.buddhismuskunde.uni-hamburg.de/pdf/5-personen/analayo/direkte-weg.pdf. (Da der Text online steht, sind bei den betreffenden Zitaten keine Seitenzahlen angegeben. Jede Stelle kann leicht mit der Suchfunktion gefunden werden.)

2. Zitiert in Dilgo Khyentse Rinpoche, »Teachings on Nature of Mind and Practice«, Tricycle: The Buddhist Review, Winter 1991.

3. Shabkar Tsogdruk Rangdrol, Das Leben des Shabkar, Manjughosha Edition, Berlin 2011, 58–59.

4. Aus der Dhammapada. Es gibt zahllose Übersetzungen der Dhammapada. Dies ist meine eigene Version, die sich im Laufe der Jahre bei der Lektüre verschiedener Quellen herausgebildet hat.

2. Wissensklarheit

Klares Verstehen kultivieren

Sampajañña ist der Pali-Ausdruck für die zweite Qualität des Geistes, die der Buddha im ersten Absatz des Satipaṭṭhāna Sutta erwähnt. Er wird meistens mit »Wissensklarheit«, »klares Verstehen« oder »Wachheit« übersetzt und verweist auf die Fähigkeit, klar zu begreifen, was geschieht. Hier geht es um den Forschungs- und Weisheitsaspekt der Achtsamkeit. Wir werden uns diese Qualität im 9. Kapitel – »Achtsamkeit auf die Handlungen« – noch detailliert anschauen.

Das Kultivieren des klaren Verstehens – uns dessen bewusst zu sein, was wir tun und warum wir es tun – ist eine tiefe, transformierende Praxis. Dahinter steht ein Verständnis von Achtsamkeit, das über einfaches Präsent-Sein hinausgeht. Durch klares Verständnis kennen wir den Zweck und die Eignung dessen, was wir tun, und verstehen die Motivation hinter unseren Handlungen. Häufig merken wir, dass wir mitten in einem Verhalten stecken, ohne recht zu wissen, wie wir dorthin gekommen sind. Haben Sie sich je mit der Hand im Kühlschrank ertappt, ohne sich vorher über das Verlangen, die Entscheidung und die Angemessenheit dieses Tuns bewusst gewesen zu sein? Indem wir uns selbst bei kleinen Dingen unseres Handelns voll bewusst sind, wird es möglich, auch die dahinterliegende Absicht zu bemerken und uns zu überlegen: Ist diese Absicht, dieses Handeln, geschickt oder nicht, ist es nützlich oder nicht?

Zur Zeit des Buddha lebten ein paar Mönche zusammen in einem Wald. Der Buddha besuchte sie und fragte sie, ob sie alle harmonisch zusammenlebten. Anuruddha, einer der großen Schüler des Buddha, antwortete: »Warum sollte ich nicht beiseitelegen, was ich tun will, und das tun, was diese Ehrwürdigen wünschen?« Und alle anderen Mönche antworteten auf dieselbe Weise. Wenn wir klar wissen, was wir tun, können wir liebende Güte im Alltag leben, statt sie nur auf dem Meditationskissen zu praktizieren.

Der eigenen Motivation bewusst zu sein, spielt auf dem Weg zur Befreiung eine zentrale Rolle. Mit zunehmendem Gewahrsein unserer selbst fangen wir an zu erkennen, dass unsere Praxis nicht nur uns selbst, sondern dem Wohlergehen und Glück aller Wesen dienen kann. Wie kann unsere Praxis dem Wohlergehen anderer dienen? Wie kann die Wahrnehmung des eigenen Atems oder ein achtsam gegangener Schritt irgendjemandem helfen? Das geschieht auf verschiedene Weise. Je mehr wir unseren eigenen Geist verstehen, desto besser verstehen wir alle anderen. Wir spüren immer mehr die Gemeinsamkeit unseres menschlichen Daseins, was Leiden erzeugt und wie wir davon frei sein können.

Unsere Praxis dient anderen auch durch die Transformation dessen, wie wir in der Welt sind. Indem wir akzeptierender, friedvoller, weniger verurteilend und weniger selbstsüchtig sind, wird die ganze Welt liebevoller und friedvoller, weniger verurteilend und weniger selbstsüchtig. Unser Geist-Körper ist ein schwingendes, vibrierendes Energiesystem. Wie wir sind, beeinflusst daher unausweichlich alle um uns herum.

Auf einem in einem Sturm schwankenden Schiff kann ein weiser, ruhiger Mensch alle in Sicherheit bringen. Diese Welt ist wie solch ein Schiff, das vom Sturm der Gier, des Hasses und der Angst umhergeworfen wird. Können wir einer der Menschen sein, die zur Sicherheit beitragen? Der Buddha trug seinen ersten sechzig erleuchteten Schülern Folgendes auf:

»Geht, ihr Bhikkhus, in die Welt, vielen Wesen zum Wohl, vielen Wesen zum Glück, aus Mitgefühl mit der Welt, zum Wohl und Glück der Götter und Menschen. Geht nicht zu zweit denselben Weg. Lehrt, ihr Bhikkhus, den Dhamma, der vorzüglich am Anfang, vorzüglich in der Mitte und vorzüglich am Ende ist. … Verkündet das Heilige Leben, das vollkommen und rein ist.«1

In gewissem Maße können wir in ihre Fußstapfen treten.

1. Nārada Thera, The Buddha Dhamma or The Life and Teachings of the Buddha (New Delhi, India: Asian Educational Services, 1999), 69. Dt.: http://www.palikanon.com/vinaya/mahavagga/mv01_02_07-14.html.

3. Achtsamkeit

Das Tor zur Weisheit

Achtsamkeit, die dritte Qualität, die der Buddha erwähnt, ist die Übersetzung für den Pali-Begriff Sati und spielt in jeder buddhistischen Tradition eine zentrale Rolle. Durch Sati wird jeder spirituelle Weg erst möglich. Achtsamkeit hat verschiedene Bedeutungen und Funktionen, die alle entscheidend wichtig sind, um Weisheit zu entwickeln. Ein Verständnis dieser vielfältigen Bedeutungen eröffnet uns neue Möglichkeiten, wie die Kraft der Achtsamkeit unser Leben transformieren kann.

GEWAHRSEIN DES GEGENWÄRTIGEN AUGENBLICKS

Achtsamkeit wird meistens im Sinn von geistiger Präsenz, Wachheit, Bewusstheit des gegenwärtigen Augenblicks verstanden, also als Gegenteil von geistiger Abwesenheit. Wann immer wir verwirrt sind, können wir einfach zur Erfahrung des gegenwärtigen Augenblicks zurückkehren.

Nach einem meiner öffentlichen Vorträge kam eine Frau zu mir, die schon mehrere Retreats besucht hatte, und erzählte, sie sei kürzlich auf einer Kreuzfahrt gewesen. In ihrer Kabine habe eine Karte mit der Schiffsroute gehangen, auf der ein Pfeil die jeweilige Position mit den Worten anzeigte: »Sie sind hier!« Wo auch immer sie im weiteren Verlauf der Reise gewesen sei, was auch immer sie getan habe, diese Worte hätten sie stets daran erinnert, einfach präsent zu sein: »Sie sind hier!«

Wir kennen diesen Aspekt der Achtsamkeit, der unverwandten Aufmerksamkeit, des reinen Gewahrseins, aus der Erfahrung des Musikhörens. Während wir einer Musik wirklich lauschen, ist unser Geist offen und zugewandt. Wir versuchen nicht zu beeinflussen, was als Nächstes kommt, wir sinnen auch nicht über die letzten paar Takte nach. In der Fähigkeit zuzuhören liegt eine große Kraft: Diese Qualität der Empfänglichkeit kann intuitive Weisheit hervorrufen.

Mutter Teresa wurde einst von einem Journalisten gefragt, was sie sage, wenn sie zu Gott bete. »Ich sage gar nichts«, antwortete sie. »Ich höre nur zu.« Der Journalist fragte daraufhin, was Gott denn im Gebet zu ihr sage. »Er sagt gar nichts«, erwiderte sie. »Er hört nur zu. Und wenn Sie das nicht verstehen, kann ich es Ihnen auch nicht erklären.«1

DIE PRAXIS DES ERINNERNS

Eine weitere Bedeutung von Sati, die nicht so oft mit Achtsamkeit assoziiert wird, ist »Erinnern«. Sie bezieht sich auf die Praxis, uns auf Heilsames zu besinnen, um uns auf dem Weg des Erwachens zu stärken. In den Texten gehören dazu sowohl die Tugenden von Buddha, Dharma und Sangha als auch die eigene Großzügigkeit und das eigene ethische Verhalten.

Durch die Betrachtung der Qualitäten von Buddha, Dharma und Sangha können wir im Geist Vertrauen und Zuversicht erzeugen und unser eigenes Bemühen in einen größeren Zusammenhang stellen. Wir erinnern uns dabei daran, dass alles Auf und Ab der Praxis zu einer viel weiteren Reise gehört. In der Nacht seiner Erleuchtung überwand der Buddha Māras Armeen, das heißt: die Kräfte der Sinnesbegierde und der Abneigung, der Ruhelosigkeit und des Hochmuts. Sooft wir in unserem eigenen Geist mit diesen Kräften konfrontiert sind, sitzen auch wir unter dem Bodhi-Baum des Erwachens. Wir verstehen, dass das Ringen des Bodhisattva auch unser eigenes Ringen ist.

Indem wir uns die ungeheure Bedeutung vergegenwärtigen, die dem Überwinden von engherzig und engstirnig machenden Gewohnheiten der Verführung innewohnt, erweitert sich unsere Perspektive. In der Umsetzung der befreienden Lehren des Buddha praktizieren wir den vom Buddha entdeckten Weg der Läuterung, den seither so viele gegangen sind.

Zu den Sätzen, die mich besonders inspirieren, gehört die traditionelle Erklärung des Erwachens, die von Männern und Frauen gesprochen wird, wenn sie die Reise vollendet haben: »Es ist getan, was zu tun war.«

Uns auf Buddha, Dharma und Sangha zu besinnen, erinnert uns daran, dass für uns Erwachen ebenso möglich ist. Zu dem Erinnerungsaspekt der Achtsamkeit gehört auch die Betrachtung unserer Selbstverpflichtung zu tugendhaftem Verhalten (Sīla auf Pali). Würdigen wir unsere Sīla-Praxis, stärkt dies unser Selbstvertrauen und unsere Selbstachtung. Wir erinnern uns daran, dass wir den Geist darin üben können, heilsame Handlungen von unheilsamen zu unterscheiden.

Natürlich mischt sich manchmal auch unsere westliche Neigung zur Selbstkritik darunter. Als ich einmal in Burma praktizierte und eine Weile Schwierigkeiten hatte, empfahl mir mein burmesischer Meditationsmeister Sayadaw U Paṇḍita, über mein Sīla nachzudenken. Er wollte mich unterstützen, meinen Geist aufzuhellen und mehr Freude zu empfinden. Doch als ich hörte, ich solle über mein Sīla nachdenken, war mein erster Gedanke: »Was habe ich falsch gemacht?«

Die meisten von uns erleben hin und wieder ethische Fehltritte. Doch unsere Bereitschaft, sie zu erkennen und uns dann wieder darauf auszurichten, weder andere noch uns selbst zu schaden, lässt uns weiter fortschreiten. Wie der Buddha sagte: »Denn es bedeutet Wachstum in der Disziplin der Edlen, wenn sie ihren Regelverstoß als solchen sehen und gemäß dem Dharma Wiedergutmachung leisten, indem sie künftig Zurückhaltung üben.« Dies ist ein sehr viel gesünderer und wohltuenderer Ansatz, als sich wegen vergangener Taten mit Schuldgefühlen zu grämen.

DIE SPIRITUELLEN FÄHIGKEITEN AUSGLEICHEN

Achtsamkeit bewirkt zugleich einen Ausgleich dessen, was der Buddha »die fünf spirituellen Fähigkeiten« nannte: Vertrauen/Glauben [engl. faith], Energie, Achtsamkeit, Konzentration und Weisheit. Wir können unsere ganze spirituelle Reise auch als Stärkung und Ausgleich dieser Fähigkeiten betrachten. Achtsamkeit lässt uns bemerken, ob eine davon zu schwach oder übermäßig ausgeprägt ist, und schafft beispielsweise einen Ausgleich zwischen Vertrauen und Weisheit oder Energie und Konzentration. Haben wir zu viel Glauben, dann können wir dogmatisch werden und zu sehr von unseren eigenen Ansichten überzeugt sein. Wir sehen nur allzu oft, wie solch blinder Glaube in unserer Welt zu Konflikten und Leid führt.

Solange Vertrauen nicht mit Weisheit einhergeht, kann es passieren, dass wir unsere Meditationserfahrungen überbewerten. Wir nennen diesen Zustand »Pseudo-Nirvāna«. Dann entwickelt sich zwar unsere Erkenntnisfähigkeit, aber in unserer Begeisterung vergessen wir, achtsam zu sein. Haften wir an diesen Zuständen an, werden die Einsichten verfälscht.

Beschrieben wir verschiedene Erkenntniszustände, pflegte Sayadaw U Paṇḍita uns oft zu fragen: »Hast du es bemerkt?« Der eigentliche Maßstab unserer Praxis war unsere Achtsamkeit, nicht die Erfahrung eines bestimmten Zustands.

Wir können auch eine übermäßige Anhaftung an unser Verständnis oder unsere Einsicht entwickeln und uns damit zufriedengeben. In diesem Fall ist unser Vertrauen schwach, das uns dafür öffnet, was jenseits unseres derzeitigen Begriffsvermögens liegt. Durch Verständnis ohne Vertrauen können wir uns – meistens unwissentlich – in falsche Ansichten verstricken. Auf ähnliche Weise ist ein Gleichgewicht zwischen Bemühen und Konzentration wichtig. Zu viel Bemühen ohne ausreichende Konzentration führt nur zu Rastlosigkeit und Unruhe, während ein Übermaß an Konzentration ohne entsprechende Energie träge macht. Durch Achtsamkeit werden all diese Faktoren in der Balance gehalten.

BESCHÜTZERIN DES GEISTES

Neben dem Ausgleich der spirituellen Fähigkeiten dient Achtsamkeit auch als Hüterin der Sinnestore, weil sie uns bemerken lässt, was durch die Sinne erscheint, und hilft, uns nicht in der Ausbreitung des Verlangens zu verlieren. Mit Achtsamkeit gehen wir friedvoller durch unser Leben.

Zum Beispiel kann uns das achtsame Schauen in alltäglichen Situationen sehr helfen. Ich hatte eine erhellende Erfahrung, als ich einmal in New York die Fifth Avenue entlangging und in den Schaufenstern viele verführerische Dinge entdeckte, die zum Verkauf standen. Nach einer Weile bemerkte ich, wie mein Geist ständig verlangend nach diesen Dingen griff. In gewisser Weise war das angenehm, doch als ich tiefer schaute, sah ich, dass der mit Verlangen erfüllte Geist nicht gelassen ist; er ist ständig in einer gewissen Unruhe. Es ergab sich, dass ich ein paar Wochen später dieselbe Straße entlangging, aber aus irgendeinem Grund war ich diesmal achtsamer. Ich sah alles, was in den Schaufenstern dargeboten wurde, aber diesmal schaute ich einfach. Es war ein sehr viel glücklicherer und friedvollerer Seinszustand.

Achtsamkeit dient auch dazu, den Geist vor anderen ungeschickten Gedanken und Gefühlen zu schützen. Ohne Achtsamkeit agieren wir einfach all die verschiedenen Muster und Gewohnheiten unserer Konditionierung aus. Ajahn Sumedho, einer der westlichen Senior-Mönche der thailändischen Waldtradition, wies zutreffend darauf hin, unser Ziel solle nicht sein, unserem Herzen zu folgen, wie es oft verkündet wird, sondern es komme darauf an, unser Herz zu trainieren. Wir alle leben mit gemischten Motivationen; nicht alles, was wir im Herzen haben, ist weise oder heilsam. Die große Kraft der achtsamen Unterscheidung ermöglicht es uns, das Unheilsame zu unterlassen und das Gute zu fördern. Diese Unterscheidung ist für unser Glück und unser Wohlbefinden von unschätzbarem Wert.

In der Lehrrede »Die zwei Arten von Gedanken« beschreibt der Buddha verschiedene Aspekte dieser überwachenden und schützenden Funktion der Achtsamkeit. Diese Aspekte können uns helfen, einige der Nuancen von Achtsamkeit zu verstehen und zu erkennen, wie wir unseren Geist daran hindern können, in unheilsame Zustände zu verfallen.

»Ihr Bhikkhus, vor meiner Erleuchtung, als ich noch lediglich ein unerwachter Bodhisatta war, kam mir in den Sinn: ›Angenommen, ich teile meine Gedanken in zwei Klassen ein.‹ Auf die eine Seite brachte ich dann Gedanken der Sinnesbegierde, Gedanken des Übelwollens und Gedanken der Grausamkeit, und auf die andere Seite brachte ich Gedanken der Entsagung, Gedanken des Nicht-Übelwollens und Gedanken der Nicht-Grausamkeit.

Während ich so umsichtig, eifrig und entschlossen weilte, erschien ein Gedanke der Sinnesbegierde in mir. Ich verstand folgendermaßen: ›Dieser Gedanke der Sinnesbegierde ist in mir entstanden. Dies führt zu meinem eigenen Leid, zum Leid anderer und zum Leid beider; es beeinträchtigt Weisheit, verursacht Schwierigkeiten und führt von Nibbāna weg.‹ Als ich erwog: ›Dies führt zu meinem eigenen Leid‹, verschwand es; als ich erwog: ›Dies führt zum Leid anderer‹, verschwand es; als ich erwog: ›Dies führt zum Leid beider‹, verschwand es; als ich erwog: ›Dies beeinträchtigt Weisheit, verursacht Schwierigkeiten und führt von Nibbāna weg‹, verschwand es. Wann immer ein Gedanke der Sinnesbegierde in mir erschien, gab ich ihn auf, entfernte ich ihn, beseitigte ich ihn.«2

Auf dieselbe Weise setzt der Buddha Achtsamkeit bei missgünstigen und grausamen Gedanken ein. Bei sich wiederholenden ungeschickten Gedanken brauchen wir eine aktiv eingesetzte Achtsamkeit, denn was immer wir häufig denken, wird zu unserer geistigen Neigung, wie der Buddha später in dieser Lehrrede erklärt. Achtsamkeit hat die Kraft, uns zu zeigen, welche Arten von Gedanken auftauchen, und bei unheilsamen Gedanken zu erkennen, wohin sich unser Geist unbemerkt geneigt hat. Die einfache Überlegung, dass solche Gedanken nur zum Leidwesen unserer selbst und anderer beitragen und Schwierigkeiten bereiten sowie uns von Weisheit und Erwachen wegführen, ist in solchen Situationen ein wirksames Werkzeug und nicht nur ein Satz, den wir lesen können.

In einem heilsamen Geisteszustand nimmt Achtsamkeit eine andere Form an. Dann brauchen wir sie nicht ganz so aktiv einzusetzen. Dies würde Geist und Körper nur stören. Der Buddha verglich diesen Aspekt der Achtsamkeit mit einem Kuhhirten, der seine Kühe nicht mehr ganz so sorgfältig überwachen muss, wenn die Ernte sicher eingefahren ist:

»So wie im letzten Monat der heißen Jahreszeit, wenn alles Korn in die Dörfer eingebracht worden ist, ein Kuhhirte seine Kühe hüten würde, während er sich am Fuß eines Baums oder im Freien aufhält, da er nur darauf zu achten braucht, dass die Kühe anwesend sind; genauso bestand für mich nur die Notwendigkeit, achtsam darauf zu sein, dass jene Geisteszustände anwesend waren.

Unerschöpfliche Energie wurde in mir hervorgebracht, und ununterbrochene Achtsamkeit wurde gegenwärtig, mein Körper war still und unbeschwert, mein Geist war konzentriert und einspitzig.«3

In unserer Praxis des unermüdlichen, wissensklaren und achtsamen Verweilens lernen wir, die angemessene Balance zwischen Aktivität und Empfänglichkeit, zwischen Tun und Nicht-Tun zu finden.

ERZEUGTE UND NICHT ERZEUGTE ACHTSAMKEIT

Diese geschickten Mittel können uns helfen, die verschiedenen Weisen zu verstehen, wie buddhistische Traditionen von Achtsamkeit sprechen und damit auf weitere Nuancen unserer eigenen Praxis hinweisen. Jede Tradition verwendet ihre eigene Sprache und Gleichnisse, aber sie verweisen alle auf Aspekte unserer Erfahrung.

Ein Aspekt der Achtsamkeit ist der kultivierte achtsame Zustand, in dem wir uns bemühen, aufmerksam zu bleiben. Wir brauchen diese Art der Achtsamkeit, um uns zurück in den Augenblick zu bringen. Tulku Urgyen Rinpoche, einer der großen Dzogchen-Meister des vergangenen Jahrhunderts, sagte: »Es gibt nur eines, was wir immer brauchen, das ist der Wächter namens Achtsamkeit, der aufpasst, wenn wir in die Achtlosigkeit abdriften.«

In der Dzogchen-Tradition wird dies erzeugte Achtsamkeit genannt, was vielleicht dem ähnelt, was im Theravāda Abhidhamma veranlasste Bewusstheit heißt: die absichtliche, durch Reflexion oder Willensentscheidung herbeigeführte Bemühung, einen bestimmten Zustand zu erzeugen. Es gibt noch eine andere Art von Achtsamkeit, die nicht willentlich herbeigeführt wird. Wurde Achtsamkeit gut kultiviert, entsteht sie spontan aus eigener Kraft, ohne zusätzliches Bemühen. In diesem Zustand mühelosen Gewahrseins können wir weiterhin unterscheiden, ob ein Bezugspunkt der Beobachtung anwesend oder abwesend ist, ob es das Empfinden von jemandem ist, der beobachtet oder achtsam ist.

Dzogchen-Lehren sprechen in diesem Zusammenhang auch von nicht erzeugter Achtsamkeit, womit in dieser Tradition die dem Geist natürlicherweise innewohnende Wachsamkeit gemeint ist. Sie ist »nicht erzeugt«, weil sie, diesen Lehren zufolge, nicht von uns erschaffen wird. Es ist vergleichbar mit der Fähigkeit eines Spiegels, jenes abzubilden, was vor ihn tritt. Diese Fähigkeit wohnt dem Spiegel naturgemäß inne. Aus dieser Perspektive ist dies nichts, was wir erwerben oder entwickeln müssten, sondern etwas, das wir erkennen und zu dem wir zurückkehren können.

Die Lehren der verschiedenen Traditionen mögen unterschiedliche metaphysische Hintergründe haben, doch statt uns in philosophischen Debatten zu verstricken, können wir sie alle einfach als geschickte Mittel betrachten, um den Geist zu befreien. All diese verschiedenen Aspekte der Achtsamkeit wirken harmonisch zusammen. Nur wenige Menschen können einfach ununterbrochen in nicht erzeugter Achtsamkeit verweilen, ohne sich darum bemühen zu müssen. Doch wenn unser Einsatz Früchte trägt, erleben wir Phasen großer Leichtigkeit, in denen unsere Praxis einfach darin besteht, loszulassen, uns zu entspannen und die Dinge sich entfalten zu lassen.

»Tatsächlich ist an diesem Geist nicht viel dran. Er ist nur ein Phänomen. Der Geist ist von sich aus bereits in Frieden. Wenn er jedoch nicht in Frieden ist, kommt das daher, dass er Stimmungen und Launen folgt. Er wird unruhig, wenn Stimmungen ihn trügen. Der ungeschulte Geist ist dumm; Sinneseindrücke verleiten ihn, und er verliert sich in Freude und Traurigkeit. Doch der Geist ist mit diesen Dingen nicht identisch. Freude oder Traurigkeit sind nicht der Geist selbst, sondern nur Stimmungen, die erscheinen und uns täuschen. Der ungeschulte Geist folgt diesen Dingen, und wir identifizieren uns dann jeweils mit dem Wohlsein oder Unwohlsein. Tatsächlich ist unser Geist von Natur aus bereits unbewegt und in Frieden, wirklich in Frieden. … Also müssen wir den Geist schulen, die Sinneseindrücke zu verstehen und sich nicht in ihnen zu verlieren. Dies ist das Ziel all der komplizierten Übungen, die wir uns auferlegen.«4

Am Anfang des zweiten Bands werden wir die Achtsamkeit noch weiter untersuchen und betrachten, wie sie als einer der sieben Faktoren der Erleuchtung wirkt.

1. Stephen Carter,Civility (New York: Harper Perennial, 1999).

2. Bhikkhu Ñāṇamoli und Bhikkhu Bodhi, Übers., The Middle Length Discourses of the Buddha (Somerville, MA: Wisdom Publications, 1995), 207. Dt.: Die Lehrreden des Buddha aus der Mittleren Sammlung, übers. von Mettiko Bhikkhu (Kay Zumwinkel), Jhana Verlag, Uttenbühl, 2. Auflage 2012, Nr. 19. http://www.palikanon.com/majjhima/zumwinkel/m019z.html.

3. Ebenda

4. Ajahn Chaa,Der Weg in die Freiheit, Dhammapala Verlag, Kandersteg/CH 1996.

4. Konzentration

Die gesammelte Natur des Geistes

In seiner Definition des Satipaṭṭhāna empfiehlt uns der Buddha die Betrachtung der vier Grundlagen der Achtsamkeit – Körper, Gefühle, Geist und Dhammas –, »frei von Verlangen und Unzufriedenheit in Bezug auf die Welt«. »Frei von Verlangen und Unzufriedenheit« bezieht sich auf Samādhi, die Qualitäten der Konzentration, der Haltung und der Sammlung des Geistes, die entstehen, wenn der Geist frei von dem so oft auftauchenden Verlangen und der Unzufriedenheit ist.

Es gibt verschiedene Wege, Konzentration zu entwickeln. Ajahn Sucitto, ein englischer Mönch der thailändischen Waldtradition, spricht davon, dass sich Samādhi auf natürliche Weise entwickelt, wenn wir uns unserer verkörperten Präsenz erfreuen, uns im Körper niederlassen und dem Stress und der Anspannung erlauben, sich aufzulösen, indem wir einfach uns dessen bewusst sind, was sich zeigt. Er sagt: