Afrika pur! - Christoph Brandt - E-Book

Afrika pur! E-Book

Christoph Brandt

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Beschreibung

Wilde Schönheit, Safaris, weiße Sandstrände, Berge, Wüsten und Meer – der afrikanische Kontinent hat Urlaubern vieles zu bieten. Aber die Idylle hat auch ihre Schattenseiten… In dieser autobiographischen Erzählung entführt uns der Autor in seine Lebens- und Liebesgeschichte. Die Reise beginnt mit einem waghalsigen Aufstieg auf den Kilimandscharo, den höchsten Berg Afrikas. Am paradiesischen Sandstrand im tropischen Kenia nehmen dann die Geschehnisse und sein Leben eine plötzliche Wendung: Verstrickt im Chaos der Gefühle begegnen uns die abenteuerlichsten Verkehrsunfälle, Auseinandersetzungen, Bräuche und Begebenheiten. Und nicht nur einmal schafft es der Protagonist, im letzten Moment sein Leben zu retten.

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Christoph Brandt

Afrika pur!

Ein wildes Abenteuer

AUGUST VON GOETHE LITERATURVERLAG

FRANKFURT A.M. • LONDON

Die neue Literatur, die – in Erinnerung an die Zusammenarbeit Heinrich Heines und Annette von Droste-Hülshoffs mit der Herausgeberin Elise von Hohenhausen – ein Wagnis ist, steht im Mittelpunkt der Verlagsarbeit. Das Lektorat nimmt daher Manuskripte an, um deren Einsendung das gebildete Publikum gebeten wird.

©2017 FRANKFURTER LITERATURVERLAG

Ein Unternehmen der

FRANKFURTER VERLAGSGRUPPE

AKTIENGESELLSCHAFT

Mainstraße 143

D-63065 Offenbach

Tel. 069-40-894-0 ▪ Fax 069-40-894-194

E-Mail [email protected]

Medien- und Buchverlage

DR. VON HÄNSEL-HOHENHAUSEN

seit 1987

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Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet abrufbar über http://dnb.d-nb.de.

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Lektorat: Agnetha Elsdörfer

ISBN 978-3-8372-1412-3

Inhaltsverzeichnis

Auf dem Kilimandscharo

Die stolze Massai

Liebe in Kenia

Geburt und Heirat

Die Veränderung

Bruch und Trennung

Das Monster

Eintritt in die Hölle

Durchschreiten der Hölle

Mordversuch

Ende mit Schrecken

Erläuterungen

Auf dem Kilimandscharo

Einmal im Leben wollte ich mir meinen größten Wunsch erfüllen und den Kilimandscharo in Afrika besteigen. Wir alle leben in Träumen, die wir uns manchmal leicht erfüllen, jedoch sind sie meist in weiter Ferne und nicht greifbar. Eine Illusion oder magische Vorstellung hat kaum den Hauch einer Chance, zur Realität heranzuwachsen, doch langsam aber stetig gelang es mir, diesen Traum zur Wirklichkeit werden zu lassen. Wie eine Blume, die sich nach langer Nacht von der Sonne geweckt mit Leben füllt, wollte ich diesen Traum in die Tat umsetzen, nach Afrika zurückkehren und auf dem höchsten Berg dieses Kontinentes stehen.

Was war dabei, mit fünfundfünfzig war ich gut drauf und trainiert, hatte vom Montblanc bis zu vielen anderen Bergen in der Welt genug Erfahrung, um mich an diese neue Herausforderung heranzuwagen. Kurz und gut – ab ins Reisebüro, um nach einer solchen Chance Ausschau zu halten und Informationen einzuholen. Die Reise war schnell gebucht, jedoch war es ein Kompaktangebot von vierzehn Tagen, eine Woche Bergtour und eine Woche Strand in Kenia zum Entspannen. Da ich in jungen Jahren in Südafrika so manch aufregendes Abenteuer erlebt hatte, wusste ich ja schon, welche Kontraste mich auf diesem Kontinent erwarteten. Darüber hinaus war ich mir der Schönheit und der Gefahren Afrikas bewusst, weshalb ich gefasst und ebenso gespannt an die ganze Tour heranging. Es war eine Herausforderung, fast sechstausend Höhenmeter hatte ich noch nie in Angriff genommen. Der Montblanc mit knapp fünftausend Metern in Europa war bisher mein höchstes Ziel gewesen. Nun noch einmal tausend Meter drauflegen, würde es gelingen?

Die Bedingungen waren ideal, als wir dort in Tansania ankamen. Nur eine dicke Wolkendecke in den unteren dreitausend Metern verhüllte den Berg. Sobald wir jedoch oberhalb der Wolkenschicht wären, würden wir durch herrlich blauen Himmel und fantastische Sicht entschädigt werden. Die ersten beiden Tage waren leichter Aufstieg durch den immergrünen Regenwald. Wilder Dschungel und tropische Vegetation mit vielen unbekannten, fast unheimlichen Tierlauten begleiteten uns. Es gab Warzenschweine, die durchs Gebüsch huschten, selbst Elefantenherden trotteten in dieser Höhe noch herum. Ab und zu gab es ein paar warme Regentropfen und feuchter Nebel legte sich über die wunderbare, satte Vegetation. Affen sprangen keifend durch die Bäume, als wollten sie uns für längere Zeit begleiten. „Nein“, sagte unser Führer, „wir werden den Gipfel alle schaffen.“ Er versuchte, Optimismus in unserer zwanzigköpfigen Gruppe zu verbreiten. Wir waren zwölf Bergwanderer, drei Führer und fünf Träger, die jeweils etwa fünfzig Kilo vom Schlafsack bis zu Spaghettivorräten sechs Tage für uns auf den Berg schleppten. Wir Bergtouristen hatten nur leichtes Gepäck im Rucksack und konnten so ganz entspannt unserem Aufstieg entgegensehen.

Die ersten zwei Tage waren tatsächlich eine gemütliche Bergwanderung durch grandiose Landschaft. Nur das häufige Trinken störte ein wenig. Den mit steigender Höhe zunehmenden Sauerstoffmangel im Körper kann man begrenzt durch viel Flüssigkeitszufuhr ausgleichen. Da kommen schon mal fünf Liter Wasser am Tag zusammen, die den Körper auch wieder verlassen müssen. Alle zwanzig Minuten anhalten und sich entleeren, kann schon ein wenig lästig sein. In dreitausend Metern Höhe legten wir sogar einen Ruhetag zur Akklimatisierung ein.

Als wir nach Durchwanderung des Regenwaldes die Wolkendecke durchstießen, wurden wir durch eine herrliche Aussicht belohnt. Die Sonne war warm in dieser Höhe und man konnte bequem im T-Shirt laufen. Am folgenden Tag wurde die Vegetation immer spärlicher, neben einigen Kakteen und Krüppelgewächsen gab es nicht mehr viel. Es veränderte sich immer mehr zu einer Mond- oder Marslandschaft. Zwischen all diesen Fels- und Gesteinsbrocken der rostbraunen Erde könnte man gut eine Science-Fiction-Serie von unserem Nachbarplaneten drehen. Die letzte Rast war in knapp fünftausend Metern Höhe auf einer Berghütte. Wir kamen alle müde dort an, der Sauerstoffmangel war hier auf Montblanc-Höhe schon deutlich zu spüren und an kurzen Schlaf war auch nicht zu denken. Das Herz raste und der Puls hämmerte gegen die Schläfen. Bei Einbruch der Dunkelheit gegen neunzehn Uhr war man auf der Pritsche liegend ins Dösen verfallen, wegen des hohen Pulses war das Einschlafen in weite Ferne gerückt.

Um Mitternacht war Aufbruch zum Gipfel. Wir wurden in die eiskalte Nacht gejagt, in fünftausend Metern Höhe mit warmer Kleidung bedeckt, genügend Wasser im Gepäck, was mir allerdings wenig nützte, denn nach einer halben Stunde hatte sich alles Wasser in Eis verwandelt. Wir waren von der Nacht verzaubert. Es war ein unglaublich hell glitzernder Sternenhimmel, selbst der nicht volle Mond zeigte uns den schotterigen Weg zum Aufstieg auf den tausend Meter hohen Sattel des Kilimandscharo. Es war in dieser Höhe hier so hell, dass wir keine Taschenlampen brauchten, um den Weg zu finden. Mühsam ging es bergan, da es mit minus fünfzehn Grad sehr kalt war und ein eisiger Wind wehte. Einige von uns hatten schon vorher wegen der Höhenkrankheit und den damit verbundenen starken Kopfschmerzen aufgeben müssen, so dass wir den letzten Aufstieg zum Gipfel nur noch mit sechs Personen in Angriff nahmen. Bei der ersten Rast in ungefähr dreitausend Metern Höhe hatten wir eine Gruppe Engländer getroffen, die begeistert vom Gipfel zurückkommend schwärmten und uns mitteilten: „Es war fantastisch und umwerfend schön, aber es ist nicht kalt, auch nicht sehr kalt, sondern sehr, sehr, sehr, sehr kalt.“ Ich hatte es als übertrieben abgetan, da ich im Sommermonat August schon den Montblanc bestiegen hatte und auch bei eisigem, starkem Wind und minus zwanzig Grad kräftig durchgepustet worden war.

Aber der Aufstieg hier übertraf alle Erwartungen. Ich fror die ganze Nacht wie ein Schlosshund und kam aus dem Zittern kaum noch heraus, da eine etwas ältere Person mit dem Aufstieg in dieser Höhe Probleme hatte und nur sehr langsam an Höhe gewann und wir mehr stehend als gehend vom brutalen Wind kräftig durchgerüttelt wurden. Es war kein Neuschnee gefallen und der alte Schnee war hier auf fünftausenddreihundert Metern Höhe weggetaut. So war der Aufstieg eisig, aber es gab keine Behinderungen durch Schnee, was uns das Emporkommen sehr erleichterte. Der nicht nachlassende Wind fauchte uns durch die Hosen bis auf die Knochen und ich schlotterte mehr in der Nacht den Berg hinauf, als ich stieg. Neben der Kälte tat der Sauerstoffmangel sein Übriges. Ich dachte an den Engländer und an sein viermaliges „very cold“ und wie Recht er hatte. Wir hatten ja nicht geschlafen und dann diese eisige Höhe, somit war das Frieren ein Muss. Nächstes Mal, dachte ich, nimmst du eine noch wärmere Daunenjacke und heißen Tee in der Thermosflasche mit, denn mein Wasser im Rucksack war ja zu Eis gefroren, so dass ich nichts mehr trinken konnte. Einer der Bergsteiger ließ mich jedoch an seinem heißen Tee schlürfen und kurzzeitig fühlte ich mich besser.

Dann geschah etwas, was jedem Menschen passiert, irgendwann stößt man an seine Grenzen. Bei mir war sie zum ersten Mal in meinem Leben erreicht. Es war auf ungefähr fünftausendfünfhundert Metern Höhe, als ich wie ein Betrunkener zu torkeln und zu stolpern begann. „Chris, are you ok?“, fragte der Bergführer freundlich. Ich bejahte. „Aber du solltest etwas trinken, das bringt dich wieder auf die gerade Spur“, sagte er und nachdem zwei weitere Bergwanderer aufgegeben hatten, erreichten wir bei Sonnenaufgang durchfroren den Kraterrand.

Die Sonne verdrängte die eisige Nacht und stieg langsam über die Wolken und den Horizont. Dieser war leicht gebogen und folgte in dieser Höhe der Erdkrümmung. Es war wunderschön, wie beim Fliegen schwebte man über den Wolken. Ich vergaß den brutalen, eisigen Wind und versuchte, ein Foto zu machen. Doch in dieser Höhe und Kälte versagten alle Batterien. Plötzlich wurde es mir übel. Der Führer kam sofort, um das von mir Gegebene zu begutachten. „Kein Blut drin, du kannst den Gipfel machen“, kommentierte er cool. Auf meine Frage, was wäre, wenn Blut zu sehen gewesen wäre, antwortete er mir: „Dann gnade dir Gott! Durch den Sauerstoffmangel platzen die Lungenbläschen, es bildet sich ein Lungenödem, du würdest jämmerlich ersticken und den Berg nicht mehr lebend herunterkommen.“ Mit viel Glück und Besonnenheit erreichten wir nach weiteren zwei Stunden zu viert mit dem Führer den Gipfel und fielen uns um den Hals. Es war geschafft, wir waren überglücklich und überwältigt von dieser grandiosen Gletscherwelt und diesem fantastischen Ausblick vom Dach Afrikas.

Auf dem Rückflug nach Mombasa sahen wir noch einmal aus dem Fenster den Kilimandscharo, aber nur wir vier, die auf dem Gipfel gestanden hatten, waren begeistert, die anderen blickten eher traurig drein. So versuchten wir, die Freude über dieses grandiose Erlebnis zurückzuhalten. Bei der Ankunft in Kenia ging ohnehin jeder seiner eigenen Wege und versuchte, sein Hotel zu erreichen.

Die stolze Massai

Nun war noch eine Woche Entspannung an der wunderschönen tropischen Sandküste Kenias angesagt. Diese paar Tage sollten jedoch mein Leben deutlich beeinflussen und entscheidend in eine Richtung lenken, von der ich auch nicht im Ansatz zu träumen gewagt hatte. „Jambo!“ war das erste Wort, was ich in der Landessprache Kisuaheli gehört oder gelernt hatte. Es heißt so viel wie „guten Tag“ oder „wie geht’s?“. Wörtlich übersetzt heißt es eigentlich nur „Angelegenheit“ oder „Sache“, zu Deutsch könnte man sagen „was ist Sache?“. Das Kisuaheli ist eine sehr geordnete und umfangreiche, bildhafte Sprache. Manche Dinge sind sehr einfach und leicht zu lernen, doch viele Wörter und Redewendungen sind sehr kompliziert und schwierig. Die andere Lebensweise schlägt sich deutlich in der Sprache nieder. Begriffe, die die Ostafrikaner nicht kennen oder von uns Europäern übernommen haben, werden einfach nur bildhaft beschrieben. Beispielsweise nannte der erste Schwarze, der eine Eisenbahn  fahren sah, diese in seiner Sprache „gari la moshi“, was übersetzt nur „Wagen von Dampf“ heißt. Auch den Begriff „Flugzeug“ kannte man nicht, das war einfach nur ein Vogel, „ndege“ genannt. Somit ist der „Kiwanja cha ndege“ der Platz vom Vogel, also der Flugplatz –  logisch, lustig und bildhaft zugleich.

Ich erhielt ein sehr schönes Hotel direkt am wunderschönen weißen Sandstrand mit traumhaften Palmen, genannt „Diani Beach“. Der azurblaue, warme Indische Ozean lud zum täglichen Baden ein. Im Hotel lernte ich eine sehr freundliche Berlinerin kennen, die mit viel Fleiß und Energie selbst eine kleine Hilfsorganisation aufgebaut hatte. „Wenn du willst, kann ich dich ja mal mit nach Ukunda, einem kleinen Dorf unweit der Küste, mitnehmen und dir meine Arbeit zeigen.“ Kein Problem, am nächsten Tag zeigte sie mir ihren Workshop, eine kleine Schmiede, bei der drei oder vier junge Männer mit Hilfe von Spendengeldern aus Deutschland ausgebildet wurden, um später ein eigenes Geschäft beziehungsweise Handwerk betreiben zu können. Eine grandiose Idee, Hilfe zur Selbsthilfe, genau das fehlt so sehr in Afrika oder es wird zu wenig konsequent umgesetzt. Sie verwirklichte ihr Konzept, junge Burschen von vierzehn oder fünfzehn Jahren aus „Bangladesh“, einem Slum- oder Armenviertel aus Mombasa, zu holen, um sie in ihrem Workshop auszubilden. Es war alles sehr gut durchdacht und überzeugend durchgeführt.

Am zweitletzten Tag meines kurzen Aufenthaltes in diesem Hotel hörte ich von dieser engagierten Frau beim Abendessen einen entscheidenden Satz: „Du musst mal, bevor du nach Deutschland zurückfliegst, in die Massai-Bar mitkommen, eine kleine Disko in Ukunda. Du musst unbedingt sehen, wie die Afrikaner hier tanzen. Das kannst du mit Deutschland überhaupt nicht vergleichen.“ Also ging’s los in die Massai-Bar. Am Nachbartisch saß eine hübsche, junge Kenianerin. Wir kamen sehr schnell in Kontakt und tanzten später den ganzen langen Abend zusammen. Wir tauschten unsere Telefonnummern aus, da ich ja am folgenden Tag schon nach Deutschland zurückfliegen musste. Plötzlich erschien mir der Aufenthalt in Kenia viel zu kurz und wie abgeschnitten, nachdem ich diese sehr schöne Frau vom Stamm der Massai kennengelernt hatte. Ich versprach ihr dann allerdings am Flughafen, dass ich zurückkommen würde, um sie zu besuchen oder wie man das so nennt.

Meine Berliner Bekannte warnte mich: „Sie sind alle sehr hübsch hier, aber wild wie Tiere. Sie lassen sich kraulen, aber dann beißen sie zu und du bist verloren.“ Ich hörte so manche Horrorgeschichte über Beziehungen zwischen Europäern und Afrikanern, aber wenn man sich plötzlich verliebt in so ein süßes Wesen, sind alle Warnungen nichts mehr wert und werden in den Wind geschrieben. Nach vier Wochen war ich schon wieder nach Kenia zurückgekehrt und verbrachte einen wunderschönen Urlaub mit meiner Massai in derselben Hotelanlage. Alles schien perfekt und harmonisch zu sein. Wir machten herrliche Safaris, selbst in die berühmte und von der kenianischen Küste weit entfernte Massai Mara.

Wir besuchten die Großmutter meiner Massai, die mit knapp hundert Jahren in ihrer Hütte fast im Feuerqualm erstickte. Anscheinend macht den Massai dieser Qualm nichts aus, sie husten noch nicht einmal, während wir einen kräftigen Hustenanfall in so einer Massai-Hütte bekommen, die keine Öffnung, Fenster oder Schornstein kennt. Selbst die Eingangstür ist mit einem Sacktuch verhangen. Irgendwo muss der Rauch doch hin in so einer dunklen Hütte. Sie sitzen dort stundenlang drin und husten nicht. Vielleicht haben sie Raucherlungen. Die Raucher bei uns vertragen die verrauchte Luft in einer Bar ja auch besser als ein Nichtraucher.

Lustig ist allerdings, wenn so eine Massai-Hütte nicht beheizt ist und auch von draußen gar kein Licht eindringen kann. „Schau auf die Augen, dann weißt du, wie viele Massai in der Hütte sitzen“, kommentierte meine Begleiterin. Es stimmt, am Anfang ist alles schwarz, wenn man hineingeht, doch dann sieht man, wenn sich das Auge an die Dunkelheit gewöhnt hat, die weißen Augenpupillen zuerst und langsam erkennt man auch die schwarze Hautfarbe der Gesichter, die einen grinsend ansehen. Man wird natürlich von der Familie umringt, da der weiße Mann dort immer noch etwas Besonderes ist, und dann gleich aufgefordert, aus einem langen Kuhhorn das Blut eines geschlachteten Tieres zu trinken. Es ginge gegen die Ehre ihres Stammes, wenn man diesen angebotenen Freundschaftsbeweis auch nur im Ansatz verweigern würde. Für mich war es schwierig, aber irgendwie habe ich es überlebt, ohne mich übergeben zu müssen. Auch mein Magen hat es glücklicherweise überstanden.

Sie sind sehr stolz und auch sehr gastfreundlich, die Mitglieder des Massai-Stammes. Man glaubt es kaum, in Kenia gibt es ungefähr zweiundvierzig Stämme, alle mit eigener Tradition und Sprache. Zwischen all diesen Stämmen ist das Kisuaheli die verbindende übergeordnete Sprache. Ebenso Englisch, das auch die Sprache der Gebildeten ist. Die Massai sind ein relativ kleiner Stamm mit flächenmäßig breiter Ausdehnung bis nach Tansania in die Serengeti hinein, aber auf Grund ihres bekannten kriegerischen und kämpferischen Verhaltens weltberühmt. Ein Massai gilt als besonders guter Krieger, wenn er einen Löwen mit einem Speer erlegt, erfuhr ich bei diesem Besuch. „Was machst du denn, wenn du hier mitten in der Wildnis einem Löwen begegnest?“, fragte ich beiläufig. „You only stand and bend“, was bedeutet, „du bleibst stehen und gehst in die Hocke“. „Das machst du so lange, bis der Löwe verwirrt ist und wegrennt. Aber gehe niemals rückwärts oder laufe davon. Dann bist du erledigt.“ „Und wenn das nicht klappt? Dann gibt es einen Massai weniger auf der Welt“, bemerkte ich verschmitzt. Sie antwortete nur mit einem süßen Lächeln.

Auf dem Weg zu ihrer Großmutter passierten wir ein paar neugierige Kinder, die einen Kommentar über mich abgaben. „Was für eine Art Tier ist das denn?“, fragten sie, indem sie auf mich zeigten. Meine Massai übersetzte mir das prompt, lachte sehr laut und wollte auch von mir wissen, was für ein Tier ich denn wirklich sei. Wir erzählten der uralten Großmutter unser Abenteuer von der Besteigung des Mount Kenia, der mit über fünftausend Metern immerhin knapp höher als der Montblanc in Frankreich und der höchste Berg in Kenia ist. „Da war ich auch schon oben“, entgegnete uns die hundertjährige Frau, „und habe dort als Köchin für unseren ersten Präsidenten Kenyatta gekocht, als er diesen Berg bestiegen hat.“ Mir verschlug es glatt die Sprache. Diese alte Massai hatte vor ungefähr fünfzig Jahren mit dem Präsidenten von Kenia den zweithöchsten Berg Afrikas bestiegen. Eine für mich fast unglaubliche, aber wahre Geschichte. Da sie nur ihre Massai-Sprache beherrschte und kein Kisuaheli oder Englisch konnte, musste meine Massai-Freundin mir immer alles übersetzen. „Die Elefanten kommen immer auf unser Kohlfeld und stehlen uns den ganzen Kohl“, sagte sie. „Sie riechen ihre Lieblingsspeise, den Kohl, bis zu zehn Kilometer weit.“ „Das kann ich einfach nicht glauben“, sagte ich. „Doch“, sagte sie, „schau dir an, das Feld ist total zertrampelt. Sie haben ganze Arbeit geleistet.“ Mein Gott, sind das Probleme, mit denen die Massai zu kämpfen haben, dachte ich ehrfurchtsvoll. Wie einfach ist doch unser Leben in Deutschland, ich gehe nur in einen Supermarkt und kaufe mein Gemüse. Selbst im eigenen Garten wird nicht viel zertrampelt oder weggefressen.

Nach gut einem Jahr wollte meine Massai nach Deutschland. Viele Kenianerinnen machen den Versuch, mit Hilfe eines Europäers aus dem Lande zu kommen. Sie träumen alle davon, einmal im Leben Europa zu erreichen, dort zu bleiben oder sogar zu heiraten, Kinder zu bekommen und sich fest anzusiedeln. Es ist wie ein sicherer Hafen für sie, Europa, der Kontinent der Träume und Sehnsüchte. Das Glück zu haben, einen Weißen zu finden, der einen nicht nur benutzt, um einen schönen Urlaub verbunden mit Spaß und Sex zu haben, sondern der eine ernsthafte Beziehung aufbaut, um diesen Menschen eine Perspektive zu bieten, ist selten. Haben sie jedoch das seltene Glück, einen „Mzungu“ (Weißer oder Europäer) zu finden, wird dieser, besonders wenn er deutlich älter ist, oft als Sprungbrett benutzt, um nach Europa zu kommen oder zu heiraten. Dort angekommen, wird schnell ein neuer jüngerer Mann gesucht, der natürlich Geld haben muss. Das klappt manchmal sehr gut, manchmal geht es auch voll in die Hose, und man sitzt dann mit Kind allein in Europa und wartet auf ein neues Glück.

Sehr oft aber wird der ältere deutsche Partner nach dem Recht des Landes mit afrikanischer Härte ausgenutzt oder finanziell fertig gemacht. Die Afrikaner unterrichten sich untereinander gegenseitig und geben sich die trickreichsten Ratschläge, wie man vorzugehen hat, um einen Weißen „auszunehmen“. Ob diese „Ratgeber“ in Europa zu Werke gehen oder die ganze Familie in Afrika mitwirkt, ist vollkommen gleich. Es geht ums Prinzip, wie man an alles herankommen kann. Das fängt mit der Kreditkarte und PIN-Nummer an und endet beim Vergiften des Partners, um an sein Haus oder Vermögen heranzukommen. Nein, das ist kein Scherz, es ist Hunderten von Weißen schon so ergangen, sie haben irgendwelche Fehler gemacht und schlimmstenfalls mit dem eigenen Leben bezahlt.

Meine kleine Massai war süß wie immer. Sie war sehr freundlich und zuvorkommend, lieb und anmutig, doch hatte ich manchmal das Gefühl, in ihrem süßen Lächeln etwas Tierisches, Gefährliches zu erkennen, das andere Afrika, das wir alle in seiner Brutalität und Gnadenlosigkeit aus den Nachrichten kennen. Hatte meine Berliner Urlaubsbekanntschaft vielleicht doch Recht gehabt? Gleichzeitig hatte ich doch den Eindruck, dass diese Gefahr oder Bedrohung mich nicht beträfe oder erreichen könne. Solange alles im Rahmen bliebe, müssten auch diese Gefühle, die einem selbst gefährlich oder bedrohlich erschienen, in Schach gehalten werden. Ja, dieses wilde, freie und unkontrollierbare Afrika, was auch unsere Sehnsüchte weckt, das wir in beeindruckenden und unglaublich schönen Safaris unter Kontrolle zu haben scheinen, kann dies auch in einem so geliebten Menschen durchbrechen und über die Stränge schlagen? Das fragte ich mich natürlich ständig, und gleichzeitig wollte ich solche Gedanken verdrängt wissen, um das Schöne und Geheimnisvolle an diesen Menschen genießen zu können.

Abends im Hotel erhielten wir einen anonymen Anruf. Jemand wolle einen Chris sprechen. Als ich ans Telefon ging, verschwand die Frauenstimme. Es gab natürlich sofort Theater mit meiner Massai, wer das sei und wen ich kennen würde oder treffen wolle. Nach Erklärungen, dass man uns auseinander bringen wolle, half, um sie zu beschwichtigen, nur das zusätzliche Argument, dass doch nur das Hotelpersonal unsere Zimmernummer kennen könne und es daher jemand aus dem Hotel sein müsse, der uns aus welchen Gründen auch immer in Streitereien zu verwickeln suchte. Na gut, nach einer halben Stunde war wieder Ruhe im Bau, und wir konnten uns den schöneren Dingen des Lebens widmen.

Wir schafften es tatsächlich nach einigen Problemen Pass und Visum zu bekommen, um einen dreimonatigen Besuch für sie in Deutschland antreten zu können. Sie war gut erzogen und in der Massai Mara, die wir gemeinsam besucht hatten, hatte sie mir auch stolz ihre alte Lehrerin vorgestellt, bei der sie Englisch gelernt hatte und somit den normalen Massai schon deutlich einen Schritt voraus war. Sie war gerade sechsundzwanzig Jahre alt, hatte einen wunderschönen sehr dunklen Körper mit herrlichen Rundungen, ein etwas schalkhaftes, verschmitztes Wesen und viel Humor, was sie zu einem liebenswerten Menschen machte. Alles ist so perfekt und schön an diesen Frauen, dachte ich mir, und auch der Urlaub in Deutschland würde gut und harmonisch verlaufen.

Auf der Busfahrt nach Nairobi, wo wir uns das Visum besorgten, hatte ich jedoch ein seltsames Erlebnis, was meine dunklen Vorahnungen leicht zu bestätigen drohte. Wir saßen beide im Bus, sie am Fenster und ich daneben. Eine auf der anderen Seite sitzende Dame mittleren Alters kam mit mir ins Gespräch, wo ich denn herkäme, was wir unternehmen wollten usw. Plötzlich nach vielleicht drei gewechselten Sätzen nahm meine Freundin ihre leere Cola-Flasche und wollte den Kopf dieser Nachbarin damit traktieren. Ich traute meinen Augen nicht, jedoch gelang es mir unter raunendem Protest der anderen Mitreisenden im letzten Moment einen gezielten Schlag auf den Kopf meiner Nachbarin abzuwehren. Das Gespräch war damit natürlich schlagartig beendet. So einfach oder leicht ist das hier, seine Meinung kundzutun oder Tatsachen zu schaffen.

Nachdem wir alle Visaformalitäten erledigt hatten, verbrachten wir die letzten Tage vor dem Flug nach Deutschland im Hotel am Strand. Am Abend verlangte sie bei einer der üblichen afrikanischen Tanzvorstellungen für die Touristen nach einem Bier. Daraus wurden dann schnell drei, nachher sechs oder sieben Flaschen und sie torkelte schon halb ins Hotelzimmer, wo sie dann Gläser werfend und schreiend zu randalieren begann. Alle Versuche von meiner Seite, sie mit Reden zu beruhigen, waren vergeblich. Der Lärm war so unerträglich, dass die Hotelleitung vorbeikam, um mit uns zu sprechen und Ruhe zu stiften. Meine bis dahin süße Massai wollte plötzlich eine Million Schilling (zehntausend Euro), da ich sie seit einem Jahr missbraucht und nicht geheiratet hätte. Mit Sicherheit steckte ein Lover dahinter, der sie zu solch bösartigem Spiel angestiftet hatte, um Geld zu erpressen. Eine siebzigjährige deutsche freundliche Bekannte, die ich im Hotel kennengelernt hatte und die zufällig an diesem Abend anwesend war, versuchte auch noch, vermittelnd zu helfen. Sie gab mir den Rat, trotz aller Probleme den Flug nach Deutschland nicht verfallen zu lassen und mit meiner Randaliererin gemeinsam nach Deutschland zu fliegen, um größere Probleme hier in Kenia zu vermeiden. Schließlich hätte sie mich gemeinsam mit der Polizei erpressen und mich weiterhin mit neuen Vorwürfen unter Druck setzen können. Mein Flugticket wäre so mit Sicherheit verfallen und ich hätte ganz schön dumm dagestanden, da mich die Polizei – auch auf Korruptionsgeld bedacht – unnötig hätte festhalten können. Wenn sie in Deutschland auch so einen Trouble machen würde, könnte ich gleich die Polizei rufen und sie ins nächste Flugzeug nach Kenia setzen lassen.