Ameisen im All: 5 Science Fiction Abenteuer - Wilfried A. Hary - E-Book

Ameisen im All: 5 Science Fiction Abenteuer E-Book

Wilfried A. Hary

0,0

Beschreibung

Diese Band enthält folgende SF-Abenteuer (399) von Wilfried A. Hary: Ameisen Roboter Jan Im Zeichen der Gewalt Kawilas Mission Die Rechte Hand Gottes »Das Ende einer Welt – und der Neubeginn!« Großbruder der Wissenschaften Irv Sturg hatte sich nicht geirrt. Der hohe Besucher war kein anderer als der Weltpräsident persönlich. »Mein lieber Großbruder Sturg!«, rief er scheinbar erfreut und eilte auf ihn zu. Er breitete die Arme aus, ergriff Sturgs Rechte und schüttelte sie kräftig. »Wir haben uns schon eine Ewigkeit nicht mehr gesehen.« Irv Sturg nickte. »Ja, das stimmt, und leider ist der Anlass nicht ganz so gut wie erwünscht.« Sofort wurde der Präsident ernst. Die beiden Männer nahmen Platz. Auch Ina Wiard, die oberste Chefin der Sicherheit, war eingetreten. Doch sie hielt sich im Hintergrund. »Ich erfuhr von meinem Vertreter, dass Sie recht ketzerische Ansichten verbreiten«, eröffnete der Präsident stirnrunzelnd. Sturg sah zu der Sicherheitsbeauftragten hinüber. »Sie sind doch eine hochintelligente Kyphorerin, Bürgerin Wiard. Wie kommt es, dass es niemand schlecht findet, wenn ein Computer uns zu regieren beginnt?«

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 252

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Wilfried A. Hary

Ameisen im All: 5 Science Fiction Abenteuer

UUID: 7648a175-6f3b-474a-b18b-abf469574976
Dieses eBook wurde mit StreetLib Write (https://writeapp.io) erstellt.

Inhaltsverzeichnis

Ameisen im All: 5 Science Fiction Abenteuer

Copyright

Ameisen

Roboter Jan

Straße ins All 4: Mission eines Sternengottes

Im Zeichen der Gewalt

Kawilas Mission

Die rechte Hand Gottes

Ameisen im All: 5 Science Fiction Abenteuer

Wilfried A. Hary

Diese Band enthält folgende SF-Abenteuer

von Wilfried A. Hary:

Ameisen

Roboter Jan

Im Zeichen der Gewalt

Kawilas Mission

Die Rechte Hand Gottes

»Das Ende einer Welt – und der Neubeginn!«

Großbruder der Wissenschaften Irv Sturg hatte sich nicht geirrt. Der hohe Besucher war kein anderer als der Weltpräsident persönlich.

»Mein lieber Großbruder Sturg!«, rief er scheinbar erfreut und eilte auf ihn zu. Er breitete die Arme aus, ergriff Sturgs Rechte und schüttelte sie kräftig.

»Wir haben uns schon eine Ewigkeit nicht mehr gesehen.«

Irv Sturg nickte. »Ja, das stimmt, und leider ist der Anlass nicht ganz so gut wie erwünscht.«

Sofort wurde der Präsident ernst. Die beiden Männer nahmen Platz. Auch Ina Wiard, die oberste Chefin der Sicherheit, war eingetreten. Doch sie hielt sich im Hintergrund.

»Ich erfuhr von meinem Vertreter, dass Sie recht ketzerische Ansichten verbreiten«, eröffnete der Präsident stirnrunzelnd.

Sturg sah zu der Sicherheitsbeauftragten hinüber. »Sie sind doch eine hochintelligente Kyphorerin, Bürgerin Wiard. Wie kommt es, dass es niemand schlecht findet, wenn ein Computer uns zu regieren beginnt?«

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker

© Roman by Author

© dieser Ausgabe 2023 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Alle Rechte vorbehalten.

www.AlfredBekker.de

[email protected]

Folge auf Facebook:

https://www.facebook.com/alfred.bekker.758/

Folge auf Twitter:

https://twitter.com/BekkerAlfred

Erfahre Neuigkeiten hier:

https://alfred-bekker-autor.business.site/

Zum Blog des Verlags!

Sei informiert über Neuerscheinungen und Hintergründe!

https://cassiopeia.press

Alles rund um Belletristik!

Ameisen

Wilfried A. Hary

»Die gefährliche Mission im Weltraum

- wird zur Expedition von Ameisen!«

Till Finish lehnte sich zurück. Ein letztes Mal vor dem Start blickte er sich in der Raumkapsel um. Sam Brownstone und Phil Kessling hatten die Augen geschlossen. Es war ihre Methode, die ungeheure Spannung zu bekämpfen, unter der sie alle litten.

Sie hatten auch allen Grund zur Nervosität, denn sie saßen im dritten bemannten Raumschiff, das auf den Weg zum Jupitermond Ganymed geschickt wurde. Würden sie verschollen bleiben wie die anderen?

Till Finish schauderte es. Sie waren Freiwillige. Das All lockte sie. Unter Hunderten hatte man sie ausgewählt. Eigentlich wurde ihm jetzt erst bewußt, daß es in der Tat nichts anderes als ein... Himmelfahrtskommando war.

»Kamikaze!« knurrte er.

Sam Brownstone blinzelte kurz, schloß aber sofort wieder die Augen. Er sagte nichts.

»Zweiundzwanzig!« berichtete die Computerstimme, die den Countdown zählte.

Finish dachte an die LX 7. Damit hatte alles begonnen. Es war der erste bemannte Flug für eine solche Entfernung gewesen - nicht einmal ursprünglich mit Ganymed als gestecktes Ziel. Die Besatzung sollte vielmehr den Jupiter selbst und - sozusagen als Nebenprodukt - außerdem ALLE seine Monde erkunden. Nicht nur den Ganymed. Und dann plötzlich der Hilferuf: »Ganymed! Er - ist...« Die Verbindung brach ab. Seitdem hatte man von der Kapsel nie mehr etwas gehört oder gesehen.

»Siebzehn!« sagte der Computer.

Verdammt! dachte Finish. Jetzt kann ich nicht mehr aussteigen. Da hab' ich mich vielleicht auf was eingelassen. Dabei kann sich kein Mensch erklären, was mit Ganymed sein soll. Einige automatische Sonden haben das Sonnensystem abgeklappert. Es gibt ungezählte Aufnahmen auch von Ganymed. Nichts Besonderes. Ein Gesteinsbrocken, der seiner ewigen Bahn um den Jupiter folgt. Und das zweite bemannte Raumschiff ist seit seinem Erkundungsflug ebenfalls verschwunden. Von denen hörte man nicht einmal mehr einen Hilferuf.

»Acht!«

Finish versuchte, sich auf die Computerstimme zu konzentrieren. Aber das beruhigte ihn ganz und gar nicht. Mit jeder Sekunde wurde ihm die Unabwendbarkeit seines Schicksals tragischer bewußt.

»Zero!«

Gleichzeitig brüllten die Triebwerke los. Die Startrampe summte wie mindestens eine Billion Hornissen. Der Boden erschütterte. Das Raumschiff ritt auf einem Feuerstrahl und zusätzlich stabilisiert und beschleunigt von starken Magnetfeldern durch den zweihundert Meter tiefen Schacht nach oben. Die Anlage pumpte hinter ihm alle verbrannten Gase ab.

Wie eine Kanonenkugel verließ die riesige Kapsel den Schacht. Die Beschleunigungsstufe löste sich und wurde abgefangen.

Die drei Astronauten rasten in den Himmel. Die mörderischen Andruckkräfte der Anfangsphase waren zwar weitgehend von außen neutralisiert worden, aber der plötzliche Wechsel nach Beendigung der Beschleunigung zum freien Fall machte ihnen arg zu schaffen.

Vielleicht wäre das gute, alte Space-Shuttle doch besser gewesen, um auf eine so große Reise zu gehen? dachte Finish flüchtig. Er konnte sich einfach nicht an die Aussage gewöhnen, daß sie so schneller auf Kurs sein sollten. Und doch war es so: Sie hätten erst in Erdumlaufbahn umsteigen müssen in die Raumstation. Von dort aus dann in das eigentliche Raumschiff, das dann im sogenannten Swing-by...

Egal, Schwamm drüber! dachte er, während die vergewaltigten Luftmassen rund um die Kapsel donnernd protestierten. Sie bremsten den Flug, als wollten sie das Raumgefährt auf die Erde zurückreißen. Aber sie hatten genauso wenig Chancen wie die Erdschwerkraft. Die Kapsel schüttelte ihre Fesseln ab und erreichte den freien Weltraum.

Und schon hatten sie die Erdumlaufbahn der Raumstation hinter sich.

Recht haben die ja, dachte Finish: Es geht wesentlich schneller! - Eigentlich dachte er nur deshalb über den Unterschied zu einem Space-Shuttle-Flug nach, um nicht länger Bedenken haben zu müssen, was die Reise an sich betraf.

Brownstone und Kessling öffneten ihre Augen und taten auf einmal sehr routiniert. Sie machten sich an die Arbeit. Kessling meldete per Funk: »Orbit! Erste und einzige Umkreisung. Vorberechnete Spiralbahn. Werte konstant.«

Finish und Brownstone funkten ebenfalls, jeder für seinen eigenen Bereich: »Werte konstant!«

Die Zeiten, in denen zwischen Raumschiff und Bodenstation viel Geplauder stattfand, waren ebenfalls längst vorbei. Man beschränkte sich auf das absolut Notwendige. Till Finish bedauerte auch das irgendwie. Er hätte einen Menschen gebraucht, der ihm in seiner Situation Mut machte. So begnügte er sich halt eben mit Routinearbeit.

Bis nichts mehr zu tun war. Die nächste Stufe wurde gezündet. Sie waren endgültig unterwegs zum Ganymed - und zu ihrem eigenen Tod?

*

Phil Kessling bedeckte ergeben die Augen mit der rechten Hand. »Ist es wirklich möglich, oder fange ich an zu spinnen? Hat der Kerl doch tatsächlich eines seiner Bücher mit an Bord geschmuggelt...«

Till Finish grinste verzerrt. »Mit Buch macht es ihm erst so richtig Spaß, nicht wahr, Sam?«

Brownstone ging überhaupt nicht darauf ein. Er beschäftigte sich lieber mit seinem Buch. FABELN stand in großen Lettern auf dem Einband. Er klappte ihn auf. Das Inhaltsverzeichnis. Erste Geschichte: »Expedition der Ameisen« - Seite 8.

Er blätterte weiter. Da war sie. Die Spötteleien seiner Kameraden prallten wirkungslos an ihm ab. In einer Stunde begann die erste Periode des Kälteschlafes. Es gab an Bord nichts mehr zu tun für sie. Brownstone würde die Zeit auf seine Weise nutzen - indem er sich seiner liebsten Lektüre widmete.

Er hörte noch die Worte von Till Finish: »Auch noch Fabeln... Das Kind im Manne, wie?«

Sam Brownstone versank in der Story. Die Ameisen.

»Wir dürfen keine Trupps mehr aussenden«, warnte die eine. »Keine der Gefährtinnen ist zurückgekehrt. Eine Todesfalle.«

Die Königin blickte ernst in die Runde.

»Wir müssen es dennoch wagen. Eine Gefahr, die man nicht kennt, ist eine Bedrohung für alle. Wir müssen sie erforschen, um sie bekämpfen zu können.«

Betretenes Schweigen antwortete ihr. Niemand meldete sich freiwillig. Doch, eine: »ICH werde gehen!«

War einmal der Anfang gemacht, meldeten sich noch mehr Mutige. Entschlossenheit funkelte in ihren Augen. Was die Königin sagte, war schließlich Gesetz. Und recht hatte sie sicherlich auch: Sollten sie sich denn lieber feige zurückziehen und warten, bis die Gefahr letztlich zu ihnen kam? Sollten sie immer und ewig in Angst vor dem Morgen leben? - Nein, Probleme waren schließlich dazu da, gelöst zu werden. Und tödliche Rätsel genauso!

Sie redeten sich das ein - und meldeten sich.

Die Königin war zufrieden. Sie stellte aus den Besten der Freiwilligen einen Spähtrupp zusammen. Und unter dem Jubel der anderen machte der sich dann auf den Weg...

»He, Sam, es ist soweit!«

Sam Brownstone schreckte auf. Wie denn, eine ganze Stunde lang hatte er gelesen?

Natürlich nicht. Schließlich brauchten sie Zeit für die nötigen Vorbereitungen. Erst dann konnte der Kälteschlaf beginnen.

Brummig verstaute er das Buch und ging zu dem Ding hinüber, das sie »Kasten« nannten. Mehr war es ja auch nicht. Wenigstens nach außenhin. Welche enorme Technik darin schlummerte, ahnte man nicht einmal. Jedenfalls hatte jeder von ihnen so einen Kasten, und darin waren sie geschützt wie im eigenen Sarg.

Gottlob sorgte eine ständige Taumelbewegung des Schiffes für eine annehmbare Schwerkraft. Sie konnten sich fast wie auf der Erde bewegen.

Die nötigen Handgriffe hatten sie daher bald hinter sich. Till Finish setzte seine Einschlafautomatik als letzter in Gang, denn er war der Kommandant der kleinen Crew.

*

Ihre Laufklauen schmerzten vom vielen Krabbeln. Es ging bergauf und bergab. Endlich erreichten sie den verlassenen Ameisenhaufen: Ihre alte Stadt. Mit Schaudern dachten sie an die zurückliegende Verlegung. Ein gehöriges Stück Arbeit, zu der sich die Königin wegen der drohenden Gefahr entschlossen hatte. Dennoch war die Angst geblieben. Sie hatte sie während der gesamten Evakuierung begleitet.

Am Fuße des Haufens, der wie ein Berg vor ihnen aufragte, legten sie eine kurze Rast ein. Dann ging es weiter. Ein beschwerlicher Weg. Sie krabbelten den steilen Hang empor, kamen an den ersten Schlupflöchern vorbei, sicherten immer wieder nach allen Seiten. Die verlassene Ameisenstadt flößte ihnen Angst ein. Konnten sie schon hier der Bedrohung erliegen?

Schließlich wußten sie noch immer nicht, wie diese Bedrohung überhaupt aussah.

Über die Hälfte des Hügels hatten sie bereits erklommen, als es geschah: Der Boden gab unter ihren Laufklauen nach. Verzweifelt schlugen sie mit den Beinen. Sie hätten es wissen müssen. Der Hügel war durch Regen morsch, die Gänge brüchig geworden.

Verzweifelt schrien sie - bis ihre dünnen Stimmchen von den Erdmassen abgeschnitten wurden, die über sie einstürzten, bis es stockfinster um sie wurde und sie vergeblich nach Luft schnappten...

Das Buch segelte im hohen Bogen durch die Zentrale und krachte gegen die gegenüberliegende Wand.

Sam Brownstone sah mit weit aufgerissenen Augen, daß sich der Boden unter ihm wegdrehte. Instinktiv hielt er sich an seiner zum Sessel verwandelten Andruckliege fest. Gottlob war er angeschnallt - wie es der Bordvorschrift entsprach. Das verhinderte, daß er dem Buch folgte und quer durch die Zentrale flog.

Den anderen erging es ebenso.

»Was ist los?« brüllte er.

»Meteoriten!« antwortete Till Finish.

Das Licht flackerte. Die Wandungen knackten und knisterten. Von außen schienen Hagelkörner dagegen zu prasseln.

Der zweite Stoß traf die Raumkapsel.

Brownstone blickte zum Panoramafenster. Immer wieder zuckten Lichtblitze auf: Die Laserkanone, vom Computer gesteuert. Die größeren Brocken wurden abgeschossen, ehe sie die Kapsel zerschmettern konnten. Ganz schaffte es der Computer offensichtlich dennoch nicht, alle Meteoriten abzuhalten.

Jetzt wußte Brownstone, daß das Chaos an Bord ebenfalls vom Computer verursacht wurde: Er hatte ein Ausweichmanöver durchgeführt. Es hatte so schnell gehen müssen, daß nicht einmal Zeit für eine Warnung an die Besatzung geblieben war.

Die automatische Ortung reagierte eben besser als es ein Mensch je vermocht hätte. Das war bei solchen Geschwindigkeiten auch nötig.

Till Finish knurrte ärgerlich: »Laut Vorschrift hat sich die Besatzung stets anzuschnallen. Wieso rutscht du also dort am Boden herum, Sam?«

»Ich suche meine Buch!«

»Du Wahnsinniger, die Gefahr ist längst noch nicht vorbei!«

Unwillkürlich lauschten sie. Das Prasseln hatte aufgehört. Finish schaltete den optischen Alarm aus. Das war mit dem Befehl an den Computer verbunden, den alten Kurs wieder einzunehmen.

Das Rechengehirn gehorchte.

Diesmal war die Besatzung vorbereitet. Die Korrekturstöße aus den Hilfsraketen geschahen dosiert und machten sich kaum bemerkbar.

Phil Kessling atmete auf. Er nahm einen Kurzcheck vor. »Die Außenwand ist reichlich angekratzt. Ansonsten ist alles in Butter«, kommentierte er.

»Ich hab's endlich wieder gefunden!« meldete Sam Brownstone seinerseits erfreut und hielt triumphierend sein Buch hoch. Dann hielt er es wie einen besonderen Schatz.

Finish schüttelte den Kopf. »Mit dir haben wir uns vielleicht was aufgehalst... Anscheinend ist dir die Fabelsammlung sogar wichtiger als dein eigenes Leben?«

Sam Brownstone kehrte stumm zu seinem Platz zurück. Sie nahmen gemeinsam einen Gesamtcheck vor, um wirklich sicher zu sein, daß wieder alles in Ordnung war.

Till Finish strahlte schließlich seinen Bericht per Funk an die Erde ab.

Beinahe hätte er Sam Brownstones Schrulle mit den Fabeln mit in den Bericht eingebracht. Im letzten Augenblick verkniff er es sich.

Aber er nahm sich fest vor, nach seiner Rückkehr eine Änderung der »Teilbestimmung über das Mitführen von privaten Gegenständen auf Raumreisen durch Astronauten« zu beantragen.

Nach getaner Arbeit blieb Brownstone noch genügend Zeit, sich dem weiteren Schicksal der Ameisen zu widmen - vor der nächsten Kälteschlaf-Periode. Er las, wie sich die Tierchen von den Erdmassen befreiten und ihren weiteren Weg festlegten. Ihr Mut hatte einen erheblichen Dämpfer bekommen. Doch sie gaben nicht auf.

Abermals wurde Brown­stone gestört: durch Phil Kessling.

»Was ist eigentlich los mit dir, Sam? Jede freie Minute widmest du dem Buch. Es ist der Atmosphäre an Bord sehr abträglich. Wir sind eine verschworene Gemeinschaft, und es wirkt sich negativ aus, wenn sich einer wie du von allen anderen in einem solchen Maße abkapselt. Und dann auch noch mit Lesen! Wenn es nur wenigstens ein Computerspiel wäre oder so...«

Sam schaute auf. In seinen Augen irrlichterte es.

»Wir sollten den Flug zum Ganymed abbrechen - sofort!« murmelte er.

Till Finish und Phil Kessling tauschten einen bedeutsamen Blick.

Um die Mundwinkel von Finish zuckte es. »Abbrechen, eh?«

Sam warf einen Blick auf das aufgeschlagene Buch. Die Ameisen marschierten zwar weiter, aber im Moment stritten sie sich. Eine plädierte für Rückkehr.

Sam las wörtlich: »Doch ihre Gefährtin mußte einsehen, daß die anderen recht hatten. Eine erkannte Gefahr ist eine halbe Gefahr. Sie hatten sich freiwillig gemeldet, hatten wohl gewußt, daß sie vielleicht der Tod erwartete. Deshalb...«

Till Finish sagte gleichzeitig:

»Sam, sei nicht kindisch. Wir haben uns freiwillig für dieses Kommando gemeldet. Selbst wenn es unser Leben kostet: Eine erkannte Gefahr ist eine halbe Gefahr. Unsere Aufgabe ist es, für Klarheit zu sorgen, damit...«

»Nein!« stöhnte Sam Brownstone. Etwas wie Wahnsinn flackerte in seinen Augen. »Nein!«

Finish blinzelte irritiert. »Wie bitte?«

»Raumkoller!« diagnostizierte Phil Kessling. Er machte Anstalten, sich auf Sam zu stürzen.

Sam Brownstone gewahrte es gar nicht. »Dasselbe steht in diesem Buch, Till, begreifst du das? Die Expedition der Ameisen läuft parallel zu UNSERER Expedition!«

Till Finish gab Kessling einen Wink. Die Haltung des Astronauten entspannte sich wieder. Finish war der Kommandant. Wenn er der Meinung war, daß sie Brownstone noch nicht einzusperren brauchten, würde sich Kessling dieser Meinung beugen.

Finish nahm das Buch an sich. Sam tat nichts dagegen. Er glaubte wohl, daß er nachlesen wollte, aber der Kommandant hatte anderes im Sinn: Er klappte das Buch zu. »Ich werde es in Verwahrung nehmen, Sam. Zumindest bis zum Ende der nächsten Schlafperiode. Ich mache mir nämlich ernstlich Sorgen um dich.«

Sam Brownstone wollte protestieren, doch da begegnete er dem Blick Kesslings, sah er dessen Entschlossenheit. Resignierend zuckte er die Achseln und wandte sich ab.

*

Endlich waren sie oben. Da war das glatte Ding, das direkt aus dem Hügel ragte. Wie ein Baum ohne Äste. Bei Errichtung der Stadt hatte niemand mit einer Gefahr gerechnet.

Es entsprach der Tradition, jeden Hügel an einem Baum anzulegen. Es gab kaum einen Unterschied zwischen einem echten Baum und diesem Ding.

Oder?

Die drei schauten empor. Sie durften nur nicht an ihre Vorgängerinnen denken. Diese waren den gleichen Weg gegangen. Würden auch sie niemals zurückkehren?

Sie zögerten vor dem Aufstieg. Irgendwie kam es ihnen endgültig vor...

»Der Jupiter!« rief Phil Kessling andächtig. Die dritte Wachperiode. Er freute sich wie ein Kind an Weihnachten.

Sam schreckte von seiner Lektüre auf und schaute direkt in das Gesicht seines Kommandanten.

»Jetzt reicht's, Sam! Ich hatte das Buch beschlagnahmt. Du hast es dir einfach wieder genommen. Soll ich dich denn über's Knie legen wie ein unartiges Kind?«

Wortlos legte Sam das Buch weg. Finish musterte ihn feindselig. Aber er streckte seine Hand nicht nach dem Buch aus.

»Jupiter!« rief Kessling erneut.

Sie schauten hinaus. Ein grandioses Schauspiel. Der gigantische Planet erschien so nahe, als könnte man danach greifen.

»Wir sind dicht vor unserem Ziel«, sagte Sam Brownstone, und in Gedanken fügte er hinzu: WIE DIE AMEISEN!

Er ergriff den Arm von Finish.

»Es wäre unsere letzte Chance, Till!« beschwor er den Kommandanten.

Till Finish schüttelte seine Hand ärgerlich ab.

»Was soll das denn noch? Muß ich dir wieder einen Vortrag halten? Ich verspreche dir eines, Sam: Nach unserer Rückkehr werde ich über alles berichten!«

»Und wenn es sowieso keine... Rückkehr mehr für uns gibt?«

Sam senkte den Kopf. Er wandte sich ab und ging zu seinem Buch zurück.

Till Finish ignorierte das - diesmal. Er hatte anderes zu tun. Er schickte einen kurzen Funkspruch zur Erde und fügte die aktuellen Meßdaten hinzu. Der Computer sammelte ständig Informationen. In fünf Minuten würde er mit der Dauersendung beginnen.

Und Brownstone las, daß die Ameisen ihr Ziel endgültig erreicht hatten. War es Ironie des Schicksals, purer Zufall, daß ein Astronaut diese ungewöhnliche Neigung hatte, Tierfabeln zu lesen? Zufall, daß er sich ausgerechnet für dieses Buch und diese Geschichte entschieden hatte?

Sam Brownstone hatte keine Zeit, darüber zu philosophieren. Er las, was den Ameisen widerfuhr. Und danach handelte er...

Die Ameisen starben, wurden von der Hitze verbrannt, und bevor das gleiche den Astronauten widerfuhr, mußte Sam Brownstone eingreifen. Es war keine Zeit mehr, den Kameraden das zu erklären. Er mußte so handeln, wie es die Situation dringend verlangte.

Er sprang zum Schaltpult. Bevor die beiden reagieren konnten, hatte Sam auch schon auf manuell geschaltet und den Beschleunigungshebel nach oben, bis zum Anschlag gedrückt.

Die Kameraden hatten keine Chance mehr, etwas gegen Sam Brownstone zu unternehmen. Im nächsten Moment wurden sie nämlich wie von einer Riesenfaust gepackt und weggerissen. Alle drei - auch Sam - landeten an der gegenüberliegenden Wand. Und sie hatten alle drei Glück, daß sie sich dabei nicht das Genick brachen.

»Wahnsinn!« brüllte Till Finish, und er war fest davon überzeugt, denn er meinte Sam Brownstone. Eine andere Erklärung für dessen Benehmen hatte er einfach nicht.

Wie denn auch?

Und in diesem Augenblick kreuzten sie die Bahn des Ganymed. Nur Sekundenbruchteile kamen sie in den Bereich der allesverzehrenden Hitze. Der Ganymed hauchte sie mit seinem heißen Atem an. Er bemühte sich, ihnen das Gehirn aus dem Schädel zu brennen.

Nur kurz, denn durch die plötzliche Beschleunigung kamen sie sofort wieder aus dem Bereich hinaus.

Nicht schnell genug anscheinend, denn Dunkelheit senkte sich über ihren Verstand...

*

Erwachen. Till Finish war der erste. Verständnislos schaute er sich um.

Schlagartig erinnerte er sich: Die Hitze. Wenn es schon im Innern der Kapsel so heiß geworden war, mußten die Außenfühler des Computers zerstört sein.

Er richtete sich auf. Nach der Alarmbeschleunigung dank Sam Brownstone hatte der Computer wieder das Programm übernommen. Sam Brownstone hatte mit seiner Maßnahme im letzten Augenblick den Kurs hart verändert - im letzten Augenblick vor der allesverzehrenden Hitze. Und der Computer hatte die Aufgabe übernommen, diesen Kurs wieder insoweit zu verändern, daß ihnen überhaupt noch eine Rückkehr zur Erde möglich sein würde.

Till Finish dachte erstaunt: Wir haben diese wahnsinnige Hitze nur ganz am Rande gestreift, sozusagen, und alles war sehr, sehr schnell geschehen. Dank Sam!

Er taumelte zu den Kontrollen.

Sämtliche Systeme total in Ordnung. Keinerlei Beschädigung feststellbar. Der Computer stand außerdem immer noch auf Sendung. Er schickte laufend Daten zur Erde.

Wieviel Zeit ist vergangen?

Till Finish las es ab: Fünf Minuten.

Er gab Signal an den Computer: »Kommandant am Leben!«

Erst danach kümmerte er sich um Sam und Phil. Die beiden erwachten ebenfalls bald wieder.

»Was - was war los?« lallte Phil Kessling.

Till Finish deutete auf Sam Brownstone. »Das sollten wir vielleicht lieber IHN fragen!«

Sam erwiderte seinen kritischen Blick.

»Der Buchstabe!« sagte er tonlos. »Das - das Licht war einfach zu hell. Die - die Ameisen kamen ihm zu nahe.«

Er bemühte sich um ein Lächeln. Es wirkte jedoch reichlich verzerrt.

Dann fuhr er fort: »Die Ameisen... Wie konnten sie auch ahnen, daß sie ihren alten Hügel ausgerechnet um eine Stahlstütze angelegt hatten? Wie konnten sie außerdem ahnen, daß diese Stahlstütze einen Leuchtbuchstaben trug: ein riesiges H. Es gehörte zu einer Schrift: HYDE PARK. Mitten im Park befand sich diese Schrift. Reklame für eine Idylle. Der Stoßtrupp der Ameisen krabbelte auf den Buchstaben. Ein tödliches Risiko: Die Hitze der Leuchtstoffröhre verbrannte sie...«

Till Finish packte ihn an den Schultern. »Und das allein hat für dich genügt... DAS zu tun?«

Sam deutete zum Panoramaschirm hinüber. »Der Ganymed ist der Pfahl... mit dem Buchstaben! Und wir... sind die Ameisen! Aber bei Ganymed ist es nicht einfach nur Licht, für menschliche Augen bestimmt, sondern... psionische Energie. Die Außerirdischen, die es installiert haben, sind vielleicht Telepathen? Deshalb nahmen unsere automatischen Raumkapseln niemals etwas wahr, wenn sie hier Messungen vornahmen. Das menschliche Gehirn allerdings... wird davon zerstört! Verbrannt wie die Ameisen auf dem Leuchtbuchstaben.

- Dies hier ist die erste Expedition, die sich der vollautomatischen Steuerung durch den Computer anvertraut. Hätte ich nicht eingegriffen, würde der Computer nun unsren Tod melden und unsere Leichen zur Obduktion zurück zur Erde bringen. Das Geheimnis würde ein Geheimnis bleiben - trotz unserer Opferung. Ebenso wie der Ameisenstaat nie mehr einen Stoßtrupp losschicken wird, weil der letzte Stoßtrupp nicht lebend zurückkehrte. Das Risiko, weiter zu forschen, wäre einfach zu groß...«

Till Finish trat zum Panoramaschirm und betrachtete den Ganymed - diesmal wieder von der ungefährlichen Seite her. Das Zeichen der Außerirdischen strahlte nämlich aus dem Sonnensystem hinaus. Es war so gigantisch und stark, daß man es gewiß über tausend Lichtjahre hinaus wahrnehmen konnte. - Wenn man einen Sinn dafür hatte.

Vielleicht nur eine Orientierungshilfe bei der interstellaren Raumfahrt jener Wesen - ähnlich einer Art Leuchtturm?

Oder hatte er die Bedeutung wie der Leuchtbuchstabe in der Fabel, der nur denjenigen verbrannte, der leichtsinnigerweise darauf herumkrabbelte?

Till Finish schloß die Augen. Wie mächtig waren solche Wesen, die solches schufen? Waren die Menschen nicht sogar weniger denen gegenüber als... Ameisen?

Etwas wie Ehrfurcht erfüllte ihn. Er wußte, daß diese Entdeckung die Entwicklung auf der ganzen Erde nachhaltig beeinflussen würde - selbst wenn die unvermeidliche direkte - persönliche! - Begegnung mit den Außerirdischen erst in tausend Jahren stattfinden sollte.

Allein das unleugbare Bewußtsein ihrer Existenz würde vollkommen genügen, um den Menschen und seine künftige Geschichte zu verändern!

Ende

Roboter Jan

Wilfried A. Hary

Die Welt - unsere Welt! - ist in Wirklichkeit... eine Welt OHNE MENSCHEN - offenbar!

Ja, zu dieser Erkenntnis kommt der Dreizehnjährige Jan Herwig eines schönen Tages. Ganz überzeugend sogar! Obwohl...

*

Nun, ganz von vorn: Er ist an diesem wirklich wunderschönen Tag im Urlaub mit seinen Eltern. Sie hatten im Lotto gewonnen (das gibt es ab und an tatsächlich). Grund genug für sie, sich zunächst einen wahren Herzenswunsch zu erfüllen, noch bevor sie an andere Dinge dachten, wie Ablösung aller Hypotheken, einen neuen, größeren, besseren Wagen, den modernsten PC - endlich! - je einen für Vater und für Sohn - und so weiter...

Die Reise führte sie hierher in die Südsee, auf eine Insel, die ungefähr so einsam war wie die von Robinson Crusoe. Jedenfalls kam sie Jan so vor: Keine Freunde, keine Action, nicht einmal Zerstreuung, und sogar sein geliebtes Handheld (= tragbares Videospielsystem) durfte er nicht mitnehmen hierher - angeblich, "um die Idylle nicht durch so 'nen Kram zu stören", wie sein Vater meinte.

Kein Wunder, daß er auf "dumme Gedanken" kam und sich ein Floß baute. So hätte es Robinson Crusoe in seiner Situation gewiß ebenfalls getan. Nur hätte der vorher die Meeresströmung beobachtet. Wahrscheinlich. Und die führte schnurstracks von der Insel weg. Für den Original-Robinson gewiß eine gute Sache, für Jan allerdings...

Er ruhte sich nach getaner Arbeit erst einmal aus, sonnte sich auf seinem Floß, ließ sich von der sanften Brandung in der Bucht schaukeln, döste ein... Und als er erwachte, war es längst zu spät: Er war hinausgetrieben auf die offene See, lag in greller, unbarmherziger Sonne, hatte eine dicke, pelzige Zunge und sah nur noch Wasser, so weit sein Auge reichte. Eine flirrende Wasserwüste und dennoch keinen Tropfen zu trinken.

Er wollte schreien, aber seine ausgetrocknete Kehle verließ kein Laut. Die Angst schnürte seinen Brustkorb so fest, daß er glaubte, ersticken zu müssen.

Er schloß die Augen und versuchte, sich zu beruhigen. Bloß keine Panik. Das könnte alles nur noch verschlimmern.

Er riß die Augen wieder auf.

Blödsinn, als wenn es eine solche Verschlimmerung jetzt noch geben könnte...

Wie viele Meilen waren es denn bis zum Festland? Tausend? Ja, in welche Richtung war er denn überhaupt abgetrieben worden?

Verflixt, er war mitgeflogen, hatte sich sogar auf diesen Urlaub gefreut. Er hatte ja nicht ahnen können... Wenn er wenigstens noch einen Blick in die Seekarten geworfen hätte. Er hatte keinen blassen Schimmer, wo er sich hier befand, wußte noch nicht einmal, wo genau diese verflixte Insel lag, auf die ihn seine Eltern verfrachtet hatten.

Das habt ihr jetzt davon! dachte er in einem seltsamen Anflug von Schadenfreude. Aber diese hatte keine rechte Chance, Fuß zu fassen. Die Angst war größer. Sie beherrschte mehr und mehr sein Denken. Er hätte nur noch schreien mögen. Wäre es nur gegangen...

Er suchte den strahlendblauen, unendlichen Himmel ab. Vielleicht ein Flugzeug? Vielleicht suchte man schon nach ihm?

Die wilde Hoffnung ließ ihn keuchen. Er sprang auf. Das primitive Floß schaukelte bedrohlich und wollte ihn abwerfen. Er konnte sich im letzten Moment wieder ducken und festhalten.

Verflixt, vermißte ihn denn gar niemand? Wann merkten die denn überhaupt, daß er nicht mehr da war?

Seit Tagen sind wir auf dieser blöden Insel. Als wäre das Urlaub. Das ist absolut beschissen. Das ist sogar zum Schreien blöd. Und das für all das gute Geld. - Dabei hatten sich seine Eltern echt wohlgefühlt und ihn eigentlich längst vergessen. Er war seiner eigenen Wege gegangen, hatte versucht, irgendwie die Zeit totzuschlagen. Man kann ja nicht den ganzen Tag nur faulenzen, oder? Jan jedenfalls nicht. Er brauchte ein Mindestmaß an Action. Indem er zum Beispiel ein Floß baute. Leider...

Ein Ruck ging durch das Floß. Jan schlitterte darüber hinweg und wäre jetzt doch beinahe ins Wasser gefallen.

Das Ding ist aufgelaufen! schoß es ihm durch den Kopf.

Er schaute in die Richtung und sah - das Land.

Das gibt es doch gar nicht! Ich fange an zu spinnen. Wie die Leute in so einer Wüste. Wenn sie so eine blöde Fata Morgana sehen. Wie kann denn plötzlich Land dort sein, wo es vor Sekunden nur noch Wasser gegeben hat?

Er schaute in die andere Richtung.

Das Wasser war dort immer noch, so weit sein Auge reichte.

Er war auf einen Strand aufgelaufen. Sanft stieg der Strand empor. Am höchsten Punkt gab es eine staubige Buschreihe. Mehr konnte Jan nicht erkennen. Die Küste zog sich scheinbar schnurgerade entlang.

Und da tauchte tatsächlich jemand oben auf.

Jan winkte erfreut, um auf sich aufmerksam zu machen. Zu spät sah er, daß der Mann uniformiert und - bewaffnet war. Er legte sofort mit dem Gewehr auf Jan an. Jan bildete sich ein, genau zu sehen, wie sich der Zeigefinger des Mannes entschlossen um den Abzug krümmte. Trotz der Entfernung.

"He!" rief der Mann, "einer von den verdammten Robotern ist ausgebüchst. Soll ich ihn kaputtschießen?"

Das war nicht an die Adresse von Jan gerichtet. Der Mann hatte es einem anderen zugerufen, den Jan noch nicht sehen konnte.

Was war das gewesen?

Vielleicht ein Verrückter? dachte sich Jan. Und wieso steckte man so einen Kerl in Uniform und ließ ihn frei herumlaufen?

"Bist du verrückt?" rief prompt ein anderer hinter der Buschreihe. Er tauchte jetzt ebenfalls auf. Der zweite Uniformierte: "Du mit deinem Gewehr. Mußt du immer auf alles schießen?"

Der erste ließ tatsächlich sein Gewehr wieder sinken. "Aber die können ganz schön gefährlich werden, diese Dinger. Das hat man uns gesagt."

"Hast du eine Ahnung, was so ein Modell überhaupt kostet? Das schießt man nicht so ohne weiteres kaputt."

"Aber man hat doch keine Verwendung mehr dafür", verteidigte sich der erste erneut. "Bis der gemerkt hat, was hier gespielt wird, muß er ausgeschaltet werden. Und daß er hier ist, beweist uns, daß er aus der Versuchsanordnung und damit aus der Beeinflussung ausgeschieden ist. In einer Art und Weise, daß es kein Zurück mehr für ihn gibt. Der ist für die quasi auf dem Meer verschollen. Für immer."

Sprachs und legte wieder an.

Der Schuß krachte.

Jan war unfähig, sich zu bewegen, geschweige denn, davonzurennen. Das Gerede machte ihn schwindeln. Er verstand zwar jedes einzelne Wort, aber er begriff nichts. Quasi als würden die eine völlig unbekannte Sprache sprechen, wo es zwar bekannte Wörter gab, die aber eine völlig andere Bedeutung hatten.

Die Kugel ging vorbei, denn der zweite hatte rechtzeitig unter das Gewehr geschlagen.

"Nichts da!" befahl er. "Wir nehmen das Ding gefangen und führen es vor. Es liegt nicht an uns, darüber zu entscheiden."

"Das ist Quatsch!" widersprach der erste enttäuscht. Und: "Ach, es wäre so ein guter Schuß gewesen. Direkt ins Schwarze. Die haben genau dort ihre Batterie, wo wir das Herz haben. Das macht es ja so spannend."

Jan tastete unwillkürlich über seine Brust.

Das Herz. Es schlug heftig. Kein Wunder.

Eine Batterie?

Ihm war auf einmal hundeelend. Er glaubte, sich übergeben zu müssen.

Das Herz schlug und schlug. Es trommelte regelrecht von innen gegen die Rippen.

Eine Batterie, wo "die da" - ein Herz hatten?

Schlagartig war die Übelkeit weg. Jedenfalls spürte Jan sie nicht mehr. Alles wurde überschattet vom Zorn. Er ballte die Hände zu Fäusten.

"Was geht hier vor, verflixt und zugenäht? Ist das eine Insel oder was? So eine Art Sanatorium für Verrückte?"

Eine innere Stimme flüsterte ihm zu: "Nein, die Wahrheit sieht anders aus. Du hast das längst erkannt und willst es nur nicht anerkennen. Weil es wehtut."

Der zweite Mann schob den ersten unsanft beiseite und rief herunter: "He, Junge, ganz ruhig, sonst schießt mein Kumpel doch noch. Er ist der beste Schütze vom ganzen Bataillon. Der hat mehr Dinger abgeknallt als du dir vorstellen kannst. Es kommt immer wieder vor, daß eins mal durchdreht, einfach aus der Reihe tanzt. Für solche Pannen sind wir da."

Der erste Mann rief triumphierend: "Siehst du, das Ding da unten dreht jetzt auch durch. Also, worauf warten wir noch?"

Der zweite Mann reagierte gar nicht. Er verließ die Buschreihe und kam zu Jan herab. Bei jedem Schritt sank er mit den Füßen tief im lockeren Sand ein. Er näherte sich immer mehr.

Es war ein ganz normaler Mann, der freundlich lächelte und die Arme hob, als wollte er Jan wie einen alten Freund umarmen.

Jan runzelte die Stirn. Er schielte zu dem ersten Mann hinauf, der unschlüssig mit dem Gewehr hantierte.

"Ruhig Blut!" beschwor der zweite Mann. "Es ist wird alles gut, wenn du Vertrauen hast, mein Junge!"

"Blut?" schimpfte der erste Mann und packte sein Gewehr fester. Seine Miene verfinstert sich. Ja, Jan konnte es tatsächlich sehen, trotz der Entfernung. Wie war das denn möglich? "Junge?" fügte der Mann hinzu und spuckte verächtlich in den Sand. "Begib dich nur in Gefahr. Als wenn du nicht wüßtest, was mit denen geschieht, wenn sie erst mal die Wahrheit erkannt haben."

Die Wahrheit!

Jan sah den näherkommenden Mann, beobachtete ihn genau. Der Mann wirkte freundlich, gutmütig. Ja, gewiß, er meinte es gut mit ihm. Aber er war ebenfalls bewaffnet. Das Gewehr hatte er geschultert, an der Hüfte baumelte ein Ding, das entfernt aussah wie eine Pistole.

Jans Blick saugte sich regelrecht daran fest. Eine eigenartige Pistole war das. So eine hatte er noch nie zuvor gesehen. In keinem Film.

Auf einmal war ihm, als sei er in einen futuristischen Science-Fiction-Film geraten. Alles erschien so unwirklich, so skurril, so absurd... Und doch...

Ich bin - ein Roboter! dachte Jan. In Wirklichkeit bin ich - ein verdammter Roboter. Ja, das gibt es. Ganz offensichtlich. Noch vor Minuten war ich einfach ein verzweifelter Dreizehnjähriger auf einem primitiven Floß gewesen, mitten im Ozean - und jetzt bin ich hier, bin ich ein - Roboter!

Nein, nicht ich habe mich verändert, sondern meine Umgebung. Ich war noch nie ein richtiger Mensch gewesen. Ich habe nur so gelebt, habe mich nur als Dreizehnjähriger mit Namen Jan Herwig gefühlt. Ganz programmgemäß. In einer Scheinwirklichkeit, aus der ich durch einen dummen Zufall entkam.

Aber jetzt bin ich hier und muß handeln, ehe es zu spät ist!

Der Mann war nahe genug. Jan sprang vor.

Der Mann war freundlich. Er meinte es wirklich gut. Er wollte verhindern, daß sein Kollege auf Jan schoß. Wahrscheinlich eine Ausnahme bei den Wächtern. Wie groß war denn Jans Chance, wenn er sich ergab?

Nein, der erste Mann hatte deutlich gemacht, was er von Robotern wie Jan hielt. Für ihn hatten sie den Wert von Pappkameraden auf dem Schießstand. Es war kaum vorstellbar, daß er damit eine Ausnahme bildete. Sonst hätte er sich vor Bestrafung fürchten müssen.