Agrarökologie und regenerative Landwirtschaft - Vandana Shiva - E-Book

Agrarökologie und regenerative Landwirtschaft E-Book

Vandana Shiva

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Beschreibung

In Agrarökologie und regenerative Landwirtschaft zeigt Vandana Shiva die wahren Kosten des industrialisierten landwirtschaftlichen Produktionsmodells auf – von den negativen Auswirkungen auf die Umwelt, die Wirtschaft und die menschliche Gesundheit. Wir können es uns nicht leisten, diesen Weg weiter zu beschreiten. Shiva zeigt uns, wie zwingend notwendig es für die Menschheit ist, eine regenerative Landwirtschaft zu betreiben. Eine Pflichtlektüre für alle, die sich Sorgen um unsere Zukunft machen.

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Seitenzahl: 487

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Stimmen zum Buch

»Agrarökologie und regenerative Landwirtschaft verbindet modernste Wissenschaft mit indigener Weisheit zu einem klaren Aufruf für die Zukunft der Landwirtschaft. Die Methoden, Prinzipien und Fallstudien in diesem Buch können nicht ignoriert werden. Während andere endlos diskutieren, gehen Vandana Shiva und ihr Team an die Arbeit und beweisen es wissenschaftlich: So können wir den Welthunger beenden und die Klimakatastrophe abmildern.«

Erik Ohlsen, Geschäftsführender Direktor, Permaculture Skills Center

»Vandana Shiva ist die prägende Stimme der Bewegung für eine biologische regenerative Landwirtschaft. Hier legt sie dar, wie die irreführend ›Grüne Revolution‹ genannte industrielle Landwirtschaft vorangetrieben wurde, die auf Giften und Patenten basiert, die die Menschen und den Planeten töten, um die Profite transnationaler Konzerne zu steigern. Eine unverzichtbare Lektüre für jeden, der sich für das Entstehen einer ökologischen Zivilisation einsetzt, die sich dem Wohlergehen der Menschen und der Erde widmet.«

David Korten, Autor von When Corporations Rule the World und The Great Turning: From Empire to Earth Community

»Vandana Shiva führt geschickt die Fäden zusammen, die zu lange als getrennte Krisen behandelt wurden: von der menschlichen Gesundheit und dem Wohlbefinden über die Nahrungsmittelproduktion bis hin zur Umweltkrise und zu den globalen Klimaveränderungen. Indem sie über 30 Jahre Praxis und Forschung bei Navdanya zusammenbringt, würdigt Shiva die wichtige Rolle der Bauern als Schlüsselfiguren bei der Regeneration und Umkehrung der weitreichenden katastrophalen Folgen der gescheiterten Versprechen der ›Grünen Revolution‹.«

Nicole Masters, Agrarökologin und Autorin von For the Love of Soil: Strategies to Regenerate our Food and Production Systems

»Basierend auf jahrzehntelanger ethnoökologischer Forschung und landwirtschaftlicher Erfahrung rückt dieses umfassende und bahnbrechende Buch das traditionelle ökologische Wissen der Bauern in den Vordergrund. Es unterstreicht die Bedeutung von Dutzenden von Maßnahmen, die Landwirte ergreifen oder ergreifen können, die wieder mit der Erneuerungsfähigkeit der Erde zusammenarbeiten und gleichzeitig die Gesundheit der globalen Allmende sichern. Dieses Buch ist angesichts der Globalisierungsagenda, des Verlusts an biologischer Vielfalt, der Ernährungssouveränität, der Umweltverschmutzung und der Klimaveränderungen auf der ganzen Welt mehr denn je relevant.«

M. Kat Anderson, Autorin von Tending the Wild: Native American Knowledge and the Management of California‘s Natural Resources

»Eine aufgeklärte Synthese, die jahrzehntelange Erfahrungen und Studien aus der ganzen Welt miteinander verknüpft, um die grundlegenden Narrative der modernen Landwirtschaft in Frage zu stellen. Mit dem Blick einer Wissenschaftlerin für Erkenntnisse und der Leidenschaft einer Aktivistin für den Wandel legt Shiva einen dringenden Aufruf für eine regenerative ökologische Landwirtschaft vor, die auf der Wiederherstellung von Vielfalt und organischer Materie beruht.«

David R. Montgomery, Autor von Dreck: Warum unsere Zivilisation den Boden unter den Füßen verliert

»Dieses Buch, das viele Beispiele für die Notlage von Land und Menschen aufzeigt, ist ein dringend notwendiger Aufruf, warum eine biodiverse ökologische Landwirtschaft auf menschlicher und planetarischer Ebene sinnvoll ist. Es ist ein gut recherchierter Band und eine geschickte Balance zwischen Breite und Tiefe, Wissenschaft und praktischer Anleitung, die aus gelebter Erfahrung entsteht; Vandana Shivas tiefes Verständnis spricht aus jeder Seite.«

Jane Raddiford, PhD, Autorin von Learning to Lead Together

Vandana Shiva

Agrarökologie und regenerative Landwirtschaft

Bücher haben feste Preise.

1. Auflage 2023

Vandana Shiva

Agrarökologie und regenerative Landwirtschaft

Der Titel des englischen Originals lautet »Agroecology & Regenerative Agriculture«. erschienen bei Synergetic Press, 1 Bluebird Court, Santa Fe, NM 87508, USA und 24 Old Gloucester St., London, WC1N 3AL, England

Copyright © bei Vandana Shiva

Alle Rechte vorbehalten.

Kein Teil dieser Publikation darf ohne vorherige Genehmigung des Herausgebers vervielfältigt, in einem Datenabfragesystem gespeichert oder in irgendeiner Form oder mit irgendwelchen Mitteln – elektronisch, mechanisch, durch Fotokopie, Aufzeichnung oder auf andere Weise – übertragen werden, es sei denn, es werden kurze Passagen in Rezensionen zitiert.

© für die deutsche Ausgabe Neue Erde GmbH 2023

Alle Rechte vorbehalten.

Übersetzung aus dem Englischen von Andreas Lentz

Lektorat: Rolf Thormann und Alice Deubzer

Umschlag:

Illustration: Morphart Creation und Mashikomo,

Fond: Paladin12, alle shutterstock.com

Gestaltung: Dragon Design, GB

eISBN 978-3-89060-398-8

ISBN 978-3-89060-842-6

Neue Erde GmbH

Cecilienstr. 29 · 66111 Saarbrücken

Deutschland · Planet Erde

www.neue-erde.de

Inhalt

Vorwort von Hans Rudolf Herren

Vorbemerkung: Regenerativer Biolandbau

TEIL 1EINFÜHRUNG

Mehrfachkrisen in den landwirtschaftlichen Systemen und die dringende Notwendigkeit eines Paradigmenwechsels

Verschlechterung der Umwelt, der öffentlichen Gesundheit und der ländlichen Wirtschaft

Ein biodiversitätsbasierter Ansatz in der Landwirtschaft: Agrarökologie und regenerative ökologische Landwirtschaft

Die Grundsätze der Agrarökologie

Die Vorteile des biologischen Landbaus für die Umwelt

TEIL 2SAATGUT DER BIOLOGISCHEN VIELFALT

Saatgut: Die Quelle eines Lebens in Fülle und ständiger Erneuerung

Bauern: Das erste Glied der Pflanzenzucht

Ex-situ- und In-situ-Methoden

Die Grenzen von Genbanken

Navdanya: Ein Katalysator für die dezentrale Saatguterhaltung

Die Bedeutung der Ernährung

TEIL 3BODEN UND WASSER

Die Gesundheit des Bodens verstehen und aufrechterhalten

Wiederherstellung der Bodengesundheit

Indikatoren für die Bodengesundheit und das Verhältnis von pilzlicher zu bakterieller Biomasse

Biodiverse ökologische Landwirtschaft zur Erhaltung und Regeneration von Wasser

TEIL 4LÖSUNGEN FÜR DIE KLIMAVERÄNDERUNGEN

Die Klimakrise: Die Überschreitung planetarischer Grenzen und die Unterbrechung ökologischer Kreisläufe

Regenerierung des lebendigen Kohlenstoffkreislaufs

Navdanya-Studie zur Anpassung an die Klimaveränderungen

Das Kohlenstoffrad

Synthetische Düngemittel auf Basis fossiler Brennstoffe

Biodiversitätsbasierte ökologische Landwirtschaft zur Abschwächung der Klimaveränderungen und Anpassung an diese

Agrobiodiversität, Klimaresilienz und Nachhaltigkeit

Biologische Vielfalt: Eine Lösung für das Klima

TEIL 5BIODIVERSITÄT ZUR SCHÄDLINGSKONTROLLE: SCHÄDLINGSBEHANDLUNG OHNE PESTIZIDE

Fortpflanzung, Metamorphose und Ökologie von Insekten

Die Rolle der natürlichen Feinde anerkennen

Pestizidresistenz

Beispiele für in der Natur vorkommende Räuber

Nicht-chemische Methoden der Schädlingsbekämpfung

Die Bedeutung der biologischen Schädlingsbekämpfung

Indische Methoden des Vrikshayurveda (Schädlingsbekämpfung)

Traditionelle Techniken zur Prävention von Schädlingsbefall

Biopestizide

Saatgutbehandlung

Behandlung von Kulturflanzenkrankheiten

Schutz von Saatgut vor Insekten

Vielfalt der Insekten und Arthropoden auf der Navdanya Farm

Ökofunktionale Intensivierung (Ecofunctional Intensification, EFI)

Nützliche Insekten und ihre Wirtspflanzen

TEIL 6LEBENSMITTEL, ERNÄHRUNG UND GESUNDHEIT

Saat der Hoffnung zur Bekämpfung von Hunger und Unterernährung: Gesundheit pro Hektar

Ertrag ist nicht Ergebnis: Der Mythos von mehr Nahrung

Umstellung der Messung von Ertrag pro Hektar auf Ernährung pro Hektar

Auf dem Weg zu einem auf biologischer Vielfalt beruhenden Produktivitätsrahmen

Der ayurvedische Ansatz für Gesundheit

Landwirtschaftliche Chemikalien in der Umwelt

Umwelt und Gesundheit

Die Unzulänglichkeit der Toxikologiemodelle

Epidemiologie und wissenschaftliche Tests

TEIL 7BÄUERLICHE LEBENSGRUNDLAGEN UND LÄNDLICHE WIRTSCHAFT

Der Lebensunterhalt der Bauern als Grundlage unserer Ernährungssysteme

Selbstmord unter Bauern und Würdigung der verlorenen Menschenleben

Die Auswirkungen der Globalisierung der Lebensmittelsysteme

Alternative Modelle für Wirtschaft und Nachhaltigkeit

Quellenverzeichnis und empfohlene Literatur

Abbildungsverzeichnis

Vorwort

Hans Rudolf Herren

Präsident des Millennium-Instituts, Gründer und Vorsitzender der Stiftung Biovision und Ko-Vorsitzender des IAASTD*

Der Zeitpunkt für die Veröffentlichung dieses aufschlussreichen Buches könnte nicht besser sein, da sich mehrere Krisen zuspitzen, die unser Lebensmittelsystem betreffen, nicht zuletzt der Ausbruch von COVID 19, der sich schnell zu einer Pandemie mit den heute bekannten schrecklichen Folgen entwickelte und noch lange nicht vorbei ist. Die Alarmglocken läuten bereits seit mehreren Jahrzehnten, und in der Tat wurden viele Forderungen nach einer genaueren Betrachtung der Entwicklung des Lebensmittelsystems laut, die bis zu Der stumme Frühling und Grenzen des Wachstums vor über 50 Jahren zurückreichen.

Die Forderungen nach einem radikalen Wandel in der Art und Weise, wie wir unsere Lebensmittel anbauen, weg von den synthetischen Chemikalien zur Schädlingsbekämpfung und Düngung der Pflanzen, wurden als Ideologie und Träumerei bezeichnet, die nicht in der Lage wären, eine wachsende Weltbevölkerung zu ernähren. Wie wir gerade erfahren haben, ist das globalisierte Lebensmittelsystem, das vom weltweiten Handel mit einigen wenigen Rohstoffen abhängt, allerdings sehr anfällig und versagt, wenn die Versorgungsketten durch Ereignisse wie eine Pandemie oder andere Faktoren wie steigende Energiekosten und große Wetterereignisse unterbrochen werden.

Der Zustand unseres Lebensmittelsystems ist bestenfalls unzureichend. In Wirklichkeit wurde es von Gier bestimmt und dem Wissen, dass die Kontrolle über die Lebensmittel gleichbedeutend mit der Kontrolle über die Menschen ist. Dies führte einerseits dazu, die Preise für Lebensmittel so niedrig wie möglich zu halten, insbesondere für Grundnahrungsmittel wie Weizen (Brot), Mais, Zucker und Palmöl, wobei die Konzentration auf einige wenige Rohstoffe es möglich machte, die Lieferketten zu straffen und so die Preise zu drücken. Diese niedrigen Preise hielten die Landwirte in einem Abhängigkeitsverhältnis: von den Lieferanten der Betriebsmittel und den Abnehmern ihrer Produkte; das brachte sie in eine Zwickmühle. Es ist kein Wunder, dass mit der Entwicklung dieses Lebensmittelsystems die Zahl der Landwirte zurückging, oft aufgrund von Konkursen und der Unfähigkeit, die Kredite zu bedienen, was sich aus den niedrigen Produktpreisen, den hohen Inputpreisen und den ständig steigenden Bodenpreisen ergab. Das Ergebnis ist ein Bild nach dem Motto: »Wachsen oder weichen.« Dies führte zu Mega-Farmen, Mega-Massentierhaltungen, Mega-Maschinen, Mega-Umweltverschmutzung, Mega-Verlust der biologischen Vielfalt und Mega-Beiträgen zu den Klimaveränderungen auf der einen Seite und Mini-Einkommen und Minimal-Ernährung und -Gesundheit auf der anderen Seite. Es ist klar, dass ein solches System mittel- und langfristig nicht funktionieren kann, weder in wirtschaftlicher noch sozialer oder ökologischer Hinsicht. Ein dramatisches Beispiel, das sich nicht wiederholen sollte, ist die Palmölindustrie in Indonesien, aber auch in der Demokratischen Republik Kongo, wo die riesigen Torfgebiete gezielt ausgebeutet werden sollen. Wie viel Zerstörung der unberührten und unersetzlichen Natur und der biologischen Vielfalt wird noch hingenommen, nur damit ein immer größeres Einkommensgefälle entsteht, weil die Vorteile eindeutig nicht der lokalen Bevölkerung zugutekommen?

Wie im IPES*-Lebensmittelbericht »Von der Einheitlichkeit zur Vielfalt« beschrieben, sind die Schlüsselfaktoren, die eine Umgestaltung des Lebensmittelsystems in Richtung der agrarökologischen Prinzipien blockieren (wie im jüngsten HLPE-Bericht des CFS** über agrarökologische und andere innovative Ansätze zur Verbesserung der Ernährungssicherheit und der Ernährung definiert), die Machtkonzentration im globalisierten Lebensmittelsystem und das damit verbundene kurzfristige Denken – das Hinarbeiten auf billige Lebensmittel, die Pfadabhängigkeit, die Exportorientierung, das Narrativ »Welternährung«, die Erfolgskriterien und das Schubladendenken. Um das Lebensmittelsystem umzugestalten, müssen wir all diese Elemente angehen. Es gibt zahlreiche Belege dafür, dass es entlang der gesamten Lebensmittelwertschöpfungskette – von der Produktion bis zum Konsum – alternative Wirtschaftsweisen gibt, und auch der Kreislauf für Abfälle zurück zum Boden hin wird in diesem Buch aufgezeigt. Von agrarökologischen Praktiken, einschließlich der organischen Regeneration und der Permakultur, die keine chemischen Inputs und kein gentechnisch verändertes Saatgut verwenden, gibt es bewährte Lösungen, aus denen Landwirte wählen können, um gesunde Lebensmittel in einer gesunden und vielfältigen Umwelt zu produzieren. Diese Praktiken können und werden, wenn sie weltweit angewandt werden, sich bei gleichzeitiger Berücksichtigung des Energieverbrauchs schlimmstenfalls neutral und höchstwahrscheinlich positiv im Hinblick auf die Emissionen auswirken, die das Klima verändern. Das Streben nach billigen Lebensmitteln, das im Fleischsektor am stärksten ausgeprägt ist, ist schließlich ein Hauptverursacher der Klimaveränderungen, und wir werden es nicht schaffen, das gesetzte Ziel von 1,5 Grad Celsius einzuhalten, wenn wir nicht auch unsere Ernährung umstellen.

Die planetarischen Grenzen und die inzwischen gut dokumentierten Überschreitungen zeigen deutlich, dass das Lebensmittelsystem ein wichtiger Faktor in den Bereichen Biosphärenintegrität (funktionale und genetische Vielfalt), Stickstoff- und Phosphorverschmutzung, Veränderung der Landsysteme (Degradation) und Süßwassernutzung (Verschmutzung) ist. Werden die Entscheidungsträger dem Aufmerksamkeit schenken? Wahrscheinlich nur, wenn die gegenwärtigen Krisen andauern und sich verschlimmern. Die große Erwartung, dass technische Lösungen unsere Rettung bringen werden, wird sich nicht erfüllen. Wie wir im letzten halben Jahrhundert erlebt haben, verlangt eine technische Lösung nach der nächsten technischen Lösung, denn das ist das Wesen technischer Lösungen: Sie bekämpfen die Symptome des Problems, anstatt bei den Ursachen anzusetzen. Im Falle des Lebensmittelsystems sei auf den oben erwähnten IPES-Lebensmittelbericht verwiesen. Bestes Beispiel für technische Lösungen sind Pestizide, Herbizide und Fungizide, die die Landwirte in einen Teufelskreis geraten lassen, aus dem sie nur ein Übergang zu agrarökologischen und biologisch-regenerativen Praktiken befreien kann. Die mit technischen Lösungen verbundene Gentechnik, einschließlich CRISPRcas,* geht in die gleiche Richtung und hat kein einziges Problem dauerhaft gelöst, wie es zum Beispiel biologischen Bekämpfungsprogrammen gelingt, die die Gaben der Natur nutzen, um Probleme zu lösen.

Dass das Saatgut ebenso wie der Boden wieder in das Eigentum der Bauern und insbesondere der Bäuerinnen übergehen soll, ist eine entscheidende Grundlage für die Transformation des Lebensmittelsystems. Schließlich haben die Bauern auf der ganzen Welt das beste ökologisch und kulturell angepasste Saatgut ausgewählt und bewahrt und sich um den Boden gekümmert, auf dem sie ihre Feldfrüchte anbauen. Die Bauern müssen die Verantwortung für ihren Betrieb und ihre Betriebsmittel übernehmen, sie müssen die Kontrolle über die Preise haben, um sicherzustellen, dass der wichtigste Berufszweig der Welt nicht auch noch der ärmste ist und an Unterernährung leidet. Die Bemühungen um die Einführung fairer Preise helfen bereits einigen Bauern, aber es kann noch mehr getan werden, indem die Milliarden an Subventionen an Landwirte vergeben werden, die ihre Betriebe auf agrarökologische Praktiken umstellen, sowie an Akteure, die in der Wertschöpfungskette weiter oben stehen und Lebensmittel produzieren, die nahrhaft und frei von chemischen Rückständen sind. Um die Verbraucher in die Pflicht zu nehmen, ist die Zeit für eine echte Kostenrechnung reif. Durch die Berücksichtigung sowohl der positiven als auch der negativen externen Effekte im Endproduktpreis würden die heutigen billigen Lebensmittel teurer werden als nachhaltig erzeugte Lebensmittel. Die Landwirte hätten außerdem einen zusätzlichen Anreiz, auf agrarökologische Praktiken umzustellen.

Mit all den Kenntnissen und der Wissenschaft, die zur Verfügung stehen, um den Wandel des Lebensmittelsystems zu vollziehen, stellt sich die Frage, welche Hebel hier am wirkungsvollsten sind? In diesem gut recherchierten Buch werden die Probleme, die im Lebensmittelsystem bestehen, mit soliden Daten und Referenzen untermauert und die Krisen, die in den letzten Jahrzehnten aufgetreten sind, sehr detailliert erläutert. Darüber hinaus, und dies ist sehr wichtig, werden Lösungen anhand von Beispielen aus der Forschung und der Umsetzung von Navdanya aufgezeigt, welche die immer wiederkehrenden Argumente der Agrarindustrie und anderer Interessengruppen der Großagrarier widerlegen, nach denen ein agrarökologisches und ökologisch-regeneratives Landwirtschaftssystem die Welt nicht ernähren könne. Besonders erwähnenswert ist, dass auf die Notwendigkeit hingewiesen wird, alle drei Ebenen der nachhaltigen und gerechten Entwicklung – die soziale, die ökologische und die wirtschaftliche – einzubeziehen und zu integrieren.

* IAASTD International Assessment of Agricultural Knowledge, Science and Technology for Development, auch Weltagrarrat

* IPES – International Panel of Experts on Sustainable Food Systems. IPES-Food ist ein 2015 gegründetes Gremium, das die Debatten über die Reform des Lebensmittelsystems durch politikorientierte Forschung und direkte Einbindung in politische Prozesse auf der ganzen Welt mitgestalten will. Das Gremium bringt Umweltwissenschaftler, Entwicklungsökonomen, Ernährungswissenschaftler, Agronomen und Soziologen sowie erfahrene Praktiker aus der Zivilgesellschaft und den sozialen Bewegungen zusammen.

** HLP – High Level Panel of Experts, CFS Committee on World Food Security. Das Hochrangige Expertengremium für Ernährungssicherheit und Ernährung des Ausschusses für Welternährungssicherheit (CFS) ist das Gremium der Vereinten Nationen für die wissenschaftliche Bewertung der Welternährungssicherheit und Ernährung.

* Mit dem CRISPR/Cas-System können Gene eingefügt, entfernt oder ausgeschaltet werden, auch Nukleotide in einem Gen können verändert werden.

Regenerativer Biolandbau

Überlegungen von Vandana Shiva

Weil nunmehr auch die Agroindustrie merkt, auf welch tönernen Füßen ihr landwirtschaftliches Modell beruht, versucht sie – ganz im Trend der Zeit – sich ebenfalls als umweltverträglich auszugeben und reklamiert das Regenerative für sich. Wir stellen diesem Buch, welches die »regenerative Landwirtschaft« im Titel trägt, deshalb die aktuelle Vorrede voran.

Der Verlag

Regenerative Landwirtschaft ist biologisch, und biologische Landwirtschaft ist regenerativ. Es sind unterschiedliche Bezeichnungen für dieselben ökologischen Prozesse, die nach den ökologischen Gesetzen der Natur arbeiten.

Die Natur und die Erde sind lebendig. Pflanzen und Tiere sind empfindungsfähige, intelligente, schöpferische Wesen, die sich in Symbiose in Ökosystemen dynamisch weiterentwickeln. Da der lebendige Boden, das lebendige Saatgut und die Tiere generativ sind, bedeutet die Ko-Kreation mit den generativen Kräften der biologischen Vielfalt, des lebendigen Saatguts und des lebenden Bodens Regeneration.

Auch der biologische Landbau arbeitet mit den lebendigen ökologischen Prozessen der Natur und der lebendigen Erde.

Wie Sir Albert Howard in Mein landwirtschaftliches Testament schreibt, war die Landwirtschaft in Indien eine Landwirtschaft wie der Wald.

Die landwirtschaftlichen Arbeitsweisen des Orients haben die höchste Probe bestanden; sie sind beinahe so dauerhaft wie die des Urwalds, der Prärie oder des Meeres.

Landwirtschaft nach dem Vorbild des Waldes beruht auf biologischer Vielfalt, auf dem Gesetz der Rückführung und einem Gleichgewicht zwischen Nutztieren und Nutzpflanzen. Wie Howard in Mein landwirtschaftliches Testament schreibt:

Welches sind die Hauptprinzipien, die der Landwirtschaft der Natur zugrunde liegen? In unseren Wäldern kann man sie am leichtesten erkennen.

Mischsaaten sind die Regel: Pflanzen sind immer zusammen mit Tieren anzutreffen: Viele Pflanzen- und Tierarten leben zusammen. Im Wald kommen alle Tierarten vor, von den Säugetieren bis zu den einfachsten wirbellosen Tieren. Das Pflanzenreich weist eine ähnliche Bandbreite auf: Es gibt nie den Versuch einer Monokultur; Mischkulturen und Mischanbau sind die Regel.

Der Boden ist stets vor der direkten Einwirkung von Sonne, Regen und Wind geschützt. Bei dieser Bodenpflege ist strenge Wirtschaftlichkeit die Grundlage: Nichts geht verloren. Die gesamte Energie des Sonnenlichts wird durch das Laub des Waldes und des Unterwuchses genutzt. Der Wald düngt sich selbst. Er stellt seinen eigenen Humus her und versorgt sich selbst mit Mineralien.

In der Natur und in der echten regenerativen Landwirtschaft nach dem Vorbild der Natur ist kein synthetischer Dünger nötig.

Die Pflanzen und das Vieh versorgen sich selbst. Die Natur hat es nie für nötig befunden, das Äquivalent von Sprühmaschine und Giftspritze zur Bekämpfung von Insekten und Pilzkrankheiten zu entwickeln. Impfstoffe und Seren zum Schutz des Viehbestands gibt es in der Natur nicht. Zwar finden sich unter den Pflanzen und Tieren des Waldes hier und da allerlei Krankheiten, doch nehmen diese nie große Ausmaße an. Es gilt der Grundsatz, dass sich die Pflanzen und Tiere sehr gut selbst schützen können, selbst wenn sie von Parasiten befallen werden. Die Regel der Natur in diesen Angelegenheiten lautet: leben und leben lassen.

In der regenerativen, der biologischen Landwirtschaft gibt es keinen Platz für Pestizide, Fungizide und Herbizide. Die Natur und ihre lebenden Organismen sind selbstorganisiert, selbstheilend und regenerativ.

Während die regenerative Landwirtschaft und der ökologische Landbau im Grunde das gleiche sind und auf den gleichen Prozessen beruhen, greifen die Konzerne systematisch »Bio« an und versuchen, »regenerativ« zu vereinnahmen und zu kapern, obwohl regenerativ und biologisch-organisch inhaltlich und von den Prinzipien her nicht zu trennen sind.

Während das Giftkartell die Begriffe verwendet, die Bio beschreiben, führt es ein hyperindustrielles Landwirtschaftsmodell weiter, das auf Kommerzialisierung und Chemisierung beruht und die ökologischen Prozesse untergräbt, die die Grundlage von regenerativem Biolandbau bilden.

So entlarvt sich Syngenta auf ihrer Website selbst. Sie versucht, den Begriff »regenerativ« für sich zu vereinnahmen, als Betreiber einer industriellen Landwirtschaft, die sich nun »regenerative Landwirtschaft« nennt. (https://www.syngentagroup.com/de/regenerative-landwirtschaft)

Sie reduziert ihre »regenerativ« genannte Landwirtschaft von einem lebendigen System zur Erhaltung des Lebens auf der Erde auf ein industrielles, Waren produzierendes System. Für sie ist regenerative Landwirtschaft ein »ergebnisorientiertes Produktionssystem«. Mit anderen Worten: Die lebendige Erde und ihre lebendigen ökologischen Prozesse werden immer noch geleugnet. Die Landwirtschaft wird immer noch auf die Produktion von nährstofflosen Waren reduziert.

Syngentas Pseudo-»Regenerativ« betreibt immer noch die Chemisierung der Landwirtschaft, jetzt im Namen von Digitalisierung und Präzision. Die »regenerative Landwirtschaft« von Syngenta basiert auf der »präzisen Anwendung von biologischen und chemischen Inputs«. Das ist immer noch eine chemische, eine industrielle Landwirtschaft mit externen Inputs. Es handelt sich nicht um ein regeneratives internes Input-System, das auf Biodiversität und dem Gesetz der Rückführung beruht. Es widerspricht dem ökologischen Grundsatz, dass »die Natur es nie für nötig befunden hat, das Äquivalent einer Spritzpistole zu entwickeln«.

Eine digital gesteuerte Sprühpistole ist immer noch eine Sprühpistole. Eine digital gesteuerte Drohne, die Pestizide versprüht, versprüht immer noch Gifte.

Dies ist keine regenerative Landwirtschaft. Es ist industrielle Landwirtschaft auf Steroiden.

Nachtrag des Verlags: Wie Vandana Shiva in Navdanya beispielhaft gezeigt hat, indem der völlig degradierte Boden einer Eukalyptusfarm in einen lebendigen Biogarten verwandelt wurde, kann Landwirtschaft nur dann als regenerativ bezeichnet werden, wenn aus toten Böden fruchtbare Erde wird. Und das geht halt nur ohne Kunstdünger und Pestizide.

TEIL 1

Einführung

Mehrfachkrisen in landwirtschaftlichen Systemen und die dringende Notwendigkeit eines Paradigmenwechsels

Unter den vielen Gefahren, denen sich die Menschheit gegenübersieht, gibt es eine besonders bedrohliche Dreifachkrise, die unsere Agrar- und Ernährungssysteme bedroht. Die erste Krise ist die ökologische, zu der Folgendes gehört:

das Verschwinden der biologischen Vielfalt und der Arten

Klimaveränderungen, Klimainstabilität und Klimaextreme

Bodenerosion, Bodenverschlechterung und Wüstenbildung

Übernutzung und Verschmutzung des Wassers

die Verbreitung von Giftstoffen im gesamten Lebensmittelsystem.

Die zweite ist die Krise der öffentlichen Gesundheit durch Hunger, Unterernährung und die Epidemie nicht übertragbarer chronischer Krankheiten. Die dritte Krise betrifft den Lebensunterhalt der Bauern, die Verschuldung und die Selbstmorde aufgrund der hohen Kosten für Betriebsmittel und der schlechten Lage aufgrund von Bodendegradation und Wüstenbildung.

Alle drei Krisen sind miteinander verknüpft, auch wenn sie meist getrennt betrachtet werden. Den wichtigsten Anteil an allen drei Krisen hat das fossilbrennstoff-, chemie- und kapitalintensive System der nicht nachhaltigen industriellen Landwirtschaft, das die Umwelt, die öffentliche Gesundheit und die Lebensgrundlage der Bauern zerstört.

Die Schwere dieser Krisen ist ein klarer Hinweis darauf, dass das alte Paradigma der Landwirtschaft krachend gescheitert ist. Wie der UN-Bericht des International Assessment of Agriculture, Science, Technology, and Development (IAASTD) feststellt, ist »business as usual« keine Option mehr. Weder die Grüne Revolution noch GVO (Gentechnisch veränderte Organismen) können die Ernährungssicherheit gewährleisten.

Das industrielle Landwirtschaftsmodell wurde mit der Begründung eingeführt, dass es die Ernährungssicherheit erhöhe: durch eine Steigerung der Nahrungsmittelproduktion und des Einkommens der Bauern. Während die Produktion einer Handvoll landwirtschaftlicher Erzeugnisse zunahm, ging die biologische Vielfalt der Kulturpflanzen – die für die Ernährung und Gesundheit von entscheidender Bedeutung ist – zurück. Industrielle Lebensmittel sind nährstoffarm und voller Giftstoffe, was die Unterernährung verschlimmert und zu einem Dilemma der öffentlichen Gesundheit führt.

Diese negativen Auswirkungen auf den Planeten und die Gesellschaft sind Bestandteil des wissenschaftlichen Paradigmas und der Technologien der industriellen Landwirtschaft, von denen viele ihre Wurzeln in der Denkweise des Krieges haben. Diese Denkweise beruht auf einer militaristischen Sichtweise: Der Mensch wähnt sich im Krieg mit der Natur, die Bauern konkurrieren miteinander und die Länder sind in Handelskriege verwickelt. Die in der industriellen Landwirtschaft verwendeten Chemikalien haben ihren Ursprung in der Kriegsführung, insbesondere in den Gaskammern der Konzentrationslager. Die Einführung von Agrochemikalien im Westen vor fast einem Jahrhundert (und in Indien in den 1960er-Jahren mit der Grünen Revolution) verwandelte die Landwirtschaft und machte sie zum größten Verursacher der Schädigung der Erde. Jetzt konzentriert sie sich auf den externen Eintrag von Chemikalien und vernachlässigt die Rolle und die Funktion der biologischen Vielfalt in lebendigen Samen und Böden sowie die Wasser- und Nährstoffkreisläufe, die das Klimasystem der Erde aufrechterhalten. Anstatt mit den ökologischen Prozessen zusammenzuarbeiten, die in der Agrarökologie verankert sind – und dabei die Gesundheit des gesamten Agrarökosystems und seiner vielfältigen Arten zu berücksichtigen – wurde die Landwirtschaft auf ein System mit externem Input reduziert und an giftige Chemikalien angepasst.

Die industrielle Landwirtschaft arbeitet mit der Vorspiegelung, ein Paradigma, das auf einem Krieg gegen die Erde beruhe, sei die einzig verfügbare »Wissenschaft« und der Einsatz von Kriegschemikalien in der Landwirtschaft sei das beste Mittel, um die Ernährungssicherheit der Menschheit zu gewährleisten.

Im Gegensatz dazu entwickelt sich mit der Biodiversität, der Agrarökologie und dem regenerativen ökologischen Landbau ein wissenschaftliches und ökologisch robustes Paradigma der Landwirtschaft, das die dreifache Krise angeht. Anstatt den Boden, die Gesundheit und die ländlichen Lebensgrundlagen zu zerstören, werden sie erneuert und regeneriert. Anstatt giftige Chemikalien zu verwenden, die der Umwelt und der öffentlichen Gesundheit schaden, stützt sie sich auf die Vielfalt von Flora, Fauna und Mikroorganismen, die alle ihre jeweiligen ökologischen Funktionen haben.

Biologische Vielfalt, Agrarökologie und regenerative ökologische Landwirtschaft sind die ökologischen Praktiken, um Armut, Hunger und die vielfältigen Gesundheitsschäden anzugehen, die durch die chemie- und fossilbrennstoffintensive industrielle Landwirtschaft verursacht werden. Dies ist der notwendige Paradigmenwechsel, um die Ziele für nachhaltige Entwicklung zu erreichen, wie sie von den Vereinten Nationen festgelegt wurden, insbesondere die Ziele 1, 2 und 3.

ZIEL 1: Keine Armut: Armut in all ihren Formen überall beenden.

Armut ist mehr als der Mangel an Einkommen und Ressourcen, um eine nachhaltige Existenz zu sichern. Zu ihren Erscheinungsformen gehören Hunger und Unterernährung, begrenzter Zugang zu Bildung und anderer Grundversorgung, soziale Diskriminierung und Ausgrenzung sowie die mangelnde Beteiligung an Entscheidungsprozessen.

Das Wirtschaftswachstum muss integrativ sein, um nachhaltige Arbeitsplätze zu schaffen und die Gleichstellung zu fördern.

ZIEL 2: Den Hunger beenden, Ernährungssicherheit und eine bessere Ernährung erreichen und eine nachhaltige Landwirtschaft fördern.

»Es ist an der Zeit, darüber nachzudenken, wie wir unsere Lebensmittel anbauen, handeln und konsumieren.«

ZIEL 3: Ein gesundes Leben für alle Menschen jeden Alters gewährleisten und ihr Wohlergehen fördern.

»Die Gewährleistung eines gesunden Lebens und die Förderung des Wohlbefindens in jedem Alter sind für eine nachhaltige Entwicklung von wesentlicher Bedeutung. Es wurden bedeutende Fortschritte bei der Erhöhung der Lebenserwartung und der Verringerung der Kinder- und Müttersterblichkeit erzielt.«

In diesem neuen Paradigma sind die ökologischen Funktionen der biologischen Vielfalt die Produktionsmethoden, die auch als das Naturgesetz von Vielfalt und Ertrag bekannt sind. Wie die Forschung und Praxis von Navdanya in den letzten drei Jahrzehnten gezeigt haben, können wir durch die Erhaltung und Intensivierung der biologischen Vielfalt in Agrarökosystemen mehr Nahrungsmittel und Nährstoffe erzeugen, das Einkommen der Bauern erhöhen, den Boden, das Wasser und die biologische Vielfalt regenerieren und die Klimaveränderungen abschwächen, indem wir Kohlenstoff aus der Atmosphäre im Boden binden. Deshalb nennen wir unser Anbausystem regenerative biologische Landwirtschaft.

Dieses Buch fasst 31 Jahre Navdanya-Praxis und -Forschung im Bereich der biodiversen ökologischen Landwirtschaft zusammen. Es zeigt, dass wir durch Biodiversität und Agrarökologie die Produktion echter Lebensmittel verdoppeln (basierend auf dem Nährwert pro Hektar) und das Nettoeinkommen der Landwirte erhöhen können (basierend auf dem Wohlstand pro Hektar und der Kostenwahrheit). Die Forschungsarbeit unserer Organisation wird ergänzt durch die weltweite Erfahrung von André Leu als Biobauer, ehemaliger Vorstandsvorsitzender der IFOAM und derzeitiger internationaler Direktor von Regeneration International, einer Organisation, die wir gemeinsam mit Hans Herren vom IAASTD und Ronnie Cummins von der Organic Consumers Association gegründet haben.

Verschlechterung der Umwelt, der öffentlichen Gesundheit und der ländlichen Wirtschaft

Die industrielle Landwirtschaft ist für vier miteinander verbundene Umweltkatastrophen auf unserem Planeten verantwortlich: den dramatischen Rückgang der biologischen Vielfalt, die Klimaveränderungen, die Bodendegradation und die Wasserkrise. Gemeinsam tragen diese Krisen zu dem bei, was als »anthropogenes Massenaussterben« bezeichnet wird, das sechste große Aussterbeereignis auf unserem Planeten. Der Artenrückgang – insbesondere bei den Bienen, Vögeln und Fröschen – ist in erster Linie auf den Einsatz giftiger Agrochemikalien zurückzuführen, welche die Fruchtbarkeit und das Immunsystem beeinträchtigen, als endokrine Disruptoren wirken, Geburtsfehler verursachen und andere negative Auswirkungen auf die Gesundheit haben.

Der Millennium Ecosystem Assessment Synthesis Report der Vereinten Nationen ist die umfassendste Studie, die jemals über den Zustand der Umwelt auf unserem Planeten durchgeführt wurde. Dieser detaillierte Bericht vieler weltweit führender wissenschaftlicher Experten zeigt, dass unsere derzeitigen landwirtschaftlichen Praktiken eindeutig nicht nachhaltig sind und zum Verlust der biologischen Vielfalt beitragen. In den letzten 50 Jahren hat der Mensch die Ökosysteme schneller und umfassender verändert als in jedem anderen vergleichbaren Zeitraum der Menschheitsgeschichte, vor allem um den wachsenden Bedarf an Nahrungsmitteln, Süßwasser, Holz, Fasern und Brennstoffen zu decken. Dies hat zu einem erheblichen und weitgehend unumkehrbaren Verlust der Vielfalt des Lebens auf der Erde geführt.

In einer Studie der Universität von Kalifornien aus dem Jahr 2001 wurde festgestellt, dass die Landwirtschaft in den nächsten 50 Jahren eine der Hauptursachen für die globalen Umweltveränderungen sein und in ihren Auswirkungen den Treibhausgasen nicht nachstehen wird. Der Hauptautor, David Tilman, stellte fest, dass der Einsatz von Pestiziden, chemischen Düngemitteln und die Zerstörung von Lebensräumen ein großes Massenaussterben verursacht haben, das die biologische Vielfalt der Welt dezimiert und ihre Ökologie verändert: »Weder die Gesellschaft noch die meisten Wissenschaftler verstehen die Bedeutung der Landwirtschaft. Sie wird grob missverstanden und ist kaum auf dem Radar, dabei ist sie wahrscheinlich genauso entscheidend wie die Klimaveränderungen«, so Tilman. »Wir müssen für die Landwirtschaft klügere Lösungen finden.«

Der Synthesebericht des International Assessment of Agricultural Knowledge, Science, and Technology for Development (IAASTD) war die umfangreichste jemals durchgeführte Bewertung unserer derzeitigen globalen Agrarsysteme. Es handelte sich um einen Multi-Stakeholder-Prozess, an dem mehr als 400 wissenschaftliche Autoren, 61 Länder und ein Büro beteiligt waren, das von der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO), der Globalen Umweltfazilität (GEF), dem Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP), dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP), der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO), der Weltbank und der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gefördert wurde. In dem Bericht wurden zahlreiche Umweltprobleme aufgedeckt, die die Nachhaltigkeit der weltweiten landwirtschaftlichen Produktion beeinträchtigen:

Bodendegradation und Nährstoffverknappung

Die Verschlechterung der Bodenqualität betrifft weltweit etwa 2.000 Millionen Hektar Land und damit 38 Prozent der weltweiten Anbauflächen.

Die Verschlechterung der Bodenqualität bewirkte einen Rückgang der Nährstoffe im Boden, was zu Stickstoff-, Phosphor- und Kalium-Mängeln bei 59 Prozent (Stickstoff), 85 Prozent (Phosphor) bzw. 90 Prozent (Kalium) der Agrarflächen im Jahr 2000 führte.

Dies verursachte wiederum einen Produktionsverlust von insgesamt 1.136 Millionen Tonnen pro Jahr in der Welt.

1,9 Milliarden Hektar (und 2,6 Milliarden Menschen) sind heute in erheblichem Maße von der Bodendegradation betroffen.

Salzgehalt und Versauerung

Die Versalzung betrifft etwa 10 Prozent der bewässerten Flächen der Welt.

Verlust der biologischen Vielfalt (über und unter der Erde) und der damit verbundenen agrarökologischen Funktionen ausgelöst durch

wiederholten Anbau von Monokulturen,

übermäßigen Einsatz von Agrochemikalien,

Ausweitung der Landwirtschaft in ökologisch sensible Gebiete und

übermäßige Abholzung der natürlichen Vegetation, was sich negativ auf die Produktivität auswirkt.

Geringere Verfügbarkeit von Wasser, Verschlechterung von Qualität und Zugang zu Wasser

Vor 50 Jahren betrug die Wasserentnahme aus Flüssen nur ein Drittel des heutigen Wertes.

Die Landwirtschaft verbraucht bereits 75 Prozent des gesamten weltweit entnommenen Süßwassers.

Zunehmende Verschmutzung (Luft, Wasser, Boden)

Die zunehmende Verschmutzung trägt auch zu Problemen mit der Wasserqualität von Flüssen und Bächen bei.

Auch der Einsatz von Pestiziden und Düngemitteln wirkte sich weltweit negativ auf Boden, Luft und Wasserressourcen aus.

Die Landwirtschaft trägt zu etwa 60 Prozent zu den anthropogenen Methanemissionen bei und zu etwa 50 Prozent der Lachgasemissionen (Distickstoffmonoxid).

Unsachgemäße Düngung verursachte Eutrophierung (übermäßigen Eintrag von Nährstoffen) und große tote Zonen in einer Reihe von Küstengebieten.

Der unsachgemäße Einsatz von Pestiziden führte zu einer Verschmutzung des Grundwassers sowie zu gesundheitlichen Problemen und Verlust der Artenvielfalt.

Der IAASTD-Bericht gelangt zu dem Schluss, dass unsere derzeitigen landwirtschaftlichen Produktionssysteme nicht nachhaltig sind und verändert werden müssen: »Die Art und Weise, wie die Welt ihre Nahrungsmittel anbaut, muss sich radikal ändern, um die Armen und Hungernden besser zu versorgen, wenn die Welt mit der wachsenden Bevölkerung und den Klimaveränderungen fertigwerden und zugleich einen sozialen Zusammenbruch und einen ökologischen Kollaps verhindern will.« Die Paradigmen der gentechnisch veränderten Organismen und der industriellen Landwirtschaft werden nicht befürwortet. Stattdessen werden Lösungen vorgeschlagen, die die Nachhaltigkeit verbessern, auf lokaler Ebene mit geringeren Inputs arbeiten und ökologische Anbaumethoden, einschließlich des biologischen Landbaus, anwenden.

»Business as usual« ist keine Option, wenn wir ökologische Nachhaltigkeit erreichen wollen. Die industrielle Monokultur-Landwirtschaft hat mehr als 75 Prozent der genetischen Pflanzenvielfalt zum Aussterben gebracht, und sehr viele Bienen sterben aufgrund von giftigen Pestiziden. Albert Einstein warnte, dass, wenn die letzte Biene verschwindet, auch die Menschheit verschwinden wird. Wie die FAO am Internationalen Tag der biologischen Vielfalt 2018 erklärte:

Die biologische Vielfalt in der Landwirtschaft erhöht die Widerstandsfähigkeit, hilft den Landwirten, klimatische und wirtschaftliche Risiken zu verringern, und kann Produktivität, Stabilität, Lebensmittelsicherheit und Ernährung verbessern. Globale Veränderungen in der Nahrungsmittelproduktion und in den Ernährungsgewohnheiten bedrohen jedoch die landwirtschaftliche Artenvielfalt. Heute liefern 30 Kulturpflanzen 95 Prozent der Kalorien, die die Menschen durch die Nahrung aufnehmen, und nur vier Kulturpflanzen – Mais, Reis, Weizen und Kartoffeln – liefern mehr als 60 Prozent dieser Kalorien. Diese wachsende Abhängigkeit von einer immer engeren Palette von Kulturpflanzen untergräbt die Fähigkeit der Landwirtschaft, sich an die Klimaveränderungen anzupassen, da viele lokale Kulturpflanzen und Tierrassen widerstandsfähiger sind als die modernen Sorten, die an deren Stelle getreten sind.

Darüber hinaus hat ein aktueller Bericht der FAO die industrielle Landwirtschaft als eine der Hauptursachen für die Wasserkrise ausgemacht. Er zeigte, dass die chemieintensive industrielle Landwirtschaft mehr Wasser verbraucht und gleichzeitig die Wasserspeicherfähigkeit des Bodens zerstört, wodurch 75 Prozent des Wassers und des Bodens der Erde erschöpft und verschmutzt werden. Die Nitrate im Wasser aus der industriellen Landwirtschaft führen außerdem zu »toten Zonen« in den Ozeanen.

Das Intergovernmental Panel on Biodiversity and Ecosystem Services (Zwischenstaatliches Gremium für biologische Vielfalt und Ökosystemleistungen) warnte davor, dass Bodendegradation, Wüstenbildung und das Verschwinden der biologischen Vielfalt bereits die Lebensgrundlage und das Überleben von Millionen von Menschen beeinträchtigen. Es wurde festgestellt, dass jährlich 24 Milliarden Tonnen fruchtbarer Boden durch intensive und nicht nachhaltige Landwirtschaft verlorengehen und dass 700 Millionen Menschen zu Flüchtlingen werden könnten, wenn Boden, biologische Vielfalt und Ökosysteme nicht regeneriert werden.

Wie in meinem Buch Soil Not Oil (Erdboden statt Erdöl) analysiert, trägt die industrielle Landwirtschaft wesentlich zu den Klimaveränderungen bei. Fast 40 Prozent aller Treibhausgasemissionen, die für die Klimaveränderungen verantwortlich sind, stammen aus dem fossilen und chemieintensiven industriellen System der Landwirtschaft. Im Gegensatz dazu trägt eine biodiverse ökologische Landwirtschaft zum Klimaschutz, zur Anpassung und Widerstandsfähigkeit bei.

Öffentliche Gesundheit

Die industrielle Landwirtschaft hat nicht nur die Gesundheit des Planeten geschädigt, sondern auch das Recht auf Nahrung untergraben und sich negativ auf die Gesundheit der Menschen ausgewirkt. Etwa 75 Prozent der chronischen Krankheiten haben ihre Wurzeln in der Nahrung, die wir zu uns nehmen, und in den Giftstoffen in der Umwelt.

Während die Zerstörung der biologischen Vielfalt und des ökologischen Kapitals mit dem Argument der »Welternährung« gerechtfertigt wird, ist das Problem des Hungers gewachsen. Mehr als eine Milliarde Menschen sind ständig hungrig. Weitere zwei Milliarden leiden an ernährungsbedingten Krankheiten wie Fettleibigkeit. Hunger und Fehlernährung sind Teil eines Nahrungsmittelsystems, das mehr auf Profit als auf Gesundheit und Nachhaltigkeit ausgerichtet ist.

Wie bereits erwähnt, hat dieses System seinen Ursprung in der Herstellung von Sprengstoffen und Kriegschemikalien, die nach dem Ende der Kriege in die agrochemische Industrie verwandelt wurde. Die Sprengstofffabriken begannen, synthetische Düngemittel herzustellen, und die Kriegschemikalien wurden als Pestizide und Herbizide eingesetzt. Im Jahr 1984 führte ein Gasaustritt aus einer Pestizidanlage zur Bhopal-Katastrophe (auch bekannt als Bhopal-Gastragödie), bei der in der unmittelbaren Folge etwa 3.000 bis 7.000 Menschen starben. Seitdem hat die Katastrophe mehr als 15.000 weitere Todesopfer gefordert, und Hunderttausende Einwohner von Bhopal müssen mit langfristigen gesundheitlichen Problemen leben. Dies ist eine deutliche Mahnung, dass Pestizide töten. Der UN-Bericht über »Pestizide und das Recht auf Nahrung« stellt fest:

Pestizide verursachen jedes Jahr schätzungsweise 200.000 akute Vergiftungsfälle, von denen 99 Prozent in Entwicklungsländern auftreten. Gefährliche Pestizide verursachen hohe Kosten für die Regierungen. Schädliche Insektizide haben katastrophale Auswirkungen auf die Gesundheit und bergen das Potential für Menschenrechtsverletzungen an Landwirten und Landarbeitern, Gemeinschaften, die in der Nähe landwirtschaftlicher Flächen leben, an indigenen Gemeinschaften sowie Kindern und schwangeren Frauen (UNGA 2017).

Das Navdanya-Buch Poisons in Our Food (Gifte in unserer Nahrung) zeigt einen weiteren Zusammenhang zwischen Krankheitsepidemien wie Krebs und dem Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft auf und führt an, dass täglich ein »Krebszug« Punjab – das Land der Grünen Revolution in Indien – mit Krebskranken verlässt. In den letzten fünf Jahren sind in Punjab fast 33.000 Menschen an Krebs gestorben. André Leus Bücher The Myth of Safe Pesticides (Das Märchen von sicheren Pestiziden) und Poisoning Our Children (Die Pestizid-Lüge) dokumentieren ebenfalls die Gesundheitsschäden durch Pestizide.

Lebensunterhalt der Landwirte und ländliche Wirtschaft

Ein kapitalintensives System mit externen Inputs hat auch die Produktionskosten in die Höhe getrieben, so dass die Bauern mehr ausgeben, als sie einnehmen, und sich folglich verschulden müssen. Die industrielle Landwirtschaft in Verbindung mit der Globalisierung des Lebensmittelhandels führte zu einer beispiellosen Krise in der Landwirtschaft und löste eine Epidemie von Bauernselbstmorden auf der ganzen Welt aus. Wir haben jedoch die Möglichkeit, auf eine Art und Weise zu wirtschaften, die Überfluss schafft, wirtschaftlich tragfähig ist und den Bauern zu Wohlstand verhilft.

Um die industrielle Landwirtschaft einzuführen, hat man ein falsches Paradigma aufgestellt, das eine negative Wirtschaft als »produktiv« und notwendig für die Ernährung der Welt darstellt. Die industrielle Landwirtschaft verbraucht das Zehnfache der Energie, die in den von ihr produzierten Nahrungsmitteln enthalten ist. Sie verbraucht auch mehr finanzielle Mittel, als der Landwirt angesichts des Preisverfalls bei den weltweit gehandelten Rohstoffen wieder hereinholen kann, was in eine Schuldenfalle und zu Vertreibungen führt. Die Pseudoproduktivität verdeckt die wahren Kosten der Schäden, die die Erde und die Gesellschaft zu tragen haben. Diese versteckten externen Kosten sind die Grundlage für die ökologischen, bäuerlichen und gesundheitlichen Krisen, die mit der industriellen Landwirtschaft zusammenhängen. Auf der Grundlage des Produktivitätsmythos konzentrierte sich die Landwirtschaft auf große Industriebetriebe, chemische Monokulturen für eine Handvoll Rohstoffe. Als die Produktionskosten stiegen, gerieten die Landwirte in die Schuldenfalle, und die Kleinbauern begannen zu verschwinden. Die Landwirtschaftsbetriebe wurden konsolidiert, nicht weil große Betriebe effizienter sind, sondern weil sie die meisten Subventionen erhalten. Die gesamten Agrarsubventionen betragen 500 Milliarden Dollar, was Großbetriebe begünstigt. Was den Ressourcenverbrauch und die Produktivität betrifft, so sind kleine Betriebe produktiver. Der ehemalige indische Premierminister Charan Singh erkannte dies, als er schrieb:

Da die Landwirtschaft ein Lebensprozess ist, sinken in der Praxis unter gegebenen Bedingungen die Erträge pro Hektar mit zunehmender Betriebsgröße (das heißt mit abnehmendem Einsatz menschlicher Arbeit und Betreuung pro Hektar). Die oben genannten Ergebnisse sind nahezu universell: Der Ertrag der Investition pro Hektar ist in kleinen Betrieben höher als in großen Betrieben. Wenn also ein dicht besiedeltes, kapitalarmes Land wie Indien die Wahl zwischen einem einzigen 40-Hektar-Betrieb und 40 Ein-Hektar-Betrieben hat, sind die Kapitalkosten für die Volkswirtschaft geringer, wenn sich das Land für die kleinen Betriebe entscheidet.

Die negativen Folgen für Kleinbauern haben sich auch auf die Gesundheit und die Ernährung der Menschen ausgewirkt. Die menschliche Ernährung hat sich von 8.500 Pflanzenarten auf etwa acht weltweit gehandelte Waren verlagert, die keinen ausreichenden Nährwert haben. Wie bereits angedeutet, hat die Zerstörung der artenreichen kleinbäuerlichen Landwirtschaft erhebliche Auswirkungen auf die Gesundheit und führt zu einer wachsenden Epidemie nicht übertragbarer chronischer Krankheiten wie Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Bluthochdruck, neurologischen Problemen, Darmproblemen und Unfruchtbarkeit.

Wenn der Schwerpunkt auf der Produktion von Rohstoffen für den Handel und nicht auf der Ernährung liegt, sind Krankheiten und Unterernährung die Folge. Nur 10 Prozent der angebauten Mais- und Sojaprodukte werden als Lebensmittel verwendet – der Rest als Tierfutter und Biokraftstoffe. Rohstoffe ernähren die Menschen nicht, sondern nährstoffreiche Lebensmittel. Darüber hinaus haben »billige« Rohstoffe einen sehr hohen finanziellen, ökologischen und sozialen Preis. Diese Rohstoffe werden mit Subventionen in Höhe von 500 Milliarden Dollar (mehr als einer Milliarde Dollar pro Tag) künstlich über Wasser gehalten, was zu massiven Schulden führt. Schulden und Hypotheken sind der Hauptgrund für das Verschwinden der Familienbetriebe. In extremen Fällen, vor allem im Baumwollgürtel Indiens, haben die Schulden, die durch den Kauf von teurem Saatgut und chemischen Betriebsmitteln entstanden sind, in etwas mehr als zwei Jahrzehnten mehr als 300.000 Bauern in den Selbstmord getrieben. Der Ausstieg aus dieser Selbstmordökonomie ist für das Wohlergehen der Bauern, der Verbraucher und allen Lebens auf der Erde dringend notwendig geworden.

Anstelle eines ökologischen Ansatzes, der die wechselseitige Vernetzung einbezieht, wurde die Landwirtschaft in einzelne Disziplinen aufgespalten, die auf einem reduktionistischen, mechanistischen Paradigma beruhen. Anstatt sich auf die ökologischen Funktionen der biologischen Vielfalt im Boden und zwischen Pflanzen, Tieren und Insekten zu konzentrieren, wurde die Landwirtschaft auf den externen Einsatz von chemischen Düngemitteln, Pestiziden, Fungiziden und Herbiziden reduziert.

So wie das BIP die reale Wirtschaft, die Gesundheit der Natur und die Gesellschaft im weiteren Sinne nicht erfasst, so erfasst auch die Kategorie »Ertrag« nicht die realen Kosten des externen Inputs und den realen Ertrag der landwirtschaftlichen Systeme. Wie die UNO feststellte, sollten die sogenannten Hochertragssorten (High- yielding Varieties: HYV) der Grünen Revolution eigentlich High-Response-Sorten genannt werden, denn sie werden gezüchtet, um auf Chemikalien zu reagieren, und sind nicht aus sich heraus ertragreich. Der enge Maßstab von »Ertrag« trieb die Landwirtschaft in die Sackgasse der Monokulturen, die die Vielfalt verdrängen, die ökologischen Leistungen und Funktionen der biologischen Vielfalt zerstören und damit das natürliche und soziale Kapital aushöhlen. Mit einer industriellen Landwirtschaft ist es für Indien und andere Länder unmöglich, die Ziele für nachhaltige Entwicklung zu erreichen, zu denen sie sich verpflichtet haben.

Ein biodiversitätsbasierter Ansatz in der Landwirtschaft: Agrarökologie und regenerative ökologische Landwirtschaft

Wir brauchen ein neues Paradigma der Arbeit mit den Gesetzen der Natur und der ökologischen Nachhaltigkeit, nicht gegen sie. Die Naturgesetze beruhen auf biologischer Vielfalt und Agrarökologie. Die industrielle Landwirtschaft basiert auf dem externen Einsatz von Chemikalien, durch den die biologische Vielfalt und ihre ökologischen Funktionen zerstört wird. Es besteht ein breiter Konsens, dass die wichtigsten landwirtschaftlichen Produktionssysteme, die die Nahrungsmittel der Welt erzeugen, geändert werden müssen, da sie eindeutig nicht nachhaltig sind. Viele Experten sind sich zudem einig, dass das derzeitige Wissen, auf das sich die konventionelle Landwirtschaft stützt, nicht ausreicht, um Folgendes zu erreichen:

Das formale AKST-System [Agricultural Knowledge, Science, and Technology] (Kenntnis, Wissenschaft und Technik der Agrikultur) ist nicht gut gerüstet, um den Übergang zur Nachhaltigkeit voranzubringen. Die derzeitige Art und Weise der Organisation von Technologieentwicklung und -verbreitung eignet sich immer weniger, um den neuen ökologischen Herausforderungen, der Multifunktionalität der Landwirtschaft, dem Verlust der biologischen Vielfalt und den Klimaveränderungen zu begegnen. Die Ausrichtung der AKST-Systeme und -Akteure auf Nachhaltigkeit erfordert einen neuen Ansatz und eine neue Weltanschauung, um die Entwicklung von Wissen, Wissenschaft und Technologie sowie die politischen und institutionellen Veränderungen zu steuern, die deren Nachhaltigkeit ermöglichen. Sie erfordert auch einen neuen Ansatz bei den Wissensgrundlagen (IAASTD 2008).

Ein wissenschaftlich und ökologisch robustes Paradigma der Landwirtschaft ist im Entstehen, und es beruht auf dem Paradigma der Agrarökologie – der Wissenschaft der Ökologie in der Landwirtschaft. Anstelle von chemischen Mitteln, die der Umwelt und der öffentlichen Gesundheit schaden, basiert das Paradigma der ökologischen Landwirtschaft auf biologischer Vielfalt (Biodiversität). Die regenerative ökologische Landwirtschaft ist gut für den Boden, das Wasser, das Klimasystem, die öffentliche Gesundheit und den Lebensunterhalt der Bauern. Die Agrarökologie stellt die biologische Vielfalt in den Mittelpunkt der Lebensmittelproduktion. Sie misst nicht allein die Produktivität und Erträge von Monokulturen, in denen mit intensiven fossilen Brennstoffen und chemischen Mitteln produziert wird, sondern die auf der biologischen Vielfalt basierende Gesamtleistung biodiverser Systeme, einschließlich der internen ökologischen Funktionen, die von der biologischen Vielfalt bereitgestellt werden und Alternativen zu chemischen Mitteln darstellen.

Die mehr als drei Jahrzehnte durchgeführte Praxis und Forschung von Navdanya zeigten, dass wir die biologische Vielfalt, den Boden und das Wasser regenerieren, die Klimaveränderungen abmildern, die Ernährung und Gesundheit verbessern und die Nahrungsmittelproduktion und das Einkommen der Bauern durch den Einsatz einer biodiversen, regenerativen ökologischen Landwirtschaft verdoppeln können. Seit den 1980er-Jahren praktiziert und fördert die Autorin eine gewaltfreie, biodiverse Landwirtschaft. Sie erkannte, dass mit dem Begriff »Monokultur des Geistes« der Rahmen definiert wird, in dem »Ertrag« (der nur einen kleinen Teil biodiverser Ökosysteme ausmacht) im Vordergrund steht und der so tut, als erhöhe die chemische Landwirtschaft die Gesamtproduktion und sei daher die Lösung für die Ernährungsunsicherheit.

Durch Navdanya begann die Autorin, die auf Biodiversität beruhende Produktivität zu untersuchen, und stellte fest, dass der Gesamtertrag viel höher war als die Monokulturerträge der chemischen Landwirtschaft. Navdanya fing an, die Gesundheit pro Acre und die Ernährung pro Acre* zu messen, anstatt den Ertrag pro Acre (Navdanya, Health Per Acre, 2011). Auf der Grundlage dieser Forschung wurde festgestellt, dass eine biodiversitätsintensive ökologische Landwirtschaft die doppelte Bevölkerungszahl Indiens ernähren und gleichzeitig unsere natürlichen Ressourcen erhalten kann.

Auch die FAO bekräftigte den Zusammenhang zwischen biologischer Vielfalt und Ernährung in ihrer Pressemitteilung zum Internationalen Tag der biologischen Vielfalt. Es ist inzwischen anerkannt, dass die biologische Vielfalt auf unseren Feldern an die biologische Vielfalt in unserer Ernährung gekoppelt ist. Wie die Navdanya-Forschung zu biologisch vielfältigen ökologischen Systemen offenlegt, erzeugen ökologische Systeme höhere Erträge und Einkommen für ländliche Familien. Der Navdanya-Bericht Health Per Acre (Gesundheit pro Acre) zeigt, dass ökologische Systeme, gemessen am Nährwert pro Acre, mehr Lebensmittel produzieren. Eine auf Biodiversität beruhende ökologische Landwirtschaft senkt zudem die Kosten der Landwirte, indem sie die multifunktionalen ökologischen Prinzipien der Agrarökologie anwendet. Das Navdanya-Buch Wealth Per Acre (Wohlstand pro Acre) erläutert, warum Biodiversität und Agrarökologie eine Antwort auf die Armut im ländlichen Raum (und damit der Bauern) und die Agrarkrise sind. Biologische Agrarsysteme beruhen auf Fürsorge, Mitgefühl und Zusammenarbeit, um die ökologische Widerstandsfähigkeit und Vielfalt, die nachhaltige Existenzsicherung und die Gesundheit zu verbessern.

Dieses neue Paradigma der Landwirtschaft schafft eine lebendige Wirtschaft und eine lebendige Kultur, die das Wohlergehen aller Menschen und aller Lebewesen steigert. Das Herzstück dieses Systems sind Biodiversität und Agrarökologie, sowohl als Paradigma als auch als Produktionsweise. Wie die Arbeit von Navdanya und vielen anderen Organisationen auf der ganzen Welt zeigt, können wir durch eine auf biologischer Vielfalt beruhende ökologische und regenerative Landwirtschaft, die den Boden, das Wasser, die Klimasysteme, die Gesundheit, den Lebensunterhalt der Landwirte und die Lebensmitteldemokratie auf unserem Planeten regeneriert, mehr Nahrung erzeugen und für die Bauern höhere Einkommen erzielen.

Biologische Vielfalt

Geboren in den Wäldern des Himalayas beschreitet die Autorin seit ihrer Kindheit den Weg der Vielfalt. Als sie sich in den 1970er-Jahren als Freiwillige in der Chipko-Bewegung engagierte, wurde der Kontrast zwischen den beiden Paradigmen der Forstwirtschaft deutlich – das eine auf Kommerz und Monokulturen beruhend, das andere auf Bewahrung und Vielfalt. Von ihren Schwestern (von denen keine jemals eine Universität besucht hatte) lernte sie viel über die biologische Vielfalt und die gegenseitige Abhängigkeit; wie der Wald einerseits mit Bächen und Flüssen und andererseits mit der nachhaltigen Landwirtschaft verknüpft ist. Der Leitspruch der Frauen lautete, dass die wichtigsten Erzeugnisse des Waldes nicht Holz, Harz und Einkommen seien, sondern Boden, Wasser und reine Luft. 1981 gelang es der Chipko-Bewegung, ein Abholzungsverbot im hohen Himalaya zu erwirken, und seither sind die ökologischen Funktionen der Bergwälder und ihre Bedeutung für den Boden- und Wasserschutz sowie die Erneuerung der reinen Luft anerkannt. Die Zusammenhänge der Nährstoff- und Wasserkreisläufe lernte die Autorin an der, wie sie es nennt, »Chipko Unviversität« – und dies parallel zu ihrer Promotion über »Verborgene Variablen und Nichtlokalität in der Quantentheorie« an der Universität von Western Ontario in Kanada.

1982 wurde die Autorin von der Universität der Vereinten Nationen gebeten, eine fünfjährige Studie über Konflikte um natürliche Ressourcen durchzuführen. Im Rahmen der UNU-Studie wurde sie 1984 auf die Tragödien von Punjab und Bhopal aufmerksam und schrieb das Buch The Violence of the Green Revolution (Die Gewalt der Grünen Revolution), das ebenfalls veröffentlicht wurde.

Ihr Weg zum Thema der biologischen Vielfalt in der Landwirtschaft begann mit dem Versuch, die Gewalt zu verstehen, die in der chemischen Landwirtschaft steckt. Nur mit Blindheit gegenüber der biologischen Vielfalt und ihren ökologischen Funktionen gelangt man zur Einführung von Chemikalien, die der Erde und der Gesundheit schaden. Die chemische Landwirtschaft ließ uns die Rolle vergessen, die die biologische Vielfalt für eine nachhaltige Landwirtschaft spielt.

Biologische Vielfalt umfasst die Vielfalt der Pflanzen, Tiere und Mikroorganismen in der Welt, zusammen mit ihren ökologischen Funktionen und den Beziehungen unter ihnen. Je größer die Vielfalt und je mehrdimensionaler die ökologischen Funktionen sind, desto stabiler und nachhaltiger ist ein System und desto mehr Güter und Dienstleistungen kann es bereitstellen.

Eine Vielfalt von Saatgut und Pflanzensorten ist notwendig, um die Bodengesundheit zu verbessern, Wasser zu bewahren und Kohlenstoff zu binden. Die vielfältigen Funktionen, welche die Biodiversität erfüllt, erneuert die Bodenfruchtbarkeit und trägt zur Schädlings- und Unkrautbekämpfung bei. Die Alternative zu chemischen Düngemitteln, Pestiziden und Herbiziden, die der Gesundheit des Planeten und der Menschen schaden, ist eine biologische Vielfalt von Pflanzen, Insekten, Vögeln, Bodenorganismen und Nutztieren.

Das Ausmaß der Wechselwirkungen zwischen verschiedenen biotischen und abiotischen Komponenten bestimmt das Gesamtverhalten eines Agrarökosystems, das sich in der landwirtschaftlichen Leistung niederschlägt. Ein höheres Maß an funktionaler Biodiversität in einem Agrarökosystem löst ein Bündel von Synergien aus, die die Bodenbiologie verbessern, Nährstoffe recyceln, die Effizienz der Photosynthese steigern und andere biologische Funktionen erfüllen. Mit anderen Worten: Ein hohes Maß an Biodiversität versetzt das gesamte Agrarökosystem in einen Zustand erhöhter Dynamik. Je dynamischer ein Agrarökosystem ist, desto funktionaler, produktiver und nachhaltiger kann es sein.

Traditionelle Bauern bewahren die Weisheit der biologischen Vielfalt. Sie haben verschiedene Methoden entwickelt, um die biologische Vielfalt auf jeder Ebene ihrer landwirtschaftlichen Systeme zu verbessern. Aus diesem Grund hat die traditionelle Landwirtschaft nicht nur über Jahrtausende hinweg überlebt, sondern auch gut und nachhaltig funktioniert. Die traditionelle Landwirtschaft, die von einer lebendigen biologischen Vielfalt geprägt ist, ist unvergänglich. Die ständige Vergrößerung der biologischen Vielfalt ist der Kern der Evolution, und die traditionellen Landwirte haben diese Realität immer verstanden und in ihren Anbaustrategien zum Ausdruck gebracht. Jede Innovation der Bauern dreht sich um die biologische Vielfalt. Ihre Entdeckung neuer Sorten und die Charakterisierung jeder einzelnen ist eine wunderbare Möglichkeit, die Landwirtschaft durch neue Erfahrungen zu bereichern.

Die Erosion der Agrobiodiversität führte zur Erosion der traditionellen Landwirtschaft. Die Befürworter der industriellen Landwirtschaft versuchten, die traditionelle Landwirtschaft zu diffamieren. Und inzwischen, nachdem die meisten Landsorten verschiedener Nahrungspflanzen verschwanden – vielleicht für immer –, verlor die traditionelle Landwirtschaft viel von ihrer Attraktivität. Sie blieb nur auf einige wenige isolierte und arme Gebiete beschränkt, in denen eine genetische Erosion nicht stattfinden konnte.

Die biologische Vielfalt in der Landwirtschaft kann jedoch auf verschiedene Weise wieder hergestellt werden, wenn man den Grundsätzen der Agrarökologie folgt. Viele Wissenschaftler machten die zentrale Bedeutung der biologischen Vielfalt deutlich und schlugen Wege zu ihrer Wiederherstellung in der Landwirtschaft vor. Hier seien einige Strategien zur Diversifizierung von Agrarökosystemen genannt:

Agroforstliche Systeme

Bäume oder andere mehrjährige Gehölze, einjährige Pflanzen und Nutztiere werden integriert, um die komplementären Beziehungen zwischen den Komponenten zu verbessern und die Mehrfachnutzung der Agrarökosysteme zu erhöhen.

Polykulturen: Zwei oder mehr Pflanzenarten werden zusammen angebaut. Zum Beispiel pflanzt man flachwurzelnde Hirse mit tiefwurzelnden Hülsenfrüchten, so dass pro Flächeneinheit ein höherer Ertrag von mehr als einem Nahrungsmittel (Wirtschaftsgut) erzielt wird.

Deckfrucht: Pflanzung von Leguminosen oder anderen einjährigen Pflanzen in Rein- oder Mischbeständen unter Obstbäumen zur Verbesserung der Bodenfruchtbarkeit, zur biologischen Schädlingsbekämpfung und zur Verbesserung des Mikroklimas.

Fruchtfolgen: Eine Vielfalt in der Abfolge der angebauten Pflanzen liefert Nährstoffe und unterbricht die Lebenszyklen verschiedener Schädlinge, Krankheiten und Unkräuter.

Nutztiere: Die Viehhaltung in Agrarökosystemen schafft zusätzliche Nährstoff- und Energiepfade, welche die Produktion einer Vielzahl von Nahrungsmitteln ermöglichen und das Nährstoffrecycling verbessern. Alle diversifizierten Formen von Agrarökosystemen weisen folgende Merkmale auf (Altieri, 2000):

Die Vegetationsdecke wird als wirksamer Boden- und Wasserschutz durch den Einsatz von Direktsaat, Mulchen, Gründüngung und anderen geeigneten Methoden bewahrt.

Sie erhalten eine regelmäßige Zufuhr von organischem Material in Form von organischen Stoffen (Dünger, Kompost und Förderung der biotischen Aktivität im Boden).

Die Mechanismen des Nährstoffrecyclings werden durch die Tierhaltung verbessert, welche auf dem Anbau von Leguminosen und anderen Deckfrüchten basiert.

Die Regulierung von Schädlingen wird durch das Einbringen oder die Förderung natürlicher Feinde und Antagonisten erreicht.

Die biologische Vielfalt steht im Mittelpunkt unseres Konzepts für die Gestaltung landwirtschaftlicher Systeme nach agrarökologischen Grundsätzen. In Agrarökosystemen ist die biologische Vielfalt aus einer Vielzahl von Gründen von entscheidender Bedeutung (Altieri 1994, Gliessman 1998):

Mit zunehmender Vielfalt steigen die Chancen für die Koexistenz und Wechselwirkungen zwischen den Arten, welche die Nachhaltigkeit von Agrarökosystemen verbessern.

Eine größere Vielfalt ermöglicht eine effizientere Ressourcennutzung in Agrarökosystemen durch eine bessere Anpassung auf der Systemebene an die Heterogenität der Lebensräume. Dies führt zu einer wechselseitigen Ergänzung der Bedürfnisse der Pflanzenarten, einer Diversifizierung der Nischen, einem Überlappen der Nischen der Arten und einer Aufteilung der Ressourcen.

In vielfältigen Ökosystemen, in denen Pflanzenarten gemischt sind, existiert eine größere Anzahl und Vielfalt an natürlichen Feinden von Schädlingen, wodurch deren Populationen in Schach gehalten werden.

Ein vielfältiger Pflanzenbestand kann zu einem vielfältigen Mikroklima innerhalb des Anbausystems führen, so dass sich Lebewesen ansiedeln, die nicht zum Anbau gehören – darunter nützliche Räuber, Parasiten, Bestäuber, Bodenfauna und Antagonisten –, die aber für das gesamte System von Bedeutung sind.

Die Vielfalt im Boden erbringt eine Vielzahl ökologischer Leistungen, wie etwa einen Nährstoffkreislauf, die Entgiftung schädlicher Chemikalien und die Regulierung des Pflanzenwachstums: Sie trägt zur Erhaltung der biologischen Vielfalt in den umliegenden natürlichen Ökosystemen bei und verringert das Risiko der Bauern in abgelegenen Gebieten durch unvorhersehbare Umweltbedingungen.

Das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die biologische Vielfalt wurde 1992 auf dem Erdgipfel von Rio von 150 Staats- und Regierungschefs unterzeichnet, um den Erhalt der biologischen Vielfalt, ihre nachhaltige Nutzung und eine gerechte Aufteilung zu fördern. Da zu den ökologischen Funktionen der biologischen Vielfalt die Bereitstellung von frischer Luft, Nahrung, Wasser, Medizin und Unterkunft gehört, ist ihre Erhaltung mit den Grundbedürfnissen der Menschen verbunden. Eine auf biologischer Vielfalt basierende Agrarökologie ist für die Lebensmittel- und Ernährungssicherheit unerlässlich.

Die globale Erosion der biologischen Vielfalt

Vielfalt ist ein wesentliches Merkmal der Natur und die Grundlage für ökologische Stabilität. Vielfältige Ökosysteme bringen vielfältige Lebensformen und Kulturen hervor, und dies ist die Grundlage der Nachhaltigkeit. Die Koevolution von Kulturen, Lebensformen und Lebensräumen hat die biologische Vielfalt auf diesem Planeten bewahrt; kulturelle Vielfalt und biologische Vielfalt gehen Hand in Hand.

Überall auf der Welt entwickelten Gemeinschaften Wissen und fanden Wege, ihren Lebensunterhalt aus der Vielfalt der Natur zu bestreiten – in wilden und domestizierten Formen. Jäger- und Sammlergemeinschaften nutzen Tausende von Pflanzen und Tieren für Nahrung, Medizin und Behausung. Hirten-, Bauern- und Fischergemeinschaften entwickelten ebenfalls Wissen und Fähigkeiten, um ihren Lebensunterhalt aus der lebendigen Vielfalt von Land und Wasser zu bestreiten. Das tiefe und differenzierte ökologische Wissen über die biologische Vielfalt führte zu gesellschaftlichen Regeln für ihre Erhaltung, die sich in Vorstellungen von Heiligkeit und Tabus widerspiegeln.

Heute jedoch ist die Vielfalt der Ökosysteme, Lebensformen und Lebensweisen vieler Gemeinschaften vom Aussterben bedroht. Lebensräume wurden eingehegt oder zerstört, die Vielfalt ging zurück, und die von der biologischen Vielfalt abgeleiteten Lebensgrundlagen sind bedroht.

Tropische Regenwälder bedecken nur 7 Prozent der Landoberfläche der Erde, beherbergen aber mindestens die Hälfte aller Arten. Die Entwaldung in diesen Regionen schreitet rasch voran, wobei konservative Schätzungen von einer Nettoabholzungsrate von bis zu 6,5 Prozent in der Elfenbeinküste und durchschnittlich etwa 6 Prozent pro Jahr (etwa 7,3 Millionen Hektar) für alle tropischen Länder ausgehen. Bei dieser Rate, die Wiederaufforstung und natürliches Wachstum berücksichtigt, würden alle geschlossenen tropischen Wälder innerhalb von 177 Jahren abgeholzt werden (FAO 1981). Etwa 48 Prozent der Pflanzenarten der Welt kommen in oder in der Nähe von Waldgebieten vor, in denen in den nächsten 20 Jahren mehr als 90 Prozent der Fläche zerstört werden, was zum Verlust von etwa einem Viertel dieser Arten führen wird (Raven 1988). Die derzeitige Aussterberate wird auf etwa eintausend Arten pro Jahr geschätzt (Wilson 1988). In den 1990er-Jahren wurde erwartet, dass diese Zahl auf zehntausend Arten pro Jahr ansteigen würde, was einer Art pro Stunde entspricht. In den nächsten 30 Jahren könnten eine Million Arten ausgelöscht werden.

Die biologische Vielfalt in den marinen Ökosystemen ist ebenfalls bemerkenswert, und Korallenriffe werden, was die Vielfalt angeht, manchmal mit tropischen Wäldern verglichen (Connell 1978). Leider sind auch die marinen Lebensräume und das Meeresleben stark bedroht. Durch die Zerstörung der Vielfalt steht die Grundlage der Fischerei in den meisten Küstenregionen der Welt kurz vor dem Zusammenbruch.

Die Zunahme der ökologischen Anfälligkeit

Die Erosion der Vielfalt ist ebenfalls in den landwirtschaftlichen Ökosystemen gravierend. Diese Ökosysteme, insbesondere in den Tropen, sind seit jeher die Quelle der Welternährung. Weizen, Reis, Kartoffeln, Gemüse und Obst haben sich von diesen Ursprüngen aus über die ganze Welt verbreitet. Zu den Landsorten dieses Gürtels gehören dürreresistente und schädlingsresistente Sorten, Heilpflanzen und Grundstoffe für die Behausung und Kleidung der Menschen. Darüber hinaus sind die einheimischen Sorten am widerstandsfähigsten gegen lokal auftretende Schädlinge und Krankheiten.

Selbst wenn bestimmte Krankheiten auftreten, sind vielleicht einige der Sorten anfällig, während andere resistent sind und überleben. Traditionell trugen zudem Anbaumuster wie die Fruchtfolge zur Schädlingsbekämpfung bei. Da viele Schädlinge auf bestimmte Pflanzen spezialisiert sind, führt der Anbau verschiedener Kulturen zu unterschiedlichen Jahreszeiten zu einer starken Reduzierung der Schädlingspopulationen, so dass weniger Chemikalien eingesetzt werden müssen. Außerdem ist eine weniger intensive Bewässerung erforderlich, denn das Bewässern ist eine nachteilige Praxis, die die Ausbreitung von Schädlingen fördert und viele Pflanzensorten schädigt. Solche Anbausysteme haben also einen eingebauten Schutz. Die traditionelle Landwirtschaft kennt das Konzept des »Unkrauts« nicht. Alle Pflanzen haben ihren Nutzen, manche sogar mehr als einen. In einigen Fällen haben die verschiedenen Teile einer einzigen Pflanze jeweils eine eigene Verwendung. Denial Querol schreibt über einen Bauernhof in Mexiko, der über 200 »Unkräuter« hatte. »Der Bauer hatte jedoch für alle diese Pflanzen eine bestimmte Verwendung. Für ihn war keine einzige ein Unkraut, das man zu vernichten hatte.«

Mit dem Einsatz von »Wundersaatgut« im Rahmen der Grünen Revolution wurde das Konzept eingeführt, dass nur ein Erzeugnis der Pflanze nützlich ist: das vermarktbare Produkt. Bei den Hochertragssorten (HYVs) – eigentlich High-Response-Sorten – wurde nur das Korn als nützliches Produkt betrachtet. Pflanzen, die nicht genügend Körner lieferten, wurden als Unkraut angesehen und vernichtet, auch wenn sie den Bedarf der Bauern an Futter, Dachbedeckung (wie im Falle der Reissorten) und anderen Ressourcen deckten. Vor der Grünen Revolution gab es in Indien etwa 30.000 einheimische Reissorten, während es heute im kommerziellen Anbau nicht mehr als 50 Sorten sind.

Uniformität bedeutete, dass auf den Feldern nicht mehr als eine Kultur gleichzeitig angebaut werden durfte. Wenn die Bauern früher Kichererbsen zusammen mit einheimischen Weizensorten oder Senf mit Fingerhirse anbauten, verlangte es die Uniformität, dass solche Praktiken abgeschafft werden. So verschwand die ausreichende Versorgung mit Nahrungsmitteln (außer Getreide) zusammen mit Sorten wie Bathua, Amaranth und anderen traditionell wichtigen Pflanzen. Da nur das Getreide wichtig war, wurde es zwingend notwendig, die Felder nicht brachliegen zu lassen, sondern das Getreide immer wieder anzubauen, was zu einer Vermehrung der Schädlinge im Boden führte:

Die Einführung von Hochertragssorten hat zu einer deutlichen Veränderung des Status von Schadinsekten geführt… Die meisten der bisher eingesetzten Hochertragssorten sind anfällig für großflächigen Schädlingsbefall mit einem Ernteverlust von 30 bis 100 Prozent (Shiva 2016).

Die HYV-Sorten erbrachten nur dann große Mengen an Getreide, wenn sie mit übermäßigen Mengen an Chemikalien in Form von Düngemitteln und Pestiziden behandelt wurden. Auch der Bedarf an Bewässerung stieg, was zu viel Gift und Staunässe im Boden verursachte.

Diese Uniformität führt zu Monokulturen, die ökologisch nicht nachhaltig sind. Monokulturen erzeugen per Definition identische Pflanzen. Wenn also eine Pflanze anfällig ist, dann sind es alle. In den Jahren 1970–71 wurde der riesige Maisgürtel Amerikas von der Südlichen Maisfäule verwüstet. Asiens Reis wurde 1968–69 von der Bakterienkrankheit und 1970–71 von der Tungro-Krankheit heimgesucht. Über 2 Millionen Hektar der indonesischen Reisanbaugebiete wurden 1975 von Schädlingen befallen. Und 1992–93 erlitt die Kartoffelernte in Nordindien schwere Verluste, insbesondere in Uttar Pradesh.

Die zunehmende Anfälligkeit der Landwirtschaft spiegelt sich in der Viehwirtschaft wider. Traditionelle Rinderrassen weichen Kreuzungen von Jersey und Holstein, die weitaus anfälliger für Krankheiten sind und besser geplante Fütterungsstrategien erfordern als einheimische Rassen (die sich selbst ernähren können). Diese Rassen produzieren nicht genug Dung – den wichtigsten organischen Dünger für Kleinbauern –, sondern sind lediglich Milchproduzenten.

Die Erosion der Artenvielfalt setzt eine Kettenreaktion in Gang. Das Verschwinden einer Art führt zum Aussterben zahlloser anderer Arten, die über Nahrungsnetze und Nahrungsketten miteinander verbunden sind (was wir Menschen nicht vollständig verstehen). Die Verdrängung einheimischer Sorten, sei es im Ackerbau oder in der Viehzucht, hat schwerwiegende ökologische Folgen, die die Produktivität beeinträchtigen. Bei der Krise der biologischen Vielfalt geht es nicht einfach nur um das Verschwinden von Arten, die als Industrierohstoffe den Unternehmen Geld einbringen. Es handelt sich vielmehr um eine Krise, welche die Lebensgrundlagen und den Lebensunterhalt von Millionen von Menschen in den Entwicklungsländern bedroht.

Die biologische Vielfalt ist das wichtigste Produktionsmittel einer nachhaltigen, kleinbäuerlichen Landwirtschaft. Die ökologischen Funktionen der biologischen Vielfalt liefern die internen Inputs, die es dem Bauern ermöglichen, sich von externen chemischen Inputs wie Düngemitteln, Pestiziden und Herbiziden unabhängig zu machen. Der Navdanya-Ansatz zur Erhaltung der biologischen Vielfalt in der Landwirtschaft basiert auf der Erhaltung der Vielfalt auf fünf Ebenen:

Vielfalt der Ökosysteme

Vielfalt der landwirtschaftlichen Systeme

Artenvielfalt

Sortenvielfalt oder genetische Vielfalt

Vielfalt der Erzeugnisse