Alkohol im Unternehmen - Martina Rummel - E-Book

Alkohol im Unternehmen E-Book

Martina Rummel

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Beschreibung

Das Buch bietet einen fundierten Überblick über den derzeitigen Stand der betrieblichen Alkohol- und Suchtprävention sowie über die vorliegenden Praxismodelle und die erreichten Qualitätsstandards. Schlüsselkriterien und Erfolgsfaktoren für die drei Hauptentwicklungslinien betrieblicher Präventionsprogramme – Reduktion des Konsumniveaus, Intervention bei Problemfällen und Aufbau eines funktionierenden Hilfesystems – werden strukturiert dargestellt und veranschaulicht. Dabei werden bewährte Best-practice-Modelle und der sich abzeichnende Innovationsbedarf angesichts veränderter Arbeits- und Führungslandschaften sowie knapper Ressourcen nachvollziehbar und anschaulich beschrieben. Zahlreiche praktische Tipps für relevante Situationen, wie z.B. Umgang mit Akutsituationen, Mitarbeitergespräch, Case Management, rechtliche Aspekte, Projektgestaltung und Kampagnen sowie viele Hinweise auf zielgruppenspezifische Fragestellungen runden den Band ab. Die organisationspsychologische Perspektive ermöglicht die Übertragung der grundlegenden Strategien und operativen Arbeitsansätze auch auf andere Prozesse, die durch die Themenstellung berührt werden, wie z.B. Fragen der Arbeitsgestaltung und Gesundheitsförderung, Führungskräfteentwicklung, Entwicklung der Kommunikations- und Feedbackkultur und regt zum Nachdenken über andere kritische Führungsthemen und Change-Themen an.

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Alkohol im Unternehmen

Praxis der Personalpsychologie

Human Resource Management kompakt

Band 7

Alkohol im Unternehmen – Prävention und Intervention

von Dr. Martina Rummel, Dipl.-Psych. Ludwig Rainer und Dr. Reinhard Fuchs

Herausgeber der Reihe:

Prof. Dr. Heinz Schuler, Dr. Rüdiger Hossiep,

Prof. Dr. Martin Kleinmann, Prof. Dr. Werner Sarges

Alkohol

im Unternehmen

Prävention und Intervention

von

Martina Rummel, Ludwig Rainer und Reinhard Fuchs

Hogrefe

Göttingen • Bern • Toronto • Seattle • Oxford • Prag

Dr. Martina Rummel, geb. 1954.

Studium der Psychologie in Mannheim, Tübingen und Berlin. 1987 Promotion. 1979 bis 1990 Forschungsprojekte beim Bundesministerium für Forschung und Technologie sowie als wissenschaftliche Mitarbeiterin bei ABF e.V. und am Institut für Soziologie der FU Berlin. Weiterbildung zur systemischen Familientherapeutin. Seit 1987 freiberufliche Tätigkeit als Organisationsberaterin, Trainerin, Coach und Supervisorin im Rahmen des Kooperationsverbundes DIALOG. Seit 1990 am Institut für Betriebliche Suchtprävention (IBS) tätig.

Dipl.-Psych. Ludwig Rainer, geb. 1948.

Ausbildung zum Industriekaufmann. Studium der Sozialwissenschaften, Philosophie und Psychologie in Berlin. Wissenschaftlicher Mitarbeiter in verschiedenen Forschungs- und Umsetzungsprojekten. Mitarbeiter des Instituts für Betriebliche Suchtprävention Berlin e.V. und seit 1987 freiberuflich als Trainer und Berater im Kooperationsverbund DIALOG tätig.

Dr. Reinhard Fuchs, geb. 1953.

Studium der Psychologie in Braunschweig und Berlin. 1995 Promotion. 1979 bis 1987 Forschungsprojekte beim Bundesministerium für Forschung und Technologie und Mitarbeiter des Instituts für Sozialforschung und Betriebspädagogik in Berlin. Seit 1987 selbstständige Tätigkeit als Trainer, Berater und Coach im Rahmen des Kooperationsverbundes DIALOG sowie Mitarbeiter des Instituts für Betriebliche Suchtprävention (IBS) Berlin e.V. seit 1987.

© 2004 Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG

Göttingen • Bern • Toronto • Seattle • Oxford • Prag

Rohnsweg 25, 37085 Göttingen

http://www.hogrefe.de

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Diese Bestimmungen gelten gegebenenfalls auch für zum E-Book gehörende Audiodateien

Umschlagbild: © Bildagentur Mauritius GmbH

Format: EPUB

eBook-Herstellung und Auslieferung: Brockhaus Commission, Kornwestheimwww.brocom.de

EPUB-ISBN: 978-3-8444-1885-9

Inhaltsverzeichnis

1 Alkohol im Unternehmen – Betriebliche Präventionsprogramme

1.1 Begriff und Konzept Betrieblicher Alkohol-, Drogen-und Suchtprävention

1.2 Alkohol- und Drogenprävention: Abgrenzung zu ähnlichen Begriffen

1.3 Bedeutung für das Personalmanagement

1.4 Betrieblicher Nutzen

1.4.1 Investitionsbereiche

1.4.2 Kosten-Nutzen-Relation

1.4.3 Kostenrelevante Aspekte

1.5 Weitere Themen und Ziele

1.6 Sonderfall Sucht: Wenn Probleme zur Krankheit werden

1.6.1 Abhängigkeitsentwicklung

1.6.2 Co-Abhängigkeit: Ein sinnvoller Begriff im betrieblichen Kontext?

1.6.3 Auseinandersetzung mit Abhängigkeitskranken

2 Modelle der betrieblichen Suchtprävention

2.1 Entwicklung und Arbeitsansatz

2.2 Ziele und Handlungsfelder

2.3 Steuerung

2.4 Betriebliche Alkohol-Interventionen als Change Prozess

3 Entwicklungslinien und Maßnahmeempfehlungen

3.1 Entwicklungslinie 1: Senkung des Konsumniveaus (Primärprävention)

3.1.1 Suchtmittelbezogene Regeln und die Funktion von Tests und Screening: Möglichkeiten und Empfehlungen

3.1.2 Einschränkung der Zugriffsmöglichkeiten auf Alkohol und Medikamente: Effekte und Empfehlungen

3.1.3 Aspekte der Arbeitsgestaltung: Empirische Befunde und Empfehlungen

3.1.4 Aufklärung und Aufbau von Alternativen: Ideen und Empfehlungen

3.1.5 Philosophie: Verantwortung setzt die Grenze

3.2 Entwicklungslinie 2: Konstruktive Intervention

3.2.1 Die Verantwortung und Rolle der Führungskraft

3.2.2 Anlässe zur Intervention: Typische Signale

3.2.3 Wahrnehmung und Bewertung der Signale

3.2.4 Handlungssicherheit bei akuter Beeinflussung von Mitarbeitern durch Alkohol und Drogen

3.2.5 Empfehlung: Unterstützung klarer Reaktionen

3.2.6 Konstruktive Intervention bei wiederholten Auffälligkeiten

3.2.7 Seminare und Coaching für Vorgesetzte: Standards und Empfehlungen

3.2.8 Konsens erzeugen: Schaffung eines verbindlichen Handlungsrahmens für die Intervention

3.2.9 Philosophie: Man kann nicht nicht kommunizieren

3.3 Entwicklungslinie 3: Beratungs- und Hilfesystem

3.3.1 Professionelle Beratung: Standards und Empfehlungen

3.3.2 Kollegiale Beratung durch „Suchtkrankenhelfer“: Standards und Empfehlungen

3.3.3 Philosophie: Der Unterschied, der einen Unterschied macht

3.4 Steuerung: Erfolgsbedingungen der Programmimplementierung

3.4.1 Langfristige Perspektive: Prozess statt Programm

3.4.2 Wer definiert das Problem?

3.4.3 Innerbetriebliche Entscheidungs- und Konsensfindung

3.4.4 Bereitstellung von Ressourcen

3.4.5 Steuerung und Begleitung

3.4.6 Schriftliche Vereinbarungen

3.4.7 Glaubwürdigkeit und Integration in die Unternehmensphilosophie

4 Besondere Aktionen und Situationen

4.1 Kampagnen zur Senkung des Konsumniveaus

4.2 Projekte: Die Balance von Besonderem und Alltäglichem wahren

4.3 Krankenhäuser und Pflegeheime: Rollen klären

4.4 Sicherheitskritische Betriebe: Der Aspekt der Qualitätssicherung

4.5 Klein- und Mittelbetriebe: Vernetzung hilft weiter

4.6 Pädagogische Einrichtungen: Ganzheitliche organisationale Ansätze

4.7 Präventionspogramme im Ausbildungsbereich

4.7.1 Die Bedeutung von Risikoinformation

4.7.2 Taten wirken mehr als Worte

4.7.3 Empfehlungen für primärpräventive Aktivitäten

4.7.4 Die Bedeutung von Spielregeln und ihrer Vermittlung

4.7.5 Ausbilder als Adressaten betrieblicher Programme

5 Aktive Gestaltung der Zukunft

6 Handlungshilfen

6.1 Schritte zur Einführung eines betrieblichen Suchtpräventionsprogramms

6.2 Hilfen zur Gesprächsführung für Vorgesetzte

6.3 Hinweise zum persönlichen Umgang mit Alkohol

7 Literatur

Karten:

Einführung eines betrieblichen Suchtpräventionsprogramms

Mitarbeitergespräch bei suchtmittelbedingten Auffälligkeiten

1

Alkohol im Unternehmen – Betriebliche Präventionsprogramme

1.1

Begriff und Konzept Betrieblicher Alkohol-, Drogen- und Suchtprävention

Mit dem Begriff Betriebliche Suchtprävention bzw. Betriebliche Alkohol- und Drogenprävention werden betriebliche Maßnahmen umschrieben, die Alkohol- und Suchtmittelmissbrauch und seine Auswirkungen im Arbeitsleben betreffen.

Risiken minimieren, Kosten senken und Hilfe anbieten

Betriebsprogramme zu diesem Thema richten sich in der Regel an Führungskräfte und Mitbestimmungsträger – und über diesen Weg an alle Mitarbeiter/innen. Sie zielen darauf ab, die organisationale Kompetenz im Umgang mit dem Themenfeld Suchtmittelkonsum und Sucht zu erweitern. Dabei geht es aus betrieblicher Sicht darum, die Risiken von Alkohol- und Drogenkonsum im Leistungs-, Unfall- und Gesundheitsbereich zu minimieren und die damit verbundenen Kosten zu senken. Und es geht um wirksame Hilfe für Menschen, die Probleme haben – ob diese nun suchtmittelbedingt sind oder nicht. Ein weiteres Ziel besteht darin, über den Fokus solcher Programme Führungskräfte-Entwicklung und Organisationsentwicklung zu betreiben.

Gesundheitspolitisch gesehen ist das Ziel weiter gesteckt: Suchtprävention im Betrieb bietet die einmalige Chance, gefährdete Erwachsene in einem für sie relevanten Handlungsfeld frühzeitig zu erreichen – präventiv, im Sinne einer Eindämmung des Risikokonsums – und für den Fall bereits vorliegender Probleme in einem Stadium, in dem sie ihren Arbeitsplatz noch haben und bevor eine Suchtkrankheit chronifiziert ist. Hier ergibt sich ein Überlappungsfeld, aber keine direkte Identität mit betrieblichen Interessen.

Mit diesen Zielen sind drei zentrale Handlungsstränge verbunden, die Prävention und Intervention miteinander verzahnen:

Senkung des Konsumniveaus von Alkohol und anderen Suchtmitteln

Führung und Kommunikation

Aufbau innerbetrieblicher Hilfesysteme

Alle drei Aspekte können unter dem Blickwinkel der Organisationskultur betrachtet werden und sind Gegenstandsbereiche von Personal- und Organisationsentwicklung. Sie werden im Folgenden näher ausgeführt.

Suchtprogramme sind auf Grund dieses vielschichtigen Zugangs begrifflich schwer zu fassen. Die verbreitetste Bezeichnung für betriebliche Alkohol- und Drogenprogramme íst „Betriebliche Suchtprävention“. Dieser inzwischen etablierte Begriff ist jedoch in sich verwirrend und verweist auf einige Dilemmata des Handlungsfeldes.

Prävention im Sinne von Vorbeugung ist immer unspezifisch – bezieht sich also nie auf Sucht allein, sondern auf Gesundheits- und Lebenskompetenz generell. Zugleich erzeugt Alkohol- oder Drogenkonsum betriebliche Probleme, die die Führungskräfte herausfordern – ganz unabhängig von der Frage, ob dabei Sucht im Spiel ist.

Die meisten Probleme entstehen durch Risikokonsum

Nimmt man Alkohol als verbreitetstes Suchtmittel in den Blick, ist man damit konfrontiert, dass vermutlich die meisten betrieblichen Alkoholprobleme nicht von schwer Alkoholabhängigen erzeugt werden, sondern von der vielfach größeren Gruppe der Risikokonsumenten. Sucht ist, so Ralf Hüllinghorst (Deutsche Hauptstelle gegen die Suchtgefahren), der „Spezialfall“ gegenüber dem größeren Problem des Risikokonsums. Viele betriebliche Berater fordern deshalb einen entsprechenden Paradigmenwechsel für die so genannte Betriebliche Suchtprävention.

Ist tatsächlich eine Suchtproblematik vorhanden, zeigen sich umgekehrt betrieblich manchmal die Folgeprobleme (etwa Fehlzeiten und Leistungseinbrüche), nicht aber die Suchtmittel – sofern überhaupt Substanzen im Spiel sind. Führungskräfte, die auf Auffälligkeiten reagieren, wissen in dieser Situation oft nichts über den Problemhintergrund.

Der Fokus der meisten Programme liegt beim Alkohol – auch in diesem Text konzentrieren wir uns darauf. Diese Konzentration ist auf Grund der Verbreitung nach wie vor sinnvoll. Die Präventions- und Interventionsstrategien lassen sich in aller Regel im Kern auf Probleme mit anderen Drogen und den Umgang mit anderen psychosozialen Problemstellungen übertragen.

1.2

Alkohol- und Drogenprävention: Abgrenzung zu ähnlichen Begriffen

Bezeichnungen

Für betriebliche Präventionsprogramme rund um Alkohol und Drogen werden unterschiedlichste Bezeichnungen gewählt, die im Kern denselben Gegenstandsbereich umschreiben, z. B.

Alkoholprogramm

Alkoholpräventionsprogramm

Betriebliche Suchtarbeit

Suchtprogramm

Suchtpräventionsprogramm

Programm gegen Alkoholmissbrauch

Bei Betrieben, deren Programme sich ausschließlich auf Hilfeeinrichtungen beschränken, werden entsprechende Begriffe benutzt:

Employee Assistance Programm

Betriebliche Sozialarbeit

Betriebliche Suchtberatung

Betriebliche Suchtkrankenhilfe

Gesundheitsförderung

Viele Betriebe ordnen Alkohol- und Suchtprogramme in das Handlungsfeld Betriebliche Gesundheitsförderung ein, um primärpräventive Aspekte zu betonen. Die meisten betrieblichen Suchtprogramme sind jedoch im Prinzip sekundärpräventive Hilfekonzepte für Alkoholiker. Bisweilen wird ein erweiterter Suchtbegriff eingefordert mit dem Ziel, auch andere Stoffgruppen wie etwa Tabak oder stoffungebundene Süchte zu erfassen, z. B. Spielsucht oder Essstörungen.

Arbeitssicherheit und Qualität

Mit Blick auf Fragen der Arbeitssicherheit und Qualitätssicherung ist der Sinn solcher Einordnungen oder Abgrenzungen fraglich: Alkohol- und Drogenprogramme berühren bei weitem nicht nur Fragen der Suchtprophylaxe und Gesundheitsförderung, sondern stehen in engem Zusammenhang mit der Führungs- und Kommunikationskultur. Leistungserhalt, Qualität und Arbeitssicherheit betreffen unmittelbar Führungsstandards und „Führungshandwerk“.

In den U. S. A. hat sich für Präventionsprogramme der Begriff EAP (Employee Assistance Programm) eingebürgert. Dieser Begriff wird inzwischen vielfach übernommen und mit wirksamer Einzelfallhilfe (Case Management) verbunden. Er stellt jedoch eine nicht sinnvolle Reduzierung des Arbeitsansatzes allein auf das Hilfesystem dar – ganz zu schweigen davon, dass dessen Ausstattung in amerikanischen Betrieben in aller Regel weit hinter den europäischen Standards liegt (vgl. Klepsch & Fuchs, 1998).

1.3

Bedeutung für das Personalmanagement

Lohnt es sich angesichts dieser komplexen Bezüge, ein Programm mit dem eingeschränkten Fokus Alkohol/Sucht zu implementieren? Die betrieblichen Erfahrungen sprechen dafür, mehr noch – der Versuch, die Thematik ganz in Gesundheitsförderungs- oder Qualitätsprogrammen aufgehen zu lassen, scheitert in vielen Fällen daran, dass das Thema Suchtmittelmissbrauch dann quasi „untergeht“. Betriebliche Alkoholprogramme, vor etwa 20 Jahren von den ersten Betrieben in der Bundesrepublik Deutschland aufgebaut und erprobt, gehören deshalb heute zu den Standards moderner Personalführung und Gesundheitspolitik.

Es rechnet sich

Programme können Risiken und Folgekosten von Suchtmittelkonsum nachweislich senken. Nach den vorhandenen Erfahrungen zahlt sich die Investition auch monetär aus (Fuchs & Petschler, 1998). Gleichzeitig sind Alkoholprogramme ein hervorragender Fokus, um Organisationsentwicklung im Bereich Führung und Kommunikation zu betreiben, da über die Auseinandersetzung im Einzelfall sämtliche „offenen Wunden“ der Organisation sofort in den Blick kommen.

• Verbreitung des Problems

Über drei Millionen Alkohol- und Medikamentenabhängige

Der durchschnittliche bundesdeutsche Einwohner konsumiert im Jahr 122 Liter Bier, 20 Liter Wein, 4 Liter Schaumwein und 6 Liter Spirituosen – das entspricht ca. 10,5 Liter reinem Alkohol. Dass damit erhebliche individuelle, soziale, betriebliche und gesellschaftliche Schäden einhergehen, ist unumstritten. Mit 1½ bis 2 Millionen alkoholabhängigen Bundesbürgern und jährlich ca. 40.000 „Alkoholtoten“ belaufen sich Abhängigkeit und Mortalität in der Gesamtbevölkerung auf mehr als das Zwanzigfache gegenüber illegalen Drogen, trotzdem wird die Alkoholproblematik in der Öffentlichkeit unterschätzt. Nach allgemeinen Schätzungen muss davon ausgegangen werden, dass ca. 5 % der Beschäftigten alkoholkrank, d.h. behandlungsbedürftig, weitere 10 % alkoholgefährdet sind. Als besonders riskant ist die Kombination von Alkohol und Tabak anzusehen (Meyer & John, 2003).

Als medikamentenabhängig gelten in der Bundesrepublik Deutschland 1,4 bis 1,5 Millionen Menschen (Glaeske, 2003), davon 1,1 Millionen von Benzodiazepinen (Beruhigungsmitteln). 6 bis 8 % aller verordneten Arzneimittel besitzen ein Missbrauchs- und Abhängigkeitspotenzial.

Ca. 2 Millionen Menschen konsumieren Cannabis, 270.000 als Dauerkonsumenten. Hier gilt vor allem der Jugendbereich als betroffen. Marihuana und Kokain stellen jedoch auch im Erwachsenenbereich für Betriebe relevante Konsumfelder dar (Schätzungen: Deutsche Hauptstelle gegen die Suchtgefahren, Jahresbericht 2001 über den Stand der Drogenproblematik in der Europäischen Union EBDD). Die Konsumraten für harte illegale Drogen erreichen 250.000 bis 300.000.

Bei den nicht stoffgebundenen Süchten ist der Glücksspiel-Bereich betrieblich relevant. Die Anzahl pathologischer Spieler in Deutschland wird auf 80.000 bis 130.000 geschätzt. Pathologische Spieler weisen im Vergleich mit stoffgebundenen Suchtkranken höhere Schulden auf und brechen häufiger Therapien ab (Meyer, 2002).

• Betriebliche Bedeutung

Alkohol gehört zum Arbeitsalltag

Nahezu alle Erwachsenen sind Alkoholkonsumenten – und Alkoholkonsum ist Bestandteil vieler Betriebskulturen. Deshalb ist die betriebliche Auseinandersetzung mit diesem Thema von Ambivalenz geprägt:

Einerseits ist Alkohol aus vielen sozialen Situationen innerhalb und außerhalb des Arbeitsalltags, auch aus dem Kundenkontakt, kaum wegzudenken. Andererseits entstehen durch Alkoholprobleme Kosten, die, obgleich nicht exakt quantifizierbar, die Aufwendungen für präventive Maßnahmen marginal erscheinen lassen. Quantitative und qualitative Leistungsminderung, Fehlzeiten, unüberschaubare Folgekosten durch Entscheidungsfehler, Imageprobleme und unverhältnismäßige Energieverluste bei disziplinarischen Auseinandersetzungen sind nur einige Beispiele für die Belastungen.

Eine Untersuchung in der Landesbank Berlin zeigt, dass sich viele Führungskräfte in ihrem beruflichen Alltag mit der Thematik befassen müssen: Jede vierte Führungskraft vermutet danach Alkoholprobleme bei mindestens einem ihrer Mitarbeiter. Jede zehnte vermutet bei einem Mitarbeiter oder einer Mitarbeiterin Medikamentenprobleme, jede vierte hat Suchtprobleme im Kreis der eigenen nahen Angehörigen (Fuchs & Rummel, 1998).

Kosten werden nicht wahrgenommen

Dass die damit verbundenen Kosten oft nur zum Teil in die Wahrnehmung eingehen, hängt mit einer hohen Toleranz für die durch Alkoholkonsum und -missbrauch bedingten Probleme zusammen. Dies ist unter anderem der schleichenden Entwicklung bei Suchtmittelproblemen geschuldet, deren Signale aus verschiedenen Gründen vom betrieblichen Umfeld zu lange übersehen werden. Zugleich ist die Frage, wann und wodurch eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter auffällig werden kann, bestimmt von den sozialen Spielregeln, Führungs- und Verhaltenskriterien, die für den jeweiligen Arbeitsbereich gelten. Prävention in einer Organisation bedeutet daher immer zugleich, die sozialen und kommunikativen Potenziale sowie die Leistungspotenziale einer Organisation zu entwickeln. In diesem Band wird das Thema Alkohol- und Drogenmissbrauch daher explizit als Thema der Personalführung und Organisationsentwicklung aufgegriffen.

1.4

Betrieblicher Nutzen

1.4.1

Investitionsbereiche

Prävention ist auch eine Werteentscheidung

Ob eine Organisation in präventive Maßnahmen investiert oder nicht, ist unserer Erfahrung dennoch nicht allein ein Resultat rationaler Kosten-Nutzen-Abwägung (die dies unmittelbar nahelegt), sondern viel häufiger eine Werteentscheidung. Die Entwicklung eines tragfähigen Präventionsprogramms erfordert die innerbetriebliche Auseinandersetzung und Konsensbildung über ein Tabuthema, die Förderung konstruktiver Kommunikation und die Bereitstellung von Ressourcen zu Gunsten der Mitarbeiter. Damit ist sie eine direkte Investition in die Menschen, die untrennbar mit den Kernwerten, der Vision und Philosophie der jeweiligen Organisation verbunden ist. Die drei Kernbereiche dieser Investition sind:

präventive Maßnahmen, die das Unfallrisikos minimieren, Leistung und Qualität sichern, Gesundheit fördern und insgesamt das Konsumniveau von Alkohol, Medikamenten und Drogen senken

Maßnahmen zur Veränderung der Führungs- und Kommunikationskultur, die einen konstruktiven und lösungsorientierten Umgang mit vorhandenen Problemen fördern

Maßnahmen zur Bereitstellung eines effizienten innerbetrieblichen Hilfeangebotes für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Krisensituationen

Im Folgenden werden Handungsmöglichkeiten zu diesen Entwicklungslinien erörtert und Empfehlungen gegeben.

1.4.2

Kosten-Nutzen-Relation

Programme sind sinnvolle Investitionen

Dass betriebliche Alkohol- und Drogenprogramme sich rechnen, wird inzwischen nicht mehr bestritten, wenngleich Bemühungen der Quantifizierung oft den Gegenstandsbereich nicht wirklich präzise umfassen (Fuchs & Petschler, 1998). Am besten nachgewiesen sind die Effekte guter innerbetrieblicher Kooperations- und Hilfesysteme. So scheint sich eine Sozialarbeiterstelle bereits durch wenige Alkoholkranke, die früher adäquate Behandlung erfahren, allein über Fehlzeitenreduktion zu amortisieren (s. u.). Auch ist bekannt, dass viele folgenschwere Unfälle mit immensen Kosten für die Organisation vermeidbar wären, würde der Problematik des Alkoholkonsums mehr Aufmerksamkeit gewidmet.

Insgesamt wird für betriebliche Präventionsprogramme in diesem Bereich ein Return of Investment von 1: 4 angenommen.