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Die Familie ist ein Hort der Liebe, Geborgenheit und Zärtlichkeit. Wir alle sehnen uns nach diesem Flucht- und Orientierungspunkt, der unsere persönliche Welt zusammenhält und schön macht. Das wichtigste Bindeglied der Familie ist Mami. In diesen herzenswarmen Romanen wird davon mit meisterhafter Einfühlung erzählt. Die Romanreihe Mami setzt einen unerschütterlichen Wert der Liebe, begeistert die Menschen und lässt sie in unruhigen Zeiten Mut und Hoffnung schöpfen. Kinderglück und Elternfreuden sind durch nichts auf der Welt zu ersetzen. Genau davon kündet Mami. Mit einem ernsten Blick sah Roland Neuerburg seine Tochter an. »Denkt ihr an Scheidung?« fragte er. Silvia wich seinem Blick aus. Sie zupfte an der Hemdbluse, die sie über der hellen Hose trug. »Wir wollen die zwei Jahre abwarten, bevor wir den letzten Schritt tun«, murmelte sie. Der Vater schwieg einige Sekunden, dann sagte er, mit einer gewissen Härte: »In zwei Jahren wird sich auch nichts geändert haben. Es wird wieder andere Frauen geben, und du wirst leiden.« »Wir werden durch die Trennung Abstand gewinnen«, hielt Sivlia entgegen. »Danach werden wir wissen, ob noch etwas geblieben ist von dem, was uns einmal verbunden hat. Günter wird ja auch älter.« »Und vernünftiger, meinst du«, fiel der Vater sarkastisch ein. »Ich glaube das nicht. Ein Typ wie er wird immer nehmen, was sich ihm bietet.« Er zuckte die Achseln. »Ein Erfolgsmensch, dazu blendend aussehend… Vermutlich werden ihm die Frauen auch in zwanzig Jahren noch nachlaufen.« Um Silvias Mund zuckte es. »Du hast Günter nie wirklich gemocht, nicht wahr?« sagte sie leise. »Das will ich nicht sagen«, schränkte Roland Neuerburg ein. »Ich hoffe natürlich, daß du mit ihm glücklich werden könntest. Mir gefielen nur alsbald seine – wie soll ich es nennen – seine Fluchten nicht. Er ließ dich zu oft allein.« »Aber das war doch dienstlich, Vater«, verteidigte Silvia trotz allem ihren Mann. »Günter mußte mehrmals im Jahr nach Johannesburg fliegen, um sich über den dortigen Verlauf der Bankgeschäfte persönlich zu informieren.« »Das ist mir bekannt. Es fragt sich nur, ob er seine Geschäftsreisen nicht über Gebühr ausgedehnt hat.« Der breitschultrige Mann mit
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Seitenzahl: 130
Veröffentlichungsjahr: 2017
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Mit einem ernsten Blick sah Roland Neuerburg seine Tochter an.
»Denkt ihr an Scheidung?« fragte er.
Silvia wich seinem Blick aus. Sie zupfte an der Hemdbluse, die sie über der hellen Hose trug.
»Wir wollen die zwei Jahre abwarten, bevor wir den letzten Schritt tun«, murmelte sie.
Der Vater schwieg einige Sekunden, dann sagte er, mit einer gewissen Härte: »In zwei Jahren wird sich auch nichts geändert haben. Es wird wieder andere Frauen geben, und du wirst leiden.«
»Wir werden durch die Trennung Abstand gewinnen«, hielt Sivlia entgegen. »Danach werden wir wissen, ob noch etwas geblieben ist von dem, was uns einmal verbunden hat. Günter wird ja auch älter.«
»Und vernünftiger, meinst du«, fiel der Vater sarkastisch ein. »Ich glaube das nicht. Ein Typ wie er wird immer nehmen, was sich ihm bietet.« Er zuckte die Achseln. »Ein Erfolgsmensch, dazu blendend aussehend… Vermutlich werden ihm die Frauen auch in zwanzig Jahren noch nachlaufen.«
Um Silvias Mund zuckte es.
»Du hast Günter nie wirklich gemocht, nicht wahr?« sagte sie leise.
»Das will ich nicht sagen«, schränkte Roland Neuerburg ein. »Ich hoffe natürlich, daß du mit ihm glücklich werden könntest. Mir gefielen nur alsbald seine – wie soll ich es nennen – seine Fluchten nicht. Er ließ dich zu oft allein.«
»Aber das war doch dienstlich, Vater«, verteidigte Silvia trotz allem ihren Mann. »Günter mußte mehrmals im Jahr nach Johannesburg fliegen, um sich über den dortigen Verlauf der Bankgeschäfte persönlich zu informieren.«
»Das ist mir bekannt. Es fragt sich nur, ob er seine Geschäftsreisen nicht über Gebühr ausgedehnt hat.« Der breitschultrige Mann mit dem dichten graumelierten Haar machte eine Handbewegung. »Aber lassen wir das. Es ist deine Entscheidung, Silvia, wenn du auf ihn warten willst.«
»Ja, das habe ich vor«, sprach die junge Frau leise. »Es geht ja auch nicht zuletzt um Daniel…«
Sie ließ den Blick durch die geöffnete Terrassentür zum Garten hin schweifen, wo ihr Söhnchen mit Arco spielte, dem braunseidigen Irischen Setter ihres Vaters.
»Was hast du ihm gesagt?« wollte Roland wissen.
»Die Wahrheit«, antwortete Silvia. »Daß der Papa nach Afrika geht, weil er die Leitung der Bank vorübergehend ganz übernehmen soll. Ob wir nicht mitkönnten, hat Daniel mich gefragt. Er wollte auch mal die Löwen und die Giraffen in freier Wildbahn sehen, nicht nur im Zoo.«
Sie lächelte ein wenig und wandte ihr Gesicht dem Vater wieder zu.
»Aber nach einigem Überlegen wollte er doch lieber hierbleiben, als ich ihm sagte, daß wir zum Opa gehen wollten.« Sie zögerte einen Moment, bevor sie hinzufügte: »Vorausgesetzt, daß es dir recht ist.«
Die Miene des Mannes lockerte sich. »Kind, wie sollte es mir nicht recht sein?«
»Du hast noch nicht ja gesagt«, versetzte Silvia mit einem Anflug von Schelmerei, wie er sich nur noch selten bei ihr zeigte.
»Daß dir dein Elternhaus immer offensteht, solltest du doch wissen!«
Silvia nickte. O ja, sie wußte es. Sie hatte sich oft genug hergeflüchtet, wenn sie geglaubt hatte, es in ihrer Wohnung in Frankfurt nicht mehr aushalten zu können. Wenn der Kleine nicht länger Zeuge ihrer Auseinandersetzung werden sollte. Zwar versuchten sie diese nach Möglichkeit vor ihm zu verbergen, aber dem hellen Bürschlein entging es nicht, daß die Mama oft traurig war und der Papa verdrossen.
Hier draußen, in dem ruhigen, schönen Vorort fühlten sie sich immer wohler als in der hektischen Stadt. Günter arbeitete in Frankfurt für eine weltweit führende amerikanische Bank. Sie hatte ihren Job als freie Mitarbeiterin bei einer Zeitung, bei der sie, nach ihrem literaturwissenschaftlichen Studium und einem Volontariat, Mitglied der Kulturredaktion geworden war.
Silvia erhob sich aus ihrem Sessel, sie tat ein paar Schritte ins Zimmer hinein. Sie liebte dieses große Wohnzimmer in seinen harmonischen Farben, dem sanften Rot der Teppiche, den vielen Büchern an den Wänden, den dunkelglänzenden Möbeln, die im krassen Gegensatz zu den supermodernen standen, wie Günter sie bevorzugte.
Vor der Kommode blieb sie stehen, auf der in einem silbernen Rahmen das Bild ihrer verstorbenen Mutter lehnte. Was würdest du sagen, Mutti, wenn du wüßtest, daß das vermeintliche große Glück vor bitteren Enttäuschungen nicht bewahrt wurde?
Anette Neuerburg hatte die Geburt ihres Enkelkindes nicht mehr erleben dürfen. Eine schwere Krankheit hatte sie dahingerafft. Wieviel Freude hätte sie an Daniel gehabt!
Silvia hatte einmal geglaubt, mit einem Kind ihre Ehe retten zu können. Sie hatte gehofft, ihr Mann würde damit zu mehr Beständigkeit und Verantwortungsbewußtsein finden.
Nun, es war ein Irrtum gewesen.
Auch ihr Vater verließ seinen Platz, er trat neben sie, die sinnend stand, legte ihr den Arm um die Schulter.
»Laß die schweren Gedanken beiseite«, bat er und drückte sie leicht an sich. »Du und Daniel, ihr sollt es gut bei mir haben. Du mußt erst mal zur Ruhe kommen. Alles weitere wird sich finden. Kommt Zeit, kommt Rat.«
Mit einem schwachen Lächeln schmiegte Silvia flüchtig ihr Gesicht an seine Wange. »Was machte ich ohne dich«, hauchte sie dankbar.
»Na, na, mach dich nicht kleiner, als du bist«, wehrte der Vater ab. »Du bist eine tüchtige junge Frau, die nur zu lange im Schatten eines selbstherrlichen Mannes stand.«
»Opa!« erscholl in diesem Moment eine helle Kinderstimme vom Garten her, »Opa, guck bloß mal, der Arco will den Ball nicht mehr hergeben!«
Vergebens versuchte der kleine Junge, seinem Spielgefährten den Ball aus der Schnauze zu nehmen, aber dieser schüttelte nur übermütig den schmalen Hundekopf und dachte nicht ans Loslassen.
Roland Neuerburg lachte.
Silvia rief zurück: »Komm dann, Daniel. Wir wollen bald gehen.«
Enttäuscht ließ Daniel von Arco ab, er kam über den Rasen ein paar Schritte näher. »Bleiben wir denn nicht hier?« fragte er hinauf.
»Heute doch noch nicht«, antwortete seine Mutter.
Frau Meßmer kam herein, um sich zu erkundigen, ob die Gäste zum Mittagessen bleiben würden. Nein, das wollten sie nicht.
»Aber bald werden Sie für mehrere kochen können, Frau Meßmer«, sagte der Hausherr. »Meine Tochter wird mit Daniel für einige Zeit zu mir ziehen.«
»Ist das wahr?« Mit einem freudigen Ausdruck sah die Haushälterin von einem zum anderen. »Das ist ja fein, dann gibt es Leben im Haus!«
Sie war seit sechs Jahren hier, seit der Gesundheitszustand der Frau Neuerburg sich zu verschlechtern begonnen hatte. Sie kam morgens um acht und radelte abends heim, denn sie wohnte nicht weit. Längst fühlte sie sich als zur Familie gehörig. Sie hatte in schweren Stunden mit getrauert und ebenso an frohen Ereignissen Anteil genommen, zum Beispiel an der Geburt des herzigen Bübchens, oder als der Sohn des Hauses, der junge Herr Mathias, zum Dr. med. promoviert hatte.
Und da war nun die junge Frau Silvia Falk, die ihr manchmal schon von Herzen leid getan hatte, wenn sie mit verweinten Augen mit ihrem Kind daherkam. Es war nur zu offensichtlich, daß es in der Ehe nicht stimmte. Jetzt sollte sie gar für »einige Zeit« hier einziehen?
Erika Meßmer wurde plötzlich verlegen. Das war gewiß kein gutes Zeichen. Sie hätte nicht offene Freude darüber zeigen sollen.
Sie wollte sich schon abwenden, als Daniel die paar Stufen heraufgesprungen kam vom Garten her, schwanzwedelnd gefolgt von Arco.
»Haben Sie schon gehört, Frau Meßmer, daß wir bald für gaanz lange hierbleiben, weil mein Vater nach Afrika geht?« fragte er eifrig.
»Ja, dein Opa hat es mir soeben gesagt, daß ihr kommt.« Sie strich dem Vierjährigen über das dunkelblonde Haar. »Dann will ich nur bald eure Zimmer richten, damit ihr auch alles vorfindet, was ihr braucht.«
Der kleine Schelm blinzelte zu ihr auf. »Gibt es denn auch jeden Tag Schokoladenpudding?«
»Jeden Tag?« Erika Meßmer tat, als müsse sie überlegen. »Also das kann ich noch nicht versprechen«, sagte sie kopfwiegend.
»Verwöhnen Sie ihn mir nur nicht demnächst allzusehr«, mischte sich Silvia heiter ein. »So, mein Sohn, und jetzt verabschiede dich von deinem Opa, zu Hause gibt es noch viel zu tun.«
*
Dann waren die Koffer gepackt. Papiere, Flugticket – Günter Falk sah noch einmal in seiner Brieftasche nach, vergewisserte sich, daß alles beieinander war und nickte mit selbstzufriedener Miene.
Silvia stand stumm und blaß. Sie hatte es in Gedanken oft durchgespielt, wie es sein würde, wenn er ging. Jetzt, wo es soweit war, wurde es ihr doch schwer. Wenn es nun für immer war?
Günter streckte die Hand nach dem Telefonhörer aus, um das Taxi zum Flughafen zu bestellen. Aber mitten in der Bewegung hielt er inne, als sein Blick auf seine Frau fiel. Langsam ließ er die Hand wieder sinken.
»Du wirst doch nicht weinen, Silvia«, sagte er.
»Nein. Warum sollte ich weinen?« erwiderte sie ausdruckslos.
Sekundenlang sah er sie durchdringend an.
»Du hättest mitkommen können mit Daniel. Ich hatte es dir vorgeschlagen«, äußerte er knapp.
Mit einer müden Geste strich sich Silvia das braune Haar aus der Stirn. »Wir wollen doch nicht in der letzten Minute wieder davon anfangen. Wir waren uns einig, daß es so besser ist.«
»Ja, das waren wir. Also dann mach jetzt bitte auch nicht so eine Trauermiene«, sagte er mit leichter Ungeduld. »Hey, Daniel«, er wandte sich seinem Sohn zu, der ins Zimmer kam. »Ich dachte schon, du wolltest dich gar nicht mehr blicken lassen.«
»Ich hab’ doch auch ’ne Menge um die Ohren, Papa«, erklärte ihm der Kleine wichtig. »Hab’ die ganze Spielkiste ausgeräumt, muß doch überlegen, was ich alles mitnehme zu Opa. – Mußt du jetzt schon bald gehen?«
»Ja. Ich wollte mir gerade ein Taxi bestellen.«
»Hm.« Daniel sah ihm zu, als er es tat. Ihm machte es nichts aus, daß sein Vater morgen schon weit unten in Afrika sein würde. Da war er ja schon öfter gewesen. Nun würde es eben mal für länger sein. Monate, Jahre, die Zeit überhaupt war für ihn noch kein rechter Begriff.
»Guten Flug, Papa«, sagte er beim Abschied, der kurz ausfiel. Das sagte er jedes Mal, weil sich das so gehörte und gut klang. Irgendwie so nach Weite und Abenteuer.
Kaum, daß der Vater fort war, verzog Daniel sich wieder in sein Zimmer, wo es doch für ihn soviel zu kramen und zu tun gab.
Mit einem dunklen Blick sah Silvia der kleinen festen Gestalt nach. Das hatte Daniel von Günter, die Dinge auf die leichte Schulter zu nehmen.
»Mama!« rief er kurz darauf nach ihr. »Die Autorennbahn nehmen wir doch auch mit, ne? Komm mal gucken!«
Sie ging zu ihm, sah, was er schon alles da aufgebaut hatte von seiner Menge an Spielzeug. »Die können wir später immer noch holen«, meinte sie.
Daniel hob den Kopf. »Bist du müde, Mama?« fragte er verwundert. Denn so hatte es sich angehört. Aber warum sollte sie denn müde sein, es war doch heller Tag.
Oder traurig?
Das konnte er sich auch nicht vorstellen. Jetzt brauchte sie sich doch erst mal nicht mehr über den Papa zu ärgern, oder gar weinen, weil er irgend was angestellt hatte, von dem er, Daniel, nicht wußte, was es eigentlich war. Mit dem Opa gab es bestimmt keinen Ärger.
»Ein bißchen müde, vielleicht, mein Daniel«, antwortete die Mama auf seine Frage, und dann, plötzlich, streckte sie die Arme nach ihm aus und drückte ihn fest an sich.
»Dann mußt du ein bißchen schlafen, Mama, ich mach das hier schon«, sagte der Junge und rieb seinen Kopf an ihrem Arm. »Oder mußt du noch in die Redaktion?« fiel es ihm plötzlich ein.
»Nein, muß ich nicht.« Silvia wiegte ihr Söhnchen leicht hin und her. »Ich habe Iris schon Bescheid gesagt, daß sie nicht mehr zu kommen braucht, und ich werde dich doch nicht allein lassen.«
Das fand Daniel gut, daß sie die Iris nun nicht mehr brauchten. Mein Hütekind, hatte sie ihn immer genannt. Das fand er ziemlich doof. Und anstatt mit ihm zu spielen, wollte sie lieber in ihren bunten Blättern lesen.
»Die Frau Meßmer vom Opa hab ich viel gerner«, entschied er. »Du nicht auch, Mama?«
Sie verzichtete darauf, ihn zu verbessern.
»Ja, mein Schatz«, sagte Silvia, und sie gab ihm einen Kuß, bevor sie ihn losließ.
*
Roland Neuerburg war Steuerberater. Er hatte sein Büro in einem modernen Geschäftshaus, das er zu Fuß, bei flotter Gangart, in knapp zwanzig Minuten erreichen konnte. Das nutzte er oft genug aus, um sich in Form zu halten, wie er es nannte. Bei Frau Meßmers guter Küche bestand sonst die Gefahr, besonders für einen älteren Herrn, Leibesfülle anzusetzen. Darauf konnte er verzichten. Meistens nahm er Arco mit, der die Stunden mal bei ihm, mal im Vorzimmer bei seiner Sekretärin verbrachte. Der kluge Hund wußte genau, daß er weder seinen Herrn noch Frau Hillger stören durfte.
Nur wenn sehr schlechtes Wetter war, oder wenn Roland Neuerburg zu auswärtigen Kunden mußte, nahm er den Wagen.
Doch jedes Mal, wenn er nach Hause kam, sprang ihm nun ein fröhlicher kleiner Junge entgegen.
»Na, wie war’s?« fragte der Opa heute mittag. Denn dies war ein wichtiger Tag für das Bübchen: Er war zum ersten Mal im Kindergarten gewesen. Silvia hatte ihn dort angemeldet, weil sie ebenso wie ihr Vater der Meinung war, daß er nicht länger nur mit Erwachsenen zusammensein sollte.
»Hm, ganz gut«, antwortete Daniel. »Die Anne ist nett. Sie hat mir gesagt, wo ich meine Sachen hinhängen kann, und wie die anderen heißen, weil ich doch neu bin.«
»Anne, das ist wohl die Kindergartentante?«
»Sie ist keine Tante«, verbesserte ihn der Enkel. »So alt ist sie noch nicht. Aber sie macht da schon alles.« Er streichelte Arco, kraulte ihn hinter den Ohren. Der Hund hielt still, nur einmal fuhr er blitzgeschwind mit der Zunge über die kleine Hand. »Am besten von allen gefällt mir die Isabel«, fügte Daniel hinzu. »Die ist so hübsch.«
»Soso«, schmunzelte der Opa. »Dann wirst du dich wohl mit ihr anfreunden?«
»Hab’ ich vor«, nickte Daniel ernsthaft. »Aber sie ist den ganzen Tag dort, ich ja nur vormittags. Sie kriegen da auch was zu essen, mittags. Isabels Mutter arbeitet nämlich in dem Reisebüro am Schillerplatz.«
Roland Neuerburg lachte leicht auf. »Das hast du schon herausgefunden, in den paar Stunden?« fragte er amüsiert.
»Wir haben uns unterhalten, Opa«, erklärte Daniel altklug.
Der Mann klopfte ihm auf die Schulter. Vier Jahre und gerade mal sechs Monate, und er redete wie ein Großer. So war das heutzutage.
»Wo ist denn die Mama?« erkundigte er sich ablenkend.
»Oben. Sie liest in einem dicken Buch. Da muß sie was drüber schreiben. Aber erst hat sie mich abgeholt.«
Da kam Silvia schon. Frau Meßmer deckte gerade den Tisch.
»Alles gutgegangen, Papa«, sagte sie heiter. »Unserem Daniel scheint es zu gefallen im Kindergarten.«
»Ja, ja, er hat schon eine Freundin ins Auge gefaßt«, versetzte der Vater ebenso und sah ihm nach, wie er mit Arco in den Garten lief.
»Hat er dir auch von Isabel erzählt?« lachte Silvia. »Ich habe sie gesehen, sie stand in der Tür. Ein süßes Dingelchen mit blonden Locken. Er winkte zurück und sagte, das ist Isabel. Und wie er das sagte…! Zehn Jahre mehr, und man würde meinen, er hätte sich auf der Stelle in sie verliebt. – Ach, übrigens, Mathias hat angerufen. Er kommt zum Essen, wenn er pünktlich Dienstschluß hat.«
»Dann soll er sich mal beeilen«, sagte der Vater.
»Ich habe schon ein Gedeck für den Herrn Doktor mit aufgelegt«, vermeldete die Haushälterin, und mehr für sich brummelte sie, »immer nur Kantinen- und Restaurantessen, das ist doch nichts. Davon kann kein Mensch leben.«
Silvia rief gerade nach draußen: »Komm, Daniel, Hände waschen«, als der Wagen vorfuhr.