Alisya - Peter Zimmermann - E-Book

Alisya E-Book

Peter Zimmermann

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Beschreibung

Wir sind unsterblich, der Tod scheint besiegt! Wissenschaftlerinnen in Silicon Valley haben es geschafft. Wenn man der Wissenschaft glauben darf, so ist bereits ewiges Leben für alle? Realität. Nach einem Bericht im Wissenschaftsmagazin Science World ist ewiges Leben durch integrative Quanten Computer Technik in der Blutbahn potentiell möglich. Wer kann sich die Unsterblichkeit leisten? Halb Mensch, halb Roboter, der neue Mensch ist geboren. Erste Langzeit-versuche am Menschen versprechen große Erfolge. Laut einer geheimen Studie existieren bereits mehrere Dutzend Hybrid-Menschen. Vielleicht ist Ihre Nachbarin eine davon? Fluch oder Segen für die Menschheit? Wie verändert sich das gesellschaftliche Zusammenleben in diesem Jahrhundert? Die Entwicklung des Menschen und seiner Lebensbedingungen werden sich radikal verändern. Der Autor schreibt über eine Wissenschaftsjournalistin und ihre sensationellen Entdeckungsreisen in die Zukunft.

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Ewiges Leben für „alle(?)“

Ein Blog-Bericht von Alisya Sambori

Wir sind unsterblich – der Tod scheint besiegt! Frau Prof. Dr. Tatjana Langthaler und ihr Team haben es geschafft. Wenn man der Wissenschaft glauben darf, so ist bereits ewiges Leben für „alle(?)“ Realität. Nach einem Bericht im Wissenschaftsmagazin Science World ist Unsterblichkeit durch integrative Atto-Technik (Quantencomputer in der Blutbahn) potentiell möglich. Wer kann sich ewiges Leben leisten? Halb Mensch, halb Roboter – der transhumane Mensch ist geboren. Erste Langzeitversuche am Menschen versprechen große Erfolge! Laut einer geheimen Studie existieren bereits mehrere Dutzend Transhumane. Vielleicht ist Ihre Nachbarin eine davon? Fluch oder Segen für die Menschheit?

Ja, dieser Blog war der Beginn meiner Laufbahn als Journalistin und Autorin. Die vielen Reaktionen und Fragen haben mich bewogen diesen Roman zu schreiben! Durch wissenschaftliche Zukunftsforschung öffneten sich mir neue Dimensionen und Erkenntnisse über die Entwicklung der Menschheit in diesem Jahrhundert.

Vorwort zu ALISYA

Dieser Roman basiert auf einer „wahren“ Erzählung. Meine Klientin, eine Journalistin aus Wien, die ich im Folgenden Alisya Sambori nennen will, möchte ihre Anonymität wahren. Ich habe Alisya beraten und unterstützt, um ihre sensationellen Erfahrungen zu Papier zu bringen und dabei mit Einverständnis der Erzählerin, einige Fußnoten zum besseren Verständnis eingefügt.

„Wir sind unsterblich – der Tod scheint besiegt“ war einer ihrer ersten Sätze, die sie zu mir sagte, als Sie mich in meiner Praxis aufsuchte. Alisya hat als Seherin und Zeitreisende sicherlich besondere Fähigkeiten. Ihre Berichte und ihre Eingebungen über die Entwicklungen der Menschheit auf diesem Planeten in den nächsten Jahrzehnten scheinen für Skeptiker durchaus unglaubwürdig und erfunden zu sein … Das Zukunftsszenario, welches Alisya „beschreibt“, ist jedoch sehr beeindruckend und auch nachvollziehbar. Die Wissenschaft der Zukunft (Science-Fiction?) ist nicht mehr Wissenschaft der Zukunft – so kann durchaus pointiert formuliert werden. Ewiges Leben ist keine unmögliche Vision mehr, das wissen wir heute von Ankündigungen der Chefdesigner aus Silicon Valley. Selbst die Schulmedizin postuliert, dass in naher Zukunft 200 Lebensjahre und mehr realistisch sind.

Alisya ist in diesem Roman der Frage nach dem „Ewigen Leben“ aus verschiedenen Perspektiven nachgegangen. Als spirituelles Medium und Frau hat sie natürlich auch einen anderen Zugang zum ewigen Leben. Dieser Roman beschreibt die Geschichte eines „todkranken“ jungen Mädchens auf dem Weg zu einer selbstbewussten, erkenntnisreichen, gesunden Frau. Es ist jedoch auch eine Erzählung durch die Wirrnisse unserer Zeit und der Zeit, die uns noch bevorsteht. Alisya bekommt durch ihre Begabung auf ihren Zeitreisen in die Zukunft auch Einsichten über die wirtschaftliche und gesellschaftspolitische Entwicklung der Menschheit in diesem Jahrhundert. Spannende Entwicklungsszenarien und Erkenntnisse werden die Fantasie der LeserInnen anregen und gegebenenfalls für Verwunderung und Diskussionen sorgen. Eine Gegenüberstellung von spiritueller Sicht und materielldigitaler Sinneswahrnehmung erzeugt ein „neues“, für die meisten Menschen ungewohntes Weltbild. Ein radikaler Wechsel im Zusammenleben der Menschheit wird durch Bewusstseinserweiterung einerseits und die radikale Digitalisierung andererseits noch in diesem Jahrhundert eingeleitet. Unseren Kindern und Enkeln offenbart sich letzten „Endes“ eine neue, eine menschlichere Weltordnung. Der Weg dorthin war mühsam und wurde nicht ohne Heilungsschmerz erreicht. Eine spannende Geschichte der Unsterblichkeit und eine „Vision“ der zukünftigen sozio-ökonomischen Entwicklung der Menschheit darf erwartet werden.

Dr. Lucia Vendetti

Der Autor und der Verlag haften nicht für Beeinträchtigungen und Reaktionen jeglicher Art, die aus dem „Studium“ der folgenden Lektüre entstehen.

IRGENDWIE war ich anders! Es begann schon im frühen Kindesalter, so gegen Ende des letzten Jahrtausends. Ich konnte schon als kleines Mädchen mit fünf, sechs Jahren Ereignisse vorausahnen. Anfangs litt ich sehr darunter, denn niemand wollte mir glauben. Alles Behauptungen, alles Zufälle, wurde mir versichert. Ich wusste zum Beispiel genau, wann meine geliebte Großmutter sterben würde, auch vom Autounfall unserer Nachbarin, Frau Rottmann, oder über die Terroranschläge im Jahr 2016 in Paris und in Belgien oder von den Hurrikans 2017 habe ich im Voraus „geträumt“. Ich oder besser mein Bewusstsein war bei diesen Ereignissen präsent. „Versündige dich nicht, rede nicht so einen Unsinn“, sagte meine Mutter dann immer zu mir. Deshalb schwieg ich in Folge und sprach nie wieder in Gegenwart meiner Mutter von meinen „Vorahnungen“.

Nun aber, im Jahr 2018 möchte ich berichten, was in diesem Jahrhundert der Menschheit noch bevorsteht, ja, ich möchte die wesentlichen Entwicklungen, welche die Welt in den nächsten Jahrzehnten revolutionieren werden, öffentlich machen.

Die Ereignisse und die Entwicklungen der Menschheit, die gesamten gesellschaftspolitischen Veränderungen werden überwältigend sein – sehr aufregend!

Ich muss alles dokumentieren, ich bin eine zwanghafte Schreiberin, nicht nur weil ich natürlich weiß, dass es einmal veröffentlicht werden muss – nein, auch in der Hoffnung, dass diese Zeilen ein Umdenken auf diesem Planeten einleiten. Sehnlichst wünsche ich mir, dass die Menschheit auf Grund meiner „Erfahrungen“ und Erkenntnisse den Lauf der Geschichte verändert, um noch schlimmere Katastrophen zu verhindern. Denn vieles, was in den nächsten Jahrzehnten passieren wird, geschieht einfach nur aus Unwissenheit und blankem Egoismus. Ich bin jetzt fast fünfundzwanzig Jahre jung und blättere in meinem digitalen Tagebuch, alles Aufzeichnungen aus meinen Zeitreisen und Klarträumen. Eines möchte ich noch anmerken, weil es mir sehr wichtig erscheint: Während ich diese Zeilen schreibe, arbeitet die Wissenschaft an dem künstlich im Labor erschaffenen „Ewigen Leben“. Gleichzeitig werden auf unserem Planeten zurzeit an die 30 Kriege geführt, die Hungersnot für Millionen Menschen wird zum Großteil von Menschenhand verursacht, Millionen haben keine ausreichende Gesundheitsversorgung, zu wenig Wasser und verdursten. Ja, das ist die andere Seite. Deshalb möchte ich einerseits über das „Ewige Leben“ für uns Menschen und andererseits über einige Überlebensstrategien der Menschheit berichten. Ja, dieses Wissen möchte ich allen Interessierten zur Verfügung stellen.

WIEDER war ich nachts aufgewacht. Das Jucken an Armen, Beinen, Bauch und Hüften hatte mich aus dem Schlaf gerissen, es nervte. Ich wollte Mama nicht wecken – zu spät, sie war natürlich aufgewacht, sie war immer gleich wach, wenn es mir nicht gut ging, wie das funktionierte, wusste ich natürlich, Mama allerdings nicht. Sie hatte aber auch eine gute Geschichte dafür: „Ich träume von dir, liebste Alisya“, sagte sie dann immer, während sie ihre Hand über mein schulterlanges schwarzes Haar gleiten ließ. In gewisser Weise hatte sie Recht. Na gut, egal – sie hatte wie immer die Salbe dabei und begann mich einzucremen, danach wurde es ein wenig besser. Der Arzt sagte, es wäre etwas mit den Nerven, er könne keine Ursache für die allergische Hautreaktion finden. Ich mochte ihn nicht und auch nicht die vielen Tests, die ich machen musste. Die Pillen, die er mir gegeben hatte, machten mich nur müde, einmal war ich sogar in der Schule eingeschlafen. Ich hätte die Krätze, schimpften meine Schulfreundinnen und eine Streberin wäre ich auch, was einfach gelogen war. Vielleicht war ich einfach nicht so blöd wie die alle. „Ich wünsche euch die Krätze“, dachte ich mir, lieber hätte ich es in ihr blödes Grinsen geschrien, hatte aber nicht den Mut dazu gehabt! Deshalb blieb ich immer öfter zu Hause und lernte aus den Büchern oder aus dem Internet, das fiel mir ohnehin leichter, außerdem hatte ich da meine Ruhe. Die fünfte Klasse durfte ich überspringen; trotzdem, ich wollte nichts versäumen. Die sechste Klasse Realschule war schon ganz schön schwer zu verdauen, vor allem wenn man null Bock drauf hatte! Mehr als einmal fragte ich mich, wieso man immer noch so viel Schrott auswendig lernen musste. Hallo, es gab Internet, Wikipedia, aber manche Lehrer waren echt retro! Leider futterte ich beim Lernen zuhause zu viele Chips, sagte Mama.

Mama hatte mich von einem Arzt zum anderen geschleppt, nichts hatte geholfen. Sie hatte mir gestern versprochen, dass wir zu einer anderen Frau Doktor gehen würden, einer „Wunderheilerin“, hatte sie gesagt. Eine Freundin habe ihr diese empfohlen. Ich wusste natürlich, dass diese „Wunderheilerin“, wie Mama sagte, Frau Dr. Vendetti sein würde – endlich! Nur, sie ist keine „Wunderheilerin“, sondern eine Frau, die geistiges Heilen praktiziert. Sie würde mir jedoch sicher helfen, meine Leukämie – das war wahrscheinlich meine Krankheit – zu heilen. Ich wagte bis jetzt nicht, Mama von meiner Krankheit zu erzählen, ich hatte Angst, sie brächte mich sonst noch in die Klapse. Und der Doktor vom Allergieambulatorium war zu blöd, um mein Blut auf Leukämie zu testen. Hätte ich ihm das sagen sollen? Ich war mir doch auch nicht sicher. Sehr wohl konnte ich mich jedoch erinnern, eine Botschaft von meinem „Schutzengel“ bekommen zu haben: „Dein Blut ist sehr krank, aber keine Angst, du wirst geheilt“, hatte er gesagt. Ich hatte dann gegoogelt und war auf Leukämie gekommen. Ja, das war es, ganz sicher war ich natürlich nicht. Die Empfehlung von Mamas Freundin, die Sache mit der „Wunderheilerin“, war sicher auch vom Schutzengel in die Wege geleitet worden. So waren Mutter und ich zur „Wunderheilerin“ gegangen.

DR. VENDETTI ist gebürtige Italienerin, sie lebt aber schon seit vielen Jahren in Wien, hatte sie uns gleich erzählt. Sie war sehr freundlich, wirkte auch sehr sympathisch auf mich ... Frau Vendetti nahm so eine Art Metallgriff in ihre Hand, in diesem Griff steckte ein langer schwingender Draht, an dessen Spitze ein metallener Ring angebracht war. Sie fragte mich alle Lebensmittel ab, die ich gerne essen würde, wobei der Metallring immer wieder zu schwingen begann, mal in die eine Richtung, mal in die andere Richtung. Mir wurde das zu blöd. Ich nahm dann allen Mut zusammen und sagte: „Ich habe Leukämie. Bitte glauben Sie mir, ich weiß das einfach und ich weiß auch, sie werden mich gesund machen.“

„So, das alles weißt du also?“, fragte Frau Doktor Vendetti erstaunt und lächelte sehr freundlich.

„Alisya redet oft so einen Unsinn, Frau Doktor, nehmen Sie das nicht ernst“, sagte typischerweise darauf meine Mutter.

„Na, dann werden wir mal sehen, ob die junge Dame vielleicht doch Recht hat“, konterte Frau Dr. Vendetti, wieder mit einem Lächeln. Sie nahm erneut ihren schwingenden Draht in die Hand, murmelte ein paar Worte und der Metallring begann waagrecht hin und her zu schwingen. „Ja, die junge Dame spricht leider die Wahrheit“, sagte sie mit Blick zu meiner Mutter, die erbleichte und ihren Mund nicht zubekam. „Nur keine Panik, gnädige Frau, als Nächstes suchen wir die Ursache der Erkrankung. Wissen Sie, wenn das Blut, unser Lebenssaft, so gestört ist, dann muss es einen wichtigen Grund, einen Auslöser geben, mit dem die Seele zurzeit nicht fertig wird. Über den Körper hat die Seele ja schon aufgeschrien. Wir werden jetzt versuchen, der Seele bewusst zu machen, wo die Ursache liegt, damit das Blut von der Disharmonie wieder in die Harmonie kommt. Wir schauen uns jetzt mal das Lebensskript an, dann sehen wir gleich, wann der Schock passiert ist. Und: Es war mit Sicherheit ein Schock, den ihre Tochter erlebte. Ich mache jetzt eine bioenergetische Messung.“

Dann nahm Frau Dr. Vendetti wieder ihren Draht, steckte ein Kabel in den Haltegriff, das andere Ende hielt sie mit der einen Hand über meinen Kopf an meinen Scheitel an, mit der anderen Hand hielt sie wieder den schwingenden Draht. „Ja“, sagte sie dann mit Überzeugung, „zwischen dem sechsten und achten Lebensjahr muss der Schock passiert sein. So, Alisya, kannst du – ich darf doch du sagen? – kannst du dich an ein schmerzhaftes Ereignis in diesem Zeitraum erinnern, was ist damals passiert?“

Ich schaute zuerst etwas verlegen zu meiner Mutter, dann zu Frau Dr. Vendetti und stammelte mit fragendem Blick und sehr angespannter Miene: „Mama, ich will … kann ich ... mit Ihnen alleine sprechen, Frau Doktor?“

Ich merkte, wie nicht nur mir heiß wurde; Mutter lief mit steifer Miene und rotem Kopf zur Tür hinaus ins Wartezimmer.

„Also … wie soll ich? ... Es war … muss ich das jetzt sagen?“

„Es bleibt alles unter uns, heiliges Versprechen, Alisya!“…

„Na gut … kurz vor meinem siebenten Geburtstag … es war … ich war mit Vater alleine, Mutter hatte Nachtdienst … da hat sich mein betrunkener Vater an mir … wie soll ich sagen, Sie wissen schon … er wurde … also, ich meine … ja, er hat mich … hat mir sein … es war so … schrecklich … nein, es war widerlich … dieses Schwein … es hat echt weh getan …“, stammelte ich unter Tränen. Frau Dr. Vendetti nahm behutsam meine Hand und sagte sehr einfühlsam: „Das war sicher sehr schlimm für dich … aber jetzt auch sehr tapfer von dir, darüber zu sprechen. Lass dir Zeit, lass die Tränen ruhig laufen … Alisya, das war ein ganz, ganz wichtiger Schritt … großer Respekt! Alisya, keine Angst, ich bin guter Dinge, wir beide schaffen das, was meinst du? Wir werden uns bemühen, dich von dem belastenden Erlebnis zu erlösen und dein Blut wieder heil machen. Wollen wir das tun? Glaubst du an Wunder?“

Ich nickte nur, ich wusste ja, dass es klappen würde. Frau Dr. Vendetti legte dann die eine Hand auf meinen Kopf und die andere auf meinen oberen Rücken, dabei murmelte sie vor sich hin. Ich verstand nur Bruchstücke wie: „Übergeben … Engel … befreien … höchste Ordnung … Heilung soll geschehen …“, oder so ähnlich. Das Ganze dauerte, ich weiß gar nicht wie lange, vielleicht eine Viertelstunde oder so.

Danach und auch schon während sie sprach, lief ein wohliger Schauer durch meinen Körper und mir wurde sehr heiß. Frau Dr. Vendetti stand ebenfalls der Schweiß auf der Stirn.

„Wie fühlst du dich jetzt, Alisya?“, fragte sie mich, während sie mit einem Taschentuch ihre Stirn trocknete. Ich konnte es gar nicht so richtig beschreiben, es war ein Glücksgefühl, Gänsehaut am ganzen Körper, ich verspürte eine Erleichterung, wie ich sie nie zuvor verspürt hatte – ich lachte sie einfach an und umarmte sie. „Ich wusste es, ich wusste es, jetzt holen wir Mutter rein“, schrie ich vor Freude.

Mutter war so überrascht, so stumm hatte ich sie noch nie erlebt. Frau Dr. Vendetti meinte, wir sollten nach ein paar Wochen noch einen Bluttest bei einem Arzt machen, zur Sicherheit. Zum Abschied fragte sie nach, ob mein Vater noch im gemeinsamen Haushalt lebte.

Nein, schon lange nicht mehr!“, antwortete ich erleichtert. Mutter sah mich erstaunt an, vielleicht zog sie ihre Schlüsse daraus? Sie fragte aber nicht nach.

Der Bluttest, den wir einige Zeit später durchführen ließen, war negativ, was sonst!! Jahre danach wusste ich: Ich wollte als Wissenschaftsjournalistin berichten, bei meinem Wissensdrang und Schreibzwang konnte das nur eine logische Konsequenz sein – das wusste ich natürlich damals schon. Bevor ich so weit war, musste ich aber noch einige Studien absolvieren. Ich musste einfach wissen, wie das alles zusammenhing, meine Vorahnungen, meine Zeitreisen, meine Heilung, diese Details wurden mir von meinen Engeln oder Geistwesen, oder was auch immer sie sind, noch nicht verraten. Deshalb stellte sich für mich die Frage: Was kann ich hier im realen Leben, im Wachbewusstsein, noch lernen? Als Erstes wollte ich Bewusstseinsforschung und Spiritualität studieren, dieses Fach würde man zwar erst ab 2025 auf der Uni Wien studieren können, aber was soll´s, dachte ich, ich habe ja noch etwas Zeit. Danach würde ich mich für Wirtschafts- und Zukunftsforschung interessieren, das würde ich brauchen, um die Zusammenhänge besser verstehen zu können.

Es war nämlich so: Ich bekam oft sehr detaillierte Vorahnungen bei meinen Reisen, wenn ich meinen Körper verließ. Oft waren es aber auch nur so komische Bilder von Ereignissen; ich konnte sie aber in dem Moment nicht richtig verstehen. Ich wusste manchmal nicht, was das Zeug alles sollte, ich war verwirrt. Mit der Zeit wurden diese Erlebnisse auf meinen Reisen aber immer klarer und ich checkte schön langsam, was da abging, echt cool!

Ich merkte, ich hatte seit einiger Zeit auch Klarträume. Das sind Träume, die halb bewusst, halb unbewusst ablaufen, und das Besondere daran war: Ich konnte den Traumablauf manipulieren; ich sprach auch, während ich auf „Traumreisen“ war und dabei Außerkörperliche Erfahrungen1 (AKE) hatte.

ICH WOHNE jetzt in der Buchfeldgasse, im achten Wiener Bezirk. Meditationen gehören zu meinen täglichen Ritualen. Sie entspannen und inspirieren mich. Ich fühle mich, nicht zuletzt auf Grund meiner Begabungen, einem spirituellen Weltbild verbunden, gehöre aber keiner Religionsgemeinschaft an. Meine AKEs beginnen meist bei meiner Morgenmeditation … Ja, nach vielen Wiederholungen dieser Meditation ist es dann passiert, ich bin tiefer und immer tiefer in meinem Bewusstsein versunken. Unklare, meist farblose Bilder, verschlungene Wege begleiten mich auf dieser Reise durch Raum und Zeit. Ganz plötzlich, wie aus dem Nichts kommen dann diese Begegnungen der besonderen Art.

Ich wusste einfach wie, wann, was geschehen wird und wo es geschehen wird. Ich, oder besser mein Bewusstsein, konnte sich an jeden beliebigen Ort „beamen“, anders kann ich es nicht ausdrücken. Ich habe aber, wie schon erwähnt, diese Fähigkeit verdrängt, niemand wollte mir, als ich noch Kind war, Glauben schenken. Ich dachte: Vielleicht werde ich noch verrückt, ich lasse es lieber bleiben. Nach meinen Recherchen, das weiß ich heute, nennt man das auch astrale Zeitreisen, eine außersinnliche Wahrnehmung über Ereignisse der Zukunft. Ich dachte immer und immer wieder, dass es wichtig sei, all diese „Reiseberichte“ niederzuschreiben. Es sollten doch alle Menschen wissen, was mit dieser Welt in den nächsten Jahrzehnten geschieht. Später fragte ich mich dann wieder, ob das wirklich so klug sei, ob es vielleicht besser wäre, alles für mich zu behalten. Was würde ich mit meinen Erkenntnissen auslösen, welche Ängste, welche Umbrüche in der Gesellschaft provozieren? Würde ich als Verrückte aus der Gesellschaft ausgegrenzt? Vielleicht als Geisteskranke oder als „Nostradamus der Neuzeit“ abgestempelt? Ein echter Konflikt baute sich in mir auf! Letztendlich entschloss ich mich dann doch nach Rücksprache mit Frau Dr. Vendetti, meiner Therapeutin, über all meine Eingebungen anonym zu berichten, denn glauben wird man mir meine Zeitreisen und Wunderheilungen ohnehin nicht – oder vielleicht doch? Ein fantastischer Ausflug in diese „Zukunft“ kann nun beginnen.

„Reisen“ Sie mit mir, liebe Leserin, lieber Leser, ein Abenteuer der besonderen Art erwartet Sie.

ICH MACHE wieder meine täglichen Morgenmeditationen, sie entspannen mich so wunderbar. Dabei ist mir klar geworden, dass ich immer tiefer in das Unbewusste versinken muss, um mich der Wahrheit öffnen zu können. Aus mir noch unerklärlichen Gründen kann ich mich immer an alle Details meiner Zeitreisen erinnern, ich nenne es TTM – Time Travel Memory, so als würde ich einen Erinnerungsspeicher2 aktivieren:

… Ich schließe meine Augen,

… im Hintergrund tönt leise meditative Musik,

… ich atme tief ein und langsam aus,

… mit jedem Atemzug sinkt mein Bewusstsein immer tiefer,

… tiefer … und tiefer …

… keine Zukunft, keine Vergangenheit,

… nur grenzenlose Bewusstheit,

… da ist sie wieder, diese Stille, diese Vertrautheit,

… das Schaukeln meiner Seele im leeren Raum,

… dieses wunderbare Leuchten, so weit, so nah,

… nur beobachten ...

… dieser herrliche Frieden, Loslassen von allen Gedanken

… nur im Jetzt sein,

… hier bin ich sicher, hier bin ich frei,

… ein friedvolles Gefühl,

… Was geschieht mit mir? ... Wer bin ich? … Wo bin ich?

… kein Ich, kein Körper, kein Raum,

… keine Zeit, nichts Greifbares und doch alles so klar,

… Leere und Fülle,

… nur Wahrheit und schöpferische Weisheit,

… die Geburt der Wirklichkeit,

… nur Ganzheit, kein Außen, keine Grenzen,

… ewiges Licht ... Geschichten, die erzählen ...

… Illusionen, die verschwinden …

... nur Stille und Bilder im Jetzt …

Zeit hat keine Bedeutung mehr im ewigen Jetzt. Grenzenlose Räume öffnen sich vor mir, begleitet vom Gefühl der Gleichmütigkeit und Friedfertigkeit. Die absolute Wirklichkeit saugt mich auf, hin zum Urgrund der Existenz, begleitet von Liebe und Weisheit. Worte können nur bedingt den Übergang in eine Zeitreise3 beschreiben. Ich fühle – kurz bevor ich auf die Reise gehe – so ein Vibrieren im ganzen Körper, ein sehr angenehmes Kribbeln breitet sich auf der gesamten Hautoberfläche aus. Das ist für mich das Signal … ich stelle mir vor, immer leichter zu werden, und beginne langsam zu schweben. Zuerst bis an die Zimmerdecke, dann zum Fenster, ich greife durch die Scheibe, spüre dabei keinen Widerstand. Raum und Zeit scheinen tatsächlich aufgehoben. Vollkommen losgelöst kann ich diesen herrlich schwebenden Zustand genießen. Mit einem Lächeln fliege ich durch die Straßen Wiens und beobachte das Geschehen unter mir aus der Vogelperspektive. Das letzte Mal war es noch sehr früh morgens, kaum Verkehr auf der Ringstraße, links das Rathaus, rechts das Burgtheater; ich bog hoch über der Votivkirche in die Währinger Straße ein, nahm sehr rasant Tempo auf, was für ein herrliches Gefühl … Fliegen oder Schweben funktioniert nicht immer, es kommt vor, dass ich noch während der Meditation an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit lande, wie auf Knopfdruck. Die erste Station bei meinen Zeitreisen ist meist ein Haus mit Garten, wo dieses genau liegt, kann ich nicht sagen, es müsste aber auf einer Anhöhe in der Umgebung Wiens sein.

Diese Zwischenstation, bezeichne ich auf meinen Zeitreisen auch als Trance. Mein Bewusstsein weiß, dass ich dort bin und weiß auch das ich in der Buchfeldgasse bin – sehr eigenartig! Bei den anderen Zeitreisen ist das nicht so.

Vom Garten des Hauses genieße ich diesen wunderbaren Ausblick auf Wien. Im Haus erwartet mich stets der Hausroboter Martin. Martin ist ein besonderer, ein liebenswerter, ein intelligenter KI-Roboter.

„HALLO, ALISYA, bitte aufstehen, Anruf auf Holo-3 im Schlafzimmer“, sagt Cynthia, meine Sekretärin. „Es ist Charles, dein Boss von Vienna Science, ich schalte durch.“ „Guten Morgen Alisya – ich bin es, dein schlechtes Gewissen – habe ich dich geweckt? – das tut mir aber sehr leid“, sagt Charles, mein „Lieblings“-Chef, mit ironischer Stimme und einem Grinsen, das ich noch nie an ihm mochte.

„ALISYA“, kommt es dann nochmals, aber lautstark von Charles: „Es ist 10:52 Uhr, wir schreiben den 21. Dezember 2051 – wir hatten heute um genau 10:45 Uhr einen Termin, was offensichtlich deiner geschätzten Aufmerksamkeit entgangen ist! Und noch etwas: Du siehst ja heute richtig knusprig aus“, sagt Charles in betont „liebevoller“ Art, um so verärgert seinen Unmut kundzutun!

„Liebster Charles, danke für deine feinfühlige Erinnerung, es ist vielleicht deiner Aufmerksamkeit entgangen, dass ich dir gestern ein Memo auf dein Holo-Book4 geschickt habe, in dem zu lesen war, dass ich diesen Termin nicht einhalten kann, da ich heute noch mit Frau Professor Doktor Langthaler per Bahn nach Paris fahre, zwecks Face-to-Face-Interview. Ich habe den Overhead Rail-Jet5 gewählt; Frau Prof. Langthaler wollte mich persönlich kennen lernen und sie liebt es, mit Overhead Rail-Jet zu reisen. Wie du weißt, bin ich ja eher eine Fliegerin. Andererseits ist das Dahinschweben doch ideal für ein Interview! Und Charles, bitte, jetzt keine nervigen Kommentare, ich bin noch so … ach was, bitte, höre mir nur zu: Sie, die Frau Professor, hat nämlich schon weit über 130 Jahre auf ihrem Buckel und bastelt im Silicon Valley am ewigen Leben, munkelt man; na ja, vielleicht hat sie schon so ein Verjüngungszeug genommen, wie auch immer, sie ist sehr beschäftigt – ich bin deshalb mehr als sehr froh, diesen Termin aufgerissen zu haben – und außerdem gibt es im First-Class-Abteil ein herrliches Dinner, versprach mir Cynthia – sorry, lieber Charles, ich melde mich, wenn ich wieder in Wien bin. Und wegen meines Äußeren – du siehst auch etwas zerknittert aus …. Küsschen …“

„Aber Alisya, das geht so nicht, ich …“

„Cynthia, Holo-3 trennen, Holo-1 ins Bad legen, ich will Nachrichten schauen, während ich mich dusche, und sag Martin in der Küche, ich will schnellstens Kaffee und Toast mit echter Avocado-Butter, nicht wieder so ein transformiertes Zeug vom 3D-Drucker wie gestern!

Martin kann seit geraumer Zeit sämtliche Nahrungsmittel auf dem 3D-Drucker herstellen, was wesentlich kostengünstiger ist. Zugegeben, beim Beefsteak konnte ich keinen Unterschied zum echten Fleisch feststellen.

„Wann fährt der Zug ab?“

„Um 11:47 Uhr vom Hauptbahnhof Wien nach Paris, Gare du Nord, Gleis 12, First-Class Security-Abteil 13, zwei Personen – Fahrtdauer 4 Stunden und 43 Minuten – kurzer Zwischenstopp in Salzburg, München, Karlsruhe und Straßburg.“

„Danke, Cynthia, Langthaler kontaktieren und Termin bestätigen lassen.“

„Bereits geschehen, Alisya, habe OK erhalten.“

Ich steige aus der Dusche, lege meine mit Mikroprozessoren bespickten Kontaktlinsen6 ein, aktiviere sie aber noch nicht – auf dem holografischen 3D-Schirm über dem Spiegel laufen bereits die Vienna Science News, welche von einer sehr hübschen Nachrichtensprecherin vorgetragen werden, leider ist sie nur eine perfekte Animation, dafür arbeitet sie 24 Stunden fast kostenfrei und ohne Betriebsrat:

Versorgungsengpässe auf dem Mars verursachen ein Absinken der Buchungszahlen, berichtet die Weltraumliftgesellschaft.

Da sich die Unfallhäufigkeit von Fahrzeugen, welche durch Lenkerinnen bzw. Lenker selbst gesteuert werden, immer noch steigert, wurden die Versicherungsprämien für Selbstfahrer um 10 Prozentpunkte erhöht.

Der Absturz von zwei Drohnen-Taxis

7

im Süden von Wien forderte drei Todesopfer und vier Schwerverletzte.

Neunzig Prozent der AutofahrerInnen nutzen bereits SHARED-E-CARS.

8

Führerlose öffentliche Verkehrsmittel verursachen um 76,7% weniger Verkehrsunfälle.

Die Aktivitäten der

New-Commons

9

steigen weiterhin an. Weltweit gibt es zurzeit über 3 Millionen dieser Non-Profit-Organisationen. Auf den konservativen Börsen, wo nur mehr wenige Multikonzerne notieren, fallen hingegen die Kurse täglich um 2,5 Prozentpunkte.

Die Gewerkschaft IG-Digital kämpft immer noch um die 15-Stunden-Woche.

Die Steuern für KI-Roboter (künstliche Intelligenz-Systeme) wurden um 5 Prozentpunkte erhöht.

Das Grundeinkommen für alle wurde um 2 Prozentpunkte angehoben.

Die Weltfriedensarmee steht kurz vor der Befriedung von ganz Afrika.

„Der Konsumkapitalismus hat sich offensichtlich selbst sein Grab geschaufelt …“, denke ich mit einem Schmunzeln auf den Lippen, während ich mich ankleide. „Wie wird sich die Menschheit entwickeln?“, geht es mir durch den Kopf. Ich muss unbedingt mit einer Person reden, die kompetent in Sachen wirtschaftlicher und sozialer Entwicklung ist. Was geschieht mit diesem Planeten in diesem Jahrhundert?

Zerstören wir diesen Planeten? Wenn ja, wie? Werden es Umweltgifte, Kriege mit Atomwaffen oder Hungersnöte sein? Oder schaffen wir ein friedliches Miteinander?

Ich wähle das dunkelblaue Kostüm mit den integrierten Aufnahmeadaptionen10; dann eile ich in die Küche, schlürfe hastig den Kaffee und verschlinge den Avocado-Toast. „Schmeckt lecker, danke Martin!“ Martin nickt freundlich zurück, eine automatisierte Geste auf das Wort Danke, er zuckt kurz mit seinen Schultern und „blickt“ ergeben hoch – auf seine „Herrin“. Martin, ich liebe ihn, er ist so „menschlich“ geworden, die Version 3.0 war ja unmöglich, vollkommen gefühllos; Martin ist bloß 140 cm groß. Ich durfte mir sein „Antlitz“ aussuchen, ich wählte das von Dean Martin, einem Frauenidol aus dem Amerika des vorigen Jahrtausends, meine Mutter schwärmte so von ihm. Ich liebe auch diese alten Filme und seine Stimme … solche Männer gibt es ja gar nicht mehr. Mutter hatte einen guten Geschmack. Deshalb stand Martin als Houseboy im Kleinformat für mich immer schon auf meiner Wunschliste. Das Design war allerdings nicht ganz billig. Was soll’s, er ist als devoter Diener eine sehr gelungene Adaption, denn auch Dean Martin liebte Frauen, die größer waren als er, hatte mir Mutter erklärt. Ein neurotischer Komplex der besonderen Art. Ausgelöst durch ein Fingerschnippen singt Martin: Everybody Loves Somebody Sometimes, eines meiner Lieblingslieder. Mir kommen bei diesem Lied immer die Tränen, es erinnert mich an meine Mutter, was Martin natürlich nicht entgeht. „Nicht traurig sein, Alisya, ich bin ja bei dir“, sagt er dann mit einem gezogenen „einfühlsamen“ Ton, was mich dann zum Lachen bringt. Na ja, an der einfühlsamen Sprachausgabe müssen sie noch arbeiten.

„Gefällt mir schon besser, Alisya, ich mag, wenn du lachst“, quittiert Martin mein Lachen und beginnt nebenbei mit dem Befüllen des Geschirrspülers – was für ein Mann! Die Romantik-Software ist noch ausbaubar, ansonsten funktioniert die Zusatzsoftware: devot und empathisch recht ordentlich; nur mit Aufpreis – klar; war mir die Sache wert; ich bin mit Martin sehr zufrieden. Version 5.0 soll sogar schon flirten können und ist mit einer Geruchssoftware ausgestattet; ich hoffe, dass ihn mein Parfum nicht irritiert. Ich bin schon sehr gespannt, was diesbezüglich noch weiterentwickelt wird! Die jetzige Version 4.0 hat auch ein Therapie-Feature, was eine echte Therapeutin zwar nicht ersetzt, aber bei leichten Depressionen oder Ängsten durchaus hilfreich sein kann. Es ist eine Kombination von therapeutischem Fachwissen und einer Prise Humor. Martin fragt mich, nach Aktivierung der TherapieApp, wie ich mich denn fühle, was so in meinem Leben vor sich gehe, was mich belaste und so weiter. Das ist oft schon befreiend; Martin hört mir einfach sehr aufmerksam zu. Es gibt nicht viele Menschen, die noch zuhören können. Wer will denn wirklich noch Anteil nehmen? Wer geht denn wirklich noch in menschliche Resonanz? Wir leben definitiv in einer Resonanzkrise. Durch die globalen Vernetzungsmöglichkeiten sind alle mit allen verbunden und dennoch verlieren wir einander. Es entstehen einsamer Zorn und Hass über diese Verlorenheit. Gleichzeitig leben wir mitten in diesem unfassbaren medialen Raum der Überreizungen, einer nicht mehr verarbeitbaren Informationsflut. Aus Mangel an Anerkennung und Zuwendung explodieren ja förmlich Depressionen und Burnout. Soziale Medien schüren unser Suchtverhalten. Wir suchen, liken und finden uns aber als Menschen nicht, das ist das Paradoxon von Big Data11. Die „sozialen“ Medien greifen dabei tief in unsere Beziehungssehnsüchte ein. Sie provozieren unbewusste Bedürfnisse durch Resonanzangebote, welche sich letztendlich als Illusion und Betrug darstellen. Sie werden viel zu selten als simples Täuschungsmanöver entlarvt. Fake News werden in Real News verwandelt. Wahrheit kann nicht einmal mehr relativiert werden. Durch die Machtübernahme der „sozialen Medien“ entstehen Projektionsflächen ohne ein echtes Gegenüber, wo ungestraft und reaktionsfrei denunziert, beleidigt und missbraucht werden darf. Alles Menschliche wird durch Gott-Digital aufgehoben. Eine neue „Religion“ wurde programmiert. Im digitalen Mediendschungel schaukelt sich alles hoch, entzündet sich, verbrennt die letzten Seelenreste. Für Epidemien von Burnout, Depressionen und Panikanfällen ist gesorgt. Irgendwann erscheint dann die eigene Lebendigkeit als eine einzige Error-Meldung auf den Monitoren. Was bleibt, ist digitaler Boulevard mit seiner epidemischen Hinterhältigkeit. Die wahre Zukunft braucht wieder alte menschliche und „neue“ Tugenden als Gegenbewegung zu den Krisen unserer Zeit. Wie könnte eine neue Menschheit mit neuen Verbindlichkeiten aussehen? Wird es je wieder eine menschliche, eine gerechte, eine spirituelle Heimat frei von dogmatischen Führern geben? Zurzeit, so scheint es, sind die meisten Menschen auf diesen Planeten EGO-verseucht12. GOTT-EGO heißt die neue Religion.

Nun, ich steige wohl besser aus meiner negativen Gedankenspirale aus. Außerdem regt mich Martin zum positiven Denken und zur Reflexion übers eigene Leben an – u. a. zeigt er mir auf dem Holoschirm Videos über entspannende oder erheiternde Lebenssituationen. Erstaunlicherweise erkennt Martin per Antlitzdiagnostik meine Stimmungslage und reagiert mit entsprechenden Fragen oder Lösungen. Dank seiner hohen künstlichen Auffassungsgabe lernt Martin ständig dazu. Wie sich meine Stimmungslage entwickelt, zeigt er mir zwischendurch grafisch skaliert von 1 bis 10 am Holoschirm an. Er spiegelt mich oft perfekt, stimmt mich nachdenklich. Dr. Vendetti, meine Therapeutin, kann er natürlich nicht ersetzen.

Ja, Martin ist mir schon eine große Hilfe. Gestern bekam er den neuen 3D-Drucker13; wir freuten uns beide sehr. Der neue 3D-Drucker 6.0.2.3 kann fast alles produzieren, er arbeitet gerade an einer neuen Salatschüssel aus recyclebarem neuen VB-B-Stoff. Diesen VB-B-Stoff stellt Martin aus den Abfällen mit einem VB-B-Converter14 her. Die alte Schüssel – ein Erbstück aus Porzellan von meiner Großmutter – ist Martin gestern aus den Greifern geglitten und zu Bruch gegangen. Martin ist ein Roboter der letzten Generation, er lernt aus Fehlern sofort, außerdem empfängt er wöchentlich über CYNET-206515 die neuesten Updates; letzte Woche war es ein Update für die Bedienung von neuen Funktionen am 3D-Drucker. Martin kann jetzt alle Ersatzteile, die er für seine Funktionen braucht, selbst herstellen und einbauen lassen, dafür hat er seinen persönlichen Service-Roboter. Bis auf seine zentrale Recheneinheit kann sein 3D-Drucker alles produzieren. Bei schadhafter Recheneinheit werden andere „Martin-Kollegen“ aktiv und tauschen sein „Gehirn“ aus. Das kommt aber ganz selten vor, mittlerweile sind KI-Roboter sehr stabil geworden. In Martins Arbeitsspeicher ist das gesamte Haus mit Garten einprogrammiert; jeder Quadratzentimeter und jedes Ding seines Arbeitsbereiches wurden von Martin gescannt. Ein perfektes Logistiksystem garantiert die Verfügbarkeit sämtlicher Ressourcen im Haus. Er ist an das Internet der Dinge angeschlossen. Alles ist mit allem vernetzt. Angefangen bei Lebensmitteln und Reinigungsmitteln über Energie- und Temperaturregelung – Martin organisiert den Haushalt perfekt. Was mit dem 3D-Drucker nicht hergestellt werden kann, wird rechtzeitig bestellt und geliefert. Martin findet und repariert auch fast alles, eine unbezahlbare Eigenschaft für eine Chaotin wie mich. Manchmal gibt es dann doch Übertragungsprobleme mit Cynthia, meiner holografischen Sekretärin – geschehen vor zwei Wochen: Cynthia instruierte Martin in meinem Auftrag, dass ich gerne nach dem Essen einen Einspänner16 hätte. Martin fand in seiner Datenbank wahrscheinlich als ersten Eintrag dieses Pferdegespann und bestellte für 14 Uhr beim Logistikzentrum selbiges. Pünktlich zur Kaffeezeit stand in meinem Garten ein echtes Pferd mit Kutsche und Kutscher. „Wohin soll die Reise denn gehen, gnädige Frau?“, fragte der Kutscher. Ich war verblüfft, nahm es aber mit Humor und versorgte die weiße Stute mit frischen Karotten, die Martin aus dem Garten holte. Der Kutscher bekam auf Wunsch eine Flasche Bier – es war nicht sein erstes Bier an diesem Tag, war meine olfaktorische Wahrnehmung. Ich denke, er war wirklich ein Mensch, denn einen Roboter mit Bierfahne konnte ich mir nicht vorstellen! Es gibt Gewohnheiten, die halten sich eben über Jahrhunderte! An der Echtheit des Pferdes hatte ich auf Grund der sehr real wirkenden Pferdeäpfel auch keine Zweifel. Es war wie in einem Traum, das Witzige dabei war, ich wusste doch, dass es eine Zeitreise war. Bemerkenswerter Weise begegnete ich Cynthia, meiner „Sekretärin“ nie wieder auf meinen Zeitreisen, vielleicht hatte Martin sie entlassen, er hat ja ohnehin alles im Griff.

Natürlich recherchierte ich vor dem Treffen mit Prof. Langthaler ausführlich und tatsächlich gab es Hinweise, dass ewiges Leben möglich sein wird.

Bevor ich jetzt über die Begegnung mit Professor Langthaler berichte, möchte ich gerne meinen Wissensstand über das Thema „Künstlicher Mensch und Unsterblichkeit“ wiedergeben:

Meine Recherchen haben ergeben, dass künstliche Intelligenzen nicht nur sehr nahe an die Fähigkeiten unseres Großhirns herankommen, sie werden eines Tages sogar diese Gehirnleistungen bei weitem übertreffen. Einige Wissenschaftler arbeiten jetzt schon an der Realisierung von digitalen Gehirnimplantaten, das sind Atto-Prozessoren17, also kleiner als sehr klein. Kombiniert mit unseren organischen Hirnzellen könnte das eine interessante Verschaltung ergeben. Der „menschliche Roboter“ wird sicher Realität. Transhumanismus ist der neue Begriff! Problematisch wird es dann, wenn es der Wissenschaft gelingt, die „Singularität“ zu realisieren, damit ist jener Zustand eines Roboters gemeint, in dem sich dieser mittels künstlicher Intelligenz erstmals insofern selbst immer wieder optimieren kann, bis er uns Menschen bei weitem überlegen ist. Ich finde das schon beunruhigend. Wer kann dann so ein „intelligentes Monster“ noch kontrollieren? Ist der Transhumanismus dann das Ende der Evolution? Wir werden die biologischen Grenzen unseres gesamten Körpers sprengen, die Sterblichkeit wird kontrollierbar werden. Man rechnet damit, dass die menschliche Intelligenz durch die künstliche Intelligenz um das Millionenfache übertroffen wird, es wird keinen merklichen Unterschied mehr zwischen Mensch und Maschine geben. Transhumanismus nennt man dann diese Verschmelzung. Müssen wir das Verhältnis Mensch-Maschine neu definieren? Ein gewaltiger Paradigmenwechsel, was unser Welt- und Menschenbild betrifft, steht uns bevor.

Ein Alptraum? Es könnte für die Menschheit allerdings auch eine große Errungenschaft sein, vielleicht aber auch die letzte! Ich weiß, viele WissenschaftlerInnen glauben – Multikonzerne als Besitzer von Suchmaschinen arbeiten auch schon daran –, dass der technische Fortschritt die künstliche Intelligenz in die Gehirne einschleusen wird. Sie glauben tatsächlich, dass dieser sogenannte Transhumanismus die großen Probleme der Menschheit wie Hunger, Armut, Krankheit und Tod lösen wird. Ich hoffe, dass es nicht so weit kommen wird, dass sogenannte „künstliche“ Übermenschen die Herrschaft über diesen Planeten übernehmen! Wird der Homo sapiens digitaliens tatsächlich Realität? Die Zeit drängt, ich spüre wie ich in die nächste Trance versinke, ich muss aufbrechen. Martin checkt noch ein Drohnen-Taxi für mich.

Es herrscht dichter Luftverkehr zum Bahnhof. Dass diese Dinger nicht pausenlos aneinanderkrachen verblüfft mich, aber ich habe mich ja daran gewöhnt, ohne Pilot durch die Lüfte zu gleiten. Es ist ein tolles Erlebnis, nur selber fliegen ist schöner. Der große Vorteil dieser Taxis ist: Sie verbrauchen nur Sonnenenergie und sind bis auf ein leises Surren kaum zu hören. Allerdings, wenn es stark regnet, nehme ich lieber ein Bodentaxi in Anspruch.

Ich bin sichtlich etwas aufgeregt, als ich am Dach des Hauptbahnhofs ankomme. Mein Navi auf meinem Iris-Display führt mich zum richtigen Bahnsteig. Ich nehme mein Abteil im Zug nach Paris in Augenschein und bin erleichtert, es ist das richtige Abteil. Der Iris-Scanner18 hat mich als Fahrgast identifiziert und die Tür entriegelt. Bei meiner letzten Bahnfahrt nach München hatte das Navigationssystem auf meinem Iris-Schirm ungenaue Angaben gemacht, ich war in den falschen Zug eingestiegen, deshalb öffnete das digitale „Check-in Control System“ (CICS) die Abteiltüre auch nicht; ich fahre immer nur in Zügen mit Security-System.

Ich setze mich mit Blick in die Fahrtrichtung, es ist 11:40 Uhr; noch sieben Minuten. Von Prof. Langthaler ist noch nichts zu sehen, mein zentrales Nervensystem meldet leichte Unruhe, während ich meinen Fragenkatalog vor meinem geistigen Auge kurz überfliege. Langthaler? Woher Sie wohl kommt? Egal! Ewiges Leben, den Tod besiegen – und ich frage mich, wie so oft in letzter Zeit: Würde ich ewiges Leben für mich in Anspruch nehmen wollen? Unheimlich, dieser Gedanke!

Klopfgeräusche am Abteilfenster stören meine Betrachtungen, ich erkenne Frau Professorin Langthaler sofort – Martin hat mir ja alle Infos auf den Holoschirm geschickt – und öffne am Display die Abteiltüre.

„Sie sind es doch, das hoffe ich zumindest, Frau …?“, fragt eine freundliche Damenstimme durch die geöffnete Tür.

„Oh, ja, Frau Professorin, sorry, ja doch, Sambori, sehr erfreut“, und ich schüttle etwas unbeholfen die Hand von Frau Professorin Langthaler. „Ja dann, wie wollen Sie, ich meine … sitzen, Ihren Platz meine ich natürlich, wollen Sie vielleicht meinen …“

„Nein, nein, lassen Sie nur Frau … Sam … ach, mit den Namen, ja, ich sitze gerne mit dem Rücken in Fahrtrichtung, in meinem Alter kann man weit zurückblicken. Ja, gut, fangen wir an – wie viel Zeit haben wir? Stellen Sie doch bitte Ihre Fragen Frau …? Beim letzten Upgrade meiner Brain-Software ist wohl mit meiner MemoryApp was schiefgelaufen.“

„Kein Problem, Alisya Sambori, Vienna Science, sagen Sie einfach, Alisya. Kaffee, Tee, Wasser?“

„Kräutertee, bitte, obwohl – mein Bedarf an Flüssigkeit ist ja für heute schon gedeckt – ein Tässchen Tee geht sich aber noch aus!“ Ich bestellte am Display im Abteil zwei Mal Kräutertee und einen Orangensaft.

„Entschuldigen Sie … Alisya, sagten Sie doch …? Ich hatte von Ihnen noch kein Bild, deshalb ist der Zugriff auf den biologischen Hippocampus19 erforderlich und somit fehleranfällig. Sie nehmen sicher schon alles auf – aber bitte nur Audio und keine externen Verbindungen, ich sehe Ihre Kameras auf Ihrer Iris. Legen Sie los, ich werde versuchen, all Ihre Fragen zu beantworten – wie viel Zeit haben wir?“

„Vorerst noch eine Bemerkung: Ich bin eine Zeitreisende aus dem Jahr 2018, vielleicht haben Sie deshalb kein Bild von mir? Zur Zeitfrage: Wir haben vier Stunden mit Pausen, ich freue mich sehr, dass Sie sich die Zeit genommen haben, Frau Professorin – wenn Sie gestatten, dann gleich zur ersten Frage, bevor wir uns mit dem Kernthema der Unsterblichkeit befassen: Wann wird die künstliche Intelligenz (KI) die menschliche Intelligenz übertreffen? Oder besser noch zuvor: Was verstehen Sie unter künstlicher Intelligenz?“

„Also eine Zeitreisende – der ist gut, der ist wirklich gut – sehr amüsant. Sie meinen das ernst, wenn ich Ihrem Blick trauen darf. 2018 sagten Sie? Ich erinnere mich gut an diese Zeit, da haben Sie ja noch einiges vor sich! Nun, zu Ihrer Frage der künstlichen Intelligenz. Ach ja, meine Liebe, ich denke, wir sollten vorerst die KI, die in Robotern steckt, nicht verwechseln mit der KI, die wir mittlerweile in unsere Gehirne integrieren können. Ich rede hier von der Quantencomputertechnik, die wir von den biologischen neuronalen Schaltvorgängen im Gehirn nicht mehr getrennt sehen können. Der transhumane Mensch20, also, wenn Sie so wollen, halb künstlich – halb biologisch, ist schon seit geraumer Zeit existent. Einer von diesen sitzt vor Ihnen – und – ich bin nicht alleine, wir sind schon eine beachtliche – zugegeben quantitativ noch unbedeutende – Menge, versteht sich. Aber, wir sind im Wachsen. Und – um Ihr Staunen noch etwas zu steigern – wir sind bereits unsterblich – also sagen wir zu 99,9% – in ein paar hundert Jahren werden wir es dann tatsächlich wissen, was wir heute behaupten!“, sagt Frau Langthaler, mit einem Lächeln.

„Verzeihen Sie, Frau Professorin, das muss ich erst auf die Reihe bekommen. Sie behaupten tatsächlich, Sie sind unsterblich, d.h. Sie werden ewig leben?“

„Ja, meine Liebe, davon gehe ich aus. Wissen Sie, wir arbeiten ja schon seit zig Jahren an diesem Projekt. Den Durchbruch schafften wir damals, muss ich ja fast schon sagen, so um das Jahr 2025, als wir die ersten Attos herstellen konnten, die wir dann als Prozessoren tatsächlich in die menschliche Blutbahn einschleusen konnten. Das sind kleinste Recheneinheiten auf Quantenebene. Oh, verstehe, Ihr ratloser Blick sagt mir, sie haben mit Quantenphysik nicht viel … wie soll ich sagen …?“

„… am Hut … stimmt, ich bin, was Physik betrifft, sehr talentfrei!“

„Kein Problem, meine Liebe! Ein Atto ist ein Trillionstel Meter, also 10−18 m, wenn Ihnen das eine Vorstellung gibt. Bei dieser Größenordnung spielen Oberflächeneigenschaften gegenüber den Volumeneigenschaften der Materialien eine immer größere Rolle.

Vielleicht kann man ganz allgemein sagen: Alles ist immer im Fluss, immer in Veränderung. Wenn dem so ist, dann hat auch jedes Quant, das sind kleinste Informationsteilchen, wie Photonen zum Beispiel, Einfluss auf alle Quanten im Fluss. Wie darf ich Ihnen das erklären?

Die physikalische Welt besteht nur aus Informationen, während Energie und Materie doch nur Oberflächenphänomene sind, die wir Menschen wahrnehmen – ein interessanter Ansatz, finden Sie nicht auch?“

Ich nicke, habe aber nicht wirklich alles verstanden; es ist für meinen Bericht auch nicht von essenzieller Bedeutung. Ich beabsichtige schließlich, meine LeserInnen mit einem allgemein verständlichen Text zu informieren. Frau Langthaler macht aber unbeirrt in Ihrer professoralen Art weiter.

„Es müssen diesbezüglich aber auch die quantenphysikalische Effekte verstärkt berücksichtigt werden – ich denke da an die Verschränkung und Synchronizität – aber das nur so am Rande, damit will ich Sie gar nicht erst belasten. Nun, zurück zu den Attos in meinem Körper. Diese Attos sind, wie gesagt, so klein, dass wir sie ohne Probleme in den Blutkreislauf einbringen können. Es sind im Molekularbereich gefertigte Quanten-Roboter, wenn Sie so wollen. Sie können die vielfältigsten Aufgaben im Körper übernehmen, z.B. den Alterungsprozess der Zellen stoppen, neue Organe im Körper produzieren, wenn die alten versagen, oder unerwünschte Entzündungen, Bakterien, Viren und bösartige Tumorzellen eliminieren. Diese Miniaturroboter sind, wie gesagt, in all unseren Körperteilen, natürlich auch im Gehirn, aber auch in der Umwelt.“

„Werden auch unsere Gene, unsere DNA verändert? Wenn ja, sind wir dann noch das Individuum, das wir waren?“

„Natürlich ändern sich unsere Lebensbausteine, zu unserem Vorteil – Selbstoptimierung ist unser Weg.

„Bei allem Respekt, Frau Professorin, ob das ein Vorteil ist, wage ich zu bezweifeln!“

„Ich verstehe Ihre Ängste sehr gut, lassen Sie mich bitte weiter ausführen.

Eine weitere große Errungenschaft für uns war die Erkenntnis, DNA-Moleküle21 auch als Speichermedium verwenden zu können.“

Während mich Frau Langthaler mit Details der DNA überschüttet, merke ich, wie der Zug langsamer wird, blicke aus dem Fenster und sehe, wie riesige Getreidefelder von fahrerlosen Landmaschinen bearbeitet werden. Riesige Drohnen fliegen darüber hinweg, versprühen irgendein Zeug, warum auch immer? Daneben auf einem Feldweg sind wahrscheinlich KI-Roboter22, sie sehen alle sehr ähnlich aus und machen auch sehr ähnliche Bewegungen, mit selbstfahrenden Rollstühlen zu vergleichen. In den Rollstühlen sitzen anscheinend gehbehinderte alte Männer und Frauen. Ist das die Altenbetreuung durch Androiden?

„Das Speicherpotential der DNA ist fast unerschöpflich. An die 100 Millionen Videos haben in der DNA Platz, nur um Ihnen eine Vorstellung zu geben, und sie können tausende Jahre überdauern, kein künstliches Speichermedium kann da mithalten. Ja, diese biologischen Attos werden dort für uns Menschen ihren Job machen, werden alles verwandeln, werden die ganze Vermüllung, die wir in uns und über Jahrzehnte diesem Planeten zugemutet haben, beseitigen, den Müll in brauchbare Rohstoffe verwandeln. Unsere Meere werden von Plastikmüll befreit, das wird unser Leben auf diesem Planeten retten. Diese Transformation haben wir uns von den Bakterien abgeschaut. Bakterien sind hochwirksame Transformierer. Indem wir also mit der neuen Atto-Technologie eine Partnerschaft eingehen, werden wir Milliarden solcher ,Attos‘ in unserem Blutkreislauf haben. Diese Winzlinge sorgen für unsere Gesundheit. Ich war schon seit Ewigkeiten nicht mehr krank. Selbst meine verkalkten Blutgefäße wurden gesäubert, so als kleine Draufgabe beim letzten Service, fand ich sehr nett. Wissen Sie, Alisya, diese Serviceroboter im Trans-Human-Service-Center23, dem THSC sind ganz hervorragend programmiert, die haben wirklich Stil, sehr freundlich und äußerst respektvoll. Fehlerquote gleich null! Ich weiß, wovon ich spreche, ich kann mich noch an die alten Krankenhausambulanzen erinnern; stundenlanges Warten und überlastete Schwestern und Ärzte; man wusste nie, wie man da wieder rauskommt. Alisya, schauen Sie mich an, in mir schwirren wahrscheinlich schon Billionen von solchen Atto-Dingern herum und machen einen hervorragenden Job – bis jetzt sehr erfolgreich, ich bin immerhin schon seit 130 Jahren auf diesem Planeten und habe mich ganz gut entwickelt. Oder? Biologisch entspreche ich einem Körper, der so um die 55 ist. Sie können Ihren Mund jetzt wieder zumachen meine Liebe und die nächste Frage stellen.“

Ich glaube es nicht, sie hat ja Recht, ich hätte sie höchstensauf 45 Jahre geschätzt – keine Falten im Gesicht, auch der Hals, alles straff, eine Frau in den besten Jahren! Sensationell!

„Ja, Sie haben Recht, Frau Professorin, ich komme aus dem Staunen nicht heraus, das ist ja unfassbar. Wie muss man sich das vorstellen, ich meine, wie sind Sie bei Ihren Forschungen auf die Bekämpfung der Ursachen des Alterungsprozesses gekommen?“

„Alterungsprozesse werden bald der Vergangenheit angehören. Zu der Geschichte mit den Telomeren, na ja, die ist ja schon lange bekannt. Telomere sind Fortsätze an der Zelle, sie bestimmen unter anderem die Zellalterung24. Es sind aber ganz besondere Fortsätze, sie determinieren die Lebensdauer der Zelle, da bei jeder Zellteilung die Telomerase eintritt, also eine Verkürzung der Zellfortsätze. Bei Krebszellen zum Beispiel sterben die Telomere nie ab, deshalb sterben auch die Krebszellen nicht, das war bislang ja unser Dilemma! Der ,Zelltod‘ kann aber auch ganz andere krankhafte Ausmaße annehmen. Wenn die Anzahl der kranken Nervenzellen ein gewisses Maß übersteigt, dann kann unser Gehirn das nicht mehr kompensieren. Die Neurologen sprechen dann von neurodegenerativen Erkrankungen. Weil diese Degeneration der Zellen mit Alterungsprozessen assoziiert wurde, galten neurodegenerative Erkrankungen als echte Herausforderung für die Medizinwissenschaft der vergangenen Jahrzehnte. Bis 2040 hat die Zahl der Demenzkranken in Deutschland fünf Millionen überschritten, in den USA waren es an die 15 Millionen. Gesellschafts- und gesundheitspolitisch war das eine enorme Herausforderung. Zusätzlich registrierten wir in den USA bei zwei Millionen Menschen eine Parkinson-Erkrankung. Neben der Parkinson-Erkrankung und der Demenz kennt die Medizinwissenschaft noch weitere neurodegenerative Erkrankungen, die meistens mit dem Alterungsprozess zusammenhängen. Zum Beispiel die amyotrophische Lateralsklerose (ALS), die Huntington-Erkrankung und die infektiöse Prionen-Erkrankung ‚Creutzfeldt-Jacob‘. Schätzungen zufolge war die Gesamtzahl von Menschen mit neurodegenerativen Erkrankungen in den USA bis zum Jahr 2040 auf zwanzig Millionen angestiegen. In Europa hatten wir ähnliche Steigerungsraten. Nun ja, das ist ja jetzt Geschichte, unsere Attos erkennen die Krebszelle und alle neurodegenerativen Erkrankungen, natürlich auch HIV, und eliminieren sie. Ganz einfach ist es natürlich nicht, das ist eine hochkomplexe mikrobiologische Operation! Details möchte ich hier nicht beschreiben, Sie verstehen! Damit haben wir gesundheitspolitisch und sozialpolitisch einen Meilenstein gesetzt.

Die Vorteile der digitalen Biomedizintechnik sind dadurch ja nicht mehr zu leugnen. Die Kosten allerdings auch nicht!“

„Ja, da muss ich Ihnen Recht geben, das sehe ich auch so, obwohl … wer bezahlt diese ,Reparaturkosten’?“

„Jeder Mensch, der gut versichert ist, hat Anspruch auf Heilung. In den USA ist es immer noch so. Ich weiß, ihr in Europa habt da ein besseres Gesundheitssystem. Unsere Umfragen haben ergeben, dass jeder zweite Mensch bereit ist, sich lebensverlängernde Attos einpflanzen zu lassen – nicht überraschend!

Jetzt noch zur Lebensverlängerung ein Wort: Verkürzen sich nun diese Fortsätze einer normalen Zelle, wie vorhin erwähnt, im Laufe des Lebens, so stirbt irgendwann die Zelle, na ja und mit jedem Zelltod kommen wir unserem physischen Gesamttod etwas näher. Das war natürlich eine wichtige Erkenntnis, unter vielen anderen, versteht sich. Bis zu dieser Erkenntnis gelang eine Lebensverlängerung nur mit einer optimalen gesunden Lebensweise und pflanzlicher Ernährung. Der Tod konnte dadurch aber nur hinausgezögert werden. Jetzt konnten wir, als ersten Schritt daran gehen, das Absterben der Telomere durch Attotechnologie zu verhindern. Das ist uns auch gelungen, mit Hilfe der besagten Attos, die leisten gute Arbeit. Dies war allerdings nur, wie gesagt, ein erster, sehr komplexer Schritt. Um die Unsterblichkeit zu verstehen, also die Grundlagen, braucht es schon noch etwas mehr.“