Als Schisser durchs Netz - Jan Kowalsky - E-Book

Als Schisser durchs Netz E-Book

Jan Kowalsky

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Beschreibung

Sie geht online. Und er muss mit!

Nach seinen Reisen um die Welt ist der Schisser zurück auf der Couch und stellt dort mit Erschrecken fest: Die größten Gefahren der heutigen Zeit lauern gar nicht in der Ferne, sondern im Dschungel der Digitalisierung! Während seine abenteuerlustige Frau sich bereits mit Leichtigkeit durchs Netz bewegt, kämpft der Schisser noch mit sprechenden Kaffeemaschinen in Smart Homes, schnippischen Chatbots im Internet und Digital Detox im Wald. Wird er es schaffen, seine Angst vor der Digitalisierung zu verlieren – und seine Frau abermals für sich zu gewinnen?

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Seitenzahl: 280

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Der Autor

Illustrator und Marketingmann Jan Kowalsky, geboren 1976, reiste als »Schisser um die Welt« und im Anschluss mit seinem Spiegel-Bestseller durch Funk und Fernsehen. Naturgemäß begegnet er auch der Digitalisierung mit gehöriger Skepsis, aber auch einer großen Portion Humor.

Das Buch

Sie geht online. Und er muss mit!

Nach seinen Reisen um die Welt ist der Schisser zurück auf der Couch und stellt dort mit Erschrecken fest: Die größten Gefahren der heutigen Zeit lauern gar nicht in der Ferne, sondern im Dschungel der Digitalisierung! Während seine abenteuerlustige Frau sich bereits mit Leichtigkeit durchs Netz bewegt, kämpft der Schisser noch mit sprechenden Kaffeemaschinen in Smart Homes, schnippischen Chatbots im Internet und Digital Detox im Wald. Wird er es schaffen, seine Angst vor der Digitalisierung zu verlieren – und seine Frau abermals für sich zu gewinnen?

Jan Kowalsky

Als Schisser durchs Netz

Eine Berg- und Digitalfahrt der Gefühle

Analog illustriert vom Autor

Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung hinweisen.Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.DisclaimerFake News und Filterblasen, was ist echt, und was ist nur erfunden? Im Netz weiß das keiner so genau. In diesem Buch auch nicht. In Anbetracht der Vielzahl der einschüchternden Eindrücke, die der fragile Autor auf seinen Reisen ins Netz erleiden musste, kann nicht ausgeschlossen werden, dass Handlungen, Charaktere und Dialoge seiner Fantasie entsprungen sind.Copyright © 2021 by Wilhelm Goldmann Verlag, München, in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München.Umschlaggestaltung: UNO Werbeagentur, München, unter Verwendung von Illustrationen von © Jan KowalskyAlle Illustrationen im Innenteil: © Jan KowalskyRedaktion: Antje SteinhäuserDF | Herstellung: CFSatz: Vornehm Mediengestaltung GmbH, MünchenISBN978-3-641-27937-0V003www.goldmann-verlag.deBesuchen Sie den Goldmann Verlag im Netz

Inhalt

Prolog

I. Die Smombie-Apokalypse

II. Kreativtechnik

III. Dr. Google und die Geocacher des Grauens

IV. FOMO

V. Das seltsame Institut der Künstlichen Intelligenz

VI. Digital Detox

VII.Roboterliebe

VIII. Online shoppe uff hessisch

IX. Ist das K. I., oder kann das weg?

X. Surfst du noch, oder lebst du schon?

Epilog

Danksagung

Für meine Frau, die ich liebe:real, digital, phänomenal

»Die Zukunft war früher auch besser!«

Karl Valentin

Prolog

Will sich der Mensch durch Roboter ersetzen lassen? Und wenn ja, warum?«

Das habe ich mich schon öfters gefragt. Insbesondere dann, wenn es mal wieder um eine technische Errungenschaft geht, die unser Leben »leichter« machen soll. Sei es nun durch ein einfaches elektrisches Küchengerät oder gar ein Küchengerät, das eigentlich alles alleine macht, oder gleich eine App, die die Küche gänzlich ersetzt. Und wenn man keine Küche braucht, braucht man ja auch keinen Koch, und ruckzuck ist sie da, die Herrschaft der Maschinen! Zugegeben: Ich war schon immer eher der ängstliche Typ – ganz anders als meine Frau Sarah.

Sie ist die geborene Optimistin, und das muss sie als Ärztin wohl auch sein. Als Tochter eines Dipl.-Ing.s bringt sie obendrein auch noch eine Begeisterung für Technik mit. Angeblich greift ihr Vater im Keller sogar selber zum Lötkolben, wenn das Handy streikt. Wer so aufgewachsen ist wie Sarah, meint natürlich, erkannt zu haben, dass es eigentlich sinnlos ist, sich mit der Frage zu beschäftigen, ob die fortschreitende Digitalisierung nun gut oder schlecht ist, denn sie glaubt fest daran, dass diese unaufhaltsam ist.

Aber zum Glück hat sie ja noch mich. Ich werde sie vom Gegenteil überzeugen.

I. Die Smombie-Apokalypse

Mach doch mal das Handy aus!«, sagte ich zu Sarah und bekam keinerlei Reaktion. Sie starrte mit voller Konzentration auf das Gerät, als hätte sie mich überhaupt nicht gehört. Das war mir in letzter Zeit schon öfters aufgefallen. Eigentlich war Sarah ein total offener und zugänglicher Typ, aber versunken in den digitalen Sphären ihres Telefons wirkte sie fast apathisch.

»Saaarah!«, versuchte ich es erneut, diesmal etwas lauter. Lediglich die Brauen über ihren Augen, die gebannt aufs Display starrten, regten sich leicht, ansonsten passierte nichts.

Ich hatte mal irgendwo gelesen, dass es im Internet die absurde Idee der Zombie-Apokalypse gibt, bei der eine Armee von Zombies die Weltbevölkerung ausrottet. Dazu gibt es sogar mathematische Statistiken und ein Notprogramm der US-Regierung für den Ernstfall. Das muss man sich mal vorstellen, wo die wahre Bedrohung vom Smartphone ausgeht. Denn erst das verwandelt die Menschen doch in leblose Hüllen. Eigentlich müsste es nicht Zombie, sondern Smombie heißen, halb Smartphone, halb Zombie. Ein Teil dieser Smombie-Apokalypse stand gerade vor mir und rührte sich nicht. Dabei war Sarah eigentlich wie viele Frauen ein Multitaskingwunder. Sie war ja nicht nur beruflich als Ärztin erfolgreich, sondern schmiss mit Leichtigkeit fast die gesamte Orga in unserer Beziehung. Während ich noch über die Effizienz der verschiedenen Waschgänge philosophierte, waren bei ihr schon zwei Maschinen fertig und die Wäsche bereits aufgehängt.

Und jetzt? Smombie-Apokalypse! Obwohl wir doch eigentlich zu unserer abendlichen Einladung bei meinem Arbeitskollegen Gunnar aufbrechen wollten.

»Brauchst du noch lange?«, fragte ich Sarah und zog dabei an dem Band, welches wie der Riemen einer Tasche um ihren Körper hing und nabelschnurartig den Smombie und sein Handy verband.

»Jaja«, antwortete Sarah gedankenverloren, stieß aber gleichzeitig mit einer überraschend geschickten Bewegung meine Hand von der Nabelschnur fort und tippte mit der anderen Hand unbeirrt weiter auf ihrem Telefon. »Ich muss nur noch kurz eine Message schicken. Was machst du denn auch so einen Stress? Du willst da doch gar nicht hin!«

Damit hatte sie allerdings recht. Obwohl ich jetzt drängte, weil es mich nervte, dass Sarah auf ihrem Handy rumspielte, wollte ich wirklich nicht zu Gunnar und seiner nervigen Frau Gabriela. Und ich wollte vor allem nicht in ihr neues Smart Home vor den Toren Pinnebergs. Gunnar war mein Arbeitskollege und ein klassischer Nerd, also ein zwar sehr intelligenter, aber auch sozial schwieriger Computer- und Technik-Fan. Deshalb war es ihm wichtig gewesen, ein Haus auf dem neuesten Stand der Technik zu bauen. Bei den derzeitigen wahnwitzigen Immobilienpreisen ging das aber nur noch in Pinneberg. Genaugenommen ging es auch nicht mehr in Pinneberg, sondern irgendwo in der Pampa außerhalb von Pinneberg. In der Vorstadt der Vorstadt sozusagen. Speckgürtel wäre übertrieben, war das Drumherum doch tendenziell recht mager ausgestattet. Leider auch was die Bahn- und Busverbindung anbelangte.

»Na ja, so kann man das nicht sagen«, sagte ich zu Sarah. »Mich nervt halt die Anfahrt.«

»Dich nervt das Smart House«, antwortete Sarah knapp, ohne von ihrem Handy aufzublicken.

»Smart Home«, verbesserte ich sie. »Und nein, das nervt mich nicht, ich bin schon sehr gespannt!«, log ich.

»Ach komm«, sagte Sarah, die mich jetzt endlich ansah. »Sei wenigstens ehrlich. Du hast doch überhaupt keinen Bock! Weder auf Gunnar und seine anstrengende Frau und vor allem nicht auf das Smart House oder Home oder wie auch immer. Aber lass uns das Beste draus machen. Du wirst schon sehen, es wird ein wunderbarer Abend!«

Sarah lächelte mich voller Tatendrang an. Der Smombie war verschwunden, und das Handy baumelte an der Nabelschnur vor sich hin. Wahnsinn, wie gut sie mich nach all den Jahren kannte. Unsere gemeinsamen Reisen um die Welt hatten uns erst fast auseinandergebracht, aber letztendlich umso mehr zusammengeschweißt. Sie wusste, was ich dachte und wie sie mich überzeugen musste.

»Hmm«, antwortete ich kleinlaut. »Hast ja recht. Gut, wir machen das Beste draus. Ich hoffe, wir kommen da überhaupt an, ist ja eine halbe Weltreise mit Bahn, Bus und dann noch Taxi …«

»Stimmt!«, sagte Sarah fröhlich, »aber wer es bis in den entlegensten Winkel von Laos geschafft hat, wird auch irgendwie nach Pinneberg kommen!«

Sie haben Ihr Ziel erreicht!«, tönte die oberlehrerhafte Stimme des Navigationssystems, während das Taxi von dem kleinen Waldweg auf eine Lichtung einbog, auf der es nichts gab außer einer Wiese und einem kleinen Teich, umringt vom dichten Laub der Bäume. Das Taxi kam zum Stehen, der Taxifahrer stellte in aller Ruhe den Motor ab und sagte: »Das macht achtzehn Euro und sechzig Cent.«

Ich war verwundert und fühlte, wie die Nervosität in mir aufstieg. Hier war wirklich nichts, keine Pinneberger Pampa und schon gar kein Smart Home. Ich schaute zu Sarah, die neben mir auf der Rückbank des Taxis saß, welches uns vom Regionalbahnhof hierhergefahren hatte. Sarah wirkte entspannt, schaute auf ihr Handy und tippte seelenruhig.

»Das ist hier doch nicht die neue Rosenfelderstraße!«, machte ich mich bemerkbar.

»Das Navi sagt, wir sind da«, erwiderte der Taxifahrer resolut. Ich schätzte ihn auf Mitte fünfzig, er trug einen Schnurrbart. Den sah ich von hinten natürlich nicht. Ich sah nur seine Tonsur.

»Na hören Sie mal, der Gunnar, der wohnt doch in einer Neubausiedlung«, reagierte ich gereizt von der Rückbank. »Da gibt es Hunderte von Häusern, ich sehe kein einziges, Sie vielleicht?«

»Jetzt werden Sie mal nicht frech!«, entgegnete der Taxifahrer, »das Navi zeigt eindeutig an, dass wir da sind. Hier steht doch: Das Ziel ist erreicht! Können Sie nicht lesen?«

»Doch! Natürlich kann ich lesen«, gab ich genervt zurück, »aber hier ist ja offensichtlich kein Neubaugebiet und auch kein Smart House, oder irre ich mich da?«

»Was weiß denn ich, wo Ihr Smart House sein soll«, antwortete er schroff, »vielleicht da hinten, hinter den Bäumen?«

»Hinter den Bäumen?«, fragte ich und blickte in den dichten Forst. Meine Wut wurde durch ein neues Gefühl ersetzt: Erstaunen. Meinte der Typ das wirklich ernst? Es war doch wirklich eindeutig. Wir waren am Weiher im Wald und nicht in einer riesigen Neubausiedlung vor den Toren Pinnebergs.

»Smart Home«, unterbrach uns Sarah plötzlich.

»Was?«, antwortete ich irritiert, »ist doch jetzt egal.«

»Ist überhaupt nicht egal«, sagte Sarah gut gelaunt. »Du hast mich selber vorhin korrigiert!«

»Jaja«, murmelte ich genervt, »wie du meinst, dann eben Smart Home. Ich bitte Sie«, wandte ich mich wieder an den Taxifahrer und versuchte, mir meinen Stress nicht anmerken zu lassen, »als Taxifahrer hat man doch einen phänomenalen Orientierungssinn. Seien Sie froh in Zeiten von Death by GPS!«

»Des beim GPS? Was reden Sie denn da?«, fragte dieser verwirrt, »mein GPS sagt nur eins und zwar, dass wir da sind. Die Fahrt ist beendet. Ich hätte gerne mein Geld.«

»Jaja. Sie bekommen ja Ihr Geld«, versuchte ich ihn zu beschwichtigen und fing an zu erklären. »Das mit dem Death by GPS, zu Deutsch Tod durchs GPS, ist nämlich so. Seit es Navigationssysteme gibt, verlassen sich immer mehr Menschen darauf, anstatt halt selber auf den Weg zu achten. Und da kommt es tatsächlich vor, dass diese Leute dann so stumpf nach Navi fahren, dass sie im Sumpf landen oder sonst wo und dabei sogar in lebensgefährliche Situationen geraten.«

»Lebensgefährlich sieht das hier ja nun nicht aus«, antwortete der Taxifahrer trocken.

»Wo er recht hat, hat er recht«, stimmte Sarah ihm auch noch zu.

Zugvögel zogen am Abendhimmel vorbei. Wahrscheinlich Wildgänse.

»Worauf ich hinauswill«, redete ich unbeirrt weiter, »ist doch, dass man nicht immer da ankommt, wo man hinwill, wenn man sich nur aufs Navi verlässt. Wir sind ja auch nicht da, wo wir hinmüssen.«

»Wo WIR hinmüssen?«, äffte er mich nach, »also WIR, und damit meine ich mich und meinen Bordcomputer, wir wissen das bereits. Hier ist das Ziel!«

»Sie glauben Ihrem Computer also wirklich mehr als Ihrem Verstand?«, gab ich verzweifelt zurück.

»Das ist doch keine Frage des Glaubens«, antwortete er eingeschnappt, ließ die Scheibe runter und zündete sich eine Zigarette an. »Ein Computer irrt nie!«

»Na, wenn Sie da so sicher sind.«

Er rauchte, ich schmollte und schaute dabei aus dem Fenster. Wir sagten einen kurzen Moment nichts. Sarah war wieder in ihrem Handy versunken.

»Wissen Sie«, versuchte ich es nach einer Weile erneut mit Engelszungen, »ich gebe Ihnen ja recht. Computer machen sicherlich unser Leben besser und liefern auch korrekte Ergebnisse. Aber es ist doch eigentlich ganz gut zu wissen, dass wir uns neben der Künstlichen Intelligenz auch auf unsere eigene natürliche Intelligenz verlassen können.«

»Achtzehn Euro sechzig Cent!«, sagte der Taxifahrer.

»Also echt jetzt! Hören Sie mir überhaupt zu?« Langsam wurde ich sauer. »Vielleicht ist es doch eine Frage des Glaubens! Sich blind auf die Technik zu verlassen, wird uns noch sonst wo hinführen. Aber sicherlich nicht dahin, wo wir hinwollen!«

»Regen Sie sich ab«, auch er wurde jetzt lauter. »Entweder Sie steigen aus, oder ich fahre Sie zurück zum Bahnhof!«

»Wieder zurück! Das sehe ich überhaupt nicht ein. Geben Sie es ruhig zu, dass Sie sich verfahren haben!«

Auf einmal meldete sich Sarah zu Wort. Sie schaute von ihrem Handy auf und sagte gewohnt entspannt: »Ich habe das mal auf Google Maps angeschaut. Das Neubaugebiet liegt …«

»Misch dich jetzt nicht ein«, unterbrach ich sie schroff. »Wir klären das schon!«

»Na hör mal«, echauffierte sie sich, aber im gleichen Atemzug ging überraschenderweise der Taxifahrer dazwischen.

»Lass deine Frau doch mal ausreden, du Lümmel!«, sagte der Schnurrbartträger. Was hatte der denn für ein Problem, mich derart von oben herab zu behandeln, und Lümmel, was war das überhaupt für ein Wort, das hätten noch nicht einmal meine Eltern benutzt, so asbach klang das. Während ich innerlich kochte, weil mir der Taxifahrer den Mund verbat, machte Sarah das, was sie immer machte: Sie löste das Problem.

»Also noch einmal«, sagte sie und sah mich dabei streng an. »Ich habe das auf Google Maps angeschaut. Das Neubaugebiet liegt auf der anderen Seite vom Wald. Wir müssen lediglich die Straße ein kleines Stück zurück. Wir haben eine Abbiegung zu spät genommen.«

»Damit kann ich arbeiten!«, sagte der Taxifahrer zu meinem großen Erstaunen, ließ den Motor an und fuhr los.

»Und du beruhigst dich jetzt mal«, sagte Sarah streng zu mir. »Wenn du so weitermachst, stirbst du nicht durch das falsche GPS-Signal, sondern durch einen Herzinfarkt!« Und nach einer kurzen Pause schob sie lächelnd hinterher: »Du Lümmel!«

Wenige Minuten später standen der Lümmel und der Smombie vor dem Smart Home von Gunnar und Gabriela inmitten der schachbrettartig angelegten Neubausiedlung. Es wirkte ungewöhnlich düster. Ich hatte mir bei einem Smart Home einen Bewegungssensor am Eingang vorgestellt oder zumindest irgendein Licht, aber während alle anderen Häuser in der Reihe einladend beleuchtet waren, standen wir im Dunkeln. Zudem wurde ich das Gefühl nicht los, dass wir durch die kleine schwarze Kugel über der Tür beobachtet wurden. Ich klingelte, und in der schwarzen Kugel begann ein rotes Licht zu leuchten. Ansonsten passierte nichts. Wir warteten einen Moment, und ich klingelte noch einmal. Immer noch nichts.

»Komisch«, sagte Sarah. »Bist du dir sicher, dass wir heute verabredet waren? Es sieht so aus, als wäre gar keiner zu Hause.«

»Absolut sicher«, sagte ich. »Ich habe heute im Büro noch mit Gunnar darüber gesprochen. Ich gehe mal in den Garten gucken.«

In diesem Moment öffnete sich mit einem leisen Klicken die Tür und schwang langsam wie von Geisterhand auf. Auch von innen kam uns kein Licht entgegen. Ganz im Gegenteil, durch den gemächlich immer größer werdenden Türspalt sahen wir ausschließlich Finsternis. Die Tür stand nun offen und gab den Blick frei auf das Schwarz, in dem sich das Wohnzimmer vermuten ließ. Wir standen peinlich berührt im Eingang. Von Gunnar und Gabriela keine Spur.

»Tatata!«, hörten wir Gunnar plötzlich laut rufen, und dann wurden wir derart geblendet, dass wir vor Schmerzen die Augen zu Schlitzen zusammenkniffen. Schemenhaft sah ich Gunnar, der sich gemeinsam mit Gabriela hinter dem Sofa versteckt hatte und jetzt mit einem dramatischen Sprung auftauchte. Stolz hielt er sein Handy hoch. Das ganze Haus erstrahlte in tausend bunten Farben, die aus jedem Winkel zu kommen schienen und uns fürchterlich blendeten.

»Herzlich willkommen auf der Enterprise«, schmetterte uns Gunnar theatralisch entgegen, nachdem er das Licht per Smartphone-App wieder gedimmt hatte, wir aber trotzdem noch einen Moment brauchten, bis die Reflektionen auf der Netzhaut verschwunden waren. Ich konnte an Sarahs Blick ablesen, dass sie die Begrüßung genauso albern fand wie ich, aber sie spielte das Spiel mit. Es blieb uns ja auch nichts anderes übrig.

»Hier! Schau mal, das ist die Schaltzentrale«, polterte Gunnar direkt los, ohne dass wir irgendetwas sagen konnten. Er hielt mir das Handy vor die Nase und zeigte mir sein Display, auf dem mikroskopisch klein Hunderte von Apps zu sehen waren.

»Ich kann gar nix erkennen«, entgegnete ich, »ohne Brille.«

»Brille? Die Augen hab ich schon vor Jahren lasern lassen!«, sagte Gunnar beiläufig, als wäre diese, wie ich fand, doch recht risikoreiche Augenbehandlung das Normalste von der Welt. »Pass mal auf. Ich kann sogar jedes Licht einzeln ansteuern!«

Gunnar drückte auf seinem Handy rum, die Lichtleiste unter dem Sofa wurde heller, und der Farbton wechselte von einem warmen Weiß zu einem grellen Orange.

»Sehr schön«, kommentierte ich knapp. Das Sofa hatte mit der vorherigen Beleuchtung tatsächlich recht geschmackvoll gewirkt, mit dem orangenen Licht wirkt es plötzlich billig und stillos.

»Zum Beispiel bei der Küchenbeleuchtung …«, laberte Gunnar ohne Punkt und Komma weiter und wollte mich mit in die Küche nehmen.

Parallel dazu hörte ich aber, wie Gabriela fast etwas hysterisch laut rief: »Schuhe aus, mein Lieber. Wir sind ja hier nicht mehr in eurer Studentenbutze!«

»Na hör mal …«, wollte ich mich rechtfertigen, merkte aber, dass das eigentlich keinen interessierte.

»Die Schuhe kommen hier hin. In diese Tür unter dem Lieferkühlschrank«, erklärte Gabriela und machte eine kleine Tür in der Haustür auf, die ich gar nicht bemerkt hatte. Hinter dieser kam ein kleiner Kühlschrank zum Vorschein, welcher auch von außen per Chip zugänglich war, damit dort der Lieferdienst in Abwesenheit die frischen Lebensmittel verstauen konnte. Unter dem kleinen Kühlschrank gab es eine weitere Tür zur Schuhablage, auf die Gabriela deutete, damit ich dort meine Schuhe reinstellen konnte.

»Also wir lassen nur noch liefern«, erklärte Gabriela überheblich. »Das lästige Einkaufen ist für uns Schnee von gestern.«

So lästig empfand ich Einkaufen gar nicht. Ganz im Gegenteil, ich liebte es, durch den Supermarkt zu schlendern und immer wieder etwas Neues zu entdecken. Sarah war da anders, sie machte immer den Großeinkauf »einmal alles«, wie sie es nannte. Das wirkte stressig. Ob der Lieferdienst für sie vielleicht auch eine Entlastung wäre? Aber konnte man das wirklich mit seinem Gewissen vereinbaren, sich noch mehr liefern zu lassen? Und passte »einmal alles« überhaupt in diesen kleinen Kühlschrank rein? Ich wollte Gabriela direkt fragen, wie das gehen sollte, oder ob der Lieferdienst dann mehrmals die Woche kommen musste, aber Gunnar wollte mir ja irgendwelche Lampen in der Küche zeigen und ließ einfach nicht locker.

»Schau mal hier«, sagte er, als wir in der Küche ankamen. »Je nachdem, wer in der Küche ist, kann entweder die Lampen in ein warmes gedimmtes Licht verwandeln, so mag es Gabriela. Oder in ein kaltes helles Weiß, so mag ich es. Im Arbeitsbereich muss man die Dinge ja schließlich sehen können!«

»Und wenn ihr beide in der Küche seid?«, fragte ich, aber Gunnar überhörte mich und klopfte einfach demonstrativ an den Kühlschrank, dessen massive Tür sich nun als Bildschirm entpuppte, der den Inhalt zeigte, ohne dass man die Tür öffnen musste. Das war schon beeindruckend.

»Der Kühlschrank weiß natürlich auch, was nachbestellt werden muss, und funkt dann automatisch den Lieferdienst an«, erklärte Gunnar, »und er weiß auch, für welche Gerichte die Reste noch gut verwendbar sind und kann dann diese Daten direkt an die Küchenmaschine Thermomix weitergeben. Der kocht dann alles fast wie von selbst!«

Neben mir öffnete sich plötzlich ein Fenster.

»Sensoren!«, sagte Gunnar. »Die überwachen alles. Tür- und Fenstersensoren, Bewegungssensoren, Wassersensoren. Ich habe sogar Stromsensoren, die mir auf meinem Smartphone anzeigen, wie viel Strom jede einzelne Steckdose verbraucht. Und wenn zum Beispiel mal ein Computerkabel nass wird, dann merkt das auch ein Sensor, und die Steckdose wird deaktiviert. Da ist man immer voll abgesichert. Das muss doch was für dich sein, als Schisser?«

Wie ich das Wort hasste. Ich war um die halbe Welt gereist, um meine Ängste loszuwerden, aber das Wort klebte immer noch an mir wie Kaugummi. Aber ganz unrecht hatte Gunnar ja auch nicht. Der Gedanke, dass die ganze komplizierte Haustechnik sich selber überwacht und einen vor Feuer und anderen Gefahren schützt, klang schon beruhigend.

»Mal schauen«, antwortete ich, etwas zurückhaltend.

»Aber das hier, das brauchst du auf jeden Fall!«, fuhr Gunnar fort. »Das ist das Beste. Unsere neue Kaffeemaschine! Ein selbstlernendes System, das nach längerer Trainingsphase nun den perfekten Kaffee braut. Die Maschine weiß genau, wie ich meinen Espresso trinke und Gabriela ihren Hafermilch Latte Macchiato Double Shot.«

Gabriela und Sarah kamen genau in diesem Moment in die Küche.

»Und manchmal, wenn ich nach Hause komme, überrascht mich Gunnar direkt mit einem perfekt gebrühten Macchiato«, ergänzte Gabriela, »er weiß ja immer genau, wenn ich da bin.«

»Das ist toll«, sagte Sarah und schaute mich von der Seite an, »so aufmerksam ist nicht jeder.«

»Na ja, die Technik hilft ihm ja ein bisschen auf die Sprünge«, versuchte Gabriela, die Situation ein bisschen erträglicher für mich zu machen. »Wir tracken uns ja jetzt. Gunnar kennt immer meine genaue Location. Und wenn er sieht, dass das Auto sich nähert, gibt er der Maschine Bescheid.«

»Ihr trackt euch?«, fragte ich ungläubig, als hätte ich mich verhört.

»Ja klar«, antwortete Gunnar, als wäre das vollkommen selbstverständlich. »Ihr etwa nicht? Gabriela liiiebt ihren Überraschungskaffee, und ich sag ja immer: Happy wife – happy life!«

Ich hasste diesen Spruch. Gunnar drückte einen Knopf, und die Kaffeemaschine sagte: »Hallo Gunnar, schön dich zu sehen.« Sprechen konnte die also auch noch. Wozu brauchten sie in diesem Haus eigentlich Besuch, die könnten sich doch genauso gut mit ihren Maschinen unterhalten.

»Na ja, manchmal ist die Technik doch ganz schön anfällig«, räumte Gabriela ein. »Neulich habe ich Gunnar zur Bahn gebracht, und dann habe ich noch kurz im Auto gewartet, bis der Zug abfährt. Plötzlich sehe ich auf dem Screen, dass zwar der Zug aus dem Bahnhof abgefahren ist, aber der Tracking Punkt immer noch am Bahnhof blinkte. Ich bin dann voll in Panik geraten und habe gedacht, Gunnar hätte das Handy vielleicht auf den Gleisen verloren oder so was! Ich stand ja im Halteverbot, bin aber sofort raus in den Nieselregen und hoch auf den Bahnsteig. Aber da war weder Gunnar noch das Handy. Dann hab ich ihn angerufen, und er saß natürlich trocken in der Bahn … zum Glück mit seinem Telefon.«

»Ja, da hat das Tracking irgendwie gesponnen«, sagte Gunnar, und beide lachten fröhlich über ihre kleine App-Anekdote.

»Den Stress hätte man sich auch sparen können, oder?«, meinte Sarah sichtlich verwundert. »Mit dem Taxi hatten wir aber gerade ein ähnliches Thema, da hat das GPS auch irgendwie nicht richtig funktioniert.«

»Shit happens«, kommentierte das Gunnar knapp und fügte hinzu: »Komm, wir zeigen euch noch das Bad.«

Das Fenster neben mir schloss sich wieder, wie von einer unsichtbaren Kraft bewegt, mit einem kaum hörbaren Klick. Diesmal scheinbar ganz ohne Gunnars Zutun. Irgendwie gespenstisch. Wir gingen gemeinsam nach oben.

»Das ist das Schlafzimmer«, zeigte uns Gabriela ein weiteres Zimmer, dessen Tür sie einen Spalt öffnete, »da gibt’s noch keine Smart-Home-Hilfen«, kicherte sie albern.

»Außer Kohlenstoffmonoxid-Konzentration-Messung, Smartphone-gesteuerte Temperaturregelung, Luftfeuchtigkeitsüberprüfung und ein spezieller Filter, der die Luftbelastung durch Pollen anzeigt«, flüsterte mir Gunnar zu. »Gabriela ist nämlich allergisch.«

Ich schaute ihn mit großen Augen an, dann gingen wir weiter den Gang hinunter bis zum Badezimmer, welches zwar etwas klein für vier Personen war, aber irgendwie passten wir doch alle rein.

»Im Boden ist die Waage schon integriert«, sagte Gunnar, der vor dem Waschbecken stand, »und wenn ich morgens Zähne putze, wird mir mein Gewicht automatisch hier im Spiegel angezeigt.«

Der Spiegel zeigte eine Kurve, die über den Zeitverlauf immer mehr nach oben ging.

»Jetzt habe ich ja Klamotten an«, sagte Gunnar zu seiner Verteidigung, » aber ich geb’s zu, der Thermomix ist der beste Koch im Haus.«

Gabriela schaute etwas bedröppelt, weil Gunnar ihre Kochkünste offenbar nicht zu würdigen wusste. Genau genommen war sie ja der Bediener der Kochmaschine. Aber anstelle das richtigzustellen, zeigte sie Sarah lieber die Waschmaschine.

»Schau mal. Das ist unsere neue, die kann jetzt sogar Gunnar bedienen«, sagte Gabriela zu Sarah und gab ihm direkt eine kleine Retourkutsche. Danach öffnete sie das Wäschefach. »Die erkennt selbstständig die Stoffe und weiß dann ganz automatisch, wie viel Pulver sie nehmen soll und welche Temperatur die optimale ist. Gunnar braucht dann alles nur noch in diese Klappe zu schmeißen.«

Beeindruckend, dachte ich, damit könnte ich Sarahs Multitasking glatt Konkurrenz machen. Wir gingen zurück in den Flur.

»Und was ist das hier für ein Zimmer?«, fragte Sarah und zeigte auf die Tür, die neben Bad und Schlafzimmer lag. Es gab eine kurze Pause, und Gunnar und Gabriela sahen sich verliebt an. Dann sagten sie zeitgleich: »Kinderzimmer!«

Wir wussten es noch nicht, und die Freude war natürlich groß. Wir nahmen uns in den Arm und beglückwünschten die beiden werdenden Eltern. Eine so tolle Nachricht ließ uns sofort vergessen, dass sich hier alles doch etwas schräg anfühlte. Leider währte die Idylle nicht lang.

Denn kurz darauf, als wir im Esszimmer saßen, musste Gunnar nämlich fünfzehn Minuten »die Bridge neu starten«, da die Lampe über dem Esstisch erst nicht auf sein Handy reagierte. Nach einer ziemlich langen Weile leuchtete die Lampe nun wunderbar vor sich hin. Nicht zu grell und nicht zu warm. So schien sie Gunnar und Gabriela gleichermaßen zu gefallen, ein Kompromisslicht sozusagen. Ein Banause hätte den Unterschied zu einer normalen Glühbirne womöglich gar nicht erkannt.

»Wow. Das Risotto ist ja fantastisch«, bemerkte ich und genoss den perfekt gekochten Reis, der sich mit knackigem grünen Spargel, Birnen, Walnüssen und einer Honignote zu einem außergewöhnlich leckerem Geschmackserlebnis verband.

»Thermomix!«, sagte Gunnar. »Warte mal auf den Nachtisch. Auch die Zabaione rührt die Maschine besser als ein Mensch. Das sagen sogar Sterneköche.«

»Ähnlich modern wie bei der Technik«, wechselte Gabriela geschickt das Thema, »gehen wir auch die Namensfindung für das Baby an.«

»Wir halten nichts davon, den Namen geheim zu halten«, ergänzte Gunnar. »Ganz im Gegenteil, wir beziehen andere da mit ein, holen uns Anregungen und Tipps. Ähnlich wie im Netz. Da wird man ja in Foren auch häufig fündig.«

»Ja, aber ist so ein Kindername nicht eine ziemlich individuelle Sache?«, fragte Sarah vorsichtig. »Der soll doch in erster Linie euch gefallen.«

»Sicher, sicher!«, antwortete Gunnar, »aber ein paar Kriterien sollte er schon genügen.«

»Kriterien?«, fragte ich etwas zurückhaltend nach.

»Klar!«, meinte Gunnar. »Bedeutung, Aussprache, Gender-Neutralität, Internationalität, wird doch immer wichtiger heutzutage.«

»Soso«, gab ich zurück. »Gibt es denn schon Ideen?«

»Siri«, sagte Gabriela.

»Siri?« Sarah verschluckte sich fast an ihrem Wein, der wirklich perfekt temperiert aus dem dazugehörigen Fach des intelligenten Kühlschranks kam.

»Siri«, ließ Gabriela uns wissen, »ist ein schwedischer Namen und hat die Bedeutung: schöner Sieg oder die schöne Siegerin. Außerdem ist der Name perfekt international aussprechbar. Das sind doch die besten Voraussetzungen für die Globalisierung oder etwa nicht?«

»Ja … aber«, fragte ich begriffsstutzig. »Und Apple? Die Stimme da, die heißt doch auch Siri.«

»Das haben wir auch schon diskutiert«, erwiderte Gunnar. »Auf unserer Pro- und Contra-Liste überwiegen aber ganz klar die positiven Seiten.«

»Mag schon sein. Und es ist ja auch ein sehr schöner Name«, wagte Sarah möglichst sanftmütig einen weiteren kritischen Vorstoß. »Aber andere Kinder haben ja später keine Pro- und Contra-Liste, und da könnte ich mir schon vorstellen, dass es schwierig wird, wenn man so heißt wie eines der weltweit am meisten genutzten Sprach-Interfaces. Ihr würdet euer Kind doch auch nicht Alexa nennen?«

Gunnar und Gabriela schauten sich kurz an. Dann sagte er: »Passte von den Kriterien eigentlich ganz gut. Aber wir nutzen Alexa ja auch hier im Haus, das hätte ja dann Probleme gegeben. Alexa, bitte mach die Hausaufgaben. Wer macht die denn dann, das Kind oder der Smartspeaker?«

Sarah und ich guckten uns ungläubig an, in dem Moment brachen Gabriela und Gunnar in Gelächter raus.

»Reingefallen!«, freute sich Gunnar.

»Auf so eine verrückte Idee würden noch nicht einmal wir kommen«, räumte Gabriela ein, »selbst wenn wir zugeben müssen, dass wir schon einmal eine Namensapp ausprobiert haben.«

Sarah und ich lachten gequält mit. Es war beruhigend zu wissen, das Gunnar und Gabriela nicht wirklich so verrückt waren, ihr Kind Siri oder Alexa zu nennen, aber dennoch wirkten die beiden und ihr intelligentes Haus irgendwie schräg. Mit weiteren Gläsern des wirklich ausgesprochen perfekt temperierten Weines wurde der Abend aber trotzdem noch ganz nett, und als wir aufbrachen und noch einmal an der Hightech-Tür vorbeikamen, musste ich innerlich richtig lachen, als ich das Schild sah, das auf deren Rückseite hing und welches ich bei der Ankunft gar nicht bemerkt hatte:

Home Smart Home

Später am Abend lagen wir im Bett, und ich ließ den speziellen Abend vor meinem geistigen Auge noch einmal Revue passieren. Was für ein Irrsinn, das Haus schien Gabriela und Gunnar besser zu kennen als sie sich selbst. Wo das Ganze wohl noch hinführte. Würde irgendwann der Kühlschrank zur Heizung sagen »mir ist kalt« und sich die Heizung daraufhin erwärmen? Darüber musste ich schmunzeln. Ich schaute rüber zu Sarah, die bereits seelenruhig schlief. Sie war nicht mir zugewandt, sondern dem kleinen Beistelltisch neben unserem Bett. Darauf lag ihr Handy, auf dem sie selbst direkt vorm Schlafengehen noch eifrig getippt hatte. Jetzt thronte es auf einem Stapel Bücher und wartete darauf, als Wecker den nächsten Tag einzuläuten. Sie war wirklich ein Smartphone-Zombie. Ich nahm kurzerhand mein Skizzenbuch zur Hand und widmete dem Smombie ein kleines Gedicht:

Das Hohelied der Smombie-Apokalypse

Zärtlich streicht mich deine Hand

Verbunden immer mit dem Band

der Lust zum nächsten Like

Friends, Follower, es ist so weit

Die Welt verstummt

Nur das Handy summt

Entfesselt alle Technik-Triebe

Für den Smombie ist es … Liebe

II. Kreativtechnik

Hatte er Augen im Hinterkopf? Wie in aller Welt hatte Herr Dr. Liebermann gesehen, dass ich aufs Handy geschaut hatte? Lautstark hatte er mich ermahnt, mein Mobiltelefon wegzulegen. »Smartphone-freie Zone«, hatte er sich echauffiert, während er immer noch auf dem langen Konferenztisch im Meetingraum stand und am Beamer herumfummelte. Gunnar stand hilflos daneben. Ich bin mir sicher, er hätte das Problem im Handumdrehen gelöst, aber Herr Dr. Liebermann wollte es ja unbedingt alleine machen. Er versuchte nun bereits seit einer halben Stunde, den Projektor zum Laufen zu bringen. Ich musste dabei an einen Online-Artikel zum autonomen Fahren denken, den ich neulich gelesen hatte. Wenn man noch nicht einmal einen Beamer angeschlossen bekam, würde bis dahin sicherlich noch einige Zeit vergehen.

»Machen Sie den Kopf frei! Lassen Sie Ihren Gedanken freien Lauf und bringen Sie Ihre kreativen Kräfte in Wallung«, rief Herr Giebelstein einige Zeit später euphorisch der grauen Menge starr und ungläubig blickender Augenpaare entgegen. Sein blau-lila changierender Anzug schimmerte dabei surreal im faden Halogenlicht des Konferenzraumes, in dem unsere Abteilung saß und ihm zuhörte. »Beim Brainstorming ist alles erlaubt! Sagen Sie einfach, was Sie denken!«

»Vollidiot«, hörte ich mich sagen.

Und auch wenn es nur meine Gedankenstimme war, wünschte ich mir insgeheim, ich hätte das wirklich gesagt. Ich konnte einfach nicht glauben, was hier vor sich ging. Wie war Dr. Liebermann nur auf die Idee gekommen, mitten in den stressigsten Wochen des Jahres einen externen Kreativtrainer zu buchen? Wir verplemperten doch tatsächlich unsere wertvolle Zeit mit der Ideenfindung für den Abteilungsausflug, von Dr. Liebermann auch gerne als Offsite bezeichnet. Denglisch! Noch so eine Unzumutbarkeit des modernen Büroalltags. Wenn ich das Wort schon hörte, lief es mir kalt den Rücken runter.

Immerhin hatte er, Dr. Liebermann, den Beamer nach langem wahllosem Drücken irgendwelcher Knöpfe und einem dezenten Hinweis von Gunnar gestartet. Er hatte darauf bestanden, es selber zu machen, offensichtlich um diesem Kreativtrainer Herrn Giebelstein zu imponieren. Dieser hatte nämlich bereits an alle Teilnehmer nagelneue iPads verteilt, und unser Chef wollte wohl besonders technisch-versiert und modern erscheinen. Ausgerechnet Herr Dr. Liebermann in seinem alten Tweedsakko! Dieses hatte er nun über einen Stuhl gehängt und verkündete mit hochgekrempelten Ärmeln: »Offsite!« Da war es wieder, dieses Wort. Ich spürte, wie sich mir die Nackenhaare aufstellten.

»Denken Sie daran, es geht um unser Offsite!«, wiederholte Dr. Liebermann.

Gunnar nickte ihm zu, der alte Schleimer.

»Top deluxe«, bestätigte ihn Giebelstein. »Danke für dieses tolle Kreativ-Sprungbrett!«

Kreativ-Sprungbrett? Hatte er das wirklich gesagt? Es wurde ja immer besser. Unterm Tisch zückte ich vorsichtig mein Handy und schrieb Sarah eine kurze Message:

Völlig irre hier. Alle inkontinent.

Inkontinent? Na, da sollen die mal in meine Praxis kommen

Inkompetent meinte ich natürlich.

Noch nicht mal mein Handy verstand mich. Blödes Gerät. Ich ließ es wieder in der Tasche verschwinden. Giebelstein wendet sich gerade der trägen Truppe zu, die unsere Abteilung darstellte: gelangweilte und müde Blicke aus regungslosen Gesichtern, davor die unangetasteten iPads, auf denen das Logo der Brainstorming App Mindmap blinkte. Die Einzigen, die sich zu freuen schienen, waren Smart-Home-Schleimer Gunnar, die Auszubildende Jill, die sich sowieso den ganzen Tag nur mit Apps beschäftigte, Dr. Liebermann, der vor Aufregung schon ganz rote Backen hatte, und eben dieser unerträgliche Herr Giebelstein.

»So, Leute«, rief dieser uns nun mit leuchtenden Augen zu und hielt sein iPad in die Luft, »jetzt wollen wir mal loslegen!«

»Unser heutiges Brainstorming machen wir natürlich digital!«, erklärte er begeistert. »Das Tablet gibt Ihnen die Möglichkeit, völlig frei an die Sache ranzugehen und erst einmal alle Ideen zu sammeln. Die Einfälle der Kollegen werden dabei zeitgleich auf Ihrem Bildschirm angezeigt, davon können Sie sich dann inspirieren lassen. So bringen Sie noch mehr gute Gedanken zu Papier!«

»Pardon, auf den Screen«, ergänzte er und lachte dabei übertrieben schrill.

Alle nahmen die iPads zur Hand. Mein Kollege Achim, der neben mir saß, beugte sich zu mir rüber und flüsterte: »Na, hat dich die Musik schon geküsst?«

»Muse, Achim, Muse!«, flüsterte ich zurück. So sehr Achim Redewendungen liebte, so wenig konnte er sich diese leider merken. Das war aber nicht sein Problem, sondern das der anderen.

»Muse?«, flüsterte Achim nämlich uneinsichtig zurück, »was soll das denn sein? Das kann doch nicht stimmen.«