Alles zu seiner Zeit - Hans-Martin Lübking - E-Book

Alles zu seiner Zeit E-Book

Hans-Martin Lübking

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Beschreibung

Passende Worte für kleine Liturgien im Jahreskreis und zu besonderen Gelegenheiten

Besondere Zeiten und Gelegenheiten erfordern besondere Worte. Aber woher nehmen, besonders dann, wenn es schnell gehen muss?

Die 55 kurzen Andachten und Betrachtungen in diesem Buch greifen die christlichen Feste, besondere Zeiten und Gedenktage im Jahr auf. Sie informieren über ihre Bedeutung und heben ihren tieferen Sinn für das persönliche und gesellschaftliche Leben. Ob zu den Feiertagen im Jahreslauf, zu den Jahreszeiten oder zu den besonderen Anlässen der Erinnerung - die Andachten und Besinnungen des Bandes helfen, das Leben im Rhythmus der Zeiten bewusster zu erleben und zu gestalten.

  • Andacht und Inspiration für viele Gelegenheiten
  • Vielfältig einsetzbar und für unterschiedliche Zielgruppen geeignet
  • Mit 11 Abbildungen und zahlreichen Zusatzinformationen zum Hintergrund der Fest- und Gedenktage

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Seitenzahl: 197

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Inspiration für viele Gelegenheiten

Besondere Zeiten und Anlässe erfordern besondere Worte. Aber woher nehmen, besonders dann, wenn es schnell gehen muss?

Die 53 kurzen Andachten und Betrachtungen in diesem Buch greifen die christlichen Feste sowie besondere Zeiten und Gedenktage im Jahr auf. Sie informieren über ihre Bedeutung und heben ihren tieferen Sinn für das persönliche und gesellschaftliche Leben.

Ob zu den Feiertagen im Jahreslauf, zu den Jahreszeiten oder zu den besonderen Anlässen der Erinnerung – dieser Band hilft, das Leben im Rhythmus der Zeiten bewusster wahrzunehmen und zu gestalten.

Vielfältig einsetzbar und für unterschiedliche Zielgruppen geeignet

Prof. Dr. Hans-Martin Lübking, geboren 1948, war zunächst Gemeindepfarrer und Dozent für Konfirmandenarbeit. Von 1996 bis 2013 war er Direktor des Pädagogischen Instituts der Evangelischen Kirche von Westfalen. Jetzt wieder regelmäßig in der Gemeinde tätig. Seit 2001 Honorarprofessor an der Universität Münster. Zahlreiche sehr erfolgreiche Publikationen.

Hans-Martin Lübking

Alles zu seiner Zeit

Andachten und Texte durch das Jahr

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Copyright © 2024 Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh,

in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Str. 28, 81673 München

Umsetzung eBook: Greiner & Reichel, Köln

ISBN 978-3-641-31492-7V001

www.gtvh.de

Inhalt

Vorwort

Der lächelnde Engel von Reims (um 1250)

Der Herrnhuter Stern

Es kommt ein Schiff, geladen

Schenken

Johannes der Täufer – der andere Advent

10. Dezember – Tag der Menschenrechte

Konrad von Soest »Christi Geburt« (1403, Wildunger Altar)

Joseph

Der Esel

Weihnachten – das Fest der Kinder

Weihnachten – ein Märchen?

Rembrandt »Simeon mit dem Jesusknaben auf dem Arm« (um 1661)

Silvester

Neujahr

Epiphanias – der Morgenstern

27. Januar – Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus

Bibelsonntag – eine Bibel erzählt vom Leben

Vincent van Gogh »Rosa Pfirsichbäume / ›Souvenir de Mauve‹« (1888)

Frühling

Das Fasten

Weltgebetstag der Frauen – Internationaler Frauentag

Marc Chagall »Weiße Kreuzigung« (1938)

Passionszeit – Passionsgeschichte

Judas

Karfreitag

Caspar David Friedrich »Ostermorgen« (um 1835)

Ein Osterausflug

Ostern – das Leben geht weiter

Caspar David Friedrich »Dorflandschaft bei Morgenbeleuchtung« (1822)

25. April – Tag des Baumes

Der 1. Mai – Tag der Arbeit

Der 8. Mai – Tag der Befreiung

Bundesliga – Finale

Barmen 1934

Lyonel Feininger »Gelmeroda IX« (1926)

Christi Himmelfahrt

Pfingsten

Pfingsten – Kirche ist Minderheit

20. Juni – Weltflüchtlingstag

Fritz von Uhde »Heideprinzesschen« (1889)

Johannis – Siebenschläfer – Sommer

Wetter

Urlaub

Geh aus, mein Herz, und suche Freud

Heimat – wieder zu Hause

1. September – Antikriegstag

15. September – Internationaler Tag der Demokratie

20. September – Weltkindertag

Albrecht Dürer »Michaels Kampf mit dem Drachen« (um 1497/1498)

Herbst

29. September – Michaelis

Erntedankfest – unzeitgemäß, aber nötig

4. Oktober – Welttierschutztag

Reformationstag – evangelisch aus guten Gründen

Reformationstag – »Ein feste Burg ist unser Gott«

Caspar David Friedrich »Die Lebensstufen« (1834)

Novemberfeiertage – alles zu seiner Zeit

9. November – das Pogrom gegen die Juden

11. November – Martinstag

Ernst Barlach »Schwebender Engel« (1927)

Volkstrauertag

Buß- und Bettag

Friedhof

Totensonntag

Totensonntag – Trauer und Trost

Vorwort

Alles zu seiner Zeit – dieser sprichwörtliche Satz erinnert daran, dass das Leben einen heilsamen Rhythmus hat. Im Winter freuen wir uns auf den Frühling, im November auf den Advent, alle freuen sich auf den Urlaub oder die Ferien im Sommer. Wir leben in Zeitrhythmen, die wir nicht verändern sollten. Es gibt eine Ordnung der Zeit, die nicht beliebig ist. Weihnachten ist im Dezember, Ostern ist im Frühling und im November kommen die stillen Tage.

In unseren Breiten hat das Kirchenjahr mit seinen Festen und Zeiten über Jahrhunderte den Jahreslauf ganz wesentlich mitbestimmt und den Menschen geholfen, in einem sinnvollen Rhythmus der Zeit zu leben. Die Bedeutung der kirchlichen Feste ist in der Öffentlichkeit stark zurückgegangen. Manche Feste wie Johannis oder Michaelis spielen heute keine Rolle mehr. Andere wie Ostern oder Christi Himmelfahrt sind in den letzten Jahrzehnten inhaltlich erheblich umfunktioniert worden. In den Andachten und Texten zu diesen Festen ist es mir wichtig, an den ursprünglichen Sinn dieser Tage zu erinnern und zugleich die auch heute noch aktuellen Impulse dieser Feste hervorzuheben.

Zu den kirchlichen Festen sind in den letzten Jahrzehnten besondere Gedenktage hinzugekommen, die an historisch bedeutsame Ereignisse oder zentrale gesellschaftliche Themen erinnern – wie etwa der Holocaust-Gedenktag, der 1. Mai, der Weltflüchtlingstag oder der Tag der Menschenrechte. Es sind Tage historisch-kultureller Erinnerung. Indem sie gefeiert werden oder an sie erinnert wird, behalten wichtige Ereignisse und Themen einen festen Ort im öffentlichen Bewusstsein.

Dabei kann die Kirche eine wichtige Rolle spielen. Indem sie mit Gottesdiensten, Andachten oder Veranstaltungen zu einer würdigen Gestaltung dieser Gedenktage beiträgt, nimmt sie auch Verantwortung für eine demokratische Entwicklung der Gesellschaft wahr.

Die 53 Andachten und Texte des Buches wollen helfen, die wichtigen Tage und bedeutsamen Zeiten im Jahr bewusst wahrzunehmen. Daraus kann, davon bin ich überzeugt, eine Stärkung im Glauben und eine Ermutigung zum Leben erwachsen.

Jeder der zwölf Abschnitte wird mit einer Abbildung aus der Kunstgeschichte eingeleitet.

Viele der hier versammelten Texte habe ich in den letzten Jahren in der wöchentlichen Andacht der »Versorgungskasse für Pfarrer und Kirchenbeamte« und der »Kirchlichen Zusatzversorgungskasse« mit Sitz in Dortmund vorgetragen. Seit 35 Jahren halte ich dort Andachten. Die Freundlichkeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie die perfekte Organisation der Andachten sind ungewöhnlich. Ich kann sie anderen kirchlichen Einrichtungen nur empfehlen.

Ich widme dieses Buch darum den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dieser beiden Versorgungskassen.

Dortmund, im Februar 2024

Hans-Martin Lübking

Der Engel von Reims, Kathedrale Notre-Dame de Reims (1211-1300)

© der Vorlage: Archiv für Kunst und Geschichte, Berlin – akg-images.de

Der lächelnde Engel von Reims

Der lächelnde Engel von Reims ist eine um 1250 entstandene Skulptur im gotischen Stil. Sie steht an der Westfassade der Kathedrale von Reims, in der im Mittelalter die französischen Könige gekrönt wurden. Der Engel wurde schwer beschädigt, als deutsche Truppen im Ersten Weltkrieg die weltberühmte Kathedrale beschossen. Der Kopf des lächelnden Engels wurde abgeschlagen und zerbarst beim Aufprall in mehrere Teile. 1926 erhielt der Engel seinen Kopf zurück.

Der lächelnde Engel von Reims: Was hat er nicht schon alles erlebt, wie viel hat er mitgemacht? Aber er lächelt! Allen Verwundungen zum Trotz. Ein überzeugendes Zeichen des Trostes und der Hoffnung. Engel sind Boten Gottes. In den biblischen Texten der Advents- und Weihnachtszeit wird immer wieder von Engeln erzählt. Sie verkünden die gute Nachricht vom Kommen Gottes in diese Welt.

Der Herrnhuter Stern

Adventszeit ist Lichterzeit. Die Einkaufsstraßen sind hell erleuchtet, Lichterketten hängen um die Bäume und in den Häusern und Wohnungen wird dekoriert: Kerzen in jeder Farbe und Deko-Sterne, in allen Größen und Formen.

Ein Stern fällt in dieser Lichterflut besonders auf: der Herrnhuter Stern. Früher sah man ihn fast nur in Kirchen, inzwischen hängt er auch in vielen Häusern und für viele ist es inzwischen ein festes Ritual. Zu Beginn der Adventszeit holen sie den Karton hervor und packen vorsichtig die Einzelteile aus. Die Montage des geometrischen Gebildes erfordert Konzentration und Fingerspitzengefühl. Viele Menschen zelebrieren mit dem Zusammensetzen ihres Herrnhuter Sterns ganz bewusst den Beginn der Adventszeit.

Ein echter Herrnhuter Stern hat 25 Zacken, 17 viereckige und 8 dreieckige und eine Öffnung für das Kabel. Es gibt die Sterne inzwischen in vielen Farben, aber eigentlich sind sie weiß, gelb oder rot, traditionell die Farben für Jesus Christus.

Die ersten Herrnhuter Sterne bastelten vor 200 Jahren die Internatsschüler der evangelischen Brüdergemeine aus Papier und Pappe. Das waren meist Kinder der Missionare, die in Suriname, Tansania, Labrador oder anderen entlegenen Missionsgebieten tätig waren. Mit 6 Jahren wurden sie nach Deutschland geschickt, um hier ihre Schulbildung zu erhalten. Ein Mathematiklehrer ließ die Sterne bauen, um den Schülern geometrisches Verständnis beizubringen. Fortan bastelten die Kinder stets am 1. Advent die Sterne und trugen diesen Brauch dann auch in die Familien. Für die von Heimweh geplagten Kinder, deren Eltern so unvorstellbar weit weg waren, wurde das Sterne-Basteln zu einem tröstlichen, gemeinschaftsstiftenden Tun.

Schon Ende des 19. Jahrhunderts konnte man die immer beliebter werdenden Herrnhuter Sterne als Bausatz beim Herrnhuter Buchhändler bestellen. In DDR-Zeiten übernahm die »VEB Oberlausitzer Stern- und Lampenschirmfabrik« zunächst den Versand, gab ihn dann aber wieder an die Brüdergemeine ab, weil die christliche Botschaft nicht zum staatlichen Warenangebot passte. Für die einheimische Bevölkerung war der Stern ohnehin schwer zu bekommen, denn der größte Teil der Produktion ging in den Westen, weil die DDR Devisen brauchte.

Bis heute werden die meisten Sterne aus Papier in Handarbeit hergestellt und jedes Jahr werden etwa 800.000 Sterne von Herrnhut aus in alle Welt geschickt.

Der Herrnhuter Stern ist der Ursprung, das Original all jener Sterne, die jetzt in der Adventszeit in Fenstern, in Straßen und Geschäften aufgehängt oder aufgestellt werden: Sterne in allen Farben und Größen, die Moden wechseln hier schnell. Der Stern aus Herrnhut, aus der alten christlichen Brüdergemeine des Nikolaus Graf von Zinzendorf, ist da anders. Zwischen all der aufdringlich glitzernden und blinkenden Weihnachtsdekoration strahlt er zeitlos und schlicht in die Nacht. Und weil in Bethlehem nur ein Stern leuchtete und keine himmlische Lasershow stattfand, hängt in einer Kirche auch nur ein Stern – und nicht gleich zehn davon wie an den Glitzerbuden des Weihnachtsmarktes. Zu viel Licht ist nicht gut! Wo alles hell ist, kann man sich nicht mehr an den Sternen orientieren.

Und was Licht bedeuten kann, begreift man erst dann, wenn man die Finsternis, auch im eigenen Leben, selbst erfahren hat. »Siehe, Finsternis bedeckt das Erdreich und Dunkel die Völker, aber über dir geht auf der Herr, und seine Herrlichkeit erscheint über dir«, heißt es beim Propheten Jesaja (60,2).

Der Herrnhuter Stern erinnert an das Licht, an die Hoffnung, die zu Weihnachten in die Welt gekommen ist.

Es kommt ein Schiff, geladen

Adventszeit ist die Zeit zum Singen, Zeit für die schönen Lieder am Anfang des Gesangbuches: »Macht hoch die Tür« oder »Wie soll ich dich empfangen« oder »Tochter Zion, freue dich« oder auch:

»Es kommt ein Schiff, geladen

bis an sein’ höchsten Bord,

trägt Gottes Sohn voll Gnaden,

des Vaters ewig’s Wort.

Das Schiff geht still im Triebe,

es trägt ein teure Last;

das Segel ist die Liebe,

der Heilig Geist der Mast.«

Geheimnisvoll, wie von weit her, aus einer anderen Welt kommend, so klingt dieses alte Lied zu uns herüber. Eine etwas schwermütige Melodie und einfache, in ihrer poetischen Kraft aber anrührende Worte.

Das Lied handelt von einem Schiff. Für viele Menschen haben Schiffe etwas Faszinierendes. Von Alters her sind sie »ein Sinnbild für die Begegnung zweier Welten, für die Begegnung von Meer und Land, von Himmel und Erde, von Gott und Mensch. Aus unsichtbarer Ferne kommt es, durchfährt das Meer, ohne eine Spur zu hinterlassen, taucht plötzlich am Horizont auf, nähert sich, berührt schließlich das hiesige Ufer und entlädt seine kostbare Fracht.« (Christa Reich)

Das ganze Lied ist voll von geheimnisvollen Bildern: »des Vaters ewig’s Wort«, »das Schiff geht still im Triebe«, »der Anker haft‘ auf Erden«. Das ist keine Alltagssprache. So sprechen wir normalerweise nicht, das wäre uns peinlich. Es ist uns aber nicht peinlich, diese Worte zu singen. Lieder leihen uns Worte für das, was wir uns im nüchternen Alltag nicht zu sagen trauen. Das Geheimnis, wie Gott in die Welt kommt, können wir mit unseren Begriffen nicht erfassen. Wir können aber davon singen:

»Der Anker haft‘ auf Erden,

da ist das Schiff an Land.

Das Wort will Fleisch uns werden,

der Sohn ist uns gesandt.

Zu Bethlehem geboren

im Stall ein Kindelein,

gibt sich für uns verloren,

gelobet muss es sein.«

Dass Gott, den wir nicht begreifen können, die schöpferische Kraft unseres Lebens und des ganzen Universums, in einem auf Hilfe angewiesenen Kind in diese Welt kommt, das ist wahrlich ein Geheimnis.

Ein Geheimnis auch, wie dieses Schiff mit seiner teuren Last überhaupt fahren und heil ankommen kann. Es fährt ja nicht aus eigener Kraft, es fährt ohne Motor und Steuermann. »Das Segel ist die Liebe, der Heilig Geist der Mast.« Die Liebe und der Heilige Geist treiben das Schiff an und geben ihm die Richtung. Gott kommt nicht als Eroberer auf die Erde, die Liebe treibt das Schiff an Land.

»Es kommt ein Schiff, geladen« stammt vermutlich von Johannes Tauler, der zu den »Mystikern« gehörte. Mystik bedeutet: die Augen schließen und in der eigenen Seele mit Gott in Verbindung treten. So hat Johannes Tauler auch das Lied gemeint. Es handelt von der Ankunft und dem »Ankern« des Sohnes Gottes im Innern des Menschen.

Wenn man sich den Advents- und Weihnachtsbetrieb unserer Tage anschaut, dann ist die Botschaft des Liedes doch sehr aktuell: Wenn die Weihnachtsbotschaft nicht unsere Seele berührt, wenn der von den Engeln ausgerufene Friede nicht unser Herz erreicht, wenn die alten Bibeltexte uns nicht persönlich zum Nachdenken bringen –, dann bleibt das Ganze doch eher ein Event unserer Konsumgesellschaft. Ein anderer Mystiker – Angelus Silesius – hat es so auf den Punkt gebracht: »Und wäre Christus tausendmal in Bethlehem geboren und nicht in dir: Du bliebest doch in alle Ewigkeit verloren.«

»Und wer das Kind mit Freuden

umfassen, küssen will,

muss vorher mit ihm leiden

groß Pein und Marter viel,

danach mit ihm auch sterben

und geistlich auferstehn,

das ewig Leben erben,

wie an ihm ist geschehn.«

Schenken

Die Adventszeit ist zu einer hektischen Zeit geworden. Karten müssen geschrieben, Päckchen zur Post gebracht werden, Weihnachtsfeiern gilt es vorzubereiten, ein Weihnachtsbaum muss besorgt, für die Festtage muss eingekauft – vor allem aber müssen die Geschenke besorgt werden.

Das kann regelrecht in Stress ausarten. Dass bloß keiner vergessen wird! Und was soll man schenken, die meisten Menschen haben ja schon alles, da fällt einem nichts Neues mehr ein.

Wie hat das alles angefangen? Die Sage erzählt von Nikolaus, einem griechischen Bischof aus dem 4. Jahrhundert nach Christus, der unerkannt nächstens durch die Straßen zog und Geld und Lebensmittel an die Armen verteilte. Im frühen Mittelalter entstand dann der Brauch, den Nikolaustag, den 6. Dezember, zu feiern. Ein verkleideter Nikolaus zog an diesem Tag umher und hielt Einzug in die Häuser, um die fleißigen oder faulen Schüler zu belohnen oder zu bestrafen. Mit der Zeit hatten sich um diesen Umzug jedoch allerhand merkwürdige Bräuche gesammelt. Daher wurde diese Praxis in der Reformationszeit heftig kritisiert und die Bescherung der Kinder auf den Weihnachtstag verlegt. Man dachte dabei an die Geschenke, die das neugeborene Jesuskind von den drei Weisen aus dem Morgenland bekommen hatte: Gold, Weihrauch und Myrrhe.

Aus dem Nikolaus wurde damit zugleich das Christkind. So waren es zuerst die Kinder und die Mägde und Knechte, die am Weihnachtstag beschenkt wurden. Denn diese erhielten früher am Weihnachtstag ihren Lohn ausgezahlt. Heute werden zu Weihnachten alle beschenkt: Kinder, Erwachsene, Großeltern, Kunden, Kollegen: Das Schenken steht bei uns ganz im Mittelpunkt von Weihnachten. Aber: Schenken wir wirklich oder veranstalten wir nicht eigentlich eher eine Art Tauschgeschäft? »Was hat die mir letztes Jahr geschenkt? Dann muss ich dieses Jahr etwas finden, das ungefähr denselben Wert hat.« Das Schenken ist heute mit Verpflichtung verbunden.

Das führt dazu, dass wir uns manchmal über Geschenke nicht mehr richtig freuen können. Wir sagen dann: »Das wäre doch nicht nötig gewesen!« Oder: »Womit habe ich das verdient?« Oder: »Wie kann ich das wiedergutmachen?«

Ein wirkliches Geschenk ist nie nötig, ich habe es auch nicht verdient und schon gar nicht kann oder soll ich es wiedergutmachen. Andernfalls wäre es kein Geschenk, sondern eine Bezahlung oder eben ein Tauschobjekt.

Der Sinn des Schenkens ist doch: aus eigener Freude einem anderen eine Freude machen. Das sieht man am Geburtstagsgeschenk. Der Geburtstag eines Menschen ist für seine Freunde ein Anlass, ihm zu zeigen, dass man sich freut, dass er da ist. Deshalb bekommt er ein Geschenk. So war es ursprünglich auch zu Weihnachten: aus Freude über die Geburt Jesu selber Freude weiterschenken. Das Geschenk selbst war nicht so wichtig wie die Freude, die dahintersteht.

Das gestehen wir heute nur noch den kleinen Kindern zu. Wenn sie ein selbst gemaltes Bild verschenken, dann freuen wir uns und akzeptieren es selbstverständlich als Geschenk. Sollte aber ein Erwachsener auf dieselbe Idee kommen, dann wirkt das befremdlich. Warum eigentlich? Weil Geschenke einen Wert haben müssen? Und weil ich am Preis des Geschenkes ablesen soll, ob ich dem anderen etwas wert bin oder nicht?

Wie man es mit dem Schenken halten soll, hat Joachim Ringelnatz in seinem schönen Gedicht »Schenken« zusammengefasst:

»Schenke groß oder klein,

aber immer gediegen.

Wenn die Bedachten

die Gaben wiegen,

sei dein Gewissen rein.

Schenke herzlich und frei.

Schenke dabei,

was in dir wohnt

an Meinung, Geschmack und Humor,

so dass die eigene Freude zuvor

dich reichlich belohnt.

Schenke mit Geist ohne List.

Sei eingedenk,

dass dein Geschenk

du selber bist.«

Johannes der Täufer – der andere Advent

Advent – das war einmal eine stille Zeit, eine Zeit der Erwartung und der Einkehr, auch eine Zeit des Fastens. Davon ist heute nicht mehr viel geblieben. Advent – das sind heute die umsatzstärksten Wochen des Jahres. Weihnachtsmärkte, volle Einkaufsstraßen und Weihnachtsvorbereitungen jeder Art prägen heute die Adventszeit. Viele freuen sich schon das ganze Jahr darauf und gehen am liebsten jeden Tag auf den Weihnachtsmarkt. Aber es gibt doch auch nicht wenige Menschen, denen die Kommerzialisierung in der Adventszeit auf den Geist geht. Sie wünschen sich für ihr Leben wieder etwas mehr Tiefe, zünden eine Kerze an und möchten in diesen Tagen zur Ruhe kommen und nachdenken, über sich selbst, über Gott und die Welt.

In der Bibel wird von einer Person erzählt, die für diesen »anderen Advent« steht, den Advent der Nachdenklichkeit und der Umkehr. Diese Person wirkt heute, in der Welt der Weihnachtsmärkte und Lichterketten, wie ein Fossil aus grauer Vorzeit. Im Lukasevangelium wird von ihm erzählt:

Im 15. Jahr der Herrschaft des römischen Kaisers Tiberius, im Jahr 29 unserer Zeitrechnung, als in Jerusalem der römische Gouverneur Pontius Pilatus residierte und Hannas und Kaiphas Hohepriester im Tempel waren, tritt in der Wüste von Judäa ein Mann auf, der ungeheures Aufsehen erregt. Er behauptet, im Auftrage Gottes zu reden. Fasziniert von der Gestalt dieses Mannes, der in ein Kamelfell gehüllt allein in der Wüste lebt und sich von Heuschrecken und wildem Honig ernährt, ziehen die Leute aus Jerusalem und den anderen Städten in die Wüste, um ihn zu hören: Johannes, uns bekannt als Johannes der Täufer. Die Menschen, die zu ihm in die Wüste kommen, empfängt er mit starken Worten: »Ihr Schlangenbrut! Wer hat euch gesagt, dass ihr dem kommenden Gericht Gottes entgehen werdet? Redet nicht nur von Buße und Umkehr. Zeigt, dass ihr euch ändern wollt, zeigt es durch eure Taten! Die Axt ist schon angelegt, um die Bäume an der Wurzel abzuschlagen. Jeder Baum, der keine gute Frucht bringt, wird umgehauen und ins Feuer geworfen.«

Die Zuhörer reagieren erschrocken und betroffen: »Um Gottes Willen! Was sollen wir denn tun?«

»Was sollen wir denn tun ?« Diese Frage wird zurzeit in zahllosen Interviews, Expertenrunden und politischen Talk-Shows gestellt. Die Welt ist unsicherer geworden. Die Krisen lösen einander ab: Finanzkrise, Eurokrise, Flüchtlingskrise, Corona-Krise, Ukraine-Krieg – und über allem schwebt die Klima-Krise, die bisherige Selbstverständlichkeiten infrage stellt. Und alle paar Wochen werden in den Medien immer neue Reiz- und Skandalthemen breitgetreten: Inflation, das Chaos bei der Bahn, der Pflegenotstand, die Wohnungsnot in Großstädten, die Energieversorgung und die Heizkosten, schreckliche Fälle von Kindesmissbrauch, Aufmärsche von Rechtsextremen und Corona-Leugnern und Ukraine und Israel und die Palästinenser und Iran und so weiter … Man kommt gar nicht mehr mit. Wie die Zuhörer des Johannes möchte man fragen: »Was sollen wir denn tun?«

Ja, was sollen wir denn tun? Für die neuen Populisten, für die Kommentatoren in den »Sozialen Medien« und leider auch für viele Menschen auf der Straße ist die Sache ganz einfach: Flüchtlinge raus, mehr Polizei auf den Straßen, die da oben haben keine Ahnung, früher war alles besser. Die einfachen Antworten sind meistens falsch und fast immer unchristlich.

»Was sollen wir denn tun?« Johannes der Täufer antwortet so: »Wer zwei Hemden hat, der gebe dem, der keines hat. Wer zu essen hat, der gebe dem, der hungert. Wer teilt, was er hat, der wird leben.«

Das ist tatsächlich sehr einfach und zugleich sehr schwer. Die Hälfte des Besitzes abgeben – wer kann das? Die Miete muss gezahlt und das Auto unterhalten werden, die Kinder brauchen neue Jacken und Schuhe, auf den Urlaub wollen wir nicht verzichten und im Dunkeln sitzen und frieren wollen wir auch nicht. Unseren Besitz teilen, werden wir nicht schaffen. Die Antwort des Täufers zeigt uns aber die Richtung: Wir haben unser Leben mit zu viel Annehmlichkeiten und Absicherungen eingerichtet. Davon kommen wir so schnell nicht wieder herunter, aber wir spüren: Wenn wir nur festhalten, was wir haben, werden wir das Leben nicht finden. Die wichtigen Fragen sind damit noch nicht beantwortet.

Der Weg zu einem sinnvolleren Leben führt meist über den anderen Menschen. An dessen Not nicht vorbeigehen, sich Zeit nehmen, zuhören und wenn’s geht, auch tatkräftig Hilfe leisten – das hilft nicht nur dem anderen, sondern auch einem selbst. Die Hälfte des Besitzes abgeben werden wir nicht schaffen. Aber wir können anfangen, wieder einfacher, auch sparsamer und bescheidener zu leben. Auch dankbarer gegenüber dem Schöpfer. Weniger ist mehr, das ist eine alte Weisheit.

»Bereitet dem Herrn den Weg!«, heißt es im Advent. Advent ist auch die Chance, Ballast abzuwerfen und sich um das Wesentliche zu kümmern. Advent ist auch die Zeit der Einkehr und der Umkehr. Eine Chance, dem Leben wieder mehr Tiefe zu geben. Wir erwarten zu wenig von uns, wenn wir am liebsten alles beim Alten lassen. Gott denkt größer von uns. Er hält uns nicht für hoffnungslose Fälle, die die Hände nicht mehr aufkriegen und nichts abgeben können. Wir können uns ändern, es wird uns zugetraut!

10. Dezember – Tag der Menschenrechte

»Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geist der Brüderlichkeit begegnen.« So heißt es im ersten Artikel der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, die am 10. Dezember 1948 von der Vollversammlung der Vereinten Nationen in Paris verabschiedet wurde. Der 10. Dezember – ein wichtiger Tag im Jahreskalender! Die Erklärung hat die Welt verändert. Gleichheit vor dem Gesetz, Religions- und Gewissensfreiheit, Meinungs- und Pressefreiheit, Recht auf Freizügigkeit und persönliches Eigentum, Recht auf gleichen Lohn für gleiche Arbeit, Recht auf gewerkschaftlichen Zusammenschluss, Recht auf Bildung und Gleichberechtigung von Frauen und Männern – in 30 Artikeln zum ersten Mal feierlich und für alle Länder verbindlich festgehalten und verkündet.

Die Erklärung der Menschenrechte war eine Antwort auf die 6o Millionen Toten des Zweiten Weltkriegs. Eine Antwort auf Holocaust und Kriegsverbrechen. Eine Antwort auf die barbarische Verachtung der Menschenrechte durch die Nazis.

Es war ein Wunder, dass diese Erklärung überhaupt zustande kam. Nicht alle waren einer Meinung. Die westlichen Länder waren mehr an den Freiheitsrechten, die östlichen Länder mehr an den sozialen Rechten interessiert. Die arabischen Länder hatten Vorbehalte gegenüber der Religionsfreiheit. Dass es gelang, ein gemeinsames Dokument zu erstellen, das schließlich mit 48 Stimmen ohne Gegenstimmen bei acht Enthaltungen angenommen wurde, war vor allem das Werk einer Frau. Eleanor Roosevelt, die Witwe des amerikanischen Präsidenten Franklin D. Roosevelt, war zur Vorsitzenden der Menschenrechtskommission gewählt worden. Mit großem diplomatischen Geschick gelang es ihr, die widerstreitenden Interessen zu berücksichtigen und das Projekt an unendlich vielen Klippen vorbei zu einem erfolgreichen Ende zu führen.