Am Anfang ist das Ziel - Jochen Kastilan - E-Book

Am Anfang ist das Ziel E-Book

Jochen Kastilan

4,9

Beschreibung

Marc Aurels "Selbstbetrachtungen" sind Reflexionen eines römischen Kaisers, der durch die Philosophie der Stoa beeinflusst worden ist. Die Stoa vermittelt eine Sicht von Mensch und Welt, welche als Grundlage einer praktischen Ethik auch heute noch dienen kann. Deshalb ist die Philosophie der Stoa zweifellos zeitlos, es verwundert also nicht, wenn auch das Werk von Marc Aurel Menschen noch immer durch das Leben begleitet, welche führende Verantwortung in Politik oder Wirtschaft haben. Gedanken Marc Aurels sind Gedanken, wie sie jeder Mensch im Laufe seines Lebens hat, wenn er nach Sinn fragt. Antworten sind in der Stoa zu finden. Unabhängig davon, ob Marc Aurel der Autor ist oder die "Selbstbetrachtungen" von Anonym geschrieben worden sind als wären sie von ihm, ist zweitrangig. Entscheidend ist, dass die Philosophie der Stoa als Lebensbegleiterin erscheint und nicht als Lehrbuch. In "Am Anfang ist das Ziel" ist erstmals versucht worden, die spontan aufgezeichneten Selbstbetrachtungen, welche ohne Systematik in zwölf Kapitel aufgeteilt worden sind, in einer Auswahl den wichtigsten Sinnfragen zwischen Tod und Leben zuzuschreiben. Nicht berücksichtigt worden ist das erste Kapitel von Marc Aurels Aufzeichnungen, das sich allein den Menschen widmet, welche den späteren Kaiser besonders beeinflusst haben.

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Seitenzahl: 72

Veröffentlichungsjahr: 2016

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Wer richtig leben will, bedenke das Ende

Am Anfang ist das Ziel. Jedes Leben endet im Tod. Dieses Ziel erreicht der Mensch früher oder später. Wie, das hängt auch von ihm ab. In seinen "Selbstbetrachtungen", in seinen Gedanken an sich selbst, hat der römische Kaiser Marc Aurel oder einer, der versucht hat, sich in ihn hineinzuversetzen, ich bin mir da nicht so sicher wie die allgemeine Annahme seiner Autorenschaft, über das Leben nachgedacht. Den Spuren auf diesem Kaiserpfad kann auch heute jeder folgen. Soviel Weisheit und Ethik für die Welt wie in der Philosophie der Antike, denn das sind die wahren Werte des Abendlandes, findet sich in keiner Religion. Es ist ein Gewinn, nachzudenken über das, was besonders auch die Stoiker Jahrhunderte beschäftigte. Philosophie unterscheidet sich vom Glauben, der immer an einer Mauer enden muss. Der Philosoph dagegen weiß, dass es nicht alles weiß und nicht alles wissen kann. Er lebt heute und nicht gestern und nicht morgen.

Jochen Kastilan

Inhaltsverzeichnis

Tod

Leben

Gemeinschaft

Mensch und Mensch

Charakter, Vernunft, Grenzen

Natur

Götter

Tod

Marc Aurel sagt über den Tod:

Wie schnell doch alles verschwindet! In der Welt die Menschen selbst, in der Zeit ihr Andenken! Was ist alles Sinnliche, besonders das, was uns durch Wollust reizt oder durch Schmerz erschreckt, endlich das, was uns durch Scheingröße Rufe der Bewunderung entlockt: wie unbedeutend und verächtlich, wie niedrig, hinfällig und tot! Dies zu erwägen, geziemt dem denkenden Menschen. Wer sind selbst diejenigen, deren Meinungen und Reden Ruhm verleihen? Was ist der Tod? Wenn man ihn für sich allein betrachtet und in Gedanken das davon absondert, was in der Einbildung damit verbunden ist, so wird man darin nichts anderes erblicken als eine Wirkung der Natur. Wer sich aber vor einer Naturwirkung fürchtet, ist ein Kind. Noch mehr, der Tod ist nicht bloß eine Wirkung der Natur, sondern eine für die Natur heilsame Wirkung.

Wie bald, und du bist Asche und ein Knochengerippe und nur noch ein Name, oder selbst nicht ein Name mehr ist übrig! Der Name aber ist bloßer Schall und Widerhall. Und die geschätztesten Güter des Lebens sind eitel, modernd, unbedeutend, Hunden gleich, die sich beißen, und Kindern, die sich zanken, bald lachen und dann wieder weinen. Treue aber und Scham, Gerechtigkeit und Wahrheitsliebe – zum Olymp der geräumigen Erde entflohen. Was gibt es also, das dich hier unten zurückhält? Alles Sinnliche ist ja so wandelbar und unbeständig, die Sinne selbst sind aber voll trüber Eindrücke und leicht zu täuschen, und das Seelchen ist selbst nur ein Aufdampfen des Blutes. Und nun unter solchen Menschen berühmt sein – wie nichtig! Warum siehst du also nicht gelassen deinem Erlöschen oder deiner Versetzung entgegen? Bis aber dieser Zeitpunkt sich einstellt, was bleibt übrig? Was anders, als den Menschen wohl zu tun und sie zu dulden oder auch zu meiden und zu bedenken, dass alles, was außerhalb der engen Grenzen deines Fleisches und Geistes liegt, weder dir gehört noch von dir abhängt.

*

Niemand ist so unbestritten, dass nicht unter denen, die sein Sterbebett umstehen, einige sein sollten, die sein herannahendes Ende begrüßen. Das ist so beim Tod eines rechtschaffenen Menschen. Denn wir mögen etwas an uns haben, weshalb mancher uns loszuwerden wünscht. Daran denke in deiner Sterbestunde! Und du wirst leichter gehen, wenn du dir vorstellst, dass du eine Welt verlassen sollst, aus der mich selbst Menschen fortwünschen, für die ich so viel gekämpft, gebetet und gesorgt habe. Warum sollte sich man also länger an dieser Welt festklammern? Trotzdem scheide nicht mit weniger Wohlwollen gegenüber ihnen, sondern bleibe deiner Art treu und gegen sie freundlich und milde. Gehe nicht widerstrebend, wie wenn du gewaltsam von ihnen weggerissen würdest, sondern, wie deine Seele sanft den Körper verlässt, so musst du auch ihren Kreis verlassen.

*

Jede Tätigkeit, die zur bestimmten Zeit ihr Ende erreicht, erleidet durch das Aufhören keinen Schaden. Ebenso wenig der, welcher tätig war. Dies gilt auch für das Leben und sein Ende. Denn die Lebenszeit ist Sache der Natur. Manchmal erst im Greisenalter. Das Aufhören des Lebens ist für niemand von Nachteil, von unserer Willkür unabhängig und dem Gemeinwohl nicht zuwider, niemandem Schande macht; vielmehr ist es ein Gut für die ganze Welt, die auf solche Weise erneuert wird.

*

Der Tod ist, ebenso wie die Geburt, ein Geheimnis der Natur, hier Verbindung, dort Auflösung derselben Grundstoffe, nichts, das dem Wesen eines vernünftigen Geschöpfes oder seiner Konstitution widerspricht.

*

Als ein Teil des Ganzen hast du bisher gelebt und wirst im Ganzen wieder aufgehen oder als neuer Lebenskeim wiederkommen.

*

Viele Weihrauchkörner sind für denselben Altar bestimmt, die einen fallen früher, die anderen später ins Feuer. Aber dies macht keinen Unterschied.

*

Tue nicht, als wenn du Tausende von Jahren zu leben hättest. Der Tod schwebt über dir. Solange du noch lebst, solange du noch kannst, sei ein rechtschaffener Mensch.

*

Es ist ein gewöhnliches, aber wirksames Hilfsmittel zur Todesverachtung, sich jene vorzustellen, die sich zäh ans Leben klammerten. Was haben sie denen voraus, die früher gestorben sind? Mache also nicht so viel Aufhebens davon! Schau auf das Unermessliche der Zeit hinter dir und auf eine andere Unendlichkeit vor dir! Was ist denn da noch für ein Unterschied zwischen einem, der drei Tage, und einem anderen, der drei Menschenalter gelebt hat?

*

Alexander von Mazedonien und sein Maultiertreiber haben nach ihrem Tode dasselbe Schicksal erfahren.

*

Der Tod ist das Ende von den Widersprüchen der sinnlichen Wahrnehmungen, von den Aufregungen der Triebe, vom Denken und vom Körper.

*

Ist der Tod Zerstreuung oder Auflösung in Atome oder eine Vernichtung, er ist ein Aufhören oder ein Übergang.

*

Alles ist eine Beute des Todes! Auch ganze Familien. Auf so manchem Grabmal steht: der Letzte seines Geschlechts. Bedenke, wie sehr ihre Vorfahren um einen Nachkommen besorgt waren, und doch musste notwendig einer der letzte sein. Ganze Völker sind schon ausgestorben.

*

Wer sich vor dem Tod fürchtet, fürchtet sich entweder vor dem Aufhören jeglicher Empfindung oder vor einem Wechsel des Empfindens. Wenn man nun gar nichts mehr fühlt, so wird man auch kein Übel mehr fühlen. Bleibt aber eine andere Art des Empfindens, so werden wir zu anderen Wesen und hören nicht auf zu leben.

*

Verachte den Tod nicht, trete ihm entgegen als einem Glied in der Kette der natürlichen Veränderungen. Denn jung sein und altern, heranwachsen und mannbar werden, Zähne, Bart und graue Haare bekommen, zeugen, schwanger werden und gebären und die anderen natürlichen Lebenszeichen enden in der Auflösung. Daher begegnet ein denkender Mensch dem Tod weder abwehrend noch übermütig, sondern als Natürlichem.

*

Wer das, was die Zeit schickt, für gut hält, egal ob ob es eine größere oder kleinere Zahl vernünftiger Handlungen betrifft, wer zwischen einem länger oder kürzer dauernden Leben keinen Unterschied macht, der sieht dem Tod nicht mit Schrecken entgegen.

*

Bei der Prüfung jedes einzelnen Gegenstandes, womit du zu tun hast, frage dich selbst: Ist der Tod etwas Schreckliches, weil er dich dieses Dinges beraubt?

Leben

Unser Ziel ist das Ende unseres Lebens. Wie aber sollen wir leben zwischen Anfang und Ende?

Marc Aurel sagt über das Leben:

Betrachte jeden Tag, als könnte er der letzte sein.

*

Die Dauer des menschlichen Lebens ist ein Augenblick, das Wesen ein beständiger Strom, die Empfindung eine dunkle Erscheinung, der Leib eine verwesliche Masse, die Seele ein Kreisel, das Schicksal ein Rätsel, der Ruf etwas Unentschiedenes. Kurz, was den Körper betrifft, ist ein schneller Fluss, was die Seele angeht, sind Träume und Dunst, das Leben ist ein Krieg, eine Haltestelle für Reisende, der Nachruhm ist Vergessenheit. Was kann uns da sicher leiten? Nur eins: die Philosophie. Und ein Philosoph sein heißt: den Genius in uns vor jeder Schmach, vor jedem Schaden bewahren, die Lust und den Schmerz besiegen, nichts dem Zufall überlassen, nie zur Lüge und Verstellung greifen, fremden Tun und Lassens nicht bedürfen, alle Begegnungen und Schicksale als von daher kommend aufnehmen, von wo wir selbst ausgegangen sind, endlich den Tod mit Herzensfrieden erwarten und darin nichts anderes sehen als die Auflösung in die Urstoffe, woraus jedes Wesen zusammengesetzt ist. Das ist ja naturgemäß, und was mit der Natur übereinstimmt, ist kein Übel.

*

Drei Teile sind es, woraus du bestehst: Körper, Lebensgeist, Denkvermögen. Für die beiden ersten bis du selbstverantwortlich, mit dem dritten kannst du deine Weltschau beeinflussen, so dass es von dir abhängt, ob du dein Leben bis zum Tod ruhig, edel und dem Geist dir entsprechend verbringst.

*

Bald wirst du tot sein, und trotzdem befürchtest du unglückliche Beeinflussung durch Äußerlichkeiten und versäumst dabei, dich wohlwollend gegen jedermann zu verhalten und Weisheit allein in rechten Taten zu suchen.

*