Am Beispiel der Gabel - Bee Wilson - E-Book

Am Beispiel der Gabel E-Book

Bee Wilson

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Beschreibung

Kochen boomt und Essen ist Lebensstil – jedenfalls in reichen Gesellschaften. Wir sind Produktkenner und Rezeptsammler, aber über die »Hardware« in unseren Küchen wissen wir relativ wenig. Dabei muss die Kartoffel geschält, die Artischocke gekocht und der Pfeffer zerstoßen werden, bevor sie Teil einer Mahlzeit werden, die wir uns – zum Beispiel mit einer Gabel – in den Mund schieben. In einem faszinierenden Streifzug durch die Kulturen der Welt widmet sich Bee Wilson, selbst passionierte Köchin mit einer Schwäche für Messbecher, den heimlichen Stars der Küche: dem Messer, dem Topf und den anderen Koch- und Esswerkzeugen. Sie führt uns von den prähistorischen Feuerstellen in Afrika bis an den Induktionsherd in mitteleuropäischen Luxusküchen. Wir sind zu Gast bei den Kochkünstlern der Zhou-Dynastie und an den Höfen der europäischen Renaissancefürsten. Wir bewundern das Kupfergeschirr in der viktorianischen Großküche und die Rationalität der »Frankfurter Küche«. Und wir erfahren, wie der Kochtopf unseren Vorfahren die Zähne gerettet, der Schneebesen die Backkultur und der Kühlschrank das Leben der Menschen revolutioniert hat – wie die Gerätschaften nicht nur bestimmen, wie, sondern auch, was wir kochen und essen. Eine hinreißende Hommage auf die Kulturtechnik, die uns am Leben hält, und auf den menschlichen Erfindungsgeist.

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Kochen boomt und Essen ist Lebensstil – jedenfalls in reichen Gesellschaften. Wir sind Produktkenner und Rezeptsammler, aber über die »Hardware« in unseren Küchen wissen wir relativ wenig. Dabei muss die Kartoffel geschält, die Artischocke gekocht und der Pfeffer zerstoßen werden, bevor sie Teil einer Mahlzeit werden, die wir uns – zum Beispiel mit einer Gabel – in den Mund schieben.

 In einem faszinierenden Streifzug durch die Kulturen der Welt widmet sich Bee Wilson, selbst passionierte Köchin mit einer Schwäche für Messbecher, den heimlichen Stars der Küche: dem Messer, dem Topf und den anderen Koch- und Esswerkzeugen. Sie führt uns von den prähistorischen Feuerstellen in Afrika bis an den Induktionsherd in mitteleuropäischen Luxusküchen. Wir sind zu Gast bei den Kochkünstlern der Zhou-Dynastie und an den Höfen der europäischen Renaissancefürsten. Wir bewundern das Kupfergeschirr in der viktorianischen Großküche und die Rationalität der »Frankfurter Küche«. Und wir erfahren, wie der Kochtopf unseren Vorfahren die Zähne gerettet, der Schneebesen die Backkultur und der Kühlschrank das Leben der Menschen revolutioniert hat – wie die Gerätschaften nicht nur bestimmen, wie, sondern auch, was wir kochen und essen. Eine hinreißende Hommage an die Kulturtechnik, die uns am Leben hält, und an den menschlichen Erfindungsgeist.

Bee Wilson, geboren 1974, studierte in Cambridge Ideengeschichte, bevor sie sich als Gastrokritikerin und Foodhistorikerin einen Namen machte. Ihre Artikel – zum Beispiel über die Geschichte des Brotes oder Hitlers Ernährungsgewohnheiten – wurden unter anderem in der London Review of Books und im New Yorker

Bee Wilson

Am Beispielder Gabel

Eine Geschichte derKoch- und Esswerkzeuge

eBook Insel Verlag Berlin 2014

Der vorliegende Text folgt der Erstausgabe, 2014.

Titel der Originalausgabe:

Consider the Fork. A History of Invention in the Kitchen

Erstmals erschienen 2012 bei Particular Books, einem Imprint von Penguin Books.

Copyright © Bee Wilson, 2012

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© der deutschen Ausgabe Insel Verlag Berlin 2014

© Bee Wilson, 2012

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung, des öffentlichen Vortrags sowie der Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile.

Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

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Satz: Satz-Offizin Hümmer GmbH, Waldbüttelbrunn

Umschlaggestaltung: glanegger.com, München

Umschlagabbildungen: Carol Belanger Crafton, Victorian Goods and Merchandise

Inhalt

Einleitung

Töpfe und Pfannenund ein Exkurs über Reiskocher

Messerund ein Exkurs über Wiegemesser

Feuerund ein Exkurs über Toaster

Messenund ein Exkurs über Eieruhren

Zerkleinernund ein Exkurs über Muskatreiben

Essenund ein Exkurs über Zangen

Eis

Einleitung

Der Holzlöffel – das zuverlässigste und meistgeschätzte Küchengerät von allen – scheint eher das Gegenteil von dem zu sein, was man gemeinhin unter dem Wort »Technologie« versteht. Man kann ihn nicht ein- oder ausschalten; und er gibt keine seltsamen Geräusche von sich. Er ist nie patentiert worden und verfügt über keine Garantie. Er hat nichts Futuristisches, Funkelndes oder Raffiniertes.

Aber schauen Sie sich einen Ihrer Holzlöffel einmal genauer an (ich gehe davon aus, Sie besitzen mindestens einen, denn ich bin noch nie in einer Küche gewesen, in der es keinen gegeben hätte). Erfühlen Sie die Faser des Holzes. Handelt es sich um einen guten, industriell hergestellten Löffel aus Buchenholz, oder hat ihn ein Fachmann eigenhändig aus dem dichteren Holz des Ahorn- oder Olivenbaumes geschnitzt? Als Nächstes betrachten Sie bitte seine Form. Ist er oval oder rund? Aus einem Stück oder gelocht? Gewölbt oder eher flach? Vielleicht läuft er am Ende spitz zu, um in alle Winkel einer Pfanne vorzudringen. Vielleicht ist der Stiel besonders kurz, um einem Kind die Verwendung zu erleichtern, oder besonders lang, um Ihren Händen mehr Schutz vor der Hitze zu bieten. Unzählige Entscheidungen – sowohl ökonomischer und sozialer Art als auch solche des Designs und der angewandten Ingenieurskunst – werden in die Herstellung dieses einen Gegenstandes geflossen sein, und diese bestimmen wiederum, wie er Ihnen das Kochen erleichtert. Der Holzlöffel ist unscheinbarer Teamplayer so vieler Mahlzeiten, dass wir ihn für selbstverständlich halten. Wir zollen ihm kein bisschen Respekt für die von ihm verrührten Eier, für die mit seiner Hilfe geschmolzene Schokolade und für die Zwiebel, die er durch eine schnelle Drehung vor dem Anbrennen bewahrt hat.

Der Holzlöffel sieht nicht sonderlich raffiniert aus – traditionell wurde er gar als Scherzpreis dem schlechtesten Teilnehmer eines Wettbewerbs verliehen. Aber die Wissenschaft spricht für ihn. Holz hinterlässt keine Kratzer und schont die Pfanne, mit einem Löffel aus diesem Material kann man also nach Herzenslust über den Boden streichen, ohne Angst haben zu müssen, die Oberfläche zu verletzen. Außerdem reagiert es nicht mit anderen Substanzen: Man muss also nicht fürchten, dass es einen metallischen Geschmack hinterließe oder im Kontakt mit säurehaltigen Zitronen oder Tomaten beschädigt würde. Holz ist außerdem ein schlechter Wärmeleiter, weshalb man damit in einer heißen Suppe rühren kann, ohne sich zu verbrennen. Abgesehen von seiner Zweckmäßigkeit, kochen wir jedoch vor allem mit Holzlöffeln, weil wir das schon immer getan haben. Sie sind Teil unserer Zivilisation. Werkzeuge werden eingeführt, weil sie zweckdienlich sind oder ein Problem zu lösen vermögen, doch im Laufe der Zeit bestimmten vor allem kulturelle Faktoren den Gebrauch der Geräte, die wir so gerne benutzen. Im Zeitalter von Edelstahlpfannen ist es absolut möglich, einen Metalllöffel zum Rühren zu verwenden, ohne dass Topf oder Pfanne Schaden nähmen, und trotzdem fühlt es sich nicht richtig an. Die scharfen Kanten aus Metall zerquetschen das vorher sorgsam gewürfelte Gemüse, und der Stiel schmiegt sich nicht so angenehm in die eigene Hand. Im Gegensatz zum leisen Klopfen eines Holzlöffels macht ein Metalllöffel unangenehm scheppernde Geräusche.

Wir leben im Plastikzeitalter, und so könnte man meinen, wir würden nur noch mit Kunststoffspateln umrühren, besonders, weil sich Holzlöffel in der Geschirrspülmaschine nicht so gut machen (sie neigen nach mehreren Waschgängen dazu, aufzuweichen und zu splittern), aber im Großen und Ganzen ist das nicht der Fall. Vor Kurzem ist mir in einem Geschäft für Küchenbedarf ein seltsamer Artikel begegnet: ein »hölzener Silikonlöffel«, der zum achtfachen Preis eines normalen Buchenholzlöffels verkauft wurde. In Wahrheit handelte es sich um schwere, grell bunte Plastikkochlöffel in Form von Holzlöffeln. Abgesehen davon hatten sie rein gar nichts mit diesen gemein. Trotzdem waren die Hersteller offenbar der Auffassung, sie müssten auf Holzlöffel anspielen, um sich einen Platz in unseren Herzen und unseren Küchen zu sichern.

Es gibt so viele Dinge, die wir beim Kochen für selbstverständlich halten: Wir rühren mit Holzlöffeln, aber essen mit Metalllöffeln (früher benutzten wir auch dafür Löffel aus Holz); und wir haben klare Meinungen darüber, was man bei einer Mahlzeit heiß serviert und was roh bleiben muss. Manche Zutaten kochen wir, während wir andere einfrieren, braten oder mahlen. Viele dieser Tätigkeiten üben wir rein intuitiv aus oder tun es, indem wir streng einem Rezept folgen. Jedem, der ein italienisches Essen zubereitet, ist vollkommen klar, dass man ein Risotto kocht, indem man nach und nach Flüssigkeit hinzugibt, während man Pasta möglichst schnell in einer großen Menge Wasser gart – aber warum ist das so?[1] Die meisten Aspekte des Kochens sind sehr viel weniger offensichtlich, als sie zunächst erscheinen, und es gibt fast immer noch einen weiteren Weg, die Dinge anzugehen, zum Beispiel in Form der Geräte, die sich aus welchen Gründen auch immer nicht durchsetzen konnten – wie der wasserbetriebene Quirl oder der Bratspieß, der von Magneten in Bewegung gesetzt wird. Es bedurfte unzähliger kleiner und großer Erfindungen, um bei den gut ausgerüsteten Küchen von heute anzukommen, in denen man unseren alten, einfach konstruierten Freund, den Holzlöffel, neben Küchenmaschinen, Tiefkühlgeräten und Mikrowellenherden finden kann. Größtenteils ist diese Geschichte bislang jedoch weder erkannt noch erzählt worden.

Traditionell hat die Technikgeschichte dem Essen nur sehr wenig Beachtung geschenkt. Man hat sich eher auf große industrielle und militärische Entwicklungen beschränkt: wie Rad und Schiff, Schießpulver und Telegraph, Flugzeug und Radio. Wenn Nahrungsmittel überhaupt Erwähnung finden, geschieht dies meist im Kontext der Landwirtschaft: Ackerbau und Bewässerungssysteme statt häuslicher Küchenarbeit. Dabei steckt in einem Nussknacker ebenso viel Erfindergeist wie in einer Gewehrkugel. Oft galt die Arbeit von Erfindern ursprünglich militärischen Zwecken, doch dann stellte sich heraus, dass sich eine Entdeckung am besten in der Küche einsetzen ließ. Harry Brearly war ein Herr aus Sheffield, der 1913 zur Verbesserung von Gewehrläufen den rostfreien Stahl entwickelte, nur um schließlich unbeabsichtigt weltweit die Qualität von Besteck zu erhöhen. Der Amerikaner Percy Spencer, Erfinder des Mikrowellengeräts, arbeitete gerade an Radarsystemen für die Marine, als er auf eine völlig neue Kochmethode stieß. Unsere Küchen verdanken dem wissenschaftlichen Scharfsinn viel, und ein am Herd stehender Koch ist einem Chemiker im Labor gar nicht so unähnlich: Wir geben Essig an den Rotkohl, um seine Farbe zu erhalten, und verwenden Natron, um die Säure einer Zitrone im Kuchen auszugleichen. Die Annahme, Technik sei nur die Anwendung wissenschaftlichen Denkens, ist jedoch falsch. Sie ist grundlegender und älter. Nicht in jeder Kultur gibt oder gab es Wissenschaft – eine Form organisierten Wissens über die Welt, das bis zu Aristoteles im 4. Jahrhundert v. ‌Chr. zurückreicht. Die moderne wissenschaftliche Methodik, bei der Versuche Teil eines gegliederten Systems aus Beobachtung, Voraussage und Hypothese sind, entstand erst im 17. Jahrhundert, während die Technologie des Kochens in ihrer Orientierung auf Problemlösung Tausende Jahre alt ist. Seit der frühen Steinzeit, als Menschen mit angeschärften Feuersteinen rohe Nahrungsmittel zerhackten, haben wir stets Erfindergeist eingesetzt, um unsere Ernährung zu verbessern.

Der Begriff »Technologie« stammt aus dem Griechischen. Techne bedeutet Kunst, Handwerk oder Kunstfertigkeit, während logia das Studium einer Sache bezeichnet. Bei Technologie handelt es sich nicht um eine Form der Robotertechnik, sondern um etwas sehr Menschliches: um das Erschaffen von Geräten und Techniken, die bestimmte Bedürfnisse in unserem Leben befriedigen. Manchmal meint »Technologie« die Werkzeuge selbst, manchmal bezeichnet der Begriff das Fachwissen, durch das diese erst möglich gemacht wurden, oder aber die Tatsache, dass die Menschen bestimmte Gerätschaften verwenden und andere nicht. Die Gültigkeit wissenschaftlicher Entdeckungen hängt nicht von ihrer Anwendbarkeit ab, Technik dagegen schon. Wenn ein Gerät nicht mehr benutzt wird, verliert es seine Daseinsberechtigung. Wie raffiniert ein Quirl auch gestaltet sein mag, seinen Zweck erfüllt er nur dann, wenn ihn jemand in die Hand nimmt und Eier damit schlägt.

Am Beispiel der Gabel untersucht den Einfluss, den Küchengeräte auf das haben, was wir essen, wie wir essen und was wir von unserem Essen halten. Denn Nahrung ist die große menschliche Universalie. »Nichts in dieser Welt ist sicher außer dem Tod und den Steuern«, lautet ein Sprichwort. Tatsächlich sollte es aber heißen »außer dem Tod und dem Essen«. Viele Menschen vermeiden es, Steuern zu zahlen (überhaupt kein Geld zu verdienen ist hier eine Möglichkeit, wenn auch sicherlich nicht die einzige). Manch einer lebt ohne Sex, jene andere grundlegende Tatsache des Lebens. Aber niemand kommt ohne Nahrung aus, denn sie ist Treibstoff, Gewohnheit, eine Form höheren Genusses und Grundbedürfnis in einem; sie strukturiert unseren Alltag, während ihr Mangel an uns nagt. Magersüchtige mögen versuchen, ihr zu entkommen, aber solange man lebt, ist der Hunger unausweichlich. Wir alle essen. Und doch haben wir dieses lebensnotwendige menschliche Bedürfnis zu unterschiedlichen Zeiten und an unterschiedlichen Orten auf grundverschiedene Weise gestillt. Es sind die von uns dazu benutzten Gerätschaften, die dabei den größten Unterschied machen.

Meistens besteht mein Frühstück aus Kaffee, Toast, Marmelade und Orangensaft, sofern die Kinder ihn nicht bereits ausgetrunken haben. Wenn man allein nach den Zutaten geht, könnte diese Mahlzeit zu jeder Zeit in den letzten 350 Jahren eingenommen worden sein. Kaffee wird in England seit Mitte des 17. Jahrhunderts getrunken; Orangen für den Saft und die Marmelade sind sogar schon seit 1290 bekannt. Auch geröstetes Brot und Butter für den Toast sind beide schon sehr alt. Der Teufel steckt jedoch im Detail.

Um meinen Kaffee zuzubereiten, koche ich ihn weder für 20 Minuten, um ihn dann mit Hilfe einer Hausenblase (der vor allem aus Kollagen bestehenden Schwimmblase eines Fisches) zu klären, wie ich es im Jahr 1810 getan hätte; noch bereite ich ihn in einem »wissenschaftlichen Rumford-Perkulator« zu, wie manche es 1850 taten; ich verwende für die Zubereitung auch keine Kanne und einen Holzlöffel, wobei ich kaltes Wasser über den gemahlenen und erhitzten Kaffee gebe, damit er sich am Boden absetzt, wie man es in der edwardianischen Epoche in Großbritannien zu tun pflegte; ich koche ihn auch nicht in einer elektrischen Kaffeemaschine, wie ich es täte, wenn ich noch in den Vereinigten Staaten lebte; noch gieße ich heißes Wasser über einen Löffel bitteren Instantkaffees, wie ich es als Studentin getan habe; und auch eine französische Cafetière verwende ich nicht, obwohl ich das in den 1990er Jahre gern tat. Ich bin eine Kaffeefanatikerin des frühen 21. Jahrhunderts (wenn auch noch nicht fanatisch genug, um in den Kauf eines supermodernen japanischen Siphon-Kaffeezubereiters zu investieren). Ich mahle meine (Fair-Trade-)Bohnen extra fein in einer Kaffeemühle und mache mir einen sogenannten »Flat White« (einen Espresso, über den ich aufgeschäumte Milch gebe), wobei ich eine Cappuccino-Maschine und verschiedene Utensilien verwende (Kaffeemaß, Kaffeestempel und ein Milchkännchen aus Stahl). An einem guten Morgen funktionieren die Geräte, und nach ungefähr zehn Minuten konzentrierter Arbeit verschmelzen Kaffee und Milch zu einem köstlichen, schaumigen Getränk. An einem schlechten Morgen ergießt sich alles explosionsartig auf den Küchenboden.

Toast, Butter und Marmelade waren im elisabethanischen England bekannt und beliebt. Und doch hat Shakespeare nie einen Toast wie meinen gegessen, heruntergeschnitten von einem Vollkornbrot, das in einem automatischen Brotbackautomaten zubereitet und dann in einem elektrischen Toaster mit vier Einschüben getoastet wurde, um schließlich von einem spülmaschinenfesten weißen Porzellanteller verspeist zu werden. Auch die Freuden streichzarter Butter und Marmelade mit extrahohem Fruchtanteil waren ihm unbekannt, wobei beide Produkte in meinem Haushalt auf die Existenz eines großen und vollkommen funktionstüchtigen Kühlschranks hinweisen. Ferner bestand Shakespeares Marmelade wahrscheinlich aus Quitten und nicht aus Orangen. Meine Butter ist weder ranzig noch zu fest – wie die Butter meiner Kindheit in den 1970er und 80er Jahren nach meiner Erinnerung stets gewesen ist. Ich verstreiche sie mit einem Messer aus rostfreiem Edelstahl, das keinen metallischen Geschmack hinterlässt und nicht mit dem Fruchtzucker der Marmelade reagiert.

Was den Orangensaft betrifft, scheint die Technik dahinter denkbar einfach: Man nimmt Orangen und presst sie aus. Und doch ist sie mit hoher Wahrscheinlichkeit die komplizierteste von allen. Anders als die Hausfrauen zu Zeiten Edwards VII., die Orangen mühsam mit Hilfe einer kegelförmigen Presse aus Glas auspressen mussten, gieße ich meinen Saft normalerweise aus einem Tetra Pak (in Großbritannien 1963 als Tetra Brik auf den Markt gekommen). Obwohl auf der Zutatenliste nur Orangen stehen, hat man den Saft unter Verwendung einer verwirrenden Vielzahl industrieller Techniken hergestellt: Die Früchte wurden durch Zugabe nicht auf der Packung aufgeführter Enzyme zersetzt und mit ebenfalls nicht angegebenen Klärmitteln gefiltert, um dann pasteurisiert, gekühlt und von einem Land ins nächste transportiert zu werden, nur um mich am Frühstückstisch zu erfreuen. Dass sich mein Mund nicht aufgrund der Bitterkeit des Saftes zusammenzieht, verdanken wir zum Teil einer Erfinderin namens Linda C. Brewster, die sich in den 1970er Jahren vier Verfahren zur »Entbitterung« des Orangensafts durch eine Verringerung des Limonin-Anteils patentieren ließ.

Diese bestimmte Mahlzeit wurde nur während eines sehr kurzen Zeitraums der Geschichte auf diese bestimmte Weise zubereitet. Die Nahrungsmittel, die wir zu uns nehmen, erzählen gleichermaßen von der Zeit, in der wir leben, wie von dem Ort, an dem wir uns befinden. Das tun auch die Geräte, die wir benutzen, sogar in einem noch viel größeren Ausmaß. Oft heißt es, wir lebten im »Technikzeitalter«. Normalerweise will man damit sagen, dass wir viele Computer besitzen. Doch jedes Zeitalter verfügt über seine ganz eigenen Techniken und Geräte. Und diese müssen nicht einmal futuristisch sein. Es kann sich um eine Gabel, einen Topf oder einen simplen Messbecher handeln.

Manchmal erhöhen Küchengeräte lediglich den Genuss beim Essen. Sie können jedoch auch eine Frage des Überlebens sein. Für die Zeit vor dem Aufkommen von Kochtöpfen vor ungefähr 10 ‌000 Jahren belegen Knochenfunde, dass niemand nach dem Verlust all seiner Zähne bis ins Erwachsenenalter überlebte. Kauen war eine unverzichtbare Fähigkeit. Wer das nicht mehr konnte, musste verhungern. Das Töpfern ermöglichte unseren Vorfahren die Zubereitung trinkbarer Speisen: haferbreiartige, suppige Gebräue, die auch ohne Kauen gegessen werden konnten. Zum ersten Mal stoßen wir auf die Überreste ausgewachsener Skelette ohne einen einzigen Zahn. Der Kochtopf rettete diesen Leuten das Leben.

Die am vielfältigsten einsetzbaren Techniken und Geräte sind oft die einfachsten. Einige, wie Mörser und Stößel, gibt es bereits seit Zehntausenden Jahren. Der Stößel, zunächst uraltes Werkzeug für die Verarbeitung von Getreide, wurde erfolgreich für das Mahlen aller möglichen Zutaten adaptiert, sei es eines Pistous in Frankreich oder einer Currypaste in Thailand. Andere Geräte erwiesen sich als weniger flexibel, wie der Römertopf speziell für Hähnchen, der in den 1970er Jahren in Großbritannien eine kurze Popularität erlebte, nur um im Abfall zu enden, als die Leute des fraglichen Essens müde wurden. Manche Geräte, wie der Löffel und die Mikrowelle, sind weltweit in Gebrauch. Andere dagegen sind sehr stark an einen bestimmten Ort gebunden, wie der dolsot, ein zischend heißer Steintopf, in dem die Koreaner besonders gern ein bestimmtes Gericht servieren: bibimbap, eine Mischung aus Klebreis, dünn geschnittenem Gemüse und rohem oder gebratenem Ei, wobei sich aufgrund der Hitze des dolsot am Boden eine Schicht aus knusprigem Reis bildet.

Dieses Buch handelt ebenso von Hightech-Apparaten wie von den Gerätschaften und Techniken, über die wir normalerweise nicht so viel nachdenken. Die Technologie des Essens spielt auch dann eine Rolle, wenn wir von ihr so gut wie keine Notiz nehmen. Seit dem Bezwingen des Feuers steckt hinter all unserer Nahrung ein technisches Gerät, unabhängig davon, ob wir es erkennen oder nicht. Hinter jedem Laib Brot steckt ein Ofen. Hinter einer Schüssel Suppe stecken ein Topf und ein Holzlöffel (außer sie stammt aus der Dose, einer ganz anderen Technologie). Hinter jedem Schäumchen eines Kochs stecken ein Siphon und eine Stickstoffpatrone. In Ferran Adriàs Restaurant elBulli in Spanien, das bis zu seiner Schließung im Jahr 2011 das meistgefeierte Restaurant weltweit war, hätte man die Menüs nicht ohne Sous-vide-Geräte und Zentrifugen, Entfeuchter und Pacojets zubereiten können. Viele finden diese neuartigen Hilfsmittel bedenklich. Wenn neue Küchengeräte aufkommen, gibt es immer Stimmen, die meinen, die althergebrachten Methoden seien die besten.

Köche sind konservative Geister – Meister ruhiger, sich ständig wiederholender Arbeiten, die sich tagein, tagaus, jahrein, jahraus kaum verändern. Ganze Kulturen bilden sich entlang der Frage aus, ob man ein Gericht auf die eine oder die andere Weise zubereitet. Eine echte chinesische Mahlzeit ist ohne das tou – ein Messer in Form eines Hackebeils, das die Zutaten zu winzigen Stückchen zerkleinert – und ohne den Wok zum Anbraten der Speisen unter Rühren einfach unvorstellbar. Was gab es zuerst, das Stir-fry-Gericht oder den Wok? Keins von beidem. Um die Logik hinter der chinesischen Küche erfassen zu können, müssen wir sogar noch weiter zurückgehen und an den Brennstoff für die Speisezubereitung denken: Eine schnell zubereitete Wok-Mahlzeit war ursprünglich Ergebnis eines Feuerholzmangels. Im Laufe der Zeit verbanden sich das Gerät und das Gericht jedoch untrennbar miteinander, so dass man heute nicht mehr zu sagen vermag, wann das eine anfing und das andere aufhörte.

Es ist nur natürlich, dass Köche Innovationen in der Küche als persönlichen Angriff begreifen. Die Vorwürfe sind immer dieselben: Mit euren neumodischen Methoden zerstört ihr das Essen, das wir kennen und lieben. Als die gewerbliche Kühlung von Waren im späten 19. Jahrhundert möglich wurde, bot sie den Konsumenten und der Industrie gleichermaßen wichtige Vorzüge. Eisschränke waren besonders nützlich, um leicht verderbliche Lebensmittel wie Milch zu lagern, die zuvor in den Großstädten der Welt jährlich Tausende Todesfälle verursacht hatten. Eine Kühlung kam auch den Händlern zugute, denn das Zeitfenster, in dem sie ihre Nahrungsmittel verkaufen konnten, wurde dadurch größer. Und doch begegneten Käufer und Verkäufer der neuen Technologie auf breiter Front mit Angst und Schrecken. Die Konsumenten trauten Lebensmitteln aus der Kühllagerung nicht. Auch die Händler auf den Märkten wussten mit diesem frischen Wind nichts anzufangen. In Les Halles in Paris befürchteten die Verkäufer in den 1890er Jahren gar, eine Kühlung würde ihre Waren verderben. Zu einem gewissen Grad hatten sie damit auch recht, wie jeder bestätigen kann, der einmal eine bei Raumtemperatur gelagerte Tomate mit einer aus dem Kühlschrank verglichen hat: Die bei Raumtemperatur gelagerte (angenommen, es handelt sich um eine gute Tomate) ist süß duftend und saftig, die andere dagegen pelzig, metallisch und fade im Geschmack. Jede neue Technologie steht für einen Kompromiss: Man gewinnt etwas dazu, verliert aber auch etwas.

Nicht selten büßt man dabei an Wissen ein. Wer eine Küchenmaschine im Haus hat, braucht keine ausgeprägten Fähigkeiten im Umgang mit Messern mehr. Gas- und Elektroherde sowie Mikrowellengeräte bedeuten, dass man nicht mehr wissen muss, wie man ein Feuer entzündet und in Gang hält. Bis vor ungefähr 100 Jahren gehörte die Handhabung des Feuers zu den wichtigsten menschlichen Tätigkeiten. Diese Zeiten sind vorbei (und das ist auch gut so, wenn man an all die dadurch beanspruchten mühseligen Stunden und die so verhinderten anderen Aktivitäten denkt). Die größere Frage ist dabei, ob die Existenz von Küchengeräten, die nur einer minimalen menschlichen Beteiligung bedürfen, zum Aussterben kulinarischen Könnens geführt hat. Im Jahr 2011 ergab eine Umfrage unter 2000 britischen 18- bis 25-Jährigen, dass mehr als die Hälfte zuhause ausgezogen war, ohne selbst ein so einfaches Gericht wie Spaghetti Bolognese kochen zu können. Mikrowellengeräte in Verbindung mit Fertiggerichten geben einem die Freiheit, durch Drücken einiger Knöpfe ein Essen auf den Tisch bringen zu können. Aber der Vorteil ist gar nicht so groß, wenn man dadurch jegliches Verständnis für die eigenhändige Zubereitung einer Mahlzeit verliert. Manchmal bedarf es jedoch einer neuen Technologie, damit wir eine alte besser zu schätzen wissen. Das Wissen, dass ich eine Sauce hollandaise mit einem Mixer in 30 Sekunden zubereiten kann, vergrößert die Freude, es trotzdem auf die althergebrachte Weise mit Hilfe einer Bain-Marie und eines Holzlöffels zu tun, wobei ich die Butter nach und nach in winzigen Stückchen zu dem Eigelb hinzufüge.

Die Ausstattung einer Küche mag im Vergleich zu der Geschichte der Nahrungsmittel unbedeutend erscheinen. Es ist schön und gut, sich über die Feinheiten eines Gedecks oder einer Puddingform auszulassen, doch was spielt das schon für eine Rolle angesichts des grundlegenden Hungers nach Brot? Das erklärt vielleicht, warum Küchengeräte in der Geschichte des Essens bislang so vernachlässigt worden sind. Die Geschichte der Kochkunst ist über die letzten zwei Jahrzehnte heiß diskutiert worden. Doch diese neue Geschichtsschreibung hat sich bis auf wenige bemerkenswerte Ausnahmen überwiegend mit Zutaten statt Techniken beschäftigt: eher mit dem Was als mit dem Wie. Es gibt Bücher zu Kartoffeln, Kabeljau und Schokolade, ebenso wie solche zur Geschichte von Kochbüchern, Restaurants und Köchen. Die Küche und ihre Gerätschaften blieben hingegen weitgehend unberücksichtigt, so dass eine Seite der Erzählung fehlt. Sie ist jedoch wichtig, denn bei der Zubereitung verändern wir durch die Verwendung verschiedener Geräte und die Anwendung unterschiedlicher Techniken die Konsistenz, den Geschmack, die Zusammensetzung der Nährwerte und die damit verbundenen kulturellen Assoziationen.

Darüber hinaus hat uns Menschen die Küchentechnologie – das Wie und auch das Was der Nahrung und der Nahrungszubereitung – verändert. Ich spreche hier jetzt nicht von »Meine Traumküche hat mein Leben verändert«, obwohl es zutrifft, dass ein Wandel der Küchengeräte schon immer Hand in Hand mit weitreichenden sozialen Umwälzungen ging. Betrachten wir beispielsweise das Verhältnis zwischen zeitsparenden Geräten und ihren Auswirkungen auf das Haushaltspersonal: Hier handelt es sich um eine Geschichte technologischer Stagnation. Viele Jahrhunderte lang bestand nur wenig Interesse, die Plackerei in der Küche zu vermindern, da den Wohlhabenden dort große Mengen menschlicher Arbeitskraft zur Verfügung standen. Elektrische Küchengeräte sind wirklich befreiende Werkzeuge. Bei der Zubereitung eines Kibbehs im Libanon oder eines Ingwer-Knoblauch-Pürees in Indien müssen die Arme der Köche nicht länger schmerzen. So viele Mahlzeiten, die früher einmal mit Leid und Qual gewürzt waren, gelingen heute mühelos.

Küchengeräte haben sogar unsere Körper verändert. Es gibt stichhaltige Beweise, dass die momentan um sich greifende Fettsucht teilweise nicht nur auf das zurückgeht, was wir essen (obwohl das natürlich ebenfalls entscheidend ist), sondern auch auf das Ausmaß, in dem unsere Nahrung industriell verarbeitet wird. Dieser Umstand wird zuweilen als »Kalorienlüge« bezeichnet. Im Jahr 2003 verfütterten Wissenschaftler bei einem Experiment an der japanischen Kyushu-Universität an eine Gruppe Ratten härtere Futterpellets und an eine andere weichere. Abgesehen davon glichen sich die Pellets in jeder Hinsicht: derselbe Nährwert und Kaloriengehalt. Nach 22 Wochen wurden die mit der weichen Kost ernährten Ratten fettleibig, was beweist, dass die Lebensmittelkonsistenz einen wichtigen Faktor bei der Gewichtszunahme darstellt. Weiterführende Studien mit Python-Schlangen (in denen die einen mit gegarten Rinderhacksteaks und die anderen mit rohem, unzerkleinertem Steakfleisch gefüttert wurden) bestätigten diese Befunde. Wenn wir zähere, weniger stark verarbeitete Nahrung zu uns nehmen, benötigen wir zur Verdauung mehr Energie, und so ist die Anzahl der dem Körper letztlich zugeführten Kalorien geringer. Aus einem langsam gegarten Apfelmus gewinnt man mehr Energie als aus einem rohen Apfel, selbst wenn die Kalorienzahl auf dem Papier gleich sein mag. Auf Lebensmitteletiketten, die Informationen über den Nährwert immer noch mit Hilfe kruder Kalorienangaben aufführen (entsprechend dem von Wilbur Olin Atwater im späten 19. Jahrhundert entwickelten System zur Berechnung von Nährwerten), haben sich diese neuesten Entwicklungen noch nicht niedergeschlagen, doch ist dies ein krasses Beispiel dafür, welche Rolle Kochtechniken tatsächlich spielen können.

In vielerlei Hinsicht ist die Geschichte der Nahrungsmittel die Geschichte der Technik. Ohne Feuer kann man nicht kochen. Die Entdeckung des Feuers und die daraus resultierende Kochkunst ermöglichten es uns Menschen, uns vom Affen zum Homo erectus zu entwickeln. Frühe Jäger und Sammler hatten vielleicht keine Küchenmaschine und keinen George-Foreman-Grill, und trotzdem standen ihnen ganz eigene Küchentechniken und Gerätschaften zur Verfügung. Sie benutzten stumpfe Steine, um Nahrung zu zerstoßen, und scharfe Steine, um damit zu schneiden. Sie wussten, wie man geschickt Nüsse und Beeren einsammelte, ohne sich dabei zu stechen oder gar zu vergiften. Sie jagten in hoch oben zwischen Felsspalten versteckten Bienennestern nach Honig und verwendeten Muschelschalen, um das von gebratenen Seehunden heruntertropfende Fett aufzufangen. Was immer ihnen auch fehlte, Einfallsreichtum war es sicherlich nicht.

Dieses Buch erzählt die Geschichte, wie wir lernten, Feuer und Eis zu zähmen, Schneebesen und Löffel zu schwingen, Reiben und Stampfer sowie Mörser und Stößel zu verwenden; und wie wir unsere Hände und Zähne einsetzten, um Nahrung in unsere Münder zu befördern. In unseren Küchen findet sich eine versteckte Intelligenz, und diese beeinflusst, wie wir kochen und essen. Dieses Buch beschäftigt sich nicht mit der Technik der Landwirtschaft (darüber gibt es andere Studien). Auch handelt es nicht von den Techniken und Geräten einer Restaurantküche, die ihre eigenen Notwendigkeiten mit sich bringt. Es geht um die alltägliche Versorgung von Privathaushalten: die Vorteile, die verschiedene Geräte unseren Küchen gebracht haben – und die Risiken.

Wir vergessen leicht, dass Küchentechnologie bis heute eine Frage von Leben oder Tod ist. Die zwei wichtigsten Vorgänge bei der Zubereitung von Nahrung – Schneiden und Erhitzen – sind voller Gefahren. Über die meiste Zeit der Menschheitsgeschichte war Kochen ein düsteres Geschäft, ein stickiges und rauchiges Spiel mit dem Feuer auf extrem beengtem Raum – und das ist es für weite Teile der Weltbevölkerung noch heute. Der Weltgesundheitsorganisation zufolge sterben in Entwicklungsländern jährlich eineinhalb Millionen Menschen an Rauchvergiftung, hauptsächlich aufgrund von Küchenfeuern in Innenräumen. Offene Feuerstellen waren auch in Europa über Jahrhunderte hinweg Todesursache Nummer eins. Frauen waren aufgrund der heiklen Kombination aus bauschigen Röcken, herunterhängenden Ärmeln und brodelnden Kesseln ganz besonders gefährdet. In gutbetuchten Haushalten waren professionelle Köche bis ins 17. Jahrhundert fast ausschließlich Männer, und sie arbeiteten wegen der glühenden Hitze oft nackt oder nur in Unterwäsche. Den Frauen waren dagegen die Milchkammer oder die Spülküche vorbehalten, wo ihre Röcke kein so großes Problem darstellten.

Eine der größten Revolutionen in der britischen Küche war die Einführung von gemauerten Ziegelherden mit Kaminanschluss und gusseisernen Feuerrosten im Laufe des 16. und 17. Jahrhunderts. Eine ganz neue Art von Küchengeräten kam in Verbindung mit dieser neuartigen Kontrolle von Wärme auf: Plötzlich war die Küche nicht mehr jener schmutzige und schmierige Ort, und Töpfe aus glänzendem Kupfer und Zinn traten an die Stelle rußgeschwärzten Gusseisens. Die sozialen Folgen waren ebenfalls enorm. Endlich konnten Frauen Essen zubereiten, ohne sich dabei in Brand zu setzen. Es ist kein Zufall, dass die ersten von Frauen für Frauen verfassten Kochbücher in Großbritannien erschienen, eine Generation nachdem der geschlossene Herd zur Norm wurde.

Küchengeräte entstehen nicht einzeln, sondern in Gruppen. Zunächst wird eines erfunden, dann benötigt man weitere Geräte als Hilfsmittel für das erste. Die Geburt des Mikrowellenherdes führte zu mikrowellengeeignetem Geschirr und hitzebeständiger Frischhaltefolie. Tiefkühlgeräte riefen einen plötzlichen Bedarf an Eiswürfelschalen hervor. Antihaftbeschichtete Bratpfannen benötigten Pfannenwender, die keine Kratzer hinterließen. Zusammen mit dem althergebrachten offenen Herd verließ uns eine Vielzahl damit zusammenhängender Geräte: Feuerböcke und Gitterroste, damit die Holzscheite nicht nach vorne wegrollen konnten; Bratroste, um darauf Brot zu rösten; große metallene Grillschirme, die man vor das Feuer stellte, um den Garvorgang zu beschleunigen; verschiedene Bratenwender, um gebratenes Fleisch am Spieß zu drehen; Kellen, Schöpflöffel und Gabeln aus Eisen mit extrem langen Stielen. Mit dem Ende des offenen Herdes verschwanden auch die damit verbundenen Geräte.

Für jedes Küchengerät, das überlebt hat (wie Mörser und Stößel) mussten unzählige andere weichen. Heute benötigen wir keine Steingutflaschen, keine Brathaken, Bratgabeln und Ofenhaken und keine Kesseleisen und Staubsiebe mehr, obwohl sie damals auch nicht überflüssiger erschienen als unsere heutigen Ölspender, elektrischen Kräuterhäcksler und Eisportionierer. Küchengeräte erlauben einen faszinierenden Einblick in die Dinge, die eine Gesellschaft gerade beschäftigen. Während der georgianischen Zeit liebte man in Großbritannien geröstetes Knochenmark und erfand eigens einen speziellen Silberlöffel, mit dem man es verspeiste. Die Maya bewiesen große Kunstfertigkeit bei der Fertigung der Kalebassen, aus denen sie ihre heiße Schokolade tranken. Wenn man sich in unseren Geschäften für Küchenbedarf umsieht, könnte man meinen, wir wären momentan in der westlichen Welt von Espresso, Paninis und Cupcakes besessen.

Technik ist die Kunst des Möglichen. Sie wird vom menschlichen Verlangen bestimmt – sei es der Wunsch, bessere Cupcakes zu backen, oder der Drang, einfach nur zu überleben –, aber auch von den zu einem bestimmten Zeitpunkt verfügbaren Materialien und dem zugänglichen Wissen. Konservennahrung wurde erfunden, lange bevor man sie mit Leichtigkeit verwenden konnte. Im Jahr 1812 erhielt der Franzose Nicolas Apperts ein Patent für sein revolutionäres neues Konservierungsverfahren, während die erste Konservenfabrik 1813 im Londoner Stadtteil Bermondsey eröffnet wurde. Und doch dauerte es weitere 50 Jahre, bis es jemandem gelang, einen Büchsenöffner zu erfinden.

Das Aufkommen eines neuen Küchenspielzeugs führt zunächst oft zu eifriger und letztlich übermäßiger Nutzung, bis der Reiz des Neuen abklingt. Abraham Maslow, Selbstverwirklichungsguru des 21. Jahrhunderts, sagte einmal, dass jemandem, der nur über einen Hammer verfügt, die ganze Welt wie ein Nagel erscheinen muss. Dasselbe geschieht in der Küche. Der Frau, die gerade einen elektrischen Mixer erworben hat, scheint die ganze Welt eine Suppe zu sein.

Nicht bei jeder Erfindung für die Küche handelte es sich jedoch um eine offensichtliche Verbesserung. Meine Küchenregale sind Friedhöfe verstorbener Leidenschaften: der automatische Entsafter, von dem ich annahm, er würde mein Leben verändern, bis sich zeigte, dass ich seine Reinigung nicht ertragen konnte; der elektrische Reiskocher, der ein Jahr lang perfekten Reis zubereitete und ihn dann von einem Tag auf den anderen wirklich jedes Mal verbrannte; der Bunsenbrenner, mit dessen Hilfe ich in meiner Vorstellung reihenweise elegante Crème brûlées für Dinnerparties zubereitete, die ich letztlich niemals gab. Wir alle können uns an Beispiele mehr oder weniger sinnloser Küchenhelfer erinnern: Kugelausstecher für Melonen, Avocadoschneider, Knoblauchschäler. Worauf wir nur entgegnen können: Was war denn falsch an Löffeln, Gabeln und Fingern? Unsere Kochkunst profitiert von allerlei unbeachteter Ingenieurskunst, doch gibt es Geräte, die mehr Probleme schaffen als lösen, und andere wiederum, die hervorragend funktionieren, wenn auch auf Kosten der Menschen.

Technikhistoriker zitieren oft das Erste Kranzberg'sche Gesetz (das von Melvin Kranzberg 1986 in einem bahnbrechenden Aufsatz formuliert wurde): »Technik ist weder gut noch böse; noch ist sie neutral.« Für die Küche gilt das auf jeden Fall. Werkzeuge und Geräte sind keine neutralen Objekte. Sie verändern sich, wenn der soziale Kontext sich verändert. Mörser und Stößel bedeuteten für einen römischen Sklaven sicher nicht dasselbe wie für mich, denn während er für das Vergnügen seines Herrn Stunde um Stunde Mischungen zerstampfen musste, damit sie sich perfekt miteinander verbanden, sind Mörser und Stößel für mich einfach nur angenehme Geräte, mit denen ich aus reinem Spaß an der Freude Pesto zubereiten kann.

Zu keinem Zeitpunkt der Geschichte erhalten wir zwangsläufig all die Hilfsmittel, die – absolut gesehen – unser Essen besser und unser Leben leichter machten. Wir bekommen, was wir uns leisten können und was unsere Gesellschaft akzeptiert. Seit den 1960er Jahren haben verschiedene Historiker die Ironie hinter der Tatsache betont, dass der Zeitaufwand, den amerikanische Hausfrauen seit Mitte der 1920er Jahre der Hausarbeit einschließlich des Kochens widmen, gleich geblieben ist, trotz all der technischen Verbesserungen, die im Laufe dieser 40 Jahre auf den Markt gekommen sind. Ungeachtet all der Spülmaschinen, elektrischen Mixer und automatischen Müllschlucker arbeiteten Frauen genauso hart wie eh und je. Warum? Ruth Schwartz Cowan stellte in ihrer programmatischen Schrift More Work for Mother aus dem Jahr 1983 fest, dass es, rein technisch gesehen, keinen Grund gebe, warum in Amerika keine Gemeinschaftsküchen existierten, in denen mehrere Haushalte gemeinsam kochen konnten. Aber diese Möglichkeit wurde nie flächendeckend genutzt, da das Konzept einer öffentlichen Küche sozial verpönt ist: Amerikaner leben, wie der Rest von uns auch, in der Regel am liebsten in kleineren Familieneinheiten, so irrational das auch sein mag.

Küchengeräte – besonders die schicken und teuren, die man auf Homeshopping-Kanälen kaufen kann – werben mit dem Versprechen, dass sie das Leben verändern werden. Oftmals geschieht dies jedoch auf recht unerwartete Weise. Man kauft eine Küchenmaschine, die das Kuchenbacken unfassbar schnell und einfach macht. Und so drängt sich das Gefühl auf, dass man Kuchen backen müsste, während die Herstellung von Kuchen vor dem Erwerb der Küchenmaschine so arbeitsintensiv war, dass man ihn lieber gleich irgendwo kaufen ging. Also kostet dieses Küchengerät letztendlich mehr Zeit, als es einspart. Hinzu kommt noch die Begleiterscheinung, dass man einige wertvolle Zentimeter Raum auf der Arbeitsfläche einbüßt, weil dort Platz für die Maschine geschaffen werden muss; ganz zu schweigen von den vielen Stunden, die man später damit verbringt, die Schale und das Zubehör zu reinigen und das Mehl aufzuwischen, das bei Inbetriebnahme des Geräts überall verteilt worden ist.

Nur weil eine Technik existiert, bedeutet das nicht zwangsläufig, dass wir sie auch nutzen müssen. Kein Küchengerät ist so simpel, dass es nicht irgendjemand irgendwo schon einmal mit der Begründung abgelehnt hätte, es sei »den Ärger nicht wert«. Und doch entspricht es den Tatsachen, dass die meisten unserer Küchen sehr viel mehr enthalten, als wir eigentlich benötigen. Wenn man den Punkt erreicht hat, an dem sich die Küchenschubladen nicht mehr öffnen lassen, weil sie bis zum Rand mit Teigrollen, Reiben und Pfannenwendern vollgestopft sind, ist es an der Zeit, sich von ein paar Stücken zu trennen. Ein talentierter Koch könnte im Extremfall gut mit nichts weiter als einem scharfen Messer, einem Holzbrett, einer Bratpfanne, einem Löffel und irgendeiner Art Wärmequelle zurande kommen. Aber möchte man das überhaupt? Teil dessen, was das Kochen so aufregend macht, ist doch gerade, wie sich das ewig währende Geschäft der Nahrungsaufnahme im Laufe der Jahrzehnte subtil verändert. Ich bin sicher, dass mein Frühstück in zehn oder zwanzig Jahren anders aussehen wird als jetzt, selbst wenn ich an Kaffee, Toast, Butter, Marmelade und Saft festhalten sollte. Wenn man vergangenen Erfahrungen trauen kann, lehren sie uns, dass einige der Techniken und Gerätschaften, die sich einst so gut und richtig anfühlten, plötzlich unpassend erscheinen. Ich beginne bereits, die Anschaffung des Brotbackautomaten zu bereuen – ein fürchterlich hässliches Teil, noch dazu immer dieses Loch vom Knethaken in der Mitte des Laibes – und kehre zu den alten Lowtech-Verfahren zurück, indem ich gutes Sauerteigbrot beim Bäcker kaufe oder mit meinen eigenen Händen herstelle. Meine Espressomaschine hat während der Arbeit an diesem Buch endlich den Geist aufgegeben, und gerade erst habe ich die AeroPress für mich entdeckt, ein erstaunlich günstiges, manuell zu bedienendes Gerät, das mit Hilfe von Luftdruck tiefschwarze Kaffee-Essenz zubereitet. Bezüglich der Marmelade reizt mich der Gedanke, mich nach einem elektrischen Küchenhelfer umzusehen und einen automatischen Marmeladenkocher anzuschaffen.

Und was den Rest angeht, wer kann schon sagen, ob ein gemütlich eingenommenes Frühstück wie meines in ein paar Jahren überhaupt noch üblich sein wird? Orangen aus Florida könnten unerschwinglich werden, weil Windparks Plantagen für Zitrusfrüchte ersetzen, um den steigenden Energiebedarf zu decken. Bei Butter könnte es sich ähnlich verhalten (obwohl ich dafür bete, es möge nie geschehen), da Weideland aus Effizienzgründen in Anbaugebiete für Futterpflanzen umgewandelt wird. Vielleicht werden wir in den Hightech-Küchen der Zukunft unser Frühstück in Form von »koffeinhaltigem Speck« oder »Grapefruit mit Speckgeschmack« zu uns nehmen, wie es sich Matt Groening in einer Folge von Futurama vorstellt. Eines ist jedoch sicher: Wir werden nie über die Technik des Kochens selbst hinausgelangen. Göffel mögen kommen und gehen, Mikrowellen ansteigen und wieder fallen, aber die Menschen werden stets über Küchengeräte verfügen. Feuer, Hände und Messer werden wir immer haben.

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Töpfe und Pfannen

»Töpfchen, koche.«Gebrüder Grimm, Der süße Brei, 1819»Das Gesottene ist das Leben, das Gebratene der Tod.«Claude Lévi-Strauss, DerUrsprung der Tischsitten, 1968 [dt. 1973]

Der von mir am meisten benutzte Kochtopf ist wirklich nichts Besonderes. Am Anfang meiner Ehe habe ich ihn als Teil eines zehnteiligen Sets im Sonderangebot einer Versandhausbeilage der Sonntagszeitung gekauft, und damals hatte der Gedanke, glänzende und vor allem zusammenpassende Töpfe und Pfannen zu besitzen, auf geheimnisvolle Weise etwas Erwachsenes – besonders im Gegensatz zu dem Sammelsurium angeschlagenen Emaillegeschirrs meiner Studentenjahre. Das Set war aus rostfreiem Stahl. In der Anzeige stand: »Wenn Sie jetzt bestellen, sparen Sie soundso viel und erhalten einen Milchtopf gratis dazu!« Also bestellte ich. Diese Töpfe und Pfannen haben uns gute Dienste getan. Eine ganze Weile haben wir sogar den Gratis-Milchtopf benutzt, um Milch für die Frühstücksflocken meiner Tochter zu erwärmen – obwohl er ärgerlicherweise keinen Ausguss hatte, weshalb wir hin und wieder ein wenig Milch auf der Arbeitsplatte verschütteten. Und dann, eines schönen Morgens, fiel einfach so der Griff ab. Trotzdem schätzen wir die Töpfe und Pfannen alles in allem sehr. Dreizehn Jahre später habe ich es noch immer nicht geschafft, auch nur eines der Teile vollständig zu zerstören. Sie haben verbranntes Risotto, auf dem Herd vergessene Schmorgerichte und klebriges Karamell ertragen. Edelstahl mag Wärme nicht so gut leiten wie Kupfer und sie auch nicht so gut halten wie Gusseisen oder Keramik, und er mag auch nicht so

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