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Fast nie leben wir aus dem Vollen. Dabei tragen wir in uns ein unglaubliches Potenzial an Möglichkeiten, denn in jedem Menschen sind die Kräfte der Archetypen zuhause. Wir alle haben Zugang zu diesen uralten Qualitäten und Kräften, die schon immer das Leben gestalten. Zumeist aber leben wir ein reduziertes Leben und nutzen nicht die Vielfalt unseres inneren Universums. Dieses Buch ist eine Einladung, dieses Universum zu entdecken. In 12 Selbsterkundungen kannst Du die Urkräfte in Dir entdecken und sie einladen, in Dir zu einem lebendigen Ausdruck zu finden. In diesem Sinne ist dies ein Buch für die Selbstführung.
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Seitenzahl: 305
Veröffentlichungsjahr: 2021
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Danksagung
Einführung
Die Reise beginnt
Was ist Selbstführung
I Selbstdurchsetzung mit der Kraft des Kriegers
Eine Gabe des Kriegers – der Wille zum Guten
II Selbstsicherung mit der Kraft der Gärtnerin
Eine Gabe der Gärtnerin - Fülle
Mensch sein – die Wesensanteile des Menschen
III Selbstorientierung mit der Kraft des Botschafters
Eine Gabe des Botschafters - Brückenbauen
IV Selbsttreue mit der Kraft der Mutter
Eine Gabe der Mutter - Empfindsamkeit
Archetypen
V Selbstwirksamkeit mit der Kraft des Helden
Eine Gabe des Helden - Einmaligkeit
VI Selbstanpassung mit der Kraft der Dienerin
Eine Gabe der Dienerin - Demut
VII Selbstergänzung mit der Kraft des Gefährten
Eine Gabe des Gefährten - Friede
VIII Selbstwandlung mit der Kraft der Magierin
Eine Gabe der Magierin – Begegnung mit dem Schatten
Zwölf Archetypen als Abbild einer universellen Ordnungsstruktur
IX Selbsterweiterung mit der Kraft des Weisen
Eine Gabe des Weisen - Werte
X Selbstbegrenzung mit der Kraft der Königin
Eine Gabe der Königin - Individuation
XI Selbstbefreiung mit der Kraft des Narren
Eine Gabe des Narren – über die Polarität hinaus
XII Selbsthingabe mit der Kraft der Priesterin
Eine Gabe der Priesterin – Leere durch Unterlassen
Komm, lieber Phoenix – die Bestimmung des Archetypen Deiner wachen Präsenz
Stichwortverzeichnis
Literaturverzeichnis
Bildnachweise
Kontakt zum Autor
Dieses Buch konnte in dieser Form entstehen, weil Ursa Paul mit ihrer Inspiration und geistigen Klarheit mich über Jahre begleitet hat und weil sie mich darin bestärkt hat, meiner Berufung zu folgen. Der Titel dieses Buches ist eine Übersetzung des über 2000 Jahre alten Sanskritsatzes, der da lautet:
„Tat Tvam Asi“
Ursa Paul hat mich ahnen lassen, wie wahr dieser Satz ist. Ich danke ihr dafür.
Danken möchte ich auch meinem Freund, Dr. Reinhard Billmeier, der mit mir über viele Jahre Management Retreats angeboten hat und in deren Vorbereitung wir gemeinsam Themen der Selbstführung in der Tiefe erkundet haben. Gleichermaßen bin ich meiner Freundin, Professorin Anja Grothe, dankbar für die vielen inspirierenden und freudvollen Workshops, die wir gemeinsam konzipiert und geleitet und mit denen wir uns den Themen Führung und Selbstführung mehr und mehr angenähert haben.
Danken möchte ich den vielen Menschen, die sich mir im Rahmen des Archetypen-Coachings anvertraut haben und mir in ein solch großen Fülle gezeigt haben, wie sich die Archetypen und ihre Beziehungen untereinander in unseren Leben ausdrücken können.
Danken möchte ich auch meiner Frau, Carmen, die es mitgetragen hat, dass ich den Freiraum hatte, dieses Buch zu schreiben.
Dr. Beate Scheunemann und Monika Bartoszewska danke ich für ihre große Sorgfalt, mit der sie das Manuskript redigiert haben.
Von Herzen Dank!
Dieses Buch ist, wenn es um die persönliche Anrede geht, in der Du-Form geschrieben. Aus Sicht der Archetypen sind wir alle eine große Familie – das ist der Grund. Außerdem fällt es mir leichter, aus dieser größeren Nähe heraus, in einen inneren Prozess mit dem Leser/der Leserin zu gehen – DU wirst schon sehen. Nur bitte verstehe es nicht als Anmaßung, wenn ich DICH duze.
Nach einer kurzen Einführung lade ich Dich im zweiten Kapitel zu einer Art Selbst-Einschätzung ein, damit Du im Rahmen der Selbstführung einen Eindruck gewinnen kannst, welche Urkräfte in Dir von besonderer Bedeutung sind. Danach beginnen die Begegnungen mit diesen Urkräften, die auch als Archetypen bezeichnet werden. Es sind genau zwölf an der Zahl. In den mit römischer Nummerierung gekennzeichneten Kapiteln sind diese fundamentalen Archetypen charakterisiert. Jeder Archetyp wird auf mehreren Ebenen vorgestellt.1 Diese sind:
das Wesen des Archetypen in einer personalisierten Form
2
wie sich dieses Wesen in einem Menschen ausdrückt
die Gabe, die der Archetyp für den Menschen bereit hält
der Schatten des Archetypen
3
Haltungen, mit denen der Mensch dem Archetypen näher kommt.
Die Haltungen, die am Ende eines jeden Kapitels zu einem Archetypen beschrieben sind, können mehreren Zwecken dienen:
Allem voran sind sie eine Einladung, den Archetypen noch näher zu kommen. In dem Kapitel „Komm, lieber Phoenix“ werde ich Dich einladen, für Dich zu bestimmen, welcher Archetyp Deiner wachen Präsenz am ehesten entspricht.
Du kannst alle Archetypen dafür nutzen, auf bestimmte Lebenssituationen adäquat zu reagieren, indem Du jenen Archetypen in Dir „anrufst“, der mit dieser Situation am besten umgehen kann.
Sie können auch der Regulierung dienen. Alle Archetypen sind in Polaritäten miteinander verbunden und diese Polaritäten können dafür sorgen, dass es nicht zu Übergewichten / Dominanzen kommt. Wenn Du entdeckst, dass ein Archetyp in Dir zu dominant ist (zum Beispiel weil Deine individuelle Sozialisation dafür gesorgt hat
4
), kannst Du die Haltungen seines polaren Gegenüber praktizieren.
Wie schon gesagt – bei diesen zwölf Archetypen handelt es sich um zwölf fundamentale, die Teil der universellen Ordnung sind. Es gibt demnach in der Auswahl dieser Archetypen keine Beliebigkeit! Das wird in dem Kapitel 5 ausführlich begründet. Beliebig sind die Namen, die ich dafür gewählt habe. Zum Teil sind es gebräuchliche Namen, wie zum Bespiel Krieger, Mutter oder Priesterin. Zum Teil sind sie eher unüblich, wie zum Beispiel Gärtnerin, Botschafter oder Gefährte. Du wirst feststellen, dass von Archetyp zu Archetyp die Namen immer zwischen einer männlichen und einer weiblichen Form wechseln. Eigentlich ist ein Archetyp ein Neutrum. Statt vom Archetypen der Mutter müssten ich eigentlich vom Mütterlichen sprechen. Ich habe trotzdem die männliche oder weibliche Form gewählt, da diese Personalisierung eine größere Nähe erzeugt.
Zu jedem Archetypen findest Du in diesem Buch eine Einladung zu einer Selbsterkundung. Das sind „Übungen“, die eine noch tiefere Erfahrung des Wesens der einzelnen Urkräfte ermöglichen sollen. Diese Übungen wenden sich nicht nur an den Verstand, sondern sollen Dich auch auf Ebenen berühren, die der Qualität des Archetypen entsprechen. Wenn Du es gewohnt bist, erst einmal nur Inhalte aufzunehmen, kannst Du diese Übungen auch überspringen und Dich ihnen erst am Ende des Kapitels eines Archetypen zuwenden. Jedes Kapitel zu einer Urkraft steht für sich. Trotzdem bauen die Selbsterkundungen zum Teil aufeinander auf.
In diesen Begegnungen wird von unterschiedlichen Anteilen von uns Menschen, z.B. dem Verstand, dem Ego, der Seele und dem Selbst, die Rede sein. Im Kapitel 3 werden diese in einem Modell unserer menschlichen Struktur eingeordnet. Wenn wir über die Archetypen sprechen, ist es schon sehr hilfreich, zu wissen, wo sie in uns beheimatet sind, was wir meinen, wenn wir „ich“ sagen, und was wir sonst noch alles sind.
Das Kapitel 4 befasst sich damit, woher die Idee kommt, dass es Archetypen gibt. Für alle, die nachvollziehen wollen, warum es denn genau diese zwölf sind und dass ihre Eigenschaften nicht meiner Phantasie entspringen, sondern sich aus dem Beziehungsgeflecht zwischen diesen Urkäften ergeben, werden im Kapitel 5 die zwölf Archetypen als Abbild einer universellen Ordnungsstruktur hergeleitet.
Wenn Du dann den Eindruck gewonnen haben solltest, dass diese Archetypen ernst zu nehmen sind und es sich lohnt, die Verbindung zu ihnen zu suchen, kann das Kapitel 6 „Komm, lieber Phoenix“ Dir vielleicht nützlich sein. Denn hier kannst Du herausarbeiten, welche Archetypen in Dir eine dominante Position haben und was Du tun kannst, mit Ihnen in eine gute Balance zu kommen.
Dieses Buch ist eine Einladung, unseren inneren Reichtum, der uns mit den Urkräften gegeben ist, zu entdecken. Es ist eine Reise, zu grundlegenden Mustern, die unser Sein bestimmen und die wir nutzen können. Und es ist ein Experimentierbuch für die Selbstführung.
An verschiedenen Stellen lade ich Dich ein, in das Buch etwas hineinzuschreiben. Manchen behagt es nicht, in ein Buch zu schreiben. Wenn es Dir auch so geht, möchte ich Dir den Vorschlag machen, Haftnotizzettelchen zu verwenden, die Du an den entsprechenden Stellen in das Buch einfügen und auch wieder entfernen kannst.
Und noch ein Letztes zum Geleit - in unserer gegenwärtigen Welt sind wir ja ziemlich leistungsorientiert. Deshalb ist es mir wichtig, dem Leistungsanspruch noch etwas zu sagen:
Lieber Leistungsanspruch, bitte begreife dieses Buch als ein Spiel.
ein Spielein Spielein Spielein Spiel ein Spiel ein Spiel
ein Spiel ...
Es ist ein Spiel und Du entdeckst um so mehr, je intensiver Du mit diesem Buch spielerisch umgehst. Die Archetypen sind ein Leitstern! Schau mal – es wäre wahnsinnig anstrengend, wenn Du jetzt beim Lesen dieses Buches entdeckst, dass es tatsächlich all diese Archetypen gibt und Du zu der Meinung kommst, die Potenziale dieser Archetypen jetzt verwirklichen zu müssen. Du würdest heftige Frustrationen erleben, denn es ist menschlich, dazu nicht in der Lage zu sein – nicht einmal zu 50 %. Begreife bitte die Archetypen mit ihrem Potenzial als einen Leitstern, an dem Du Dich orientieren kannst, aber den Du nie erreichen wirst – nie! Du kannst diesen Leitstern zur Orientierung nutzen. Du wirst straucheln, hinfallen – und dann kannst Du wieder aufstehen, den Leitstern suchen, erneut Orientierung gewinnen und Deinen Weg fortsetzen. Das sollte Dir genügen.
Und jetzt wünsche ich Dir viel Freude und Inspiration auf Deiner Entdeckungs- und Selbsterkundungsreise.
1 Ich habe mich dabei nicht von einer Struktur der Einheitlichkeit einengen lassen. Die Ausführungen zu den verschiedenen Ebenen variieren in ihrer Länge von Archetyp zu Archetyp.
2 Die psychische Kraft des Archetypen ist für uns besser erfassbar, wenn wir sie uns als Person vorstellen.
3 Auch die Archetypen sind der Dualität des Daseins unterstellt. Hell und Dunkel gehören zusammen (siehe das Kapitel III zum Botschafter). Jeder Archetyp hat deshalb lichte und dunkle Eigenschaften.
4 Stell Dir nur mal vor, Du musstest schon in jungen Jahren Dich ganz viel um jüngere Geschwister kümmern, weil Deine Eltern dazu nicht hinreichend in der Lage waren. Dann hat der Archetyp der Königin höchstwahrscheinlich in Dir zu viel Gewicht bekommen.
Hallo, willkommen! Welche der folgenden Aussagen passen derzeit am besten zu Deiner Lebenssituation und welche von den gewählten ist für Dich die wichtigste?
Hast Du Deine Wahl getroffen? Wir kommen im nächsten Kapitel darauf zurück.
Wusstest Du, dass vor langer Zeit die Göttinnen und Götter darüber berieten, wie die Menschen davor bewahrt werden können, die Weisheit des Universums zu finden, bevor sie tatsächlich reif genug dafür sind? Die Göttinnen und Götter beschlossen, die Weisheit des Universums an einem Ort zu verstecken, zu dem die Menschen erst gelangen, wenn sie die Reife dafür entwickelt haben.
Einer der Götter schlug vor, die Weisheit auf dem höchsten Berg der Erde zu verstecken. Aber schnell erkannten die anderen, dass der Mensch bald alle Berge erklimmen würde und die Weisheit dort nicht sicher genug versteckt wäre. Ein anderer schlug vor, die Weisheit an der tiefsten Stelle im Meer zu verstecken. Aber auch dort sahen sie die Gefahr, dass die Menschen die Weisheit zu früh finden würden.
Dann machte die weiseste aller Göttinnen einen Vorschlag:
"Ich weiß, was zu tun ist. - Wir verstecken die Weisheit des Universums im Menschen selbst. Er wird dort erst dann danach suchen, wenn er reif genug ist; denn dazu muss er den Weg in sein Inneres gehen, durch all seine Vorbehalte, Verstörungen und Schatten hindurch."
Die anderen Göttinnen und Götter waren von diesem Vorschlag begeistert und so versteckten sie die Weisheit des Universums, die Archetypensicher im Menschen selbst...
Meine erste Begegnung mit den Archetypen liegt fast 40 Jahre zurück. Damals habe ich begonnen zu entdecken, dass das ewige Spiel des Lebens ein Muster hat, bestimmten Regeln folgt und dass es Urkräfte gibt, die diese Regeln repräsentieren. Fasziniert von dieser Entdeckung habe ich angefangen, mich umzuschauen. Ich habe mich gefragt, welche Erkenntnisse die Philosophen, die Soziologen, die Naturwissenschaftler und die gläubigen Menschen darüber haben. Ich bin in sogenannte Selbsterfahrungsgruppen gegangen, habe mich mit Mythen befasst, war bei Schamanen und spirituellen Lehrern. Gleichzeitig habe ich als Ingenieur und Naturwissenschaftler gearbeitet und war innerlich aufgespannt zwischen Erklären und Wundern.
Im Laufe meiner weiteren persönlichen Entwicklung habe ich sehr intensiv erlebt, dass wir Menschen mehr sind, als wir gemeinhin annehmen. Das vorherrschende Menschenbild lehrt uns, dass wir einen Körper haben, der mit einem selbstreflektierenden Intellekt ausgestattet ist, einem Verstand, der sich als ein „Ich“ erkennt und als dieses „Ich“ über sich nachdenken kann. Und außerdem gibt es da noch die Gefühle, von denen nicht wenige meinen, dass sie eher stören. Ach ja – und für jene, die gläubig oder spirituell erfahren sind, gibt es da noch etwas, das wir Seele nennen.
Dieses Buch habe ich geschrieben, weil ich erfahren habe, dass dies nicht alles ist. WIR SIND MEHR! Wir tragen in uns die sogenannten Archetypen5, die unser Handeln, Denken und Fühlen wesentlich beeinflussen und uns mit großen Potenzialen ausstatten. Archetypen sind Urbilder in uns. Sie sind eine geistige Genetik, die wir alle in uns tragen. Früher – und zum Teil auch heute noch – haben wir sie als Göttinnen und Götter in den Himmel, nach Walhalla oder in den Olymp projiziert. Aber in Wirklichkeit existieren diese machtvollen Gestalten in uns. Jede / jeder von uns hat einen Olymp von Göttinnen und Göttern in sich. Jede / jeder von uns hat deren Fähigkeiten zur Verfügung. Sie kennen zu lernen bedeutet, sich selbst besser kennen zu lernen und den eigenen Reichtum zu entdecken.
Mit anderen Worten, die Archetypen sind ein bedeutender Teil unseres inneren Universums. Und ich wähle diesen Begriff ganz bewusst, denn ich bin inzwischen zutiefst davon überzeugt, dass unser Inneres viel größer ist, als wir allgemein glauben. Je mehr wir uns selbst erforschen, desto mehr offenbart es sich uns. Je tiefer wir in uns selbst hineinsinken, umso größer wird unsere innere Welt. Sie dehnt sich immer mehr aus, ohne, dass wir darin verloren gehen.
Der Phoenix
Diesen Olymp der Archetypen tragen wir tief im Inneren unseres Unterbewusstseins verborgen. Deshalb können wir nicht mal eben per Willensakt mit unserem Bewusstsein eine Verbindung zu ihnen herstellen. Schließlich ist es das Unterbewusste, das die Archetypen beherbergt. Und doch gibt es Pfade der Annäherung. Und wenn diese Annäherung geschieht, wirst Du ein bisschen wie der Phoenix6 sein. Anteile von Dir werden sich wie neu geboren anfühlen und einiges, was heute noch utopisch scheinen mag, wird möglich.
In unserer von Rationalität, Zweckmäßigkeit und Konsum sehr geprägten Welt ist die Verführung zu einer Verflachung groß. Wenn wir ihr erliegen, bewegen wir uns zwischen Arbeit, Konsum und Massenmedien. Ab und zu fahren wir in den Urlaub, ab und zu sind wir mit Freunden oder Bekannten unterwegs. Manchmal leben wir unsere Sexualität, manchmal gehen wir wählen... Es könnte dann der Eindruck entstehen, dass es das ist, was unsere Welt im Wesentlichen ausmacht. Die Orientierung auf Äußerliches ist zurzeit immens – Du kannst den ganzen Tag auf Schnäppchenjagd sein in der unendlichen Angebotsflut des Internets. Du kannst den ganzen Tag lang Dich über relativ belanglose Themen austauschen, in Chatgruppen, per Handynachrichten, Selfies, Emails, Twitter und und und. Du kannst Dir den ganzen Tag Nachrichten abholen, die Dir auf x Kanälen suggerieren, dass die Welt schlecht ist und Du glaubst das auch noch, weil Dein Gehirn dazu neigt, die Bedeutung bedrohlicher Ereignisse zu überhöhen, durch Schwarz-Weiß-Denken zusätzlich zu verstärken und zu verallgemeinern.7 Aber ein solcher Eindruck wäre ein großer Irrtum.
So – und nun ist die Reihe wieder an Dir. Schau Dir bitte mal die folgende Darstellung an und triff eine Wahl. Welche von den zwölf Aussagen kommen Deinen Bedürfnissen jetzt, genau jetzt, am nächsten. Triff bitte Deine Wahl.
Mit diesen Aussagen möchte ich Dir einen ersten Eindruck von der Vielfältigkeit der Orientierung der Archetypen geben. Jede Aussage gehört zu einem Archetypen. Diese Vielfältigkeit rührt daher, dass die Gesamtheit der Archetypen, die in diesem Buch vorgestellt wird, die Stadien eines jeden Entwicklungsvorgangs beschreibt - wohlbemerkt – eines jeden! Und wenn diese Behauptung wahr ist, dann muss mindestens eine der Aussagen Dich angesprochen haben.
Unser Leben ist viel mehr, vermag viel mehr und will viel mehr. Jeder Mensch ist reich, denn er hat ein großes Potenzial – jeder! Jeder Mensch sucht für sich Heilung und Ganzwerdung. Jeder Mensch will seine Kreativität leben – wie auch immer. Jeder Mensch ist zu etwas berufen.
Eine Begegnung mit den Urkräften hilft, in den vielen Äußerlichkeiten, die sich mehr und mehr bieten, nicht verloren zu gehen. Sie hilft bei einer Kehrtwende- weg von den vielen Äußerlichkeiten und hin zu dem inneren Reichtum. Und was genau damit gemeint ist, davon erzählt dieses Buch. Es soll Dir helfen, Deinen unterbewussten Reichtum an Dein Alltagsbewusstsein anzuschließen.
Und nun, da Du Deine Wahl getroffen hast, kann die Reise zu den inneren Kraftquellen beginnen. Du bestimmst den Weg. Vielleicht willst Du Dich gleich aufmachen, den Archetypen kennenzulernen, der zu Deiner Wahl passt. Dann möchte ich Dich jetzt mit einer Regel vertraut machen, die Dir noch an anderen Stellen in diesem Buch begegnen wird: Lies bitte den obigen Kreis von 12 Möglichkeiten, was jetzt Dein Bedürfnis ist, wie eine Uhr. Die Wahl, die Du getroffen hast, welcher Uhrzeit entspricht diese? Und nun schau in das Inhaltsverzeichnis. Die Kapitel zu den einzelnen Archetypen haben römische Ziffern von I bis XII. Der Archetyp, der zu Deiner Wahl passt, hat die entsprechende Ziffer der Uhrzeit.
Kurz noch ein Hinweis zu dem Aufbau des Buches: die Vorstellung der Archetypen beginnt erst mit dem übernächsten Kapitel. Das folgende befasst sich damit, was ich unter Selbstführung verstehe. Das Kapitel ist als eine Art Selbstcheck aufgebaut und kann Dir helfen, schon mal herauszufinden, welche Archetypen für Dich wichtig sein können. Wenn Du das möchtest, kannst Du jetzt einfach weiterlesen. Andernfalls kannst Du mit dem übernächsten Kapitel Dich jetzt den Archetypen zuwenden. Vielleicht bist Du aber auch jemand, der ein konsequent methodisches Vorgehen bevorzugt. Dann empfehle ich Dir, erst das Kapitel 5 „Zwölf Archetypen als Abbild einer universellen Ordnungsstruktur“ zu lesen.
5 Der Begriff geht auf C.G Jung zurück, Die 12 Archetypen, die ich in diesem Buch vorstelle, sind nicht jene, die C.G. Jung im Blick hatte.
6 Der Phoenix ist ein Symbol für die Selbsterneuerung. Man sagt ihm eine außerordentliche Schönheit nach. Dem Mythos zufolge verbrennt der Phönix und wird aus dem Ei, das in seiner Asche zurückgeblieben ist, wiedergeboren.
7 In Wirklichkeit wird die Welt in vielen Dingen immer besser. Hans Rosling beschreibt in seinem Buch Factfulness (Ullstein Buchverlage 2018) beeindruckend, dass wir z.B. in der Gleichberechtigung, der Demokratie, der Grundversorgung, den Ernteerträgen, der Alphabetisierung, der Eindämmung von Epidemien oder dem Rückgang der Kindersterblichkeit auf einem sehr guten Weg sind.
„Jeder lebt in der Illusion, er handle aus eigenem freien Willen. In
Wirklichkeit aber macht er sich über nichts so viele Illusionen, wie
über sich selbst.“
(Erich Fromm)
Die Selbsterkundungsreise zu den Archetypen kann ein nettes Spiel sein. An wirklichem Wert gewinnt sie, wenn Du sie für die Selbstführung nutzt. Deshalb lade ich Dich jetzt zunächst ein, die „Baustellen“ Deiner Selbstführung zu erkunden. Das braucht etwas Geduld, denn Selbstführung ist keine einfache Angelegenheit. Wie Du dem Kapitel „Mensch sein“ entnehmen kannst, sind wir ziemlich komplexe Wesen und allein schon deshalb ist Selbstführung notwendigerweise mehrdimensional. Drei Fragen sollen helfen, zu beantworten, was Selbstführung ist:
Wer führt?
Wozu brauchen wir Selbstführung?
Wie geschieht Selbstführung?
Wer führt?
Frag mal jemanden, der Dir nahe steht. Die spontane Antwort lautet sehr wahrscheinlich „Ich“. Dann kommt Dein Gegenüber möglicherweise ins Grübeln und würde als nächstes vielleicht sagen: „Na ja – mein Verstand und aber auch meine Gefühle.“ Das kommt der Wahrheit schon näher. Wie Du aus dem vorangegangenen Kapitel erfahren hast, sind es das Alltagsbewusstsein, das Ego, das Unterbewusste, die Archetypen und das wirkliche Selbst8. Aber es ist auch das Leben, das uns führt.
Auf einer sehr vordergründigen Ebene sind es vor allem das Alltagsbewusstsein und das Ego. Aber in Wirklichkeit sind es mehrere Führungen, die sich hier überlagern. Wie eine mächtige Strömung im Untergrund führen Dich auch die Archetypen auf eine subtile Weise. Auf der Oberfläche, manchmal wild hin und her rudernd, ist es der Verstand als eine Kombination aus Alltagsbewusstsein und Ego. Da drunter gibt es aber noch den breiten mächtigen Strom der Gefühle. Für Hirnforscher9 ist es schon seit längerem eine Tatsache, dass unsere Gefühle unser Verhalten maßgeblich steuern. Der portugiesische Neurowissenschaftler Antonio R. Damasio war einer der ersten, der auf diesen Gedanken kam. Über Monate hinweg beobachtete er das Verhalten eines an einem Hirntumor erkrankten Patienten. Der Mann, den er Elliot nannte, hatte nach der Entfernung des Tumors, bei der Teile seines Gehirns beschädigt wurden, die Fähigkeit, zu fühlen verloren und konnte plötzlich keine Entscheidungen mehr treffen. Diese Erkenntnis kam völlig unerwartet, denn von der Antike bis ins 20. Jahrhundert war die herrschende Meinung: Menschen handeln rational. Gefühle stören dabei nur.
Das bedeutet, dass wir durch unsere Gefühle erst entscheidungsfähig werden. Der Hirnforscher Gerhard Roth drückt es folgendermaßen aus: „Viele dieser emotionalen Konditionierungen passieren in einer Weise, die uns nicht oder erst nachträglich bewusst ist [...] Indem bestimmte Geschehnisse einschließlich unserer eigenen Handlungen im limbischen Gedächtnis10 mit positiven oder negativen Gefühlen fest verbunden werden, erhalten sie eine Bewertung, und diese Bewertung trägt zu der Entscheidung bei, ob irgendetwas [...] getan oder gelassen werden soll.“11 Das limbische System unseres Gehirns steuert unser autonomes (vegetatives) Nervensystem und damit unsere Gemüts- und Erregungszustände. Es filtert die Auswertungen der Sinneseindrücke und lässt nur bestimmte zum Großhirn. Das alles geschieht nicht bewusst. Ob wir etwas mögen oder ablehnen, entscheidet nicht unser Alltagsbewusstsein, sondern unser Unterbewusstes. In überraschenden Situationen wird das noch deutlicher. Dann reagieren wir mit sogenannten primären Affekten12 eines angeborenen und automatisch ablaufenden Wahrnehmungs- und Reaktionssystems, das in Sekundenschnelle reagiert. Die folgende Tabelle stellt die beiden Bereiche – den Verstand (Alltagsbewusstsein) und das Unterbewusste mit seinen Gefühlen – vergleichend gegenüber13.
Verstand
Unterbewusstes
Verarbeitungsebene
bewusst
unbewusst
Kommunikationsmittel
Sprache
Gefühle (somatische Marker)
Arbeitstempo
langsam
schnell
Bewertung
richtig / falsch (logisch)
mag ich / mag ich nicht (hedonistisch)
Informationsverarbeitung
sequenziell
parallel
Zeithorizont
Zukunft
Hier und Jetzt
Wozu brauchen wir Selbstführung?
Wenn Du die Kraft der Archetypen für Deine Selbstführung nutzen möchtest, gibt es zumindest zwei Dimensionen, die es wert sind, diesbezüglich betrachtet zu werden. Wie in dem folgenden Bild dargestellt, kannst Du einerseits auf Deinen Ist-Zustand, d.h., auf die verschiedenen Ebenen Deines Daseins schauen oder Du kannst Dich damit befassen, welche Handlungsqualität Dich von jetzt aus zu einem veränderten Dasein führen soll.
Deshalb lade ich Dich nun ein, zunächst durch eine Reihe von Fragen herauszufinden, auf welchen Ebenen Deines Daseins Du Dir wünschen könntest, mehr mit der Kraft eines bestimmten Archetypen verbunden zu sein. Anschließend werden wir uns Deinem Tun und dessen Handlungsfeldern zuwenden.
Schau Dir bitte das nächste Bild an. Es zeigt 12 Daseinsebenen der Selbstführung.
Diesen Daseinsebenen sind vier Bereichen zugeordnet.
Zum körperlichen Bereich gehören: Entschiedenheit leben, den Tempel pflegen und Fähigkeiten entwickeln.
Zum seelischen Bereich gehören: Nähe zulassen, Kreativität ausdrücken und den Alltag meistern
Zum geistigen Bereich gehören: Beziehung leben, Verfangenheit auflösen und Werte praktizieren
Zum spirituellen Bereich gehören: Bestimmung folgen, Evolution wagen und die Wesensmitte finden.
Du ahnst es sicherlich schon, dass diese zwölf Daseinsebenen den Archetypen zugeordnet werden können.
Nachfolgend findest Du zu jeder Daseinsebene einige Fragen und Du kannst untersuchen, welche Daseinsebenen für Dich in Deinem Leben jetzt gerade die wichtigen sind und welche unter diesen die allerwichtigste ist. Zu diesem Zweck findest Du am Ende jeder Daseinsebene eine Wolkenreihe, in der Du ankreuzen kannst, wie wichtig es für Dich ist, Dich auf dieser Ebene mehr zu führen. Mache dazu in der entsprechenden Wolke ein Kreuz14. Versuche, diese Selbstuntersuchung möglichst liebevoll zu machen. Bitte, sei nett zu Dir! Versuche, nicht in Selbstvorwürfe zu gehen, wenn die Antworten auf einige Fragen nicht so positiv ausfallen. Und zum Schluss, wenn Du Deine Wahl getroffen hast, auf welcher Ebene Du den größten Handlungsbedarf hast, kannst Du Dir als nächstes einmal den Archetypen anschauen, der Dich auf dieser Daseinsebene besonders gut unterstützen könnte. Auch hierbei gilt wieder das Uhrzeit-Prinzip15. Und – nochmals - bitte versuche, es liebevoll und in Leichtigkeit zu tun. Du sollst Dich nicht „durchkauen“ müssen. Du kannst auch einfach mal etwas überspringen und vielleicht später noch mal vertiefen. Vergiss nicht:
Es ist ein Spielein Spielein Spielein Spiel ein Spiel
ein Spiel ein Spiel ...
Und nun zu den Fragen:
Es ist die Entschiedenheit, die echte Veränderungen möglich macht! Lebst Du Entschiedenheit. Wie sehr lebst Du in dem Bewusstsein, dass Leben Veränderung ist, dass leben bedeutet, Entscheidungen zu treffen? Fällt es Dir leicht, mit Veränderungen zu leben? Wenn Du den Satz „Siehe, ich mache alles neu“ sprichst, kann Dich das lächeln lassen? Kannst Du es genießen, offen zu sein für jegliche Entwicklung? Bist Du stark darin, eine Entscheidung zu treffen, Deinen Willen damit zu verbinden und zu tun, was Du entschieden hast, tun zu wollen? Verkraftet Dein Willen Schwierigkeiten und Durststrecken auf dem Weg zur Umsetzung Deiner Entscheidung? Gefällt es Dir sogar, Dich mit Deiner Entschiedenheit an der Wirklichkeit zu messen? Kann Dein Wille Dich befähigen, zu verändern, was verändert werden muss? Trifft dies alles auf Dich zu? Wenn nicht, wäre es gut, Du würdest Dich mit der Energie des Kriegers mehr verbinden würdest.
Dein Körper ist der Tempel Deiner Seele. Genießt Du ihn und die Entfaltung seiner Kraft? Liebst Du es, aufzuwachen, jeden Muskel anzuspannen und ihn in dem neuen Tag zu begrüßen? Liebst Du es, in Bergen zu wandern und das Schlagen Deines Herzens zu fühlen oder barfuß am Meeresstrand entlang zu laufen. Magst Du diese Deine Lebendigkeit? Hast Du ein liebevolles Verhältnis zu Deinem Körper, wenn Du Dich nackt vor den Spiegel stellst und Dich in Deinem Tempel betrachtest? Magst Du es, Dich körperlich zu fordern, beim Wandern, im Sport, beim Yoga oder wo auch immer? Bist Du in Wertschätzung zu Deiner Lebenskraft? Versorgst Du Deinen Körper auf eine gute und gesunde Weise und bist Du ihm liebevoll zugewandt, auch dann, wenn es ihm mal nicht so gut geht? Wenn Du Dich auf dieser Daseinsebene gut selber führst, wirst Du ein paar Mal genickt haben. Andernfalls wäre es gut, Du wendest Dich ab jetzt Deinem Tempel zu und umsorgst seine Lebendigkeit, wie eine Gärtnerin.
Am Leben teilhaben zu können erfordert, Fähigkeiten zu entwickeln. Das beginnt mit dem ersten Atemzug und endet, wenn es gut geht, erst mit dem letzten. Ist Dir bewusst, welche Fähigkeiten Du nutzt, um am Leben teilzuhaben? Kannst Du sie wirklich konkret benennen? Lernst Du mit Freude hinzu? Bist Du in einem guten Fluss, im Kontakt zu Deinem Umfeld? Bist Du neugierig darauf, wie etwas gehandhabt werden muss, wie etwas funktioniert? Bist Du offen für neue Eindrücke? Willst Du verstehen und Deine Möglichkeit, zu verstehen, erweitern? Wenn Du spürst, dass Du auf dieser Ebene Handlungsbedarf hast, wäre es gut, Du kümmerst Dich um das Thema wie ein guter Botschafter, der eine Mission zu erfüllen hat.
Nähe zulassen kann sich auf das Innen oder das Außen beziehen. In Bezug auf die Nähe zu Dir selbst: kannst Du Dich gut fühlen? Kannst Du spüren, was Dir gut tut und was nicht? Kannst Du fühlen, ob das, was Du tust, Deiner inneren Wirklichkeit entspricht – ob Du das wirklich willst? Und kannst Du darin in Nähe zu andern sein? Kannst Du Dich mit Deinem Innersten anvertrauen? Hältst Du die Intimität, die damit verbunden ist, aus? Ist überhaupt Intimität mit einem anderen Menschen etwas, dass Du wirklich zulassen kannst? Kann diese Intimität für Dich die Qualität von tiefster Nähe und Verschmelzen haben? Normalerweise haben wir hier immer Nachholbedarf. Wenn das für Dich auch so ist, dann wende Dich Dir zu, wie das Herz einer Mutter ihrem Kind.
Kreativität zu leben, ist ein Grundbedürfnis eines jeden Menschen. Es kann ganz unterschiedliche Formen haben, aber jeder Mensch möchte sich kreativ ausdrücken, schöpferisch sein. Hast Du für Dich einen Bereich, in dem Du Dein Schöpfertum lebst? Gibt es in Deinem Leben genug Platz für kreativen Selbstausdruck? Hast Du für Dich das Gefühl, etwas im Leben aktiv zu gestalten und bist Du damit zufrieden? Kennst Du dieses Lustgefühl, das in Dir aufsteigt, wenn Du etwas ganz nach Deinem Empfinden erschaffst, gestaltest, kreierst? Liebst Du es, für etwas zu brennen? Wenn nicht, wäre es gut, Du würdest mehr den Archetypen des Helden in Dir wecken.
Den Alltag zu meistern, bedeutet, Dein ganz normales Leben zu organisieren. Hast Du Deinen Platz im Leben gefunden? Hast Du eine Aufgabe, in der Du Dich wohlfühlst und die Dich nährt? Hast Du das Gefühl, dass Du Dich in Deiner Aufgabe wirklich nützlich machen kannst? Fällt es Dir leicht, zu tun, was Du zu tun hast - vom täglichen Kleinkram bis hin zur Steuererklärung? Kannst Du Dich liebevoll einem Detail zuwenden? Kannst Du alles „bedienen“, ohne allzu sehr in Anstrengung, Stress, Pedanterie oder Perfektion zu geraten? Bist Du in einem guten Fluss mit den Anforderungen Deines Alltags? Wenn nicht, wäre es gut, Du würdest Dich mehr damit vertraut machen, was es heißt, zu dienen.
In Beziehungen zu leben, ist für die eigene Entwicklung immens wichtig. Damit ist nicht zwingend eine Zweierbeziehung im herkömmlichen Sinne gemeint. Aber gemeint ist, sich den Herausforderungen zu stellen, die mit Beziehung verbunden sind. Also ergibt sich hier einerseits die Frage, wie gut Du Dich auf andere einlassen kannst? Kannst Du empathisch sein? Wie gut kannst Du die Welt durch die Augen eines anderen Menschen sehen? Wie sehr bist Du im Frieden mit den Menschen, die Dir nah sind. Hast Du eine Beziehung, in der Du Deine Liebesfähigkeit wirklich ausdrücken kannst. Andererseits - wie gut kannst Du Dich auf eine wirkliche Begegnung einlassen, in der auch Du gesehen wirst und erfährst, wie Dein Gegenüber Dich erlebt? Hast Du Nachholbedarf auf dieser Ebene?
Im Klartext: die allermeisten von uns sind immer noch dabei, wirklich erwachsen zu werden. Wir werden viel geleitet durch Vorbehalte, die wir im Laufe unserer Sozialisierung entwickelt haben. Fast alle von uns haben noch daran zu arbeiten, von egozentrischen Attitüden frei zu werden – seien es Machtansprüche, Eitelkeit, Gier oder Stolz. Fast alle von uns haben noch etwas, das geheilt werden kann: Angst vor der eigenen Lebendigkeit oder Trauer über erlebte Verletzungen. Es gibt viele Schatten in uns, die umarmt und erlöst werden wollen. Wie gut kennst Du Deine Schatten? Wie sehr bemühst Du Dich darum, Deine eigenen Verfangenheit aufzulösen? Wie gut bist Du Dir selber gewahr, wann Du zu sehr aus dem Ego heraus reagierst bzw. agierst? Wir gut kannst Du Dich darin und in Deinen anderen Unvollkommenheiten liebevoll annehmen? Wenn es da noch Entwicklungsbedarf gibt, wäre es gut, Du würdest Dich mehr mit dem Archetypen der Magierin verbinden.
Was uns hilft, nicht zu oft in die Fallen der eigenen Schatten und des Egos zu tappen, ist, Werte zu praktizieren. Werte zu haben und aktiv für diese im Leben einzutreten, mal still im Innern, mal deutlich im Außen, ist, wie einen Leitstern zu haben. Sie sind wie ein Licht, das immer da ist. Wie gut kannst Du Deine Wertehaltung benennen? Wie klar bist Du darin, welche Werte Dir die wichtigsten sind? Wie sehr vertraust Du darauf, dass die Kraft gelebter Werte letztendlich stärker ist als jede Dunkelheit? Weißt Du, wo und wie Du Dich im Außen für Deine Werte engagierst? Nicht so sehr? Dann kann es hilfreich sein, die Begegnung mit dem Weisen zu suchen.
Jeder Mensch hat eine Bestimmung, der es zu folgen gilt. In jedem von uns ist eine Wirklichkeit angelegt, die eine Verbindung mit dem Wirklichen außerhalb von uns sucht. Indem wir eins werden mit unserer Wirklichkeit, gelangen wir zur Gewissheit, kehren wir heim. Du kannst Dir Dein Leben wie eine Schale vorstellen, die sich mit Deiner Wirklichkeit füllen will. Suchst Du die Erfahrung, wie es ist, in dieser Wirklichkeit zu sein, um daran seelisch zu reifen? Bist Du davon überzeugt, dass diese Erfahrung für Dich heilsam ist, Dich mehr zu Deiner Vollständigkeit, Deinem wirklichen Wesen führt? Kennst Du Deine Bestimmung? Wenn Du da noch sehr auf der Suche bist, kann es helfen, Dich mehr dem Archetypen der Königin anzuvertrauen.
Evolution, Weiterentwicklung, ist ein Grundprinzip des Universums. Evolution ist ein Sprung über das Bekannte und Vertraute hinaus. Und Du weißt nicht, wie das Neue aussieht. Du hast keine Kontrolle über den evolutionären Sprung. Du kannst ihn nur wagen. Fällt es Dir leicht, gewohnte Strukturen aufzugeben? Bist Du offen für Innovationen? Magst Du die Freiheit, die entsteht, wenn Du gewohnte Grenzen und Maßstäbe überschreitest? Reizt es Dich, unbekannte Wege einzuschlagen? Hast Du schon mal alle Ufer hinter Dir gelassen und geschaut, wohin Dich der Wind des Schicksals weht? Wenn der Narr in Dir jetzt nicht ein paar Mal freudig genickt hat, wäre es gut, Du lernst ihn näher kennen.
Im vorangegangenen Kapitel habe ich einen Bewusstseinszustand beschrieben, den ich das wirkliche Selbst nenne. Eigentlich ist es ganz leicht, ihm zu begegnen. Schau in die wachen Augen eines zufriedenen Babys... Es scheint paradox zu sein, dass wir als Baby unserem wirklichen Selbst sehr nahe sind, diese Nähe in den Jahren des Wachstums verlieren, um dann später vielleicht wieder auf die Suche nach diesem wirklichen Selbst zu gehen. Aber das ist das Ziel der Menschwerdung. Wachbewusst zu werden, ein gesundes, starkes Ego zu entwickeln und dann mit dem wirklichen Selbst mehr und mehr zu begegnen. Gibt es eine Ahnung in Dir, dass Du Träger eines wirklichen Selbst bist? Hast Du es schon mal erlebt, das Du in dem ruhenden Mittelpunkt des Zyklons warst, den wir Leben nennen? Kennst Du die Momente der Stille, die in einer Meditation da sein können? Kennst Du den Frieden, der in diesen Momenten aufscheint? Kultivierst Du diesen Zustand in Dir? Ist es Dein Wunsch, mehr Deine Wesensmitte zu finden? Dann könnte ein Besuch bei der Priesterin sich lohnen.
Wenn Du Dir jetzt Deine Selbsteinschätzungen anschaust, wo besteht für Dich der größte Handlungsbedarf und welcher Archetyp gehört dazu?
Wie geschieht Selbstführung?
Jetzt kommen wir von Dasein zum Tun. Führung bedeutet ein Ziel (mindestens eines) zu haben und sich mit seinem Fühlen, Denken und Handeln in Richtung dieses Ziels zu orientieren. Es bedeutet weiterhin, diese Orientierung zu nutzen, um auf das Handeln, Denken und Fühlen Einfluss zu nehmen. Das ist schon alles: Ziel, Orientierung auf das Ziel hin und Einflussnahme. Dies zu tun, ist kein Dauerzustand aber eine immer wiederkehrende Aufgabe.
Was die möglichen Ziele anbelangt, gibt es im Rahmen der Selbstführung mehrere Handlungsfelder, die wir uns jetzt genauer anschauen. Zu diesem Zweck kannst Du jetzt einen spontanen intuitiven Selbstcheck machen. Schau Dir die folgende Abbildung an und versuche bitte zu erspüren (!) welches Handlungsfeld für Dich momentan das wichtigste ist.
Diese Handlungsfelder möchte ich Dir jetzt noch etwas näher vorstellen. Zu diesem Zweck sind sie Dimensionen zugeordnet, die es braucht, um Selbstführung praktizieren zu können. Das folgende Bild ist so zu verstehen, dass diese verschiedenen Dimensionen der Selbstführung ineinandergreifen. Es ist nicht so zu verstehen, dass eine Dimension auf der anderen aufbaut. Alle Dimensionen wollen gelebt werden. Mal ist die eine mehr gefragt, mal ist es eine andere.
Allerdings ist die erste Dimension, das Selbstbild, im besonderen Maße die Grundlage Deiner Selbstführung. Wenn Du z.B. Deine Emotionen oder den Einfluss der Archetypen außen vorlässt, wird Deine Selbstführung nur sehr begrenzt möglich sein. Deshalb wurden in dem vorangegangenen Kapitel die Wesensmerkmale des Menschen behandelt. Das allein ergäbe allerdings ein statisches Selbstbild. Tatsächlich aber müssen wir von einem dynamischen ausgehen. Denn nicht nur die materiellen Erscheinungen im Irdischen sind einer Evolution unterworfen. Auch das Bewusstsein ist in einem Entwicklungsprozess. Verschiedene Denker haben zu unterschiedlichen Zeiten sich damit befasst. Der Philosoph Jean Gebser war einer der ersten, der hierfür ein Modell entwickelt hat. In seinem Werk16 benennt er vier Bewusstseinsstrukturen - die archaische, die magische, die mythische und die mentale - die Stufungen in diesem Entwicklungsprozess darstellen. Ausgangspunkt ist ein archaisches Bewusstsein, in dem der Mensch unterscheidungslos eingebunden war in einem ungeteilten Ganzen. Ohne jegliches Selbstbewusstsein war er Mitglied in Überlebensgruppen, um Leben zu erhalten und fortzupflanzen. Danach fand der erste Entwicklungsschritt zum magischen Bewusstsein statt, in dem der Mensch, in Stämmen organisiert, sich als eingewoben erlebt in einer übermächtigen und beseelten Natur.
Dimensionen der Selbstführung
Im mythischen Bewusstsein beginnt der Mensch zwischen Innen und Außen zu unterscheiden. Ein egozentrisches Selbst taucht auf, das sich vom Stamm unterscheidet. Es fühlt und denkt in Bildern.
Ungefähr 600 Jahre vor Christi stößt der Mensch zu einem Ich-Bewusstsein durch und tritt, selbstreflektierend in die Zeit ein - und - aus seiner Einheit mit Mutter Erde aus. In unserer Zeit ereignet sich nach der Meinung von Jean Gebser, der Durchbruch zu einer neuen, der integralen Bewusstseinsstruktur. „Das integrale Bewusstsein, das die Wahrnehmung der Zeit und damit der dauernden Veränderung zulässt, das dualistische Entweder-Oder, die rationalen Eindeutigkeiten nicht verneint, aber überwindet und sich öffnet für die Transparenz des geheimnisvollen Ganzen.“17 Philosophen und Entwicklungspsychologen der Gegenwart, wie z.B. Ken Wilber18, und auch spirituelle Lehrer haben dieses Modell aufgegriffen und weitergeführt.19