Alltagslust - Veronika Schmidt - E-Book

Alltagslust E-Book

Veronika Schmidt

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Beschreibung

Guter Sex ist nicht nur möglich, sondern nötig - so sagt es die christliche Sexualtherapeutin und Erfolgsautorin Veronika Schmidt, die vielen Lesern schon durch LIEBESLUST bekannt ist, in ihrem neuen Buch. Nun widmet sie sich dem ganz normalen Alltag, wie ihn Liebespaare kennen. Doch wie wird aus dem Wunsch nach gutem Sex Wirklichkeit? Was hindert guten Sex und was befördert ihn? In gewohnt erfrischender und direkter Weise bricht Veronika Schmidt falsche Scham und verkrustete Tabus auf, gibt praktische Tipps und lädt dazu ein, den genussvollen Sex in der Ehe zu entdecken und lustvoll auszuleben.

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SCM ist ein Imprint der SCM Verlagsgruppe, die zur Stiftung Christliche Medien gehört, einer gemeinnützigen Stiftung, die sich für die Förderung und Verbreitung christlicher Bücher, Zeitschriften, Filme und Musik einsetzt.

ISBN 978-3-7751-7384-1 (E-Book)ISBN 978-3-7751-5793-3 (lieferbare Buchausgabe)

Datenkonvertierung E-Book: Beate Simson, Pfaffenhofen a. d. Roth

2. Auflage 2018 © der deutschen Ausgabe 2017 SCM Verlagsgruppe GmbH · Max-Eyth-Straße 41 · 71088 Holzgerlingen Internet: www.scm-verlagsgruppe.de · E-Mail: [email protected]

Längere Passagen aus dem Hohelied Salomos wurden nach der Übertragung von Jörg Zink aus seinem Buch Was bleibt, stiften die Liebenden zitiert.

Gesamtgestaltung: Kathrin Spiegelberg, Weil im Schönbuch Bibel- und Bildnachweise: im Anhang

INHALT

Über die Autorin

Vorwort

Vorwort von Andreas Schmidt

Dieses Buch

Eine Fortsetzung

Die meisten Beziehungen scheitern an der Lieblosigkeit, nicht am Sex

Christen und Sex – Das heulende Elend

Es tut sich was

Fragenstellen bringt uns weiter

Das hohe Lied der Liebe

1 Wie Sex sein könnte – Eine Vision für guten Sex

Lust und Gunst – Guter Sex ist nicht losgelöst von der Liebe

Lust oder Liebe oder Kampf?

Liebe kann man lernen – wie Sex auch

Liebe ist kein Selbstläufer

Liebe dich selbst – Dann kannst du lernen zu lieben

Romantische Träume und Vorstellungen platzen

Zur Liebe fähig

Die Freiheit, zu leben, wie es uns froh macht – Rollenbilder

Nur damit das klar ist – Frauen haben sich unterzuordnen!

Machtgefälle ist nicht gottgewollt

Kämpfe um die Vorherrschaft zeugen von einem Ungleichgewicht

Starke Frauen – Starke Paare

Flowerpower versus Frauenpower

Glücklich koexistieren – indem ich weiß, wer ich bin

2 Was dem Sex guttut – Was Beziehung mit dem Sex macht

Männer – Einfach gestrickt?

Was ist ein »richtiger« Mann?

Das sexuelle Männerbild

Frauen verstehen die männliche Seele zu wenig

Männer wollen willkommen sein

Männer wollen ihre Partnerin nicht verletzen

Zu neuen Ufern durch die Krise

Männer wollen verstehen

Männer wollen sich lustvoll erleben

Männer wollen gerne mehr erleben

Bin ich normal?

Selbsterforschung für den Mann

Potenzial Selbststimulation Mann

Frauen – Die Krone gerichtet

Frauen haben Angst vor Zurückweisung

Frauen wollen zu sehr verstanden werden

Krone aufs Haupt

Frauen wollen Sex, der ihnen Spaß macht

Frauen wollen keinen Druck spüren

Frauen wollen Liebhaber, die wissen, was sie tun

Frauen und ihr Körper können lernen, Lust auf Sex und beim Sex Lust zu haben

Das Projekt Lust

Bewusste Selbstliebe – Therapeutische Selbststimulation

Let’s talk about sex

In einer Beziehung geht es nie nur um Sex

Mann, rede!

Frau, lass dich ansprechen und gib Antwort!

Wie sage ich es denn

Sex ist die intimste Form von Kommunikation

Von einem Extrem ins andere

Überleben durch Grenzensetzen

Überleben durch versöhnliche Kommunikation

Das Ändern leben durch heilendes Selbstgespräch

Gemeinsam die Lust entdecken

Was mag ich denn?

Sex zu einer Gewohnheit machen

Orgasmen sind gesund

3 Was Sex schön macht – Das Praxiswissen für den Sexalltag

Unser Körper ist ein sensorisches Wunderwerk

Wahrnehmen lernen

Vulva, Vagina und Penis

Der Schlüssel ist der Beckenboden

Sexuelle Selbstsicherheit

Eine starke Mitte und lustvollen Sex durch einen gesunden Beckenboden

Den Beckenboden wahrnehmen

Für einen flexiblen Beckenboden – Übungen

Die Beckenschaukel

Aus dem Beckenboden Lust wecken

In Bewegung kommen

Das Liebesspiel – Alles über guten Sex

Genieße dich selbst

Entdecke dich selbst

Solosex in der Ehe

Der Orgasmus des Mannes

Der Orgasmus der Frau

Sich spüren mit allen Sinnen

Küssen – Eine verlorene Kunst

Erotische Fähigkeiten

Mit Genuss zum Orgasmus

Die genussfreudige 15-Minuten-Übung für SIE

Die genussfreudige 15-Minuten-Übung für IHN

Ausgedehnter Orgasmus

Unbegrenzte Stimulationsvariationen

SIE erotisch verwöhnen

IHN erotisch verwöhnen

Oral Revolution

Stoßtechniken

Stellungen

Die Hintertür

Sextoys

Verführen – Schalte deine Ausstrahlung an

Fantasien

Verhütung

Der Sex kommt in die Jahre

Stiller Sex

4 Was den Sex hindert – Der Weg aus dem Frust in die Lust

Sex, der es wert ist, gewollt zu werden

Von Anfang an über den Sex entmutigt

Lust, wo bist du?

Unterschiedliche Bedürfnisse

Ich sterbe vor Langeweile

Vor lauter Stress kein Sex

Der Sex tut weh

Schmerzen der Seele

Alkohol und Drogen

Mann will keinen Sex

Die Funktionstüchtigkeit des Penis ist die Identitätskarte des Mannes

Keine Erektion

Der Erektion nachhelfen

Viagra gegen die Angst vor Konflikten und gegen die Enttäuschung

Wenn die Liebe hinfällt

Vergeben

Liebe scheitert am Perfektionismus

Missachtung

Kritik ist alles andere als harmlos

Mit Ablehnung leben lernen

Grenzen des Erträglichen

Der Fremdgang

Neuanfang nach dem Scheitern

Das richtige Leben ist kein Porno

Kinder – was haben die mit Sex zu tun?

Der Anfang vom Untergang des Sexlebens

Sex in der Schwangerschaft und nach der Geburt

Von der Geburt traumatisierte Männer

Wir bekommen keine Kinder

Wir wollen keine Kinder

Aufklärung bringt Aufklärung

Der Wandel ist die einzige Konstante

Der Mythos Sexualtrieb

Innere Drehbücher

Statt Mythos sexuelle Kompetenz

Viele neue Erkenntnisse

Indem wir lieben, erfüllt uns sein Geist

Dankeschön

Weiterführende Literatur

Zur Sexualität von Frau und Mann

Zur Geschichte der Sexualität

Zur Aufklärung in der Familie

Internetseiten

Nachweise

Bibelnachweise

Bildnachweise

Anmerkungen

[ Zum Inhaltsverzeichnis ]

Über die Autorin

VERONIKA SCHMIDT, Jahrgang 1961, hat Sozialpädagogik studiert. Sie ist Systemische Paar- und Familienberaterin sowie Sexologin mit eigener Praxis (www.familienwerkstatt.ch). Sie lebt mit ihrem Mann in Schaffhausen/Schweiz und hat vier erwachsene Kinder. Zudem unterhält sie einen Blog (www.liebesbegehren.ch), auf dem sie Fragen zum Thema Sexualität beantwortet.

[ Zum Inhaltsverzeichnis ]

VORWORT

Das Vorwort gehört dem Mann, der mich nicht daran hinderte, mich dahin zu entwickeln, wo mich meine Leidenschaft hintrieb. Der es begrüßt und aushält, neben sich eine starke, unabhängige Frau zu haben. Der so sehr sich selbst kennt und lebt, dass ich mir die nötige Freiheit nehmen kann, meine Ideen und Wünsche zu leben. Der mit den Worten von Jörg Zink wie kein anderer Mensch zu segnen weiß: »Segnen heißt Lebenskraft geben, Leben bejahen. Sagen: Lebe, wie du musst, und sei glücklich.«1

Das war und ist nicht immer so einfach, wie es klingt, für beide Teile nicht. Denn manchmal hat man zwar das Sehnen, kann es aber gar nicht in Worte fassen und weiß auch nicht, wie man dahin kommt. Oder man hat das Sehnen, aber auch die Verpflichtungen der jeweiligen Lebensphase, der man sich weder entziehen kann noch entziehen will. Oder es ist einem nicht immer bewusst, dass man nur selbst und in eigener Verantwortung seine Wünsche vorantreiben kann. Und man muss aushalten wollen, dass der andere einen zwar lässt, aber nicht unbedingt alle Schritte dahin nachvollziehen kann. Ich habe in meinem Leben gelernt, darauf zu vertrauen, dass sich Türen öffnen, wenn die Zeit dazu reif ist, ohne zu vergessen, den Traum und die Sehnsucht, für die mein Herz brennt, stets wachzuhalten und zu nähren.

Veronika Schmidt

VORWORT VON ANDREAS SCHMIDT

»Lieben (…) heißt: dem anderen gestatten, dass er seiner eigenen Absicht nachgeht, dass er seine eigenen Pläne fasst und verwirklicht. Es heißt sehen, wie im anderen etwas aufbricht und sich ausdehnt, von dem man vielleicht noch gar nicht weiß, was daraus werden soll. Es heißt, ihm helfen, dass er das wird, was er werden kann, auch wenn es zunächst fremd ist und anders, als man bisher meinte, ihn zu kennen.«2

Jörg Zink

Seit Veronika mit ihrem Buch als Sexologin bekannt geworden ist, werde ich immer mal wieder gefragt, wie das denn für mich als ihr Mann sei. Vermutlich denken einige, das müsste mir peinlich sein. Bei anderen steckt die Neugier dahinter, ob das mein und unser persönliches Sexleben verändert hat. Für mich ist Veronika in Sachen Sex eine Kulturvermittlerin und ich bin dafür sehr dankbar. Als Pädagoge in der Leitung einer Stiftung für Pflegekinder erfahre ich täglich, wie entscheidend Vermittlung zwischen unterschiedlichen Kulturen ist. Ich weiß auch, dass die Kultur, in der ich zu Hause bin, entscheidenden Einfluss darauf hat, wie ich etwas interpretiere und Dinge einordne.

Es braucht diese Vermittlung, damit man sich auf das Unbekannte oder Andersartige einlassen und es würdigen kann. Das hebt nicht alle Spannungsfelder auf, aber durch das Verständnis kommt es weniger zu Abwehr oder zum Konflikt. Jesus sehe ich unter anderem auch als einen Kulturvermittler, und zwar zwischen dem Himmel und der Erde. Er zeigte den Leuten Gott als liebenden Vater, ganz im Gegensatz zu den gängigen Vorstellungen eines strengen und strafenden Gottes von damals und oft auch heute. Jesus kam vom Vater und kannte ihn ganz anders. Diesen anderen Gott übersetzte er mit seinem Leben, Sterben und Auferstehen.

Veronika übersetzt für viele Menschen gottgeschaffene Sexualität in ihre Lebenswelt. Das hätte ich mir für meine Jugend auch gewünscht. Ich illustriere das mit einem Beispiel aus meinen Teenagerjahren. Getrieben durch erwachende Sehnsüchte, begann ich irgendwann, mich selbst zu befriedigen. Dadurch geriet ich in einen großen Gewissenskonflikt, denn ich war gleichzeitig auch leidenschaftlich mit Jesus unterwegs und wusste sehr wohl um die Regeln meiner Kultur. Ich war fest überzeugt, dass das, was ich tat, falsch war. Doch sosehr ich mich auch anstrengte, ich schaffte es über Jahre nicht, davon loszukommen. Das ging so weit, dass ich mir wünschte, Jesus würde mein Verlangen nach einer Frau, meine Sehnsüchte und die damit verbundene Triebhaftigkeit von mir nehmen. Zum Glück erhörte er das Gebet nicht!

Wie anders wäre es für mich gewesen, hätte ich neben der bekannten Kultur auch andere Sichtweisen kennengelernt, zum Beispiel die wissenschaftliche Sicht. Sicher hätte ich schneller begriffen, dass Selbsterfahrung für eine gesunde und anhaltende Entwicklung der eigenen Sexualität sogar notwendig und deshalb nicht zu verdammen ist. Ich wäre einer anderen Interpretation für meine Sehnsüchte begegnet und hätte dadurch vermutlich meine sexuellen Antriebe annehmen und mich mit ihnen versöhnen können.

Auch in der Paarbeziehung begegnen sich verschiedene Kulturen der Persönlichkeit und der Herkunft. Bei uns treffen, wie bei vielen Paaren, verschiedene Verhaltens- und Gefühlswelten aufeinander. Ich suche mehr den Frieden, Veronika trägt den Konflikt eher aus. Ihr gelingt es eher, sich mir anzuvertrauen, mir fehlen oft die Worte. Als Paar sind wir herausgefordert, aus den unterschiedlichen Kulturen heraus eine neue, gemeinsame zu entwickeln. Damit unsere Beziehung krisenfest wird, müssen wir uns bemühen, die Kultur des jeweils anderen zu verstehen und Fähigkeiten im Umgang miteinander zu entwickeln. Dazu gehört auch, zu wissen, wo unsere Schwachstellen liegen.

Unsere gemeinsame Entwicklung als Paar, als Mann und Frau, als sexuelle Wesen aus zwei entgegengesetzten Kulturen dauert nun schon mehr als vierunddreißig Jahre. Am Anfang war ich, so glaube ich jedenfalls, stärker die Triebfeder, die Sexualität zu entdecken, typisch männlich, mit intrusiver Energie. Mit der Zeit aber gewannen andere Faktoren an Bedeutung, die Veronika mehr auszeichneten. Ich meine das Empfangende, das Leben Gebärende, das Bewahrende. So war sie es, die vor mir und mit großer Leidenschaft und Intensität zu ergründen suchte, was es braucht, um die Sexualität zwischen uns beiden am Leben zu erhalten. Das war zu einer Zeit, als bei mir das Kraftvolle bereits zurückging, als sich Erektionen beispielsweise nicht mehr einfach so einstellen wollten. Ich wäre diese Tatsache vermutlich einfach pragmatisch angegangen, ganz meiner Persönlichkeit entsprechend. Hätte es als altersbedingt und vielleicht sogar als irgendwie normal hingenommen.

Nicht so Veronika. Mit ihrer Neugierde und dem Wissen über Sexualität, welches sie sich in der Ausbildung zur Sexologin angeeignet hatte, wurde sie für mich zur Kulturvermittlerin. Durch sie kam ich erst auf die Idee, mich mit meiner Sexualität konstruktiv auseinanderzusetzen, mich und meinen Körper tiefer kennenzulernen und hindernde Vorstellungen abzulegen. Heute fühle ich mich richtig zu Hause in meiner männlichen Sexualität und empfinde mich als Mann ganzheitlicher, tiefer und damit freier und glücklicher.

Ich wünsche mir, dass dieses Buch anderen Menschen hilft, als Paar und alleine ihre sexuelle Identität zu entdecken und zu entfalten.

[ Zum Inhaltsverzeichnis ]

DIESES BUCH

EINE FORTSETZUNG

Dieses Buch ist eine Fortsetzung der Erfolgsgeschichte Liebeslust. Mir wurde gesagt – und dem würde ich spontan zustimmen –, dass Beziehungsbücher, Lebenshilfebücher und vermutlich Bücher überhaupt vor allem von Frauen gelesen werden. Offenbar stimmt das für Bücher über Sex nicht, denn bald nach dem Erscheinen von Liebeslust stellte ich freudig überrascht fest, dass mindestens ebenso viele Männer wie Frauen das Buch bestellten, sich bei mir per Mail dafür bedankten, dass ich dieses Buches geschrieben hatte, und genauso häufig Fragen stellten im Blog: www.liebesbegehren.ch

Irgendwie fühlten sich die Männer in Bezug auf ihr Bedürfnis nach Sex mit ihrer Liebespartnerin verstanden, weil dieses Bedürfnis sonst oft abgewertet und gegen die romantische Liebe ausgespielt wird. Auch die Frauen nahmen das Buch freudig auf, weil sie darin die Idee von erfülltem und befriedigendem Sex fanden und ein bejahendes Bild der begehrenden Frau. Manche hatten aber auch Angst vor dem Thema und fühlten sich verunsichert. Bei einer Konferenz ließ sich beispielsweise eine Frau nicht von ihrem Mann dazu überreden, meinen Workshop »Ehe-Sex« zu besuchen. Eine andere zog ihren Mann immer wieder vom Büchertisch weg, als er mein Buch kaufen wollte, weil ihr das offensichtlich peinlich war. Manche Männer kommen alleine zu mir in die Beratung, in der Hoffnung, einen Weg zu finden, um mit ihrer Partnerin ins Gespräch über ihr gemeinsames Sexleben zu kommen. In der persönlichsten Beziehung, der Paarbeziehung, sind viele Menschen am sprachlosesten, angreifbarsten und oft auch am unwissendsten – und sie trauen sich nicht, Abhilfe zu schaffen.

Die Fragen, die mir in den beiden Jahren nach Erscheinen von Liebeslust am häufigsten gestellt wurden, kann man in drei Kategorien zusammenfassen:

• »Wie komme ich mit meiner Partnerin/meinem Partner über unser Sexleben ins Gespräch und wie wenden wir das alles in unserem Alltagsleben an?«

• »Kann ich dich mal was fragen, ganz konkret?«

• »Wie ordne ich das Thema Sexualität in den Kontext meiner christlichen Lebenswelt ein?«

Diesen vertiefenden Fragen aus dem Liebesalltag will ich in diesem Buch nachgehen, denn Sex geschieht nie automatisch. Sex erfordert Engagement. Sex ist Gespräch. Sex ist spirituell. Wie über das Gebet, die gemeinsam verbrachte Zeit und viele andere Dinge wird über Sex die Verbindung zum Partner hergestellt. Sex definiert uns als Paar. Deshalb ist es wichtig, dass Liebespaare und Ehepaare sowohl körperlich als auch geistig spannend füreinander bleiben.

Ich will mit diesem Buch auch weiter aufklären, denn was mich nach wie vor am meisten überrascht, sind die großen Wissenslücken der Menschen, die sich an mich wenden. Immer noch haben viele Männer und Frauen wenig Ahnung, wo und wie sie sich und ihren Liebespartner berühren, verwöhnen und stimulieren können.

DIE MEISTEN BEZIEHUNGEN SCHEITERN AN DER LIEBLOSIGKEIT, NICHT AM SEX

Paaren, die »nur« wegen Problemen beim Sex zu mir in die Beratung kommen, kann ich oft ganz einfach helfen, mit Gesprächen, Wissen und Übungen. Andere Paare leiden aus ganz unterschiedlichen Gründen aneinander, darunter auch am Sex. Ob sie mit Machtproblemen aufgrund ihrer Beziehungskonstellation oder mit einengenden religiösen Vorstellungen kämpfen, ob sie unter der Belastung der Geburt eines Kindes oder unter der Kleinkinderphase leiden, ob sie unter dem Schaden eines Seitensprungs zusammenbrechen, ob Krankheiten, familiäre oder berufliche Nöte ihre Beziehung in Mitleidenschaft ziehen – der Veränderungsbedarf ist fast immer der gleiche. Sie müssen sprachfähig werden. Im Zuge dessen geht es für alle Paare darum, in den drei wichtigsten Beziehungsthemen zu lernen:

• Erfahren, wer man selbst ist

• Kommunizieren

• Grenzen setzen und achten

Das Gespräch über Sex ist manchmal der Anfang und eine gute grundsätzliche Übung für viele weitere Paarthemen. Denn es geht darum, als einzelne Personen im Selbstgefühl zu wachsen, miteinander als Paar in der Verbundenheit zu wachsen und sich in gemeinsamen Überzeugungen und Vorstellungen zu finden, miteinander zu lernen für den Alltag, die Familie, die Erziehung und auch für den Sex.

Dieses Buch ist zwar ein Sex-Anwendungsbuch, aber es ist auch ein Buch darüber, wie Beziehung gelingen kann. Leserinnen und Leser werden darin ihre eigene Liebes- und Alltagsbeziehung gespiegelt sehen. Und sie werden mit der Kunst der Liebe als ein Handwerk vertraut gemacht, das sie sich Schritt für Schritt aneignen können.

Wie in Liebeslust begleiten dieses Buch Zitate von Jörg Zink. Der große evangelische Theologe ist am 9. September 2016 im hohen Alter von 93 Jahren gestorben. Niemand sonst hat für mich in so tiefen Worten die Liebe in all ihren Facetten und aus geistlicher Sicht beschrieben.

CHRISTEN UND SEX – DAS HEULENDE ELEND

»Das einzige Mittel gegen Angst und Enge ist Weite.«3

Christina Brudereck

Liebeslust und der Blog www.liebesbegehren.ch lösten ein großes Echo aus. Viele Menschen sind schlicht und einfach dankbar, dass es endlich Informationen und eine Frageplattform für Christen gibt. Der Rückenwind bläst um einiges stärker als der Gegenwind. Und ich fühle mich unglaublich privilegiert, dass ich über Sex reden und Workshops halten darf. Doch da sind auch ein paar skeptische Wächter, die ein moralisches Regelwerk bewahren und verteidigen wollen, das ihrer Ansicht nach in der Bibel verankert ist. Die Selbstliebe, sprich Selbststimulation, ist dabei das allergrößte Politikum. Noch mehr als der Sex vor der Ehe. Und das scheint mir sehr verdächtig, weil Selbstliebe in der Bibel definitiv keine umstrittene Sache ist. Sie kommt nämlich darin überhaupt nicht vor, genauso wenig wie Details zur gelebten Sexualität, außer zwischen den Zeilen im Hohen Lied.

Die amerikanische Ordensschwester und Professorin Margaret Farley äußert sich in ihrem Buch Verdammter Sex4 dazu, dass Frauen in der Selbstbefriedigung große Erfüllung und eigene Möglichkeiten bei der Entdeckung der Lust fänden. Selbststimulation könne Beziehungen durchaus mehr fördern als behindern. Für dieses Buch und ihre »radikalfeministischen Positionen« zu Scheidung und Homosexualität erhielt sie vom Vatikan eine fünfseitige offizielle Rüge, die festhält, dass Masturbation eine »schwer ungeordnete Handlung« darstelle. Margaret Farley ist erst die zweite Frau, die vom Vatikan eine solche Rüge erhielt. Sanktionen bekam sie nur deshalb nicht, weil sie bereits im Ruhestand war.

Die Aversion gegen Selbststimulation ist eine gesellschaftliche, geschichtliche und kulturell gewachsene Fessel, die so nicht in der Bibel enthalten ist. Dabei gehört die Selbststimulation zur natürlichen Entwicklung der Sexualität. Indem wir die Selbstliebe verdammen, beschämen wir die sexuelle Selbstsicherheit und lassen zu, dass die schönste von Gott geschaffene »Nebensache«, der Sex, zur größten Enttäuschung in unserem Leben wird.

Der nachfolgende Brief einer jungen Frau verdeutlicht dies und steht stellvertretend für viele frustrierte Zuschriften, die mich erreichen. Mich machen dieser Brief und Lebensberichte aus meiner Praxis nicht nur traurig, sondern auch wütend. Was mich vor allem betroffen macht, ist die Tatsache, dass es die Stimmen junger Menschen sind. Die nächste Generation verkorkster Menschen im Alter meiner eigenen Kinder sitzt in meiner Praxis, dabei könnte eine vernünftige Aufklärung viel von diesem Elend verhindern.

Liebe Veronika In meiner christlichen Familie und in der Gemeinde wurde mir immer erzählt, wie schmutzig Sex und Lust sind. Alles, was in irgendeiner Art und Weise erregend sein kann, wurde immer verboten und alles Sexuelle von mir ferngehalten. Meine Mama erzählte mir, dass mein Vater sie sexuell sehr unter Druck gesetzt hat, und so habe ich mich immer sehr geschämt, wenn ich Lust empfand. Seit der Geburt meiner Tochter ist der Sex aus meiner Ehe beinahe ganz verschwunden. Ich fühle mich wie meine Mutter, für die Sex nur etwas Schlechtes ist oder etwas, das nur so brav und harmlos und unerotisch wie möglich sein darf.

Und nun lese ich von Dir und alle Dämme scheinen zu brechen. Ich habe so oft zu meinem Mann gesagt, dass ich mich selbst in meiner Vorstellung ganz anders sehe und gerne freier wäre und sexuell. Warum erzählt man uns Mädchen immer, dass unsere Lust falsch ist und Männer immer nur das eine wollen? Warum sagt uns keiner, dass Sex in einer Ehe voller Lust und Erotik sein soll/darf?!

Das Bild, das vermittelt wird, ist: Okay, habt Sex, ihr seid ja verheiratet, aber schnell, im Dunkeln. Ihr Frauen, haltet hin, Männer brauchen es eben, und wehe ihr tragt reizende Unterwäsche! Ich bin meinem Mann schon beinahe fremdgegangen, weil ich dachte, außerhalb der Ehe ist es eh verboten, dann kann ich das auch ausleben, was ich mir wünsche.

Ich habe in Frauenzeitschriften gelesen, was die Welt über Sex denkt, und ich wollte das auch so gerne. Nun lese ich es noch so viel schöner bei Dir, und es befreit mich so sehr. Mir laufen die ganze Zeit die Tränen übers Gesicht. Ich habe mich immer gefragt, was mit mir los ist, dass ich keine Lust empfinde. Oder nur in meiner Vorstellung, aber nicht körperlich, nicht wenn mein Mann mich berührt. Oft hat es mich sogar geekelt. Aber das konnte ich niemandem sagen und ich konnte niemanden fragen.

Ich hoffe so sehr, dass wir nun endlich den Sex haben können, den wir uns beide wünschen.

Danke, danke, danke! Dass Du, aus christlicher Sicht, genau so über Sex schreibst. Ich kann Dir gar nicht genug danken! Endlich bekomme ich Antworten!

Diesen Brief veröffentlichte ich auf dem Blog mit dem Anliegen, der christlichen Gemeinde die Augen zu öffnen für die Realität von Menschen, die auf diese Weise eingeengt werden, und die Freiheit, die man in der Sexualität erleben kann.

Leider sind viele christliche Eltern und Gemeinden noch wenig sprachfähig in Bezug auf Sex. Und die, die darüber sprechen, tun es meist nur problemorientiert. Sie sind nicht in der Lage, Informationen zu Sexualität hilfreich zu vermitteln. Zu häufig bestimmen Angst und eine rigide Moral die Haltung zu Sex. Und das spiegelt sich dann in vielen Ehen wider.

ES TUT SICH WAS

»Moral kommt aus dem Vorbild, der Übung und der Verlässlichkeit, nicht aus der Predigt.«

Thomas Widmer

Im Laufe der letzten zwei Jahre habe ich hoffnungsvolle, ermutigende Zeichen des Umbruchs gesehen. Es tut sich was auf der Verantwortungsebene in den Gemeinden. Um in so umstrittenen Lebensbereichen wie der Sexualität eine neue Sprachregelung und damit eine neue Haltung zu finden, hilft der Blick zurück in die Geschichte. Jede Zeit hat ihre Tabubrüche. Im Grunde genommen ist jede Entwicklung eine Art Tabubruch. Über manche Entwicklungen sind wir erfreut, andere entsetzen uns. Jedem Fortschritt fällt Althergebrachtes zum Opfer. Oft können wir erst im Rückblick erkennen, was Segen und was Fluch war, und selbst dann ist es eine Frage der Interpretation. Frei nach Zink lässt Paulus uns zu den Veränderungen unserer Lebenswelt Folgendes ausrichten:

»Was wir von Gott zu wissen meinen, wird eines Tages gründlich überholt sein, was wir reden, wird verhallen. Was wir forschen und denken, wird man vergessen. Stückwerk ist, was wir wissen, Stückwerk, was wir über Gott reden.«5

1. Korinther 13,8-9, Jörg Zink

Wenn wir meinen, im Bereich der Sexualität so genau zu wissen, was Sünde ist und was nicht, dann nehmen wir für uns in Anspruch, Genaues »zu wissen von Gott«. Doch Paulus sagt, es ist Stückwerk. Die Bibel lässt uns über vieles im Unklaren, aber wir können nicht verleugnen, wie Gott uns geschaffen hat. Diese Dinge können erforscht und erfahren werden, und sie bringen uns Wissen.

»Viel ist, was wir hier schon verstehen. Dann aber werden wir erkennen mit der Klarheit, mit der Gott uns erkennt.«6

1. Korinther 13,12, Jörg Zink

Wir sollten endlich berücksichtigen, dass unsere Erfahrung und unsere Auslegung der Bibel sehr kulturell geprägt sind. Torsten Hebel sagt dazu in seinem Buch Freischwimmer, er habe erkannt, dass sein »ach so bibeltreuer Glaube in Wirklichkeit konditionierte Glaubenssätze waren.«7 Er schreibt außerdem: »Theologie ist zu einem großen Teil Biografie.«8 »Wir werfen mit dem Begriff Gott um uns und füllen ihn ganz unterschiedlich.«9

Nicolai Franz resümiert in seiner Rezension zum Buch: »Man kann noch so viel forschen, Bibel lesen, beten, in die Kirche gehen – am Ende bestimmt auch unser Umfeld und unsere Geschichte, was wir glauben.«10

Unser Glaube wird von unserer Einstellung bestimmt. Unsere christliche Gemeinde, unser christliches Elternhaus, wie wir aufwachsen, prägt unsere Denkweise und Mentalität. Dies formt meine Art zu denken, wie ich Dinge sehe, wie ich sie lese und interpretiere. Jeder Mensch interpretiert mit seinen angelernten Fähigkeiten und Möglichkeiten. Die christliche Sexualmoral ist nicht zwingend eine biblische, sondern hat ein zutiefst menschliches Gesicht. Christina Brudereck meint dazu: »Ich meine, wir müssen die Bibel schon ganz genau lesen. Um Gottes und der Menschenrechte willen.«11

Ich plädiere für Aufklärung, Wissensvermittlung und Berücksichtigung der Lebenswelt der Menschen in der Auslegung der Bibel. Das werde ich weiterhin tun in aller Beharrlichkeit, gerade weil ich weiß, dass Einstellungsänderungen höchst langsam vor sich gehen. »Das menschliche Gehirn hat den Wendekreis eines Tankers. Um sich zu ändern, braucht es Zeit, ein Ziel und einen klaren Kurs dahin«, so der Psychologe John Hibbing.

Es ist verständlich, dass wir versuchen, zu schützen und zu bewahren, weil wir nur das Beste für uns und unsere Kinder wollen und Unglück vorbeugen wollen. Ich glaube aber, Bewahrer können einem grundsätzlichen Irrtum unterliegen. Einem pädagogischen Irrtum. Dem Irrtum, dass Regeln und Gesetze allein zur Verantwortung erziehen.

FRAGENSTELLEN BRINGT UNS WEITER

Ich kann sehr gut nachvollziehen, dass Fragen zu Sexualität bei vielen Menschen in den christlichen Gemeinden Nervosität auslösen. Diese Fragen verunsichern und werfen wiederum neue Fragen auf. Mein Hauptberuf ist es, Fragen zu stellen. Fragen regen zum Nachdenken an. Fragen brechen verhärtete Fronten auf. Fragen bringen neue Lösungen. Fragen geben neue Perspektiven. »Was wäre wenn?« und viele andere Fragen helfen Menschen, für ihre ganz spezielle Lebenssituation eine selbstverantwortete Lösung zu suchen und zu finden. Ich mache die Erfahrung, dass es viele Christen nicht gewohnt sind, dass man sie zum Selbst-Denken, zum Selbst-Entscheiden und zum Gott-selbst-Fragen anregt.

Der beste Fragensteller aller Zeiten ist für mich Jesus. Seine wichtigste Frage an uns lautet: »Was willst du, dass ich dir tun soll?« (Markus 10,51; Lukas 18,41). Gute Fragen stellen zu können, ist die höchste Kunst in der Erziehung und in der Menschenführung. Sich selbst gute Fragen stellen zu können, ist die Kunst der Selbstführung. Mir ist es wichtig, eine Fragende zu bleiben, auch wenn es unbequem wird, nervös macht, Steine ins Rollen bringt, mehr auslöst, als in meinem Einflussbereich liegt.

DAS HOHE LIED DER LIEBE

Spräche ich in allen Sprachen der Menschen, sänge ich in den Tönen der Engel und liebte nicht, ich gliche einer dumpfen Glocke oder einer klingenden Schelle.

Wüsste ich Gottes Gedanken, schaute ich alles Geheimnis, erfüllte mich alle Weisheit, versetzte ich Berge durch die Kraft meines Glaubens und liebte nicht, so wäre ich nichts.

Verteilte ich alle meine Habe, ginge ins Feuer, ließe meinen Leib brennen und liebte nicht, es wäre vertan.

Die Liebe hat Zeit. Sie liebt mit langem Atem. Sie ist freundlich. Sie erzwingt nichts und nimmt den Geliebten, wie er ist.

Sie fällt nicht auf und stellt sich nicht zur Schau. Sie verletzt nicht. Sie greift nicht an. Sie sucht keinen Gewinn.

Sie wird nicht bitter durch bittere Erfahrung. Sie rechnet das Böse nicht zu. Sie trauert über das Unrecht und freut sich über die Wahrheit.

Die Liebe trägt alles. Die Liebe glaubt alles. Die Liebe hofft alles. Sie beugt sich der Last und bleibt geduldig gebeugt.

Unvergänglich ist die Liebe. Menschliches Wissen um Gott wird verwehen, was Menschen geredet, verhallen, was sie forschten und dachten, zu Ende gehn.

Stückwerk ist, was wir wissen, Stückwerk, was wir erkennen. Nimmt das Vollkommene uns auf, schauen wir die Fülle, so endet das Stückwerk.

Einst war ich ein Kind. Ich sprach wie ein Kind. Ich war klug wie ein Kind. Ich träumte kindliche Träume. Als ich ein Mann ward, legte ich die Kindheit ab.

Heute ahnen wir Gott wie unser eigenes dunkles Gesicht in kupfernem Spiegel, fremd, verschattet und rätselvoll. Morgen schauen wir, nahe und klar, sein Angesicht.

Viel ist, was wir verstehen, und dennoch: Stückwerk ist es. Dann aber werden wir schauen in der Klarheit, in der Gott uns heute erkennt.

Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei. Aber die größte unter ihnen ist die Liebe.

1. Korinther 13,1-13, Jörg Zink12

[ Zum Inhaltsverzeichnis ]

1 | WIE SEX SEIN KÖNNTE – EINE VISION FÜR GUTEN SEX

[ Zum Inhaltsverzeichnis ]

LUST UND GUNST – GUTER SEX IST NICHT LOSGELÖST VON DER LIEBE

Das Klischee sagt: Der Mann sucht für sich die Lust, die Frau sucht die Liebe. Aber es gibt sehr wohl Männer und Frauen, die beides wollen, Lust und Liebe, Sex und Herz. Sex und Herz sind grundlegende Triebkräfte unserer Existenz. Ohne Zwang verzichtet niemand freiwillig auf das eine oder das andere, denn wir brauchen beides, um uns als Mann oder Frau ganz zu fühlen. So erkläre ich mir zumindest, weshalb Paare in die Beratung kommen, die sich eigentlich mit der Sexlosigkeit in ihrer Beziehung abgefunden haben. Bei der Liebe geht es immer auch um Sex und beim Sex geht es auch um Liebe. Sex ist nicht einfach Triebabfuhr, sondern Hingabe an den Lieblingsmenschen, Hingabe in ein erotisches Erleben, das den Traum in sich birgt, eine geistliche, spirituelle Dimension zu haben. Zink drückt es so aus: »Indem wir lieben, erfüllt uns sein Geist.«13

Wir sollten nicht unterschätzen, wie wichtig Sex dem Partner ist. Eine Studie zeigt: Dem Mann ist er noch wichtiger, als ihre Partnerinnen glauben. Und Frauen sind keineswegs generell Sexmuffel. Für zwei Drittel der Frauen ist Sex wichtig oder sehr wichtig, manchen ist er wichtiger als ihren Männern. Die Männer wiederum werden oft als sexuelle Analphabeten dargestellt, als plumpe Öfter-schneller-geiler-Dummies, nur weil sie Intimität mehr über Körperlichkeit suchen.

Sex ist zwar omnipräsent, vor allem die sexuellen Extreme. Doch Tatsache ist: Wenn es darum geht, den eigenen Körper und die eigene Sexualität lustvoll zu erleben, sind die meisten wesentlich hilfloser, ratloser und gehemmter, als sie zugeben wollen. Sie wissen nicht wirklich, wie sie Sex bewusst gestalten können. Das nimmt ihnen den Mut, einem lustvollen Liebesleben Priorität zu geben. Guter Sex braucht einen wichtigen Platz in der Beziehung und er braucht Investitionen, allem voran echtes Wissen und Übung.

Die Psychologin und Sexberaterin Caroline Fux meint dazu: »Viele Paare verpassen es, Sex zu einer andauernden Beziehungsaufgabe zu machen und einen Dialog über Sexualität zu führen, der offen und wohlwollend ist. Viele gehen still davon aus, dass das, was für sie persönlich stimmt und lustvoll ist, automatisch auch für den anderen funktioniert. Aber so lieben die Geschlechter aneinander vorbei.«14

LUST ODER LIEBE ODER KAMPF?

Beziehungen leben ist ein Kraftakt. Manchmal ein schöner und herausfordernder, manchmal ein zermürbender und entmutigender. Lust und Liebe zusammen können das Leben ganz schön kompliziert machen. Deshalb müssen wir stetig versuchen, aus der frustrierenden Beziehungsroutine auszubrechen. Sonst besteht die Gefahr, dass wir uns aus Mangel an Nähe und Freude im Kampf wiederfinden. Unbewusst kämpfen wir in der Beziehung immer darum, wahrgenommen, verstanden und anerkannt zu werden. Deshalb verkrachen wir uns wegen Nichtigkeiten, manchmal offen gehässig, manchmal subtil zermürbend, manchmal resigniert abtretend, manchmal rücksichtsvoll vermeidend. Dabei realisieren wir nicht, wie zerstörend solche scheinbar banalen Dissonanzen sind. Wie sehr sie verhindern, dass wir das erreichen, was wir uns eigentlich ersehnen. Jeder Streit ist ein Machtkampf um Einfluss, darum, recht zu haben oder die eigene Meinung durchzusetzen. Jede nicht enden wollende Diskussion zeigt nur, dass jeder um sich selbst kreist.

Andauernder Kampf macht müde, ohnmächtig und hoffnungslos. Doch vermeidende Rücksichtnahme ist genauso schädlich wie der Kampfmodus oder ständiges Meckern. Wird es uns zu mühsam, schlagen wir je nach Charakter irgendwann den Weg des geringsten Widerstands ein, sprich, wir gehen einander und den Konflikten aus dem Weg. An diesem Punkt der Beziehung wird es gefährlich. Vor allem falsche Rücksichtnahme droht uns und unsere Beziehung zu ersticken. Am schnellsten bleibt der Sex auf der Strecke. Doch ohne Sex geht meistens die Nähe zum Partner verloren. Oder die emotionale Nähe zum Partner ist schon weg, weshalb man keinen Sex mehr mit ihm haben will. Ganz grundsätzlich gilt im Bett: Der Lustlose kann den sexuell Hungrigen problemlos in die Verzweiflung treiben. Denn der Lustlose bestimmt, was im Bett läuft – nämlich nichts. Die allerwenigsten Männer wollen, dass ihre Frau Sex einfach über sich ergehen lässt. Also werden sie eher verzichten.

Wir können verlorene Nähe wiederherstellen, indem wir unser Innerstes dem anderen öffnen und ihn wieder in unser Leben einbeziehen. Beziehung ist Austausch, teilen, teilhaben lassen, sich begegnen, aktiv sein, Wagnisse eingehen. Doch dafür müssen wir miteinander reden. Wenn wir das nicht (mehr) können, sollten wir uns aufmachen, es (wieder) zu lernen. Paare, die nicht miteinander reden, haben oft weder Sex noch Nähe. Paare, die miteinander reden, haben meistens auch Nähe und Sex.

Für die Frauen gilt hier: Ihr dürft nicht einfach nur auf dem »ach so viel edleren« Gespräch beharren, ohne körperliche Nähe zuzulassen. Denn eure Männer finden die Nähe zu euch über den körperlichen Zugang. Wenn ihr euch auf eine erotisch-sexuelle Entdeckungsreise wagt, werdet ihr auf die von euch so ersehnte Nähe und vielleicht sogar auf die Gesprächsbereitschaft eures Mannes stoßen. Denn dann, so sagen Männer, erwache ihre Neugier und sie können innere und äußere Widerstände nachhaltig überwinden. Umgekehrt verzagen sie leicht, wenn ihre Sexualität als Überforderung oder gar als Bedrohung wahrgenommen wird. Solche verzagten Männer habe ich häufiger gesehen als die, welche aus Verunsicherung heraus Sex aggressiv einfordern. Die gibt es zwar auch, dahinter steckt aber oft nichts anderes als mangelndes Einfühlungsvermögen und ein schwaches sexuelles Selbstbewusstsein.

Sich einzufühlen in sich selbst und sich einzufühlen in den Liebespartner kann ein Schlüssel sein, um das Tor der Liebe zum anderen wieder zu öffnen. Vor allem Männer brauchen ein Umfeld, in dem sie sich grundsätzlich mit ihrer Sexualität willkommen fühlen.

Für die Männer gilt: Ihr müsst es riskieren, das Thema Sex und eure Verzagtheit anzusprechen. Ihr müsst lernen, Konflikte zu führen und zu kommunizieren. Ihr dürft nicht einfach nur Nähe durch Sex herstellen wollen. Ein Mann sagte: »Meine Frau hatte keine Ahnung, wie es in mir aussah, weil wir nie über Sex redeten, erst recht nicht über unsere Wünsche. Sex und Gespräche darüber waren für uns so schambesetzt, dass ich überhaupt nicht auf den Gedanken kam, dass das Schweigen darüber schädlich für unsere Ehe und Gesundheit sein könnte.«

Männer und Frauen fragen mich manchmal: »Wie soll ich denn mit meinem Partner ins Gespräch über Sex kommen?« Es gibt nur einen Weg – tu es einfach! Spring ins kalte Wasser!*1

LIEBE KANN MAN LERNEN – WIE SEX AUCH

»Lieben heißt, auf dem Weg sich rechtzeitig umsehen, ob der andere auch mitgehen will, es heißt, wenn er nicht will, mit ihm zusammen einen anderen Weg suchen. Einen gemeinsamen.«15

Jörg Zink

»Wenn man Sex lernen kann – kann man dann auch lernen, einen Menschen zu lieben?« Diese Frage eines Mannes um die vierzig landete eines Tages in meinem Blog-Briefkasten. Zwischen den Zeilen dieser Frage kommt mir eine Männer-Hilflosigkeit entgegen, die ich aus vielen Beratungsstunden kenne. Es ist nicht so, dass Männer weniger unter dem Verlust der Liebe leiden als Frauen. Sie vermissen etwas, können aber oft selbst nicht wahrnehmen, was es ist.

Manche Menschen sind seit Jahren verheiratet und bemerken irgendwann, dass sie nicht mehr lieben, vielleicht auch nicht mehr geliebt werden, und sie wissen nicht, wie sie zur Liebe zurückfinden können. Oder sie realisieren, dass die Liebe nie da gewesen ist, zumindest nicht so, wie sie sich das einmal erträumt hatten.

Ich bin überzeugt, dass man lernen kann, einen Menschen zu lieben. Man kann lernen, diesen Menschen immer wieder neu zu lieben. Weil Liebe etwas ist, das man nicht einfach »hat«. Man kann die Liebe verlieren und man kann sie wiedergewinnen.

Leider ist es wahr – viele Paare hören auf, sich zu lieben. Sie glauben nicht mehr an die Geschichte ihrer Liebe. Sie haben aufgehört, einander die Geschichte ihrer Liebe zu erzählen.

Es gibt auch in unserer Gesellschaft Paare, die geheiratet haben, ohne sich wirklich zu lieben. Man kann aus vielerlei Gründen heiraten. Um nicht allein zu sein. Um eine gewisse Sicherheit zu bekommen. Um gebraucht zu werden. Um jemanden zu retten oder gerettet zu werden. Weil man sich verpflichtet fühlt. Weil man Sex miteinander hatte. Weil man ein Kind erwartet. Weil man schon so lange zusammen ist. Mangels besserer Alternativen. Gründe über Gründe, vielleicht gepaart mit Verliebtheit, vielleicht auch nicht.

In der Beratung bin ich immer wieder damit konfrontiert, dass Menschen ähnliche Sätze sagen wie: Ich finde meine Partnerin/meinen Partner nicht mehr attraktiv. Eigentlich fand ich sie/ihn noch nie richtig schön. Eigentlich habe ich ein anderes Beuteschema. Unser Sex ist nicht so, wie ich mir das vorgestellt habe. Der andere erfüllt meine Erwartungen nicht. Der andere ekelt mich an. Wir haben gar keinen Sex mehr. Mir ist Sex so wichtig, ich werde mich nach Alternativen umsehen müssen. Ich habe einen Fehler gemacht, ich hätte diese Person niemals heiraten sollen, es waren nicht die richtigen Motive.

Und schließlich gibt es Paare, die einander erst richtig kennenlernen, wenn sie schon verheiratet sind, und dann aus allen Wolken fallen, weil sie ungute Signale im Vorfeld nicht wahrhaben wollten. Oder im Laufe einer Ehe passiert etwas, das die Liebe grundlegend erschüttert und infrage stellt.

LIEBE IST KEIN SELBSTLÄUFER

»Nur weil jemand deinen Glauben teilt, teilt er noch lange nicht deine Gefühle, Wünsche und Ängste.«

Unbekannt

Sieht man sich das Lied der Liebe in 1. Korinther 13 genau an, könnte man durchaus hineinlesen, dass es einfacher sei, in den Sprachen der Menschen und der Engel zu reden, Gottes Gedanken und alle Weisheit zu kennen, durch die Kraft des Glaubens Berge zu versetzen, wohltätig all seinen Besitz zu verschenken und durchs Feuer zu gehen, als zu lieben. Aber genau dazu fordert uns die Bibel heraus.

Wir können es versuchen, das Liebenlernen. Es ist wie beim Sex, wir denken, es müsste von selbst funktionieren. Doch diese Vorstellung ist nicht nur seltsam, sie ist auch falsch. Wir nehmen Autofahrstunden, besuchen Sprachkurse, lernen Sportarten, lesen Fachbücher und Erziehungsratgeber und erwarten trotzdem, dass die Liebe intuitiv und automatisch sei und außerdem beständig. Liebe muss man genauso lernen wie andere Fähigkeiten. Und Liebe ist lernbar.

Erst seit ungefähr drei Generationen ist bei uns Liebe der Hauptgrund, um zu heiraten. Das hat aber die Ehe nicht unbedingt stabiler gemacht – weil Liebe instabil sein kann, weil sie sich ständig erneuern muss, weil sie lebendig ist und nicht statisch. Die menschliche Selbstbezogenheit gefährdet die Liebe dauernd. Nie sind wir davor gefeit, dass wir unsere eigenen Interessen und unsere Unzufriedenheit über den anderen und die gemeinsame Liebe stellen, dass es uns nicht um Liebe, sondern um die Erfüllung unserer Bedürfnisse geht. Alltagsaktuell könnte dann das Lied der Liebe so lauten:

»Und wenn ich von Zärtlichkeit spräche und von Phantasie im Spiel der Liebe, und ich dächte vor allem an die Liebe, die ich vom anderen empfangen möchte, und nicht so sehr an den anderen, den ich liebe, wäre ich nichts als ein kleinkarierter Egoist.

Und wenn ich von Liebe spräche in den höchsten Tönen und ließe den Geliebten im Stich, ich wäre nichts als ein armseliger Scharlatan.«16

Jörg Zink

Ja, manchmal sieht es aus, als hätte in unserer Beziehung alles keinen Sinn und Wert mehr. Als wäre es mehr Egoismus, Eigennutz oder Wahren des Scheins als Liebe. Das muss nicht Trennung bedeuten, sondern aufwachen. Es gibt viele gute Gründe, sich nicht zu trennen, allen voran die gemeinsamen Kinder. Jedes Kind hofft auf die Unzerstörbarkeit der elterlichen Gemeinschaft. Es hofft, dass die Eltern stärker sind als all die Streitereien und klug genug, die Familie zusammenzuhalten. Ja, das kann ein Grund sein zu bleiben, sofern man an der Beziehung arbeitet. Denn, Hand aufs Herz, ist die eigene Liebesbeziehung wirklich so viel unglücklicher als die der anderen? Ist es nicht einfach so, dass wir alle es hin und wieder nicht schaffen, mit uns selbst glücklich zu sein? Paare trennen sich heute oft sehr vorschnell und unüberlegt. Ich habe einige Menschen getroffen, die ihre Scheidung bereuen. Die meisten Paare trennen sich aus Enttäuschung. Die Bibel sagt, dass es krank macht, wenn Erwartungen sich lange Zeit nicht erfüllen. »Hingezogene Hoffnung macht das Herz krank, aber ein eingetroffener Wunsch ist ein Baum des Lebens« (Sprüche 13,12). Das Entscheidende ist, dass wir erkennen, dass Enttäuschung etwas ist, für das wir uns entscheiden. Es hängt von uns ab, ob wir mit Enttäuschung reagieren oder gelassen bleiben. Niemand zwingt uns dazu, über den anderen enttäuscht zu sein. Ich selbst entscheide, ob ich in enttäuschter Hoffnung verharre und darauf beharre, dass der andere meine Wünsche erfüllen muss, damit ich an ihm einen »Baum des Lebens« habe.

Die meisten von uns erwarten, dass der andere uns gibt, was wir brauchen. Doch wir sollten unseren Mangel bei Gott stillen und selbst gut für uns sorgen. Uns selbst lieben. Uns selbst Wünsche erfüllen. Dann wird es plötzlich möglich, das Liebenswerte im anderen zu sehen und uns gegenseitig gesund zu lieben.

»Wenn du einen Menschen liebst, dann zeige es ihm. Was du nicht zeigst, kann er nicht empfangen. Wenn du einen Menschen liebst, dann lass dich lieben. Was du nicht annimmst, kann er nicht geben.«17

Jörg Zink

Nicht nur erfüllte Sexualität, sondern auch Liebe hat sehr viel mit unserer Vorstellungskraft zu tun. Wir können uns vorstellen, den anderen zu lieben. Wir können uns fröhliche Liebe vorstellen. Liebe ist wie ein Echo. Wer als Gestillte und Gestillter liebt, bekommt Liebe zurück. Wer fröhlich ist, bekommt Leichtigkeit. Wer zärtlich ist, bekommt Zärtlichkeit. Wer das Gespräch sucht, bekommt einen Gesprächspartner. Wer eine Unternehmung plant, bekommt Gesellschaft und Erlebnisse. Wer Gutes tut, tut sich damit selbst etwas Gutes. Wer verzeiht, befreit sich selbst. Wer einen Schritt auf den anderen zugeht, bekommt Frieden.

LIEBE DICH SELBST – DANN KANNST DU LERNEN ZU LIEBEN

»Die Liebe hat Zeit. Sie liebt mit langem Atem. Sie ist freundlich. Sie erzwingt nichts und nimmt den Geliebten, wie er ist.«18

Jörg Zink

Paulus beschreibt eine Liebe, die aushält, was ihr das Leben zumutet, auf der Grundlage von Glaube, Hoffnung und Liebe. Eine Liebe, die glaubt und hofft, ohne aufzuhören. Jörg Zink formuliert es so: »Liebe wird am Ende zum einfachen Sein.«19 Das hat nichts mit perfektem Lieben und perfektem Sex zu tun, sondern mit einem unvollkommenen Dasein, das sich damit zufriedengibt, zufrieden zu sein. Diese Sicht kann auch eine Ehe retten. Man akzeptiert das unvollkommene Leben und nimmt nach einer Krise den Faden einfach wieder auf.